Endlich erwachsen?! - Landesvereinigung für Gesundheit und ...
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Schwerpunkt<br />
Impu!se 78 | 2013<br />
beitsverhältnis übernimmt, auch nicht auf ein Jahr befristet.<br />
Angeboten wurde den Auszubildenden jedoch die Übernahme<br />
in ein Zeitarbeitsunternehmen, das mit dem betreffenden<br />
Automobilunternehmen kooperiert. Von der Ausbildung in<br />
die Leiharbeit – inzwischen die Realität vieler Azubis, denn ca.<br />
40 % der Auszubildenden werden nicht von den Ausbildungsbetrieben<br />
übernommen. Was bei Nicht-Übernahme folgt, ist<br />
– wie die Statistik zeigt – häufig die Arbeitslosigkeit oder der<br />
»Ausweg« in atypische Beschäftigungen.<br />
Leiharbeit als Lebensarbeitsperspektive?<br />
Hier spitzen sich die Probleme der jungen Erwachsenen zu:<br />
Mehr als die Hälfte der Leiharbeitenden ist jünger als 36 Jahre.<br />
Fast 40 % der unter 30-Jährigen mit einer Vollzeit-Tätigkeit haben<br />
keinen festen Arbeitsplatz, sondern bekommen ihren<br />
Lohn von einem Zeitarbeitsunternehmen. Damit sind erhebliche<br />
Probleme verb<strong>und</strong>en. Leiharbeitskräfte fühlen sich aufgr<strong>und</strong><br />
ihres Beschäftigungsverhältnisses strukturell in den<br />
Entleihunternehmen ausgegrenzt. Leiharbeitende sind unzufriedener<br />
mit ihren Arbeitsumständen <strong>und</strong> stehen unter besonderem<br />
Druck, belegen Studien. Psychische Erkrankungen<br />
machen die meisten Arbeitsunfähigkeitstage bei Krankschreibungen<br />
von Leiharbeitskräften aus – obwohl man davon ausgehen<br />
muss, dass sie in der Hoffnung auf eine mögliche Übernahme<br />
oft trotz ges<strong>und</strong>heitlicher Probleme zur Arbeit gehen<br />
(Präsentismus). Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swissenschaftlerinnen<br />
<strong>und</strong> -wissenschaftler warnen vor den Folgen: Diese Probleme<br />
belasten junge Menschen, die noch weitere 30 bis 35<br />
Jahre dem Arbeitsmarkt bzw. <strong>für</strong> die Erwerbsarbeit zur Verfügung<br />
stehen müssen.<br />
Armutsgefährdung hängt mit atypischer Erwerbstätigkeit<br />
zusammen<br />
Bis zur Einführung des Mindestlohns lag der durchschnittliche<br />
Bruttost<strong>und</strong>enverdienst von Leiharbeitskräften nur knapp<br />
über dem Lohnniveau der Geringfügigkeit, das wiederum<br />
ca. 50 % des Entgeltes von Normalarbeitnehmerinnen <strong>und</strong><br />
-arbeitnehmern beträgt. Dadurch gelten über 80 % der geringfügig<br />
Beschäftigten als Niedriglohnbeziehende; in der<br />
Leiharbeit sind es noch zwei Drittel <strong>und</strong> insgesamt r<strong>und</strong> die<br />
Hälfte aller atypisch Beschäftigten. Mit zunehmender Berufserfahrung<br />
<strong>und</strong> zunehmendem Alter steigt gemeinhin auch<br />
das Einkommen. Dies gilt ebenfalls <strong>für</strong> den Bereich atypischer<br />
Beschäftigung. Somit liegt auch hier das Risiko, nur einen<br />
Niedriglohn zu erhalten, vor allem bei den Jüngeren. Seit<br />
Einführung des Mindestlohns ist eine Zunahme der Beschäftigungsverhältnisse<br />
mit Werkvertrag festzustellen. Damit<br />
können erneut der Mindestlohn <strong>und</strong> ebenso betriebliche Arbeitsschutzbedingungen<br />
unterlaufen werden. Auch eine statistische<br />
Ermittlung dieses Beschäftigungsverhältnisses ist gegenwärtig<br />
so gut wie nicht möglich.<br />
Während 6 % aller Erwerbstätigen von Armut bedroht sind,<br />
sind dies 14 % bei atypischer Beschäftigung. Über die gravierenden<br />
finanziellen Folgen hinaus tragen atypische Beschäftigungsverhältnisse<br />
auch dazu bei, dass die soziale Teilhabe der<br />
Menschen erschwert wird. Befristungen oder Leiharbeitsstellen<br />
bringen häufige Arbeitsplatzwechsel mit sich. Die geforderte<br />
Mobilität erschwert die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte.<br />
Und die Unsicherheit über die berufliche Zukunft lässt<br />
auch die private Zukunftsplanung stagnieren. Studien belegen,<br />
dass die Dauer von atypischer Beschäftigung zu Beginn<br />
des Erwerbslebens <strong>und</strong> die Aussichten, den Übergang in reguläre<br />
Arbeitsverhältnisse zu bewerkstelligen, die Entscheidung<br />
beeinflussen, ob <strong>und</strong> zu welchem Zeitpunkt eine Familie gegründet<br />
wird. In Zeiten einer schrumpfenden, alternden Gesellschaft<br />
eine fatale Situation.<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Prof. Dr. habil. Thomas Langhoff, Kleppingstraße 20, 44135 Dortm<strong>und</strong>,<br />
Tel.: (02 31) 55 69 76 18, Fax: (02 31) 55 69 76 30,<br />
E-Mail: langhoff@prospektiv-do.de<br />
Florian Straus<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>liche Risiken im Übergang<br />
zum Berufsalltag<br />
Die nach wie vor hohe Bedeutung der beruflichen Einstiegsphase<br />
<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Risiken, nicht den eigenen<br />
oder / <strong>und</strong> den Erwartungen der anderen (Eltern, Fre<strong>und</strong>e, Gesellschaft)<br />
gerecht zu werden, bilden <strong>für</strong> nahezu alle jungen<br />
Erwachsenen einen Stressfaktor. So kann man zumindest die<br />
geringere subjektive Zufriedenheit mit der eigenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />
interpretieren, die bei jungen Erwachsenen in der Ausbildungsphase<br />
im Unterschied zu berufstätigen Erwachsenen<br />
zwischen 30 <strong>und</strong> 45 Jahren zu beobachten ist. Neben der<br />
niedrigeren subjektiven Zufriedenheit zeigt sich bei jungen<br />
Erwachsenen in diesem Übergang auch ein leichter Anstieg<br />
von psychischer <strong>und</strong> psychosomatischer Symptomatik um<br />
etwa 10 %.<br />
Wenn der Übergang zu scheitern droht<br />
Trotz der guten aktuellen konjunkturellen Situation gibt es<br />
noch immer eine erhebliche Zahl junger Menschen, denen<br />
der Übergang ins Erwerbsleben nicht gelingt. Sie scheitern an<br />
der Anforderung, eine Ausbildung oder / <strong>und</strong> kontinuierliche<br />
Beschäftigungsverhältnisse zu finden. Ihr Anteil spiegelt sich<br />
heute weniger in den aktuellen Zahlen der Arbeitslosenstatistik<br />
wider als vielmehr in der Quote aller, die bis zum Alter von<br />
29 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung bleiben.<br />
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