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Kennen Sie den Pharisäer? - Husum-Stadtgeschichte

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<strong>Kennen</strong> <strong>Sie</strong> <strong>den</strong> Pharisäer? - Hanswerner Röhr<br />

<strong>Kennen</strong> <strong>Sie</strong> <strong>den</strong> Pharisäer?<br />

,,Ihr scheinheiliges Volk, Ihr Pharisäer! ,, , mit diesem Ausruf des Pastors<br />

bei einer Taufe auf Nordstrand bekam das Getränk seinen Namen<br />

Von Hanswerner Röhr<br />

Zu <strong>den</strong> schönen Ausflugszielen in<br />

der näheren Umgebung <strong>Husum</strong>s<br />

gehört auch die Insel Nordstrand,<br />

die über <strong>den</strong> Festlandsdamm erreichbar<br />

ist.<br />

Wer nach Nordstrand kommt, wird<br />

sicherlich auch mit dem ,,Pharisäer‘‘<br />

in Berührung kommen.<br />

Was ist nun ein ,,Pharisäer‘‘? - Um<br />

was und um welche Substanz es<br />

sich handelt, ließe sich mit wenigen<br />

Worten sagen. Da aber der ,,Nordstrander<br />

Pharisäer‘‘ seine<br />

Geschichte hat, muss man diese<br />

erst kennen, ehe man weiß, um was<br />

es sich handelt.<br />

Den ,,Strandern‘‘ - ,,Strandingern‘‘,<br />

wozu einst auch die ,,Rungholter<br />

gehörten, sagte man großen Reichtum<br />

nach, der zur Schlemmerei und<br />

zu allerlei lästerndem Übermut verleiten<br />

ließ. So erzählt die Rungholtsage,<br />

dass einige Bauern in einem<br />

Wirtshaus eine Sau betrunken<br />

machten, ihr eine Nachtmütze<br />

aufsetzten und sie ins<br />

Bett legten. Darauf ließen<br />

sie <strong>den</strong> Prediger,<br />

<strong>den</strong> sie sich als Opfer<br />

ihres Übermutes auserkoren<br />

hatten, ersuchen,<br />

er möchte ihrem<br />

Kranken das Abendmahl<br />

reichen. - Infolge dieser Lästerung<br />

sollen durch das Strafgericht<br />

Gottes in der großen ,,Manndränke‘‘<br />

viele Strander ertrunken und<br />

viel Land untergegangen sein, auch<br />

der bedeutende Ort Rungholt.<br />

tragen, dass bei einer Kindstaufe<br />

viele Gäste zusammenkamen. An<br />

der Kaffeetafel nahm auch der<br />

Inselpastor teil. Bei ernsten, feierlichen<br />

Anlässen, an <strong>den</strong>en auch der<br />

Pastor teilnahm, wurde kein Alkohol<br />

serviert. Man trank nach Sitte<br />

und Gewohnheit ,,Kaffee‘‘, starken<br />

Kaffee, der mit einer Blume von<br />

geschlagener Sahne abgedeckt<br />

wurde. Dem Gastgeber musste die<br />

Ehre erwiesen wer<strong>den</strong>, mindestens<br />

zehn bis zwölf Tassen davon zu<br />

trinken. Dem Pastor war die Trinkfreudigkeit<br />

der Nordstrander bekannt,<br />

ihm war auch sehr wohl<br />

bekannt, dass sie statt Kaffee lieber<br />

schärfere Sachen tranken.<br />

Um ihnen aber zu beweisen, dass<br />

man auch ohne Alkohol fröhlich<br />

sein konnte, erzählte er während<br />

der ausgedehnten Kaffeetafel spaßige<br />

Geschichten, Anekdoten und<br />

viele andere lustige Dinge. Mit<br />

Die jetzige Insel Nordstrand ist ein<br />

verbliebener Teil des untergegangenen<br />

alten ,,Strandes‘‘. Die Bewohner<br />

sind sittsamer gewor<strong>den</strong>. <strong>Sie</strong><br />

verstehen es aber immer noch, gut<br />

zu leben, gerne und ausgiebig zu<br />

feiern, wobei sie handfeste Getränke<br />

nicht verabscheuen und mit<br />

Humor und Ulk nicht geizen. So hat<br />

es sich dort vor vielen Jahren zugeinnerer<br />

Genugtuung stellte er fest,<br />

dass die Gäste immer lustiger wur<strong>den</strong><br />

und seine Bemühungen, die<br />

Stimmung zu heben, von Erfolg<br />

gekrönt wur<strong>den</strong>. Er hatte aber nicht<br />

bemerkt, dass der Gastgeber in der<br />

Zwischenzeit mit der Mamsell in<br />

der Küche abgemacht hatte, die<br />

Kaffeetassen der anwesen<strong>den</strong> Gäste<br />

- <strong>den</strong> Pastor natürlich ausgenommen<br />

- nicht nur mit Kaffee und<br />

Sahne zu füllen, sondern in jede<br />

Tasse einige Stücke Zucker und<br />

einen guten Schuss Rum hineinzutun.<br />

Damit der Pastor <strong>den</strong> Geruch<br />

des Rums nicht verspürt, müsse sie<br />

auf das ,,getarnte‘‘ Kaffeegetränk<br />

eine besonders starke Schicht<br />

geschlagene Sahne füllen. Während<br />

die eingeweihten Gäste<br />

unter Augenzwinkern mit besonderem<br />

Behagen Runde um Runde<br />

von dem ,,getarnten‘‘<br />

Kaffeegetränk tranken,<br />

stieg die Stimmung und<br />

der nichtsahnende Inselpastor<br />

war begückt und<br />

wurde zugleich ermutigt,<br />

immer neue Schnurren<br />

zum Besten zu geben. -<br />

Das Unglück wollte es,<br />

vielleicht hatte man<br />

auch in der Küche<br />

schon zuviel von dem<br />

neuen Getränk probiert,<br />

dass durch ein Versehen die<br />

Tassen verwechselt wur<strong>den</strong> und<br />

der Pastor auch eine Tasse mit dem<br />

veredelten Inhalt bekam. Sofort<br />

nach dem ersten Schluck merkte er<br />

<strong>den</strong> Zusatz des Rums. Grob erbost,<br />

so hintergangen wor<strong>den</strong> zu sein,<br />

stand er auf und rief empört:<br />

,,Ihr scheinheiliges Volk, Ihr Pharisäer!‘‘<br />

Mit diesem Ausruf hatte das<br />

getarnte Getränk, das so köstlich<br />

gemundet hatte, auch seinen<br />

Namen bekommen.<br />

Dieses Erlebnis ging auf der Insel<br />

schnell von Mund zu Mund und<br />

jeder musste einmal probieren, wie<br />

BERICHTE UND GESCHICHTE AUS HUSUM UND UMGEBUNG 1


so ein ,,Pharisäer‘‘ schmeckt. Der<br />

,,Pharisäer‘‘ wurde so zum Nationalgetränk<br />

der Nordstrander.<br />

Nach <strong>den</strong> Aufzeichnungen des Wattenforschers<br />

Andreas Busch, Nordstrand,<br />

verstand es die Wirtin Annkathrin<br />

Nommensen, die von 1893<br />

bis 1917 in der Koogswirtschaft<br />

waltete, besonders gut, <strong>den</strong> ,,Pharisäer‘‘<br />

zuzubereiten. Zu ihrer Zeit<br />

wurde die Gastwirtschaft der<br />

Gemeinde Elisabeth-Sohpien-Koog<br />

immer mehr ,,Pharisäerkrug‘‘ genannt.<br />

Leider brannte der Krug<br />

nach einem Blitzschlag im Jahre<br />

1945 ab und wurde nicht wieder<br />

aufgebaut.<br />

Weerst Du bi uns hier op Nordstrand<br />

un fohrst torüch na’t Binnenland -<br />

hest uns mit Din Besök beehrt<br />

un hest ,,Pharisäer‘‘ hier keen een probeert,<br />

<strong>den</strong>n mark Di eens op uns lütt Land:<br />

Wer keen Pharisäer drunk,<br />

kennt nicht Nordstrand!<br />

Das Rezept hat sich herumgesprochen,<br />

so dass man auch auf<br />

dem Festland einen anständigen<br />

,,Pharisäer‘‘ bekommt. Die Nordstrander<br />

sind besonders stolz auf ihr<br />

,,Nationalgetränk‘‘ und animieren<br />

die Gäste mit nebenstehendem<br />

Spruch:<br />

Links:<br />

Der alte<br />

Pharisäerkrug<br />

im Elisabeth-<br />

Sophien-Koog<br />

auf Nordstrand,<br />

der 1945 durch<br />

Blitzschlag<br />

abgebrannt und<br />

nicht wieder<br />

aufgebaut.<br />

wurde.<br />

Die große Manndränke am 16. Januar 1362 überflutete und vernichtete große<br />

Teile dieser Landschaft. 50000 Menschen ertranken in <strong>den</strong> Frieslan<strong>den</strong>. Der größte<br />

Teil der Edomsharde mit dem sagenumwobenen Rungholt wurde in dieser<br />

grausigen Flut vernichtet. Übrig blieben Altnordstrand und die nördlichen<br />

Geestinseln.<br />

Die nachgezeichneten<br />

Umrisse zeigen<br />

Pellworm,<br />

Nordstrand<br />

und das jetzige<br />

Festland.<br />

Zwischen Pellworm<br />

und<br />

Nordstrand<br />

lag das untergegangene<br />

Rungholt.<br />

Der Pharisäerhof im Elisabeth-Sophien-<br />

Koog auf Nordstrand. Hier bekam das<br />

Getränk seinen Namen.<br />

Im Jahre 1654<br />

begann man<br />

mit der Eindeichung<br />

des<br />

Friedrich-<br />

Kooges, dem<br />

heutigen Alten<br />

Koog. Schon<br />

im Jahre 1658<br />

hatte man das<br />

östlich davon<br />

gelegene Land<br />

dem Meere<br />

entrissen und<br />

eingedeicht.<br />

Man nannte ihn<br />

<strong>den</strong> Osterkoog.<br />

Mit dem Auto über das Eis, neben dem<br />

1906 gebauten Verbindungsdamm,<br />

konnte man Nordstrand selten erreichen.<br />

Heute fährt man bequem über<br />

<strong>den</strong> Nordstrander Damm auf die Insel.<br />

Quellen:<br />

• <strong>Husum</strong>-Heft 2/64,<br />

Friedrich Petersen Verlag, <strong>Husum</strong><br />

• Foto alter Pharisäerkrug: A. Busch<br />

• Nordstrand.de<br />

• Sammlung Hw.Röhr<br />

2<br />

BERICHTE UND GESCHICHTE AUS HUSUM UND UMGEBUNG

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