Die Husumer StraÃennamen im Ãberblick - Husum-Stadtgeschichte
Die Husumer StraÃennamen im Ãberblick - Husum-Stadtgeschichte
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<strong>Die</strong> <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Straßennamen <strong>im</strong> Überblick<br />
Phasen der Stadtentwicklung und Grundzüge der Namengebung<br />
Von Christian M. Sörensen<br />
Einleitung:<br />
Hier soll keine vollständige Bestandsaufnahme der <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Straßennamen<br />
geboten werden, schon gar keine eingehende Erläuterung. Das bleibt späteren<br />
Bemühungen vorbehalten, zumal es sich um eine umfangreiche Aufgabe handelt,<br />
die am besten durch Gemeinschaftsarbeit bewältigt werden sollte, wie sie<br />
auch schon in der Gesellschaft für <strong><strong>Husum</strong>er</strong> <strong>Stadtgeschichte</strong> <strong>im</strong> Gespräch ist.<br />
Immerhin umfasst die Liste der Stadtverwaltung nach dem Stande vom Juni<br />
2010 insgesamt 328 Namen für Straßen und Plätze. - In diesem Beitrag sollen<br />
nur einige wesentliche Abschnitte der Stadtentwicklung und Grundzüge der<br />
Straßenbenennung beleuchtet werden.<br />
Wie stark gerade in den letzten 25 Jahren die Bautätigkeit und damit die Zahl<br />
der Straßennamen zugenommen hat, zeigt folgende Aufstellung:<br />
Anzahl der <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Straßennamen (nach Angaben des Bauamts)<br />
1984: über 160; 1996: 243; März 2000: 250; Juni 2010: 328<br />
<strong>Die</strong> Verdoppelung innerhalb der letzten 25 Jahre geht auf verschiedene neue<br />
Baugebiete, aber auch auf die Eingemeindung von Schobüll <strong>im</strong> Jahre 2007 zurück,<br />
als über 50 Straßennamen hinzukamen.<br />
Phase: Von der Stadtgründung um 1400 bis zur Blütezeit um 1540<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung:<br />
Vorweg sei zur Klarstellung betont: <strong>Die</strong> vom <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Lokalhistoriker Christian<br />
Ulrich Beccau (1809-1867) vertretene Auffassung, <strong>Husum</strong> sei allmählich<br />
aus einem Dorf zur Stadt angewachsen, also keine planmäßige Gründung,<br />
wurde bis ins 20. Jahrhundert übernommen und ist inzwischen überholt. Der<br />
Verfasser dieses Beitrags hat schon in Heft1 (1988) dieser Beiträge zur Hu -<br />
sumer <strong>Stadtgeschichte</strong> (S. 11-46) nachgewiesen, dass <strong>Husum</strong> sehr wohl eine<br />
planmäßige Stadtgründung am Anfang des 15. Jahrhunderts war. Wohl gab es<br />
schon die Dörfer Oster- und Westerhusum, aber zwischen ihnen wurde nach<br />
klarem Konzept eine Handels- und Handwerkersiedlung entwickelt, mit geraden<br />
Straßen, einem Marktplatz mit Kirche und einem Verwaltungssitz, eben<br />
dem Herrenhaus. <strong>Die</strong> Gründung verfügte vor allem über eine neue, durch die<br />
Sturmflut von 1362 geschaffene Seeverbindung.<br />
83
<strong>Die</strong>se stadtartige Siedlung, 1438 Husem genannt, hatte damals über 100<br />
Häuser und damit 500-600 Einwohner und wuchs unter Einbeziehung des<br />
randständigen Baubestandes der Nachbardörfer und durch Eingemeindung der<br />
Neustadt („Nigenstadt“) 1526 zügig zur großen Hafenstadt heran, die um 1540<br />
rund 2.800 Einwohner und zwischen 1500 und 1520 vierzig große, seetüchtige<br />
Schiffe hatte. Somit lag <strong>Husum</strong> an der Spitze in den Herzogtümern Schleswig<br />
und Holstein. Flensburg, bald danach eindeutig die führende Hafenstadt<br />
<strong>im</strong> Lande, lag allenfalls auf gleicher Höhe. Kiel war damals noch kleiner,<br />
Lübeck als Freie Reichsstadt zählte nicht zu Schleswig-Holstein.<br />
Es gibt für diese Stadtgründung zwar keine eigentliche herrschaftliche<br />
Gründungsurkunde, wohl aber lassen sich an vorhandenen Dokumenten<br />
Schritte zur Gründung ablesen, z. B. an der Urkunde von 1431 der Schritt zum<br />
Bau einer eigenen Kirche und damit zur allmählichen Loslösung von der Mutterkirche<br />
Mildstedt (siehe Sörensen, Neue Gesichtspunkte).<br />
Zu den Grundzügen der Straßenbenennung:<br />
<strong>Die</strong> Grundzüge sind klar und eindeutig und waren es auch für die damaligen<br />
Einwohner. Maßgeblich für die Namen bei der Gründung waren die H<strong>im</strong>melsrichtungen:<br />
<strong>Die</strong> beiden parallelen Hauptstraßen hießen Norder- und Süderstraße,<br />
die beide ganz von der Westgrenze der Siedlung bis zu ihrer Ostgrenze<br />
reichten. <strong>Die</strong> Norderstraße ging also <strong>im</strong> Westen bis an die Hohle Gasse, umfasste<br />
also auch die spätere Großstraße. Der Name Großstraße taucht <strong>im</strong> <strong><strong>Husum</strong>er</strong><br />
Urkundenbuch (HUB) erst 1566 auf, und zwar in der Form „in der Norder grothen<br />
strathen“ (HUB Nr. 548). Im östlichen Teil ging die Bezeichnung ebenfalls<br />
weiter als heute, nämlich nicht nur bis zum Kuhsteig, sondern sogar über das<br />
Gasthaus St. Jürgen hinaus, so 1555 (HUB Nr. 477), wenn auch schon seit 1473<br />
die Bezeichnungen Osterende und Westerende vorkommen. Natürlich wurde bis<br />
1540 noch die niederdeutsche Sprachform benutzt, auch in den Urkunden. Erst<br />
um 1600 vollzog sich in den Urkunden der Wechsel zur hochdeutschen Sprache.<br />
Im Laufe der Entwicklung bis 1540 kamen eine Reihe von Querstraßen hinzu,<br />
so z. B. die Hohle Gasse (1441 „in der halenstraten“; HUB Nr. 8), Twiete<br />
(1470; HUB Nr. 23) und Kuhsteig (1484 „koestich“; HUB Nr. 72). Hier wurde<br />
die Benennung also nach dem topographischen Zustand bzw. nach der Funktion<br />
vorgenommen. - <strong>Die</strong> lange Süderstraße erfuhr eine Unterteilung: Der westliche<br />
Teil von der Krämerstraße bis zur später benannten Herzog-Adolf-Straße erhielt<br />
einmal den Namen St. Mertensstraße (HUB Nr. 87) bzw. St. Martenstraße (so<br />
HUB, S. 352), zum anderen den Namen „Papenstrat, weil dort die Geistlichen<br />
wohnten“ (R. Fester, S. 116). <strong>Die</strong> dänischen Herausgeber Falkenstjerne und Hude<br />
haben in der Bede-Liste, der Steuerliste von 1540, den Namen als „St. Marthens<br />
Gade“ wiedergegeben, also mit „h“ (S. 332). Ob dieser Teil der Süderstraße<br />
vielleicht auch nach der Marienkirche benannt wurde? Übrigens wird die<br />
Wasserreihe schon 1469 genannt (HUB Nr. 22), gemeint ist aber wohl noch die<br />
spätere Krämerstraße.<br />
In der Bede-Liste von 1540 sind die Häuser mit insgesamt 624 Wohnungen<br />
verzeichnet, und zwar geordnet nach sechs Quartieren. Zusätzlich finden sich<br />
dort folgende Angaben: Klostergang (der spätere Schlossgang), „Stokhus“<br />
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(Gefängnis), St. Jürgen Kirchhof, Neustadt, Quickmarkt und Langenharmstraße<br />
(Falkenstjerne/Hude, S. 327-335). - Im <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Urkundenbuch wird noch<br />
für 1465 als westliche Begrenzung des St. Jürgen-Anwesens die „Dwherstrate“<br />
= Querstraße genannt (HUB Nr. 18), die vermutlich parallel zum später<br />
ausgebauten Plan verlief. <strong>Die</strong>se Namen richten sich fast alle nach den anliegenden<br />
Einrichtungen. Nur ein Name bezieht sich auf eine Person, nämlich<br />
den langen Harmen Hoyer, den Obristen und Schwiegersohn des Herzogs und<br />
späteren dänischen Königs Friedrich I.<br />
<strong>Die</strong> 2. Entwicklungsphase 1540 bis 1769<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung:<br />
Wir fassen hier die zweite Phase mit über 200 Jahren so weit, weil damals <strong>Husum</strong><br />
kein wesentliches Wachstum erlebte. Im Jahre 1769 zählte die Stadt genau<br />
3.384 Einwohner, also nur rund 500 mehr als 1540. Dafür gab es mehrere<br />
Ursachen: 1540 und 1549 wurde die Ortsmitte von zwei Großbränden he<strong>im</strong>gesucht,<br />
1566 starben wohl an die 1.500 Einwohner an der Pest, die wiederholt<br />
bis zum Jahre 1582 weitere Opfer forderte (siehe Gesch. <strong>Husum</strong>s, S. 65).<br />
Kriegslasten, so 1559 be<strong>im</strong> Feldzug gegen Dithmarschen, aber besonders <strong>im</strong><br />
30-jährigen Krieg (1618-1648) und dann die große Sturmflut von 1634, die<br />
<strong>Husum</strong>s Kornkammer auf dem Strand zerriss, schwächten die Wirtschaftskraft<br />
der Stadt weiter. Handelskonkurrenz sowohl aus Ost- als auch aus Westfriesland,<br />
aber auch von den Nachbarorten Friedrichstadt und Tönning tat weiteren<br />
Abbruch. Vo r allem sind da die Ausfuhrverbote für Korn und Malz <strong>im</strong> Jahre<br />
1596 zu nennen (siehe Möller, Blütezeit). Eine allgemeine Ursache für den<br />
Rückgang war nach der Entdeckung Amerikas die <strong>im</strong>mer stärkere Verlagerung<br />
des Handels von der Nord- und Ostsee in den Atlantik. Aber auch eine lokale<br />
Ursache wirkte sich zunehmend lähmend aus: Mit der schon vor 1600 einsetzenden<br />
Verschlickung verloren Hafen und Stadt an überregionaler Bedeutung.<br />
Nördlich vor <strong>Husum</strong> wurde 1577-1582 das Schloss errichtet, das fortan viel<br />
Personal aus der Stadt beschäftigte. - Im Jahre 1603 wurde <strong>Husum</strong> endlich<br />
auch formal zur Stadt erhoben, obwohl sie da schon Stillstand, ja Rückgang erlebte.<br />
<strong>Die</strong> Verleihung des Stadtrechts wäre angesichts der Bedeutung des Ortes<br />
bereits <strong>im</strong> 15. Jahrhundert fällig gewesen, war jedoch wegen der Beteiligung<br />
am Aufstand von 1472 auf die lange Bank geschoben worden.<br />
Zu den Grundzügen der Straßenbenennung 1540 bis 1769:<br />
Im <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Urkundenbuch werden nach 1540 mehrere Straßen erstmalig<br />
genannt, die fast alle auch heute noch in Gebrauch sind: 1541 Krämerstraße<br />
(HUB Nr. 379), 1554 Kleine Straße (HUB Nr. 472), 1455 „Monnickegang“ =<br />
Mönkeweg (HUB Nr. 480), 1569 Kleikuhle (HUB Nr. 560). Bereits 1431 wurde<br />
die Mittelstraße <strong>im</strong> Westerende genannt (HUB Nr. 307). <strong>Die</strong>s ist die erste<br />
Bezeichnung für die heutige Rosenstraße, die bekanntlich in der Mitte zwischen<br />
Wasserreihe und Langenharmstraße liegt. Sie hieß 1575 Hans-Backsen-<br />
Straße nach dem Besitzer von Haus und Grundstück in der Straße, die noch<br />
85
um 1680 Privatweg war (nach U. A. Christiansen, S. 79). Hier wurde also ein<br />
Personenname für die Benennung herangezogen, ansonsten waren wie vorher<br />
maßgeblich der topographische Zustand (Wasserreihe, Kleine Straße) und die<br />
Funktion (Krämerstraße, Mönkeweg).<br />
Noch zwei weitere Straßen seien für diese 2. Entwicklungsphase erwähnt,<br />
deren Namen zwar heute überholt sind, aber doch historische Hinweise geben.<br />
Wir finden sie in einer Liste zur Rebellensteuer, wie sie bekanntlich nach 1472<br />
<strong><strong>Husum</strong>er</strong> Bürgern auferlegt wurde. <strong>Die</strong> Liste gibt den Stand von 1680 wieder<br />
und nennt u. a. die Pracherstraße und die Breitestraße (siehe U. A. Christiansen,<br />
S. 75 ff). Pracherstraße heißt Armenstraße. Sie heißt später Fischerstraße<br />
und heute Nordbahnhofstraße. <strong>Die</strong> Breitestraße wird <strong>im</strong> Urkundenbuch schon<br />
1587 als „Bredenstrate“ erwähnt (HUB Nr. 656), hieß also über Jahrhunderte<br />
so, ehe sich der Name Großstraße durchsetzte. In ihrer trapezähnlichen Form<br />
diente sie ursprünglich als Marktplatz auch für den Viehhandel.<br />
<strong>Die</strong> 3. Entwicklungsphase von 1769 bis 1862<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung:<br />
<strong>Die</strong> gewählten Phasengrenzen ergeben sich daraus, dass für 1769 die erste<br />
Volkszählungsliste und für 1862 eine Karte des Straßennetzes vorliegen. In<br />
diesem über rund 100 Jahre dauernden Zeitabschnitt stieg die Bevölkerung der<br />
Stadt von 3.384 auf 4.816 Einwohner <strong>im</strong> Jahre 1860, also <strong>im</strong>merhin um 50 %,<br />
wobei die letzten 20 Jahre einen besonders starken Schub brachten. Dabei<br />
dehnte sich die Stadt nicht einmal räumlich aus (vergl. Abb. S. 87), vielmehr<br />
wurde durch Ausbau der Häuser, auch auf den Hinterhöfen, und durch Lückenbebauung<br />
weiterer Wohnraum geschaffen, um die größte Wohnungsnot zu<br />
lindern. Eine wesentliche Ursache für dieses Anwachsen war, dass aufgrund<br />
der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführten Pocken<strong>im</strong>pfung die<br />
Kindersterblichkeit abnahm (vergl. Sörensen, Pockenschutz<strong>im</strong>pfung, S. 112 und<br />
I. E. Momsen, bes. S. 59 u. S. 63).<br />
Daneben brachten mehrere Maßnahmen, teils auf Initiative des 1824 gegründeten<br />
Commerziums, eine zunehmende Wirtschaftsbelebung: 1832 Gründung<br />
der Spar- und Leihkasse, die unter großem Einsatz 1847/48 durchgeführten<br />
Hafenarbeiten mit Vertiefung der Fahrrinne und Eindeichung des Dockkoogs,<br />
ebenfalls in den 1840er Jahren Bau der Chausseen nach Flensburg,<br />
Tönning, Friedrichstadt, Schleswig und 1858 nach Bredstedt , schon 1854<br />
Eisenbahn Flensburg-Rödemis-Tönning, 1858 Seeschleuse, Pflasterung von<br />
Straßen und Gasbeleuchtung. Auch privatwirtschaftliche Betriebe blühten auf,<br />
so Ziegeleien, Eisenwerk, Tabakwarenfabriken und Branntweinbrennereien<br />
(siehe Gesch. <strong>Husum</strong>s, bes. S. 133 f. u. S. 147 ff).<br />
Zur Straßenbenennung: Einteilung in Quartiere gilt weiterhin<br />
Neue Namen sind in dieser Periode kaum hinzugekommen, wie das abgebildete<br />
Schema von 1862 zeigt. Dort ist neu nur „vor dem Zingeltor“ verzeichnet,<br />
heute nur Zingel genannt.<br />
86
Schema der Straßen <strong>Husum</strong>s 1862. <strong>Die</strong>se vereinfachte Darstellung verdeutlicht,<br />
dass sich die Bebauung seit der Eingemeindung von Westerende und<br />
Neustadt (1526) in den über 300 Jahren bis 1862 kaum ausgedehnt hat. Es<br />
herrschte jahrhundertelang Stillstand in der Stadtentwicklung.<br />
(Aus: I. E. Momsen, S. 35)<br />
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Amtlich wurden weiterhin für die Bezeichnung der Häuser ohnehin nicht<br />
die Straßennamen, sondern die Quartiere mit den Hausnummern genannt. <strong>Die</strong><br />
Quartierseinteilung ging auf die Zeit bald nach 1500 zurück, begann mit vier<br />
und erweiterte sich mit der Eingemeindung der Neustadt 1526 auf sechs Quartiere.<br />
<strong>Die</strong> einzelnen Häuser wurden mit römischen Ziffern nach dem Quartier<br />
und mit arabischen nach der Hausnummer bezeichnet. So wurde das Haus<br />
Großstraße 1 amtlich mit I,1 angegeben. Da die Zuordnung <strong>im</strong> Laufe der Jahrhunderte<br />
aufgrund von zusätzlichen Neubauten zu Verwirrung führte, wurde<br />
diese Quartierseinteilung 1897 aufgegeben und durch bloße Straßenbezeichnungen<br />
und revidierte Hausnummerierung ersetzt (siehe <strong>Die</strong>trich/Koll).<br />
<strong>Die</strong> 4. Entwicklungsphase von 1862 bis 1897<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung:<br />
In diesen 35 Jahren, also <strong>im</strong> Zeitumfang einer Generation, wuchs die Einwohnerschaft<br />
von fast 5.000 erneut um 50 % auf rund 7.500 (1895: 7.470), machte<br />
also einen kräftigen Satz nach vorne. Wirtschaft und Infrastruktur setzten<br />
ihren nach 1850 begonnenen Aufwärtstrend verstärkt fort, trotz oder wohl sogar<br />
wegen des politischen Umbruchs von 1864. Denn maßgeblich für den weiteren<br />
Aufschwung waren u.a. Maßnahmen, die mit der Einverleibung Schleswig-Holsteins<br />
in Preußen und mit der Reichsgründung von 1871 in Verbindung<br />
standen. <strong>Husum</strong> wurde Kreisstadt und damit als Verwaltungssitz auch<br />
zuständig für die Nordergoesharde, also den Bredstedter Raum. Neue öffentliche<br />
Gebäude wurden eingeweiht: 1867 das Gymnasium in der Süderstraße,<br />
1876 die Bürgerschule Ecke Asmussenstraße / Erichsenweg, 1883 das Krankenhaus<br />
in der späteren Parkstraße, 1890 das Postamt in der Großstraße, 1887<br />
schon der Nordbahnhof. <strong>Die</strong> neue Eisenbahnlinie Hamburg-<strong>Husum</strong> wurde<br />
1887 eröffnet und bald nach Norden bis Tondern verlängert und leitete eine<br />
Entwicklung ein, die <strong>Husum</strong> <strong>im</strong> 20. Jahrhundert zum Eisenbahnknotenpunkt<br />
und zur Eisenbahnerstadt werden ließ. Der Viehmarkt, insbesondere der Fettviehmarkt,<br />
nahm eine gewaltige Entwicklung, exportierte zunächst nach<br />
Großbritannien und belieferte ab Ende der 1870er Jahre <strong>im</strong>mer mehr die Ballungsgebiete<br />
an Rhein und Ruhr. Der nahe Nordbahnhof wurde zur Verlade -<br />
station. 1888 wurde der neue Viehmarkt nördlich am Schlossgarten eröffnet.<br />
In der Gründerzeit entwickelten sich eine Reihe mittelständischer Betriebe.<br />
Das Stadtgebiet erfuhr zwei Erweiterungen: 1873 wurden der Porrenkoog und<br />
1875 der südwestliche Teil des Dorfes Nordhusum eingemeindet, also vor allem<br />
der Bereich der Nordhusumer Straße - für die Entfaltung des Viehmarktes<br />
und den Bau des Bahnhofs wichtige Maßnahmen. Daraus ergab sich auch die<br />
kräftige Entwicklung der Banken: Volksbank ab 1870, Stadtsparkasse ab 1880,<br />
Schleswig-Holsteinische Bank ab 1887 als Filiale.<br />
Zur Straßenbenennung: Viele neue Straßen<br />
<strong>Die</strong> Bebauung dehnte sich <strong>im</strong> Zeitraum 1862-1897 vor allem nach Norden aus,<br />
wo mehrere Wege zu Wohnstraßen wurden. Hinter der Groß- und Norderstraße<br />
88
und dem Osterende entstanden die Asmussenstraße, zunächst Katharinenstraße<br />
genannt, die Woldsenstraße und der Erichsenweg. <strong>Die</strong> Woldsenstraße wurde<br />
ab den 1880er Jahren bebaut. Im Jahre 1894 bildete sich der Arbeiter-Bauverein<br />
und begann schon <strong>im</strong> nächsten Jahr mit dem Bau der ersten Häuser <strong>im</strong><br />
Jebensweg (siehe Th. Friedrichsen, hier S. 72 f.). - Nordwestlich von der Neustadt<br />
entstanden als Verbindung vom Viehmarkt zum Nordbahnhof der Treibund<br />
der Stadtweg, der damals noch an der Grenze zur Gemarkung von Nordhusum<br />
lag.<br />
<strong>Die</strong> Benennung der Straßen erfolgte auch in dieser Phase hauptsächlich<br />
nach der Funktion bzw. nach Persönlichkeiten, und da vor allem nach Wohltätern<br />
aus <strong>Husum</strong>.<br />
<strong>Die</strong> 5. Entwicklungsphase von 1898 bis 1918<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung:<br />
In diesen zwei Jahrzehnten bis zum Ende des Ersten Weltkrieges setzten sich<br />
die vorher sichtbaren Aufwärtstendenzen in allen Bereichen noch verstärkt<br />
fort, so <strong>im</strong> Hafenbetrieb, wofür von 1902 bis 1904 eine neue Schleuse gebaut<br />
und das Hafenbecken vertieft wurden. <strong>Die</strong> neue Klappbrücke ersetzte ab 1909<br />
die Drehbrücke. 1910 wurde der neue Bahnhof erbaut, eine neue Bahnlinie<br />
über Mildstedt und Erfde nach Rendsburg und damit der Anschluss nach der<br />
schnell wachsenden Großstadt Kiel hergestellt. Dafür wurde das Bahnhofsgelände<br />
von Rödemis nach <strong>Husum</strong> umgemeindet. Im Straßenverkehr erschienen<br />
ab 1899 nach und nach mehr Personenautos, ab 1913 auch der erste Bus mit 14<br />
Sitzplätzen. Weitere Neuerungen in der Infrastruktur waren der Ausbau der<br />
Straßenbeleuchtung und die Gasversorgung für Kochzwecke, beides dank der<br />
1863 errichteten Gasanstalt. Hinzu kamen die Einrichtung der Warmbadeanstalt<br />
am Zingel, ebenso die Eröffnung der Telefonvermittlung ab 1897 und der<br />
zentralen Wasserversorgung mit dem Wasserturm von 1902. Ab 1900 wurde<br />
die Kanalisation gebaut, allerdings nur für Regen- und Schmutzwasser. <strong>Die</strong><br />
Kanalisation für Fäkalien kam erst langsam ab etwa 1930 (siehe Gesch. <strong>Husum</strong>s,<br />
S. 165). Bahn und Post entwickelten sich zu Großbetrieben. Daneben<br />
blühten aber auch private Wirtschaftsbetriebe in Handel und Produktion auf,<br />
so das 1852 gegründete Eisenwerk auf der Neustadt, die Bierbrauerei <strong>im</strong><br />
Schlossgang und die Möbeltischlerei auf der Rödemisser Hallig. <strong>Die</strong> Öffentliche<br />
Hand baute weitere große Gebäude, 1900 das Lyzeum und 1906/07 das<br />
Amtsgericht in der Theodor-Storm-Straße. Im Jahre 1905 entstand die Neue<br />
Schule an der Brinckmannstraße, damals als Nebengebäude der Bürgerschule,<br />
1939 offiziell zur Mittelschule erhoben.<br />
Zur Benennung der Straßen:<br />
Ab 1897 galten <strong>im</strong> Amtsgebrauch nur noch die Namen für die Straßen, nicht<br />
mehr die Bezeichnungen für die Quartiere.<br />
In den beiden Jahrzehnten von 1898 bis 1918 entstanden durch die Ausdehnung<br />
der Bebauung nach Norden und Osten zunächst als neue Straßen: Theo-<br />
89
dor-Storm-Straße und Gurlittstraße um 1900. Für die Verbindung zur Bürgerschule<br />
wurde 1898/99 von der Norderstraße her durch Abriss eines Hauses der<br />
Durchbruch nach Norden und damit die neue Schulstraße geschaffen. Ähnlich<br />
war für die Gurlittstraße der Durchbruch von der Neustadt nötig.<br />
Für eine geordnete Stadtplanung schuf Stadtbaumeister Hillbrecht ein Konzept<br />
in Form eines größeren Babauungsplans. Nach diesem Plan von 1900 entstanden<br />
<strong>im</strong> Nordwesten zwischen Nordhusumer Straße und Neustadt/Marktstraße<br />
die Brüggemann-, die Friesen- und die Magnus-Voß-Straße, und zwei<br />
Straßen <strong>im</strong> damaligen Nordosten, nämlich die Lornsen- und Klaus-Groth-<br />
Straße (siehe HN v. 5. 3. 1976: Neuere Stadtplanung gerade 75 Jahre alt“).<br />
Benennungsdaten 1898-1913:<br />
(nach Akte D 2/4120 <strong>im</strong> Kreisarchiv NF, Teil Stadtarchiv <strong>Husum</strong>)<br />
Vorbemerkungen: Aus den Unterlagen der Stadtverwaltung ergibt sich die folgende,<br />
allerdings unvollständige Übersicht. Dabei ist auch zu bedenken, dass<br />
die Benennungsdaten nur die ungefähren Bauanfänge anzeigen. <strong>Die</strong> Namengebung<br />
fand nämlich durchweg in der Anfangsphase der Bebauung einer Straße<br />
statt, manchmal ganz am Anfang, manchmal aber auch erst, wenn die ersten<br />
Häuser schon standen. In solchen Fällen wurden zunächst Arbeitstitel für die<br />
Baugebiete und, wie <strong>im</strong> Plan von 1900, Großbuchstaben für die einzelnen geplanten<br />
Straßen benutzt.<br />
1898 Schulstraße, Deichstraße<br />
1898/99 Theodor-Storm-Straße<br />
1898-1900 Brinckmann- und Gurlittstraße<br />
1902 Parkstraße (vorher Elisenstr.)<br />
1905 Brüggemannstraße<br />
1908 Adolf-Menge-Straße<br />
1911 Lornsen-, Schnell- u. Feldbergstraße<br />
1912 Asmussenstraße (Umbenennung; vorher Katharinenstr.)<br />
1913 An der Lämmerfenne (später Ludwig-Nissen-Str.), Herzog-Adolf-<br />
Straße, Plan wie bisher, jetzt auch für den Durchbruch nach<br />
Süden.<br />
Bei diesen Straßen wurden also Personen geehrt, die fast alle einen großen Namen<br />
<strong>im</strong> Kulturleben erworben hatten (der Bildschnitzmeister Brüggemann,<br />
der Dichter Klaus Groth, der <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Baupfleger Magnus Voß, der Wegbereiter<br />
der Erhebung von 1848 Uwe Jens Lornsen). Auch be<strong>im</strong> Namen Friesenstraße<br />
wurde aus der Geschichte geschöpft.<br />
Nach Süden wurde die Adolf-Straße 1910/11 (später Herzog-Adolf-Straße)<br />
zum neuen Bahnhof verlängert und die Poggenburgstraße geschaffen.<br />
Auch ehemalige Bürgermeister wurden mit einem Straßennamen bedacht,<br />
so Georg Heinrich Schnell (18. Jahrhundert) und Berend Wilhelm Feldberg<br />
(1849 2. Bürgermeister), die beide zugleich großzügige Stiftungen an die<br />
Stadt gaben. Gurlitt und Menge amtierten in der preußischen Zeit. Justizrat<br />
Matthias Friedrich Brinckmann hatte sich schon <strong>im</strong> 18. Jahrhundert als Gönner<br />
der Stadt Verdienste erworben und wurde als Namengeber best<strong>im</strong>mt, nach-<br />
90
Zur Entwicklung der Stadt <strong>Husum</strong> bis 1937. <strong>Die</strong>se Karte der Bauperioden<br />
zeigt: 1920-1937 sind viele Neubaugebiete hinzugekommen, besonders <strong>im</strong> damaligen<br />
Nordosten des Stadtgebiets. Ganz <strong>im</strong> Norden ist auch der Anfang der<br />
heutigen Berliner Straße zu sehen, die bis 1945 noch zur Kampsiedlung zählte.<br />
(Aus: G. Riese, S. 13)<br />
dem 1898 noch Danckwerth dafür vorgeschlagen worden war. Für den südlichen<br />
Teil blieb - auch nach Fürsprache des damals einflussreichen Bürgervereins<br />
- der Name Kuhsteig erhalten. Teils wurden auch wieder Bezeichnungen<br />
von Einrichtungen herangezogen (Schule, Park).<br />
<strong>Die</strong> 6. Entwicklungsphase von 1919 bis 1933<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung: Eingemeindung von Nordhusum vergrößert<br />
Stadtfeld<br />
In diesen 14 Jahren wuchs die Einwohnerzahl nur von 9.391 in 1919 auf<br />
10.864, also um mäßige 15 %. Schon daran lässt sich erkennen, dass die Stadt<br />
nach dem verlorenen Weltkrieg keinen richtigen Aufschwung nahm. Schuld<br />
daran war die aus den Kriegsfolgen erwachsene wirtschaftliche Not, die fast<br />
für die gesamte Dauer der We<strong>im</strong>arer Republik das Leben der Menschen belastete,<br />
ja lähmte.<br />
Es herrschten hohe Arbeitslosigkeit, Flaute in Handel und Handwerk, Verschuldung<br />
der Betriebe und Zwangsversteigerungen. Im Jahre 1928 musste<br />
91
die <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Möbelfabrik auf der Rödemisser Hallig für 40 Mitarbeiter Kurzarbeit<br />
anmelden und bald sogar ganz schließen.<br />
Trotzdem bemühte sich die Öffentliche Hand nach Kräften um Arbeits -<br />
beschaffungsmaßnahmen und ließ z.B. bis 1926 die Eisenbahnlinie <strong>Husum</strong>-<br />
Viöl-Flensburg bauen. Drei Amtsgebäude wurden zwischen 1926 und 1928 in<br />
<strong>Husum</strong> errichtet, nämlich das Eisenbahnbetriebsamt, das Zollamt an der Kleikuhle<br />
und das Finanzamt. Besonders die Stadtverwaltung mit Bürgermeister<br />
Werner Mensing an der Spitze unternahm Anstrengungen, die große Wohnungsnot<br />
zu lindern, die durch den kriegsbedingten Stau verschärft worden<br />
war. Zunächst wurden ausgediente Eisenbahnwagen aufgestellt, so auf dem<br />
Gelände des Ochsenkamps. In großer Aktion wurden 1920 Baracken vom<br />
Flugplatz in Tondern geholt und am Jebensweg aufgebaut. Weitere Holzbaracken<br />
entstanden am Heckenweg und bei der späteren Kampsiedlung. Vo r allem<br />
aber setzte die Stadt mit Hilfe von drei Baugesellschaften ein großes Wohnungsbauprogramm<br />
in Gang, so dass allein durch sie bis 1931 fast 200 Häuser<br />
mit - so schätzt Ernst Schlüter - 300 bis 400 Wohnungen geschaffen wurden<br />
(siehe E. Schlüter, S. 36 ff). Insgesamt wurden von 1920 bis 1937 über 600<br />
Einfamilien- und fast 40 Mehrfamilienhäuser errichtet (vergl. Tab.).<br />
Noch auf einem anderen Wege versuchten die Stadtväter <strong>Husum</strong> voranzubringen.<br />
Es gab nämlich schon länger Bestrebungen der Stadt, das Stadtgebiet<br />
durch Eingemeindungen zu erweitern. Sie versuchte es gelegentlich auch mit<br />
Druck, z. B. als sie ab Winter 1927 durch Beschluss der städtischen Kollegien<br />
den umliegenden Ortschaften Gas, Wasser und Strom sperren wollte, aber dabei<br />
auf entschiedenen Widerstand stieß. Doch 1928/29 st<strong>im</strong>mten die Bürger<br />
von Nordhusum der Eingemeindung in <strong>Husum</strong> zu, nachdem ja schon 1875 die<br />
Nordhusumer Straße umgemeindet worden war. Somit kamen nun 1929 die<br />
Maas und die weiteren Wohnbereiche an der Schobüller Straße mit der Schule,<br />
dem heutigen Pastorat, und an der Bredstedter Straße und be<strong>im</strong> Ausbau Schauendahl<br />
mit insgesamt 363 Einwohnern zur Stadt, deren Fläche sich jetzt von<br />
rund 600 ha um rund 400 ha auf fast 1.000 ha vergrößerte.<br />
Benennung der Straßen:<br />
Der starke Wohnungsbau in dieser Phase vollzog sich schwerpunktmäßig <strong>im</strong><br />
damaligen Nordostteil der Stadt an schon vorhandenen bzw. neu entstehenden<br />
Straßen, z. B. Volquart-Pauls- und Klaus-Groth-Straße, Hinrich-Fehrs- und<br />
Hebbelstraße. Bei der Benennung der Straßen wurde die Leitlinie fortgesetzt,<br />
in diesem Bereich schleswig-holsteinische Dichter zu ehren (Friedrich Hebbel,<br />
Hinrich Fehrs). <strong>Die</strong> Nordhusumer Straße hieß übrigens bis 1912 einfach nur<br />
Nordhusum (siehe KANF D 2/4120).<br />
<strong>Die</strong> 7. Entwicklungsphase von 1933 bis 1945<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung: weitere Eingemeindungen<br />
<strong>Die</strong> Einwohnerzahl stieg von knapp 11.000 in 1933 bis zum Kriegsende auf<br />
rund 14.500, und zwar zu Anfang 1945. <strong>Die</strong> Stadtentwicklung vollzog in der<br />
92
Phase nach 1933 einen großen Sprung durch die Eingemeindung der Dorfschaften<br />
Rödemis (1.968 Einwohner, 311 ha) und Osterhusum (596 Einwohner,<br />
406 ha). Beide wurden also aus der Verwaltung der Kirchspielslandgemeinde<br />
Mildstedt, ab 1934 Amt Mildstedt genannt, herausgelöst und zum<br />
1. April 1938 der Stadtverwaltung unterstellt. Damit stieg die Einwohnerzahl<br />
mit einem Schlag von rund 11.500 auf rund 14.000, und die Fläche erhöhte<br />
sich von rd. 1000 ha auf genau 1.738 ha, worin noch der Wung mit einer Fläche<br />
von 40 ha enthalten war, der <strong>im</strong> gleichen Zuge aus der früheren Dorfschaft<br />
Lund <strong>im</strong> Kirchspiel Schobüll umgemeindet wurde. Im NS-Staat wurden diese<br />
großen Veränderungen auf kurzem Verwaltungswege verordnet mit dem Ziel,<br />
<strong>Husum</strong> zur Garnisonstadt zu machen. Zügig wurde in jeden dieser neuen<br />
Stadtteile eine militärische Einrichtung gelegt: nach Osterhusum an die Flensburger<br />
Chaussee die große Marinekaserne, die heutige Fliegerhorstkaserne,<br />
nach Rödemis auf den Lundberg die „Wetterfunkempfangsstelle“ (Funkstelle)<br />
und auf den Wung die Horch- und Peilstelle Hockensbüll. <strong>Die</strong> größte Einrichtung<br />
entstand <strong>im</strong> Norden, hauptsächlich auf früherem Nordhusumer Gebiet,<br />
nämlich der Militärflugplatz <strong>Husum</strong>-Schauendahl. Aufgrund der Eingemeindungen<br />
standen nun alle diese Anlagen, kommunalpolitisch betrachtet, unter<br />
Karte der Eingemeindungen und Militäranlagen nach dem Stande von 1988.<br />
<strong>Die</strong> Karte zeigt das Wachsen des Stadtgebiets vom Ortskern, dem Sondergebiet<br />
„Husem“ her, und zwar durch Eingemeindungen. In die 1929 bzw. 1938 übernommenen<br />
Ortsteile Nord- und Osterhusum, Rödemis und Wung wurden ab<br />
1938/39 militärische Anlagen gebaut, die hier durch Unterstreichung hervorgehoben<br />
sind. (Archiv Chr. M. Sörensen)<br />
93
nur einer Ortsverwaltung - ein praktischer Vorteil für die Militärstellen. Staatliche<br />
Gebäude für zivile Zwecke entstanden kaum, obwohl z. B. großer Bedarf<br />
an zusätzlichem Schulraum war. Der wirklich nennenswerte Neubau, das Nissenhaus,<br />
wurde aus Stiftungsgeldern aus den USA finanziert.<br />
Neue Straßen und ihre Benennung:<br />
<strong>Die</strong> zivile Bebauung dehnte sich in dieser Phase 1933-1945 nach Norden und<br />
Osten aus, und zwar entstanden ab 1934 der Baumschulenweg (1945 in Matthias-Claudius-Straße<br />
umbenannt), ab 1934/35 die Kampsiedlung und der<br />
Siedlungsweg (ab 1945 Schillerstraße), alle <strong>im</strong> Norden. Im Osten hinter dem<br />
Ostfriedhof, aber noch innerhalb des Stadtfeldes von 1609, baute der Arbeiter-<br />
Bauverein ab 1939 in der Mommsenstraße Mehrfamilienhäuser mit sogenannten<br />
Volkswohnungen und weitere Wohnhäuser <strong>im</strong> östlichen Teil der Theodor-<br />
Storm-Straße (z. T. nach Hinweisen von Holger Borzikowsky vom 20. 2. 1996<br />
und nach Arbeiter-Bauverein, Festschrift).<br />
Bei den neuen Straßennamen <strong>im</strong> Norden wurden z. T. alte Flurbezeichnungen<br />
herangezogen: Z.B.Kampsiedlung geht auf Ochsenkamp zurück.<br />
<strong>Die</strong> 8. Entwicklungsphase von 1945 bis 1970<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung:<br />
Nach dem totalen Zusammenbruch des NS-Staates herrschte allergrößte Not<br />
in allen Lebensbereichen. Durch den Zustrom von Menschen auf der Flucht<br />
schnellte die Einwohnerzahl <strong>Husum</strong>s von rund 14.500 Ende 1944 auf fast die<br />
doppelte Höhe. Noch 1950 lebten in der Stadt über 1.300 Menschen in Lagern.<br />
Für eine gewisse Linderung der katastrophalen Wohnungsnot und zugleich der<br />
Arbeitslosigkeit sorgte das große Umsiedlungsprogramm nach West- und Südwestdeutschland:<br />
Von 1948 bis 1960 wurden über 2.300 Personen aus <strong>Husum</strong><br />
umgesiedelt. Das Barackenräumprogramm schuf in den 1950er Jahren vor allem<br />
Neubauten in der Gewoba-Siedlung auf dem Wung bei Hockensbüll. Zur<br />
gleichen Zeit wurde der Stadtteil Dre<strong>im</strong>ühlen mit Eigenhe<strong>im</strong>en ausgebaut. In<br />
den 1960er Jahren dehnte sich die Wohnbebauung weiter nach Norden aus.<br />
Auf dem ehemaligen Flugplatzgelände nördlich von Vogt- und Adolf-Brütt-<br />
Straße entstand <strong>Husum</strong> Nord, teils mit Mehrfamilienhäusern, teils mit Eigenhe<strong>im</strong>en<br />
bis hin zur neuen Julius-Leber-Kaserne. Mittelpunkt wurde die 1967<br />
fertiggestellte Versöhnungskirche.<br />
Allein der <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Arbeiter-Bauverein schuf zwischen 1949 und 1960 über<br />
260 Eigenhe<strong>im</strong>e mit über 300 Wohnungen und außerdem 100 Mietshäuser mit<br />
250 Wohnungen, also Wohnraum für 2.000 bis 3.000 Menschen, so in der<br />
Brüggemannstraße (1949), Ludwig-Ohlsen-Straße (1950/51), Herzog-Adolf-<br />
Straße be<strong>im</strong> Bahnhof (1953/54) und am Kuhsteig. Dadurch und durch den Kasernenbau<br />
ergab sich, dass bis 1960 Vollbeschäftigung erreicht wurde und das<br />
Baugewerbe rund 20 % der Arbeitsplätze stellte (siehe Gesch. <strong>Husum</strong>s, S. 241).<br />
Ein weiterer Wirtschaftsfaktor wurde die Bundeswehr. 1956 übernahm die<br />
Luftwaffe die Fliegerhorstkaserne, 1959 wurde die Julius-Leber-Kaserne bezo-<br />
94
gen. In einem wahren Bauboom entstanden für Angehörige viele Häuserblocks,<br />
u.a. an der Hermann-Tast-Straße und am Marienhofweg, finanziert von der<br />
Bundeswehr, die so das Belegungsrecht für rund 800 Wohnungen auf 30 Jahre<br />
hatte (siehe <strong>Die</strong>trich, 100 Jahre Wohnungsbau, bes. S. 37 ).<br />
<strong>Die</strong> <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Werft stieg von sechs Mitarbeitern in 1947 auf eine Belegschaft<br />
von 450 in 1969 und 750 in 1976 (siehe Gesch. <strong>Husum</strong>s, S. 246). <strong>Die</strong>ser<br />
Aufstieg war bezeichnend für das Wirtschaftswunder, das auch das Wirtschaftsleben<br />
der Stadt besonders in den 1960er Jahren erfasste. Betriebe des<br />
Handwerks und Einzelhandels expandierten, neue industrielle Mittelbetriebe<br />
blühten auf.<br />
Dagegen erlebte der Viehmarkt einen schnellen Rückgang. In den 1960er<br />
Jahren verlagerte sich der Versand von Lebendvieh auf Fleischversand durch<br />
den neuen Schlachthof. Der Viehmarkt für Rinder schloss um 1970 endgültig,<br />
auf seinem Gelände entstand 1971/72 das Verwaltungsgebäude für den neuen<br />
Kreis Nordfriesland. Weiter wurden an öffentlichen Gebäuden z. B. die Klaus-<br />
Groth-Schule (Ausbau des ehemaligen Offiziershe<strong>im</strong>s), die Osterhusumer<br />
Schule, die Kreisberufsschule und die Theodor-Storm-Schule (1966) errichtet.<br />
Zur Straßenbenennung:<br />
Schon wenige Monate nach Kriegsende hatte sich das zuständige städtische<br />
Gremium mit Straßennamen zu befassen. <strong>Die</strong> unter der britischen Besatzung<br />
berufenen Dezernenten mit dem Amtsrichter Scheel als ehrenamtlichem Bürgermeister<br />
an der Spitze beschlossen am 1. September 1945 folgende Umbenennungen<br />
eines Platzes und zweier Straßen <strong>im</strong> Nordteil der Stadt:<br />
Bernsauplatz (1939) ab 1945 Klopstockplatz<br />
Baumschulenweg ab 1945 Matthias-Claudius-Straße<br />
Siedlungsweg ab 1945 Schillerstraße<br />
<strong>Die</strong> erstgenannte Änderung war politisch geboten; denn Hans Bernsau war<br />
NS-Aktivist <strong>im</strong> <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Kreisgebiet gewesen und <strong>im</strong> Januar 1933 bei politischen<br />
Auseinandersetzungen in Iserlohn ums Leben gekommen und verdiente<br />
nach 1945 keine Ehrung durch einen Platznamen mehr. Der Baumschulenweg<br />
führte nach Norden zur früheren Baumschule.<br />
Der Name Siedlungsweg bezeichnete die in offener Bebauung angelegten<br />
Doppelhäuser, die Stallraum für Schwein und Hühner und ausreichend Gartenland<br />
zur Selbstversorgung hatten. Der alte Flurname war Siedland (= niedriges<br />
Land).<br />
Für die beiden Straßen wurden jetzt also Dichternamen verwendet wie auch<br />
bei Goethe- und Fritz-Reuter-Straße. Westlich davon wurden weitere Geistesgrößen<br />
herangezogen, so der Hirnforscher Vogt und der <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Reformator<br />
Tast. Daran schließen sich nördlich das kleine „Malerviertel“ (Eckener, Alberts,<br />
Nolde, Nicolaus Bachmann) und westlich das größere „Musikerviertel“<br />
an (Mozart, Wagner, Beethoven, Weber, Haydn, Händel, Bach, Brahms, Liszt,<br />
R. Schumann, Bellmann, Nicolaus Bruhns).<br />
Westlich von der Bredstedter Straße und der Bahnstrecke entstand ein<br />
Stadtteil, der ostdeutsche Namen aufnahm, und zwar die der Städte Schönlan-<br />
95
Der Klopstockplatz und seine Umgebung aus der Vogelschau von Nordosten<br />
(um 1960). <strong>Die</strong> heutige Gemeinschaftsschule Nord hat schon ihren Anbau Südflügel<br />
(1955/56) erhalten, aber die Vereinsturnhalle an der Alten Freiheit und<br />
die Baracken am Heckenweg stehen noch. (Aufn. aus KANF).<br />
ke und Kreuz und der Oderzuflüsse Netze und Warthe für die Straßen östlich<br />
der Schobüller Straße und die der Städte Stettin, Marienburg, Memel und<br />
Breslau für die Gewoba-Siedlung westlich der Schobüller Straße.<br />
<strong>Die</strong> ab 1956 entstandene Fischersiedlung mit 57 Einfamilienhäusern erhielt<br />
für ihre Straßen die Namen von Krabbenfanggründen: Norder-, Oster- Süder-,<br />
Wester- und Mittelheverstraße.<br />
Im Ortsteil Dre<strong>im</strong>ühlen wurden zunächst Baumnamen verwendet: Buchen-,<br />
Ulmen-, Birken-, Linden- und Erlenweg. Hier die leider unvollständige Übersicht<br />
aus den amtlichen Unterlagen:<br />
Daten zur Benennung von Straßen 1945-1970, die den Akten des Stadtbauamts<br />
entnommen wurden.<br />
1958 Vogtstraße, Magnus-Voß-Straße, in Rödemis die Hansenstraße nach<br />
Justizrat Hansen<br />
1962 Amselweg<br />
96
1965 Lindenweg, Erlenweg<br />
1966 Backensweg (sobald von der Stadt übernommen), Kampsiedlung (sog.<br />
Hamburger Siedlung), Rödemishallig; Ferdinand-Tönnies-Allee (statt<br />
Schlossstraße)<br />
1967 Oster- und Westerwungweg, Soltbargen, Schönlanker Straße, Kreuzer<br />
Straße, Warthesteig, Netzestraße, Lundweg, Bellmannstraße<br />
1968 Erit-, Carstens- und Schulzestraße<br />
1969 Uthlander Straße<br />
Mit Ernst Erit (SPD) und Carl Carstens (bürgerlich) wurden zwei Kommunalpolitiker<br />
aus der Zeit vor 1933 geehrt, wie es der Magistrat schon durch<br />
Beschluss vom 11. 5. 1967 für „verdiente Senatoren“ vorgesehen hatte. - Bei<br />
Soltbargen wurde ein Flurname übernommen. Nach einer Aufstellung des<br />
Stadtbauamts vom Februar 1996 wurden in den Jahren 1950 bis 1970 in gewaltiger<br />
Bautätigkeit über 1200 Einfamilien- und über 180 Mehrfamilienhäuser<br />
gebaut. Dazu gehörte auch die Ludwig-Ohlsen-Straße, die 1950 nach einem<br />
<strong><strong>Husum</strong>er</strong> Handwerksmeister und Stifter benannt wurde. Um 1963 wurde<br />
das Malerviertel benannt.<br />
<strong>Die</strong> 9. Entwicklungsphase von 1970 bis 1990<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung: Gewerbegebiet entsteht<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung sei hier nur so weit skizziert, dass sie die Namengebung beleuchtet.<br />
Der Wohnungsbau ging in der Phase nach 1970 merklich zurück. Bis 1990<br />
entstanden <strong>im</strong>merhin noch knapp 600 Ein- und 26 Mehrfamilienhäuser. Neue<br />
Wohngebiete wurden ringsum am Stadtrand erschlossen, so in Rödemis, in<br />
Dre<strong>im</strong>ühlen, in Kielsburg und <strong>im</strong> „Marmeladenviertel“, das <strong>im</strong> Volksmund<br />
wohl wegen der roten Ziegelmauern so genannt wird und auf dem Gelände<br />
des ehemaligen 1000-Mann-Lagers zwischen Marienhofweg und Flensburger<br />
Chaussee angelegt wurde.<br />
<strong>Die</strong> Stadtplanung legte ihr Schwergewicht <strong>im</strong>mer mehr auf das Gewerbe -<br />
gebiet, das <strong>im</strong> Nordosten zwischen Julius-Leber-Kaserne und Flensburger<br />
Chaussee entstand und in dem bis 1997 schon fast 150 Unternehmen ihren<br />
Sitz gefunden hatten.<br />
Das sehr bald nach 1945 geschaffene Versehrtenwerk erhielt 1952 sein<br />
Lehrlingshe<strong>im</strong> und wurde verstärkt in den 1960er und 1970er Jahren zum großen<br />
Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk (TSBW) ausgebaut. Weitere öffentliche<br />
Neubauten waren u. a. die Hermann-Tast-Schule und die Schw<strong>im</strong>mhalle<br />
(beide 1974 eingeweiht), mehrere Turn- und Sporthallen bei Schulen und die<br />
Standortverwaltung (StOV); 1987-1991 erbaut für 12 Mio. DM). - In diesem<br />
Zeitraum von 1970 bis 1990 ging die amtliche Einwohnerzahl von rund<br />
25.000 auf rund 21.000 zurück. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass viele<br />
<strong><strong>Husum</strong>er</strong> Bürger in den Randgemeinden ein Eigenhe<strong>im</strong> bauten, besonders in<br />
Mildstedt und Hattstedt, und dorthin zogen.<br />
97
Bautätigkeit in der Stadt <strong>Husum</strong> 1920-1955:<br />
Wohnungsbau<br />
und Gewerbe<br />
1920-1937<br />
1937-1950<br />
1950.1960<br />
1960-1970<br />
1970-1980<br />
1980-1990<br />
1990-1995<br />
1996-2000<br />
2001-2005<br />
2006-2009<br />
bis Sept. 2010<br />
Einfamilienhäuser<br />
609<br />
22<br />
567<br />
667<br />
376<br />
206<br />
176<br />
163<br />
142<br />
80<br />
29<br />
Mehrfamilien<br />
häuser<br />
38<br />
25<br />
90<br />
93<br />
19<br />
7<br />
-<br />
80<br />
47<br />
55<br />
11<br />
Gewerbe<br />
-<br />
-<br />
-<br />
47<br />
43<br />
14<br />
41<br />
249<br />
176<br />
87<br />
17<br />
Zahlen zusammengestellt vom Stadtbauamt <strong>Husum</strong> Febr. 1996, ergänzt Sept.<br />
2010<br />
Zur Straßenbenennung:<br />
Neben Dichternamen wurden nun andere Bereiche herangezogen: in Rö demis<br />
Hallig- und Inselnamen, in Dre<strong>im</strong>ühlen weiterhin Baumnamen, <strong>im</strong> Gewerbegebiet<br />
Namen von deutschen Erfindern und Forschern in den Naturwissenschaften,<br />
in Kielsburg Flurnamen und <strong>im</strong> „Marmeladenviertel“ erstmalig mehrere<br />
Namen von bedeutenden <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Frauen - bisher war nämlich nur Katharine<br />
Asmussen bedacht worden.<br />
Aus der Akte <strong>im</strong> Stadtbauamt ergeben sich für die Zeit von 1970 bis 1990<br />
folgende Daten:<br />
1970 Oster- und Westerwungweg, Soltbargen, Schönlanker Straße, Kreuzer<br />
Straße, Warthesteig, Netzestraße, Lundweg, Bellmannstraße<br />
1971 Erit-, Carstens- und Schulzestraße<br />
Uthlander Straße<br />
1972 südl. Teil der Straße Am Ochsenkamp in Theodor-Schäfer-Straße umbenannt<br />
1973 Nordstrander, Hooger u. Pellwormer Straße, Olandweg u. Gröder Weg;<br />
Schleiweg, Industriestraße, Liebigstraße, <strong>Die</strong>selstraße, Siemensstraße<br />
1973 Austieg, Heinrich-Heine-Straße, Gerhart-Hauptmann-Straße<br />
1974 Harmsens Koppel, Am Bahndamm<br />
1975 Wacholder-, Ginster- u. Tannenweg, Heidland (An der Aue bleibt)<br />
1980 S<strong>im</strong>onsberger Straße<br />
1983 Herzogin-Augusta-, Anna-Ovena-Hoyer-, Sophie-Jacobsen-, Emma-<br />
Carstensen-, Christine-Petersen- und Franziska-zu-Reventlow-Straße<br />
1985 Moorschift, Mittelschift, Steenschift, Heidekamp, Engelsburger Weg<br />
1990 Am Binnnenhafen<br />
98
<strong>Die</strong> 10. Entwicklungsphase von 1990 bis 2010<br />
Zur Stadt- und Bauentwicklung: neue Baugebiete<br />
Sie sei auch für diese Phase nur grob skizziert, zumal da sie wegen ihrer<br />
Zeitnähe allgemein bekannter sein dürfte. - Alarmiert durch die Abwanderung<br />
von Bauinteressenten, bemühte sich die Stadt um die Ausweisung neuer<br />
Wohngebiete: In den 1990er Jahren wurde der Norderschlag an der Chaussee<br />
Mildstedt-Rödemis (heute Friedrichstraße) und in den 2000er Jahren das Baugebiet<br />
an der Bredstedter Straße in Angriff genommen. In der Maas am Porrenkoog<br />
entstand ab 2004 die Straße Niegras (hochdeutsch „Neues Grasland“).<br />
Besonders durch die Eingemeindung von Schobüll <strong>im</strong> Jahre 2007 machte<br />
<strong>Husum</strong> einen wesentlichen Entwicklungssprung: <strong>Die</strong> Einwohnerzahl stieg um<br />
genau 1.617 auf über 22.000 (genau 22.049) und das Stadtfeld um rund 760 ha<br />
auf rund 2.500 ha. So sicherte also die Eingemeindung den Stand als Mittelstadt<br />
mit deutlich über der Grenze von 20.000 Einwohnern. Der Zahlenspiegel<br />
der Stadt gibt für Ende 2008 genau 22.550 Einwohner an.<br />
Fortgesetzt wurde der Ausbau des Gewerbegebiets Ost, wo bis heute (2010)<br />
rund 250 Betriebe angesiedelt sind und somit Gewerbesteuer in die Stadtkasse<br />
zahlen. - Es gab in diesen letzten 20 Jahren beeindruckend viele öffentliche<br />
Baumaßnahmen: Rettungswache an der Schleswiger Chaussee 1996, Messehalle<br />
1997, Arbeitsamt 1999, großes Erweiterungs- und Sanierungsprogramm<br />
für die Schulen 2002-2007, 2003 neues ALR (ehemals Marschenbauamt, seit<br />
2008 Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz genannt).<br />
Zur Straßenbenennung:<br />
Für das Baugebiet Norderschlag wurden ab 1996 Namen von Werken Theodor<br />
Storms und deren Helden gewählt, für das Gebiet an der Bredstedter Straße<br />
ab 2009 vor allem Namen von Wiesen- und Wattvögeln. Durch solche Bündelung<br />
wird die Orientierung erleichtert.<br />
<strong>Die</strong> Akte des Stadtbauamts nennt für die Phase 1990-2010 folgende Daten:<br />
1992 Johannes-Mejer-Straße; Heiligenstädter Straße, Kidderminster-Ring,<br />
Weg zur Graupenmühle<br />
1994 Eibenweg u. Sandkamp; Bi de Boomschool<br />
1996 Norderschlag u. anliegende Straßen: Hauke-Haien-Ring, Kleiner Häwelmann,<br />
Pole-Poppenspäler-Ring, Regentrude, Immensee; Friedrichstraße<br />
(auch am Südfriedhof bis Stadtgrenze nach Mildstedt)<br />
1997 Sch<strong>im</strong>melreiterweg<br />
2002 Elke-Volkerts-Straße, Lena-Wies-Ring, Eekenhof<br />
2009 Margarete-Böhme-Straße, Austernfischerweg, Eiderentenweg, Graureiherweg,<br />
Kiebitzreihe, Regenpfeifer- und Rotschenkelweg, Charlottevon-Krogh-Straße<br />
99
100
Stadtplan von <strong>Husum</strong> um<br />
1925 mit Angaben der<br />
Einrichtungen. Im Norden<br />
geht die Bebauung nur<br />
wenig über die Parkstraße<br />
und die Volquart-Pauls-<br />
Straße hinaus. <strong>Die</strong> Adolf-<br />
Brütt-Straße heißt noch<br />
Räuberweg.<br />
101
Zwei Anregungen:<br />
Im Anschluss daran seien hier zwei Anregungen angefügt: Im Zusammenhang<br />
mit den Vogelnamen wäre auch Joach<strong>im</strong> Rohweder mit einem Straßennamen<br />
zu bedenken. Er war Biologielehrer am <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Gymnasium, wurde <strong>im</strong> 19.<br />
Jahrhundert führender Ornithologe <strong>im</strong> Lande und brachte 1875 das Pionierund<br />
Standardwerk „<strong>Die</strong> Vögel Schleswig-Holsteins“ heraus. - Der Name der<br />
Malerin Charlotte von Krogh (19. Jahrhundert) regt dazu an, auch den bekannten<br />
<strong><strong>Husum</strong>er</strong> Maler Albert Johannsen (20. Jahrhundert) entsprechend zu ehren.<br />
Ein Blick auf die Eingemeindung von Schobüll zum 1. 1. 2007:<br />
Änderung von Straßennamen wegen Doppelungen<br />
Aufgrund von Beschlüssen der Stadtverordneten <strong>Husum</strong>s und der Gemeindevertretung<br />
Schobülls wurde die Gemeinde Schobüll zum 1. 1. 2007 in die<br />
Stadt eingemeindet. Da einzelne Straßennamen doppelt vorhanden waren,<br />
wurden folgende Umbenennungen von den Ortsparlamenten - in <strong>Husum</strong> vertreten<br />
durch den Bauausschuss - beschossen:<br />
in <strong>Husum</strong>:<br />
bisher Halligweg - neu Halligring<br />
bisher Grüner Weg - neu Schockedahler Weg<br />
bisher Auweg - neu An der Mühlenau<br />
in Schobüll:<br />
bisher Tannenweg - neu Westerbergweg<br />
bisher Birkenweg - neu Biikeweg<br />
<strong>Die</strong> Anlieger des <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Halligweges protestierten auf der Sitzung des Bauausschusses<br />
am 29. Nov. 2006 u. a. mit dem Argument, ihre Straße sei älter und<br />
viel stärker bewohnt, mithin seien mehr Menschen von den vielfältigen Änderungen<br />
betroffen. Zu ihrer Enttäuschung st<strong>im</strong>mte der <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Ausschuss mit<br />
sechs Ja- gegen zwei Nein-St<strong>im</strong>men bei einer Enthaltung für Halligring (siehe<br />
auch Sörensen, Schobüll, S. 100). Eine Begründung dafür war, dass Schobüll<br />
näher an den Halligen liege und hier Vorrecht habe. <strong>Die</strong> beiden anderen Änderungen<br />
lehnen sich an topographische Namen an. Der alte Flurname Schockedahl<br />
umfasst das Gelände um das Friesenstadion (siehe Festschrift 650 Jahre<br />
Rödemis, S. 38), der Name Mühlenau bezieht sich auf die ehemalige Oster -<br />
husumer Wassermühle.<br />
Ähnlich ist es mit dem neuen Schobüller Straßennamen Westerbergweg.<br />
Der Name Biikeweg n<strong>im</strong>mt Bezug auf das alljährlich auch in Schobüll veranstaltete<br />
Frühjahrsfeuer und hat zudem in der Schreibweise den Vorteil, dass<br />
sich nur ein Buchstabe ändert.<br />
Auf die anderen, älteren Schobüller Namen können wir hier nicht eingehen.<br />
Ebenso beleuchten wir in diesem Beitrag nicht die Straßennamen der eingemeindeten<br />
Ortsteile Nord- und Osterhusum und Rödemis, wie sie z. T. schon<br />
um 1900 bestanden und 1929 bzw. 1938 übernommen wurden.<br />
102
Schlussbemerkungen:<br />
Für die Straßenbenennung wurde von den städtischen Gremien eine breite<br />
Auswahl getroffen. Neben topographischen Namen (H<strong>im</strong>melsrichtungen, Nähe<br />
zu Einrichtungen u. a.) wurden zu einem guten Teil Personennamen verwendet,<br />
aber auch Flur-, Baum- und Vogelnamen. Personen wurden aus vielen verschiedenen<br />
Lebensbereichen herangezogen, und zwar sowohl von örtlichem<br />
als auch regionalem und nationalem Rang. Auftauchende Fragen nach der Verhältnismäßigkeit<br />
können damit beantwortet werden, dass jede Epoche ihre eigenen<br />
Maßstäbe und Tendenzen hat und dass die Namenvergabe von zeitbedingter<br />
Bedeutung ist.<br />
Wichtige Quellen und Literatur:<br />
Akten zur Straßenbenennung 1945-2010. Stadtbauamt <strong>Husum</strong>.<br />
Magistratsakte Straßenbenennungen 1898-1913. Stadtarchiv <strong>im</strong> Kreisarchiv Nordfriesland (KANF),<br />
D 2/4120.<br />
Christiansen, Ulrich Anton: <strong>Die</strong> Geschichte <strong>Husum</strong>s in einfacher Darstellung. 1. Teil. <strong>Husum</strong><br />
1909 (zit.: U. A. Christiansen).<br />
<strong>Die</strong>trich, Jürgen/Koll, Stefan: <strong>Husum</strong>s alte Quartierseinteilung mit Konkordanzlisten, <strong>Husum</strong><br />
1984 (zit.: <strong>Die</strong>trich/Koll).<br />
Fester, Richard: Häuser und Geschlechter Althusums. In: ZSHG 61 (933), S. 110-190 (zit.: R.<br />
Fester).<br />
F. Falkenstjerne/Anna Hude (Hg.): Sønderjyske Skatte- og Jordebøger. Kopenhagen 1895-99,<br />
S. 327-335 (zit.: Falkenstjerne/Hude).<br />
Geschichte <strong>Husum</strong>s von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hg. Gesellschaft für <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Stadt -<br />
geschichte. <strong>Husum</strong> 2003 (zit.: Gesch. <strong>Husum</strong>s).<br />
Friedrichsen, Thomas: <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Geschichten. (Erfurt 2005) (zit.: Th. Friedrichsen).<br />
<strong><strong>Husum</strong>er</strong> Arbeiter-Bauverein, Kreisbau- u. Spargenossenschaft. Festschrift: 75 Jahre. <strong>Husum</strong><br />
1969 (zit.: Arbeiter-Bauverein, Festschrift).<br />
Möller, Ernst: <strong><strong>Husum</strong>er</strong> Urkundenbuch 1429-1609. Hg. Dr. Fritz Tidelski, Nissenhaus <strong>Husum</strong><br />
1939 (zit: HUB).<br />
Möller, Ernst: <strong>Husum</strong>s erste Blütezeit. JbNFV 16 (1929), S. 110-118 (zit.: Möller, Blütezeit).<br />
Momsen, Ingwer Ernst: <strong>Die</strong> Bevölkerung der Stadt <strong>Husum</strong> von 1769 bis 1860. Versuch einer historischen<br />
Sozialgeographie. Kiel 1969 (zit.: I. E. Momsen).<br />
Riese, Gertrud: Märkte und Stadtentwicklung am nordfriesischen Geestrand. Kiel 1940, S.13<br />
(zit.: G. Riese).<br />
Schlüter, Ernst: <strong>Husum</strong> zwischen Revolution und Machtergreifung. Aus der Geschichte der Stadt<br />
<strong>Husum</strong> von 1918 bis 1933. Schleswig 1983 (zit.: E. Schlüter).<br />
Sörensen, Christian M.: Eine Notiz: <strong>Die</strong> erste Pockenschutz<strong>im</strong>pfung in <strong>Husum</strong> vor 200 Jahren<br />
senkte Kindersterblichkeit. BHSG 9 (2004), S. 112 (zit.: Sörensen, Pockenschutz<strong>im</strong>pfung).<br />
Sörensen, Christian M.: Neue Gesichtspunkte zur Stadtentstehung <strong>Husum</strong>s <strong>im</strong> 15. Jahrhundert.<br />
Erkenntnisse, Fragen, Forschungsansätze. BHSG 1 (1988), S. 11-46 (zit.: Sörensen, Neue<br />
Gesichtspunkte).<br />
Sörensen, Christian M.: Schobüll wurde ab 2007 Stadtteil von <strong>Husum</strong>. BHSG 11 (2008), S. 99-<br />
104 (zit: Sörensen, Schobüll).<br />
Aufsatz entnommen aus:<br />
Beiträge zur <strong><strong>Husum</strong>er</strong> <strong>Stadtgeschichte</strong>, Heft 12, 2010.<br />
Gesellschaft für <strong><strong>Husum</strong>er</strong> <strong>Stadtgeschichte</strong>, <strong>Husum</strong>.<br />
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