15.01.2014 Aufrufe

Archäologische Funde aus der Schwan-Apotheke - Husum ...

Archäologische Funde aus der Schwan-Apotheke - Husum ...

Archäologische Funde aus der Schwan-Apotheke - Husum ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rüdiger Articus<br />

Archäologische <strong>Funde</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwan</strong>-<strong>Apotheke</strong><br />

Aus: „<strong>Husum</strong>-Heft“, Dezember 1978<br />

<strong>Husum</strong> Druck- und Verlagsgesellschaft, <strong>Husum</strong>


<strong>Husum</strong> kultur-historisch<br />

Archäologische <strong>Funde</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwan</strong>-<strong>Apotheke</strong><br />

<strong>Husum</strong>, Großstraße 21<br />

Bei dem Umbau <strong>der</strong> <strong>Schwan</strong>-<strong>Apotheke</strong><br />

in <strong>Husum</strong> im Herbst 1977 und im Frühjahr<br />

1978 wurden neben baugeschichtlich<br />

interessanten Entdeckungen auch<br />

einige archäologisch bemerkenswerte<br />

<strong>Funde</strong> gemacht. Es handelt sich um Gegenstände<br />

<strong>aus</strong> dem H<strong>aus</strong>rat und dem<br />

<strong>Apotheke</strong>ninventar. Lei<strong>der</strong> wurden die<br />

Fundstücke unsachgemäß geborgen, so<br />

daß unklar bleibt, ob die einzelnen<br />

Stücke zusammen o<strong>der</strong> einzeln gefunden<br />

wurden, sie also entwe<strong>der</strong> zur<br />

gleichen Zeit in die Erde gelangten o<strong>der</strong><br />

zu verschiedenen Zeiten in den Boden<br />

kamen. Die Besprechung <strong>der</strong> einzelnen<br />

Gegenstände kann darüber vielleicht<br />

nähere Auskunft geben.<br />

Solche meist nur in Bruchstücken gefundenen<br />

Hinterlassenschaften unserer<br />

Vorfahren geben oft mehr Hinweise auf<br />

das alltägliche Leben in vergangenen<br />

Zeiten als es die oft reichlich vorhandenen<br />

schriftlichen Quellen tun. Diese berichten<br />

zwar über die großen politischen<br />

Ereignisse, wir erfahren aber nur wenig<br />

über das alltägliche Leben.<br />

Der größte Teil <strong>der</strong> gefundenen Gegenstände<br />

stammt <strong>aus</strong> dem Bereich <strong>der</strong><br />

H<strong>aus</strong>frau. Ein sogenannter „Jydepott"<br />

fand im H<strong>aus</strong>halt als Kochtopf Verwendung.-Es<br />

handelt sich um einen runden<br />

gr<strong>aus</strong>chwarzen Topf mit 2 Henkeln und<br />

3 kurzen Beinen und stammt, wie es<br />

schon <strong>der</strong> Name nahelegt, <strong>aus</strong> Jütland.<br />

Solche Gefäße, auch „Taterntöpfe" genannt,<br />

wurden im südwestlichen Jütland<br />

vom 16. Jahrhun<strong>der</strong>t an bis zu Beginn<br />

dieses Jahrhun<strong>der</strong>ts von den Frauen <strong>der</strong><br />

dort ansässigen Bauern hergestellt und<br />

von letzteren bei <strong>der</strong> Viehdrift mitgebracht<br />

und verkauft. Teilweise sind diese<br />

Töpfe aber auch bis nach Wien gehan-<br />

4<br />

delt worden. Sie sind im Gegensatz zu<br />

an<strong>der</strong>en Gefäßen dieser Zeit nicht auf<br />

einer schnellrotierenden Drehscheibe<br />

gefertigt worden, son<strong>der</strong>n wurden unter<br />

sehr einfachen Verhältnissen hergestellt.<br />

Eine Frau stellte ungefähr 3000<br />

Töpfe pro Jahr her.<br />

Zum Küchengeschirr gehören auch die<br />

sogenannten „Grapen", kugelige Gefäße<br />

mit 3 Beinen und einem Griff. Dieser<br />

Grapen ist außen bemalt und innen<br />

und außen mit einer Glasur überzogen.<br />

Sie wurden vom 16. bis zum 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

hergestellt und lassen sich auf<br />

Grund <strong>der</strong> unterschiedlichen" Formen<br />

des Griffes, <strong>der</strong> Beine und <strong>der</strong> Bemalung<br />

auch jeweils zeitlich näher einordnen.<br />

Der Grapen dürfte am Ende des 18.<br />

o<strong>der</strong> am Anfang des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

hergestellt worden sein. Die Herkunft<br />

läßt sich nicht näher bestimmen, da<br />

diese Grapen weit verbreitet waren und<br />

an vielen Orten hergestellt wurden. Weiterhin<br />

<strong>aus</strong> dem Bereich <strong>der</strong> Küche stammen<br />

die Reste eines Siebes mit wahrscheinlich<br />

2 Henkeln, Reste einer Schale<br />

mit einem o<strong>der</strong> 2 Henkeln, Teile eines<br />

bunt bemalten Tellers und <strong>der</strong> obere<br />

Teil eines einhenkeligen Steinzeugkrügleins.<br />

Was die H<strong>aus</strong>frau seinerzeit auf den<br />

Tisch brachte, läßt sich nur noch selten<br />

feststellen, da die organischen Reste<br />

einer Mahlzeit im Boden vergangen<br />

sind. Die Schale einer Austernmuschel


<strong>Husum</strong> kultur-historisch<br />

und die Sprosse eines Rehgeweihes beweisen,<br />

daß man auch damals in einem ein Porzellangefäß, von. dem nur <strong>der</strong><br />

Aus dem Labor <strong>der</strong> APotheke stammt<br />

bürgerlichen H<strong>aus</strong> gut zu speisen wußte' Boden erhalten ist. Darauf ist das Markenzeichen<br />

<strong>der</strong> heute noch wohlbe-<br />

Austernfischerei wurde an <strong>der</strong> Nordseeküste<br />

noch bis zum Anfang dieses Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

z. B. auf Sylt und bei <strong>Husum</strong> Diese Firma entstand 1836 <strong>aus</strong> einem<br />

kannten Firma Vitleroy & Boch zu sehen.<br />

betrieben.<br />

Zusammenschluß <strong>der</strong> beiden Familien'<br />

Zum Tafelgeschirr des <strong>Apotheke</strong>rs gehört<br />

ein weißgrauer unglasierter, ein-<br />

Gefäß kann also erst nach 1836 ent-<br />

unternehmen Villeroy und Boch. Das<br />

henkliger Krug, von dem lei<strong>der</strong> nur <strong>der</strong> standen sein.<br />

Hals erhalten ist. Er ist mit einem Fries Daß <strong>der</strong> Herr <strong>Apotheke</strong>r auch gerne ein<br />

belegt, <strong>der</strong> eih menschliches Gesicht Pfeifchen rauchte, belegen 2 Tonpfeifen.<br />

Tonpfeifen wurden zuerst nach <strong>der</strong><br />

und ein Rankenornament mit einem<br />

eingeschlossenen Herz zeigt. Der ganze Entdeckung des Tabaks in England hergestellt<br />

(1575 in Broseley, Shropshire).<br />

Fries ist mit Goldbronze bemalt. Solche<br />

Krüge wurden am Anfang des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

in Siegburg und im Westerhun<strong>der</strong>ts,<br />

entstand auch in Holland, und<br />

Bald darauf, am Anfang des 17. Jahrwald<br />

hergestellt. In Grenzau (Westerwald)<br />

fand man eine Matrize, mit <strong>der</strong> fenfabrikationszentrum. Aus dem<br />

zwar in Gouda an <strong>der</strong> Yssel, ein Pfei-<br />

solche Friese hergestellt wurden. Sie Schlamm, <strong>der</strong> Yssel wurde ein beson<strong>der</strong>s<br />

feiner Ton gewonnen. Kurz darauf<br />

zeigt ein mit dem Stück <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwan</strong>-<br />

<strong>Apotheke</strong> fast identisches Muster. Der übernahmen die Deutschen die Pfeifenfabrikation<br />

von den Hollän<strong>der</strong>n, und es<br />

Kiug <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwan</strong>-<strong>Apotheke</strong> könnte<br />

daher in das 17. Jahrhun<strong>der</strong>t datiert entstand in Höhr bei Köln ein Zentrum.<br />

werden. Allerdings ist eine Bemalung Die Tonpfeifen wurden zum größten Teil<br />

dieser Krüge unüblich, und es könnte exportiert und vonn Verbraucher gleich<br />

sich möglicherweise auch um eine Nachahmung<br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> 2. Hälfte des 19. Jahr-<br />

sie sehr zerbrechlich waren, Es ist über-<br />

bündel- o<strong>der</strong> dutzendweise gekauft, da<br />

hun<strong>der</strong>ts handeln. Eine Firma Fleischmann<br />

<strong>aus</strong> Nürnberg stellte zu dieser die Woche verbrauchte,<br />

liefert, daß ein Mann bis zu vier Pfeifen<br />

Zeit sehr qualitätvolle Nachahmungen Die beiden Pfeifen <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwan</strong>-<br />

alter Steinzeugkrüge her, die teilweise<br />

so gut gearbeitet waren, daß die Nachahmungen<br />

o<strong>der</strong> Fälschungen oft nicht .<br />

erkannt wurden und manchmal auch<br />

von Museen als Originale angekauft<br />

wurden.<br />

Sicher <strong>aus</strong> dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t aber<br />

stammen 2 Glasflaschen <strong>aus</strong> dem Inventar<br />

<strong>der</strong> <strong>Apotheke</strong>. Ein Vergleichsstück<br />

stammt <strong>aus</strong> dem Abfallschacht <strong>der</strong><br />

alten Lübecker Rats-<strong>Apotheke</strong> und wird<br />

dort sogar ins 16. Jahrhun<strong>der</strong>t datiert.<br />

Für die Flaschen <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwan</strong>-<strong>Apotheke</strong><br />

muß aber wohl eine Datierung<br />

nach 1656 (Gründungsjahr <strong>der</strong> APothekel<br />

angenommen werden.<br />

6


<strong>Husum</strong> kultur-historisch<br />

<strong>Apotheke</strong> stammen <strong>aus</strong> Holland. Die<br />

Pfeife besitzt einen relativ kleinen Kopf<br />

und einen dicken Stiel. Auf beiden Seiten<br />

des Kopfes befindet sich eine Reliefverzierung.<br />

Anfangs, als <strong>der</strong> Tabak teuer<br />

war, wurden solche Pfeifen mit kleinem<br />

Kopf hergestellt, erst als <strong>der</strong> Tabak billiger<br />

wurde, entstanden Pfeifen mit größeren<br />

Köpfen. Die Pfeifen mit kleinem<br />

Kopf und dickem Stiel sieht man viel auf<br />

Gemälden Jan Steens und Adriaan<br />

Brouwers. Die Form dieser Pfeife, die<br />

Verzierung und die ungeglättete Oberfläche<br />

legen eine Datierung in das 17.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t nahe. Die an<strong>der</strong>e Pfeife hat<br />

eine ganz an<strong>der</strong>e Form, einen großen<br />

Kopf, einen dünnen Stiel und ist mit<br />

einem Achatstein geglättet. Auf <strong>der</strong><br />

Oberseite des Pfeifenkopfes befindet<br />

sich die Marke des Pfeifenherstellers.<br />

Sie stellt König David mit Schild und<br />

Schwert dar. Je<strong>der</strong> Pfeifenhersteller<br />

hatte seine eigene Marke, und diese<br />

durfte nur vom ihm benutzt werden. Die<br />

Marke auf <strong>der</strong> Pfeife wurde 1675 in das<br />

Markenregister <strong>der</strong> Stadt Gouda eingetragen.<br />

Auch einige Besitzer dieser<br />

Marke sind bekannt. Auf einer Marke<br />

des Verpackungsmaterials für die Pfeifen<br />

ist <strong>der</strong> Name Jan Girrebo zu sehen.<br />

Dieser hatte das Recht für die Marke von<br />

Jan Pereboom (Meister 4. April 1729) erworben.<br />

Später sind als Eigentümer Jan<br />

Cippero (1749) und Jacob Bos (1773)<br />

genannt. Die Pfeife dürfte also nach 1675<br />

hergestellt worden sein, und vielleicht<br />

stammt die Pfeife <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwan</strong>-<strong>Apotheke</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Werkstatt eines <strong>der</strong> oben<br />

genannten Meister.<br />

So geben wenige, nur in Bruchstücken<br />

vorhandene Hinterlassenschaften nicht<br />

nur nähere Hinweise auf das Alltagsleben<br />

früherer Zeit, son<strong>der</strong>n zeigen auch,<br />

welche Handelsbeziehungen eine Stadt<br />

wie <strong>Husum</strong> in den wechselvollen Jahren<br />

seiner Geschichte unterhalten hat.<br />

Rüdiger Articus<br />

8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!