März 2013 - Christen Gemeinde Freiburg
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Das Thema<br />
Vom Leid<br />
zur Leidenschaft<br />
Katrin Granacher lebt seit Sommer 2009 im Dreisamtal und ist Lehrerin für Englisch,<br />
Deutsch und Ethik. Sie liebt alle Arten von Ausdauersport und hat drei Kinder<br />
im Alter von 3, 6 und 8 Jahren. Bis November 2010 ist sie glücklich verheiratet,<br />
doch dann ändert ein tragischer Unfall ihr ganzes Leben …<br />
Ein Interview von Edith Spohn mit Katrin Granacher.<br />
1. Katrin, du hast diesem Interview<br />
die Überschrift „Vom Leid zur Leidenschaft“<br />
gegeben. Kannst du uns über<br />
die leidvolle Erfahrung in deinem<br />
persönlichen Leben etwas sagen?<br />
Im November 2010 war mein Mann mit<br />
einem gemeinsamen Freund per Rennrad im<br />
Kaiserstuhl unterwegs, als ein Fahrer eines<br />
Kleinlasters die beiden an einer Kreuzung<br />
übersah. Es kam zur Kollision, beide waren<br />
sofort tot.<br />
Drei Tage nach der Beerdigung starb dann<br />
auch noch ganz überraschend meine Mutter.<br />
2. Du und dein Mann – ihr wart<br />
zusammen mit euren Kindern eine<br />
glückliche Familie, begeistert vom<br />
Leben und motiviert die Zukunft zu<br />
gestalten. Was geschah durch den<br />
Verlust deines Ehemannes?<br />
Mit diesem Schicksalsschlag war von einer<br />
Sekunde auf die andere alles anders. Mein<br />
bisheriges Leben brach zusammen, ich lernte<br />
tiefe Verzweiflung, Schmerz und Not kennen.<br />
Wenn in der Bibel bei Jesaja vom „Glutofen<br />
des Leides“ die Rede ist, kann ich erahnen,<br />
was damit gemeint ist.<br />
3. Am tiefsten Punkt des Leides machtest<br />
du die besondere Erfahrung, dass<br />
es ein Licht in all dem Schmerz gibt.<br />
Wie kam es dazu?<br />
Auf wundersame Weise habe ich mich in diesem<br />
Leid getragen gefühlt. Bis zu dem Unfall<br />
war ich zwar christlich aufgewachsen, aber<br />
mein Herz war nicht wirklich davon berührt.<br />
In meiner Verlassenheit und Angst hatte ich<br />
das Gefühl, Gott spricht zu mir. Zwei Wege<br />
taten sich vor mir auf, der eine führte in den<br />
Tod – die Sehnsucht zu sterben hatte ich<br />
sehr wohl in mir verspürt – der andere ins<br />
Leben. Wenn Jesus von sich als dem Weg, der<br />
Wahrheit und dem Leben spricht (Joh. 14,6),<br />
dann kann ich sagen, dass ich diese Worte<br />
in einem ganz existentiellen Sinn erfahren<br />
habe. Ich habe mich für das Leben mit Jesus<br />
entschieden.<br />
4. Welchen Anteil erlebtest du durch<br />
Menschen, die sich um dich kümmerten?<br />
Gott hat mir Menschen geschickt, die ich<br />
bis zu der Tragödie nicht kannte, die mutig<br />
bei uns klingelten, eine Suppe oder einen<br />
Kuchen brachten, ein Buch oder eine Karte<br />
schickten. Ich konnte spüren, dass Gott die<br />
Witwen und Waisen unter einen besonderen<br />
Schutz stellt. Später folgte ich der Einladung<br />
in einen Gebetskreis. Irgendwann besuchte<br />
ich dann einen Gottesdienst in der <strong>Christen</strong>gemeinde<br />
<strong>Freiburg</strong>. In den Gottesdiensten<br />
der <strong>Christen</strong>gemeinde wird in besonderer<br />
Weise für seelisch und körperlich kranke<br />
Menschen gebetet. Ich nahm dieses Angebot<br />
immer wieder an und ließ so „meine innere<br />
Wunde“ pflegen.<br />
5. Was gab dir letztlich die Hoffnung<br />
und Kraft weiterzuleben?<br />
Aus Liebe zu meinen drei kleinen Kindern<br />
wollte ich unbedingt weiterleben. Auch<br />
wenn der Alltag als „Alleinerziehende“<br />
unglaublich anstrengend ist, geben mir die<br />
Kinder doch immer wieder Kraft. Meine<br />
Hoffnung schöpfe ich inzwischen ganz aus<br />
dem Wort Gottes. Ich durfte erfahren, wie<br />
kraftvoll und heilsam die biblischen Zusagen<br />
sind. Sie wurden zur Realität in meinem<br />
Leben und waren nicht mehr „nur“ Worte.<br />
6. Vor uns liegt die Passionszeit. In<br />
den Kirchen und <strong>Gemeinde</strong>n wird besonders<br />
in dieser Zeit über das Leiden<br />
Jesu, seinen Tod und die Auferstehen<br />
gesprochen. Hat für dich die Botschaft<br />
des Kreuzes, des Sterbens und<br />
der Auferstehung durch die leidvolle<br />
Erfahrung eine neue Bedeutung<br />
bekommen?<br />
Jesus ist ein großartiges Vorbild im Ertragen<br />
von Leid. Er spricht vor seinem Tod im Garten<br />
Gethsemane: Mein Vater, wenn es möglich<br />
ist, so bewahre mich vor diesem Leiden! Aber<br />
nicht, was ich will, sondern was du willst, soll<br />
geschehen! (Mt. 26,39). Seine Auferstehung<br />
lehrt mich zu sehen, dass es mehr gibt als<br />
das Hier und Jetzt, dass dieses Leben nur die<br />
Vorbereitung auf die Ewigkeit ist.<br />
7. Was bedeutet für dich: „Vom Leid<br />
zur Leidenschaft“?<br />
Es ist Ausdruck einer tiefgreifenden Veränderung<br />
in meinem Leben: Ich durfte erleben,<br />
wie Jesus immer an meiner Seite ist. Er füllt<br />
die entstandene Lücke. Er ist Freund und<br />
Tröster. Aus meinem Leid wurde eine „leidenschaftliche“<br />
Beziehung zu Jesus.<br />
8. Wie lebst und gestaltest du deinen<br />
Alltag als Frau, die im Glauben an<br />
Jesus Christus Halt, Hoffnung und<br />
Zukunft gefunden hat?<br />
Ich versuche morgens meine „stille Zeit“ zu<br />
haben und da ist mir das Buch „Ich bin bei<br />
dir“ von Sarah Young eine unbeschreibliche<br />
Stütze. Ich treffe mich wöchentlich mit zwei<br />
Freundinnen zum Gebet und bin in einer<br />
Hauszelle (G12) der <strong>Christen</strong>gemeinde. So<br />
oft es mir möglich ist besuche ich Gottesdienste<br />
oder Veranstaltungen um weiter in<br />
meinem Glauben Stärkung zu erfahren.<br />
9. Kannst du dem Zitat von Augustinus:<br />
„Kein Leid ist sinnlos. Immer gründet es<br />
in der Weisheit Gottes.“ zustimmen?<br />
Zunächst erschien das Leid, das über uns<br />
kam, völlig sinnlos. Wie kann Gott es zulassen,<br />
dass ein solch wunderbarer Familienvater<br />
und Ehemann, ein äußerst beliebter<br />
Lehrer und vorbildlicher Sportler mit 39<br />
Jahren sterben muss? Warum solches Leid?<br />
Eine Sekunde hätte genügt und der Unfall<br />
wäre nicht passiert.<br />
Ich war so wütend und fühlte mich wie<br />
Hiob. Mit der Zeit hat sich die Warum-Frage<br />
in eine Wozu-Frage verwandelt. Wozu dient<br />
dieses schreckliche Ereignis, was kann ich<br />
daraus lernen? Ganz langsam stellte ich bei<br />
mir eine Veränderung fest. Die Wanderung<br />
„durch das Tal der Todesschatten“ hat mich<br />
geprägt. Durch die Erfahrung von Schmerz<br />
und Leid hat mein Leben an Tiefe gewonnen<br />
und mein Glaube hat sich intensiviert<br />
- vielleicht kann ich anderen Menschen<br />
Trost und Hilfe sein. Ich vertraue auf Gottes<br />
Weisheit - sie ist um so vieles größer als ich<br />
mir das ausmalen kann und heißt es nicht<br />
bei Jesaja 56: „Meine Gedanken sind nicht<br />
eure Gedanken, und meine Wege sind nicht<br />
eure Wege. Denn wie der Himmel die Erde<br />
überragt, so sind auch meine Wege viel<br />
höher als eure Wege und meine Gedanken<br />
als eure Gedanken.“<br />
10. Was würdest du Menschen sagen<br />
wollen, die durch oder inmitten von<br />
Leid stehen?<br />
Die Bibel ist für mich ein wertvoller Begleiter<br />
geworden. In Römer 8,18 heißt es: „Die<br />
künftige Herrlichkeit, die Gott für uns bereithält,<br />
ist so groß, dass alles, was wir jetzt<br />
leiden müssen, in keinem Verhältnis dazu<br />
steht!“ In dieser Vorfreude lebe ich – einen<br />
Tag nach dem anderen!<br />
Katrin, herzlichen Dank für deine<br />
Offenheit.<br />
Literaturempfehlungen zum Thema:<br />
• „Wenn Träume sterben.<br />
Loslassen – neu anfangen –<br />
wieder leben.“<br />
von Marilyn Willett Heavilin<br />
ISBN: 3-86122-101-2<br />
• „Ich bin bei Dir“ von Sarah Young<br />
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