Rede zum Tod von Dr. Knut Lohmann - BAK
Rede zum Tod von Dr. Knut Lohmann - BAK
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<strong>Rede</strong> <strong>zum</strong> <strong>Tod</strong> <strong>von</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Knut</strong> <strong>Lohmann</strong><br />
Verehrte, liebe Frau Groh,<br />
liebe Familie <strong>Lohmann</strong>,<br />
liebe Angehörige und Freunde,<br />
liebe Trauergemeinde,<br />
wir trauern um unseren Kollegen, langjährigen Vorsitzenden und Ehrenvorsitzenden des<br />
<strong>BAK</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Knut</strong> <strong>Lohmann</strong>, der jäh aus diesem Leben gerissen wurde. Auch für uns war er<br />
eine „Instanz“, wie die Zeitung schrieb, für die er zwei Jahrzehnte als Kulturredakteur<br />
arbeitete.<br />
Wir – das ist der <strong>BAK</strong>, der Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen mit seinen<br />
fast 2000 Mitgliedern, der heute hier durch eine ganze Reihe <strong>von</strong> Weggefährten vertreten<br />
wird. Besonders erwähnen darf ich Albert Mäder, Jürgen Golenia und Dietmar<br />
Seiffert, die allesamt Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstands sind, Winfried Pesch,<br />
den ehemaligen LAK-Vorsitzenden in NRW, und meine Wenigkeit – ich war <strong>Knut</strong>s<br />
Nachfolger an der <strong>BAK</strong>-Spitze.<br />
Liebe Trauergemeinde, „Der <strong>Tod</strong> ist groß. Wir sind die Seinen. Lachenden Munds. Wenn<br />
wir uns mitten im Leben meinen, wagt er zu weinen mitten in uns.“ So sagt es Rainer<br />
Maria Rilke.<br />
Wir können es noch gar nicht fassen. Noch vor wenigen Wochen hat <strong>Knut</strong> <strong>Lohmann</strong> – wie<br />
immer sehr engagiert – an der Sitzung des Erweiterten Vorstands in Fulda teilgenommen.<br />
Ich hatte die Freude, direkt neben ihm zu sitzen. So hatten wir auch in den Pausen Gelegenheit<br />
uns auszutauschen. Seine tägliche Kultur-Arbeit für die Zeitung schien ihm weiterhin<br />
viel Freude zu bereiten. Von gesundheitlichen Problemen war auch jetzt nicht die<br />
<strong>Rede</strong>. Nur kurz und beiläufig erwähnte er, dass ihm Anstiege etwas schwerer fielen als<br />
früher. Aber dies ist mit 84, die man ihm in keiner Weise anmerkte, überhaupt nicht verwunderlich<br />
… Die Äußerung ist mir auch erst jetzt beim Nach-Denken wieder eingefallen.<br />
Aber das Jähe, Plötzliche, Unvermittelte seines <strong>Tod</strong>es ist auch nur der erste Eindruck.<br />
Daneben steht die tröstliche Wahrnehmung, dass er so lange und bis zuletzt seinen geliebten<br />
Beschäftigungen nachgehen – und dann sehr friedlich einschlafen durfte. Er fand<br />
einen <strong>Tod</strong>, wie er ihn sich wünschte und wie ihn viele Menschen sich wünschen: keine<br />
Qual mit Apparaten oder langes leidensvolles Siechtum. Vielleicht darf man sogar sagen:<br />
Ein großes Leben hatte sich erfüllt, war gerundet und fand sein gutes Ende. Auch wenn es<br />
noch viele Pläne gegeben haben mag und wirkliches Abschiednehmen nicht mehr möglich<br />
war.<br />
Gleichwohl: Für die Familie und die Freunde vor allem, aber auch für die Zeitung, ihre<br />
Leser/innen, die Siegener Kultur und nicht zuletzt für den Bundesarbeitskreis der Seminarund<br />
Fachleiter/innen bedeutet sein <strong>Tod</strong> einen ganz großen Verlust. Er hinterlässt eine Lücke,<br />
die nicht zu schließen ist. Es fällt mir schwer, in der Sprachform, im Tempus des<br />
Perfekt oder gar Präteritum <strong>von</strong> ihm zu sprechen, aber leider muss es sein. Vor etwas<br />
mehr als vier Jahren habe ich unweit <strong>von</strong> hier aus Anlass seines 80. Geburtstags seine<br />
Verdienste für die Lehrerbildung dargestellt. Lassen Sie mich <strong>zum</strong> ehrenden Gedenken<br />
noch einmal einige Hauptpunkte in Erinnerung rufen.
<strong>Knut</strong> <strong>Lohmann</strong>, der ehemalige Schiller-Forscher und Lehrer für Deutsch, Latein und Philosophie<br />
am Gymnasium, der legendäre Fach- und Seminarleiter im hiesigen Studienseminar,<br />
und auch der Journalist und Kritiker, der Freund und Förderer der Musik und des<br />
Theaters, der Dozent der Mittwochsakademie fühlte sich zeitlebens den Themen Bildung<br />
und Lehrerbildung zuinnerst verbunden. Seine spürbare Freude an großen Ideen und geschliffenen<br />
Formulierungen verband sich mit hohen Anforderungen an sich selbst, mit persönlichen<br />
Aufbrüchen und der Entwicklung neuer Haltungen und Perspektiven. Bildung ist<br />
ein unabschließbarer Prozess und heißt im Kern sich selbst bilden. Da<strong>von</strong> war er überzeugt.<br />
Bildung war sein großes Lebensthema - theoretisch und praktisch.<br />
Vor zehn Jahren hat er zusammen mit Albert Mäder einen Band unserer Zeitschrift Seminar<br />
moderiert <strong>zum</strong> Thema „Bildung 2003“, der mit einem weitgespannten und erfahrungsgesättigten<br />
Essay <strong>von</strong> ihm eröffnet wurde: „Bildung: Ringen um den Begriff – Ringen um<br />
die Sache. Eine berufsbiographische Bestandsaufnahme.“ Er skizziert hier die 40jährigen<br />
Kämpfe innerhalb der pädagogischen Zunft – und seine immer differenzierten und klugen<br />
Einschätzungen dazu. Der Bildungsbegriff ist für ihn als Orientierungsgröße und Fundament<br />
der Garant eines Menschenbildes, das Wahrheitssuche, Verantwortlichkeit und<br />
Offenheit – auch z. B. für religiöse Erfahrungen und die Gottesfrage – einschließt. Trotz<br />
aller Kontroversen plädiert er für „Mut zur Bildung“.<br />
Auch wenn es den Gebildeten nach <strong>Knut</strong> <strong>Lohmann</strong> heute nicht mehr geben könne, wie er<br />
schrieb, er war es, er war ein Bildungsbürger im besten Sinne, der sich in der Polis einmischt,<br />
Verantwortung übernimmt, ein kritischer und kreativer Kopf – Anreger für Neues,<br />
auch für neue Medien, die er virtuos zu nutzen verstand, vor allem aber <strong>zum</strong> Selberdenken<br />
(„Argumentative Didaktik“) und immun gegen Moden und wohlfeile Slogans. Mit seiner<br />
reflexiven Souveränität, schier zeitlosen Kriterien-Klarheit, hohen Selbstdisziplin, mit seinem<br />
Sprachwitz und scheinbaren Leichtigkeit war er ein seltenes Modell im schnelllebigen<br />
Ausbildungsbetrieb.<br />
<strong>Knut</strong> <strong>Lohmann</strong> hat die Geschichte und Geschicke des <strong>BAK</strong> wie kaum ein anderer gekannt<br />
und verkörpert. Als Nachfolger <strong>von</strong> Erika Essen war er Bundesvorsitzender des <strong>BAK</strong> <strong>von</strong><br />
1977 – 1993. Das waren bekanntlich bewegte Jahre – nicht nur in der Bildungspolitik: <strong>von</strong><br />
Helmut Schmidt bis Helmut Kohl, vom Terror der RAF über das Wunder der Wiedervereinigung<br />
bis <strong>zum</strong> „wind of change“.<br />
Als Seminar-Repräsentant hat er mit seinen fundierten Problemanalysen und mutigen Initiativen<br />
– z. B. als früher Kritiker der Einstellungsstopps – sich rasch einen Namen gemacht.<br />
Wie in seinem Seminar hat er auch im <strong>BAK</strong> den Stil des freien Diskurses und der<br />
gemeinsamen Verantwortung gepflegt, der das Wünsch- und Denkbare nicht vorschnell<br />
den vermeintlichen Sachzwängen opfert. Immer suchte er den Blick über den Tellerrand:<br />
Engen Kontakt hielt er nach Ostwestfalen, nach Bielefeld, zur dortigen Arbeitsgemeinschaft<br />
für Lehrerbildung (AGL) und <strong>zum</strong> Oberstufenkolleg, wo er viele Jahre <strong>zum</strong><br />
Wissenschaftlichen Beirat gehörte. Die Bielefelder Reformen, die Zusammenführung <strong>von</strong><br />
Theorie und Praxis haben ihn elektrisiert – so wie er Bielefeld ohnehin immer als Jugendund<br />
Anker-Stadt wertgeschätzt hat.<br />
Er war ein angesehener Experte und Vermittler in der Zeit, als die Deutsche Einheit nicht<br />
nur auf der pädagogischen Agenda stand. Die Lehrerbildung in Deutschland, ich denke an<br />
die große Fortbildungsreise in die östlichen Bundesländer, vom damaligen Bildungsministerium<br />
unterstützt, hat <strong>von</strong> seinem Problembewusstsein und seiner Argumentationskraft
sehr profitiert. Öfter saßen wir bei <strong>BAK</strong>-Tagungen zusammen auf dem Podium und haben<br />
Perspektiven für die Bildungs- und Ausbildungszukunft im wiedervereinigten Deutschland<br />
ausgetauscht. Und mit seiner großen Erfahrung hat er auch in der ATEE (der Association<br />
for Teacher in Europe) die deutsche Lehrerbildung der Zweiten Phase repräsentiert und<br />
uns mit den europäischen Entwicklungen vertraut gemacht.<br />
Ich bin in den achtziger Jahren oft zusammen mit dem Kollegen Mäder in Siegen gewesen.<br />
Ich erinnere mich noch genau an beeindruckende <strong>BAK</strong>-Vorstandstreffen, die abends<br />
im Hause <strong>Lohmann</strong> ihre gesellige und gesellschaftliche Fortsetzung fanden, mit dabei<br />
z. B. Herr Quante aus Bremen (der heute leider nicht dabei sein kann, aber herzlich<br />
grüßen lässt), Herr Danneberg aus Marburg und Herr <strong>Dr</strong>. Bliemel aus Berlin. Und <strong>zum</strong><br />
Abschluss – sich selbst am Klavier begleitend – gab der Hausherr mit geübter Stimme<br />
Lieder und Opernarien <strong>zum</strong> Besten.<br />
Nach seiner Pensionierung 1993 konzentrierte sich <strong>Knut</strong> <strong>Lohmann</strong> vor allem auf seine<br />
tägliche Kultur- und Zeitungsarbeit, aber als Ehrenvorsitzender war er weiterhin ein gefragter<br />
Berater im Vorstand, Elder Statesman der Bildungs- und Seminarpolitik, Fotograf<br />
und kreativer Dokumentarist – und immer noch Motor der Entwicklung – <strong>zum</strong> Beispiel bei<br />
der Fusion der bisher weitgehend schulartspezifischen Verbände der Lehrerausbildung in<br />
Nordrhein-Westfalen, ein Zusammengehen, eine Bündelung der Kräfte, die ihm schon<br />
immer vorschwebte.<br />
Lieber <strong>Knut</strong>, so möchte ich schließlich noch einmal in direkter Ansprache sagen dürfen: Du<br />
hast durch dein überzeugendes Wirken wesentlich zur Förderung und Verbesserung der<br />
Lehrerbildung und Bildungsarbeit in den Studienseminaren und Schulen in Deutschland<br />
beigetragen. Der <strong>BAK</strong> dankt Dir ganz herzlich für all deine Initiativen und Impulse und<br />
deine große und nachhaltig wirkende Gestaltungsleistung im Verband und für alle freundschaftliche<br />
Beratung und Unterstützung in den letzten Jahren. Und persönlich: Du bist mir<br />
und anderen im <strong>BAK</strong> in Vielem ein Vorbild geworden. Danke, lieber <strong>Knut</strong>, und Adieu!<br />
Ihnen, liebe Frau Groh, <strong>Knut</strong>s Kindern, Angehörigen und Freunden wünschen wir viel<br />
Kraft, Zusammenstehen, Unterstützung und Trost, wie er etwa in einem Wort Dietrich<br />
Bonhoeffers <strong>zum</strong> Ausdruck kommt:<br />
„Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit<br />
kann die Qual der Erinnerung in stille Freude verwandeln. Man trägt das vergangene<br />
Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“<br />
Das wünsche ich Ihnen im Namen des Bundesarbeitskreises der Seminar- und Fachleiter/innen<br />
<strong>von</strong> ganzem Herzen.<br />
Volker Huwendiek, Prof. a.D.