PDF Download - Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
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Aktuell<br />
Eröffnungsfilm der Stummfilmtage: »The Pleasure Garden – Irrgarten der Leidenschaft«, Alfred Hitchcocks erster Langspielfilm als Regisseur aus dem Jahr 1925, Foto: Archiv<br />
29. Sommerkino<br />
Stummfilmtage Bonn<br />
Das Bonner Sommerkino ist Deutschlands größte Stummfilm-Open-Air-<br />
Veranstaltung. Vom 8. bis 18. August findet es zum 29. Mal im Innenhof<br />
der Universität statt und nimmt die Zuschauer bei freiem Eintritt mit auf<br />
eine Reise durch Genres und Orte der Filmgeschichte.<br />
VON ANABEL PÉREZ<br />
Der Stummfilm ist alles andere als stumm. Das beweist der<br />
Förderverein Filmkultur Bonn e.V. jedes Jahr aufs Neue, wenn<br />
er über zehn Tage hinweg frühe Filmschätze mit live eingespielter<br />
musikalischer Begleitung präsentiert. Ziel der Veranstalter<br />
ist es, ein wenig bekanntes, historisches Filmgenre<br />
einem großen Publikum zugänglich zu machen. »Wir wollen<br />
keine kleine Expertenrunde sein«, so die Leiterin der Internationalen<br />
Stummfilmtage, Sigrid Limprecht, die sich vorgenommen<br />
hat, jeden Abend 1.500 Plätze zu füllen.<br />
Besucherandrang im Arkadenhof<br />
Einen stimmungsvollen Rahmen bietet der kurfürstliche Arkadenhof<br />
der Universität Bonn, der sich für die Festivalzeit in ein<br />
Open-Air-Kino verwandelt. Bei bestem Sommerwetter kann es<br />
vor der Tür auch mal zu enttäuschten Gesichtern bei denjenigen<br />
kommen, die keinen Platz mehr ergattern konnten. Dies<br />
ist die Kehrseite des großen Besucherandrangs, aber auch das<br />
positive Ergebnis der kontinuierlichen Festivalarbeit: »Das ist<br />
schon einzigartig, und man muss hart daran arbeiten, dass<br />
dieser Effekt nachher wirklich eintritt.« Das diesjährige<br />
Programm bietet vom Kammerspiel über die Komödie, den<br />
Outdoor-Spektakelfilm bis zu Krimi und Western einen Querschnitt<br />
durch alle Genres, die bereits in der Frühzeit des Films<br />
angelegt wurden. Insgesamt hat Kurator Stefan Drößler, Festivalgründer<br />
und Leiter des Filmmuseums München, 24 internationale<br />
Kurz- und Langfilme ausgewählt. Eröffnet wurden die<br />
Stummfilmtage mit Alfred Hitchcocks erstem Langspielfilm als<br />
Regisseur, »The Pleasure Garden – Irrgarten der Leidenschaft«<br />
aus dem Jahr 1925. Der aufmerksame Zuschauer wird in<br />
dieser neu restaurierten und 20 Minuten längeren Fassung<br />
des Erstlingswerks bereits typische Hitchcock-Motive wie<br />
Treppen, Blondinen und Voyeurismus entdecken können.<br />
Auch das weitere Programm verspricht laut Limprecht »spannende<br />
Geschichten und großes Kino«. Dazu gehören neben<br />
Werken von Stummfilmlegenden wie Charles Chaplin, Buster<br />
Keaton und Ernst Lubitsch auch filmische Raritäten und<br />
Neuentdeckungen aus den internationalen Archiven.<br />
Musikalische Live-Begleitung<br />
Fester Bestandteil und Herzstück einer jeden Vorführung ist<br />
neben den historischen Bewegtbildern natürlich die Musik.<br />
Alle Filme werden von den teils langjährigen Weggefährten<br />
des Festivals, Joachim Bärenz, Neil Brand, Günther A. Buchwald,<br />
Stephan Horne und Richard Siedhoff, instrumental und<br />
live begleitet. Neben der akustischen Herausforderung des<br />
Arkadenhofs müssen es die Musiker auch mit den für heutige<br />
Verhältnisse teilweise ungewohnten filmischen Erzählweisen<br />
aufnehmen und den Film so begleiten, dass solche Passsagen<br />
gar nicht erst auffallen. Dabei handelt es sich stets um<br />
Neukompositionen von zeitgenössischen Musikern, die ihre<br />
Interpretation des Films in Noten umsetzen. »Wir sehen die<br />
Musik als Chance, den Film in die heutige Zeit zu transportieren«,<br />
begründet Sigrid Limprecht die Abkehr vom Originalton.<br />
Diese künstlerische Freiheit bestand im Übrigen schon zur<br />
Stummfilmzeit, da längst nicht an jedem Spielort ein ganzes<br />
Orchester zur Verfügung stand.<br />
Die Verbindung von alt und neu spiegelt sich in diesem Jahr<br />
auch in der Projektionstechnik wider, die sowohl auf analoges<br />
als auch auf digitales Filmmaterial ausgerichtet ist. Die neuen<br />
Möglichkeiten der digitalen Restauration bedeuten für die<br />
Stummfilmtage jedoch Fluch und Segen zugleich. »Die digitale<br />
Projektion ist für alle Veranstalter eine große Herausforderung«,<br />
umschreibt die Festivalleiterin den immensen Kostenaufwand.<br />
Auf der anderen Seite können jetzt auch schwer<br />
beschädigte Originalfilme überhaupt erst wiederhergestellt<br />
und der Öffentlichkeit präsentiert werden.<br />
Filmerzähler eröffnet neue Ebene<br />
Neben den rein musikalischen Begleitungen wird es diesen<br />
Sommer erneut eine Aufführung mit dem Kabarettisten<br />
Norbert Alich geben, der Lubitschs Adaption von »Carmen«<br />
kommentieren wird. Der Filmerzähler ist eine historisch<br />
verbürgte Funktion, er hat dem damals filmunerfahrenen<br />
Publikum das Geschehen auf der Leinwand in Worten nahe<br />
gebracht. In Japan hat diese Tradition bis heute überlebt, und<br />
auch in Bonn hat sie im vergangenen Jahr großen Anklang<br />
gefunden. Neben dem Bild und der Live-Musik eröffnet der<br />
Filmerzähler eine neue, dritte Ebene. Sigrid Limprecht<br />
verspricht ein amüsantes Zusammenspiel: »Wenn Sprecher<br />
und Musiker sich gut verstehen, dann ist das wirklich improvisiert<br />
und wie Stand-up-Comedy.«<br />
> www.internationale-stummfilmtage.de<br />
4 < Film und Medien NRW – Das Magazin | 4/2013