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Programmheft (pdf) - Basel Sinfonietta

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Zu den Werken<br />

Roland Moser: WAL für schweres Orchester<br />

La valse steht für das vielschichtig komponierte Programm des heutigen Konzertes.<br />

Auch von WAL für schweres Orchester könnte man mit Diaghilev sagen: «Ce n’est<br />

pas une baleine, c’est la peinture d’une baleine.» Moser hat keine Programmmusik<br />

k omponiert, und wer musikalische Übertragungen von Walgesängen erwartet, wird<br />

enttäuscht.<br />

Es ist schwierig, die Qualität von Roland Mosers Musik zu beschreiben, denn sie entzieht<br />

sich einem einfachen Zugriff; Moser liebt das Paradoxe, Systeme, die scheitern,<br />

Dinge, die nicht «stimmen». Moser liebt auch Rätsel und versteckte Botschaften: Zum<br />

Beispiel «spricht» im WAL, kurz nach Beginn des Stückes, ein Instrument eine zentrale<br />

Textstelle des Gedichtes Gesang der Wale von Günter Herburger, auf das sich Moser<br />

in seiner Komposition bezieht. Welchem Instrument wohl hat Moser diesen «Text»<br />

g egeben? Der Tuba oder den versammelten tiefen Streichern? Nein, ausgerechnet<br />

dem Piccolo, jenem Instrument, das nicht einmal die eingestrichene Oktave erreicht<br />

und mit dem man einen Wal zuallerletzt in Verbindung bringt. Und selbstverständlich<br />

«spricht» das Piccolo den Text nur, indem der Spieler sprechend bläst und in der<br />

M e lodie die Wortbetonungen exakt übernimmt. In diesem Text wird das Programm<br />

von WAL formuliert, aber nur der Piccolo­Spieler und der Dirigent bzw. der Besitzer der<br />

Partitur kennen es wörtlich; alle andern hören nur, dass da etwas gesagt wird, aber was<br />

genau, verstehen sie nicht.<br />

Und Sie möchten nun, dass ich hier dieses Programm offenlege? Ich tue es nicht, denn<br />

Sie würden wenig gewinnen, viel eher gar die Magie des Momentes nicht mehr spüren,<br />

diese unerhörte Spannung zwischen dem grossen und schweren Orchester und der<br />

fast «himmlisch» wirkenden Piccolo­Botschaft nicht mehr erleben können. Es ist keine<br />

Geziertheit, wenn Roland Moser wenig preisgibt von den Gedanken und Systemen, die<br />

hinter seiner Musik stehen. Denn das «Wissen» kann von der eigentlichen Qualität der<br />

Musik gerade ab lenken. In WAL liegt diese Qualität im durchaus paradoxen Umgang<br />

mit dem schweren Orchester: Dieses wird nämlich in seiner Schwere gar nicht ausgeschöpft,<br />

vielmehr schreibt Moser eine leichte und sehr bewegliche Musik, welche an<br />

die Schwerelosigkeit und Wendigkeit der Wale im Meer erinnert. Trotz ihrer Schwerelosigkeit<br />

entwickelt die Musik eine starke Sogwirkung. Und diese hat mit der speziellen<br />

Harmonik des Werkes zu tun.<br />

Früh schon hat Roland Moser nach Auswegen aus der harmonischen Einförmigkeit<br />

v ieler Zwölftonstücke mit ihrer Dominanz von Septimen, Sekunden und über mässigen<br />

Quarten gesucht. Diese Intervalle klingen zwar alle komplex, aber auch immer ziemlich<br />

ähnlich. Moser wurde in der Folge zum h armonischen Alchimisten, der er bis heute ist.

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