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FABRIK RUND BRIEF - Fabrik e.V.

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<strong>FABRIK</strong>-Rundbrief | Sommer 2013<br />

20 Jahre AMICA<br />

die Initiative ergriffen und bin weitergeflogen<br />

nach Split. Unter unserem Viersitzerflugzeug<br />

war Kriegsgebiet – da wurde<br />

geschossen. Ich habe mich in Split einer<br />

kleinen Journalistengruppe angeschlossen,<br />

die nach Bosnien wollte und wurde kurzerhand<br />

als Pressefrau eingestuft.<br />

Sandra Takács: Wäre zu der Zeit denn<br />

auch humanitäre Hilfe ins Land gelassen<br />

worden?<br />

Martha Achatz: Nein. Damals noch<br />

nicht. Wir sind bei Nacht und Nebel über<br />

die Grenze und in ein Flüchtlingslager.<br />

Dort habe ich Frauen getroffen, die Massenvergewaltigungen<br />

überlebt haben. Da<br />

war sofort klar, dass nichts an den Medienberichten<br />

übertrieben war. Es war zum<br />

Heulen. Die Geschichten dieser Frauen<br />

haben mich komplett erschüttert – und<br />

ich habe sie aufgeschrieben. Mit diesen Berichten<br />

bin ich in Deutschland dann auf<br />

Veranstaltungen eingeladen worden – in<br />

Freiburg haben wir nach unserer Rückkehr<br />

diesen ersten Verein „Frauen helfen<br />

Frauen“ gegründet.<br />

Sandra Takács: Und ihr wart dann doch<br />

mit etlichen Transporten vor Ort – wie seid<br />

ihr da ins Land gekommen?<br />

Martha Achatz: Vom Frühjahr 1993<br />

an war es über „UNHCR“ wieder möglich<br />

einzureisen. Wir fuhren mit unseren<br />

lahmen weiß angemalten 7,5-Tonnern voll<br />

mit Sachspenden – und hatten UNHCR-<br />

Ausweise. In den UNHCR-Konvois sind<br />

wir dann eingereist und haben sie natürlich<br />

prompt verloren: So lahm und so voll<br />

beladen mit den Sachspenden konnten<br />

wir mit denen nicht mithalten. Da kamen<br />

wir uns etliche Male wahnsinnig schutzlos<br />

vor. Wir wussten ja gar nicht, wo gerade<br />

gekämpft wurde, wo Minenfelder waren...<br />

Wir sind dann auch tatsächlich mal in eine<br />

sehr brenzlige Situation geraten – in einen<br />

Häuserkampf, da wurde geschossen und es<br />

flogen Handgranaten.<br />

Sandra Takács: Unvorstellbar. Häuserkampf<br />

kennen wir natürlich nicht – nur die<br />

Minenfelder sind immer noch eine virulente<br />

Gefahr. Aber sag mal, im Rückblick<br />

muss man doch feststellen, dass ihr damals<br />

irres Glück hattet!<br />

Martha Achatz: Ja, wir hatten wahnsinniges<br />

Glück! Wenn ich mir heute überlege,<br />

wie wir da unterwegs waren ... mein Mann<br />

Max ist ja auch gefahren, etliche Leute aus<br />

dem <strong>Fabrik</strong>-Umfeld, von Zapf hatten wir<br />

Leute, die gefahren sind. Und es war so<br />

wichtig, dass wir das gemacht haben, denn<br />

damals sind ja nur ganz wenige Hilfsorganisationen<br />

ins Kriegsgebiet reingefahren.<br />

Alles hat da gefehlt.<br />

Sandra Takács: Und wie ging das mit<br />

dem Sammeln von Hilfsgütern?<br />

Martha Achatz: Im Grunde waren wir<br />

alle hoffnungslos damit überfordert. Wir<br />

haben das alle ehrenamtlich gemacht und<br />

wurden überflutet von Sachspenden, die<br />

ja dann gesichtet, sortiert und gelagert<br />

werden mussten. In der <strong>Fabrik</strong>, in meinen<br />

eigenen Lagerräumen und schließlich<br />

konnten wir dann noch ein Warenlager<br />

vom Herbst bis zum Frühjahr im Strandbad<br />

einrichten – das war eine große Hilfe.<br />

Es gab dann richtig eine Art Fahrdienst<br />

nach Zagreb – und von dort aus weiter.<br />

Bei einer der Fahrten nach Tuzla lernten<br />

wir die Gynälokolgin Kreitmeyer kennen.<br />

Mit ihr zusammen richteten wir dort unser<br />

erstes Hilfszentrum mit Kindergarten,<br />

Frauentreff und humanitären Lagerräumen<br />

ein. Diese enge Verbindung zu Frau<br />

Kreitmeyer war für alles Weitere Gold<br />

wert ... Naja, überleg mal, was seither alles<br />

entstanden ist!<br />

Sandra Takács: Stimmt – da kam nach<br />

den Transporten die Vernetzung vor Ort,<br />

die Zentren, die soziale und therapeutische<br />

Arbeit, andere Einsatzorte und Gebiete<br />

– wir haben uns dabei bewusst auf<br />

die zwei großen Regionen Balkan und<br />

Mittlerer Osten beschränkt. Und wollen<br />

vor allem nicht die schnelle Hilfe, viele<br />

Hilfsorganisationen ziehen sich bald zurück.<br />

Wir bleiben. Heute haben wir diese<br />

unmittelbaren Hilfseinsätze eben gar nicht<br />

mehr, also diese Zeit des ersten Helfens<br />

ist rum. Heute haben wir ganz viel institutionelle<br />

Arbeit, juristische und politische<br />

Arbeit. Völlig anders als bei euch damals.<br />

Aber weißt du, es ist wirklich berührend<br />

und beeindruckend zu hören, mit wie viel<br />

Einsatz du und ihr alle damals gearbeitet<br />

habt!<br />

Martha Achatz: Ja, das hatte eine ganz<br />

schöne Wucht! Und es ging dann auch<br />

irgendwann über unsere Kräfte. Ich war<br />

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