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Literarisches und filmisches Erzählen im Vergleich ... - Hamburg

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LI <strong>Hamburg</strong> - Tagung „Lesekulturen fördern - Ideen für die Praxis“ - 6. September 2013 - J. Stefanski<br />

<strong>Literarisches</strong> <strong>und</strong> <strong>filmisches</strong> <strong>Erzählen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>:<br />

Ideen für einen Literaturunterricht in medialer Perspektive<br />

1. Gr<strong>und</strong>lage des didaktischen Ansatzes<br />

Geschichten erzählen <strong>und</strong> dabei unterhalten wollen - das ist ein Film bzw. TV <strong>und</strong> Literatur verbindendes<br />

Moment. Jonathan Culler erläutert in seiner literaturtheoretischen Einführung 1 diesen Zusammenhang<br />

recht prägnant, indem er „<strong>Erzählen</strong> als Möglichkeit, Ereignisse in der Weise eine Form zu geben, dass<br />

aus ihnen eine Geschichte wird“ versteht. Als Folge dieser Überlegung geht der hier dargestellte<br />

didaktische Ansatz von der Annahme aus, dass diese Kunstformen auf die selben Konzepte von<br />

Inszenierung bzw. Vermittlung zurück greifen. Damit können Filme, Serien oder literarische Texte mit Hilfe<br />

des universellen Dreischritts Inhalt - Form - Wirkung analysiert werden.<br />

Filmsequenzen eignen sich demnach, um <strong>im</strong> Deutschunterricht einen analytischen Umgang mit Literatur<br />

anhand eines den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern vertrauten Mediums exemplarisch zu vermitteln <strong>und</strong><br />

anschaulich zu üben. Jonathan Culler gibt zugleich die Möglichkeit einer Didaktisierung vor: „Die<br />

Geschichte bzw. Handlung ist das Material, das aus einem best<strong>im</strong>mten Blickwinkel vom Text vermittelt <strong>und</strong><br />

strukturiert wird."<br />

Aus diesen gr<strong>und</strong>legenden Überlegungen lassen sich zwei didaktische Leitfragen entwickeln, mit denen<br />

sich Filmen <strong>und</strong> Serien sowie Literatur genähert werden kann:<br />

Was geschieht <strong>und</strong> wie wird es dargestellt?<br />

Welche Form der Vermittlung wurde gewählt <strong>und</strong> worin besteht ihre Funktion?<br />

Für die Schüler könnte die Leitfrage in dieser Form formuliert werden, die sich für eine analytische<br />

Annäherung an literarisches <strong>und</strong> <strong>filmisches</strong> <strong>Erzählen</strong> eignet:<br />

Aus wessen Sicht erfolgt die Darstellung, zu welchem Zeitpunkt, mit welcher Distanz, in welchem<br />

Tempo <strong>und</strong> über welchen Grad der Informiertheit verfügt der Darstellende?<br />

Dabei ist es hilfreich, die folgenden Gestaltungsmerkmale zu parallelisieren:<br />

Kamera = Erzähler<br />

Schnitt = Orts-, Zeit-, Handlungswechsel<br />

Bildkomposition = sprachliche Gestaltung<br />

So<strong>und</strong>track = sprachliche Gestaltung<br />

Spannungsaufbau = sprachliche Gestaltung<br />

Diese Herangehensweise ist nicht als Unterrichtsreihe zu verstehen, sondern vielmehr als ein didaktisches<br />

Werkzeug gedacht, das sich an der Lebenswelt der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler orientiert. Filmisches<br />

<strong>Erzählen</strong> bietet durch die enge Verbindung zu literarischem <strong>Erzählen</strong> die Möglichkeit, die formalen<br />

Gestaltungselemente von Prosatexten zu visualisieren <strong>und</strong> so ihre Wirkung zu verdeutlichen. Aus dem<br />

abstrakten Erzähler, der die Handlung vermittelt <strong>und</strong> vom Autor bewusst gestaltet ist wird durch die<br />

Gegenüberstellung mit einer kurzen Filmsequenz z.B. eine konkret erfahrbare Kameraführung, die vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> der Handlung <strong>und</strong> unter Rückbezug auf die Wirkung als formales Gestaltungsmittel<br />

erkannt wird.<br />

2. Beispiele aus der Praxis<br />

Klasse 5/6<br />

Durch einen <strong>Vergleich</strong> von Tomy Wigands Verfilmung des Jugendbuch-Klassikers „Das fiegende<br />

Klassenz<strong>im</strong>mer“ aus dem Jahr 2003 mit dem Kästner-Roman kann die Wirkung unterschiedlicher<br />

Erzählergestaltung verdeutlicht werden. Hier eignet sich z.B. die zweite Abteilung des Vorworts bzw. der<br />

Beginn des Films. Während Johnnys Vorgeschichte bei Kästner durch einen auktorial gestalteten Erzähler<br />

berichtet wird, lässt Wigand seine Figur Johnny zunächst als Ich-Erzähler seine Vorgeschichte berichten.<br />

Dabei sollte heraus gestellt werden, welche unterschiedlichen Informationen der Leser/Zuschauer erhält<br />

1 Culler, Jonathan: Literaturtheorie. Ein kurze Einführung., Stuttgart 2002, S. 120ff.


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<strong>und</strong> davon ausgehend inwiefern die beiden Gestaltungsmerkmale eine unterschiedliche Wirkung auf den<br />

Leser haben. Abschließend gilt es dann die Frage zu klären, warum sich Kästner für diese, Wigand für die<br />

andere Gestaltung entschieden hat. Eine Arbeitsblatt zu einer St<strong>und</strong>e mit diesem Inhalt finden Sie <strong>im</strong><br />

Anhang.<br />

Eine zweite Möglichkeit ist die produktionsorientierte Arbeit an der Diebstahl-Szene <strong>im</strong> Leipziger<br />

Hauptbahhof. Hier könnte ein Arbeitsauftag an die Schüler lauten: „Wie könnte der Diebstahl in Kästners<br />

Buch eingefügt werden, ohne dass ein Leser, der das Buch nicht kennt, dies bemerkt? Erzählt Johnnys<br />

Erlebnis <strong>im</strong> Hauptbahnhof wie es Erich Kästner vermutlich in seinem Roman umgesetzt hätte.“<br />

Denkbar ist aber auch ein Perspektivwechsel: „Schreibt die Szene so um, dass sie aus Sicht der<br />

Verkäuferin/des Mädchens/des Wachmanns berichtet wird.“ Im Anschluss an diese Arbeit gilt es dann<br />

wieder, die Ergebnisse zu refektieren <strong>und</strong> die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu einer Betrachtung der<br />

verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten <strong>und</strong> ihrer Wirkung zu führen.<br />

Klasse 7/8<br />

Neben der personalen Erzählweise der Protagonistin Lena in der Ich-Form eignet sich die Serie „Türkisch<br />

für Anfänger“ auch für eine anschauliche Diskussion der Wirkung auktorialer Erzählweise: In der ersten<br />

Folge der Staffel 1 inszeniert Lenas „neuer“ Stiefbruder Cem eine Intrige, um Lena zu beeindrucken. Der<br />

Zuschauer erfährt von dieser, die Figur Lena jedoch erst nach einiger Zeit. Dieses exklusive Wissen ist<br />

recht unterhaltsam für den Zuschauer, fiebert er doch mit, wann die Wahrheit endlich ans Licht kommt.<br />

Im Unterricht könnte der Fokus auf der auktorialen Erzählweise liegen <strong>und</strong> zu einer Analyse <strong>und</strong><br />

Interpretation anhand des Dreischritts Inhalt, Form, Wirkung führen. Unterstützend könnte hier ein<br />

literarischer Text parallel gelesen werden, der eine ähnliche oder auch gänzlich unterschiedliche<br />

Erzählergestaltung aufweist, um anhand des <strong>Vergleich</strong>s Text - Serie Reichweite <strong>und</strong> Nutzen einer Analyse<br />

der Erzählergestaltung herauszuarbeiten.<br />

Ein weiteres Beispiel bietet die Serie „Berlin, Berlin“, die sich durch ihre meist personale Erzählweise<br />

auszeichnet. Interessant sind die eingeschobenen Comic-Sequenzen, die eingesetzt werden, um dem<br />

Zuschauer eine sehr anschauliche Innensicht in die Hauptfigur Lolle zu geben. Diese formale Gestaltung<br />

kann mit der einer Figur in einer Kurzgeschichte, z.B. Heinz in Spaghetti für Zwei, kontrastiert werden. Ein<br />

Arbeitsblatt finden Sie <strong>im</strong> Anhang.<br />

Klasse 9/10<br />

Die Ausgangssituation von How I Met Your Mother ist, dass Ted Mosby <strong>im</strong> Jahr 2030 seinen Kindern in<br />

allen Details erzählen möchte, wie er deren Mutter kennengelernt hat.<br />

Diese Geschichte beginnt <strong>im</strong> Jahr 2005. Der 27-jährige Ted hat sein Architekturstudium abgeschlossen<br />

<strong>und</strong> arbeitet, während sein bester Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Mitbewohner Marshall Eriksen kurz vor dem Abschluss<br />

seines Studiums der Rechtswissenschaft steht. Marshall ist zu diesem Zeitpunkt seit neun Jahren mit der<br />

Kindergärtnerin Lily Aldrin liiert. Alle drei sind mit Barney Stinson befre<strong>und</strong>et. Barney ist ein Frauenheld,<br />

sehr von sich überzeugt <strong>und</strong> erscheint stets <strong>im</strong> Anzug. Er möchte Ted beibringen, wie man lebt <strong>und</strong> spricht<br />

mit ihm regelmäßig Frauen an. Auf diese Weise lernt Ted Robin Scherbatsky kennen. Sie kommt aus<br />

Kanada <strong>und</strong> arbeitet für einen lokalen Fernsehsender als Nachrichtensprecherin. Nach dem ersten Date<br />

teilt Ted Robin mit, dass er sich in sie verliebt habe, was Robin abschreckt, da sie keine feste Beziehung<br />

möchte. Da sie sich dennoch sympathisch sind, beschließen die beiden, befre<strong>und</strong>et zu sein. Robin wird so<br />

ein Teil von Teds Fre<strong>und</strong>eskreis.Jede weitere Folge dreht sich um das Leben dieser fünf Charaktere; <strong>im</strong><br />

Hintergr<strong>und</strong> steht dabei letztlich die Frage, wer die Mutter der beiden Kinder aus dem Jahr 2030 sein<br />

wird. Im Laufe der Serie werden einige Hinweise gegeben, wer hinter der Frau steckt. 2<br />

Diese besonders bei 14- bis 16-Jährigen beliebte Serie eignet sich durch diese Konstruktion für eine<br />

Thematisiserung der Bedeutung der Wechselwirkung von Rahmen- <strong>und</strong> Binnenerzählung, wie sie z.B. auch<br />

in dem Roman „K<strong>im</strong> Novak badete nie <strong>im</strong> See von Genezareth“ von Håkan Nesser oder auch Walter<br />

Moers' „Ensel <strong>und</strong> Kretel“ <strong>und</strong> „Die 13½ Leben des Käpitän Blaubär“ zu finden sind.<br />

Denkbar ist zudem auch hier wiederum die Verdeutlichung des personalen Erzählverhaltens in Ich-Form,<br />

2 Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/How_I_Met_Your_Mother, Zugriff am 4.09.2013


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das sich z.B. mit der Erzählergestaltung in Kurzgeschichten oder aktuellen Romanen, wie z.B. Wolfgang<br />

Herrndorfers „Tschick“ vergleichen lässt.<br />

In der Anlage finden Sie einen St<strong>und</strong>enentwurf für den Einstieg in die Lektüre des Romans K<strong>im</strong> Novak<br />

badete nie <strong>im</strong> See von Genezareth.<br />

Kurz zum Inhalt: Die miteinander befre<strong>und</strong>eten schwedischen Teenager Erik <strong>und</strong> Edm<strong>und</strong> verbringen ihre<br />

Sommerferien 1962 in einem an dem See Möckeln bei der Kleinstadt Kumla gelegenen Ferienhaus mit<br />

Namen Genezareth. Die beiden Jungen werden von Eriks älterem Bruder Henry begleitet. Am Ende des<br />

Schuljahres haben die beiden Klassenkameraden die Lehrerin Ewa Kaludis, die als Vertretung an ihrer<br />

Schule unterrichtete, kennengelernt. Aufgr<strong>und</strong> der Ähnlichkeit mit der US-amerikanischen Schauspielerin<br />

wird sie von vielen K<strong>im</strong> Novak genannt, <strong>und</strong> wie diese zieht auch Ewa dank ihrer Schönheit alle Schüler<br />

in ihren Bann.<br />

Ewa ist die Verlobte des Handballprofis Berra Albertsson, den alle „Kanonen-Berra“ nennen <strong>und</strong> der<br />

einen ausgeprägten Hang zu körperlicher Gewalt hat. Das hindert Henry, einen jungen Lokaljournalisten<br />

mit literarischen Ambitionen, aber nicht daran, sich auf eine leidenschaftliche Affäre mit Ewa einzulassen.<br />

Eines Tages kommt Ewa weinend <strong>und</strong> mit zersch<strong>und</strong>enem Gesicht zu dem Haus Genezareth. Kanonen-<br />

Berra hat sie misshandelt <strong>und</strong> taucht bald darauf selbst vor dem Ferienhaus auf. Dort findet er außer Erik<br />

niemanden vor; er droht jedoch damit, später wiederzukommen. Am anderen Tag findet man ihn<br />

erschlagen auf einem Parkplatz in der Nähe des Hauses. Für die Polizei stellt sich die Frage, ob Henry<br />

den Nebenbuhler getötet hat.<br />

Die Ermittlungen drehen sich <strong>im</strong> Kreise. Eriks <strong>und</strong> Edm<strong>und</strong>s Aussagen widersprechen sich zum Teil, <strong>und</strong><br />

Henrys Alibi, das Ewa bezeugt, ist sehr wackelig. Doch die Tat kann niemandem nachgewiesen werden.<br />

Henry wird zunächst festgenommen, aus Mangel an Beweisen aber wieder freigelassen. Er zieht nach<br />

Göteborg. Als Ewa von Erik wissen will, ob er oder Edm<strong>und</strong> den Mord begangen habe, bleibt er ihr die<br />

Antwort schuldig.<br />

Jahrzehnte später besucht Erik den todkranken Edm<strong>und</strong> an dessen Sterbebett <strong>und</strong> erhält von ihm einen<br />

Brief. Daraufhin kehrt er erstmals wieder an den Ort des Geschehens zurück. Dort gräbt er dann in der<br />

Nähe eines Baumstumpfes die Mordwaffe aus, einen Vorschlaghammer, versenkt diesen <strong>im</strong> See <strong>und</strong><br />

verbrennt Edm<strong>und</strong>s Brief, das mutmaßliche Geständnis, in dem auch das Versteck des Hammers verraten<br />

wird. 3<br />

3 http://de.wikipedia.org/wiki/K<strong>im</strong>_Novak_badete_nie_<strong>im</strong>_See_von_Genezareth, Zugriff am 04.09.2013


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„Das fiegende Klassenz<strong>im</strong>mer“ - <strong>Vergleich</strong> von Film <strong>und</strong> Buch<br />

A. Gemeinsames Schauen des Filmausschnitts - Einzelarbeit<br />

I. Beschreibe, was du über die Figur Johnny zu Beginn des Films erfährst. Achte dabei auf Johnnys<br />

Herkunft, warum er in Leipzig ist <strong>und</strong> was er macht.<br />

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II.<br />

Erkläre, wer dir als Zuschauer diese Informationen mitteilt <strong>und</strong> welche Hinweise du dafür<br />

gef<strong>und</strong>en hast.<br />

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B. Arbeit mit dem Buch - Partnerarbeit<br />

III. Lies nun mit deinem Partner die zweite Abteilung des Vorworts von S.14 bis S.17.<br />

IV. Beschreibt gemeinsam, was ihr über Johnny Trotz erfahrt.<br />

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V. Erklärt, wer dem Leser diese Informationen mitteilt <strong>und</strong> woran dies zu erkennen ist.<br />

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C. Notiere hier das Tafelbild: „Das fiegende Klassenz<strong>im</strong>mer“: Wie wird die Figur Johnny <strong>im</strong><br />

Buch <strong>und</strong> <strong>im</strong> Film vorgestellt?<br />

Was wird berichtet?<br />

Buch<br />

Film<br />

Wer berichtet?<br />

Wie wird berichtet?<br />

Warum hat Erich Kästner die<br />

Vorstellung von Johnny so<br />

verfasst?<br />

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Warum hat sich der Regisseur des<br />

Films entschieden, Johnny so<br />

vorzustellen?<br />

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Lolle <strong>und</strong> Heinz - Serie <strong>und</strong> Kurzgeschichte <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong><br />

I. Einzelarbeit<br />

Beschreibe, wie die Figur Lotte in den gezeigten Szenen sich fühlt <strong>und</strong> was sie denkt. Erkläre<br />

dabei auch, warum du der Meinung bist, dass sie sich so fühlt <strong>und</strong> dies denkt.<br />

Szene 1:<br />

Szene 2:<br />

Szene 3:<br />

Szene 4:<br />

Szene 5:<br />

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II.<br />

III.<br />

IV.<br />

Einzelarbeit<br />

Lies dir die Kurzgeschichte Spaghetti für Zwei aufmerksam durch. Beschreibe, wie Heinz sich fühlt<br />

<strong>und</strong> was er denkt. Markiere die Stellen, an denen dies für dich deutlich wird, farbig.<br />

Partnerarbeit: Suche dir einen Partner <strong>im</strong> Klassenraum, der Aufgabe II. beendet hat.<br />

Tausche dich mit deinem Partner aus: Stellt euch eure Ergebnisse vor <strong>und</strong> ergänzt wenn nötig eure<br />

Aufzeichnungen <strong>und</strong> Markierungen.<br />

Gruppenarbeit (3S/Gruppe): Such dir zwei neue Partner, die Aufgabe III beendet<br />

haben.<br />

Stellt euch die Ergebnisse aus II gegenseitig vor. Formuliert gemeinsam das Thema der<br />

Geschichte. Erklärt anschließend mit Hilfe des Zusammenhangs von formaler Gestaltung (Was<br />

denkt <strong>und</strong> fühlt Heinz?) <strong>und</strong> der Handlung (Was passiert?) warum ihr euch für dieses Thema<br />

entschieden habt.<br />

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Federica de Cesco: Spaghetti für zwei<br />

Heinz war bald vierzehn <strong>und</strong> fühlte sich sehr cool. In der Klasse <strong>und</strong> auf dem Fußballplatz hatte er<br />

das Sagen. Aber richtig schön würde das Leben erst werden, wenn er <strong>im</strong> nächsten Jahr seinen Töff<br />

bekam <strong>und</strong> den Mädchen zeigen konnte, was für ein Kerl er war. Er mochte Monika, die Blonde mit<br />

den langen Haaren aus der Parallelklasse, <strong>und</strong> ärgerte sich über seine entzündeten Pickel, die er<br />

mit schmutzigen Nägeln ausdrückte. Im Unterricht machte er gerne auf Verweigerung. Der Lehrer<br />

sollte bloß nicht auf den Gedanken kommen, dass er sich anstrengte.<br />

Mittags konnte er nicht nach Hause, weil der eine Bus zu früh, der andere zu spät abfuhr. So aß er<br />

Fredrica de Cesco<br />

*1938 in Pordenone<br />

<strong>im</strong> Selbstbedienungsrestaurant, gleich gegenüber der Schule. Aber an manchen Tagen sparte er<br />

lieber das Geld <strong>und</strong> verschlang einen <strong>Hamburg</strong>er an der Stehbar. Samstags leistete er sich dann<br />

eine neue Kassette, was die Mutter natürlich nicht wissen durfte. Doch manchmal - so wie heute -<br />

hing ihm der Big Mac zum Hals heraus. Er hatte Lust auf ein richtiges Essen. Einen Kaugummi <strong>im</strong><br />

M<strong>und</strong>, stapfte er mit seinen Cowboystiefeln die Treppe zum Restaurant hinauf. Die Reißverschlüsse<br />

seiner Lederjacke kl<strong>im</strong>perten bei jedem Schritt. Im Restaurant trafen sich die Arbeiter aus der nahen<br />

Möbelfabrik, Schüler <strong>und</strong> Hausfrauen mit Einkaufstaschen <strong>und</strong> kleinen Kindern, die Unmengen Cola<br />

tranken, Pommes frites verzehrten <strong>und</strong> fettige Fingerabdrücke auf den Tischen hinterließen. Viel<br />

Geld wollte Heinz nicht ausgeben; er sparte es lieber für die nächste Kassette. „Italienische<br />

Gemüsesuppe“ stand <strong>im</strong> Menü. Warum nicht? Immer noch seinen Kaugummi mahlend, nahm Heinz<br />

ein Tablett <strong>und</strong> stellte sich an. Ein schwitzendes Fräulein schöpfte die Suppe aus einem dampfenden<br />

Topf. Heinz nickte zufrieden. Der Teller war ganz ordentlich voll. Eine Schnitte Brot dazu, <strong>und</strong> er<br />

würde best<strong>im</strong>mt satt. Er setzte sich an einen freien Tisch, nahm den Kaugummi aus dem M<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

klebte ihn unter den Stuhl. Da merkte er, dass er den Löffel vergessen hatte. Heinz stand auf <strong>und</strong><br />

holte sich einen. Als er zu seinem Tisch zurück stapfte, traute er seinen Augen nicht: Ein Schwarzer<br />

saß an seinem Platz <strong>und</strong> aß seelenruhig seine Gemüsesuppe!<br />

Heinz stand mit seinem Löffel fassungslos da, bis ihn die Wut packte. Zum Teufel mit diesen<br />

Asylbewerbern! Der kam irgendwo aus Uagadugu, wollte sich in Europa breit machen, <strong>und</strong> jetzt<br />

fiel ihm nichts Besseres ein, als ausgerechnet seine Gemüsesuppe zu verzehren! Schon möglich,<br />

dass so was den afrikanischen Sitten entsprach, aber hierzulande war das eine bodenlose<br />

Unverschämtheit! Heinz öffnete den M<strong>und</strong>, um dem Menschen lautstark seine Meinung zu sagen,<br />

als ihm auffiel, dass die Leute ihn komisch ansahen. Heinz wurde rot. Er wollte nicht als Rassist<br />

gelten. Aber was nun? Plötzlich fasste er einen Entschluss. Er räusperte sich vernehmlich, zog einen<br />

Stuhl zurück <strong>und</strong> setzte sich dem Schwarzen gegenüber. Dieser hob den Kopf, blickte ihn kurz an<br />

<strong>und</strong> schlürfte ungestört die Suppe weiter. Heinz presste die Zähne zusammen, dass seine<br />

Kinnbacken schmerzten. Dann packte er energisch den Löffel, beugte sich über den Tisch <strong>und</strong><br />

tauchte ihn in die Suppe. Der Schwarze hob abermals den Kopf. Sek<strong>und</strong>enlang starrten sie sich an.<br />

Heinz bemühte sich, die Augen nicht zu senken. Er führte mit leicht zitternder Hand den Löffel zum<br />

M<strong>und</strong> <strong>und</strong> tauchte ihn zum zweiten Mal in die Suppe. Seinen vollen Löffel in der Hand, fuhr der<br />

Schwarze fort, ihn stumm zu betrachten. Dann senkte er die Augen auf seinen Teller <strong>und</strong> aß weiter.


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Eine Weile verging. Beide teilten sich die Suppe, ohne dass ein Wort fiel. Heinz versuchte<br />

nachzudenken. „Vielleicht hat der Mensch kein Geld, muss schon tagelang hungern. Dann sah er<br />

die Suppe da stehen <strong>und</strong> bediente sich einfach. Schon möglich, wer weiß? Vielleicht würde ich mit<br />

leerem Magen ähnlich reagieren? Und Deutsch kann er anscheinend auch nicht, sonst würde er ja<br />

nicht dasitzen wie ein Klotz. Ist doch peinlich. Ich an seiner Stelle würde mich schämen. Ob<br />

Schwarze wohl rot werden können?“<br />

Das leichte Klirren des Löffels, den der Afrikaner in den leeren Teller legte, ließ Heinz die Augen<br />

heben. Der Schwarze hatte sich zurückgelehnt <strong>und</strong> sah ihn an. Heinz konnte seinen Blick nicht<br />

deuten. In seiner Verwirrung lehnte er sich ebenfalls zurück. Schweißtropfen perlten auf seiner<br />

Oberlippe, sein Pulli juckte, <strong>und</strong> die Lederjacke war verdammt heiß! Er versuchte, den Schwarzen<br />

abzuschätzen. „Junger Kerl. Etwas älter als ich. Vielleicht sechzehn oder sogar schon achtzehn.<br />

Normal angezogen: Jeans, Pulli, Windjacke. Sieht eigentlich nicht wie ein Obdachloser aus.<br />

Immerhin, der hat meine halbe Suppe aufgegessen <strong>und</strong> sagt nicht einmal danke! „Verdammt, ich<br />

habe noch Hunger!“ Der Schwarze stand auf. Heinz blieb der M<strong>und</strong> offen. „Haut der tatsächlich<br />

ab? Jetzt ist aber das Maß voll! So eine Frechheit! Der soll mir wenigstens die halbe Gemüsesuppe<br />

bezahlen!“ Er wollte aufspringen <strong>und</strong> Krach schlagen. Da sah er, wie sich der Schwarze mit einem<br />

Tablett in der Hand wieder anstellte. Heinz fiel unsanft auf seinen Stuhl zurück <strong>und</strong> saß da wie ein<br />

Ölgötze. „Also doch: Der Mensch hat Geld! Aber bildet der sich vielleicht ein, dass ich ihm den<br />

zweiten Gang bezahle?“ Heinz griff hastig nach seiner Schulmappe. „Bloß weg von hier, bevor er<br />

mich zur Kasse bittet! Aber nein, sicherlich nicht. Oder doch?“ Heinz ließ die Mappe los <strong>und</strong><br />

kratzte nervös an einem Pickel: Irgendwie wollte er wissen, wie es weiterging.<br />

Der Schwarze hatte einen Tagesteller bestellt. Jetzt stand er vor der Kasse, <strong>und</strong> - wahrhaftig - er<br />

bezahlte! Heinz schniefte. „Verrückt!“, dachte er. „Total gesponnen!“<br />

Da kam der Schwarze zurück. Er trug das Tabett, auf dem ein großer Teller Spaghetti stand, mit<br />

Tomatensoße, vier Fleischbällchen <strong>und</strong> zwei Gabeln. Immer noch stumm, setzte er sich Heinz<br />

gegenüber, schob den Teller in die Mitte des Tisches, nahm eine Gabel <strong>und</strong> begann zu essen,<br />

wobei er Heinz ausdruckslos in die Augen schaute. Heinz' W<strong>im</strong>pern fatterten. Heiliger Strohsack!<br />

Dieser Typ forderte ihn tatsächlich auf, die Spaghetti mit ihm zu teilen! Heinz brach der Schweiß<br />

aus. Was nun? Sollte er essen? Nicht essen? Seine Gedanken überstürzten sich. Wenn der Mensch<br />

doch wenigstens reden würde! „Na gut. Er aß die Hälfte meiner Suppe, jetzt esse ich die Hälfte<br />

seiner Spaghetti, dann sind wir quitt!“ Wütend <strong>und</strong> beschämt griff Heinz nach der Gabel, rollte die<br />

Spaghetti <strong>und</strong> steckte sie in den M<strong>und</strong>. Schweigen. Beide verschlangen die Spaghetti. „Eigentlich<br />

nett von ihm, dass er mir eine Gabel brachte“, dachte Heinz. „Da komme ich noch zu einem guten<br />

Spaghetti-Essen, das ich mir heute nicht geleistet hätte. Aber was soll ich jetzt sagen? Danke?<br />

Saublöde! Einen Vorwurf machen kann ich ihm auch nicht mehr. Vielleicht hat er gar nicht gemerkt,<br />

dass er meine Suppe aß. Oder vielleicht ist es üblich in Afrika, sich das Essen zu teilen? Schmecken<br />

gut, die Spaghetti. Das Fleisch auch. Wenn ich nur nicht so schwitzen würde!“<br />

Die Portion war sehr reichlich. Bald hatte Heinz keinen Hunger mehr. Dem Schwarzen ging es


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ebenso. Er legte die Gabel aufs Tablett <strong>und</strong> putzte sich mit der Papierserviette den M<strong>und</strong> ab. Heinz<br />

räusperte sich <strong>und</strong> scharrte mit den Füßen. Der Schwarze lehnte sich zurück, schob die Daumen in<br />

die Jeanstaschen <strong>und</strong> sah ihn an. Undurchdringlich. Heinz kratzte sich unter dem Rollkragen, bis<br />

ihm die Haut schmerzte. „Heiliger B<strong>im</strong>bam! Wenn ich nur wüsste, was er denkt!“ Verwirrt,<br />

schwitzend <strong>und</strong> erbost ließ er seine Blicke umherwandern. Plötzlich spürte er ein Kribbeln <strong>im</strong><br />

Nacken. Ein Schauer jagte ihm über die Wirbelsäule von den Ohren bis ans Gesäß. Auf dem<br />

Nebentisch, an den sich bisher niemand gesetzt hatte, stand - einsam auf dem Tablett - ein Teller<br />

kalter Gemüsesuppe. Heinz erlebte den peinlichsten Augenblick seines Lebens. Am liebsten hätte er<br />

sich in ein Mauseloch verkrochen. Es vergingen zehn volle Sek<strong>und</strong>en, bis er es endlich wagte, dem<br />

Schwarzen ins Gesicht zu sehen. Der saß da, völlig entspannt <strong>und</strong> cooler, als Heinz es je sein<br />

würde, <strong>und</strong> wippte leicht mit dem Stuhl hin <strong>und</strong> her. „Äh ...“, stammelte Heinz, feuerrot <strong>im</strong> Gesicht.<br />

„Entschuldigen Sie bitte. Ich...“ Er sah die Pupillen des Schwarzen aufblitzen, sah den Schalk in<br />

seinen Augen sch<strong>im</strong>mern. Auf einmal warf er den Kopf zurück, brach in dröhnendes Gelächter aus.<br />

Zuerst brachte Heinz nur ein verschämtes Glucksen zu Stande, bis endlich der Damm gebrochen<br />

war <strong>und</strong> er aus vollem Halse in das Gelächter des Afrikaners einst<strong>im</strong>mte. Eine Weile saßen sie da,<br />

von Lachen geschüttelt. Dann stand der Schwarze auf, schlug Heinz auf die Schulter.<br />

„Ich heiße Marcel“, sagte er in bestem Deutsch. „Ich esse jeden Tag hier. Sehe ich dich morgen<br />

wieder? Um die gleiche Zeit?“ Heinz' Augen tränten, sein Zwerchfell glühte, <strong>und</strong> er schnappte nach<br />

Luft. „In Ordnung!“, keuchte er. „Aber dann spendiere ich die Spaghetti!“


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How I met K<strong>im</strong> Novak:<br />

Warum gibt es eine Geschichte in der Geschichte?<br />

I. Einzelarbeit<br />

Lies den Anfang des Romans „K<strong>im</strong> Novak badete nie <strong>im</strong> See von Genezareth“. Notiere in<br />

Stichpunkten, was du über die Handlung, die Erzählweise <strong>und</strong> die Erzählerfigur erfährst.<br />

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II.<br />

Partnerarbeit<br />

Schaut euch gemeinsam die erste Folge der ersten Staffel der Serie „How I met your mother“ an.<br />

<strong>Vergleich</strong>t während des Schauens die Gestaltung der Serie mit dem Romananfang von Håkan<br />

Nesser <strong>und</strong> notiert die Gemeinsamkeiten.<br />

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III.<br />

Gruppenarbeit (4S/Gruppe): Sucht euch ein zweites Tandem <strong>und</strong> bildet eine Gruppe.<br />

• Tauscht euch über eure Ergebnisse aus.<br />

• Erklärt anschließend anhand des <strong>Vergleich</strong>s von Serie <strong>und</strong> Romananfang, warum sich<br />

Håkan Nesser für so eine Gestaltung der Handlung entschieden haben könnte.<br />

• Stellt Vermutungen über den weiteren Verlauf der Romanhandlung an.<br />

• Diskutiert in der Gruppe abschließend welche Konsequenzen diese Gestaltung für die<br />

Glaubwürdigkeit des Erzählers als Vermittler der Handlung hat.<br />

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