Leseprobe
Leseprobe
Leseprobe
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
christliche traueransprachen<br />
Christliche Traueransprachen<br />
Wissenswertes zum Schreiben einer Traueransprache<br />
Wichtig ist in erster Linie, dass man keine Rede hält, sondern eine Ansprache.<br />
Es geht nicht um eine überaus ausgefeilte Wortwahl, es geht nicht<br />
um Fremdwörter oder um ellenlange Sätze, denen wie bei den Politikern<br />
niemand folgen kann. Es geht darum, die Menschen wirklich anzusprechen<br />
und mit den Worten der Rede ihr Herz zu berühren und ihnen so in der<br />
extremen Abschiedssituation einer Trauerfeier Trost und Ruhe zu geben.<br />
Insofern sollte man in einfachen klaren Sätzen sprechen und durch die<br />
Auswahl der Texte und Zitate einen Zugang zu den Menschen suchen,<br />
eben Worte, die ansprechen und die nicht unverstanden über die Köpfe<br />
der Leute hinwegbrausen.<br />
Beim Schreiben der Ansprache ist es wesentlich, das Leben des Verstorbenen<br />
zu würdigen. Die Erinnerung an seine Lebensleistung ist wichtig für<br />
die Angehörigen, und es tut gut, sich beim Abschied noch einmal an die<br />
gemeinsame Zeit zu erinnern.<br />
Sehr wichtig ist es, eine Abschiedsrede individuell zu gestalten. Wenn der<br />
Redner den Verstorbenen nicht gut kannte, sollte er ein persönliches Gespräch<br />
mit den engsten Angehörigen führen und sich Notizen machen, die<br />
er dann für die Ausgestaltung der Ansprache nutzen kann.<br />
Sachlichkeit beim Schreiben ist hier auch wichtig, denn eine Abschiedsrede<br />
sollte nicht mit theatralischen Formulierungen gefüllt werden. Füllstoffe<br />
wie: „Der Tod kommt immer plötzlich“ oder „die Klauen der Trauer halten<br />
uns nun gefangen“ sind unpassend. Der Redner muss den Trauernden nicht<br />
noch mehrmals mitteilen, wie traurig sie sind.<br />
Vielmehr sollte er durch eine gut gestaltete Biografie ein Bild vom lebenden<br />
Verwandten zeichnen, durch das die Zuhörer ihn wiedererkennen<br />
können. Diese Erinnerungsarbeit in der Trauerfeier hilft dann, nach einem<br />
gemeinsamen Blick auf das Leben ein Stück loszulassen und Abschied von<br />
der körperlichen Hülle des Verstorbenen zu nehmen.<br />
Die Daten und Fakten eines Lebens sind hierbei zwar auch wichtig, zum<br />
Beispiel erwähne ich immer die Dauer der Ehezeit, wenn der Verstorbene<br />
verheiratet war, aber es ist nicht nötig, alle möglichen Jahreszahlen aufzuzählen.<br />
Viel wichtiger sind die Eigenschaften des Menschen, der von uns gegangen<br />
ist. Wer war er, was hat er geleistet, mit welcher Haltung ging er durch<br />
sein Leben, wie verhielt er sich in Gesprächen, war er tolerant oder musste<br />
er Recht behalten, war er ein Einzelgänger oder ein geselliger Mensch?<br />
All diese Eigenschaften machen den Menschen unverwechselbar und dadurch<br />
können die Zuhörer ihn auch wiedererkennen. Nur Daten aufzuzählen<br />
wirkt steif und langweilig.<br />
Gerade nach einer langen Krankheit oder einer langen Pflegebedürftigkeit<br />
sollte den Trauernden bewusst werden: Es gab auch viele Jahre im Leben<br />
des Verstorbenen, in denen er gesund war. Es gab auch Zeiten, in denen er<br />
jung und unbeschwert durch sein Leben ging. Und es gab unter Umständen<br />
viele gemeinsame Stunden, an die sich alle gerne erinnern. Der Blick<br />
auf die guten Zeiten hilft, von der schweren letzten Zeit wegzuschauen<br />
und mit mildem Blick Abschied zu nehmen.<br />
Hierzu gehören die schönen Momente und Begegnungen, die Erinnerung<br />
an gesellige Stunden und schöne Reisen, die Würdigung der Lebensleistung<br />
und die Dankbarkeit für die Liebe, die der Verstorbene gegeben hat.<br />
Wenn es viele schöne Momente zu berichten gibt, fällt es leichter, eine Abschiedsrede<br />
zu schreiben. Dann dürfen auch Anekdoten und humorvolle<br />
Erlebnisse zur Sprache kommen. Auch im Abschied gilt es ja, den Blick<br />
auf das Gute und Schöne, das wir erlebt haben, zu bewahren. Und es tut<br />
auch Trauernden gut, wenn sie noch einmal über die schönen und auch<br />
humorvollen Momente lächeln dürfen.<br />
Aber: Jeder Mensch hat seine guten Seiten und auch seine Ecken und Kanten.<br />
Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es in einer Traueransprache wichtig<br />
ist, realistisch zu bleiben und auch die Wahrheit im Blick zu behalten.<br />
Nicht immer ist das Zusammenleben einfach, und gerade, wenn ein schwieriger<br />
Mensch gestorben ist, erwarten die Zuhörer eine ehrlich gemeinte<br />
Rede, die nun nach dem Tod keinen Heiligen aus dem Verstorbenen macht.<br />
Außerdem verletzt es die Angehörigen, wenn ein schwieriger Charakter<br />
nach dem Tode über alle Maßen gelobt wird.<br />
26 27