Pfarrbrief - St. Lukas
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Titelbild: Martin Manigatterer, www.pfarrbriefservice.de<br />
2<br />
Erntedank<br />
„Gemüsevielfalt“ hat der Fotograf unser Titelfoto<br />
genannt. Passend zum Erntedankfest führt es uns<br />
die Vielfalt vor Augen, die uns tagtäglich geschenkt<br />
ist. Wir müssen nur auf den Markt gehen,<br />
um an den <strong>St</strong>änden ein ähnlich buntes und abwechslungsreiches<br />
Angebot zu finden. Aber im<br />
Alltag ist es meist so, dass ich eher über den<br />
Markt hetze und schnell zu finden versuche, was<br />
ich gerade brauche. Vieles im Leben wird zur<br />
kaum beachteten Selbstverständlichkeit - und je<br />
mehr Selbstverständliches mein Leben prägt, umso<br />
schwerer wird es, Zufriedenheit zu erleben.<br />
Leider liegt es in der Natur des Menschen, dass<br />
wir regelmäßiges, immer wiederkehrendes mit<br />
der Zeit weniger intensiv wahrnehmen. Wer an<br />
einer befahrenen Autostraße oder auch neben<br />
einer Bahnlinie lebt, nimmt den Lärm mit der Zeit<br />
immer weniger wahr. Unser Gehirn blendet die<br />
zunächst störenden Geräusche mit der Zeit aus,<br />
damit unsere Sinneswahrnehmung und unsere<br />
Aufmerksamkeit sich Wichtigerem widmen kann.<br />
Intensiv können wir vor allem Abweichungen vom<br />
Normalen wahrnehmen, Eindrücke, die uns stören<br />
und unsere Routine durchbrechen. Dies ist an<br />
sich eine wichtige Funktion unseres Gehirns, da<br />
es uns vor einer totalen Reizüberflutung schützt.<br />
Es hilft uns, aus der Fülle von Informationen, diejenigen<br />
wahrzunehmen, die jetzt gerade wichtig<br />
sind. Die „Nebenwirkung“ ist jedoch, dass alles,<br />
was zu unserer Normalität gehört, weniger intensiv<br />
wahrgenommen wird. Dies gilt sowohl für unsere<br />
Sinneseindrücke, als auch für unser emotionales<br />
Empfinden: Normales macht auch weniger<br />
glücklich. Selbstverständliches macht weniger zufrieden,<br />
gibt uns weniger das Gefühl, lebendig zu<br />
sein. Manche Menschen sind deshalb immer wieder<br />
auf der Suche nach neuen, nach intensiveren<br />
Sinneseindrücken, um sich dadurch lebendiger zu<br />
fühlen. Die Suche nach dem „Kick“, nach dem ulti<br />
mativen Adrenalinstoß, wie ihn zum Beispiel viele<br />
Extremsportler suchen, hat meines Erachtens hier<br />
ihren Ursprung. In einer Welt und einer Gesellschaft,<br />
in der die Versorgung aller Grundbedürfnisse<br />
mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit<br />
darstellt, ist es schwieriger, sich noch lebendig<br />
zu fühlen und mit seinem Leben zufrieden zu<br />
sein.<br />
Das Erntedankfest lädt dazu ein, inne zu halten<br />
und die Normalitäten, die uns täglich umgeben,<br />
bewusster wahrzunehmen. Seien es nun die gefüllten<br />
Marktstände und Regale im Supermarkt<br />
oder auch die kulturelle Vielfalt, an der wir teilhaben<br />
können. Ich denke auch an die Freiheit, in<br />
der wir leben und die sich besonders in den freien,<br />
demokratischen Wahlen ausdrückt, die für uns<br />
auch schon lägst selbstverständlich sind.<br />
Inne zu halten und sich zu konzentrieren sind gute<br />
Mittel gegen die oben beschriebene Abstumpfung.<br />
Wenn man sich konzentriert, hört man wieder den<br />
Lärm der <strong>St</strong>raße, auch wenn man schon lange<br />
daneben wohnt. Wenn man inne hält und seine<br />
Wahrnehmung ausrichtet, können ebenso die<br />
vielen guten Bausteine wieder ins Blickfeld geholt<br />
werden, die unser Leben glücklich und zufrieden<br />
machen. In diesem Sinne möchte ich Sie einladen,<br />
selbst einmal in Ihrem Leben nachzuforschen,<br />
ob es Selbstverständlichkeiten gibt, die Sie<br />
aus dem Blick verloren haben. Ich bin sicher, sie<br />
werden vieles finden, für das es sich lohnt,<br />
„Danke“ zu sagen.<br />
Danke, dass ich hier und jetzt leben darf.<br />
Lieber Gott, danke!<br />
<strong>St</strong>efan Uerschelen