wasistlos badfüssing-magazin - Bad Füssing erleben
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Tief unter dem bischöflichen, ehemals fürstbischöflichen<br />
Palais zu Passau führen sie ihr<br />
geheimes Leben: ein Rabe stibitzt ungestraft<br />
Trauben, ein Bischof betrachtet unverwandt und<br />
ohne Scheu einen schönen Knaben, Würdenträger<br />
stehen sich Aug in Aug gegenüber und ertragen<br />
ohne Blinzeln den Blick des Widerparts – jahrhundertelang,<br />
wenn’s denn sein muß. Doch ohne<br />
Streit und Unrecht, in aller Unschuld kamen die<br />
Protagonisten dieser Szenen zusammen; es handelt<br />
sich um steinerne Zeugen der Vergangenheit,<br />
die hier, im Lapidarium der Passauer Dombauhütte<br />
gemeinsam die Zeit überdauern.<br />
Der Steinmetz Reinhard Mader führt mich durch<br />
die Gewölbe, die dem Blick der Öffentlichkeit<br />
normalerweise verborgen bleiben. Ihn und seine<br />
Kollegen nimmt man, wenn überhaupt, eher<br />
dann wahr, wenn in spektakulärer Höhe außen am Turm des Doms gearbeitet<br />
wird oder wenn, wie in den vergangenen Jahren, der Dom neu – anders! weiß!<br />
– gestrichen wird. Dann kann es auch einmal vorkommen, daß das altehrwürdige<br />
Gemäuer zum Mittelpunkt engagierter bürgerlicher Auseinandersetzungen wird.<br />
Doch hier, in der Abgeschiedenheit des Lapidariums ist davon nichts zu spüren,<br />
hier regiert ewiges Gleichmaß, unterbrochen einstweilen nur durch den pflegenden<br />
und ordnenden Zugriff der Steinmetze. Vielleicht, so erzählt Mader, wird<br />
irgendwann ein Teil der Gewölbe zum Schauraum ausgebaut und dem Publikum<br />
geöffnet. Jerome Zahn, seit einem Jahr Leiter der Dombauhütte, steht solchen<br />
Neuerungen offen gegenüber; ihm verdanke ich auch die Erlaubnis hier Aufnahmen<br />
machen zu dürfen.<br />
Weiter geht es durch die Kellergewölbe. In riesigen Regalen, auf Stelen oder ganz<br />
einfach auf Holzlatten lagern, auf den ersten Blick wild durcheinander, Fragmente<br />
aus vielen Jahrhunderten, nicht nur vom Dom, auch von den Anlagen der alten<br />
fürstbischöflichen Residenz.<br />
Die Stringenz gotischen Laubwerks – „Kreuzblumen”, „Krabben” – kontrastiert zur<br />
Opulenz barocker Festons ... Liebhaber kunstgeschichtlicher Fachlyrik könnten sich<br />
hier erschöpfend austoben. Buchstäblich Substanzielles berichtet Reinhard Mader:<br />
Witterung und Umweltchemie setzen dem Stein zu; mit schützendem Anstrich<br />
wird der Zerstörung entgegengearbeitet. Wissenschaftlich wird analysiert und<br />
überwacht wird der Schutz des Stein mit chemischen Mitteln. Doch über kurz oder<br />
lang – hier geht es um Jahrhunderte – müssen immer wieder Teile ersetzt werden,<br />
natürlich originalgetreu. Und so haben Fachleute wie Mader und seine Kollegen<br />
beständig zu tun; die jahrtausendalte Erfahrung traditioneller Steinmetzarbeit<br />
wird gepflegt und weitergegeben, ergänzt durch behutsamen Einsatz moderner<br />
Werkzeuge. Für „schnelle Lösungen” ist hier kein Platz, hier wird für eine lange<br />
Zukunft gearbeitet. Daher werden auch die alten, mittlerweile ersetzten Stücke<br />
aufbewahrt; hier im Keller des Lapidariums, bei gleichbleibender Temperatur und<br />
Feuchtigkeit überdauern die Originale ... ad multos annos.<br />
Reinhard Mader indes steht nur mit einem Bein in der Vergangenheit, mit dem<br />
anderen mindestens ebenso sicher in der Gegenwart; als Künstler schafft er – natürlich<br />
auch aus Stein, aber auch mit Stahl und anderen Werkstoffen – Skulpturen<br />
und Installationen, die seine „traditionelle Seite” kaum vermuten lassen. In diesem<br />
Sommer werden die Passauer ein wahrlich gewichtiges Werk aus seiner Hand<br />
bewundern dürfen, doch davon ein anderes Mal! gth