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Arbeitskreis "Textlinguistik & Diskursanalyse"

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<strong>Arbeitskreis</strong> „<strong>Textlinguistik</strong> & Diskursanalyse“ (Leitung: Manfred Consten,<br />

Mareile Knees und Maria Averintseva-Klisch)<br />

Anton Benz & Fabienne Salfner (Berlin)<br />

Zusammenhang zwischen Implikaturen und Diskursstruktur<br />

In diesem Vortrag diskutieren wir einige Beispiele, die die Diskursabhängigkeit von<br />

Implikaturen belegen. Schon Grice war sich der Abhängigkeit konversationeller Implikaturen<br />

vom Diskurskontext bewusst, hat diese Abhängigkeit aber nicht weiter thematisiert. Die<br />

Diskursstruktur wurde nur als einer unter mehreren Parametern angesehen, der bei<br />

kontextabhängigen partikulären Implikaturen (Grice, 1975) zum Tragen kommt. Auch in den<br />

Neo-Grice’schen Ansätzen, z.B. Levinson (1983, 2000), bleibt die Diskursstruktur außen vor,<br />

vielmehr hängt die Implikatur dort von der logischen Form des Satzes ab, wobei Chierchia<br />

(2004) sogar so weit geht, Implikaturen zu einem Teil der Semantik zu machen. Im<br />

Zusammenhang mit der Diskussion um Chierchias Theorie wurde auch die Diskussion um die<br />

allgemeine Kontext- und Diskursabhängigkeit von generalisierten Implikaturen wiederbelebt,<br />

z. B. Geurts (2006), Breheny et al. (2006). Geurts (2006) nimmt an, dass Implikaturen<br />

generell eher diskurs- als propositionsbasiert sind. Er diskutiert verschiedene Beispiele<br />

skalarer Implikaturen, die ohne diese Annahme nicht erklärbar wären: erstens solche, die nur<br />

aus dem Gesamtdiskurs, der aus mehreren Sätzen besteht, abgeleitet werden können, zweitens<br />

solche, die nur erklärt werden können, wenn man annimmt, dass der Hörer durch den<br />

Sprecher eingeführte Diskursreferenten mitberücksichtigt, und drittens solche, die durch<br />

präsupponiertes Material hervorrufen werden. Die Abhängigkeit skalarer Implikaturen vom<br />

Diskurskontext konnte auch in experimentellen Untersuchungen nachgewiesen werden. In<br />

Breheny et al. (2006) zeigt ein Lesezeitexperiment, dass je nach vorhergehenden Diskurs,<br />

some eine Implikatur hervorruft oder nicht.<br />

Unser folgendes Beispiel illustriert, dass prototypische Quantitätsimplikaturen von der Art der<br />

vorhergehenden Fragen abhängen, (die durchaus auch implizit sein können):<br />

(1) a. A: Was hat Hans gestern gemacht?<br />

B: Hans hat einige Bilder gemalt.<br />

b. A: Wer hat die Bilder gemalt?<br />

B: Einige Bilder hat Hans gemalt/Hans hat einige Bilder gemalt.<br />

c. A: Wie lief das Geschäft gestern?<br />

B: Am Morgen haben einige Leute Frühstück bestellt. Dann war es leer, später<br />

wurde es besser.<br />

Nur in (1b) entsteht bei einige die übliche skalare Implikatur (nicht alle). Weder in (1a), wo<br />

Hans Topik ist, noch in (1c), wo einige Teil eines elaborierenden Satzes ist, treten die<br />

erwarteten Implikaturen auf. In (1b) dagegen, wo Hans Kommentar ist, ist sie vorhanden.<br />

Diese Beispiele belegen, dass selbst klassische Quantitätsimplikaturen diskursabhängig sind.<br />

Für Relevanzimplikaturen, die im allgemeinen als partikuläre, d.h. situationsabhängige<br />

Implikaturen betrachtet werden, ist diese These weniger überraschend. Satz (π3 ) implikiert,<br />

dass der Abteilungsleiter überzeugt war, dass die Sekretärin weiss, wo man französischen<br />

Wein zu günstigen Preisen kaufen kann. Die Relevanz des günstigen Preises ergibt sich aus<br />

der Diskursrelation ”Konzession” in (π2).<br />

(2) (π1 ) Es wurde beschlossen, für den bevorstehenden Empfang einige Flaschen<br />

französischen Weins zu besorgen, (π2 ) obwohl der bei unserem Lieferanten sehr teuer<br />

1


ist. (π3 ) Der Abteilungsleiter sagte, dass<br />

kann.<br />

unsere Sekretärin weiss, wo man Wein kaufen<br />

Literatur<br />

Breheny, R. et al. (2006). “Are generalised scalar implicatures generated by default? An online<br />

investigation into the role of context in generating pragmatic inferences ”. Cognition,<br />

100:434–463.<br />

Chierchia, G. (2004). “Scalar implicatures, polarity phenomena and the syntax/pragmatics<br />

interface”. In: A. Belletti (Ed.) Structures and beyond, Oxford University Press, pp. 39–<br />

103.<br />

Geurts, B. (2006). “Implicature as a Discourse Phenomenon”. In: E. Puig-Waldmüller (Ed.)<br />

Proceedings of Sinn und Bedeutung 11, Barcelona, pp. 261–275.<br />

Grice, H.P. (1975). “Logic and Conversation”. In: P. Cole and J.L. Morgan (Eds.) Syntax and<br />

Semantics: Speech acts. Vol 3, 1991, New York: Academic Press, pp. 41–58.<br />

Levinson, S. (1983). Pragmatics. Cambridge, MA: Cambridge University Press.<br />

Levinson, S. (2000). Presumptive Meanings: The Theory of Generalized Conversational<br />

Implicature. Cambridge, MA: MIT Press.<br />

Manfred Consten (Jena)<br />

Deixis und Anaphora - die Rezeption domänengebundener Ausdrücke im Diskurs<br />

Texte und Diskurse werden von „domänengebundenen“ Ausdrücken strukturiert, die nur in<br />

Abhängigkeit von situativen Bezugspunkten verstanden werden können – hierbei unterscheidet<br />

die Linguistik traditionell zwischen deiktischer Referenz, bei der der Bezugspunkt<br />

außersprachlich ist, und anaphorischer Referenz, bei der der Bezugspunkt im Text oder<br />

Diskurs selber liegt. Oft gibt es aber im Wahrnehmungsraum des Hörers mögliche<br />

Bezugspunkte sowohl für eine deiktische als auch für eine anaphorische Lesart desselben<br />

domänengebundenen Ausdrucks, z.B.:<br />

(1) (A und B unterhalten sich während einer Autofahrt)<br />

A: „Mein Bruder will jetzt Scientologe werden.“ (Ein anderes Auto überholt riskant.)<br />

B: „Der spinnt doch!“<br />

Die Äußerung (1B) kann sowohl anaphorisch auf den Referenten von mein Bruder<br />

(Referenzdomäne: Diskurs) als auch deiktisch auf den Fahrer des anderen Autos<br />

(Referenzdomäne: physische Umgebung) bezogen sein.<br />

Die jeweilige Referenzdomäne muss den Referenten nicht direkt enthalten; ‚indirekte<br />

Anaphora’ (s. (2)) und ‚indirekte Deixis’ (s (3) und (4)) sind (mit gewissen Beschränkungen)<br />

möglich.<br />

(2) Boris Becker hat wieder geheiratet. Síe ist erst 25.<br />

(3) (Spaziergänger zu Angler): „Na, beißen sie?“<br />

(4) (Sprecher zeigt auf einen leeren Schreibtisch:) „Ist dér nicht da?“<br />

Der Vortrag diskutiert Konsequenzen, die sich aus diesen Beobachtungen für ein Rezeptionsmodell<br />

domänengebundener Referenz ergeben.<br />

2


Matthias Irmer (Leipzig)<br />

(<br />

Diskurskohärenz und klitische Linksversetzung<br />

Ein kohärenter Diskurs entsteht durch die Verknüpfung einer Äuÿerung mit dem<br />

vorangehenden Diskurs mittels Diskursrelationen. Darüber hinaus kann Kohärenz durch<br />

kohäsive Diskursanaphern verstärkt werden. Diskursanaphern drücken eine semantische<br />

Relation zwischen zwei Entitäten in einem Diskurs aus. Diese Beziehung kann direkt sein,<br />

wenn die Anapher mit ihrem Antezedenten koreferent ist. In anderen Fällen ist die Beziehung<br />

eher indirekt. Indirekte Anaphern (Schwarz-Friesel, 2007) werden nach Clark (1977) auch<br />

Bridging-Inferenzen genannt. Die involvierte Relation wird nicht direkt durch sprachliche<br />

Mittel ausgedrückt, sondern muss vom Hörer inferiert werden. Trotzdem ist sie ein<br />

essentieller Teil des Diskursgehalts: das Wissen über diese Relation ist notwendig für eine<br />

erfolgreiche Diskursinterpretation. Die Inferenz ist durch im weiteren Diskursverlauf<br />

hinzukommende Informationen rücknehmbar.<br />

In einigen Sprachen, besonders in den romanischen, kann eine solche Beziehung durch<br />

klitische Linksversetzung (CLLD) ausgedrückt werden, wie im spanischen Beispiel (1).<br />

(1) a. Juan preparó la comida. b. La carne, la quemó.<br />

Juan prepare-PAST DEF meal DEF meat CL he-burn-PAST<br />

‚Juan machte das Essen. Das Fleisch, das hat er verbrannt.‘<br />

In Äußerung (1b) wird die Nominalphrase la carne (‚das Fleisch‘), die mit la co-mida (‚das<br />

Essen‘) in einer Teil-Ganzes-Beziehung steht, an die linke Satzperipherie bewegt. Das<br />

pronominale Klitikum la verbleibt an der ursprünglichen Position. Eine Äußerung in<br />

kanonischer Form Quemó la carne. (‚Er verbrannte das Fleisch‘) wäre auch akzeptabel, passt<br />

sich aber anders in den umgebenden Diskurs ein. Diesen Unterschied möchten wir erklären.<br />

Wie Korpusuntersuchungen zeigen (Hidalgo Downing, 2001; Padilla García, 2001), können<br />

linksversetzte Konstituenten in gesprochenem Spanisch in unterschiedlichem Grad den<br />

Diskursteilnehmern bereits bekannt sein. Sie können bekannte Informationen fortführen oder<br />

wiederaufgreifen (2), die Aufmerksamkeit auf inferierbare Entitäten lenken (3) oder neue<br />

Informationen einführen (4).<br />

(2) No quiero que lo dejemos. Eso sí que lo tengo claro.<br />

‚Ich will nicht, dass wir damit aufhören. Darüber, da bin ich mir im Klaren.‘ (Padilla García,<br />

2001, p.258)<br />

(3) Me he roto el menisco. [...] La pierna, la tengo muy bien.<br />

‚Ich habe mir den Miniskus gebrochen. Dem Bein, dem geht es sehr gut.‘ (Hidalgo Downing,<br />

2001, p.270)<br />

(4) Los cantos de sirena de telefónica no me los quiero oír.<br />

‘Die Sirenengesänge von Telefónica, ich will sie nicht mehr hören.‘ (Padilla García, 2001,<br />

p.259)<br />

Es fällt auf, dass oft ein kontrastiver Effekt in Verbindung mit CLLD auftritt, der unabhängig<br />

vom Status der Bekanntheit der linksversetzten Konstituente ist. In der Literatur gibt es<br />

unterschiedliche Meinungen darüber, ob Kontrast eine inhärente Eigenschaft dieser<br />

Konstruktion ist oder anderweitig zustandekommt. Nach Brunetti (2007) hat CLLD die<br />

Diskurseigenschaft eines Link (Vallduví, 1992), ein Verweis für den Hörer auf eine gegebene<br />

Adresse in seinem mentalen Diskursmodell, unter der die von der Äußerung vermittelte<br />

3


Information gespeichert wird. Ein Link impliziert die Existenz einer Alternativenmenge: der<br />

Hörer muss die Adresse aus einer Menge von im relevanten Kontext möglichen Adressen<br />

auswählen. Brunetti argumentiert weiter, dass ein Link eine kontrastive Interpretation haben<br />

kann oder nicht, abhängig vom Kontext. Einerseits, in einer nicht-kontrastiven Interpretation,<br />

werden die kontextuellen Alternativen einfach nicht in Betracht gezogen, z.B. wenn ein Text<br />

mit einer CLLD beginnt. Andererseits werden in einer kontrastiven Interpretation die<br />

Mitglieder der Alternativenmenge miteinander kontrastiert.<br />

Wir werden im Vortrag dafür argumentieren, dass eine kontrastive Interpretation die Existenz<br />

einer subordinierenden Diskursrelation im Diskurskontext voraussetzt. Dabei besteht eine<br />

Bridging-Beziehung zwischen der linksversetzten Phrase und einem Antezedenten im<br />

übergeordneten Diskurssegment. Des weiteren wird gezeigt, dass CLLD sowohl Beginn eines<br />

neuen Diskurssegments als auch den Wechsel des Diskurstopik anzeigt.<br />

Literatur<br />

Brunetti, L. (2007). Left dislocation in romance and contrast effects. InWorkshop on Contrast,<br />

ZAS Berlin.<br />

Clark, H. (1977). Bridging. In Johnson-Laird and Wason, editors, Thinking: Readings in<br />

Cognitive Science, pages 411-420. Cambridge.<br />

Hidalgo Downing, R. (2001). La Dislocación a la izquierda en el español hablado. Funciones<br />

discursivas: Estudio de corpus. Ph.D. thesis, Universidad Complutense de Madrid.<br />

Padilla García, X. (2001). El orden de palabras en el español coloquial . Ph.D. thesis,<br />

Universitat de València.<br />

Schwarz-Friesel, M. (2007). Indirect anaphora in text. A cognitive account. In M. Schwarz-<br />

Friesel, M. Consten, and M. H. Knees, editors, Anaphors in Text, Studies in Language<br />

Companion Series 86. John Benjamins, Philadelphia.<br />

Vallduví, E. (1992). The Informational Component. Garland Publishing, New York.<br />

Mareile Knees (Jena)<br />

Zur Semantik und Referenz des temporal-anaphorischen Pronominaladverbs danach<br />

Im Vortrag wird die anaphorische Auflösung von danach, d.h. seine Interpretation in<br />

natürlich-sprachlichen Kontexten untersucht und im Rahmen kognitiver<br />

Textverstehensmodelle als Interaktion verschiedener sprachlicher und konzeptueller<br />

Auflösungsfaktoren dargestellt.<br />

Danach ist ein typischer Vertreter der Konnektorgruppe Pronominaladverb. Es verweist mit<br />

seinem anaphorischen Element auf eine zuvor durch eine NP oder einen satzwertigen<br />

Ausdruck spezifizierte Bezugsentität (eine Situation oder Zeitentität). Sein relationales<br />

Element etabliert je nach Verwendungsweise eine relationale (oft temporale) Verknüpfung<br />

zwischen der Bezugsentität und der Kotextsituation. Wie die meisten Pronominaladverbien<br />

verknüpft danach textuell Sätze und fungiert dann wie die temporale Konjunktion nachdem<br />

im klassischen Sinne als Konnektor (Satzverknüpfer) oder es verknüpft einen Satz mit einer<br />

NP und operiert wie die temporale Präposition nach lediglich auf der konzeptuellen Ebene als<br />

konzeptueller Verknüpfer, hat dann aber keine textstrukturierende Funktion. Anders als bei<br />

nachdem und nach, bei denen die temporale Relation zwischen den im Text spezifizierten<br />

Referenten satzintern syntaktisch kodiert ist, wird diese bei danach durch den anaphorischen<br />

Bezug etabliert, so dass auch satzexterne Verknüpfungen möglich sind. Die temporalen<br />

4


Bezüge sind bei danach aufgrund seiner anaphorischen Dimension häufig referenziell<br />

unterspezifiziert.<br />

Bei der Interpretation anaphorischer danach-Bezüge gilt es einen adäquaten Antezedenten<br />

(d.h. einen referenziellen Ausdruck, auf den danach sich textuell bezieht) sowie einen<br />

konzeptuell plausiblen Referenten (d.h. eine konzeptuelle Entität, auf die danach referenziell<br />

verweist) ausfindig zu machen. Im Vortrag wird gezeigt, wie die Menge möglicher<br />

Antezedenten und Referenten durch unterschiedliche diskursstrukturelle, syntaktische,<br />

semantische und konzeptuelle Auflösungsbeschränkungen und -präferenzen begrenzt wird.<br />

Die verschiedenen Auflösungsfaktoren operieren auf unterschiedlichen Interpretationsebenen.<br />

Diese werden in einem Fünf-Ebenen-Modell ausführlich dargestellt. In einem<br />

Wettbewerbsmodell wird die anaphorische Auflösung von danach als Interaktion<br />

konkurrierender Auflösungskriterien verstanden.<br />

Annegret Loll (Köln)<br />

Das deutsche Artikelsystem im L2-Erwerb – referenzsemantische und phonologische Aspekte<br />

Betrachtet wird unter Verwendung von Daten aus einer Fallstudie mit einem<br />

deutschlernenden Kind russischer Muttersprache die Entwicklung von referenzsemantischen<br />

Kategorien und ihr im Erwerbsverlauf wachsender Einfluss auf die Setzung der Artikel: In<br />

den Daten aus dem frühen Erwerb sind die Einflüsse referenzsemantischer Parameter auf die<br />

Artikelwahl äußerst schwach – für diese Erwerbsphase lässt sich jedoch überraschender<br />

Weise eine hohe Korrelation von phonologischen Eigenschaften der betreffenden NP mit der<br />

jeweiligen Artikelwahl ausmachen. Dieser Effekt nimmt im weiteren Verlauf des Erwerbs<br />

immer mehr ab, um den referenzsemantischen Determinanten Platz zu machen.<br />

Alexandra Milostiwaja (Stawropol)<br />

Text als pragmasynergetische Kommunikationsform<br />

Der Vortrag “Text als pragmasynergetische Kommunikationsform” ist auf die von M. Bachtin<br />

vorgeschlagene Konzeption des Chronotopos zurückzuführen und der Analyse des<br />

Textkonzepts als des nach den synergetischen Prinzipien organisierten kommunikativen<br />

Handelns mit der Polychronotopenstruktur gewidmet. Dieses Herangehen führt zur<br />

Modifikation der Auffassung der pragmalinguistischen Grundeinheit, d. h. des Sprechaktes,<br />

im Text. Die Textkommunikation ist als eine Kette der zusammenwirkenden Sprechakte zu<br />

begreifen, wobei jeder von ihnen den eigenen Chronotopos hat. Das sind folgende<br />

Interaktionstypen: Textautor – Leser, die im Text handelnde Person 1 – die im Text handelnde<br />

Person 2, Textautor – die im Text handelnde Person, die im Text handelnde Person – Leser.<br />

Die wichtige Voraussetzung der adäquaten Interpretation jedes obengenannten<br />

Interaktionstypes ist seine Beschreibung im Rahmen der Frametheorie und die Darstellung<br />

jedes Chronotopos als Frames. Für pragmasynergetische Texttheorie ist dabei relevant die<br />

Framezahl, die je nach der diskursiven Zugehörigkeit des Textes verschieden ist, sowie das<br />

Vorhandensein der gemeinsamen Frameslots in Chronotopen. Diese gemeinsamen Frameslots<br />

sind als Attraktoren zu beschreiben, die die Kohärenz des Textsystems bestimmen. Die<br />

Dynamik des textkommunikativen Handelns kann dabei als Bifurkationssituation bei der<br />

Wahl eines pragmatisch dominierenden Chronotopos verstanden werden.<br />

5


Angelika Müth (Oslo)<br />

The use of deictic pronouns in the parallel corpus of the New Testament<br />

1. Subject<br />

Different languages have different means of expressing deixis and to refer to deictic<br />

interrelations within a coherent text. Ancient Greek, for example, has one strongly deictic<br />

pronoun δε and two more or less deictic demonstrative pronouns (οτος and κενος).<br />

Nonetheless, also the personal pronoun ατός and even the definite article are sometimes<br />

used to refer to nouns which are situated in an indicative context. Latin, on the other hand, has<br />

two clearly deictic pronouns (hic and iste) and additionally the rather neutral pronouns ille<br />

and is. Gothic (as well as Latin lacking a definite article) has one intensified deictic pronoun<br />

sah (< *sa-uh) while the single demonstrative sa is used both to render the Greek<br />

demonstrative οτος and the Greek definite article . Besides, we find the pronouns jains<br />

Ɇyonder’, the personal pronoun is and a defective demonstrative *hi. Old Church Slavonic<br />

(OCS) seems to have two more or less deictic pronouns (tъ and sь); additionally also onъ ɆheɅ<br />

and ovъ ɆyonderɅ are sometimes used in an indicative sense. The most complex deictic system<br />

we find in Classical Armenian. In general, there are three enclitic particles -s, -d and -n which<br />

can be added to any noun to express a deictic relation. Each of these particles provided the<br />

basis for several pronouns, e.g. ay-s Ɇthis one (here)Ʌ, s-a ɆheɅ, s-oyn Ɇthe same (here)Ʌ etc..<br />

While -s obviously has a strong relation to the first person and -d to the second person, the<br />

function of the -n is not entirely clear, but there are some arguments to consider it as a marker<br />

of definiteness.<br />

2. Corpus / Method<br />

Thus, both Latin, Gothic, OCS and Armenian have more than one way to express semantic<br />

distinctions within pronominal deixis. This becomes especially clear while comparing texts<br />

which are translated from one and the same original into several languages, as it is the case<br />

for the translations of the Greek New Testament. Cf. the following examples from Luke<br />

where οτος is in both cases equally translated by Goth. sa and OCS sь, while it is in the first<br />

case rendered by Latin iste and Arm. ays and in the second case by Latin hic and Arm. da:<br />

(Lk 15:13) Greek επεν δ πρς ατος τν παραβολν ταύτην λέγων<br />

Latin et ait ad illos parabolam istam dicens<br />

Goth. qaþ þan du im þo gajukon qiþands:<br />

OCS Reče že kŭ nimĭ pritŭčNj sijNj glę.<br />

Arm. AsacɄ arɷ nosa z-arɷaks z-ays ;<br />

And he spake this parable unto them, saying:<br />

(Lk 19:40) Greek λέγω µν, τι ν οτοι σιωπήσουσιν, ο λίθοι κράξουσιν.<br />

Latin dico vobis quia si hii tacuerint lapides clamabunt<br />

Goth. qiþa izwis þatei jabai þai slawand, stainos hropjand.<br />

OCS gljNj vamŭ. ěko ašte i sii umlŭčętŭ. kamenie vŭpiti imatŭ.<br />

Arm. asem jez ; zi ew tɄe dokɄa lrɷescɄen . kɄarínkɄd ałałakescɄen :.<br />

I tell you, if these should keep silent, the stones would cry out.<br />

3. Question<br />

This leads to the following questions: What are the criteria for the choice of two different<br />

pronouns in the Latin and Armenian translation? In which cases is e.g. Greek οτος rendered<br />

by Latin hic and Arm. ays, and in which cases by Latin iste and Arm. da?<br />

6


4. Approach<br />

In general, one has to distinguish between at least four deictic categories:<br />

1. personal deixis<br />

2. absolute (spatial or temporal) deixis<br />

3. textual/discourse) deixis (anphoric or kataphoric pronouns)<br />

4. derogatory deixis (praise/avoidance of praise, cf. pejorative Germ. der da etc.)<br />

Aside from these categories, several syntactic factors (such as structure of the nominal phrase,<br />

pronominal vs. attributive use of the pronoun etc.) may play a role in choosing the deictic<br />

pronoun in the respective target language.<br />

As regards Armenian, it is quite obvious that the part of speech is an essential factor. In direct<br />

speech the personal deictic pronouns sa, ays, soyn and da, ayd, doyn are used, depending on<br />

whether they refer either to the speaker or to the recipient (cf. the example Lk 19:40 above).<br />

In the paper I intend to present a more elaborate analysis of the deictic categories listed above<br />

and try to illuminate other criteria that might have influenced the translator in choosing the<br />

suitable deictic pronoun in the target language.<br />

Anne-Katrin Orthey (Jena)<br />

Die Verwendung von solch- und so-NPs als Komplexanaphern<br />

Andern Kindern Freude machen, wegzugeben schöne Sachen, hübsch zu teilen, oft und gern –<br />

so was lag Ulrike fern. (STENGEL, H./ SCHRADER, K. (1990 6 ) So ein Struwwelpeter.<br />

Berlin: Kinderbuchverlag, S. 7)<br />

Der Vortrag ist ein Resümee zu meiner gleichnamigen Examensarbeit, die sich als Nachtrag<br />

zu den im Rahmen des DFG-Projekts „KomplexTex“ veröffentlichten Arbeiten versteht. Es<br />

geht um Komplexanaphern der Form [so +NP], [solch + NP] und der Pronominalformen so<br />

(et)was und deren Funktionen im Diskurs. Nach einer kurzen Einführung in die Thematik der<br />

Komplexanaphorik werden anhand eines deutschen Zeitungskorpus sowie zusätzlicher<br />

Quellen drei wesentliche Eigenschaften solcher Anaphern vorgestellt, die ich fiktive,<br />

klassifizierende und evaluative Referenz nennen will.<br />

Andrea Rappl (Jena)<br />

„Mach’s mit“ und Co. - HIV/AIDS-Präventionsplakate aus linguistischer Sicht<br />

Der Vortrag stellt deutsche sowie südafrikanische Werbeplakate zur HIV/AIDS-Prävention<br />

kontrastiv gegenüber. Mittels Plakatanalysen wird unter anderem gezeigt, welche mentalen<br />

Repräsentation der Krankheit die verwendete Sprache evoziert, welche sprachlichen<br />

Besonderheiten zu diesem Zweck eingesetzt werden und wie die Verstehensprozesse beim<br />

prototypischen Rezipienten ablaufen. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, inwiefern<br />

die Plakate ihre intendierte präventive Wirkung beim Rezipienten erreichen. Dazu werden<br />

anhand von empirischen Daten aus einer Fragebogenstudie sowie von Meinungen aus<br />

Internetforen Ergebnisse präsentiert und mit den Annahmen zur Wirksamkeit der Plakate, die<br />

sich aus den Analysen ergeben, verglichen. Abschließend werden Gemeinsamkeiten und<br />

Unterschiede in der Gestaltung der deutschen und südafrikanischen Werbeplakate dargestellt<br />

und es wird aufgezeigt, was bezüglich zukünftiger Plakaten aus linguistischer Sicht<br />

verbesserungsbedürftig erscheint.<br />

7


Paweł Rybszleger (Poznań)<br />

(<br />

Back-channel-behavior im polnischen und im deutschen Jugendchat als kohärenzstiftender<br />

Faktor<br />

In dem Beitrag möchte der Autor folgende Punkte unter Betracht ziehen:<br />

- In welchen Hörerrückmeldungsakten äußern sich die jeweiligen Rezipienten bei der<br />

Rezeption der Äußerung (des Turns) ihrer Gesprächspartner?;<br />

- Nach Duncan (1974, 166) und Henne/Rehbock (2001, 21) möchte der Autor auf fünf<br />

Typen der Hörerrückmeldung hinweisen (Rückmeldungspartikeln, Satzvollendung,<br />

Bitte um Klärung, kurze Nachformulierungen und außersprachliche Möglichkeiten).<br />

Besonders interessant scheinen dem Autor die Rückmeldungspartikeln zu sein, die das<br />

Gespräch sowohl stabilisieren, als auch akzentuieren. Es gibt verschiedene<br />

Möglichkeiten der Rückmeldung im Polnischen und Deutschen, auf die auch Bezug<br />

genommen wird;<br />

- Welche Rolle spielen die technischen Bedingungen eines Chats in der Realisierung<br />

des Rückkoppelungsverhaltens und inwieweit können sie die gegenseitige<br />

Kommunikation, Verständnis und daher Kohärenz beeinträchtigen?;<br />

- Am Beispiel von konkreten Textabschnitten wird die kohärenzstiftende Rolle der<br />

Hörerrückmeldungen in beiden Sprachen gezeigt (sogar bei der [scheinbar] fehlenden<br />

Kohäsion des Textes, der auf der Textoberfläche „Textlöcher“ aufweist).<br />

Fabienne e Salfner (Berlin)<br />

Mäßig-Adverbiale und Diskursstruktur<br />

In dem Vortrag soll diskutiert werden, wie Mäßig-Adverbiale den Diskurs strukturieren<br />

können. Mäßig-Adjektive in ihrer Verwendung als Adverbiale lassen sich in zwei Gruppen<br />

einteilen. So finden sich einerseits rahmensetzende Adverbiale mit der Bedeutung “was x<br />

betrifft”, siehe (1a), und andererseits Manner-Adverbiale mit der (vereinfachten) Bedeutung<br />

“wie x”, siehe (1b).<br />

(1) a. Fahrradmäßig sieht es schlecht aus. Ich hatte noch keine Zeit, es zu reparieren.<br />

b. Das Kleid sieht total omamäßig aus.<br />

Die rahmensetzenden Mäßig-Adverbiale bilden eine Schnittstelle zwischen Satz und Diskurs.<br />

Als rahmensetzende Adverbiale geben sie den Rahmen an, innerhalb dessen die Aussage<br />

gelten soll, für die Definition von Rahmensetzern siehe Maienborn (2001) und Jacobs (2001).<br />

In (2) bezieht sich das ”gut gehen” von Peter auf die Domäne ”Job”, über seine Gesundheit<br />

zum Beispiel wird dagegen keine Aussage getroffen.<br />

(2) Jobmäßig geht es Peter gut.<br />

Nimmt man eine implizite Frage “Wie geht es Peter?” im Hintergrund an, liefert der Satz eine<br />

Antwort auf eine Unterfrage vergleichbar mit Bürings kontrastiven Topiks (siehe dazu auch<br />

Krifka (2007)), nämlich “Wie geht es es Peter beruflich?” Wurde die Frage “Wie geht es<br />

Peter?” explizit gestellt, hat eine Antwort wie (2) sogar die Implikatur, dass es Peter<br />

ausschließlich in Bezug auf seinen Job gut geht. Diese Implikatur tritt jedoch nicht bei allen<br />

rahmensetzenden Mäßig-Adverbialen auf, siehe (3), wo das Adverbial lediglich angibt, zu<br />

welchem Bereich die nachfolgende Aussage getroffen wird.<br />

8


(3) Kulturmäßig werden wir bei der Konferenz eine Stadtrundfahrt anbieten.<br />

Darüberhinaus können rahmensetzende Mäßig-Adverbiale ein Diskurssegment einleiten, wie<br />

in (1a) oben, aber auch abschließend zusammenfassen, wie in (4)<br />

(4) Wir waren in drei Museen, im Theater und im Kino. Kulturmäßig war die Reise also<br />

ein voller Erfolg.<br />

Literatur<br />

Jacobs, J. (2001). “The Dimensions of Topic-Comment.” Linguistics, 39:641–681.<br />

Krifka, M. (2007). “Basic notions on information structure”. In: C. F´ery, G. Fanselow and M.<br />

Krifka (Eds.) “The notions of Information Structure”, Universität Potsdam.<br />

Maienborn, C. (2001). “On the Position and Interpretation of Locative Modifiers”. Natural<br />

Language Semantics, 9:191–240.<br />

Marlies Schleicher (Jena)<br />

Ironieverstehen bei Kindern. Eine Rezeptionsstudie zur Erwerbsreihenfolge propositionaler<br />

und illokutiver Ironie<br />

Das Verstehen sprachlicher Äußerungen mit nichtwörtlicher Sprecherintention stellt für<br />

Kinder eine mentale Herausforderung dar. Um ironische Äußerungen zu verstehen, müssen<br />

Dissoziationen zwischen verschiedenen Ebenen erfasst und zueinander in Beziehung gesetzt<br />

werden. Der Vortrag dient der Präsentation einer empirischen Untersuchung zur<br />

Erwerbsreihenfolge propositionaler und illokutiver Ironie. Beide Ironiearten sollen vorgestellt<br />

sowie Hypothesen und Untersuchungsergebnisse zum altersabhängigen Verstehen dieser<br />

dargestellt werden. Bisherige Untersuchungsergebnisse weisen darauf hin, dass Kinder sich<br />

von Konstellationen zwischen Sprecherglauben, Kontext und Sprecherintention leiten lassen,<br />

die anderen nichtwörtlichen Typen von Sprechhandlungen zugrunde liegen. Im Fall verbaler<br />

Ironie muss auf mentaler Ebene die Zusammenführung von sprachlichem und<br />

außersprachlichem Kontext unter Berücksichtigung von Second-Order-Wissen zugunsten<br />

einer besonderen Sprecherintention erfolgen.<br />

Svetlana Serebryakova (Stawropol)<br />

Zum Problem der Erhaltung der semantischen Reichweite des Titels in der literarischen<br />

Übersetzung<br />

Das Ziel des Beitrags «Zum Problem der Erhaltung der semantischen Reichweite des Titels<br />

in der literarischen Übersetzung» ist die übersetzerische Gestaltung des Titels als erster, vom<br />

Autor selbst angebotenen Interpretation des Textinhalts. Empirische Basis bildet die<br />

Erzählung der gegenwärtigen deutschen Schriftstellerin Judith Hermann “Nichts als<br />

Gespenster”, die von mir ins Russische uebersetzt worden ist. Die erste<br />

Übersetzungsentscheidung: «Ни что иное, как призраки». Im Longmann-Wörterbuch ist<br />

folgende Information angeführt: Nichts als …! – gespr. nichts = nur. Übersetzungsrelevant ist<br />

dementsprechend die Variante «Только призраки» oder «Сплошные призраки». Aber in<br />

diesem Fall wäre die Negation verlorengegangen, die auf allen Sprachebenen des Textes<br />

aktualisiert wird mit dem Ziel, das Weltempfinden der Hauptheldin zu zeigen. Deswegen<br />

9


habe ich mich für die Variante «Ничего кроме призраков» entschieden. Die Pluralform<br />

Gespenster wird im Text durch das Synonym Geist realisiert. Bedeutend für die Textsemantik<br />

ist der Ausdruck Geister sehen, denn seine Bedeutungsvarianten Dinge sehen, die gar nicht da<br />

sind; unbegründet Angst haben, sich unötige Sorgen machen, die ein Negationssem enthalten,<br />

bilden ein assoziativ-verbales Textnetz, das zur Realisation der semantischen Titelreichweite<br />

und zur Explikation des Haupttextkonzepts – Problem der Selbstidetifikation in der<br />

modernen Welt beiträgt, das durch Wortverbindungen mit Geist, negative Konstruktionen und<br />

Konjunktivformen aktualisiert wird. Die Semantik des Titels durchdringt den ganzen Text<br />

und gewährleistet seine zusammenhängende Tiefenstruktur.<br />

Helge Skirl (Jena)<br />

Metaphernkomplexe und Kohärenzetablierung<br />

Aus kohärenztheoretischer Perspektive sind besonders die Fälle von Metaphorik von<br />

Interesse, in denen die Kombination zweier konzeptueller Bereiche über mehrere Sätze<br />

hinweg durch verschiedenste Metaphern verbalisiert wird, so dass elaborierte<br />

Metaphernkomplexe entstehen (s. Skirl/Schwarz-Friesel 2007). Dabei wird ein Zielbereich<br />

(z.B. TERRORISMUS) in Analogie zu einem Herkunftsbereich (z.B.<br />

KREBSERKRANKUNG) charakterisiert, wobei die einzelnen Metaphern (z.B. Krebs,<br />

Tumor, Operation) Teilkonzepte des Herkunftsbereichs benennen, die entsprechende<br />

Teilkonzepte des Zielbereichs erfassen sollen, s. (1):<br />

(1) Terroristen sind wie Krebszellen – der fanatische Auswuchs eines Fehlers im<br />

Immunsystem. Der Terrorismus bringt Tumore hervor, und um sie loszuwerden, hilft<br />

nur eine Operation. Die Militäraktion in Afghanistan war eine solche Operation. Aber<br />

der Krebs kommt natürlich durch Fehler bei der Zellbildung zustande. Hier muss etwas<br />

geschehen, damit am Ende nicht das System zusammenbricht, so dass der Patient auch<br />

ohne Tumore stirbt. Der 11. September war ein furchtbares Beispiel für einen höchst<br />

destruktiven Tumor. Um aber diesen Krebs zu beseitigen, reicht es nicht, die Terroristen<br />

auszuschalten und Bin Laden zu töten, wie man einen Tumor eliminiert. […] Die Fehler<br />

im Immunsystem der Welt sind kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Natur.<br />

(Benjamin Barber, taz, 19.02.2002)<br />

Die Rezipienten müssen für die Kohärenzetablierung zum Einen die korrekten<br />

Referenzbezüge etablieren (z.B. im Fall von metaphorischen Anaphern, s. Skirl 2007). Zum<br />

Anderen müssen sie erschließen, welche spezifischen Perspektivierungen und Evaluierungen<br />

die Kopplung der Konzepte involviert, um eine inhaltlich plausible Lesart konstruieren zu<br />

können.<br />

In meinem Vortrag möchte ich Metaphernkomplexe anhand authentischer Belege aus<br />

Pressetexten in ihren strukturellen Ausprägungen und verstehensrelevanten Anforderungen<br />

explizieren und dabei exemplarisch erörtern, wie semantisches und konzeptuelles Wissen im<br />

Prozess der Kohärenzetablierung zusammenwirken.<br />

Literatur:<br />

Skirl, H. (2007): “Metaphorical Anaphors. A Phenomenon of the Semantics-Pragmatics<br />

Interface”. In: Schwarz-Friesel, M./M. Consten/M. Knees (eds.): Anaphors in Texts.<br />

10


Cognitive, formal and applied approaches to anaphoric reference. Amsterdam,<br />

Philadelphia: Benjamins, 103–120.<br />

Skirl, H./M. Schwarz-Friesel (2007): Metapher. Heidelberg: Winter.<br />

Zuzana Tuhárska (Banská Bystrica)<br />

Die Erforschung der semantisch-kognitiven Ebene der Fachsprache am Beispiel von Texten<br />

aus der Biologie<br />

Mein Vortrag ist auf die Problematik des Textes ausgerichtet, wobei dieser als ein Mittel zur<br />

Übertragung von Informationen angesehen wird. Das Ziel des Vortrags ist es, die Erforschung<br />

der semantischen und der kognitiven Ebene eines Textes zu demonstrieren, d.h. die<br />

Beantwortung folgender Fragen: (1) Welche Information trägt der Text in sich (semantische<br />

Ebene)? (2) Welche Prozesse auf der mentalen Ebene sind mit der Übertragung der<br />

dargestellten Information verbunden (kognitive Ebene)? Diese Problematik lässt sich unter<br />

zwei Perspektiven betrachten, unter der des Textproduzenten und der des Textrezipienten. Im<br />

präsentierten Vortrag steht die Perspektive des Textproduzenten im Focus.<br />

Als Mittel zum Erreichen des vorgegebenen Ziels wurde die Korpusanalyse gewählt, und<br />

zwar in Anbetracht der Tatsache, dass sowohl die semantische als auch die kognitive Ebene<br />

der direkten Beobachtung nicht zugänglich sind, aber sie finden ihr Abbild im Text (in seiner<br />

materiellen Form). Das Korpus bildet ein Lehrbuch aus dem Gebiet der Biologie 1 . Es handelt<br />

sich um einen Text, der im Unterricht eingesetzt wird, d.h. in einer Situation, in der die<br />

Weitergabe von Informationen als Hauptzweck des produzierten Textes betrachtet werden<br />

kann, was für die Zielsetzungen der Arbeit wichtig ist. In technischer Hinsicht erfüllt das<br />

Korpus die nach Papproté (2002) bestimmten Voraussetzungen: repräsentative Funktion,<br />

Authentizität, elektronische Verfügbarkeit. Die Analyse und die Auswertung des Korpus<br />

wurden unter Verwendung der Computerprogramme Shoebox und Microsoft® Excel<br />

durchgeführt.<br />

Theoretische Ausgangspunkte der durchgeführten Forschung bilden <strong>Textlinguistik</strong> (Text als<br />

Medium, in dem kognitive und semantische Ebene ihr Abbild finden), Korpuslinguistik (die<br />

Arbeitsmethodik – Korpusanalyse), Pragmalinguistik (Einbeziehung der Situativität,<br />

Anwendungsbezogenheit) und Pragmasyntax 2 (Prozesse der Umgestaltung: dreidimensionale<br />

Wahrnehmung – lineare Versprachlichung).<br />

Konkrete Schritte bei der Korpusanalyse – Beurteilung folgender Aspekte: das gegenseitige<br />

Verhältnis von Referenten und Relatoren 3 ; Aspekt der Modalität; inkorporierte Verbformen;<br />

Passivkonstruktionen; Kopulaverben; analytische Verbformen; Tempusformen; deiktische<br />

Formen; pragmatische Marker; Komparation und Explikation; relationale Primitiven<br />

(subjective, agentive, objective…); adnominale Angaben, Quantoren, adverbiale Angaben;<br />

Null-Angaben; Tabellen, Symbole, Schemata.<br />

1 BIEGL, Christine-Eva. 2004. Begegnungen mit der Natur 5. Wien, öbv et hpt VerlagsgmbH & Co. KG. ISBN<br />

3-209-04290-X<br />

2 „In der Tradition einer Cognitive Typology, so wie sie sich z.B. im funktionalen Modell einer ´Grammatik von<br />

Szenen und Szenarien´ artikluliet, wird unter Pragmasyntax derjenige Bereich sprachlichen Wissens verstanden,<br />

der (unter anderem) Umfang und Art der ´sprachlichen Linealisierung‘ von Gestalterfahrungen steuert.“<br />

(Schulze, 2000)<br />

3 Die Begriffe Referenten und Relatoren bilden ein Teil der Terminologie im Rahmen des theoretischen<br />

Ausgangspunktes, der auf die Pragmasyntax zurückgeht<br />

11


Die Daten, die bei der Korpusanalyse gewonnen wurden, ermöglichen im Zusammenhang mit<br />

ihrer Interpretation, die mit den theoretischen Ausgangspunkten in Korrelation steht, die<br />

Erstellung einer Typologie des Korpus. Diese Typologie ist auf die Vermittlung der<br />

Information im Zusammenhang mit den didaktischen Absichten des Autors und auf die<br />

Abbildung der mentalen Prozesse, die dabei ablaufen, ausgerichtet. Da das Korpus eine<br />

repräsentative Funktion erfüllt, lassen sich die Eigenschaften auch auf andere Texte der<br />

gegebenen Art (didaktische Texte mit fachsprachlichem Charakter) übertragen. Die Erstellung<br />

der Typologie stellt das Erreichen des am Anfang der Arbeit gesetzten Zieles dar.<br />

Im Vortrag wird die Beziehung Textproduzent – Text dargestellt, deshalb ist es klar, dass den<br />

nächsten Schritt, der zur Vervollständigung der Gesamtperspektive führt, die Erforschung der<br />

Beziehung Text – Textrezipient, ist.<br />

Mária Vajičková (Bratislava)<br />

Wiederholung als stilistisches Prinzip in belletristischen und in wissenschaftlichen Texten<br />

Im vorliegenden Beitrag beschäftigen wir uns mit stilistischen Prinzipien der Wiederholung<br />

und der Variation in belletristichen und in wissenschaftlichen Texten. Der belletristische Text<br />

gehört zum expressiven und der wissenschaftliche Text zum informativen Texttyp. Beide<br />

Texttypen arbeiten mit dem stilistischen Prinzip der Wiederholung, aber auf unterschiedliche<br />

Art und Weise. Der informative Texttyp wird vor allem auf der lexikalischen Ebene im<br />

Bereich der Terminologie nach dem Prinzip der Wiederholung gestaltet. Im belletristischen<br />

Text werden entweder strukturelle (rhetorische Figuren der Wiederholung) oder semantische<br />

Wiederholungen verwendet. Die Variation spielt in belletristischen Texten eine wichtige<br />

Rolle. Im wissenschaftlichen Text sollen dagegen die Grenzen der Textvariation gleich am<br />

Anfang vor allem bei der Terminologie eindeutig bestimmt werden, indem die verwendeten<br />

Termini definiert werden. Nach dem Prinzip der Variation und des Wechsels kann die<br />

syntaktische Ebene wissenschaftlicher Texte realisiert werden, die Variationsmöglichkeiten<br />

dürfen aber die Verständigung und die Eindeutigkeit des Textes nicht beeinträchtigen.<br />

Anna Volodina (Frankfurt am Main)<br />

"Es liegt nämlich an der Pragmatik." Zur Diskursfunktion von nämlich<br />

In der Regel wird auf zwei Verwendungsweisen des Adverbkonnektors nämlich hingewiesen:<br />

In (1) wird nämlich als kausaler Verknüpfer angesehen, in (2) wird nämlich eine<br />

spezifizierende Verwendung zugeschrieben:<br />

(1) Peter geht nach Hause: Er ist nämlich hungrig.<br />

(2) Es gibt nur einen Fortschritt: nämlich in der Liebe.<br />

Gegen die Polysemie von nämlich wird in Pasch et al. (2003) argumentiert: Laut HdK (Pasch<br />

et al. 2003) gibt es nur ein nämlich, und zwar ein kausales. In der Terminologie von Sweetser<br />

(1990) kann nämlich als kausaler Konnektor bezeichnet werden, der ausschließlich nichtpropositional<br />

verknüpft: Mit dem nämlich-Konnekt wird nicht auf die Proposition des<br />

vorangehenden Satzes Bezug genommen, sondern es wird damit ein Sprechakt wie in (1)<br />

begründet. Dies wird auf (2) so übertragen, dass das nämlich-Konnekt die vorangehende<br />

Aussage spezifiziert und damit ihre Relevanz begründet. Allerdings ist es fraglich, ob nämlich<br />

in (2) überhaupt eine kausale Rolle spielt. Eine einheitliche Analyse von nämlich wäre aus<br />

theoretischen Gründen wünschenswert.<br />

12


Im Vortrag werde ich gegen die Annahme argumentieren, dass nämlich lexikalisch Kausalität<br />

kodiert. Vielmehr spielen pragmatische Aspekte eine Rolle, wie Topic-Comment-Struktur und<br />

Präsupposition.<br />

Literatur:<br />

Pasch, Renate / Brauße, Ursula / Breindl, Eva / Waßner, Ulrich Hermann (2003): Handbuch<br />

der deutschen Konnektoren. Linguistische Grundlagen der Beschreibung und syntaktische<br />

Merkmale der deutschen Satzverknüpfer (Konjunktionen, Satzadverbien und Partikeln).<br />

Berlin, New York: de Gruyter. (= Schriften des Instituts für Deutsche Sprache 9)<br />

Sweetser, Eve (1990): From Etymology to Pragmatics: The Mind-as-Body Metaphor in<br />

Semantic Structure and Semantic Change. Cambridge: Cambridge University Press.<br />

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