des norHdeutschen Tieflandes
des norHdeutschen Tieflandes
des norHdeutschen Tieflandes
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Der I\ufbau<br />
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<strong>des</strong> <strong>norHdeutschen</strong> Tieflan<strong>des</strong><br />
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Inter besonderer Berücksichtigung <strong>des</strong> Grundwassers<br />
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Kgl. Lan<strong>des</strong>geologe<br />
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Verlag von Laubsch & Everth<br />
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Der f\ufbau<br />
<strong>des</strong> norddeutschen Tieflan<strong>des</strong><br />
unter besonderer Berücksichtigung <strong>des</strong> Grundwassers<br />
mit 13 1\ b b i I dun gen u n cl<br />
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Verlag von Laubsch & Everth
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Wenn wir nach einer natürlichen Umgrenzung <strong>des</strong> norddeutschen<br />
Tieflan<strong>des</strong> suchen, stossen wir auf einige Schwierigkeiten.<br />
Zunächst ist das Tiefland in seiner äusseren Gestalt keineswegs<br />
tlberall ein vollkommener Gegensatz zum Gebirgslande ; ich<br />
erinnere nur an die ansehnlichen Höhen, die sich in der Gegend<br />
westlich von Danzig um den 331 m hohen Turmberg gruppieren<br />
und die sich, sowohl was malerische Formen wie auch relative<br />
Höhe betrüft, mit manchem kleinen Gebirge Thüringens oder<br />
Hannovers messen können. Auch in Ostpreassen, in der<br />
LÜDeburger Heide und in Schleswig-Holstein findet man stattliche<br />
Berge. Geht man dagegen von der Bodenbeschaffenheit aus, so<br />
. ist es auch hier nicht leicht, überall eine scharfe Grenze<br />
zwischen Gebirge und Flachland festzustellen. Das norddeutsche<br />
Tiefland besteht im grossen und ganzen aus weichen Bodenarten :<br />
Sand, Ton, Lehm und Kies, während im Gebirgslande harte<br />
oder doch wenigstens verhärtete, steinartige Bodenbildungen<br />
·vorherrschen. In manchen Gegenden aber finden sich Uebergänge<br />
zwischen Gebirge und Flachland in der Weise, dass die älteren,<br />
festen Gebirgsgesteine nicht schroff gegen die losen Bödenarten<br />
<strong>des</strong> Flachlan<strong>des</strong> absetzen, sondern in zahlreichell inselartigen<br />
Fliehen doch noch auf weite Erstreckung im Vorland der Berge<br />
zum Vorschein kommen. Das ist z. B. der Fall in der Gegend<br />
von Hannover oder von Halle. Wir wollen <strong>des</strong>halb als Tiefland<br />
~.jenigen Gegenden im Norden der mitteldeutschen Gebirge<br />
\atraehten, in welchen ältere Gesteine nicht mehr zusammen<br />
DIngend, sondern nur noch in vereinzelten Inseln auftreten, und<br />
in welchen zugleich niedrige Terl'ainformen vorherrschen.<br />
Eine<br />
CUt8 S.cheide~inie ~8t für diesen Zweck die Grenze. der Diluvial<br />
·formation, dIe WIederum zum· allergrössten Tell sehr nahe<br />
:ll\1Hmmenfällt mit der Grenze der gröBsten Ausdehnung <strong>des</strong><br />
üordiaehen lnlandeises während der Eiszeit. .<br />
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- 4 -<br />
Der Gegensatz zwischen Tiefland und Gebirge ist überdies<br />
nur eine oberflächliche Erscheinung. Wir müssen uns nämlich vorstellen,<br />
dass die sanften mitteldeutschen Berge mit fast unveränderten<br />
Formen und gleicher innerer Beschaffenheit sich unter der<br />
ganzen norddeutschen Tiefebene hindurch ziehen und sieh im fernen<br />
Norden jenseits <strong>des</strong> Baltischen Meeres an die dort auftauchenden<br />
Felsformationen <strong>des</strong> grossen skandinavischen Schil<strong>des</strong> anschliessen.<br />
Nur unter einem Teil <strong>des</strong> norddeutschen Bodens, z. B. unter<br />
Ost- und Westpreussen, scheint auch das ältere Gebirge Ebenen<br />
oder flachwellige Gründe zu bilden. Am Rande der deutschen<br />
Mittelgebirge befinden sich gewaltige Brüche der Erdkruste, an<br />
denen im Laufe der erdgeschichtlichen Zeitalter der Boden<br />
nordwärts in grosse Tiefen abgeBauken ist. Könnten wir mit<br />
einem riesigen Besen unser Tiefland bis 200, 500 oder 800 m<br />
unter der so eintönigen Erdoberfläche rein fegen von dem losen<br />
Schutt der jüngeren Zeitalter, so würde UDS eine Gebirgslandschaft<br />
von ähnlichem Charakter wie diejenige Braunschweigs<br />
oder Hannovers mit a11 ihren Höhen und Tälern vor Augen treten.<br />
Wie aber gegenwärtig die Verhältnisse liegen, finden wir davon<br />
nur einzelne Hochgipfel, die durch Sand- oder Lehmflächen von'<br />
oft bunderten von Kilometern Ausdehnung von einander getrennt<br />
sind. Zu diesen Gipfeln <strong>des</strong> versunkenen norddeutschen Untergrundgebirges<br />
gehört beispielsweise der sogenannte "Kalkberg"<br />
in Segeberg (Holstein) ; ferner der sogenannte "Kalkberg" in<br />
der alten: Salinen stadt Lüneburg. Diese beiden Berge bestehen<br />
aus Gips der Zechsteinformation. Weiter im Osten finden wir<br />
als solche Gipfel die Muschelkalkhöhen von Rüderlldorf östlich<br />
von Berlin, die Kreidefelsen von Rügen und Finkenwalde bei<br />
Stettin und die Jurakalkfelsen von Pak os eh und Bartschin in<br />
der Provinz Posen. Was aber unseren Augen nicht sichtbar<br />
ist, das wird ergänzt durch die Ergebnisse der zahlreichen in<br />
gauz Norddeutschland niedergebl'Mhten Tiefbohrungen, die<br />
vornehmlich der Trink- und Gebrauchswassererschliessung dienen.<br />
Obgleich auch bei Betrachtung dieser Bohrungen das geologische<br />
Bild grosse Lücken aufweist und der Untergrund mancher<br />
Landschaften noch im Dunkeln liegt, so sind wir doch in den<br />
letzten 30 Jahren zu einem einigermassen zuverlässigen Ueberblick<br />
der Verbreitung der älteren Formationen gelangt.<br />
Unter diesen Iformationen ist die älteste und zugleich eine<br />
der praktisch bedeutungs vollsten die Z e eh s t ein - 0 deI'<br />
S al z f 0 r m a t ion. Diese Formation besitzt gerade unter<br />
Norddeutschland eine riesige Ausdehnung, während sie in<br />
grossen Teilen der mittel- und süddeutschen Gebirgslandschaft<br />
fehlt. Sie folgt im Alter auf die Steinkohlenformation und ist<br />
unter den Bildungen <strong>des</strong> Altertums der Erdgeschichte die jüngste.<br />
Fast allenthalben vom äussersten Westen in den deutsch-
5 -<br />
holländischen Grenzgebieten bis hinüb er zu den Grenzen<br />
Littauens und Polens umschliesst sie gewaltige Lager von<br />
Steinsalz. Noch wertvoller aber sind die Laller von Kalisalzen,<br />
die besonders im Westen durch zahlreiche Tiefbohrungen auch<br />
unter dem Flachlande nach~ewiesen sind und dort am Niederrhein,<br />
in der Gegend von Bremen, in der Lüneburger Heide,<br />
im südwestlichen Mecklenburg und im oberen Allergebiete znm<br />
Gegenstand bergmännischer Gewinnung geworden sind. Viel<br />
regelmässiger als die Kalilager, von denen übrigens erwähnt<br />
sei, dass sie auch zu Rüdersdorf bei Ber1in erbohrt worden<br />
sind, finden si
-6-<br />
wenn die oberen Bodensehiehten es versagen, geradezu unmöglich<br />
wird, weil aus der Tiefe keilt sOsses Wasser mehr zu<br />
erhoffen ist. So bereitet z. B. die Erbohrung von nutzbarem<br />
Wasser in der Gegend von Bremen und im ganzen Unterwesergebiete<br />
nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Die jüngeren<br />
Bodenformationen, welche jene Gegend bis zur Tiefe von mehreren<br />
hundert Metern aufbauen, verhüllen in sehr unangenehmer Weise<br />
das Relief <strong>des</strong> Felsuntergrun<strong>des</strong>. Wir wissen infolge<strong>des</strong>sen<br />
erst wenig über die Lage der Salzgebirgshorste, die dort stecken,<br />
und die strichweise der Oberfläche ziemlich nahekommen müssen.<br />
Süsses und salziges Grundwasser sind durch auffallend scharfe<br />
Linien von einander abgegrenzt, die vielleicht unterirdischen<br />
Verwerfungsspalten entsprechen. Aus einem Gebiete, das<br />
reichliche Mengen vollkommen brlJ.uchbaren süssen Grundwassers<br />
führt, gelangt man über eine Grenzzone von kaum einem Kilometer<br />
Breite unvermittelt in ein anderes, wo die Brunnenbohrungen<br />
schon bei 30-40 m Tiefe unbrauchbares Wasser<br />
ergeben. Ein paar tiefere Bohrungen, die zur Wasserver&orgung<br />
industrieller Werke unternommen sind, haben bei 150-240 m<br />
Tiefe eine Salzsole von 21/2 bis 5% ersehroten. Der Salzgehalt<br />
ist somit höher als der Salzgehalt <strong>des</strong> Meeres, und damit<br />
fällt die Möglichkeit fort, ihn durch die Nachbarschaft der<br />
Nordsee zu erklären. Aehnlich liegen die Verhältnisse in einigen<br />
Gegenden an der Ostsee. So beschreibt D e eck e aus Pommern<br />
Solquellen, deren Lötigkeit gleichfalls diejenige <strong>des</strong> Meerwassers<br />
itbertrifft und deren Analysen teilweise neben gewöhnlichem<br />
Kochsalz soviel Chlormagnesium zeigen, dass man<br />
auf die Anwesenheit auch von Kalisalzlagern in jener Gegend<br />
schliessen darf. JiJigentümlich sind die Bahnen, die dieses<br />
salzige Grundwasser sich sucht. Man findet es in allen<br />
Formationen, die jünger sind als das Salzgebirge, sofern dieselben<br />
aufnahmefähige Gesteine führen. So tritt die Salzsole<br />
in Pommern an verschiedenen Punkten in der Juraformation<br />
auf. Auch in Herrnsdorf bei Berlin hat man in 320 m Tiefe<br />
in einem Kalksandstein <strong>des</strong> Unteren Jura dreiprozentige Sole<br />
angetroffen. An anderen pommersehen Orten und in weiten<br />
Gebieten West- und Ostpreussens findet man die Salzsole in<br />
der Kreideformation. Dasselbe ist der Fall in Westfalen, und<br />
hier zeigt sich die merkwürdige Erscheinung, dass aus der<br />
Kreideformation noch Salzsole austritt an Stellen, wo die<br />
Zechsteinformation in ihrem Liegenden garnicht mehr vorhanden<br />
ist. Man erklärt sich das durch die Annahme, dass die wasserfiihrenden<br />
Gebirgsvel'werfungen, welche die Kreide am südwestlichen<br />
Rande <strong>des</strong> westfälischen Flachlan<strong>des</strong> durchsetzen,<br />
nordwärts bis in jene Gegend reichen, wo noch gegenwärtig<br />
ausgelaugte und in Auslaugung begriffene GesteinkOmplexe der
7 -<br />
Salzformation vorh,!l.nden sind. In Rolstein kennt man ebenfalls<br />
aus der Kreide ausfliessende Salzsole, deren Ursprung in<br />
grUssere Tiefen, in welchen dort unmittelbar die Zechsteinformation<br />
folgt, hinabreicht. Dies ist beispielsweise der Fall<br />
in den Kreidegruben . der Alsen'schen Cementfabrik zu Lligerdorf<br />
bei Itzeboe, obwohl man annehmen muss, dass die dortige<br />
Kreide mehrere hundert Meter mächtig ist. Im Untergrunde<br />
von Berlin findet man die Sole in den ältesten Schichten der<br />
Tertiärformation in etwa 210 bis 240 m Tiefe. Auch in der<br />
Diluvialformation, die ja weit höher liegt als das Salzgebirge,<br />
trifft man hie und da noch Solquellen, so z. B. im Untergrunde<br />
von Lübeckj dort fliesst ein salzhaltiger Grundwasserstrom,<br />
der vom Segeberger Salzgebirge her meilenweit das Travatal<br />
abwärts zieht, eingezwängt zwischen dicken Bänken von Geschiebemergel,<br />
und unter ihm findet man wieder Süsswasser.<br />
Wir sehen also, dass das ausgelaugte Steinsalz in der fiusteren<br />
Tiefe die seltsamsten Wege wandelt, und da es sich hierbei<br />
immer weiter mit Wasser verdünnt und immerfort Abfluss<br />
findet, wenn auch in ausserordentlich langsamem Tempo, so<br />
können wir uns vorstellen, welche ungeheuren Zerstörungen im<br />
Laufe der Zeiten in unserem Salzgebirge angerichtet werden.<br />
Umsomehr müssen wir uns wundern, dass überhaupt noch solche<br />
ausgedehnte und mächtige Massen vorhanden sind, wie sie das<br />
Sperenberger Bohrloch nachgewiesen hat. Aber nicht allenthalben<br />
verströmt das Salzwasser nutzlos in der Erdentiefe.<br />
Wo in den jüngeren Formationen, etwa in der Juraformation<br />
oder der unteren Kreide alte Faulschlammgesteine von ihm<br />
bespült werden, welche die Mutterstoffe <strong>des</strong> Erdöls enthalten,<br />
vermag es das Oel in Entwickelung zu bringen und in die<br />
Verwerfungsklüfte <strong>des</strong> Gebirgsbödens fortzuziehen. Es ist eine<br />
merkwürdige Erscheinung, dass es in Norddeutschland kein<br />
Erdöl gibt, zn dem nicht die Salzsole Pate gestanden hätte.<br />
Die Erdölqnellen der Lüneburgar Reide, z. B. bei Wietze und<br />
HII.nigsen, laufen im zerspaltenen Randgebiet von Salzhorsten.<br />
Damit wollen wir die Salzformation verlassen und uns<br />
den nächst jüngeren, bereits zum Mittelalter der Erdgeschichte<br />
gehörigen Bildungen zuwenden. In den mitteldeutschen Gebirgen<br />
folgt auf die Zechsteinformation die Tri a s -<br />
f 0 r m at ion, eine geologische Dreiheit, bestehend aus dem<br />
Buntsandstein, dem Muschelkalk und dem Keuper.<br />
Von diesen 3 Formationsgliedern ist der B u nt san d s t ein<br />
nur an sehr wenigen Orten <strong>des</strong> norddeutschen Tieflan<strong>des</strong> bekannt<br />
geworden. Seine obersten Schichten, eine bunte Folge von<br />
harten Mergelbänken, tritt bei Rildersdorf stellenweise unter<br />
de~ ~ort sehr mächtigen Muschelkalk zutage. Der Buntsand.<br />
stem 1st es ferner, welcher der Insel Helgoland ihren malerischen
- 8 -<br />
Reiz verleiht. Diese merkwürdige Insel hat ursprÜnglich<br />
wahrscheinlich einen grossen flachgewölbten Hügel gebildet, der<br />
sich aus dem damals noch trockenen und höher gelegenen<br />
Nordseeboden ein wenig hervorhob. Als dann in einer späteren<br />
Periode der Nordseeboden einsank und das Meer diesen Hügel<br />
umbrandete, frass es sich tief in seinen Kern hinein und<br />
gestaltete die bis 50 m hohe Steilküste der Insel mit aU ihren<br />
Zacken und Pfeilern aus, die wir jetzt bewundern. Auch die<br />
Mus c hel kaI k f 0 I' m a ti 0 n hat im norddeutschen Tieflande<br />
nur wenige zu Tage tretende Vorposten, obwohl sie im Untergrunde<br />
weithin vorhanden sein muss, wenn sie auch die<br />
jenseitigen Gebirge Skandinaviens nicht erreicht. Der Glanzpunkt<br />
für das Studium der Muschelkalkformation ist Rüdersdorf<br />
bei Berlin, wo dieselbe in riesigen Steinbrüchen von mehr als<br />
2 km Länge und etwa 40 m Tiefe ausgebeutet wird. Die<br />
ungefähr 250 m mächtigen Kalksteinschichten sind dort in folge<br />
der uralten Gebirgsfaltung schräg nach Norden geneigt und<br />
steigen südwärts, eine nach der anderen, zu Tage, so dass man<br />
an der Südseite die ältesten und tiefsten zu sehen bekommt.<br />
Rüdersdorf liefert den gesamten Mörtelkalk für die benachbarte<br />
Riesenstadt, und aus den dicken Schaumkalk- oder Werkkalkbänken<br />
<strong>des</strong> unteren Muschelkalkes gewinnt man ein schönes<br />
Baumaterial für Monumentalbauten, das sich leicht bearbeiten<br />
lässt. Bei der Insel Helgoland bilden Muschelkalkschichten eine<br />
Klippenzone, die sich von der kleineu Düne im Osten der Insel<br />
etwa 3 km weit nach Nordwesten in die See erstreckt und nur<br />
bei tiefer Ebbe mit ihren tangbewachsenell Schichtköpfen zum<br />
Vorschein kommt. Die oberste Abteilung der Triasformation,<br />
nämlich der Keuper, spielt im Aufbau <strong>des</strong> norddeutschen Flachlan<strong>des</strong><br />
keine nennenswerte Rolle. Es sind weiche Mergelschicbten,<br />
die beispielsweise in Lüneburg sichtbar sind.<br />
Wir kommen dann zur J u r a f 0 I' m a t ion, die ihren<br />
Namen nach dem Juragebirge im Silden unseres Vaterlan<strong>des</strong><br />
trägt. Die mannigfach entwickelten Gesteinskomplexe dieser<br />
Formation bilden eine grössere Zahl von Untergrundinseln<br />
namentlich in Vorpommern. Im Osten kennt man sie in Gestalt<br />
von wertvollen Felsenkalken zu Bartschin in Posen, und man<br />
kennt sie ferner aus Bohrungen zu HeUsberg in Ostpreussen<br />
und sogar in der Gegend von Meme!.<br />
Ausserordentlich viel weiter ist aber die Verbreitung der<br />
K r eid e f 0 I' m a t ion, die dem Jura im Alter folgt und die<br />
jüngste Bildung aus dem Mittelalter der Erdgeschichte darstellt.<br />
Ihr Hauptglied ist die weisse Kreide, welche die leuchtende<br />
Küste der Insel Rügen aufbaut. Die älteren Horizonte der<br />
Kreideformation sind teilweise als Ton- und Sandschichten entwickelt,<br />
während in den jüngeren hellgraue Kalkmergel und
Der Segeber,er Gipsber~,<br />
ein Gipfel <strong>des</strong> unterirdischen Zechsteingebirges in Holstein.
Bunte Sandsteinfelsen auf Helgoland<br />
(Westküste).
- 9 -<br />
l'eine weisse Kreide vorherrschen. Es würde zu weit führen,<br />
aUe interessanten Punkte aufzuführen, an welchen die Kreideformation<br />
in Norddeutschland zutage tritt. Es gibt kaum eine<br />
Gegend, in deren Untergrunde sie fehlt, vom lussersten Ostpreussen<br />
bis nach Oldenburg und dem Niederrhein. Aber auf<br />
eiDe bemerkenswerte Eigentümlichkeit der Kreideformation sei<br />
aufmerksa.m gemacht. Das ist ihr Gehalt an Feuersteinen.<br />
Die Feuersteine, auch Flintsteine genannt, sind kieselige Ausscheidungen<br />
im Kreidekalk, und sie finden sich in grossen<br />
Mengen fast überall in den norddeutschen Kreidebildungen.<br />
Auf Rügen und in Rolstein sieht man sie in regelmlLssigen<br />
Schichten die weisse Kreide durchsetzen. Ihre Entstehung als<br />
Konzentration der Kieselsubstanz, wahrscheinlich durch die<br />
Wirkung <strong>des</strong> Grundwassers, ist zugleich die Ursache ihrer<br />
abenteuerlichen, wn1stig·knolligen Formen und macht es auch<br />
verständlich, dass man so viele hübsche Versteinerungen von<br />
Muscheln, Seeigeln und Belemniten
- 10 -<br />
den Meeresabsätzen beigemengt wurden. Ans dem nordwestlichen<br />
Deutschland, vom Gebiet der Niedereibe bis nach Pommern,<br />
kennt man an vielen Stellen zahlreiche, meist nur wenige<br />
Millimeter oder Zentimeter dicke Tuffschichten im Eozän, die<br />
uns beweisen, dass die vnlkanischen Ausbrüche lange Zeit<br />
hindurch sich wiederholt haben müssen. Die Dicke der eozänen<br />
Tonschichten ist stellenweise ausserordentlich gross; sie kann<br />
mehrere hundert Meter betragen. Da diesen Tonmassen<br />
durchlässige und namentlich gröbere Sandschichten nicht eingefügt<br />
sind, so sind sie meistens wasserleer, und wo das Eozän<br />
dicht an der Tagesoberfläche liegt, wie z. B. auf der Insel<br />
Fehmarn, ist es oft schwer, ergiebige Brunnen zu bohren.<br />
Sobald man in den Ton hineingerät, schwindet jede Aussieht,<br />
Wasser zu gewinnen. An dieser Formation ist leider auch der<br />
Bohrversuch der Regierung auf der Hallig Oland, der bis 440 m<br />
Tiefe durchgeführt wurde, zuschanden geworden.<br />
Die nächst jüngere Abteilung <strong>des</strong> Tertiärs, das 0 I i g 0 z ä n,<br />
bietet etwas günstigere Verhältnisse. Es besteht vorwiegend<br />
aus feinen, in der Nähe der einstigen Küste z. B. in der<br />
Magdeburger Gegend auch grobkörnigen Sandschichten. Sehr<br />
wertvoll ist uns das Oligozän durch seine Bernsteinführung.<br />
Die sogenannte blaue Erde, aus welcher im Samlande von<br />
alters her' die grössten und zahlreichsten Bernsteinstücke<br />
gegraben werden, gehört dieser Formation an. Der Bernstein<br />
ist bekanntlich ein fossiles Harz, das von Nadelwäldern stammt,<br />
die an der Küste <strong>des</strong> Eozän- und Oligozän-Meeres an der<br />
Nordseite der Ostsee vielleicht im südlichen Schweden und in<br />
baltisch - Russland gediehen. Zum Oligozän gehört ferner<br />
eine in Norddeutschland zwischen Rhein und Oder fast<br />
überall vorhandene Tonschicht, der sogenannte Septarienton, der<br />
ebellfalls als Meeresabsatz anzusehen ist (vergl. die Karte auf<br />
der nächsten Seite). Dieser Ton liegt beispielsweise im Untergruude<br />
von BerliD, etwa 100 m unter der Erdoberfläche,<br />
und besitzt dort eine Mächtigkeit von mehr als 100 m.<br />
Der Septarienton spielt eine wichtige Rolle für die Begrenzung<br />
der Grnndwasserströme. Als undurchlässige Schicht<br />
sammelt er an seiner Oberfläche die aus den höheren, porösen<br />
Bodenarten herabsickernden Wassermengen und speichert sie<br />
auf. So hat von L ins t 0 waus der Gegend von Dessau einen<br />
Grundwasserstrom beschrieben, der vom Septarienton getragen<br />
wird. Dort zieht sieh in der Richtung gegen Nord-Nordwest<br />
das Tal der Mulde zu dem breiten von Osten nach Westen<br />
verlaufenden EIbetal. In dem Winkel von beiden Tälern liegt<br />
eine 10-20 m hohe Hochfläche, unter welcher wiederum in<br />
10 -60 m Tiefe der Septarienton sich ausbreitet. Die Schichten<br />
über dem Septarienton sind abgesehen von der Lössdecke, die
- 11 .....,.<br />
den Ackerboden bildet, vorwiegend Sandsebichten mit untergeordneten<br />
Bänken von Geschiebemergel: In den u~teren rr:eilen<br />
<strong>des</strong> San<strong>des</strong> ist das Grundwasser aufgespeIchert, das lD zahlreIchen<br />
Dorfbrunnell geschöpft wird. Vergleicht man damit die Gegend<br />
nördlich der EIbe, so sieht man, wie segensreich die Nähe <strong>des</strong><br />
Septarien tons für die Grundwasserverhliltnisse ist. Nördlich der<br />
EIbe erhebt sich der Fläming, eine hohe und breite Sandschwelle.<br />
Er wird aufgebaut aus mächtigen Diluvialsanden und nicht<br />
minder mächtigen Sanden der oberen Abteilung der Braunkohlenformation.<br />
Tonschichten sind wenig vorhanden und der<br />
Septarienton liegt erst in sehr grosser Tiefe. Infolge<strong>des</strong>sen<br />
sinkt das Grundwllsser ungehindert in die Tiefe und steht mit<br />
seinem Spiegel vielfach etwa. 30 m unter der Erdoberfläche, so<br />
dass seine Gewinnung ziemlich kostspielige Pumpenanlagen<br />
erfordert.<br />
Im Berliner Untergrund bildet der Septarienton die<br />
Scheide zwischen zwei ganz verschiedenen Grundwasserstockwerken.<br />
Ueber ihm steht Süsswasser, unter ihm Salzsole. Da<br />
im Westen und Südwesten der Reichshauptstadt, z. B. bei<br />
Nauen, die Salzsole nach oben durchdringt, so wird angenommen,<br />
dass dort Spalten im Ton vorhanden sind. Das Gleiche scheint<br />
bei Neuengamme, oberhalb Hamburg, der Fall zu sein, wo man<br />
1910 tief im Septarienton und etwa 245 m unter Terrain eine<br />
gewaltige Gasquelle erbohrte, mit welcher auch salzhaltige<br />
Wasserteilchen zutage gerissen wurden. Das Gas hat wahrscheinlich<br />
seinen Ursprung in erdölhaitigen Schichten der Kreideoder<br />
Juraformation, das Salzwasser stammt vielleicht aus der<br />
Zechsteinformation; tiefe Verwerfungsbrüche ermöglichen seinen<br />
Auftrieb, der mit einem Druck von 25 Atmosphären erfolgt.<br />
Aus zwei Seitenöffnungen <strong>des</strong> Bohrröhrenkopfes brach das Gas<br />
hervor, entzündete sich und verbrannte wochenlang unter<br />
donnerartigem Geknatter in zwei 15m langen wagrechtenFlammen.<br />
Das Meer, das in der Oligozän zeit noch bis zur Oder und<br />
bis in die Gegend von Leipzig gereicht hatte, zog sich während<br />
der folgenddn Epoche, der Mi 0 z ä n z e i t, bedentend weiter nach<br />
Westen zurück. In dieser Zeit fing es an, sich zur heutigen<br />
Nordsee zu konzentrieren. Die Absätze <strong>des</strong> Miozänmeeres im<br />
Rheinland, in Oldenburg, Hannover, dem westlichen Mecklenbnrg<br />
und Schleswig~Holstein bestehen teils aus feinem tonigen Sand<br />
und Muscheln, teils aus Ton. Der Ton, wegen seines Gehaltes<br />
~n feinen Glimmerbllittchen auch Glimmerton genannt, erreicht<br />
Im unteren Elbgebiet bis zu 110 m Mächtigkeit. Er ist den<br />
Schleswig-Holsteinischen Brunnenbohrern wohl bekannt. In der<br />
Hamburger Gegend, bei Kiel, Flensburg u. s. w. ist man ziemlich<br />
sicher, wenn man es wagt, den mächtigen Glimmerton zu<br />
durchbohren, reiche Grundwassermengen aus den darunter<br />
2*
- 12 -<br />
liegenden, allerdings feinkörnigen und grosse Filterlängen<br />
erfordernden Sandschichten zu gewinnen. Um dieselbe Zeit,<br />
wo im Westen das Glimmertonmeer herrschte, war der mittlere<br />
und östliche Teil Norddeutschlands eine grosse flache Sumpflandschaft,<br />
in welche sich von den Mitteldeutschen Gebirgen<br />
und auch von Skandinavien her wasserreiche Flüsse ergossen,<br />
die vielleicht durch einen Hauptstrom nach der Nordsee<br />
fortgeleitet wurden. In dieser grossen sumpfigen Niederung<br />
bildeten sich Wälder, aus deren durch Jahrtausende hindurch<br />
aufgehäuftem, im Sumpfwasser nicht verwesten Moder die<br />
Braunkohlenflöze entstanden. Die Wälder jener Zeit müssen<br />
ein ähnliches Aussehen gehabt haben, wie gegenwärtig die<br />
Sumpfwälder <strong>des</strong> südlichen Nordamerika, z. B. im Staate<br />
Karolina. Es ist kein Zufall, dass derjenige Baum, <strong>des</strong>sen<br />
Ueberreste wir fast ausschliesslich in unseren Braunkohlenflözen<br />
:linden, nämlich tlie Sumpfzypresse. noch jetzt in den genannten<br />
amerikanischen Gegenden ebenfalls dieSumpfvegetation beherrscht.<br />
Auf trockenerem Boden wuchsen in der Miozänzeit bei uns<br />
Laubhölzer eines mehr südlichen Klimas als das gegenwärtige.<br />
Wir finden Reste von Lorbeeren, Magnolien, Kampferbäumen,<br />
Feigenarten und Kastanien nebst Pappeln, Eichen, Buchen und<br />
Erlen vertreten. Wie schon gesagt, war die Miozänperiode<br />
der Tertiärzeit die Zeit der intensivsten Braunkohlenbildung.<br />
Allerdings hatten sich schon im älteren Tertiär, besönders<br />
während <strong>des</strong> Eozäns, an den südlichen Rändern <strong>des</strong> damaligen<br />
Meeres bedeutende Flöze entwickelt, so namentlich in der<br />
nördlichen und östlichen Umgebung <strong>des</strong> Harzes. Ans Bohrungen<br />
kennen wir ferner eozäne Braunkohlen vom Niederrhein. Aber<br />
erst der weite Rückgang <strong>des</strong> alttertiären Meeres am Schlusse der<br />
Oligozänzeit ermöglichte eine allgemeine BraunkohJenbildung auf<br />
dem freigewordenen Boden. Der Miozänperiode gehören die<br />
mächtigen Braunkoblenflöze im südlichen Teil der Niederrheinischen<br />
Bucht sowie in der Lausitz, ferner die zahlreichen,<br />
aber schwachen Flöze in der Mark, in Posen, Nieder-Schlesien<br />
und Westpreussen an. Auch im Untergrunde <strong>des</strong> Nordwestdeutschen<br />
Glimmertones findet man Braunkoblenbildungen im<br />
nördlichen Hannover und in Schleswig-Holstein allenthalben<br />
verbreitet. Das feuchtwarme KlimR. der Braunkohlenzeit, das<br />
wir uns demjenigen der heutigen Mittelmeerländer ähnlich<br />
denken müssen, verursachte in den Gebirgsländern, von denen<br />
die damaligen Flüsse herabströmten, eine rascbe und tiefgehende<br />
Bodenverwitterung. Infolge<strong>des</strong>sen sind die Ablagerungen<br />
derselben allenthalben arm an leicht zersetzbaren und löslichen<br />
Mineralstoft'en. Es sind eintönige Massen von Quarzkörnern,<br />
Glimmerblättchen und Tonteilcben, die als Baustoffe dieser<br />
Flussablagernngen dienten. Häufig treten die Tonteilcben in
- 13 -<br />
Form <strong>des</strong> nutzbaren Minerales Kaolin auf, von dem sich ziemlich<br />
reine Schichten am nördliehen Eifelrande, in der Lausitz und<br />
an anderen Punkten, besonders in der südlichen Randzone <strong>des</strong><br />
norddeutschen Tieflan<strong>des</strong>, aber auch auf der Insel Sylt vorfinden.<br />
Kalkablagerungen, Tonmergel und dergleichen sind dagegen<br />
verhältnismässig selten. Die tiefliegenden und weit verbreiteten<br />
Sandschichten der Braunkohlenformation pflegen durchweg reich<br />
an Grundwasser zu sein. Aber leider ist dieses Grundwasser<br />
häufig für Genusszwecke unbrauchbar, weil es aUB den Braunkohlenbildungen<br />
m&ncherlei schädliche Beimengungen empfängt.<br />
Als SOlche sind zu nennen humose Substanzen, die das Wasser<br />
braun färben; ferner Eisenvitriol, das aus der Zersetzung von<br />
Schwefeleisen hervorgeht, und Schwefelwasserstoff, welcher<br />
manchen Wässern aus der Braunkohlenformation einen üblen<br />
Geruch verleiht. Verschiedene Brunnenbohrungen, die in der<br />
Hamburger Gegend bis tief in die unter dem Glimmerton<br />
lagernden feinen Brannkohlensande hinabgedrungen sind, haben<br />
reichliches artesisches Wasser erbracht, das man schon 50 m<br />
vom Bohrloche entfernt riechen kann. Glücklicherweise lässt<br />
sich aber der Schwefelwasserstoff, wenn er der einzig störende<br />
Bestandteil ist, leicht aus dem Wasser entfernen. Gegen Ende<br />
der Miozänzeit scheint sich in Ostdeutschland nnd zwar von<br />
Niederschlesien durch die Provinz Posen hindurch bis in das<br />
südliche Westpreussen hinein ein grosser Binnensee gebildet zu<br />
haben, in welchem die einmündenden Flüsse ihren mitgebrachten<br />
Schlamm niedersinken Hessen. Dadurch entstanden die grossen<br />
Lager <strong>des</strong> buntgeflammten sogenannten Posener Tones, der in<br />
diesen Gegenden heutzutage als Grundwasserträger an der<br />
Basis der diluvialen Ablagerungen eine grosse Rolle spielt.<br />
Am Ende der Miozänzeit zog sich das Westdeutsche Meer<br />
aus denjenigen Gegenden, die jetzt Festland sind, vollständig<br />
znrück. Auch eine Meeresbucht <strong>des</strong> grossen österreichischen<br />
Miozänmeeres, die von Galizien weit nach Oberschlesien<br />
hineinreichte, verschwand wieder. Von der Nordsee blieb nur<br />
ein Teil übrig, der sich anf einige Gegenden <strong>des</strong> heutigen<br />
Ostengland, <strong>des</strong> westlichen Holland und <strong>des</strong> nördlichen Belgiens<br />
beschränkte. Die gesamte norddeutsche Tiefebene scheint sich<br />
während der jüngsten Phase der Tertiärzeit hoch über ihre<br />
jetzige Lage erboben zu haben, und die älteren Flüsse schnitten<br />
sich in die so entstandene Hochebene tiefe Täler ein. Dieser<br />
letzte Abschnitt <strong>des</strong> Tertiärs war die Pli 0 z ä n per iod e. Sie<br />
war eine lange Uebergangszeit, die von den wärmeren klimatischen<br />
Verhältnissen, unter denen die'Braunkohlensumpfwälder gediehen<br />
waren und die Nordsee mit den bunten Muschel- und Schneckenarten<br />
<strong>des</strong> Mittelmeeres und <strong>des</strong> südlichen Atlantik belebt war,<br />
hinüberleitete zu dem kühlen Klima der Eiszeit. Da während
14 -<br />
<strong>des</strong> Pliozäns das Land sich hob, so verlegten sich die Anschwemmungen<br />
der FlOsse weiter nach Norden und Westen,<br />
iiber den Bereich <strong>des</strong> jetzigen Tieflan<strong>des</strong> hinaus. Wir kennen<br />
<strong>des</strong>halb in Norddeutschland nur wenige sicher pliozäne Schichten.<br />
Zu diesen gehört der schon erwähnte "Posener Ton", <strong>des</strong>sen<br />
Ablagerung wahrscheinlich um die Wende zwischen Miozän und<br />
Pliozän begann und weit in die Pliozänzeit hinein dauerte.<br />
Am Niederrhein fanden damals schollenförmige Senkungen<br />
einzelner Landstriche statt, die vom Rheinstrom mit gewaltigen<br />
Massen von Kies erfüllt wnrden. An geschützten Stellen <strong>des</strong> Rheindeltas<br />
gediehen auch zu jener Zeit noch Braunkohlen bildende<br />
Sumpfwälder und erzengten Flöze von einer Mächtigkeit bis zu<br />
30 m. In Nordwestdeutschland kennt man pliozäne Schichten<br />
auf der Insel Sylt; ob auch ein Teil der märkischen und ostdeutschen<br />
Braunkohlenformation <strong>des</strong> gleichen Alters ist, steht<br />
noch dahin.<br />
Die Eis z e i t , die jetzt heranbrach, war die grösste<br />
erdgeschichtliche Umwälzung, die Norddentscbland in jüngerer<br />
Zeit erlebt hat. Sie hat die Bodenverhältnisse von Grund, aus<br />
nmgestaltet und die gesamten heutigen Geländeformen geschaffen.<br />
Die bewegte Hügellandschaft der weiteren Umgebung <strong>des</strong><br />
Ostseebeckens, die grossen Heiden Westdeutschlands, die breiten<br />
Stromtliler von der Weichsel bis zum Niederrhein sind<br />
Schöpfungen der Eiszeit. Welche Ursachen diese neue Periode<br />
herbeigeführt haben, wissen wir nicht. Es gibt darüber Theorien<br />
wie Sand am Meer, aber kaum eine von ihnen wird allen<br />
Erscheinungen gerecht. Einige Forscher glauben, dass eine<br />
Wanderung <strong>des</strong> Nordpols die grosse Vergletscherung Nordeuropas<br />
verursacht hat. Andere wieder wollen ausserirdische<br />
Einflüsse auf das Klima zar Erklärung herbeiziehen. Noch<br />
andere Forscher begnügen sich getreu den Erklärungsmethoden<br />
<strong>des</strong> alten Geologenpatriarchen Lyell mit einer gesteigerten<br />
Wirkung irdischer Faktoren, die noch jetzt das Klima beherrschen,<br />
insbesondere mit der Annahme starker geographischer Veränderungen<br />
im europäischen Norden. Es spricht vieles dafür,<br />
dass die Hebung, die während der Pliozänzeit das norddeutsche<br />
Tiefland ergriff, in noch weit stärkerem Masse die skandinavischen<br />
Gebirgsländer bis in die Regionen <strong>des</strong> ewigen Schnees emporhob.<br />
Wir wollen von einer Erörterung der Ursachen der<br />
Eiszeit absehen und die Erscheinungen selbst und ihre Folgewirkungen<br />
näher betrachten. Es ist sicher, dass sicb auf den<br />
skandinavischen Gebirgen gewaltige Gletscher entwickelten, die<br />
im Laufe der Zeit vom Hochgebirge in die Hochebene hinabflossen<br />
und sicb dort zu einer riesigen Inlandeisßäche vereinigten,<br />
die an Grösse allml1hlich weit hinaus wuchs fiber das gegenwä.rtig<br />
grösste Inlandeis <strong>des</strong> Nordens, das grönländische. Es scheint,
- 15 -<br />
dass zu Beginn der D i 1 u via I z e i t (Diluvialzeit ist der gesamte<br />
Zeitraum der nordeuropäischen Inlandeisbildung mit allen<br />
Zwischenstadien und ihrem schliesslichen Ende) die Ostsee<br />
nicht existierte. Jedenfalls bot diese gros se seichte Wasserlache<br />
dem nach Süden vordringenden Eis kein Hindernis. In demselben<br />
Masse, in welchem sich die atmosphärischen Niederschläge unt~r<br />
der Gunst eines kalten Klimas anhäufen konnten, wuchs dIe<br />
Grenzen <strong>des</strong> skandinavischen Inlandeises in Norddeutschland.<br />
Die südliche Grenze bezeichnet die Ausdehnung der Hauptvergletscherung,<br />
die nördliche (punktierte) den hypothetischen Rand der letzten Vergletscherung.<br />
Ausdehnung <strong>des</strong> Gletschers nach Süden. Er erreichte und<br />
bedeckte den deutschen Boden mit einer bis zu mehreren<br />
hundert Metern anschwellenden Mächtigkeit. Während <strong>des</strong><br />
Höhepunktes der Vergletscherung hat das nordische Eis im<br />
Westen, indem es die südliche Nordsee durchschritt, das ostenglische<br />
Küstengebiet in der Gegend von Norwich erreicht<br />
und ist dort mit den selbständigen Gletschern Grossbritanniens<br />
verschmolzen. Es versperrte den südlichen Ausgang der Nordsee
- 16 -<br />
und entsandte seine Schmelzwässer, die sich mit den Gewässern<br />
<strong>des</strong> Rheines, der Themse, der Maas und ScheIde zu einem<br />
gewsltigen Wasserschwall vereinigten, westwärts durch die<br />
Kanalgegend in den Atlantik. Wir haben Anzeichen dafür, dass<br />
das Gebiet <strong>des</strong> englischen Kanals, obwohl es während der<br />
Miozänzeit und vielleicht auch während <strong>des</strong> älteren Abschnittes<br />
der Pliozänperiode teilweise Meeresgrund gewesen war, zum<br />
Beginn der Diluvialzeit sich bedeutend über den Meeresspiegel<br />
erhoben hatte. Wahrscheinlich sind es die eben geschilderten<br />
riesigen Wassermengen gewesen, die in diese Landhöhe einen<br />
nach Südwesten gerichteten Weg eingruben und dadurch die<br />
erste Anlage der heutigen Meerenge schufen. Von Ostengland<br />
ging die Eisgrenze hinüberin die Gegend von Amsterdam, Utrecht,<br />
Nijmegen und Kleve. Der Rhein, der vormals eine mehr<br />
nördliche Richtung hatte und am Schluss der Pliozänzeit über<br />
Ostengland geflossen sein soll, wurde nach Süden abgedrängt j<br />
sogar einige der nordwestlichen Nebenflüsse <strong>des</strong> Rheines wie<br />
die Ruhr, mussten dem Gletscherrande ausweichen. Dieser<br />
Rand lief so dann durch das westliche Westfalen auf den<br />
Teutoburger Wald zu, <strong>des</strong>sen verhältnismässig niedrige Höhen<br />
der Gletscher vollkommen überschritten hatte. Von dort geht<br />
die Eisgrenze sn den Weserbergen entlanj;!' nach dem mittleren<br />
WesertaI. Der Gletscher drang im Weser- und Leinetal<br />
ziemlich weit südwärts bis über Hameln und Alfeld hinsus.<br />
Vom Leinetal lief die Eisgrenze nach dem nördlichen Harzrande<br />
hinüber und bog an der Ostseite <strong>des</strong> Harzes im Saalegebiet<br />
abermals weit nach Süden aus, so dass selbst die Gegend von<br />
Jena noch unter nordischem Eis begrahen war. Von hier aus finden<br />
wir die Spuren <strong>des</strong> Inlandeises durch den ganzen niedrigeren<br />
Teil <strong>des</strong> Königreichs Sachsen bis hinauf nach Chemnitz, durch<br />
Schlesien, wo es die Täler <strong>des</strong> Riesengebirges verschloss, und<br />
durch Galizien bis an den Fuss der Karpathen. Einige isolierte<br />
Berghöhen in Polen ragten als Inseln aus der weissen Eisßäche<br />
hervor. In Russland dehnte sich das Inlandeis mit grossen<br />
Buchten und Bögen bis südlich von Moskau aus, um von dort<br />
nach dem nördlichen Ende <strong>des</strong> Uralgebirges hinüberzuziehen.<br />
Die neueren Forschungen in Norddeutschland und in den<br />
Alpen, welch letztere in der Diluviaheit ein selbständiges riesiges<br />
Inlandeisgebiet bildeten, haben die merkwürdige Tatsache festgestellt,<br />
dass die Vergletscherung kein gleichmässig verlaufen<strong>des</strong><br />
Ereignis gewesen ist, sondern dass sie von mehreren grossen<br />
Erwärmungsperioden, den sogenannten Interglazialzeiten, unterbrochen<br />
wurde. Es lassen sich min<strong>des</strong>tens zwei grosse Eisvorstösse,<br />
nach der Ansieht der meisten Forscher sogar drei<br />
unterscheiden, und es scheint, dass von diesen Vorstössen nicht<br />
der älteste, sondern der mittlere der Bedeutendste war. Die
Westküste von Helgoland bei Ebbe.<br />
,<br />
i\us dem Meere -ragen reihenförmig die flachen Stümpfe<br />
fo rtgerissener Felsmassen hervor.<br />
Eine Schutzmauer beschirmt die große Nische in der<br />
Küste vor weiterer Zerstörung.
Weisse Kreide mit Fliotsteioscbicbteo,<br />
aus denen eisen- und salzhaltiges Grundwasser aussickert.<br />
Lägerdorf bei Itzehoe.
Vulkanische Aschenschichten im eozänen Ton.<br />
Hemmoor bei Stade.
K~ingrube<br />
in de.r Braunkohlenformation.<br />
Statzvey an dt!f Eifei.
- 17 -<br />
eben geschilderte Eisgrenze würde dann die grösste Ausdebnung<br />
der mittleren Vergletscherung kennzeichnen. Wie weit die<br />
älteste Vergletscherung allseitig vorgedrungen ist, wissen wir<br />
doch keineswegs genau. Spuren derselben lassen sich in Norddeutschland<br />
im Westen über das Unterwesergebiet bis nacb<br />
Ostfriesland hinein verfolgen. Eine Tiefbohrung in der Stadt<br />
Aurieh hat zunächst der Erdoberfläche die Lehm- und Sandablagerungen<br />
der Hauptvergletscherung durchbohrt; darunter<br />
folgte eine mächtige Bank von Ton- und Feinsandschichten,<br />
die in einer eisfreien Zeit abgesetzt zu sein scheinen, und<br />
unter diesen traf man in der Tiefe von etwa 70 m wiederum<br />
auf Kies mit bunten nordischen Geschieben, unter denen ein<br />
Stück Rhombenporfyr, ein charakteristisches Gestein <strong>des</strong><br />
südöstlicLen Norwegen, erkannt wurde. Dieser Kies dürfte<br />
eine Ablagerung der ältesten Eiszeit sein. Unter ihm traf man<br />
tertiäre Schichten mit Braunkohle. Sicher bekannt sind Ablagerungen<br />
der ältesten Eiszeit von grosser Mächtigkeit aus<br />
Tiefbohrungen in der Berliner Gegend. Von dort scheint sie<br />
südwärts bis über Halle hinaus gereicht zu haben. Auch in<br />
Schlesien glaubt man ihre Spuren gefunden zu haben.<br />
Die Ablagerungen, die das nordische Inlandeis in Norddeutschland<br />
hinterlassen hat, sind in ihrer Beschaffenheit von<br />
denjenigen der Braunkohlenformation grundverschieden. Während<br />
die Tertiärschichten nur aus den einförmigen Endprodukten<br />
einer tiefgründigen Verwitterung aufgebaut sind, flnden wir im<br />
Diluvium vorwiegend frische, wenig oder garnicht zersetzte<br />
Gesteinsgemengteile. Das nordische Eis _ brachte ungeheure<br />
Trümmermassen vom Boden der skandinavischen Länder und<br />
<strong>des</strong> heutigen Ostseegebietes nach Süden und vermischte sie mit<br />
den Bestandteilen <strong>des</strong> einheimischen Bodens, den es aufpflügte<br />
und abschälte. Die am meisten charakteristische Bodenart, die<br />
es erzeugte, ist der sogenannte G e s chi e b e m erg e 1, ein<br />
Gemenge aller nur denkbaren Gesteinstrümmer in allen nur<br />
denkbaren Grössen vom feinsten Staubkorn bis zum hausgrossen<br />
erratischen Block. Aus Beobachtungen an den Gletschern der<br />
Gegenwart und am grönländischen Inlandeis wissen wir, dass<br />
die unteren Partien <strong>des</strong> Eises durchsetzt sind mit Schmutz und<br />
Gestein. Bei seinem Fortgleiten umschliesst das Eis alle losen<br />
Körper an seinem Grunde und scbleift sie mit. Es staut sieh<br />
vor Bodenhindernissen, reisst sie aus dem Untergrunde los und<br />
schleppt sie fort. 10 Schonen, auf einigen der dänischen Inseln<br />
und in der Gegend von Stettin und Marienwerder kennt man<br />
Krei<strong>des</strong>chollen von mehr als 20 m Dicke und vielfach grösserer<br />
Länge, die das Inlandeis aus ihrem früheren Zusammenhange<br />
herausgestossen und auf ganz frßmde Böden nrschleppt hat.<br />
Noch intensiver als das feste Gestein wurden weiche Ton-<br />
3
18 -<br />
schichten angegriffen, sobald ihre Konturen dem Eise einen<br />
Angriffspunkt boten. In Holstein sind riesige Tonmassen <strong>des</strong><br />
Eozäns verschleppt worden. In anderen Gegenden, z. B. in<br />
der Mark Brandenburg, in Posen und Westpreussen, wurden<br />
die Schichten der Braunkohlenformation von dem herannahenden<br />
Eise in mächtige Falten zusammengeschoben, überstürzt und<br />
fortgerissen. Die meisten dieser entwurzelten Massen sind auf<br />
ihrer unfreiwilligen Reise vollständig aufgelöst und mit anderem<br />
Material vermischt worden. Je weiter das Eis nach Süden<br />
vordrang, <strong>des</strong>to mehr wurden die mitgeschleppten Gesteine,<br />
besonders die weichen unter ihnen, z. B. die schwedischen<br />
Kalksteine und die Trümmer der baltischen Kreide, abgeschliffen<br />
und zermalmt. Ihre zerriebenen Teilchen machen in vielen<br />
Gegenden 20-30 % <strong>des</strong> transportierten Materials aus. So<br />
bildete sich in und unter dem Eise der Geschiebemergel, der<br />
beim Schmelzen der ganzen Masse in dicken Bänken und Haufen<br />
liegen blieb. Die Brunnenbohrer pflegen ihn meistens als blauen<br />
Ton zu bezeichnen und stossen oft auf Schwierigkeiten wegen<br />
der einzelnen grossen Findlingsblöcke, die er einschliesst, und<br />
die mühselig zermeisselt oder gesprengt werden müssen. . Da<br />
der Geschiebemergel sich am Grunde <strong>des</strong> Inlandeises bildete,<br />
nennt man ihn Grundmoräne. Seine Mächtigkeit ist besonders<br />
in den nördlichen Gebieten <strong>des</strong> Tieflan<strong>des</strong>, z. B. in der Lehmhügel~<br />
landschaft <strong>des</strong> Baltischen HöhenrüGkens, sehr bedeutend. Der<br />
Geschiebemergel der Hauptvergletschernng hat dort eine Dicke<br />
von 10-30 m, stellenweise sogar über 60 m. In der Gegend<br />
<strong>des</strong> Turmberges in Westpreussen und bei Schulau unterhalb<br />
Hamburg besteht fast das ganze Diluvium aus Geschiebemergel<br />
von einer Gesamtmächtigkeit von 90-120 m. Vergleicht man<br />
in<strong>des</strong>sen eine grössere Anzahl von Bohrprofilen aus allen Teilen<br />
<strong>des</strong> ehemaligen Gletschergebietes, so findet man, dass die<br />
eigentlichen Grundmoränen kaum ein Drittel oder ein Viertel<br />
der Gletscherablagerungen ausmachen. Der Hauptanteil der<br />
letzteren besteht vielmehr aus geschichteten Bildungen, nämlich<br />
Sand, Kies und Ton. Das beruht darauf, dass die grossen<br />
Schmelzwassermengen, die dem Gletschereise entströmten, den<br />
mitgeschleppten Gesteinsschutt vielfältig ausgewaschen und vor<br />
und unter dem Eise in regelmässig aufgebauten Schichten abgelagert<br />
baben. Die feinen Tonteilchen wurden hierbei weit<br />
hinausgeschwemmt in das Vorland oder in die nächstgelegenen<br />
Seebecken. Häufig findet man eingeschaltet in die Ablagerungen<br />
<strong>des</strong> Inlandeises oder aufgelagert auf dieselben Tonschichten,<br />
die einen überaus regelmässigen Wechsel dünner, feiner Tonmergelbänke<br />
und gröberer Sandbänke aufweisen. Auch zur<br />
Eiszeit berrschten Sommer und Winter, und im Sommer mag<br />
der Eisrand durchfurcht gewesen sein von tausenden von
- 19 -<br />
reissenden Bächen, die im Winter wasserarm und träge wurden.<br />
Das rascbströmende Sommerwasser fübrte Sand in die Stauseen<br />
vor dem Eise, das träge Winterwasser feinen Tonschlamm. So<br />
kann man- den Wechsel der Sand- und Tonscbichten mit J abresringen<br />
vergleichen. Jede Tonschicht bezeichnet einen Winter,<br />
jede Sand schicht einen Sommer. J. Schluuek hat auf diese<br />
Weise berechnet, dass die obere Abteilung der geschichteten<br />
Tonmassen im Lübeck'schen Talbecken, das am Ende der Eiszeit<br />
einen grossen Stausee darstellte, sich im Zeitraum von etwa<br />
70 Jahren niedergeschlagen hat.<br />
Besonders mächtig häuften sieh die Massen von grobem<br />
nordischen Material vor dem jeweiligen Gletscherrande an und<br />
bildeten dort lange Kies- und Steinhügel, die man als End~<br />
moränen bezeichnet. Die äussersten Endmoränen finden wir in<br />
der Gegend nördlich von Arnheim am Niederrhein, sowie im<br />
Weser- und LeinetaI. In den mittleren Teilen <strong>des</strong> norddeutschen<br />
Flachlan<strong>des</strong> sind sie weniger deutlich ausgeprägt, obwohl sie<br />
auch hier keineswegs fehlen. Die besten und deutlichsten Endmoränen<br />
besitzt der Baltische Höhenrücken in einigem Abstand<br />
vom Ostseebecken. Eine prachtvolle, durch gewaltige Steinanhäufungen<br />
gekennzeichnete Endmoräne läuft von Jütland her<br />
um die westlichen Endigungen der Schleswig-Holsteinischen<br />
Förden nach dem mittleren Meeklenburg, von dort in die Gegend<br />
von Eberswalde, sodann das untere Odergebiet umkränzend<br />
durch Pommern in die Kassubische Höhenlandschaft westlich<br />
von Danzig, dann wieder im Bogen die Weichselniederung durchziehend<br />
nach Ostpreussen (Masuren) und weiter fort in die<br />
unbekannten Fernen Russlands. Diese Endmoränenlandschaften<br />
und die sich nordwärts anschliessendenGrundmoränenlandsehaften,<br />
welch letztere durch hügeligen Lehmboden ausgezeichnet sind,<br />
pflegen einen ausserordentlich komplizierten Aufbau und nicht<br />
minder komplizierte Grundwasserverhältnisse zu besitzen. Der<br />
hin- und herschwankende Gletscherrand hat die älteren Ablagerun~en<br />
zerrissen und durcheinander geschoben. Er hat<br />
unregelmässige Massen von Grundmoräne zwischen sie gepresst<br />
und Kies und Lehm in buntem Wechsel darübergehäuft. Untersucht<br />
man die Grundwasserverhältnisse eines in solcher Landschaft<br />
gelegenen Dorfes, so findet man häufig in der einen<br />
Half te ganz andere ~ in der anderen. Die Höfe der einen<br />
Seite haben vielleicht Flachbrunnen von kaum 3 m Tiefe, die<br />
das Wasser aus der oberen sandigen Rinde <strong>des</strong> Geschiebelehms<br />
oder einer vielleicht darüber gelagerten dünnen Sanddecke entnehmen.<br />
Die Gehöfte auf der anderen Seite mögen dagegen<br />
auf mächtigem, fetten, wasserleeren Lehm stehen und ihr Gebrauchswasser<br />
durch Rohrbrunnen aus dem darnnter gelegenen<br />
Sande in 20 oder 30 m Tiefe beziehen. Günstiger liegen die<br />
3*
- 20 -<br />
Grundwasserverhältnisse dort, wo zwischen den einzelnen Endmoränenstatfein<br />
sich grosse Sandgebiete oder weite gleichmässige<br />
Lehmßächen ausdehnen. Derartige Lehmfläcben, die in manchen<br />
La.ndschaften von Ost- und Westpreussen, Posen und Brandenburg<br />
vorbanden sind, pflegen regelmässig in einer sich ziemlich<br />
gleichbleibenden Tiefe von wasserführendem Sand unterlagert<br />
zu werden. Aber auch hier fehlen Stauchungen der tieferen<br />
Schichten keineswegs. Besonders ist die Grundlage <strong>des</strong> Diluviums,<br />
die Braunkohlenformation, von tiefgehenden Eisverschiebungen<br />
heimgesucht, durch welcbe die schwächeren, biegsamen Flötze<br />
gefaltet und an einigen Stellen in Fetzen auseinander gezerrt,<br />
an anderen hingegen zu ungewöhnlicher Dicke aufgebauscht<br />
sind. Die Unkenntnis dieser Erscheinungen hat manchen hoffnungsvollen<br />
Bergbauversuch veranlasst, der in zusammengequetschten<br />
Braunkohlenmassen begann und alsbald am ~bgerissenen Flötzrande<br />
ein klägliches Ende fand.<br />
Kehren wir zurück zur Betrachtung <strong>des</strong> Inlandeises und<br />
untersuchen wir nun das Zurückweichen und endgültige Verschwinden<br />
<strong>des</strong>selben, wobei wir zunäehst davon absehen wollen,<br />
ob wir es mit der letzten, vorletzten oder ersten Vergletscherung<br />
zu tun haben. Im ganzen norddeutschen Tieflande finden wir<br />
grosse, im allgemeinen von Osten nach Westen verlaufende<br />
und mannigfaltig mit einander verbundene ~hluDgenJ in welchen<br />
die heutigen Ströme, Weichsel, Oder, EIbe und Weser mit ihren<br />
grösseren Nebenflüssen den Weg zum Meere suchen. Im Verlauf<br />
dieser Talungen zeigt sich deutlich eine gesetzmässige<br />
Beziehung zu verschiedenen von Süden nach Norden aufeinanderfolgenden<br />
Lagen <strong>des</strong> Gletscherran<strong>des</strong>. Im mittleren und östlichen<br />
Deutschland kann man 5 grosse Systeme von Urstromtälern<br />
unterscheiden. Das südlichste derselben zieht sich von der Oder<br />
unterhalb Breslau in anfangs westlicher und sodann nordwest<br />
Jicher Richtung auf Magdeburg, nachdem es schon in der Gegend<br />
von Riesa. den Elblauf aufgenommen hat. Jenseits <strong>des</strong> Flämings<br />
folgt sodann nördlich von diesem ersten ein zweites Urstromtal,<br />
das Glogau-Baruther Tal, welches ebenfalls eine Verbindung<br />
zwischen dem Odertal und dem Elbtal herstellt. Das dritte Tal<br />
ist das ausserordentlich lange Warschau-Berliner Urstromtal.<br />
Dasselbe beginnt mit dem Bugtal in PoleD, zweigt unterhalb<br />
von Warschau vom Weichseltal ab, folgt eine Strecke weit<br />
immer in westlicher Richtung dem mittleren Wartetal und<br />
später dem Odertal oberbalb von Frankfurt. Von dort stellt<br />
es eine Verbindung über Berlin nach dem Elbtal in der Gegend<br />
der Havelmündung her. Das vierte Tal ist das Thorn-Eberswalder<br />
Urstromtal, welches man vom Weichseltal bei Thorn und Brom··<br />
berg durch das Netze- nnd Wartetal hinüber bis zur Oder verfolgen<br />
kanu. In der Gegend von Eberswalde hat die breite
- 21 -<br />
Oderniederung eine Pforte nach Westen zu den Tälern der<br />
oberen Ravel und zum Rhinlueb. Auch dieses Tal mündet<br />
schliesslich in die ungeheure Stromebene der Niedereibe aus.<br />
Es hat lange Zeit hindurch die vom Gletscher kommenden<br />
Wassermengen durch ganz Norddeutschland bis weit hinaus in<br />
das Nordseegebiet geleitet. Nach der langen Schwankungsperiode,<br />
während welcher das Inlandeis die zahlreichen ~~ndmoränenstaffeln<br />
<strong>des</strong> Baltischen Hügellan<strong>des</strong> von Ostpreussen<br />
bis Holstein ablagerte, kam eine grosse Abschmelzung der<br />
gesamten Eismassen bis in das Ostseegebiet, und nun bildete<br />
sieh in Hinterpommern, Vorpommern und dem nordöstlichen<br />
Mecklenburg abermals eine zusammenhängende Reihe von<br />
Wasserbecken aus, deren Hanptbestandteil das Pommers ehe<br />
Urstromtal bildet. Allerdings ist dieses Tal und auch mancher<br />
Abschnitt der weiter südlich gelegenen Urstromtäler wohl mehr<br />
als eine Kette von grossen Seen anfzufassen, die durch Ueberläufe<br />
miteinander verbunden waren, wie als einheitlicher Stromlauf<br />
mit gleichmässigem Gefälle. Die Unabhängigkeit dieser<br />
Schmelzwasserseebecken von einander wird gekennzeichnet durch<br />
die verschiedene Höhe der weiten, in ihnen abgelagerten<br />
Schwemmsand- und Kiesterrassen. Dass das Warschau-Berliner<br />
Tal in der Berliner Gegend nicht ohne Einschränkung als das<br />
Bett eines grossen durchgehenden Stromes betrachtet werden<br />
kann, lehrt die merkwürdige Erscheinung, dass mehrere Seenrinnen<br />
dieses Tal durchqueren und sich in dem diluvialen Lehmund<br />
Sandplateau südlich <strong>des</strong>selben fortsetzen. In dieser Gegend<br />
entströmten grosse selbständige Schmelzwasserflüsse in südlicher<br />
Richtung dem nal!h Norden sieh zurückziehendem Eise. Sie<br />
gruben die lange Kette der Havelseen und die schmälere Reihe<br />
der Grunewaldseen bei Berlin aus. Die Havelseen lassen sich<br />
aus der Gegend von Hennigsdorf und Tegel bis über Potsdam<br />
verfolgen und liegen bei Spandau quer im Urstromtal. Obwohl<br />
in dem Urstromtal eine mächtige Sandablagerung stattgefunden<br />
hat, wurden diese Seen doch keineswegs zugeschüttet. Das ist<br />
nur erklärlich, wenn die Zufuhr <strong>des</strong> San<strong>des</strong> zum Tale nicht<br />
durch einen von Osten nach Westen fliessenden Urstrom bewirkt<br />
ist, sondern durch die eben genannten von Silden nach Norden<br />
fliessenden lokalen Schmelzgewässer. Andere Talgebiete ~ind<br />
in<strong>des</strong>sen von einem Urstrom mit gleichmässigem Gefälle ohne<br />
Zwischenschaltung von Seen durchflossen, vor allen das gewaltige<br />
Elbtal von Magdeburg abwärts.<br />
Von grossem Interesse ist es zu sehen, wie sich die von<br />
Süden aus dem Mitteldeutschen Gebirge kommenden Flüsse zu<br />
dem Eise verhielten, das ihnen lange Zeit hindurch den Weg<br />
nach Norden versperrte. Die meisten dieser Flussläufe sind<br />
lIter als die Eiszeit. Die Anlage ihrer Täler lisst sich zurück-
- 22 -<br />
verfolgen bis in den mittleren Abschnitt der Tertilrperiode.<br />
So kennen wir da~ Tal <strong>des</strong> Rheines im Schiefergebirge und in<br />
den deutsch-niederlä.ndischen Grenzgebieten von der MiozlLnzeit<br />
an. Au~h das Tal der Weser, der Leine und der Saale ist<br />
uns bereits In der jüngeren Tertiärzeit ziemlich genau bekannt. Der<br />
Rhein schüttete zu Beginn der Eiszeit ausserhalb <strong>des</strong> Schiefergebirges<br />
eine riesige Höchterrasse von südlichem Flussgeröll<br />
auf, die bis weit nach Holland reicht und dort die öde Hoch<br />
:fläche der Veluwe bildet; sogar im Untergrunde von Westund<br />
Ostfriesland und in der englisohen Grafschaft Norfolk<br />
scheint es noch altdiluvialen Rheinkies zu geben. Das nordische<br />
Inlandeis drängte ihn sodann nach Westen ab und stauchte an<br />
manchen Stellen die Schichten der Hochterrasse wellenförmig<br />
zusammen, indem es zngleich seinen eigenen Gesteinsschntt<br />
und seine erratischen Blöcke darüber ausbreitete. Am Schluss<br />
der ä.ltesten Vergletscherung hat, wenn die geologischen<br />
Deutungen richtig sind, das ganze Mündungsgebiet der EIbe,<br />
Weser und Ems nebst den benachbarten Teilen der jetzigen<br />
Nordsee ein grosses Süsswasserbecken gebildet, das von aufgestautem<br />
Gletscher- und Flusswasser erfüllt war, und in dem<br />
sich mlichtige Schichten von feinem Sand und schwarzem Ton<br />
niederschlngen. - Die Weser wurde in der "westfälischen<br />
Pforte" durch das Eis abgeriegelt und zu einem gewaltigen<br />
Aufstau in ihrem Gebirgstal gezwungen. Da sie ibre Gerälle<br />
nicht mehr in die Ebene schwemmen konnte, häuften sich diese<br />
hoch an und mischten sich mit dem Schutt der das Tal<br />
blockierenden Gletscherzunge. Die Saale :floss während <strong>des</strong><br />
Pliozäns und zu Beginn der Eiszeit von WeissenfeIs aus<br />
ostwärts in der Richtung auf Leipzig. Durcb die Vergletscherung<br />
wurde auch sie aufgestaut; ihr alter Lauf wurde<br />
verschüttet, und wlihrend der verschiedenen Vergletscherungs·<br />
perioden und Interglazialzeiten verlegte sie unter abwechselnder<br />
Anschüttung und Abtragung ihr Strom- und Geröllbett mehr<br />
und mehr nach Westen, um sich schJiesslich bei Halle das<br />
heutige Durchbruchstal auszunagen.<br />
Die weit und lang ausgedehnten Urstromtäler, deren<br />
oftmals terrassenförmig aufgebaute Talböden durchweg aus<br />
Sand- und Kiesaufschüttungen von einer Mächtigkeit von oft<br />
mehr als 10 m bestehen, beherbergen aussßr den sichtbaren<br />
Flüssen gleichzeitig die mll.chtigsten und ergiebigsten Grundwasserströme<br />
<strong>des</strong> norddeutschen Tieflan<strong>des</strong>. Die Grossstädte,<br />
die an diesen Tälern liegen, haben in Bezug auf ihre Wasserversorgung<br />
keine Sohwierigkeiten. Die riesigen Grundwassermengen,<br />
die für die Einwohnerschaft von Gross - Berlin, von<br />
Hamburg und einigen anderen Städten notwendig sind, werden<br />
aus den Sandschichten der Urstromtäler entnommen. Es sei
- 23 -<br />
gestattet, hier auf die Gruadwasserverhältnlsse <strong>des</strong> Elbtales<br />
bei Hamburg näher einzugehen, weil sie einen interessanten<br />
Einblick in die WasserfUhrung der gesamten jUngeren Schichten<br />
vom Tertiär aufwärts bieten. Hamburg wurde frUber mit<br />
filtriertem Elbwasser versorgt. Neuerdings hat der Staat ein<br />
Netz von Tiefbohrungen oberhalb der Stadt in der Elbniederung<br />
bis weit in die Vierlande anlegen lassen. Eine grosse Anzahl<br />
der dortigen Tiefbrnnnen reicht bis gegen 300 m hinab. Dabei<br />
hat es sicb gezeigt, dass in die alte Oberfläche der aus Glimmer·<br />
ton und Braunkohlensand aufgebauten 'fertiärformation ein fast<br />
300 m tiefes unterirdisches Tal eingeschnitten ist, welches mit<br />
Diluvium und Alluvium ausgefüllt ist und östlich von Hamburg<br />
eine bedeutende Strecke weit unter dem heutigen Elbtale läuft,<br />
dann aber dasselbe verlässt und quer durch die Plateaugebiete<br />
auf der Nordseite <strong>des</strong> Elbtales unter den Hamburger Vororten<br />
hinweg gegen Nordwesten zieht, wo man mangels weiterer<br />
Tiefbohrungen seinen Verbleib nicht mehr kennt. Ein Teil der<br />
Grundwasserbohrungen steht in der Niederung seitwärts von<br />
diesem unterirdischen Tal und hat in verhältnismässig geringer<br />
Tiefe unter dem Diluvium den Glimmerton oder die darunter·<br />
lagernden Braunkohlensande durchstossen, entnimmt also das<br />
Wasser der Tertiärformation. Ein anderer Teil traf unter den<br />
Alluvionen der Eibe und dem Talsand <strong>des</strong> Elburstromtales ZIl·<br />
nächst ebenfalls Gletscherablagerungen , die aus Kies und<br />
Geschiebemergel bestehen, gelangte so dann aber in alte Meeres·<br />
ablagerungen der Interglazialzeit, auf die wir im folgenden<br />
noch zurückkommen werden, hierunter in eine mächtige Folge<br />
von altdiluvialen Ton· und Feinsandschichten und zuletzt wieder<br />
in Kies der ältesten Vergletscherung, der unmittelbar auf dem<br />
alten Talboden lag. Zwischen 250 und 800 m Tiefe erreichten<br />
dann auch diese Bohrungen die Braunkohlenformation. Sie<br />
entnehmen reichliche Wassermengen den genannten Kies- und<br />
Sandschichten <strong>des</strong> ältesten Diluviums. Da aber dieses Diluvium<br />
nur eine breite und tiefe Furche im Tertiär ausfüllt, so ist es<br />
klar, dass das Grundwasser der Braunkohlenformation mit dem·<br />
jenigen <strong>des</strong> Diluviums in unmittelbarer Verbindung steht. Die<br />
Grundwassertullung <strong>des</strong> ganzen Schichtenkomplexes erfolgt von<br />
oben her an denjenigen Stellen, wo durchillssige Schichten <strong>des</strong><br />
mittleren und oberen Diluviums sich mit dem wasserführenden<br />
Talsand <strong>des</strong> Elburstromtales berühren, und dieser Talsand<br />
wiederum öffnet seine Poren allenthalben dem Grundwasser,<br />
welches das Elballuvium durchzieht und nichts weiter ist, als<br />
ein unsichtbarer Begleiter <strong>des</strong> sichtbaren Flusses. Allerdings<br />
ist es keineswegs ausschliesslich Elbwasser, das auf diese Weise<br />
auch die tieferen Bodenschichten speist, vielmehr strömen an<br />
beiden Flanken <strong>des</strong> langen Talzuges von Norden und SUden
- 24 -<br />
die Grundwllsser der Holsteinisch-Mecklenburgischen Hochflächen<br />
und der Hannoverschen Hilgellandschaft hinzu.<br />
Nachdem wir nunmehr Art und Entstehungsweise der<br />
Gletscherablagerungen geschildert haben, wollen wir uns der<br />
nicht blos wissenschaftlich, sondern auch praktisch interessanten<br />
Frage zuwenden, wieviele Vergletscherungen und eisfreie<br />
Zwischenzeiten (sogenannte Interglazialzeiten) unser norddeutsches<br />
Tiefland erlebt hat. Es wurde schon gesagt, dass<br />
die meisten Forscher 3 Vergletscherungen und somit 2 Interglazialzeiten<br />
annehmen; auch haben wir die Spuren der<br />
ä.ltest~n Vergletscherung, die verborgen unter den mächtigen jllngeren<br />
Bildungen sich dem forschenden Blicke nur an wenigen Orten<br />
darbieten, kurz geschildert. Wir haben ferner gesagt, dass die<br />
zweite Vergletscherung aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl<br />
an Dauer als an Ausdehnung die beiden anderen übertraf.<br />
Zwischen die erste und zweite Vergletscherung fällt die erste<br />
Interglazialzeit. Sie war eine Periode, in welcher das rauhe<br />
Klima sich wieder so weit milderte, daß auf dem vom Eise<br />
verlassenen Boden eine der heutigen fast vollkommen gleichende<br />
Pftanzen- und Tierwelt gedeihen konnte. Allerdinlts enthielt<br />
die Tierwelt einige Arten, die seit der Eiszeit vollstlLndig<br />
ausgestorben und daher von besonderem Interesse sind. Es<br />
sind das einige riesige Elefanten- und Nashornarten, deren<br />
Existenz auf deutschem Boden wir uns nur schwer vorstellen<br />
können, die aber durch zahlreiche Knochenfunde in den interglazialen<br />
Schichten sicher beglaubigt sind. In der ersten<br />
Interglazialzeit lernen wir zum ersten Male eine Ostsee kennen.<br />
Eli muss sich entweder während der ersten Eiszeit oder kurz<br />
darauf in den nachmaligen Meeresgebieten eine weitgreifende<br />
Senkung vollzogen haben, die aus dem Westen die salzigen<br />
Fluten in unser Land hineinführte. Aus zahlreichen Ziegeleigruben,<br />
Sandgruben und Bohrprofilen kennen wir Meereston<br />
und Meeressand voll von Schnecken- und Muschelschalen in<br />
einem Gebiete, das auf der Hannoverschen Seite der Untereibe<br />
in der Gegend von Stade beginnt, den grÖBsten Teil von<br />
Schleswig-Holstein uud Lauenburg umfasst und sich sodann<br />
über die südlichsten dänischen Inseln und Teile von Rilgen<br />
nach der Danziger- und Elbinger-Gegend erstreckt. Aus dieser<br />
Gegend lassen sich die interglazialen Meeresablagerungen<br />
einerseits im Weichseltal und seiner Umgebung bis in die<br />
Gegend zwischen Thorn und Hohensalza und andererseits in<br />
das Gebiet von HeUsberg in Ostpreussen verfolgen. Allerdings<br />
ist die Zeit, zu welcher dieses Meer existierte, noch nicht<br />
vollkommen einwandsfrei als Interglazialzeit gekennzeichnet.<br />
Wir finden z. B. im südlichen Westpreussen die Meeresablagerungen<br />
stellenweise unmittelbar auf der Tertiärformation
Geschiebemergel am Elbestraud bei Hamburg<br />
(Grundmoräne <strong>des</strong> nordischen In landeises).
Steingrube in einer Endmoräne.<br />
Bahrenfeld bei Altona.
Der Düppelstein in Schleswig.<br />
Gletschergeschiebe von schwedischem Granit.
Der Turmberg bei Danzig.<br />
Endmorä ne <strong>des</strong> balti schen Gletschers (Winterbild).
- 25 -<br />
ohne Zwiscbenschaltung von ältereo. Glazialablagernngen. Da.s~<br />
selbe ist an einigen SteUen von Holstein der Fall. In<strong>des</strong>sen<br />
muss man in Betracbt zieben, dass zu jener Zeit die Tertiär~<br />
scbichten noch lange nicht in dem Masse von Gletscherablagerungen<br />
bedeckt. sein konnten wie heutzutage, sondern<br />
wohl vielfach mit blossen Flächen aus denselben hervorragten,<br />
so dass das Meer sie unmittelbar bespülen konnte. Auch jetzt<br />
noch spült das Meer an einigen Stellen, z. B. an der Küste<br />
von Sylt, die Deckschichten <strong>des</strong> Tertiärs fort und legt seinen<br />
Mllschelsand unmittelbar auf dasselbe. Ferner müssen wir<br />
bedenken, dass die zweite oder Hauptvergletschernng die vorher<br />
entstandenen interglazialen Meeresschichten teils verschoben<br />
und zertrümmert und teils vollständig zerstört hat. Was wir<br />
in den holsteinischen Ziegelei-Gruben oder in den Tongruben<br />
am Frischen Haff in der ElbiI1ger Gegend von interglazialem<br />
Meereston vor Augen sehen, sind keine regelmä.ssig zusammeuhängenden<br />
Schichten, sondern ungeheure, vom Eise verscbleppte<br />
SchoUen. An einzelnen Stellen jedoch, z. B. in der Gegend<br />
unterbalb und oberhalb von Hamburg, haben tiefere Brunnenbobrungen<br />
den interglazialen MeerestoD auf weite Erstreckung<br />
in regelmässiger Lagerung und anscheinend ungestört getroffen.<br />
Hier begegnen wir allerdings einer neuen Schwierigkeit, welcbe<br />
die Deutung der Bohrresultate betrifft. Die Bohrungen, aus<br />
welchen wir die Interglazialschichten kennen, sind durchweg<br />
sehr tief und mit Wasserspülung ausgeführt. Wenn dieselben<br />
nun tief unter dem Interglazial plötzlich wieder nordische<br />
Gerölle zum Vorschein gebracht haben, so liegt der Verdacht<br />
nahe, dass difse Gerölle ursprünglich aus der Moräne der<br />
Hauptvergletscherung über dem Interglazial herstammen, durch<br />
den Spülstrom aber nicht an die Oberfläche gehoben werden<br />
konnten, sondern am Grunde <strong>des</strong> Bohrloches sich ansammelten<br />
und in immer grössere Tiefen hinabsanken. Wurde dann in<br />
100, 200 oder 250 m Tiefe das Bohrloch durch Umkehrung<br />
<strong>des</strong> Spülstromes oder mit Hilfe eines Ventilbohrers gereinigt,<br />
so kamen diese Gerölle vermischt mit tertiärem Ton oder Sand<br />
zutage und erweckten den Anschein, als ob in dieser Tiefe<br />
eine ältere Moräne vorhanden sei. In der Tat sind bei einzelnen<br />
Bohrungen auf diese Weise wirklich unechte Morllnell entstanden.<br />
Aber diese Erklä.rung trifft nach Versicherung der Bohrtechniker<br />
nur ausnahmsweise zu und wir müssen für die Mehrzahl der<br />
Fälle die Existenz wirklicher nordischer GeröHsehiehten oder<br />
Moränen tief unter den Meeresablagerungen anerkennen. Damit<br />
wäre das interglaziale Alter der letzteren bewiesen. Einen<br />
Stl1tzpunkt für diese Ansieht bieten auch einige genau kontrollierte<br />
und beschriebene Bohrungen in den nördlichen Nachbargebieten.<br />
So wurde durch den dänischen Staat in Nord-Jütland<br />
4
-26-<br />
eine Bohrung abgeteuft, welche zllnl\chst ziemlich mächti~e<br />
Ablagerungen <strong>des</strong> [nlandeises durchbohrte uud dann in eine<br />
dicke Schicht von Meereston gelangte, unter welchem in etwa<br />
180 m Tiefe abermals eine 14 m mächtige sehr harte und<br />
steinige Grundmoräne lag. Diese ruhte auf der Kreideformation.<br />
Der Meereston enthielt zahlreiche Muschelschalen,<br />
die im oberen Teil auf ein kaltes, im unteren dagegen auf ein<br />
gemässigtes Klima hinwiesen und erst in der Tiefe in und<br />
dicht über dem unteren Geschiebemergel abermals kälteliebende<br />
Arten beigemischt enthielten. Aehnliche Ergebnisse hatten die<br />
Bohrungen für die Wasserversorgung der Stadt Malmö in<br />
Schonen. Durch diese und eine Anzahl benachbarter Bohrungen<br />
wurde dort zunächst, ähnlich wie in Nord-Jütland, eine mächtige<br />
Gletscherablagerung aufgeschlossen und sodann ziemlich<br />
dicke Schichten vom Flussand mit Schneckenlagern und Torfbänken.<br />
Unter diesen Flußschichten traf man wieder auf eine<br />
grobe nordische Geröllschicht, die in ihrer Buntheit auf<br />
Zusammenschleppung durch einen ausgedehnten Gletscher hinweist.<br />
Die Geröllablagerung ruht genau wie der untere<br />
Gescbiebemergel vön Nord-Jütland auf der Kreideformation.<br />
Die Sohle <strong>des</strong> hier festgestellten alten Flusstales liegt ungefähr<br />
60 m unter dem heutigen Meeresspiegel. Aus diesen verschiedenen<br />
Vorkommnissen ergibt sich folgen<strong>des</strong> Bild: In Nord·Jütland<br />
herrschte während der ganzen ersten Interglazialzeit bis<br />
unmittelbar zum Herannahen <strong>des</strong> zweiten Inlandeises das Meer j<br />
auch die tiefste Grundmoräne repräsentiert dort einen Gletschervorstoss<br />
in ein bereits existieren<strong>des</strong> kaltes Meer. In der<br />
Hamburger Gegend existierte nach dem Verschwinden der<br />
ä.lteren Vergletscherung zunächst ein Fluss, <strong>des</strong>sen Tal hoch<br />
mit Sand und Ton aufgefüllt wurde. Dann brach auch in<br />
diese Gegend das Meer herein nnd lagerte Ton mit Seemuscheln<br />
darüber. SchIlDen hingegen war wä.hrend der ganzen Interglazialzeit<br />
Festland und wurde von einem grossen Flusse durchzogen,<br />
der wahrscheinlich gegen Nordwesten in das jütländische<br />
Meer einmündete. Merkwürdig ist es, dass man in der Lübecker<br />
Gegend nach den Forschungen von P. Fr i e d r ich in allen<br />
Ablagerungen <strong>des</strong> Diluviums und selbst noch unter dem tiefsten<br />
Geschiebemergel verschleppte diluviale Meeresmuscheln findet.<br />
Man muss also schOn seine Zuflucht zu der Annahme nehmen,<br />
dass die sämtlichen dortigen Geschiebemergel- und Sandschichten<br />
jünger sind als die erste Interglazialzeit. Auch in anderen<br />
Teilen von Norddeutschland ausserhalb der eben geschilderten<br />
Meereszone findet man interglaziale Bildungen. So scheint es,<br />
dass in der Gegend von Berlin zur ersten Interglazialzeit ein<br />
gl'osser Büsswassersee oder eine Gruppe von Seen existierte, in<br />
welchen sich ein reiches Schneckenleben entwickelte. An
zahlreichen Stellen hat man dort Tonschichten erbohrt, die oft<br />
dicht erfüllt sind mit den leeren Gehäusen einer alten Seeschnecke,<br />
der Paludina diluviana. Diese Ton schichten werden<br />
an einigen Stellen von einem tUteren Geschiebemergel unterlagert,<br />
liegen aber ausnahmsweise auch unmittelbar auf dem<br />
Tertiär, z. B. bei Hennigsdorf.<br />
. Uaber den mächtigen Geschiebemergel· und Sandschichten<br />
der Hauptvergletscherung finden wir no.n in einigen Gegenden<br />
pdanzen- und muschelführende Ablagerungen, die ihrerseits<br />
wiederum von Gletscherbildungen, hauptsächlich Geschiebes&nd,<br />
stellenweise aber auch Geschiebelehm überlagert sind; sie scheinen<br />
also eine zweite Interglazialzeit ZI1 beweisen. Dazu gehören<br />
vor allen Dingen die grossen Kieselguhr- und Kalklager in der<br />
Ltineburger Heide. In diesen hat man zahlreiche Pllanzenreste<br />
gefunden, z. B. Samen und Blätter von der Fichte, Eiche, Linde,<br />
dem Ahorn und der Stechpalme, die beweisen, dass damals kein<br />
grönländisches, sondern ein durchaus gemässigtes Klima geherrscht<br />
haben muss. Zusammen mit diesen Pßanzenresten<br />
kommen die Knochen zahlreicher Säugetiere vor, darunter<br />
Mammut, Nashorn, Auerochs, Wiesent, Edelhirsch, Riesenhirsch<br />
und Bär. Auch Ueberreste <strong>des</strong> Menschen haben sich zweimal<br />
in den Kieselguhrschiehten bei Uelzen gefunden, und von<br />
anderen Orten kennt man rohe, zum Gebrauch als Faustkeile,<br />
Bohrer und Schaber zugehauene Flintsteine,· sowie angeschärfte<br />
und zugespitzte Geweihzacken.<br />
Merkwürdig ist es nun, dass Torflager und Kalkschicbten<br />
mit einer ganz ähnlichen Fauna und Flora an einigen Stellen,<br />
z. B. in Holstein, auch ohne sichere Bedeckung durch jüngere<br />
Gletscherablagerungen lediglich unter Sand- und Kiesschichten<br />
vorkommen. Man steht hier vor der Frage, ob auch diese<br />
Bildungen der eben erwähnten jüngeren Interglazialzeit zuzurechnen<br />
sind. Nach ihrer Fauna und Flora würden sie dazu<br />
gehören; nach ihrer Lagerung wären sie jünger und hätten<br />
eiDe spätere Vergletscherung nicht erlebt. Da nun diejenigen<br />
Torf- und Kalklager, die nachweislich und ohne jeden Zweifel<br />
jtlnger als die letzte Vergletscherung in Holstein sind, eine<br />
abweichende, mehr der gegenwärtigen entsprechende Fauna und<br />
Flora enthalten, in welcher vor allen Dingen die genannten<br />
grossen Säugetiere wie Mammut, Nashorn und Riesenhirsch,<br />
ferner gewisse, eigentümliche Pflanzen, wie die jetzt bei uns<br />
nicht mehr existierende nordamerikanische Wasserpflanze<br />
Brasenia purpurea, fehlen, so sind die meisten Geologen, ob<br />
nun mit Recht oder Unrecht geneigt, jene Torf- und Kalklager<br />
zweifelhafter Art für interglazial zu balten. Unerklärlich bleibt<br />
es dann allerdings, dass in den vorher erwähnten Bohrprofilen<br />
~u. Nord-Jütland und Schonen jede Andeutung einer Zweiteilung<br />
4'"
- 28 ~<br />
der über dem älteren Interglazial lagernden Gletscherbildungen<br />
fehlt. Die ältesten Torf- und Tonschichten, die sieh am Ende<br />
der ganzen Eiszeit auf dem soeben vom Gletscher verlassenen<br />
aufgetauten Boden gebildet haben, zeigen überall im baltischen<br />
Hügellande die Ueberreste einer hocbnordischen, aus Polar~<br />
weiden, Zwerg birken usw. zusammengesetzten Flora, zm der<br />
sich erst bei anhaltender Besserung der Wachstumsbedingungen<br />
südlichere Gewächse wie Espen, Erlen, Föhren und Eichen<br />
hinzugesellten. Einer der jüngsten Waldbäume ist die Buche.<br />
In den eben erwähnten sieheren oder zweifelhaften Bildungen<br />
der zweiten Interglazialzeit fehlen merkwürdiger Weise die<br />
hochnordischen Elemente, obwohl doch diese Zeit einen kalten<br />
Anfang und ein kaltes Ende gehabt haben muss. Die Bildungen<br />
würden demnach, wenn sie nicht teilweise doch der Nach-Eiszeit<br />
angehören, im mittleren, gemässigten Abschnitt entstanden sein.<br />
Oder aber - und einige Forscher haben diesen Scbluss gezogen -<br />
man müsste sich vorstellen dürfen, dass in einiger Entfernung<br />
vom Eise während der ganzen Diluvialzeit ein gemässigtes<br />
Klima geherrscht habe, dass ein reiches Pflanzen- und Tierleben<br />
znliess. Wenn die Eiszeiten nicht dnrch eine Wanderung <strong>des</strong><br />
Nordpols nach Süden verursacht gewesen sind, so würde ja<br />
unsere Heimat auch damals ihr gutes Teil von Sonnenlicht und<br />
Wärme empfangen haben, und dieser Schluss wäre trotz <strong>des</strong><br />
Widerspruches einiger Botaniker nicht ganz abweisbar. Aber<br />
darüber wissen wir noch zu wenig.<br />
Die dritte und jüngste Vergletscherung scheint von allen<br />
am wenigsten weit nach Süden vorgedrungen zu sein. Wenn<br />
die neuesten Forschungen über ihre Ausdehnung richtig sind,<br />
so müssen wir annehmen, dass sie im westlichen Teil von<br />
Norddeutschland ungefähr bis zum Nordrande <strong>des</strong> Allertales<br />
gereicht hat. Von der Berliner Gegend aus soU sie bis Dach<br />
Halle vorgedrungen sein. Weiter im Osten glaubt man neuerdings<br />
ihre 8üdgrenze im Norden <strong>des</strong> Glogau-Baruther Tales<br />
etwa in der Gegend von Guben aus .über Lissa nach Jarotschin<br />
ziehen zu müssen. In Polen hat sie die Gegend von Warschau<br />
nicht mehr erreicht, sondern ihr Ende wahrschein1ich im Süden<br />
der malerischen masurischen Endmoränen-Landschaft gefunden.<br />
In ihrer späteren Entwicklungsphase wurde die letzte Vergletschernng<br />
zu einem grossen Ostseegletscher. Dieser Gletscher<br />
hänfte an seinem Rande die riesige Endmoränenkette auf, die.<br />
von Jütland durch Schleswig-Hoistein, Meckleoburg und Pommern<br />
nach West- uml Ostprenssen zieht. An dieser Endmoräne<br />
scheint der Ostseegletscher lange Zeit verweilt zn haben. Seine<br />
Schmelzwässer gruben sich tiefe und breite Rinnen in den<br />
Boden ein und schufen dadurch die Hohlformen der späteren<br />
Förden Schleswig-Holsteins und der zahlreichen langgestreckten .
- ~ -<br />
Seen <strong>des</strong> Baltischen Höhenrückens. Indem sie, zerteilt in<br />
unzählige Arme, das freie.Vorland über:ftuteten, schwemmten sie<br />
ungeheure Massen von Kies und Sand über dasselbe und bildeten<br />
dadurcb besonders in Schleswig· Holstein grosse Heideebenen.<br />
Einer besonderen Bodenart möchten wir hierbei gedenken,<br />
die sieh, soweit UBsere gegenwärtigen Kenntnisse reicben, nur<br />
ausserhalb <strong>des</strong> Bereichs der jüngsten Vergletscherung vorfindet.<br />
Das ist der Löss. Er bildet die fruchtbaren Böden im südlichen<br />
Teil <strong>des</strong> hannoverschen Flachlan<strong>des</strong>, in der Magdeburger Börde,<br />
in der Provinz und im Königreich Sachsen, in Nieder-Schlesien<br />
und grossen Teilen von Russland, findet sich jedoch auch am<br />
Niederrhein und in vielen Gegenden von Mittel- und Süddeutschland.<br />
Der Löss ist wahrscheinlich ein Produkt von<br />
Staubstürmen, welche die zu gewissen Jahre~zeiten trockene<br />
und vegetationsarme Gegend südlich <strong>des</strong> Gletschergebietes<br />
heimsuchten. Er bildet eine ein bis mehrere Meter dicke,<br />
ausserordentlieb gleichmässige und sehr fruchtbare Bodenschichtj<br />
er ist feinkörnig, poröa, kalkhaltig uud besteht zum grössten<br />
Teil aus allerfeinstem Sand, der jedoch soviel Zusammenhalt<br />
besitzt, dass er nicht zerfällt, sondern sogar steile TalwKnde<br />
bilden kann und in einigen Gegenden zu Ziegeln gebrannt wird.<br />
Man nimmt an, dass dieses feine Material darch die Winde<br />
von den schmulzigen Randpartien <strong>des</strong> Eises und von den davorliegenden<br />
Geschiebemergel:ftäehen ausgeblasen und fortgetragen<br />
wllrde. Im südlichen Posen und in Nieder-Schlesien findet man<br />
an der Basis <strong>des</strong> Löss fast überall eine Steinsohle, welche die<br />
Oberfläche <strong>des</strong> alten ausgeblasenen Bodens kennzeichnet. Die<br />
feinen Bodenteilcben sind verschwunden, Kies und Geröll<br />
sind liegen geblieben. Alle diese Steine zeigen merkwürdig<br />
geglättete Ober:ftllcben mit scharfen Kämmen. Sie sehen aus,<br />
als wenn sie ursprünglich l'und oder vieleckig gewesen wären<br />
und dann ganz neue Flächen angeschliffen bekommen hätten.<br />
Das ist die Wirkung <strong>des</strong> Sandschliffes durch die Staubstürme,<br />
die auch den Löss abgelagert haben. Weiter im Norden findet<br />
man auf den weiten alten Hochterrassen der Urstromtäler z. B.<br />
<strong>des</strong> Netze- und Warthetales mächtige Auhäufungen von Flugsand,<br />
die sich nicht selten aus den Talsandgebieten weit über die<br />
Nacbbarplateaus binausziehen. Auch in der Mark Brandenburg,<br />
z. B. in der Gegend nördlich von Berlin, gibt es·riesige Flächen<br />
von Inlanddünen, die sich mit den heutigen Dünengebieten an<br />
der Nord- und Ostsee sehr wohl vergleichen können, ja dieselben<br />
an Ausdehnung und Mächtigkeit der Flugsandanbäufungen weit<br />
übertreffen. Diese Dlinen müssen sich ebenso wie der Löss<br />
während der letzten Vergletscherung in den eisfreien Gebieten<br />
gebildet haben. Jenseits der oben genannten Hauptmoränenkette<br />
auf dem eigentlichen Baltischen Höhenrücken, also im<br />
Bereiche <strong>des</strong> Ostseegletschers fehlen sie.
- 30 -'<br />
Damit sind wir an das Ende der Eiszeit gelangt. Das<br />
Norddeutsche Tiefland hatte nun in ,allen grossen Zügen seine<br />
endgti1tige Gel!taltung bekommen und die Veränderungen, die<br />
sich in der jüngsten nachfolgenden Epoche der Erdgeschichte,<br />
in der A 11 u via I z e i t vollzogen haben, sind verhältnismässig<br />
geringfügig. Bie haben nur an den Küsten der Nordsee und<br />
in geringerem Masse auch an der Ostsee einige Ausdehnung<br />
und Bedeutung. In der Alluvialzeit bildeten sich in den verlassenen<br />
Stromtälern der Schmelzwässer, zuweilen unter Zu·<br />
hilfenahme frei gewordener Seitenbahnen, die heutigen Fluss·<br />
systeme aus. Am Ende der Eiszeit scheint das gesamte Land<br />
von Holland bis nach Ostpreussen im Verhältnis zum Meere<br />
nicht unbeträchtlich höher gelegen zu haben als in der Gegen·<br />
wart. Es ist wahrscheinlich, dass grosse Teile <strong>des</strong> westlichen<br />
Ostseegebietes festes Land waren, dass Mecklenburg und<br />
Schleswig.Holstein über das Gebiet der Dänischen Inseln mit<br />
Süd -Schweden zusammenhingen und dass der Sund und die<br />
Belte Flusstäler waren, durch welche die Gewässer der ostdeutschen,<br />
schwedischen und westrussischen Flüsse ihren Weg<br />
zur Nordsee nahmen. Auch die Nordsee war zum grossen<br />
Teile Festland; Holland und Belgien hingen wahrscheinlich<br />
mit England zusammen, EIbe und Themse waren ebenso wie<br />
die Weser und die Ems wieder Nebenflüsse <strong>des</strong> Rheines geworden,<br />
der im mittleren Teil der Nordsee mündete. Vielleicht<br />
stammt aus jener Zeit der. mit Schilf· und Holzteilen errullte<br />
unterseeische Torf, den man dreissig Seemeilen nordwestlich von<br />
Helgoland in 36 Meter Wassertiefe und auf der kleinen Fischer·<br />
bank weit westlich von Jütland sogar über 60 Meter tief findet.<br />
Während aber Norddeutschland hoch lag, befanden sich gewisse<br />
Teile Skandinaviens und Nord·Jütlands in tieferer Lage als jetzt.<br />
Es trat dann für Norddeutschland eine grosse Senkung ein, die<br />
das Salzwasser der Nordsee weiter und weiter ins Land führte<br />
und es durch Sund und Belte in die zeitweilig zu einem<br />
Binnensee gewordene Ostsee einströmen liessen. Im Nordsee·<br />
küstellgebiet drang das Meer allmählich bis an die heutigen<br />
Grenzen zwischen Geest und Marsch vor und erfüllte die<br />
Mündungstrichter der Ems, Weser, EIbe und Eider. Im Ost·<br />
seegebiete waren die jetzigen schleswig·holsteinischen Förden<br />
ursprünglich kleine Binnenseen oder moorige BachtiUer. Durch<br />
die allgemeine Landsenkung wurden sie im Salzwasser ertränkt.<br />
Damals wanderten eine Anzahl von Muschel· und Sehneckenarten<br />
aus der Nordsee in die Ostsee ein, unter ihnen die aus der<br />
Ostsee wieder entschwundene Auster und eine kleine Strand·<br />
schnecke Litorina, die damals sich über die ganze Ostsee<br />
verbreitete, jetzt aber auf den westlichen salzreieheren Teil<br />
derselben beschränkt ist. Nach dieser Schnacke nennt man
- 31 -<br />
die Zeit der grossen Senkung die Litorinazeit. Der H/}hepunkt<br />
der Litorinazeit fällt ungefahr mit dem Steinalter der menschlichen<br />
Kultur' zusammen. Bei Cuxhafen, Husum, Sylt, Hadersleben,<br />
Flensburg, Kiel und Lübeck bat man mehrere Meter<br />
tief unter dem Meeresspiegel uralte menschliche Wohnplätze<br />
entdeckt, an welchen sich neben Knochengeriten, behauene Steinbeile<br />
und zwar sowohl rohe, altertümliche Formen, wie auch<br />
jD.ngere, besser gearbeitete gefunden haben. Der Gesamtbetrag<br />
der Landsenkullg muss auf min<strong>des</strong>tens 20-80 m geschätzt<br />
werden. Vielleicht war derselbe stellenweise bis gegen 50 m.<br />
Ungefähr am Ende der Steinzeit, also vielleicht 2000 Jahre<br />
vor Christi GebUTt, scheint die Senkung zum Stillstand gekommen<br />
zu sein. Zwar schreitet seit jener Zeit die Zerstörung vorspringender<br />
Küsten und Inseln noch unaufhaltsa.m fort, aber<br />
sie wird wettgemacht durch die grossartige Anschwemmungstltigkeit<br />
<strong>des</strong> Meeres und der Flüsse. Die gesamten fruchtbaren<br />
Marsehftächen im MUndungsgebiet der Ems, Weser, Eibe und<br />
Eider und an den dazwischenliegenden Küsten haben sich in<br />
den wenigen Jahrtausenden seit dem Ende der Litorinasenkung<br />
gebildet. .Allerdings haben die neu entstandenen Inseln, Watten<br />
und Marschen ihre Lage und Gestalt öfters stark verändert.<br />
Gewaltige Sturmfluten haben besonders in historischer Zeit die<br />
von Menschen künstlich eingehegten Landstriche verheert und<br />
manches Dorf, manche fruchtbare Feldflur dauernd vernichtet.<br />
Aber im grossen und ganzen ist das Land gewachsen und das<br />
Meer weit zurückgedrängt. Die Mächtigkeit der Marschbildungen<br />
ist recht bedeutend. Sie betrlgt in der Hamburger<br />
Gegend etwa 10 m und steigt im Küstengebiet bis über 20 m.<br />
Es ist nicht ganz einfach, die Herkunft der riesigen Schlickund<br />
Sandmassen zu erklären, die sieb dort im breiten Gürtel<br />
vor dem Geestrande abgelagert haben. Man hat Berechnungen<br />
über die Menge der Sinkstoffe angestellt, die alljährlich von<br />
den Strömen in die See hinau~geschleppt werden, und es hat<br />
sieb dabei gezeigt, dass es zwar denkbar ist, dass die gesamten<br />
Marschen lediglich aus diesen Sinkstoffen aufgebaut sind, dass<br />
man dann aber einen ausserordentlich viel grösseren Zeitraum<br />
in Rechnung stellen muss, als die Geologie zur Verfügung hält.<br />
Das Baumaterial der Marschen muss also auch noch aus anderen<br />
Quellen stammen. In erster Linie kommt dafür wohl der alte<br />
Untergrund der Nordsee in Betracht, der bereits während der<br />
LitOl'inasenkung von dem herannahenden Meere aufgewühlt uud<br />
,in Bewegu1lg gesetzt wurde und der noch gegenwärtig von den<br />
tiefen Wattströmen immer von neuem angenagt wird. Auch<br />
die diluvialen Landhöhen, die den Kern mancher heutigen Nordseeinsel<br />
bilden, z. B. auf Sylt, Föbr, Amrum und teilweise<br />
aaeh auf Helgoland, und die sich ursprünglich viel weiter in
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die See hinaus erstreckten als jetzt, ferner die im fortwährenden<br />
Rückgang befindlichen Steilküsten <strong>des</strong> Festlan<strong>des</strong>, z. B. bei<br />
Emmerletl' nördlich von Tondern, und vorher der ganze Geestrand<br />
haben reichliches Material zum Aufbau der Marsch<br />
hergegeben. Das Grundwasser in den Marschen ist, wenigstens<br />
in den oberen Stockwerken, meistens von mittelmässiger oder<br />
schlechter Qualität. Es kommuniziert häufig mit dem Seewasser<br />
und ist infolge<strong>des</strong>sen brackisch, oder es enthält infolge<br />
<strong>des</strong> starken Anteils von organischem Moder im Marschboden<br />
Schwefelwasserstoff, salpetrige Säure, Eisenverbindungen und<br />
Sumpfgas. Letzteres kommt in einigen holländischen Marscheu<br />
und zu Brunsbtlttel an der NiedereIbe so reichlich vor, dass es<br />
für kleine Beleuchtungsanlagen benutzt werden kann. Am<br />
besten ist das alluviale Grundwasser auf den reinen Dünen<br />
Inseln ; dort pflegt anf dem in der Tiefe zutretenden Brackwasser<br />
eine ungemischte Schicht guten Süsswassers zu schwimmen.<br />
Im Innern der norddeutschen Tiefebene sind nach der<br />
Eiszeit zahllose grosse und kleine Moore entstanden. Manche<br />
dieser Moore, z. B. das Bourtanger Moor westlich der Ems, die<br />
gros sen ostfriesischen und oldenburgischen Hochmoore, die Moore<br />
<strong>des</strong> nördlichen Hannover und die Moore im Mündungsgebiet de8.<br />
Memelstromes in Ostpreussen haben eine gewaltige Ausdehnung<br />
und eine Tiefe von 5-12 m. Zu Beginn der Alluvialzeit waren<br />
auch die meisten Landseen grösser als gegenwärtig. Die reiche<br />
Vegetation und das Tierleben an ihren Ufern bewirkte eine<br />
rasche Anhäufung von Pflanzenmoder und Faulschlamm, wo<br />
(lurch nach und nach grosse Teile der Seen vollständig verlandeten.<br />
So haben wir nnn den Entwickelungsgang <strong>des</strong> norddeutschen<br />
Bodens von dem fremdartigen Zeitalter der SaJzformation<br />
bis an die Grenze der geschichtlichen Zeit verfolgt,<br />
wo der zur Kulturmacht emporgestiegene Mensch sich anschickte,<br />
ihn völlig in Besitz zu nehmen. Diese Besitzergreifung gilt<br />
sowohl in materieller wie in geistiger, wissenschaftlicher Hinsicht;<br />
die eine Art ist unmöglich ohne die andere, beide aber<br />
sind abhängig von den Bedürfnissen der jeweiligen Generation,<br />
die stets nur das Notwendige leistet. Unser strebsames Geschlecht<br />
hat zuerst im Kampf mit der Wildnis und den tierischen<br />
Feinden den bewohnbaren Boden erobert; es bat gelernt sich<br />
Feld und Flur in ihrer natürlichen Fruchtbarkeit zunutze zu<br />
machen, und als diese sich zu erschöpfen begann, hat es sie dorch<br />
künstliche Mittel nen belebt. Es hat das Wasser, den Töpferund<br />
Ziegelton und die andern nutzbaren Schätze der Tiefe<br />
zu heben gelernt, zuletzt die Kohle und die saatwürze-nden<br />
Salzgesteine. Stolz auf diese Errungenschaften glauben wir eine<br />
kulturelle Gipfelhöhe erklommen zn haben. Aber sicherlich<br />
stehen wir erst im niedrigsten Anfang unserer Herrschaft über
Schmelzwassersand, durch ü1etscherbewegung in Falten geschoben .<br />
Rissen bei Altona.
Ziegelbreool'rei aus .. Löss,<br />
Euskirchen bei Köln.
Eine Inland· Düne bei Frohnau i. d. Mark.
JOBN OF"s \'<br />
!~):~-;-, \,
-33-<br />
die Natur, und der uni armseligen Heutigen so wertvolle Boden<br />
wird späteren Geschlechtern -unermesslich grössere Reichtümer<br />
spenden, deren ',Art wir noch nicht zu ahnen vermögen. Auch<br />
deren Herrschaft aber wird immer nur eine Teilherrschaft sein.<br />
Den Atemzug von Ebbe und Flut, die Abtragung der vorhandenen<br />
Bergeshöhen und die Aufwölbung neuer, die Versenkung<br />
tnlübersehbarer Gefilde unter den Meerelschols und die Zer<br />
.paltung der Festländer durch die meilentiefen unterirdischen<br />
Gewalten, die unsern Wirkungsplatz begrenzen, wird auch der<br />
Mensch der Zukunft nicht meistern.
aufbau <strong>des</strong> norddeutschen tieflan<strong>des</strong><br />
1111111 11 11111 11 11 11111 11111 1111 111111<br />
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