Bezirk Lüneburg - NFV
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Nachruf<br />
„Der König von Ostfriesland“<br />
Heinrich „Bubi“ Flügge stirbt mit 93 Jahren<br />
Seine Eltern tauften ihn Heinrich,<br />
doch die Welt kannte ihn nur unter<br />
seinem Spitznamen „Bubi“. Nahezu<br />
fünf Jahrzehnte prägte der selbstständige<br />
Kaufmann den Fußball in<br />
seinem Heimatkreis Leer. Am 27. August<br />
ist Heinrich „Bubi“ Flügge im<br />
Alter von 93 Jahren in seinem Haus<br />
in Leer verstorben. Ein Nachruf.<br />
Von HERMANN WEILAND<br />
Um die Ära von „Bubi“ Flügge ranken<br />
sich viele Anekdoten. Eine der<br />
schönsten erhob ihn in den Adelsstand.<br />
Anlass war ein Telefonat mit einem<br />
Mitarbeiter der <strong>NFV</strong>-Verwaltung in<br />
Barsinghausen, das sehr kontrovers und<br />
emotional geführt wurde. Als der <strong>NFV</strong>-<br />
Mitarbeiter seine Position hervorhob<br />
(„Ich bin der Sekretär des Fußballverbandes“)<br />
konterte Flügge: „Und ich bin der<br />
König von Ostfriesland!“ Diesen Wortwechsel<br />
gab er, stets geschickter Öffentlichkeitsarbeiter<br />
in eigener Sache, der<br />
heimischen Presse weiter – fortan hatte<br />
er seinen Titel weg.<br />
Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau<br />
heiratete Flügge 1965 seine Gerlinde.<br />
Die Hochzeit legte er auf einen Mittwoch,<br />
damit er am Wochenende Zeit für<br />
den Fußball hatte. Als er einmal für die<br />
Versendung der <strong>Bezirk</strong>sspielpläne keine<br />
Briefmarken zur Hand hatte und der<br />
Hoffnung war, dass alle Vereine das<br />
Nachporto zahlen würden, gab er die<br />
Briefe ohne Frankierung auf. Als sich<br />
darüber ein Verein am Telefon beschwerte,<br />
antwortete „Bubi“: „Vielen Dank für<br />
deinen Anruf, nun weiß ich, dass der<br />
Brief angekommen ist.“<br />
So war er eben, schlagfertig und immer<br />
humorvoll. Wenn er seinen Willen<br />
durchsetzten wollte, konnte er aber<br />
auch kräftig austeilen, zeigte sich jedoch<br />
im Nachhinein stets versöhnlich. Die moderne<br />
Technik war ihm nicht geheuer,<br />
die Einführung des Sportinformationssystems<br />
(SIS) erfolgte im <strong>NFV</strong>-Kreis Leer<br />
dadurch erst nach seiner Zeit. Flügge<br />
hielt mehr von dem Gespräch mit den<br />
Leuten und davon, Probleme auch mal<br />
hemdsärmelig zu lösen. Er war ein guter<br />
Kenner der Satzungen und Ordnungen<br />
und legte Wert auf deren Einhaltung.<br />
Allerdings fand er auch immer wieder<br />
Lücken, die er zum Wohle seiner Vereine<br />
zu nutzen wusste.<br />
Geboren wurde Heinrich Flügge am<br />
1. Juni 1920 in Leer. In der nach Emden<br />
und Aurich drittgrößten ostfriesischen<br />
Stadt wuchs er mit vier Schwestern und<br />
vier Brüdern auf. Im Alter von 14 Jahren<br />
begann er bei der Heringsfischerei Leer<br />
eine Lehre als Maschinenschlosser. Diesen<br />
Beruf übte er bis zum Oktober 1938<br />
aus, ehe er zum Arbeitsdienst nach<br />
Esens einberufen wurde. Im April 1939<br />
erfolgte der Einzug zur Kriegsmarine<br />
nach Wilhelmshaven. Er diente auf<br />
Schnell- und Minensuchbooten, erhielt<br />
eine hohe Auszeichnung, wurde aber<br />
auch schwer verwundet. Die Verwundung<br />
verhinderte die Rückkehr in den<br />
alten Beruf, und so begann er ab dem<br />
1. August 1945 die Tätigkeit als Angestellter<br />
der Stadt Leer. 1948 entschloss<br />
sich Heinrich Flügge, eigenständiger<br />
Kaufmann zu werden und blieb es bis<br />
zum Ende seines Arbeitslebens. Nach der<br />
Entstehung seines Rufnamens „Bubi“<br />
gefragt, antwortete Flügge stets: „Nach<br />
dem Krieg haben mich alle so genannt,<br />
warum weiß ich nicht.“<br />
Seine sportliche Heimat war ab<br />
1933 der VfL Germania Leer. Dort spielte<br />
Heinrich „Bubi“ Flügge.<br />
er in Jugend- und Herrenmannschaften,<br />
war im Jugendausschuss tätig und blieb<br />
bis zuletzt Mitglied des Vereins. 1945<br />
wechselte er zum Nachbarverein VfR<br />
Heisfelde. Das Team mit „Bubi“ als Verteidiger<br />
kickte erfolgreich und schaffte<br />
den Sprung bis in die Amateurliga. Mit<br />
38 Jahren beendete Flügge seine Laufbahn<br />
in der 1. Mannschaft und begründete<br />
mit seinen Mitspielern die „Alten<br />
Herren“ des Vereins. In Ermangelung<br />
von gleichaltrigen Gegnern spielten sie<br />
in der untersten Herrenklasse mit und<br />
gewannen dort alle Spiele. Auch Heisfelde,<br />
wo er zeitweise 1. Vorsitzender war,<br />
hielt „Bubi“ bis zuletzt die Treue.<br />
Seine ehrenamtliche Tätigkeit im<br />
Verband begann Flügge 1956 als Mitglied<br />
des Spielausschusses im damaligen<br />
<strong>Bezirk</strong> Oldenburg-Ostfriesland. Schon<br />
ein Jahr später wurde er dort Obmann<br />
und blieb es bis zur Gründung des <strong>NFV</strong>-<br />
<strong>Bezirk</strong>s Weser-Ems im Jahr 1976. Auch<br />
hier etablierte sich „Bubi“ als stellvertretender<br />
Spielausschussobmann und<br />
2. Vorsitzender. Diese Ämter übte er bis<br />
1989 aus, ehe ihn gesundheitliche Probleme<br />
veranlassten, kürzer zu treten.<br />
Das Wirken Heinrich Flügges ist natürlich<br />
auch untrennbar mit dem Fußballkreis<br />
Leer verbunden. Dort begann er<br />
1957 im Spielausschuss. 1960 wählten<br />
ihn die Mitglieder zu ihrem Obmann und<br />
1962 darüber hinaus zum 2. Kreisvorsitzenden.<br />
Als er 1984 mit einem Herzinfarkt<br />
im Krankenhaus lag, orderte er<br />
über seine Frau Gerlinde seinen Vorstandskollegen<br />
Willi de Vries dorthin und<br />
erklärte seinem verdutzten Mitstreiter, er<br />
möge dafür sorgen, dass seine Kandidatur<br />
für den 1. Kreisvorsitzenden Bestand<br />
habe. Kurze Zeit später übernahm er von<br />
Ait Aits den Kreisvorsitz, den er bis 2004<br />
inne hatte. Zum Dank für sein Wirken<br />
wählte ihn der Kreistag im gleichen Jahr<br />
zum Ehrenvorsitzenden.<br />
Als Schiedsrichter war „Bubi“ von<br />
1960 bis 1975 bis zur Amateurliga aktiv.<br />
Früh erkannte er das Potenzial des Frauenfußballs,<br />
den er von Beginn an förderte.<br />
In den 50er Jahren kümmerte er sich<br />
um die Betreuung von Sportwaisenkindern.<br />
Als sich die Lebenshilfe gründete,<br />
organisierte Flügge Fußballspiele zu deren<br />
Gunsten.<br />
Seine vielfältigen Tätigkeiten blieben<br />
der Öffentlichkeit nicht verborgen.<br />
Als Wertschätzung erhielt „Bubi“ neben<br />
den Silber-, Gold- und Ehrennadeln des<br />
Fußballs auch 1992 das Bundesverdienstkreuz<br />
oder den Jümme-Taler, mit<br />
dem die gleichnamige Samtgemeinde<br />
Personen ehrt, die sich im besonderen<br />
Maße ehrenamtlich engagieren. Gleich<br />
14 Vereine trugen ihm die Ehrenmitgliedschaft<br />
an. Heinrich Flügge war stolz<br />
auf diese Auszeichnungen, die in seinem<br />
Haus hingen und die er Besuchern gerne<br />
zeigte.<br />
Als der Fußballkreis Leer 1995 sein<br />
50-jähriges Jubiläum feierte, hatte „Bubi“<br />
die Idee, alle F-Junioren des Kreises<br />
zu einem Turnier zusammen zu holen.<br />
Mittlerweile gibt es die Veranstaltung<br />
seit 18 Jahren und trägt seinen Namen.<br />
„Bubi“ hat alle Turniere persönlich besucht<br />
und finanziell großzügig unterstützt.<br />
Er liebte es, die Endspiele zu leiten<br />
und in die glänzenden Augen der kleinen<br />
Fußballer zu schauen, wenn er ihnen<br />
die Erinnerungsmedaillen umhängte.<br />
Zum 10. Turnier 2005 in Loga<br />
schenkte er jedem der 700 teilnehmenden<br />
Kinder einen Fußball.<br />
Das „Bubi-Flügge-Turnier“ ist für<br />
den Fußballkreis Leer ein Vermächtnis<br />
geworden. Zur Erinnerung an einen<br />
wahrhaft außergewöhnlichen Sportkameraden<br />
und Menschen wird es auch in<br />
Zukunft fortgeführt. Heinrich „Bubi“<br />
Flügge pflegte stets zu sagen:<br />
„Wenn es dir einmal nicht gut geht,<br />
schaue dir Fußball spielende Kinder an,<br />
dann geht es dir wieder besser!“<br />
Oktober 2013 61