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kein Seitentitel - Caritasverband der Erzdiözese München und ...

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Projekt-Werkstatt Implementierung<br />

Kursmaterial<br />

Palliativkompetenz <strong>und</strong> Hospizkultur entwickeln<br />

Redaktion <strong>und</strong> Entwicklung: Martin Alsheimer<br />

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Stand 20.04.2008; Redaktion: Martin Alsheimer


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Kontakt<br />

Kompetenzzentrum Palliative Care <strong>und</strong> Hospizkultur<br />

Martin Alsheimer<br />

Große Rosengasse 1<br />

85049 Ingolstadt<br />

0172/1476698<br />

E-Mail: Martin.Alsheimer@gmx.de<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einführung in die Implementierung<br />

Basisartikel Sterbebegleitung als Herausfor<strong>der</strong>ung begreifen<br />

Ausgangslage: Fünf dramatische gesellschaftliche Entwicklungen<br />

Basisartikel Palliativkultur entwickeln<br />

Eine Einführung in die Modellprojekte<br />

Material Ein Einrichtungskonzept visualisieren<br />

Ein Beispiel für ein Hospizkonzept in Bild <strong>und</strong> Stichworten<br />

Basisartikel Qualitätskontrolliertes Sterben?<br />

Zur Diskussion um Qualität <strong>und</strong> Standards in <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

2. Arbeitshilfen für den Projekt-Prozess<br />

Thesen 7 Empfehlungen für die Implementierung<br />

Bedingungen für die erfolgreiche Projektarbeit<br />

Material Ein Projekt im Heim kurz gefasst<br />

Projekt: Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben (Neuburg)<br />

Material Ein Projekt in <strong>der</strong> Sozialstation kurz gefasst<br />

Projekt: Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen (Füssen)<br />

Material Schritte <strong>der</strong> Implementierung planen<br />

Sieben notwendige Stufen <strong>und</strong> Aufgaben im Projekt<br />

Material Projektablauf planen<br />

50 Aktionen im Überblick (Beispiel Projekt Füssen)<br />

Ideen Finanzielle Ressourcen entdecken<br />

Ideen für materielle <strong>und</strong> finanzielle Ressourcen <strong>und</strong> Sponsoring<br />

Ideen Um Unterstützung werben<br />

Strategien <strong>und</strong> Argumentationshilfen für die Einführung des Projektes<br />

Material Sterbe: Ist-Zustand (Pflegeheim)<br />

20-Punkte-Check für die Organisation <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

Material Ist-Analyse (Sozialstation)<br />

20-Punkte-Check für die Organisation <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

Material Entwicklungen sichtbar machen<br />

Ein Auswertungsbogen für die Ist-Analyse<br />

Material Veranstaltung für Ist-Analyse planen<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Schritte, Ziele, Methoden <strong>und</strong> Medien<br />

Material Veranstaltung zur Konzept-Diskussion planen<br />

Schritte, Ziele, Methoden <strong>und</strong> Medien (Projekt Hersbruck<br />

Material Fortbildungsthemen wählen<br />

Themen für die Schulung von Mitarbeitern (Beispiel Projekt Füssen)<br />

Material Inhouse-Fortbildungen planen<br />

Konzept für hausinterne Fortbildungen (Beispiel Projekt Eichenau)<br />

Ideen Hilfreiche Haltungen für die Sterbebegleitung för<strong>der</strong>n<br />

Beispiele für Haltungen <strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

3. Leitgedanken <strong>und</strong> Konzepte<br />

Thesen Leitgedanken: Sterbebegleitung<br />

10 Thesen zur beson<strong>der</strong>en Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

Dokument Lebensqualität bis zum Abschied<br />

Leitlinien <strong>der</strong> Sozialservicegesellschaft des BRK zum Thema Sterbebegleitung (Ethik-<br />

Kommission)<br />

Konzept Leben bis zuletzt<br />

Konzept zur Sterbebegleitung (Leonhard-Henninger-Haus <strong>München</strong>)<br />

Konzept Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben<br />

Konzept zur Sterbebegleitung (LSt. Augustyn <strong>München</strong>)<br />

Konzept Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen<br />

Konzept zur Sterbebegleitung (Evang.-kath. Sozialstation Füssen, Hospizverein)<br />

4. Musterstandards, Gesprächshilfen,<br />

Arbeitsmaterialien <strong>und</strong> Ideen<br />

Standard Bewohner willkommen heißen<br />

Ritual in <strong>der</strong> Phase des Einzugs<br />

Ideen Situationen für gezielte Gespräche<br />

Wann <strong>und</strong> wie können wir etwas über die Vorstellungen zur letzten Lebensphase erfahren?<br />

Standard Die letzte Lebensphase in den Blick nehmen –<br />

Gesprächsangebot „Rechtzeitig Vorsorge treffen“<br />

Standard Lebensqualität sichern<br />

Vorstellungen zur letzten Lebensphase erfassen<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Material Biografiebogen als Hilfe nutzen<br />

Wichtige Informationen für eine individuelle Pflege<br />

Standard Angehörige wahrnehmen <strong>und</strong> begleiten<br />

Überblick über unterstützende Angebote des Hauses<br />

Material Einen Abend für Angehörige planen<br />

Tipps <strong>und</strong> Anregungen für die Gestaltung<br />

Material 7 Empfehlungen für Angehörige<br />

Teilnehmermaterial für Angehörigenabende<br />

Material Angehörige mit einem Flyer informieren<br />

Textbausteine für ein Faltblatt zur Palliativkultur<br />

Standard Palliative-Care-Fachkräfte nutzen<br />

Aufgaben-Profil für den Einsatz in <strong>der</strong> Einrichtung<br />

Material Schmerzen bei demenziell erkrankten Menschen<br />

erfassen<br />

ECPA-Beobachtungsbogen (Roland Kunz)<br />

Thesen Leitlinien Kooperation mit Ärzten<br />

Hilfen für interne Rollenklärungen <strong>und</strong> Kommunikation<br />

Material Hausärzte zur Kooperation einladen<br />

Textbeispiel für ein R<strong>und</strong>schreiben<br />

Ideen Krisenvorsorge absichern<br />

Wie können Hausärzte eingeb<strong>und</strong>en werden?<br />

Ideen Palliative Notfälle bedenken<br />

Typische Probleme <strong>und</strong> bewährte Lösungen in Projekten<br />

Material Formen <strong>der</strong> Sterbehilfe kennen<br />

Überblick über Formen <strong>und</strong> ihre rechtliche Bewertung<br />

Standard Krisen vorsorgen <strong>und</strong> Notfälle planen<br />

Standard zur Absicherung von Entscheidungen<br />

Material Palliativer Notfallplan: Verfügungen /<br />

Ärztlicher Bericht<br />

Dokumentation wichtiger Entscheidungen<br />

Standard Symptome kontrollieren<br />

Typische Symptome <strong>und</strong> bewährte Lösungen<br />

Material Ehrenamt: Kooperation vorbereiten<br />

Leitfragen für die Klärung einer möglichen Zusammenarbeit<br />

Material Ehrenamtliche: Konflikte vorbeugen<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Entschärfung typischer Probleme<br />

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Konzept Leitlinien für den Hospizeinsatz im Heim<br />

Regelungen <strong>und</strong> Wünsche für die Zusammenarbeit (Hospizverein Ingolstadt )<br />

Standard Sitzwachengruppe im Heim koordinieren<br />

Regelungen für Einsatz <strong>und</strong> Begleitung<br />

Standard Ehrenamtliche Hospizhilfe anbieten<br />

Hospizhelfer ambulant vermitteln<br />

Basisartikel Hilfreiche Rituale entwickeln<br />

Ein „Bastelkurs“ für gute Rituale<br />

Standard Die Krankensalbung feiern<br />

Erläuterungen zu Ablauf <strong>und</strong> Sinngehalt<br />

Material Abschiedräume gestalten<br />

Empfehlungen für Ort <strong>und</strong> Interieur<br />

Material Trauerkorb zusammenstellen<br />

Ideen für Symbole <strong>und</strong> praktische Hilfen beim Abschied<br />

Hilfen Todesnachricht telefonisch überbringen<br />

Gesprächshilfen für eine schwierige Situation<br />

Standard Verstorbene versorgen – Angehörige unterstützen<br />

Spirituelle, pflegerische <strong>und</strong> rechtliche Aspekte<br />

Material An Verstorbene erinnern<br />

Beispiele für einer Abschieds- <strong>und</strong> Gedenkkultur<br />

Hilfen Angehörige am Totenbett begleiten<br />

Hilfen für Gespräch <strong>und</strong> rituelles Handeln<br />

Material Im Team Gedenkkarte an Angehörige schreiben<br />

Ein Beispiel für eine aufmerksame Nachsorge<br />

Standard Gedenkfeier gestalten<br />

Ein Beispiel für eine gelungene Dramaturgie<br />

Standard Auszubildende auf die Versorgung Verstorbener<br />

vorbereiten<br />

Schritte für eine verantwortungsvolle Praxisanleitung<br />

Standard In die Sterbebegleitung einführen<br />

Praxisanleitung: Auszubildende auf Sterben <strong>und</strong> Trauer vorbereiten<br />

Ablaufplan Veranstaltung zur Patientenverfügung<br />

Lernphase, Ziele, Methoden, Inhalte, Medien<br />

Basisartikel Umgang mit Schuld <strong>und</strong> Schuldgefühlen<br />

Unterscheidungen <strong>und</strong> Hilfen für unterstützende Gespräche<br />

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Einführung in die<br />

Implementierung<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Basisartikel<br />

Sterbebegleitung als<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung begreifen<br />

Fünf dramatische gesellschaftliche Entwicklungen<br />

Hinweis zur Verwendung::<br />

Warum sind Palliative Care <strong>und</strong> Hospizarbeit Themen von beson<strong>der</strong>er<br />

gesellschaftlicher Bedeutung? Der einleitende Beitrag wirft fünf Schlaglichter<br />

auf die Entwicklung <strong>der</strong> letzten hun<strong>der</strong>t Jahre, präsentiert Daten<br />

<strong>und</strong> Beispiele <strong>und</strong> formuliert Konsequenzen. Sie können den Text mit<br />

seinen Thesen <strong>und</strong> seinem Zahlenmaterial auch als Impulsreferat verwenden,<br />

um die Notwendigkeit <strong>und</strong> die Chancen einer verbesserten<br />

Palliativversorgung zu untermauern. Die Impulse für Sie als Leser lassen<br />

sich auch an Zuhörer richten.<br />

Einleitende Statements: Welchen <strong>der</strong> folgenden Meinungsäußerungen stimmen<br />

Sie zu?<br />

1. Meinung: „Wenn ich schon sterben muss, dann möchte ich zu Hause sterben.“<br />

2. Meinung: „Wenn ich schon sterben muss, dann hoffe ich, dass es plötzlich<br />

<strong>und</strong> schnell passiert, z. B. möchte ich einschlafen <strong>und</strong> nicht mehr aufwachen.“<br />

3. Meinung: „Ich glaube, dass heute viele Familien lei<strong>der</strong> die Alten <strong>und</strong><br />

Schwerkranken in Einrichtungen abschieben.“<br />

4. Meinung: „Trauer geht nur den engsten Familienkreis etwas an.“<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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1. Entwicklung:<br />

Das institutionalisierte Sterben – Das Sterben wird in Einrichtungen<br />

„verlegt“ <strong>und</strong> die Sterbenden werden Experten übergeben<br />

These: Die Geschichte des Todes ist (…) auch eine Geschichte zunehmen<strong>der</strong><br />

Spezialisierung <strong>und</strong> Institutionalisierung (…) (REST 1992: 45; vgl. ARIÈS<br />

1991: 729 ff). Trauer, Sterben <strong>und</strong> Tod werden zunehmend in Kliniken <strong>und</strong><br />

Heime „verbannt“.<br />

Ein deutliches, allerdings älteres Beispiel: Fast 90 % <strong>der</strong> Menschen, die 1992<br />

im B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen starben, waren zum Zeitpunkt ihres Todes<br />

nach einer Erhebung <strong>der</strong> Landesregierung zufolge nicht zuhause, son<strong>der</strong>n<br />

in Einrichtungen (DER SPIEGEL 1993: 158). Zum Vergleich: 1959/60 lag<br />

<strong>der</strong> Prozentsatz <strong>der</strong> Menschen, für die als Sterbeort eine Einrichtung angegeben<br />

worden war, lediglich bei 44 % (VOGES 1993: 109; SCHWEIDT-MANN<br />

1991). Eine b<strong>und</strong>esweite Statistik zu den Sterbeorten fehlt, weil diese auf den<br />

Totenscheinen von B<strong>und</strong>esland zu B<strong>und</strong>esland unterschiedlich (z. T. gar<br />

nicht) registriert werden. Eine einheitliche Erfassung wird inzwischen auch politisch<br />

gefor<strong>der</strong>t (ENQUETE-KOMMISSION 2005: 75). Es gibt somit lediglich<br />

lokale o<strong>der</strong> regionale Zwischenbilanzen, z. B. in Sachsen, Rheinland-Pfalz,<br />

<strong>der</strong> Stadt Mannheim. Die Angaben über den Sterbeort Heim schwanken in <strong>der</strong><br />

Literatur zwischen 10 <strong>und</strong> 40 % <strong>und</strong> die über den Sterbeort „Eigenes Heim“<br />

zwischen 5 <strong>und</strong> 30 %. Bei aller Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> einzelnen Prozentsätze<br />

bleibt unter „dem Strich“ das Resümee: Die große Mehrheit <strong>der</strong> Deutschen<br />

stirbt in einer Institution!<br />

Bezogen auf das Krankenhaus scheint eine langsame Trendwende einzusetzen:<br />

1980 wurde noch für 55,3 % aller Verstorbenen <strong>der</strong> Sterbeort „Krankenhaus“<br />

angegeben. Inzwischen ist die Zahl auf etwa 48 % gesunken (FALLER<br />

2004: 360). Dafür scheint das Pflegeheim die Institution mit <strong>der</strong> höchsten „Zuwachsrate“<br />

in den letzten Jahren zu sein (Belege für diesen Trend auch bei<br />

BICKEL 1998). Die Zahl <strong>der</strong> in Heimen versorgten Menschen stieg 2003 um<br />

5,9 % an, während <strong>der</strong> Anteil zu Hause Gepflegter von 70,4 % auf 69,2 %<br />

leicht sank. (STATISTISCHES BUNDESAMT 2003: 3). Es findet also eine Art<br />

Verschiebung zwischen den Institutionen statt. Die Devise „ambulant vor stationär“<br />

gilt (noch) nicht für das Sterben (PLESCH-BERGER 2005: 64).<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Folie 1<br />

Letzte Hilfe wo?<br />

Rheinland-Pfalz<br />

(1995)<br />

OCHSMANN<br />

1997<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

Sterbefälle über<br />

65 Jahre<br />

BICKEL 1998<br />

ENQUETE-<br />

KOMMISSION<br />

2005<br />

Zusammenstellung: HELLER 2006<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Krankenhaus Altenheim Eigene Wohnung<br />

bzw. außerhalb<br />

von<br />

Institutionen<br />

44,1 % 12,8 % 37,3 %<br />

49,7 % 21,2 % 29,1 %<br />

42-45 % 15-25% 25-30 %<br />

Hospiz: 1-2 % An<strong>der</strong>e Orte: 3-<br />

7 %<br />

Trotz aller persönlichen Anstrengungen des Personals bleiben hartnäckige<br />

Zwänge: Die Institutionalisierung begrenzt, die Spezialisierung verteilt die Ansprechpartner<br />

für die Bedürfnisse Sterben<strong>der</strong> <strong>und</strong> Trauern<strong>der</strong> in die verschiedensten<br />

Zuständigkeitsbereiche. Krankenhäuser <strong>und</strong> auch Pflegeheime sind<br />

auf Sterbebegleitung nicht o<strong>der</strong> nur unzureichend vorbereitet <strong>und</strong> sind fixiert<br />

auf einen an<strong>der</strong>en, nämlich kurativen (heilenden) o<strong>der</strong> rehabilitativen (Handicaps<br />

ausgleichenden) Auftrag. Sterben erscheint als „Betriebsunfall“ o<strong>der</strong> wird<br />

als „persönliches Versagen“ empf<strong>und</strong>en. (Eine empirische Bestätigung finden<br />

Sie z. B. bei: KALUZA, TÖPFERWEIN 2005.)<br />

Die folgende Polarisierung mag etwas überspitzt sein; sie lässt aber das<br />

Spannungsfeld <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Sterbebegleitung in Einrichtungen<br />

deutlich erkennen:<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Folie 2<br />

Sterben in Institutionen<br />

Zwänge von Institutionen<br />

• einseitige somatische Orientierung<br />

(Reparaturprinzip)<br />

• gleich(gültig-)e Versorgung aller<br />

(Gleichheitsprinzip)<br />

• zeitlich limitierte <strong>und</strong> stark strukturierte<br />

Leistungseinheiten (ökonomisches<br />

Prinzip)<br />

• professionelles Interesse <strong>der</strong><br />

Helfer (Kontrollprinzip)<br />

vgl. HELLER et al., 2000<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Bedürfnisse sterben<strong>der</strong> <strong>und</strong> trauern<strong>der</strong><br />

Menschen<br />

• ganzheitliche Wahrnehmung<br />

• beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit<br />

• zeitlich offene <strong>und</strong> flexibel vereinbarte<br />

Begegnung<br />

• persönliche Begegnung<br />

Die Spannung zeichnet sich auch in den Wünschen zum eigenen Sterben ab:<br />

Fast 90 % <strong>der</strong> Deutschen möchten Zuhause sterben (vgl. DER SPIEGEL<br />

1993: 158). Ein deutlicher Wi<strong>der</strong>spruch zwischen Wunsch <strong>und</strong> Wirklichkeit!<br />

Sterben, Tod <strong>und</strong> Trauer wird – so <strong>der</strong> weitere Trend – gesellschaftlich immer<br />

mehr an so genannte Spezialisten <strong>und</strong> Experten delegiert: Ärzte, Pflegekräfte,<br />

Bestatter. Der Giessener Soziologe Reimer Gronemeyer, , ein kritischer Begleiter<br />

<strong>der</strong> Hospizbewegung, warnt vor einer Vereinnahmung:<br />

„Die Sozialtechniker werden nicht zögern, für jede Sterbestufe einen Experten<br />

zu schulen, damit nichts dem Zufall überlassen bleibt …“ (GRONEMEYER<br />

1990: 169) Fachleute bemühen sich um die Abschaffung des unordentlichen,<br />

spontanen <strong>und</strong> unbegleiteten Sterbens. (…) Da wird noch immer ungeordnet<br />

gestorben, ohne dass die technische <strong>und</strong> therapeutische Voraussetzung für<br />

einen von Expertenhand überwachten Abgang gegeben wird. (…) Die Pfleger<br />

kommen mit Schläuchen <strong>und</strong> Gesprächstechniken. Den Schlauch kann man<br />

abreißen, den Morib<strong>und</strong>enarbeiter (Vorschlag für eine Berufsbezeichnung analog<br />

dem Sozialarbeiter) wird man nicht los. Er will mir meine ‚persönliche<br />

Todesprägung’ ermöglichen. Die werde ich nur haben, wenn ich meine didaktisch<br />

versierten Gesprächspartner zum Teufel jage – <strong>und</strong> wenn es das Letzte<br />

ist, was ich tun kann.“ (GRONEMEYER 1990: 167)<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Konsequenzen, Chancen <strong>und</strong> Impulse:<br />

• Eine große Herausfor<strong>der</strong>ung heißt: Welche Formen <strong>und</strong> welchen Umfang<br />

von Unterstützung braucht es, um dem Wunsch „ambulant vor stationär“ in<br />

<strong>der</strong> letzten Lebensphase gerecht zu werden? Modellversuche legen nahe,<br />

dass es mit verstärkter ambulanter Palliativversorgung mehr Menschen<br />

möglich ist, zu Hause zu sterben, so gelang dies z. B. bei 60 % <strong>der</strong> Betroffenen<br />

im Projekt SUPPORT (GUNZELMANN U.A. 2002). Frage: Wie<br />

kommt das Heim/die Klinik in die Wohnung?<br />

• Die zweite große Frage lautet: Wie müssen Institutionen verwandelt<br />

(Stichwort: „de-institutionalisiert) werden, damit betroffene <strong>und</strong> beteiligte<br />

Menschen ein „Gefühl von Zuhause“ in dieser verletzlichen Phase empfinden?<br />

Frage: Wie kommt die Wohnung ins Heim/in die Klinik? Auch hier<br />

gibt es bereits eine Reihe Richtung weisende Projekte. (Siehe dazu die<br />

Arbeitseinheit zur „Organisatorischen Kompetenz“)<br />

• Die dritte Frage: Wie können wertvolles Wissen <strong>und</strong> Erfahrungen von professionellen<br />

Kräften in die Begleitung eingehen, ohne dass eine „Expertokratie“<br />

entsteht? Lässt sich Sterbebegleitung lernen? Was bedeutet das<br />

für die Aus- <strong>und</strong> Fortbildung von Pflegekräften?<br />

Die Entwicklung zur Institutionalisierung des Sterbens ist nicht zufällig. Zur Institutionalisierung<br />

des Sterbens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Spezialisierung <strong>der</strong> Begleitung führen<br />

die folgenden vier mächtigen kulturellen Wandlungen. Die Tendenzen sind<br />

durchaus ambivalent. Es liegen in diesen Entwicklungen auch Chancen im<br />

Sinne höherer Freiheitsgrade für die Lebensgestaltung, Individualisierung statt<br />

Normierung <strong>der</strong> Leistungen <strong>und</strong> freiwillig erbrachte Solidarität statt Zwangsverpflichtung<br />

(vgl. zur Ambivalenz <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung: BECK-GERNSHEIM<br />

1994).<br />

2. Entwicklung:<br />

Das selten miterlebte <strong>und</strong> ausgegrenzte Sterben - Der Tod kommt<br />

spät <strong>und</strong> unheimlich<br />

These: Die Menschen in Deutschland – <strong>und</strong> das ist einmalig in <strong>der</strong> Geschichte<br />

– sterben heute überwiegend im hohen Alter; dadurch aber wird das Sterben<br />

von Menschen heute im persönlichen Umfeld selten miterlebt. Das Unbekannte<br />

ängstigt.<br />

Sicher: „Der Tod ist ein Modethema“ (VINCENT 1993: 294). Allerdings ist er<br />

eher medial auf den Bildschirmen, aber nicht mehr real präsent. Die Unaus-<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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weichlichkeit des eigenen Sterbenmüssens wird im Allgemeinen heute eher<br />

verdrängt. Früher war dagegen <strong>der</strong> Tod in allen Altersstufen gleich gegenwärtig<br />

(IMHOFF 1988: 46 ff.) Die Sterbematrikel einer Pfarrei hätte früher etwa so<br />

lauten können: Christoph Scheuerlein, 3 Jahre, Johanna Stiller, 3 Monate,<br />

Knabe Josef Daumer ,10 Jahre, Jüngling Josef Beierlein, 25 Jahre, Herwig<br />

Nusser, 37 Jahre, Karl Lummer, 62 Jahre, Maria Ho<strong>der</strong>lein, 83 Jahre usw.<br />

Vergleichen Sie dazu die Daten <strong>der</strong> Lebensspannen in den Todesanzeigen in<br />

Ihrer Tageszeitung!<br />

Folie 3<br />

Die Lebenserwartung „früher“ <strong>und</strong> „heute“ im Vergleich<br />

Wie hoch ist die Lebenserwartung<br />

bei Geburt?<br />

Wie viele Menschen erreichen das<br />

60. Lebensjahr?<br />

Wie viele Jahre leben Menschen<br />

durchschnittlich noch, die das 60.<br />

Lebensjahr erreicht haben?<br />

Wie verteilen sich die Todesfälle auf<br />

die Lebensalter?<br />

IMHOFF 2003<br />

früher<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

(19. Jahrhun<strong>der</strong>t)<br />

heute<br />

< 40 Jahre Frauen > 80 Jahre<br />

Frauen: 45 %<br />

Männer: 40 %<br />

Männer > 74 Jahre<br />

Frauen: 93 %<br />

Männer: 87 %<br />

Noch 10 – 12 Jahre Frauen > 23 Jahre<br />

hohe Kin<strong>der</strong>sterblichkeit (bis 50<br />

%), für die nicht im Kindesalter<br />

Sterbenden ungefähr gleich verteilte<br />

Wahrscheinlichkeit in allen<br />

späteren Altersstufen<br />

Männer > 19 Jahre<br />

z. B. > 60 Jahre: 13%<br />

Die Lebenserwartung bei<strong>der</strong> Geschlechter steigt. Ein Mädchen, das 2006 in<br />

Deutschland geboren wird, hat gute Chancen, 100 Jahre alt zu werden, ein<br />

Junge 95 Jahre.<br />

Heute ist somit <strong>der</strong> Tod durch die Verlängerung <strong>der</strong> durchschnittlich erwartbaren<br />

Lebenszeit ins hohe Alter gerückt worden. Die Sterberate ist stark gesunken.<br />

Natürlich wird niemand diesen Prozess umkehren wollen. Das Credo für<br />

ein „Zurück zur Bevölkerungspyramide“, das entgegen <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen demografischen<br />

Entwicklung so oft geäußert wird, unterschlägt die negativen Faktoren.<br />

Das Bild <strong>der</strong> Pyramide suggeriert Stabilität, jedoch bedeutet dieses „Idealbild“<br />

<strong>der</strong> Alterszusammensetzung <strong>der</strong> Gesellschaft, dass nur ein kleiner Teil<br />

eines Geburtsjahrgangs die Spitze eines hohen Alters erreicht. Der große<br />

„Rest <strong>der</strong> jeweiligen Altersjahrgänge“ – im Bild <strong>der</strong> „Himmel“ neben <strong>der</strong> Pyramide<br />

- würde bereits auf dem Friedhof liegen. Eine Folge des historisch so<br />

einmaligen späten Sterbens: Wir sind selten <strong>und</strong> spät im Leben mit dem Sterben<br />

nahe stehen<strong>der</strong> Menschen konfrontiert. (IMHOF 1996)<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Beispiel: „In einer Befragung von 50 Personen im Alter von 20-25 Jahren gaben<br />

nur zwei an, bewusst einen Leichnam gesehen zu haben.“ (SCHMIED<br />

1985: 31) Wenn das Sterben an<strong>der</strong>er nicht mehr miterlebt wird, können Menschen<br />

diesen Prozess nicht einschätzen <strong>und</strong> werden (z. T.) unrealistische Befürchtungen<br />

mit dem Sterben verbinden. Das ausgegrenzte Sterben kann beängstigen<strong>der</strong><br />

sein als das gegenwärtige. Auch das ist einer <strong>der</strong> Gründe, warum<br />

Sterbende in Institutionen gegeben werden (STUDENT, STUDENT 1991:<br />

98). Ergebnis: Aus „heimlich“ wird „unheimlich“.<br />

Das Sterbeideal hat sich gewandelt: „Der Tod war immer ein großer Skandal“<br />

(CANAKAKIS 1993: 78). Das Sterben in früheren Zeiten soll <strong>kein</strong>eswegs<br />

romantisiert werden. „Gezeichnet von Krankheiten <strong>und</strong> Schmerzen, ohne adäquate<br />

medizinische <strong>und</strong> pflegerische Versorgung, in kalten o<strong>der</strong> überhitzten<br />

Kammern, unter heute unvorstellbaren hygienischen Bedingungen, gerade in<br />

Seuchenzeiten meist allein gelassen: so dürfte die Realität vieler Sterbenden<br />

ausgesehen haben.“ (SCHÄFER 1998: 8) Früher war <strong>der</strong> plötzliche, unvorbereitete<br />

Tod gefürchtet, weil er als Strafe gesehen wurde <strong>und</strong> <strong>kein</strong>e Zeit blieb,<br />

die Sünden zu bereuen. Das „Memento mori“ („Gedenke des Todes!“) wurde<br />

als Einübung <strong>und</strong> innere Vorbereitung gepredigt. Heute ist es umgekehrt: 80<br />

% <strong>der</strong> Menschen möchten „schnell“ sterben (WITTKOWSKI 1993) o<strong>der</strong> wie<br />

<strong>der</strong> Regisseur <strong>und</strong> Komiker Woody Allan karikiert: „Ich habe <strong>kein</strong>e Angst vor<br />

dem Sterben. Ich möchte bloß nicht dabei sein, wenn es passiert …“ (Zitiert<br />

nach: BAUR, SCHMID-BODE 2003: 11).<br />

Konsequenzen, Chancen <strong>und</strong> Fragen<br />

Es gilt wie<strong>der</strong>, den Tod in das Leben zu integrieren. „Die Frage ist: Tut es uns<br />

gut, wenn wir einer Erfahrung ausweichen, die ganz wesentlich zum Leben<br />

gehört? Tut es uns gut, wenn wir den Tod aussperren? (…) An<strong>der</strong>s herum gesagt:<br />

(…) Sterben <strong>und</strong> Leben können gehören zusammen. Das eine spiegelt<br />

sich in dem an<strong>der</strong>en. Sterben ist die an<strong>der</strong>e Seite des Lebens <strong>und</strong> beide Seiten<br />

machen erst unser Sein aus. (PISARSKI 2005: 31) Impuls: Eine alte Inschrift<br />

im Dom zu Schleswig mahnt in einem Wortspiel: „Wir müssen täglich<br />

sterben, damit wir nicht sterben, wenn wir sterben.“ Wie deuten <strong>und</strong> stehen<br />

Sie zu dieser Aussage? Was heißt das ins konkrete Leben übersetzt?<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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3. Entwicklung:<br />

Das „lange“ Sterben – Der Tod kommt langsam <strong>und</strong> mühsam<br />

These: Sterben wird heute aufgr<strong>und</strong> an<strong>der</strong>er, neuer Todesursachen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

medizinischen Möglichkeiten <strong>der</strong> Lebensverlängerung für viele Menschen zu<br />

einer eigenen „Lebensphase“ mit beson<strong>der</strong>en Problemen <strong>und</strong> Chancen.<br />

Die hauptsächlichen Todesursachen sind heute an<strong>der</strong>e als früher: Grassierten<br />

z. B. um 1900 noch „schnelle“ Infektionskrankheiten - mit Ausnahme <strong>der</strong><br />

„langsam“ zehrenden Tuberkulose -, überwiegen heute langwierige chronische<br />

<strong>und</strong> degenerative Leiden. Beispiel: Todesursache „Krebs“: Lag diese<br />

Feststellung um 1900 bei ca. 4 % aller Todesfälle, sind Tumorerkrankungen<br />

1980 bei ca. 21 % <strong>der</strong> Deutschen Ursache ihres Todes. (Detaillierter Zahlenvergleich<br />

bei: SCHMID 1985:18 ff., IMHOFF 1981: 220.) Früher war Sterben<br />

ein Punkt am Ende eines Lebens, heute weitet es sich zu einer eigenen Lebensphase.<br />

Das Leiden an einer lebensbedrohlichen Erkrankung kann sich im<br />

Auf <strong>und</strong> Ab von medizinischem Tun <strong>und</strong> Scheitern über Jahre hinziehen.<br />

Folie 5<br />

Die zehn häufigsten Todesursachen (FALLER 2004: 357)<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

chronische ischämische Herzkrankheit ………….<br />

Herzinfarkt …………………………..………..…….<br />

Herzinsuffizienz ….…………………….…………..<br />

Schlaganfall ………………………….…………….<br />

Lungenkrebs….…………………....……………....<br />

Darmkrebs ……………………….…………….…..<br />

chronische Lungenerkrankungen …….…….……<br />

Lungenentzündung .……………………………….<br />

Brustkrebs …………………………………………<br />

Diabetes mellitus ………………………………….<br />

FALLER 2004: 357<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

94 166<br />

64 218<br />

56 955<br />

39 433<br />

39 105<br />

20 363<br />

19 402<br />

18 693<br />

18 010<br />

16 976<br />

Todesursache Nr. 1 sind gegenwärtig Erkrankungen des Herz- <strong>und</strong> Kreislaufsystems.<br />

In den nächsten Jahren werden – so die Prognose –bösartige Tumorerkrankungen<br />

die Liste <strong>der</strong> Todesursachen anführen. (GEKID 2006)<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Modelle des Sterbeprozesses<br />

Was passiert in dieser (Über-)Lebenszeit? Angestoßen wurde die Forschung<br />

dazu von den Aufsehen erregenden Pionier-Arbeiten von Elisabeth Kübler-<br />

Ross (� 2004) (vgl. Modelle: KÜBLER-ROSS 1983, 1987: 9-42). Das Magazin<br />

TIME zählte sie 1999 zu den hun<strong>der</strong>t größten Wissenschaftlern <strong>und</strong> Denkern<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Sie entwickelte in verschiedenen begrifflichen Varianten<br />

ein Phasenmodell typischer Reaktionen im Sterbeprozess: Nicht-wahr-haben-<br />

Wollen, Auflehnung, Verhandeln, Depression, Annahme. Dieses wohl populärste<br />

Modell, das als Krisenmodell auch die Trauermodelle beeinflusste, wurde<br />

inzwischen vielfach kritisiert. Wesentliche Kritikpunkte sind:<br />

• Zu pauschal: Die Behauptung, alle sterbenden Menschen würden diese<br />

Phasen durchlaufen, hält empirisch nicht stand. Menschen zeigen sehr individuelle<br />

Bewältigungsstile.<br />

• Methodisch unscharf: Ähnliche Beschreibungen von Verhaltensweisen<br />

werden von ihr unterschiedlich <strong>und</strong> manchmal eher willkürlich den Phasen<br />

zugeordnet.<br />

• Abfolge nicht zwingend: Die Phasen werden – wie vielfache Forschungsergebnisse<br />

zeigen - nicht linear <strong>und</strong> auch selten „vollständig“ durchlaufen.<br />

Die aufgezeichneten, oft „erfolgreichen“ Prozesse sind wohl eher dem<br />

Charisma von Elisabeth Kübler-Ross in ihrer Begleitung dieser Menschen<br />

zu verdanken.<br />

• Gefahr <strong>der</strong> Wertung: die Beschreibung von Phasen wird unterschwellig zu<br />

„Vorschriften“<br />

(HOWE 1992: 55-66; Übersicht über Phasenmodelle: WITTKOWSKI 1990:<br />

117-140; SCHWEIDTMANN 1991: 27-54).<br />

Das Modell <strong>der</strong> Phasen mag als grobe „Landkarte“ manchmal hilfreich sein,<br />

um Reaktionen zu verstehen. Aber missverstanden als „Fahrplan“ des Sterbens<br />

führt es in Sackgassen <strong>der</strong> menschlichen Begleitung, weil es unterschwellig<br />

wertet, Betroffene <strong>und</strong> Beteiligte unter Druck setzt <strong>und</strong> die Phase<br />

<strong>der</strong> „Annahme“ zum Sterbe-Ideal erhebt (vgl. WILKENING, KUNZ 2003: 27 ff).<br />

Aus dem Einfühlen wird dann ein analysierendes Beobachten (siehe Kritik von<br />

GRONEMEYER oben). Bessere Bil<strong>der</strong>, weil dynamischer als das statische<br />

Stufenschema, sind z. B. das „Rad <strong>der</strong> Emotionen“ (ALBRECHT, ORTH,<br />

SCHMIDT 2004) o<strong>der</strong> das <strong>der</strong> „Gezeiten <strong>der</strong> Gefühle“, wie Elisabeth Kübler-<br />

Ross ihr Modell später selbst kommentiert hat (KÜBLER-ROSS 2004).<br />

Konsequenz: Was wir brauchen, ist kommunikative Flexibilität, um in <strong>der</strong> Begleitung<br />

immer wie<strong>der</strong> neu auf die hohe Unterschiedlichkeit zu reagieren <strong>und</strong><br />

die individuellen Bedürfnisse Betroffener zu erfahren <strong>und</strong> ihnen gerecht zu<br />

werden.<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Die „Gewitterwolke des langen Sterbens“ wirft große Schatten, nämlich<br />

Schmerzen – körperliche, soziale, psychische <strong>und</strong> spirituelle.<br />

Körperliche Schmerzen: Die „Lebensphase Sterben“ wird oft überschattet<br />

<strong>und</strong> zerquält durch die Schrecken unzureichend behandelter Schmerzen. Z. B.<br />

sterben bis zu 80 % <strong>der</strong> Krebspatienten unter unnötigen Schmerzen (vgl. zu<br />

diesem Skandal: DIE ZEIT 1/1994: 33; geringere Schätzung von 60 % bei<br />

STUDENT 1989: 58.) Deutschland ist immer noch ein Entwicklungsland <strong>der</strong><br />

Schmerztherapie, obwohl im Vergleich zu den 1980er Jahren die Morphin-<br />

Verschreibungen sich inzwischen verzwanzigfacht haben (FALLER 2004:<br />

361). So stieg <strong>der</strong> Morphinverbrauch von 0,8 kg pro 1 Millionen Einwohner im<br />

Jahre 1985 auf fast 17,7 kg pro 1 Millionen Einwohner im Jahre 2002. Gemessen<br />

aber am Bedarf bedeutet dies immer noch eine extreme Unterversorgung<br />

von Schmerzpatienten, die starke Opioide benötigen. Der tatsächliche<br />

Verschreibungsbedarf wird auf etwa 80 kg Morphin pro 1 Million Einwohner<br />

geschätzt (vgl. KLASCHIK 2003a). Dänemark etwa setzt durchschnittlich pro<br />

Kopf <strong>der</strong> Bevölkerung 15 Mal mehr Morphin ein. Die Ursachen für die mangelhafte<br />

schmerztherapeutische Versorgung sind vielfältig:<br />

• fehlende o<strong>der</strong> unzureichende schmerztherapeutische Ausbildung <strong>der</strong> Ärzte.<br />

Palliativmedizin ist 2005 nur an wenigen Universitäten verbindlich in<br />

das Medizinstudium integriert (Bonn, Köln, Aachen, <strong>München</strong>, Göttingen,<br />

Jena);<br />

• hartnäckige Vorurteile (Mythen) <strong>der</strong> Schmerztherapie bei Ärzten, Betroffenen<br />

<strong>und</strong> ihren Angehörigen: Gefahr <strong>der</strong> Abhängigkeit, therapeutisch letztes<br />

Mittel, Risiko <strong>der</strong> Eintrübung. Allein schon die Einreihung unter die „Betäubungsmittel“<br />

weckt falsche Assoziationen <strong>und</strong> Ängste vor ihrem Einsatz (z.<br />

B. Kontrollverlust, Beschleunigung des Todes);<br />

Ergebnisse einer Untersuchung 1997: Nur etwa ein Drittel (33,1 %) <strong>der</strong> befragten<br />

Ärzte kennt den WHO-Stufenplan <strong>und</strong> nur etwas mehr als ein Drittel<br />

(36,9 %) besitzt die notwendigen Betäubungsmittel-Rezeptvordrucke.<br />

(ENQUETE-KOMMISSION 2005: 31)<br />

Schmerzen haben neben <strong>der</strong> körperlichen Seite immer auch eine psychische,<br />

soziale <strong>und</strong> spirituelle Dimension, die zu selten berücksichtigt wird. Der Arzt<br />

Johann-Christoph Student, ein langjähriger Streiter für die deutsche Hospizbewegung,<br />

fasst diese Dimensionen zusammen:<br />

• „das Bedürfnis, im Sterben nicht alleingelassen zu sein (was nicht ständige<br />

Anwesenheit an<strong>der</strong>er bedeuten muss! - Bemerkung des Autors M.A.);<br />

• das Bedürfnis, noch letzte Dinge‚ ‚unerledigte Geschäfte’ (KÜBLER-<br />

ROSS) zu regeln;<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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• das Bedürfnis, die Sinnfrage (Sinn des Lebens, Sinn des Sterbens u. ä.)<br />

zu stellen <strong>und</strong> die Frage des ‚Danach’ zu erörtern“. (STUDENT 1989: 64 f.)<br />

Eine Kurzbeschreibung dieser Schmerzdimensionen:<br />

Soziale Schmerzen: Gerade bei Sterbenden kommt es oft zu tragischen<br />

Wendungen im Verhalten <strong>der</strong> Umgebung. Wird jemand als „im Sterben liegend“<br />

eingestuft, verringern sich die Kontakte o<strong>der</strong> auch die pflegerische Anwesenheit<br />

deutlich. Untersuchungen zufolge halbiert sich (oft gegen die<br />

Wahrnehmung <strong>der</strong> Pflegenden) die Kontakt- <strong>und</strong> Pflegezeit, wenn jemand<br />

„aufgeben“ wird (vgl. gesammelte Untersuchungen bei SCHMIED 1985: 48<br />

ff.). Es gibt einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen den Ängsten von<br />

Ärzten <strong>und</strong> Pflegekräften <strong>und</strong> ihrem Verhalten (NEIMEYER, MOSER,<br />

WITTKOWSKI 2003).<br />

Eine weitere Beziehungsangst ist <strong>der</strong> Kontrollverlust in <strong>der</strong> letzten Lebensphase,<br />

d. h. die Sorge vor einem Zuwenig an Therapie <strong>und</strong> umgekehrt vor einem<br />

Zuviel.<br />

Psychische Schmerzen: Wir leben oft nicht in <strong>der</strong> Gegenwart, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong><br />

Zukunft <strong>und</strong> vertagen deshalb vieles. Motto: „Nach <strong>der</strong> Pensionierung kommt<br />

die Freiheit des Reisens o<strong>der</strong> die Erfüllung meiner wahren Interessen …“ Trifft<br />

uns eine schwere Krankheit, wird diese Zukunft bedroht. Versäumtes, Verschobenes<br />

meldet sich dann - die „unerledigten Geschäfte“, wie Elisabeth<br />

Kübler-Ross das Vertagte bezeichnet.<br />

Spirituelle Schmerzen: Schwere Krankheit lässt die existenziellen Fragen<br />

des Lebens nach Identität (Wer bin ich?), Sinn (Wozu lebe ich?) <strong>und</strong> Transzendenz<br />

(Was überlebt von mir? Wohin sterbe ich?) oft in schmerzhafter Form<br />

aufbrechen. Zum Beispiel: Wer bin ich, wenn ich wegen meiner Erkrankung<br />

nichts mehr leisten kann? O<strong>der</strong> was überlebt meine leibliche Vernichtung?<br />

Konsequenzen, Chancen <strong>und</strong> Impulse:<br />

• Wir benötigen in Medizin <strong>und</strong> Pflege einen umfassenden Schmerzbegriff,<br />

<strong>der</strong> nicht nur somatisch verengt ist, son<strong>der</strong>n einen weiten Blick auf an<strong>der</strong>e<br />

Schmerzquellen eröffnet. Dieses Verständnis ist ein beson<strong>der</strong>es Verdienst<br />

von Dame Cicely Saun<strong>der</strong>s, neben Elisabeth Kübler-Ross <strong>der</strong> zweiten<br />

großen Pionierin <strong>der</strong> Hospizbewegung.<br />

• Das “lange Sterben“ gibt vielleicht die Chance – die nicht zum Entwicklungszwang<br />

werden darf – diese Zeit als krisenreiche <strong>und</strong> bewusste Lebensphase<br />

Sinn gebend zu erleben. „Sterben, eine Zeit <strong>der</strong> Selbstentwicklung“,<br />

nennt es die 1983 an Krebs gestorbene Anne-Marie Tausch<br />

(TAUSCH 1987: 214). Mit dieser Deutung möchten wir <strong>kein</strong>esfalls das lan-<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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ge Sterben verklären.<br />

• Impulse: Würden Sie es wissen wollen, wenn Sie von einer möglicherweise<br />

lebensbedrohlichen Krankheit betroffen sind? Was spricht dafür? Was<br />

dagegen? Wenn Sie die Frage bejahen: Was würde sich in Ihrem Leben<br />

verän<strong>der</strong>n?<br />

4. Entwicklung:<br />

Die Familien sind allein gelassen, die Pflegekräfte überfor<strong>der</strong>t –<br />

Das Sterben trifft auf verän<strong>der</strong>te Familienstrukturen<br />

These: Familien sind in den langen Sterbephasen oft alleingelassen <strong>und</strong> überfor<strong>der</strong>t.<br />

Pflegekräfte fühlen sich auf die Aufgabe <strong>der</strong> Sterbebegleitung oft unzureichend<br />

vorbereitet.<br />

Es gilt zunächst dem verbreiteten Vorurteil zu wi<strong>der</strong>sprechen, „Familien würden<br />

egoistisch Sterbende abschieben“. Im Gegenteil: Noch nie wurden so viele<br />

Menschen in den Familien gepflegt. Das ist übrigens <strong>kein</strong> Wi<strong>der</strong>spruch zu<br />

den oben genannten Zahlen des Sterbens in Einrichtungen! R<strong>und</strong> 90 % <strong>der</strong><br />

Pflegebedürftigen werden zurzeit in <strong>und</strong> von Familien gepflegt – bis in die<br />

Schlussphase.<br />

Die Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> familiären Pflege ist historisch völlig neu. Sie wird<br />

durch zwei gegenläufige Entwicklungen geprägt:<br />

• Die Zahl <strong>der</strong> Pflegebedürftigen <strong>und</strong> die Dauer ihrer Pflege steigt. Sie<br />

hat sich in 30 Jahren verdoppelt (HEDTKE-BECKER 1992). Mag die Pflegezeit<br />

früher Tage, Wochen, allenfalls Monate gedauert haben, so beträgt<br />

sie heute im Durchschnitt drei bis fünf Jahre. Die Familien sind mit <strong>der</strong><br />

langwierigen <strong>und</strong> aufwändigen Pflege häufig überfor<strong>der</strong>t, gerade in <strong>der</strong><br />

letzten Lebensphase des Betroffenen. Die dabei am häufigsten genannten<br />

Probleme:<br />

• die Isolierung <strong>der</strong> Angehörigen durch die „R<strong>und</strong>-um-die-Uhr-Pflege“<br />

<strong>und</strong> durch die abschreckende Wirkung des drohenden Todesfalls auf<br />

die soziale Umgebung.<br />

• das Erleben von Schmerzen <strong>und</strong> Verfall.<br />

• Die Zahl <strong>der</strong> möglichen familiären Pflegenden <strong>und</strong> Begleiter nimmt<br />

ab. Das so genannte Pflegepotenzial, d. h. die Bereitschaft <strong>und</strong> Möglichkeit,<br />

häusliche Pflege zu übernehmen, sinkt kontinuierlich (KLIE 2006). Die<br />

familiären Netze für Schwerstkranke <strong>und</strong> Sterbende werden kleiner o<strong>der</strong><br />

zerreißen gänzlich durch folgende Entwicklungen:<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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• Die durchschnittliche Kin<strong>der</strong>zahl <strong>der</strong> Familien hat sich verringert <strong>und</strong><br />

damit auch das Potenzial <strong>der</strong> Hilfe. Beispiel: 1900: 4 Kin<strong>der</strong> – 1980: 1,5<br />

Kin<strong>der</strong>. Der Anteil von Ehepaaren ohne Kin<strong>der</strong> ist von knapp 34 % auf<br />

38 % angewachsen (BIB 1993).<br />

• Die Zahl <strong>der</strong> Ledigen, Verwitweten <strong>und</strong> Geschiedenen steigt. (Detaillierte<br />

Zahlen: DETTLING 1994: 69) „Die Beziehungen werden, da sie<br />

nicht mehr selbstverständlich sind, nun dünner, fragiler, mehr vom persönlichen<br />

Zutun, auch von äußeren Umständen (z. B. Ortswechsel)<br />

abhängig. (…) Der Verpflichtungscharakter <strong>der</strong> Bindungen nimmt stetig<br />

ab“ (BECK-GERNSHEIM 1994: 10).<br />

In Studien zur Arbeitsbelastung gehört die Konfrontation mit Sterben <strong>und</strong> Tod<br />

neben Zeitdruck, mangeln<strong>der</strong> Anerkennung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Aussichtslosigkeit einer<br />

Besserung bei Patienten zu den Hauptbelastungen von Pflegekräften (z. B.<br />

ZIMBER ET AL 2000; BGW 2002: 8). In einer Untersuchung von OCHSMANN<br />

hatte die Mehrzahl <strong>der</strong> Pflegekräfte höhere Angstwerte vor dem eigenen Sterben<br />

als die Normalbevölkerung (OCHSMANN 2001). In einer neueren Studie<br />

zur Sterbebegleitung in Sachsen fühlen sich 61 % <strong>der</strong> Pflegekräfte im Krankenhaus<br />

<strong>und</strong> 46 % ihrer Kollegen im Pflegeheimen stark belastet, wenn Patienten<br />

o<strong>der</strong> Bewohner sterben (KALUZA 2005: 117, 198).<br />

Konsequenzen, Chancen <strong>und</strong> Impulse: Es braucht vielgestaltige, angepasste<br />

Formen <strong>der</strong> Unterstützung, damit die Familien Kraft <strong>und</strong> Mut finden, ihre<br />

sterbenden Angehörigen zu begleiten. Außerdem müssen neue Netze einer<br />

freiwilligen Solidarität mit Schwerkranken geknüpft werden, wo Familienbindungen<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er sozialer Halt angespannt, zerrissen sind o<strong>der</strong> gänzlich<br />

fehlen.<br />

Einige <strong>der</strong> zurzeit diskutierten <strong>und</strong> verhandelten For<strong>der</strong>ungen sind:<br />

• Karenzzeiten: Der pflegende Angehörige (<strong>der</strong> Begriff schließt auch nahe<br />

stehende Personen ein) kann sich wie beim Mutterschutzurlaub eine berufliche<br />

Auszeit nehmen <strong>und</strong> nach einer bestimmten Pflegezeit wie<strong>der</strong> sicher<br />

auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren. (ENQUETE-KOMMISSION 2005);<br />

• weiterer Aufbau nachbarschaftlicher o<strong>der</strong> hospizlicher ehrenamtlicher<br />

Netzwerke;<br />

• Integration von Palliative Care in die Gr<strong>und</strong>ausbildung von Pflegenden,<br />

Ärzten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en in die Sterbebegleitung involvierten Berufsgruppen,<br />

verstärkte Fortbildung <strong>und</strong> Begleitung.<br />

Impuls: Wie sähe es in Ihrem familiären Netz aus, wenn Familienmitglie<strong>der</strong><br />

ernsthaft über längere Zeit krank werden würden? Wer könnte <strong>und</strong> würde<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Pflege organisieren <strong>und</strong> leisten? Würden Sie Hospizhelfer in Anspruch nehmen?<br />

Impuls: Wie könnte eine gute Vorbereitung aussehen? Was würden Sie sich<br />

als künftige Pflegekraft wünschen?<br />

5. Entwicklung:<br />

Die Trauerkultur ist verarmt – Es fehlt Verständnis für Trauer <strong>und</strong><br />

es fehlen stimmige Rituale<br />

These: Rituale, die <strong>der</strong> Trauer immer wie<strong>der</strong> Form <strong>und</strong> Ausdruck <strong>und</strong> den<br />

Trauernden Sicherheit geben können, sind verloren gegangen.<br />

Wir sind arm geworden an Ritualen des Abschieds. Sie ersparen nicht die<br />

Schmerzen, aber sie helfen dabei, sie aktiv zu durchleben. Es gibt nur noch<br />

Reste einer Trauerkultur, die sich im Wesentlichen auf die Zeit <strong>der</strong> Bestattung<br />

beschränken.<br />

Ein Beispiel: Ich nehme Sie kurz auf eine „mo<strong>der</strong>ne Beerdigung“ mit, sofern<br />

die Bestattung nicht - wie es Trend ist - anonym geschieht, d. h. ohne Anwesenheit<br />

einer Trauergemeinde. Auf dieser Beerdingung stehen Sie zunächst<br />

vor einem bereits verschlossenen Sarg, <strong>der</strong> in einer öffentlichen Aufbahrungshalle<br />

hinter einer Glasscheibe mit Kunstlicht angestrahlt wird. Einen direkten<br />

Abschied vom Verstorbenen gibt es nicht. Die Bestattungsrede ist an den<br />

Pfarrer o<strong>der</strong> Bestattungsredner delegiert. Der Trauerzug folgt dann dem Pfarrer<br />

zur Grabstelle. Die gibt es allerdings nicht im eigentlichen Sinne, weil Erdaushub<br />

<strong>und</strong> Grab mit Kunstrasen unsichtbar gemacht wurden. Nichts erinnert<br />

an Vergänglichkeit. Der Sarg bleibt aufgebockt. Auf das Hinabsenken wird<br />

verzichtet, um die Hinterbliebenen zu schonen. Nach dem Segen geht <strong>der</strong><br />

Pfarrer. Die nächste Bestattung drängt. Die Schar <strong>der</strong> Trauernden bleibt zunächst<br />

ratlos zwischen den Grabsteinen zurück <strong>und</strong> löst sich dann auf.<br />

Häufig gibt es heute eher anonymisierende, isolierende <strong>und</strong> blockierende Regeln,<br />

z. B. „stille Trauer“, „in engstem Familienkreis“, „Sich-Beherrschen“ als<br />

Ideal, schnelles Wegschaffen <strong>der</strong> Leiche usw. (vgl. CANACAKIS 1993;<br />

BÖLSKER-SCHLICHT 2005, BODE, ROTH 1999).<br />

Es fehlen den Zurückgelassenen vor allem geeignete Rituale (z. B. <strong>der</strong> Erinnerung)<br />

<strong>und</strong> die stützende Gemeinschaft für die scheinbare Ewigkeit <strong>der</strong><br />

Trauer danach. Ein Abschied kommt dabei selten allein: Angehörige verlieren<br />

nicht nur z. B. ihren Partner, son<strong>der</strong>n oft auch den Kontakt zu ihren verunsicherten<br />

<strong>und</strong> ungeduldigen Fre<strong>und</strong>en. Eine Witwe erzählt: „Zorn <strong>und</strong> Tod sind<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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in unserer Gesellschaft absolute Tabus. Wie viele Male haben Menschen mich<br />

angeschaut <strong>und</strong> gesagt: ‚Lächle’, wenn ich schon alle meine Energien aufbringen<br />

musste, um nur auf den Beinen zu bleiben? Wie viele Male fühlten<br />

sich Leute durch meine Wutausbrüche abgestoßen? Zu oft, <strong>und</strong> das lehrt mich<br />

meine Wut zu verbergen.“ (CAINE 1990: 48)<br />

Was hier am Einzelbeispiel deutlich wurde, scheint die Gesellschaft zu durchziehen.<br />

Der Trauerforscher Jorgos Canacakis klagt:<br />

„In Gesellschaften, in denen Profit, Konsum <strong>und</strong> Materielles den Vorrang vor<br />

<strong>der</strong> Menschlichkeit, Umwelt <strong>und</strong> Solidarität beanspruchen, wo Jugend,<br />

Schönheit <strong>und</strong> permanente Ges<strong>und</strong>heit bis zum Exzess propagiert werden,<br />

um Alter, Krankheit, Behin<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> das Sterben mit allen Mitteln zum Verschwinden<br />

zu bringen, ist Trauer am falschen Platz. Trauer macht ja alles kaputt.<br />

Sie zerstört unsere schöne Welt <strong>der</strong> Werbung. Sie ist wie <strong>der</strong> Elefant im<br />

Porzellanladen unserer hochtechnologischen Illusionen <strong>und</strong> Bemühungen um<br />

ein Leben ohne Ende. ‚Plastik’ ist dafür ein Symbol; es ist nicht kaputtzukriegen.<br />

(…) Plastikwelten brauchen nicht zu trauern, weil sie nicht kaputtgehen.“<br />

(Canacakis 1993: 34)<br />

Konsequenzen, Chancen <strong>und</strong> Impulse: Die Unsicherheit durch den Verlust<br />

von festen alten Ritualen kann auch als Chance gesehen werden. Wir haben<br />

die Freiheit, in <strong>und</strong> mit den Gemeinschaften, in denen wir leben <strong>und</strong> arbeiten,<br />

passende <strong>und</strong> stimmige rituelle Formen des Trauerns selbst zu entwickeln.<br />

Impuls: Haben Sie Beispiele von Ritualen, die Ihnen gefallen? Was würden<br />

Sie sich in Zeiten von Trauer an Unterstützung wünschen?<br />

Literatur zu Sterben, Tod <strong>und</strong> Trauer in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft<br />

ARIÈS P.: Bil<strong>der</strong> zur Geschichte des Todes. <strong>München</strong>, Wien 1984<br />

ARIÈS P.: Geschichte des Todes. 5. Aufl. dtv <strong>München</strong> 1991<br />

BAUR E. G.., SCHMID-BODE W.: Und Danach? Wie <strong>der</strong> Tod <strong>kein</strong>e Angst macht. Hoffman <strong>und</strong><br />

Campe Verlag, Hamburg 2003<br />

BODE S, ROTH F: Der Trauer eine Heimat geben. Für einen lebendigen Umgang mit dem Tod.<br />

Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1999<br />

BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT HOSPIZ E. V. (Hrsg.): Hospizkultur im Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim.<br />

Indikatoren <strong>und</strong> Empfehlungen zur Palliativkompetenz. Der Hospiz Verlag, Wuppertal<br />

2006 (Bestelladresse: hospiz-verlag@t-online.de)<br />

CANAKAKIS J.: Ich sehe deine Tränen. Trauern, Klagen, Leben können. 8. Aufl., Kreuz Verlag,<br />

Stuttgart 1993<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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DER SPIEGEL: Tod: Auch mal heulen. Ein neuer Beruf entsteht: Sterbebegleiter helfen Todkranken<br />

beim Abschied vom Leben. Der Spiegel (47) 1993: 158-162<br />

ELIAS N. (1991): Über die Einsamkeit <strong>der</strong> Sterbenden. 7. Aufl., Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.<br />

M. 1991<br />

FALLER H.: Wie man in Deutschland stirbt. In: SOMMER Th. (Hrsg.): Leben in Deutschland.<br />

Anatomie einer Nation. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004: 352-363<br />

GESELLSCHAFT DES EPIDEMOLGSCHEN KREBSREGISTERS IN DEUTSCHLAND<br />

(GEKID), ROBERT KOCH-INSTITUT (Hrsg.): Krebs in Deutschland. Häufigkeiten <strong>und</strong> Trends.<br />

5. überarbeitete Ausgabe, Saarbrücken 2006<br />

GRONEMEYER R. (1990): Die Entfernung vom Wolfsrudel. Über den drohenden Krieg <strong>der</strong><br />

Jungen gegen die Alten. 3. Aufl. .. Düsseldorf 1990<br />

HELLER A.: Kultur des Sterbens. Bedingungen für das Lebensende gestalten. 2. erweiterte<br />

Aufl. Lambertus, Freiburg im Br. 2000<br />

HOWE J.: Die Phasentheorie des Sterbens von Kübler-Ross. In: HOWE J. (Hrsg.): Lehrbuch<br />

<strong>der</strong> psychologischen <strong>und</strong> sozialen Alternswissenschaft. Bd. 4: Sterben – Tod – Trauer. Heidelberg<br />

1992: 54-68<br />

IMHOF A. E.: Reife des Lebens. Gedanken eines Historikers zum längeren Dasein. <strong>München</strong><br />

1988<br />

IMHOF A. E. (Hrsg.): Die Zunahme unserer Lebensspanne seit 300 Jahren <strong>und</strong> ihre Folgen.<br />

Kohlhammer, Stuttgart 1996<br />

KALUZA J., TÖPFERWEIS G.: Sterben begleiten. Zur Praxis <strong>der</strong> Begleitung Sterben<strong>der</strong> durch<br />

Ärzte <strong>und</strong> Pflegekräfte. Trafo Verlag, Berlin 2005<br />

KLASCHIK E: Entwicklung <strong>und</strong> Stand <strong>der</strong> Palliativmedizin. In: HUSEBÖ S., KLASCHIK E.<br />

(Hrsg.): Palliativmedizin. Springer, Heidelberg u.a., 2003<br />

KRUSE A.: Die Endlichkeit des Lebens. Psychologische Bewältigung von Sterben <strong>und</strong> Tod. In:<br />

SCHEIDGEN H. (Hrsg.): Die allerbesten Jahre. Thema Alter. Beltz Verlag, Weinheim, Basel<br />

1988: 135-146<br />

KRUSE A.: Wohnen im Heim. Endstation o<strong>der</strong> Lebensort? Huber Verlag, Bern 1994<br />

KRUSE A.: Das letzte Lebensjahr. Zur körperlichen, psychischen <strong>und</strong> sozialen Situation des alten<br />

Menschen am Ende seines Lebens. „. Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 2006<br />

KÜBLER-ROSS E.: Leben bis wir Abschied nahmen. Kreuz Verlag, Stuttgart 1979<br />

KÜBLER-ROSS E.: Was können wir noch tun? Antworten auf Fragen nach Sterben <strong>und</strong> Tod<br />

KÜBLER-ROSS E.: Interviews mit Sterbenden. Kreuz Verlag, Stuttgart 1983<br />

KÜBLER-ROSS E., KESSLER D.: Geborgen im Leben. Droemer Knaur Verlag 2003<br />

NAUCK F., OSTGATHE C., KLASCHIK E.: Symptoms and symptom control during the last 3<br />

days of life. European Journal of Palliative Care 7 2003: 81 ff<br />

OCHSMANN R U. A.: Sterbeorte in Rheinland-Pfalz. Zur Demographie des Todes. Mainz 1997<br />

(Reihe: Beiträge zur Thanatologie, Heft 8)<br />

OCHSMANN R.: Sorge um an<strong>der</strong>e – Sorge um sich: Burn-Out in <strong>der</strong> Altenpflege. In: Existenz<br />

<strong>und</strong> Logos. Zeitschrift für sinnzentrierte Therapie, Beratung, Bildung (2) 2001<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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PISARSKI W.: Auch am Abend wird es licht sein. Die Kunst, zu leben <strong>und</strong> zu sterben. Claudius<br />

Verlag, <strong>München</strong> 2005<br />

SCHÄFER D.: Sterben, Tod <strong>und</strong> Sterbebegleitung. Pflegedokumentation 51 (4) 1998<br />

STATISTISCHES BUNDESAMT: Bericht Pflegestatistik 2003. Pflege im Rahmen <strong>der</strong> Pflegeversicherung.<br />

Deutschlan<strong>der</strong>gebnisse www.destatis.de/download/d/solei/bericht03deutschl,pdf<br />

15.6.05<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Basisartikel<br />

Palliativkultur entwickeln<br />

Eine Einführung in die Modellprojekte<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zukunft: Entwicklung von Palliativkompetenz im<br />

Heim<br />

In einer groß angelegten Studie zur Praxis <strong>der</strong> Sterbebegleitung in sächsischen<br />

Pflegeheimen <strong>und</strong> Krankenhäusern wurde folgende „Gewissensfrage“<br />

an die Mitarbeiter gestellt: „Sie kennen Ihr Pflegeheim/Krankenhaus selbst am<br />

besten. Wenn Sie die Bedingungen überschauen, würden Sie in Ihrem<br />

Heim/Krankenhaus sterben wollen?“ (KALUZA, TÖPFERWEIN 2005: 210 f.)<br />

Wie wäre Ihre Antwort für die Pflegeeinrichtung, in <strong>der</strong> Sie arbeiten o<strong>der</strong> die<br />

Sie kennen?<br />

Für Pflegeheime als Orte <strong>der</strong> letzten Lebensphase gehört die Sterbebegleitung<br />

immer schon zu den Kernaufgaben. Das ist nicht neu. Es gibt aber in den<br />

letzten Jahren dramatische Entwicklungen: wachsende Pflegeintensität, drastisch<br />

sinkende verbleibende Lebenszeit, Zunahme ethisch spannungsreicher<br />

<strong>und</strong> hochsensibler Entscheidungssituationen, unterbewertete Schmerztherapie<br />

<strong>und</strong> Symptomkontrolle, steigen<strong>der</strong> Anteil demenziell erkrankter Menschen,<br />

hoch belastetes Pflegepersonal, immer drücken<strong>der</strong>e For<strong>der</strong>ung nach Wirtschaftlichkeit.<br />

(Pleschberger 2005; Brüll 2005). Heime entwickeln sich zugespitzt<br />

zu „Orten <strong>der</strong> Konzentration <strong>der</strong> Unerträglichen“ (Dörner 2003; vgl. Gronemeyer<br />

2004). Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite hat sich das praktische <strong>und</strong> theoretische<br />

Wissen in Palliativpflege <strong>und</strong> -medizin deutlich erweitert.<br />

Pflegeheime sind in Not. Hospize genießen in <strong>der</strong> öffentlichen Aufmerksamkeit,<br />

aber auch in <strong>der</strong> Wahrnehmung von Pflegekräften inzwischen einen hohen<br />

Status. Geschieht dagegen in Alten- <strong>und</strong> Pflegeheimen ein Sterben II. o<strong>der</strong><br />

III. Klasse? (vgl. Sangathe Husebö 2003: 387) Inzwischen hat die Politik<br />

die wachsende Bedeutung <strong>und</strong> die Dringlichkeit <strong>der</strong> Palliativversorgung erkannt:<br />

„Diese palliativmedizinische <strong>und</strong> palliativpflegerische Kompetenz in die<br />

Alten- <strong>und</strong> Pflegeheime zu integrieren, wird eine <strong>der</strong> größten Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> nächsten Jahre sein.“ (Enquete-Kommission 2005: 35 f). Es ist allerdings<br />

noch offen, ob dieser politischen Mahnung auch (finanzielle) Unterstützung<br />

für die Einrichtungen folgt.<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Palliativkompetenz im Heim: 20 Fragen als Wegweiser<br />

Wann lässt sich nun von einer Hospizkultur <strong>und</strong> von Palliativkompetenz im<br />

Heim sprechen? Wie lässt sich diese unter den Bedingungen <strong>der</strong> stationären<br />

Altenpflege för<strong>der</strong>n? Die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft (BAG) Hospiz hat dazu<br />

im November 2005 ein Arbeitspapier ihrer Fachgruppe „Hospizarbeit in Einrichtungen“<br />

verabschiedet. Es ist eine Art „Landkarte für Palliativkompetenz im<br />

Heim entstanden“. Sie basiert auf den Erk<strong>und</strong>ungen <strong>und</strong> Erfahrungen aus einer<br />

Reihe von Praxisprojekten in Heimen. In Form von 20 Fragenbündel liefert<br />

das Papier „Indikatoren <strong>und</strong> Empfehlungen für die Implementierung von Palliativkompetenz<br />

für Pflegeheime“ (BAG 2005). Die Schlüsselfragen fungieren<br />

als Wegweiser. Ich nenne einige dieser BAG-Fragen <strong>und</strong> nutze sie, um in einem<br />

kleinen Streifzug einige <strong>der</strong> Antworten aus Modellprojekten „Palliativkompetenz<br />

<strong>und</strong> Hospizkultur“ gerafft vorzustellen.<br />

Beispiel: Fragen zur Kultur <strong>und</strong> Leitung des Hauses<br />

Hat sich das Haus eine Zeit lang schwerpunktmäßig mit <strong>der</strong> Sterbe- <strong>und</strong> Abschiedskultur<br />

beschäftigt? Gibt es ein Projekt zur Implementierung von Palliative<br />

Care <strong>und</strong> Hospizidee? Wird o<strong>der</strong> wurde hausintern <strong>und</strong> schriftlich ein Text<br />

mit „Leitgedanken zur Sterbebegleitung“ entwickelt, <strong>der</strong> Auskunft gibt, welche<br />

Gr<strong>und</strong>auffassung von den Mitarbeitenden getragen <strong>und</strong> gelebt wird, wenn es<br />

um die Themen Sterben-Tod-Abschied geht? Wird o<strong>der</strong> wurde die Sterbe- <strong>und</strong><br />

Abschiedskultur <strong>der</strong> Einrichtung ausführlich im Zusammenhang erfasst <strong>und</strong><br />

benannt (Analyse <strong>der</strong> bestehenden Kultur) <strong>und</strong> auch gewürdigt?<br />

Die Implementierung von Palliativkompetenz ist - wie jede tief greifende Organisationsentwicklung<br />

- ein längerfristiger, sensibler Prozess (Laufzeit: mindestens<br />

ein bis zwei Jahre). Einige Häuser gehen in Einzelinitiative vor, an<strong>der</strong>e<br />

nutzen externe Beratung. Einige Träger, z. B. Diakonisches Werk Bayern, <strong>Caritasverband</strong><br />

<strong>München</strong> o<strong>der</strong> Sozialservice-Gesellschaft des Bayerischen Roten<br />

Kreuzes, investieren inzwischen erhebliche Mittel, um Freiräume für Projektgruppen<br />

o<strong>der</strong> Qualitätszirkel in ihren Einrichtungen zu schaffen. Neben <strong>der</strong><br />

aufwändigen, intensiven, direkten Projektberatung gibt es nun auch die Variante<br />

<strong>der</strong> so genannten Projekt-Werkstatt für Träger, die „flächendeckend“ die<br />

palliative Versorgung in ihren Einrichtungen verbessern wollen: Jeweils ein<br />

Tandem, bestehend aus einer Leitungskraft <strong>und</strong> einer erfahrenen Mitarbeiterin<br />

eines Hauses, initiieren <strong>und</strong> mo<strong>der</strong>ieren eine Projektgruppe in ihrer Einrichtung<br />

<strong>und</strong> werden dabei durch die Projekt-Werkstatt mit einem einführenden<br />

Workshop <strong>und</strong> durch regelmäßige Praxisberatung in <strong>der</strong> Gruppe unterstützt.<br />

Die Modellprojekte umfassen in <strong>der</strong> Regel eine Ist/Soll-Analyse. Für die Bestandsaufnahme<br />

verwenden wir als Projektbegleiter die BAG-Fragen als Fra-<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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gebogen. Die Ist-Analyse kann eingebettet in „Startveranstaltungen“ sein.<br />

Hierbei werden die MitarbeiterInnen <strong>der</strong> gesamten Einrichtung für das Projekt<br />

sensibilisiert <strong>und</strong> motiviert, die vorhandenen Anstrengungen in <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

gesichtet <strong>und</strong> gewürdigt <strong>und</strong> eine gemeinsame Vision mit konkreten<br />

Verän<strong>der</strong>ungsvorgaben entwickelt (z.B. schmerztherapeutische Versorgung<br />

verbessern, ungewollte Krankenhauseinweisungen verringern, Sicherheit in<br />

<strong>der</strong> palliativen Pflege gewinnen). Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme<br />

werden in <strong>der</strong> Projektgruppe des Hauses Schritt für Schritt Leitlinien <strong>und</strong><br />

Standards entwickelt <strong>und</strong> erprobt. In den Leitlinien werden Gr<strong>und</strong>haltungen<br />

formuliert, denen sich die Mitarbeiter in <strong>der</strong> Sterbebegleitung verpflichtet fühlen,<br />

überprüfbare Ziele gesetzt <strong>und</strong> ein Spektrum von Maßnahmen genannt.<br />

Die praktischen Ideen in einem Konzept zu klammern, hat sich als hilfreich<br />

erwiesen: Die Leitlinien zur Sterbebegleitung sind ein nachprüfbares Versprechen<br />

<strong>der</strong> Einrichtung nach außen <strong>und</strong> fungieren als „Verfassung“ nach innen.<br />

Flankiert wird die Arbeit <strong>der</strong> Projektgruppe durch Informationsveranstaltungen<br />

für Bewohner, Angehörige, Ärzte <strong>und</strong> Mitarbeiter. In einer Reihe von internen<br />

Fortbildungen werden die pflegerischen, kommunikativen <strong>und</strong> persönlichen<br />

Kompetenzen <strong>der</strong> Mitarbeiter geför<strong>der</strong>t, damit die entwickelten neuen Standards<br />

auch möglichst optimal erbracht werden können. Es hat sich dabei bewährt,<br />

wenn möglichst alle Mitarbeiter eine kompakte palliative Basisschulung<br />

haben. Die Robert Bosch Stiftung hat übrigens dazu speziell für Pflegeheime<br />

ein Fortbildungsmodell „Palliative Praxis„ entwickelt. In <strong>der</strong> Beratung achten<br />

wir darauf, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch unter den Bedingungen<br />

vor Ort umsetzbar sind <strong>und</strong> nicht überfor<strong>der</strong>n. Neben interner Qualitätsverbesserung<br />

ist auch eine Vernetzung mit externen Diensten (Krankenhäuser,<br />

Hausärzten, Hospizverein) vorgesehen. Beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit richten<br />

wir im Projekt auf die „Nachhaltigkeit“, d. h. auf die Frage, über welche<br />

Möglichkeiten palliative Idee <strong>und</strong> Praxis auch über den Zeitraum eines Projektes<br />

lebendig bleiben kann.<br />

Fragen <strong>und</strong> Beispiele zu Bewohnern <strong>und</strong> Mitarbeitern<br />

Werden die Wünsche, Bedürfnisse <strong>und</strong> Vorstellungen <strong>der</strong> BewohnerInnen <strong>und</strong><br />

Angehörigen zu diesem Thema erfasst (z. B. beim Heimeinzug, <strong>der</strong> Beratung<br />

zur Patientenverfügung, <strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> Vorsorgevollmacht)? Werden<br />

die Ideen, Bedürfnisse <strong>und</strong> Vorstellungen aller Mitarbeiter erfasst <strong>und</strong> gewürdigt?<br />

Besteht hier Spielraum für individuelle Vorlieben, Abneigungen <strong>und</strong> Fähigkeiten?<br />

(…) Werden neue Mitarbeiter auf das Thema eingestimmt (Bewerbungsgespräch)<br />

Werden neue Mitarbeiter <strong>und</strong> Auszubildende in die Sterbegleitung<br />

<strong>und</strong> in die Abschiedskultur eingeführt?<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Sterbebegleitung beginnt bereits mit dem Einzug. Das bedeutet Vorstellungen,<br />

Wünsche, Ängste möglichst frühzeitig in taktvoller Weise zu thematisieren <strong>und</strong><br />

direkt mit den Bewohnern o<strong>der</strong> – falls dieses nicht möglich – mit den autorisierten<br />

Angehörigen ins Gespräch zu kommen. Natürlich muss dabei immer<br />

auch die Freiheit <strong>der</strong> Betroffenen gewahrt bleiben, hier nichts besprechen <strong>und</strong><br />

regeln zu wollen. In <strong>der</strong> Regel sind diese Gesprächsangebote willkommen <strong>und</strong><br />

werden erleichtert angenommen. Über 80% <strong>der</strong> Menschen wünschen sich<br />

rechtliche Informationen. (Deutsche Hospiz Stiftung 2005). Einige Häuser haben<br />

deshalb Mitarbeiter schulen lassen, um möglichst niedrigschwellig Bewohner<br />

<strong>und</strong> Angehörige zu <strong>der</strong>en Fragen <strong>der</strong> Vorsorge zu informieren. o<strong>der</strong><br />

sie nutzen die Expertise von kooperierenden Hospizdiensten <strong>und</strong> vermitteln<br />

spezielle Beratung o<strong>der</strong> bewährte Dokumente <strong>der</strong> Vorsorge. Eine ärztlich beratene<br />

Notfallplanung kann eine wichtige Ergänzung sein, die den Beteiligten<br />

in absehbaren Krisen Sicherheit gibt.<br />

Sterbebegleitung ist immer Teamarbeit. Auch die Kollegen, die nicht direkt am<br />

Sterbebett begleiten wollen o<strong>der</strong> können, leisten ihren Beitrag: Sie ermöglichen<br />

Kollegen, einige Minuten länger am Bett zu bleiben, weil sie <strong>der</strong>en Aufgaben<br />

außerhalb des Krankenzimmer übernehmen. Eine zentrale Frage in<br />

den meisten Projekten ist, wie mehr Zeit für Sterbebegleitung gewonnen werden<br />

kann. Die Antwort darauf ist vielschichtig <strong>und</strong> wird in Beratung <strong>und</strong> Fortbildung<br />

entwickelt: intensivere Begegnung (Qualität des Augenblicks statt<br />

Quantität), die (überhöhten) Ideale einer Sterbebegleitung überprüfen („Dauerpräsenz<br />

am Bett“, Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Leid-Problematik), interne <strong>und</strong><br />

externe Hilfen vor Ort organisieren (z. B. Kooperationen mit Sitzwachengruppen,<br />

ehrenamtlichen Hospizdiensten).<br />

Mit den neuen Ausbildungsordnungen hat sich die Pflege verjüngt. Viele Auszubildende<br />

sind unter 20 Jahre <strong>und</strong> „kennen“ Sterben nur aus dem Krimi im<br />

Fernsehen. In den Projekten werden Schritte überlegt, wie diese behutsam an<br />

verschiedene Situationen, z. B. Versorgung Verstorbener“, herangeführt werden<br />

können. Auch entlastende Teamrituale des Gedenkens sind häufig Teil<br />

<strong>der</strong> Projektinitiativen. Das kann von <strong>der</strong> einfachen „Schweigeminute“ in <strong>der</strong><br />

Übergabe bis hin zu kleinen Gedenkfeiern im Rahmen von Teamsitzungen<br />

reichen. Ein F<strong>und</strong>us von Texten <strong>und</strong> Musik vereinfacht die Gestaltung <strong>und</strong><br />

regt persönliche Beteiligung <strong>und</strong> Kreativität an.<br />

Fragen <strong>und</strong> Beispiele zu Angehörigenarbeit<br />

(…) Wie werden Angehörige <strong>und</strong> Bezugspersonen ggf. in die Sterbebegleitung<br />

einbezogen? Haben ihre Bedürfnisse dabei Gewicht?<br />

Die Einrichtung muss Initiative entwickeln, nicht <strong>der</strong> Angehörige. Die kleinen<br />

Gesten <strong>der</strong> Unterstützung sind dabei wichtig: möglichst frühzeitig ins Ge-<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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spräch kommen, Ansprechpartner im Team benennen, Anleitung kleiner praktischer<br />

Hilfen, Anbieten von Essen <strong>und</strong> Trinken, unkompliziertes Bereitstellen<br />

eines Gästebetts, Ermutigen, sich auch Auszeiten zu gönnen, Ermöglichen eines<br />

Abschieds in räumlich angenehmer Atmosphäre ohne Zeitdruck (mindestens<br />

bis zu 24 Std.), Angebote für symbolisch-rituellen Abschied (symbolische<br />

Gegenstände, Bildkarten Texte, Gebete, Musik), Begleitung am Totenbett,<br />

persönliche Nachfrage <strong>der</strong> Bereichsleitung durch Karte <strong>und</strong> Anruf nach einigen<br />

Wochen, Möglichkeiten des Gedenkens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erinnerung (z. B. Gedenkfeier).<br />

Im Kontakt mit Angehörigen ist die Gr<strong>und</strong>haltung entscheidend, mit <strong>der</strong> ihnen<br />

Pflegekräfte begegnen: Begegnung ohne moralische Beurteilung. „Angehörige<br />

sind Leidtragende <strong>und</strong> Leidende wie <strong>der</strong> Sterbende selbst.“ (Pauls 2003). Sie<br />

haben das Recht, unkooperativ zu sein. Sie haben das Recht, sich auf ihre<br />

Weise dem Unausweichlichen zu nähern (Müller 2003).<br />

Sterbebegleitung: Die Organisation ist entscheidend<br />

Bei den Antworten auf die eingangs gestellte Frage, ob Mitarbeitern sich ein<br />

Sterben in <strong>der</strong> eigenen Einrichtung vorstellen können, liefert die sächsische<br />

Studie einen doppelten Bef<strong>und</strong>: 1. Fast die Hälfte <strong>der</strong> Pflegekräfte misstraut<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung im eigenen Haus. 2. Der Grad des Vertrauens steigt, je<br />

mehr <strong>der</strong> oben genannten organisatorischen Faktoren erfüllt sind …<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Übersicht: Schaubild<br />

Ein Einrichtungskonzept visualisieren<br />

Ein Beispiel für ein Hospizkonzept in Bild u.Stichworten<br />

• Seelsorgerliche Besuche<br />

• Beteiligung an Aussegnung<br />

<strong>und</strong> Gedenkfeiern<br />

• Auf Wunsch Bestattungsfeier<br />

• Hotline für Beratung<br />

bei<br />

Schmerztherapie<br />

• Erstellen von<br />

Notfallplänen<br />

• Unterstützung<br />

durch systematischeSchmerzbeobachtung<br />

(z.<br />

B. bei Demenzkranken)<br />

• Angehörigenabende<br />

zum<br />

Thema<br />

• Beson<strong>der</strong>e<br />

Gespräche<br />

zur Vorsorge<br />

• Beson<strong>der</strong>e<br />

Unterstützung<br />

in <strong>der</strong> Zeit des<br />

Sterbens <strong>und</strong><br />

Abschieds (z.<br />

B. Begleitung<br />

am Totenbett)<br />

• Abschiedsbuch<br />

• Große halbjährlicheGedenkfeier<br />

• Dreistufige Fortbildung: Basiskompetenzen für alle Mitarbeiter (z. B. „Pflege in <strong>der</strong><br />

terminalen Phase“ , Basiswissen Schmerztherapie, Schmerzbeobachtung bei<br />

Demenzkranken, Gr<strong>und</strong>haltung Begleitung)<br />

• ,Training für beson<strong>der</strong>e Situationen(z. B. Begleitung am Totenbett <strong>und</strong> spezielle<br />

Vertiefung von Palliative-Cae-Kräften<br />

• Palliative-Care-Fachkräfte im Team mit klarem Aufgabenprofil (Aufgaben u.a.: Beratung<br />

<strong>und</strong> Anleitung von KollegInnen)<br />

• Beson<strong>der</strong>e zeitliche Absprachen für die Sterbebegleitung<br />

• Einarbeitungskonzept „Sterbebegleitung“ für Auszubildende<br />

• Monatliches Abschiedsritual im Team in Gedenken an Verstorbene<br />

• Bei belastenden Todesfällen Supervision möglich<br />

• Konzept entwickelt mit Leitgedanken <strong>und</strong> Standards<br />

• Projektgruppe tagt regelmäßig<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

• Liefern geeiste o<strong>der</strong> angedickte Hilfen für<br />

die M<strong>und</strong>pflege<br />

• Sorgen für Blumenschmuck <strong>und</strong> Utensilien<br />

im Trauerkorb (Z. B. Karten, Kerzen)<br />

• Sind geschult im Verhalten in <strong>der</strong> terminalen<br />

Phase (z. B. bei Zimmerreinigung)<br />

• Vereinbarung: mindestens<br />

24 Std. Aufbahrungszeit<br />

• Ansprechen<strong>der</strong> Abschiedsraum<br />

mit gestaltetem Flur<br />

(„Baum des Lebens“)<br />

• Überführung mit letzten Geleit<br />

durch HL/PDL <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

• Kooperation mit Hospizverein<br />

FFB<br />

• Koordination über Hospizbeauftragte<br />

• Angebot von Gesprächen<br />

zur Vorsorge<br />

• Informationen <strong>und</strong> Hilfen<br />

beim Erstellen von Patientenverfügungen<br />

• Thema Sterben auch in<br />

Gesprächsgruppen („Beschäftigung“)<br />

• Symbole des Gedenkens<br />

(Trauerflor)<br />

• Wand des Gedenkens<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Literatur zu Palliativkultur im Pflegeheim<br />

Alsheimer, M.; Stich, V. (2005): Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen. Pilotprojekt zur Palliativversorgung<br />

im ambulanten Bereich. Bayreuth: Bayerische Stiftung Hospiz (Arbeitshilfen 6)<br />

Alsheimer, M.; Schmidt, D. (2006): Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben. Projekt zur<br />

Palliativversorgung im Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim. Erscheint voraussichtlich im Dezember 2006.<br />

Bayreuth: Bayerische Stiftung Hospiz<br />

BAG – B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Hospiz e. V. (2005): Hospizkultur im Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim.<br />

Indikatoren <strong>und</strong> Empfehlungen zur Palliativkompetenz<br />

Brüll, H.-M. (2005): Sterbebegleitung im Heim. Eine qualitative Erk<strong>und</strong>ungsstudie zur Situation<br />

<strong>und</strong> zu Werteeinstellungen von Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern in <strong>der</strong> stationären Altenhilfe.<br />

Schriften des Instituts für Bildung <strong>und</strong> Ethik, Nr. 4. Weingarten: Pädagogische Hochschule<br />

Weingarten<br />

Deutsche Hospiz Stiftung (11/2005): Wie denken die deutschen über die Patientenverfügung<br />

(http://www.hospize.de/ftp/tns_studie_05.pdf)<br />

Dörner, K. (2003): „Ein gelungenes Leben bedarf <strong>der</strong> Last“ (Interview). Die Zeit, 06.03.2003 (11)<br />

Enquete-Kommission „Ethik <strong>und</strong> Recht <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Medizin“ des Deutschen B<strong>und</strong>estages.<br />

Zwischenbericht, 22.06.05. (www.dgpalliativmedizin.de>>Downloads)<br />

Gronemeyer, R. (2004): Kampf <strong>der</strong> Generationen. <strong>München</strong>: DVA<br />

Heimerl, K.; Heller, A.; Kittelberger, F. (2005): Daheim sterben. Palliative Kultur im Pflegeheim.<br />

Freiburg: Lambertus<br />

Heimerl, K.; Heller, A.; Zepke, G.; Zimmermann-Seitz, H. (2000): Individualität organisieren –<br />

OrganisationsKultur des Sterbens. Ein interventionsorientiertes Forschungs- <strong>und</strong> Beratungsprojekt<br />

des IFF mit <strong>der</strong> DiD. In: Heller, A. et al. (Hg.) (2000): Wenn nichts mehr zu<br />

machen ist, ist noch viel zu tun. Wie alte Menschen würdig sterben können. 2. Aufl., Freiburg:<br />

Lambertus, 39-73<br />

Heller, A.; Heimerl, K.; Metz, Ch. (Hg.) (2000): Kultur des Sterbens. Bedingungen für das Lebensende<br />

gestalten. 2. erw. Aufl., Freiburg im Br.: Lambertus<br />

Heller, A.; Heimerl, K.; Berlach-Pobitzer, I. (2002): Leben bis zuletzt. Palliativbetreuung in den<br />

Alten- <strong>und</strong> Pflegeheimen <strong>der</strong> Inneren Mission <strong>München</strong>. Bewohnerbefragung im Alten- <strong>und</strong><br />

Pflegeheim Ebenhausen. Dokumentation. Wien: IFF<br />

Heller, A.; Dinges, S.; Heimerl, K.; Reitinger, E.; Wegleitner, K. (2003): Palliative Kultur in <strong>der</strong><br />

stationären Altenhilfe. Zeitschrift für Gerontologie <strong>und</strong> Geriatrie 36, 360-365<br />

Husebö, S.; Klaschik, E. (2003): Palliativmedizin. Praktische Einführung in Schmerztherapie,<br />

Ethik <strong>und</strong> Kommunikation. 3. Aufl., Berlin; Heidelberg; New York: Springer<br />

Kaluza, J.; Töpferwein, G. (2005): Sterben begleiten. Zur Praxis <strong>der</strong> Sterbebegleitung durch<br />

Ärzte <strong>und</strong> Pflegende. Eine empirische Studie. Berlin: trafo verlag<br />

Kojer, M. (Hg.) (2002): Alt, krank <strong>und</strong> verwirrt. Einführung in die Praxis <strong>der</strong> Palliativen Geriatrie.<br />

Freiburg im Br.: Lambertus<br />

Lilie, U. (2004): Zur Implementierung <strong>der</strong> Hospizidee in Krankenhäuser <strong>und</strong> Einrichtungen <strong>der</strong><br />

Altenhilfe. In: Lilie, U.; Zwierlein, E. (2004): Handbuch integrierte Sterbebegleitung. Gütersloh:<br />

Gütersloher Verlagshaus, 45-49<br />

Müller, M.; Kessler, G. (2000) (Hg.): Implementierung von Hospizidee <strong>und</strong> Palliativmedizin in die<br />

Struktur <strong>und</strong> Arbeitsabläufe eines Altenheimes. Bonn: Pallia Med Verlag<br />

Müller, M. (2004): Dem Sterben Leben geben. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus<br />

Orth, Ch.; Alsheimer, M. (2005): „… Nicht sang- <strong>und</strong> klanglos gehen.“ Abschlussbericht über die<br />

Implementierungsphase von palliativer Versorgung <strong>und</strong> Hospizidee im Alten- <strong>und</strong> Pflege-<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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heim Leonhard-Henninger-Haus, <strong>München</strong>. Bayreuth: Bayerische Stiftung Hospiz (Arbeitshilfen<br />

5)<br />

Pauls, C. (2003): Perspektivenerweiterung: Die Würde <strong>der</strong> Angehörigen am Sterbebett. Vortrag<br />

im Deutschen Ethikrat (www.chrispaul.de/artikel.html)<br />

Pleschberger, S. (2005): Nur nicht zur Last fallen. Sterben in Würde aus <strong>der</strong> Sicht alter Menschen.<br />

Freiburg im Br.: Lambertus<br />

Reitinger, E.; Heller, A.; Tesch-Römer, C.; Zeman, P. (2004): Leitkategorie Menschenwürde.<br />

Zum Sterben in stationären Pflegeeinrichtungen. Freiburg im Br.: Lambertus<br />

Sangathe Husebö, B.: (2003): Palliativmedizin in <strong>der</strong> Geriatrie. Wie alte, schwer kranke Menschen<br />

leben <strong>und</strong> sterben. In: Husebö, S.; Klaschik, E. (2003): Palliativmedizin. Praktische<br />

Einführung in Schmerztherapie, Ethik <strong>und</strong> Kommunikation. 3. Aufl., Berlin; Heidelberg; New<br />

York: Springer<br />

Wilkening, K.; Kunz, R. (2003): Sterben im Pflegeheim. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Qualitätskontrolliertes Sterben?<br />

Zur Diskussion um Qualität <strong>und</strong> Standards in <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

Hinweis zur Verwendung::<br />

Begrifflichkeiten wie „Management, Standards, Qualität“ in Verbindung mit<br />

„Sterbebegleitung“ provozieren verständlicherweise Wi<strong>der</strong>stände. Der Beitrag<br />

begründet zunächst, warum Sterbebegleitung nicht nur eine zwischenmenschliche,<br />

son<strong>der</strong>n auch eine organisatorische Herausfor<strong>der</strong>ung ist. Natürlich gibt<br />

es die Gefahr <strong>der</strong> technischen Deformierung von Standards. Um diesen Risiko<br />

zu begegnen, formulieren wir Ansprüche an „Standards“ in <strong>der</strong> Sterbebegleitung.<br />

Der Beitrag soll Sie in Ihrer Argumentation unterstützen, wenn es darum geht,<br />

Verständnis den organisatorischen Rahmen für eine gelingende Sterbebegleitung<br />

zu wecken. Gleichzeitig können Sie mit Hilfe <strong>der</strong> Maßstäbe die gesammelten<br />

Arbeitshilfen dieses Ordners, aber auch das entwickelte eigene Material<br />

prüfen.<br />

Die so genannte „Gewissensfrage“ in einer groß angelegten Studie zur Praxis<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung in sächsischen Pflegeheimen <strong>und</strong> Krankenhäusern lautete<br />

wie folgt: „Sie kennen Ihr Pflegeheim/Krankenhaus selbst am besten.<br />

Wenn Sie die Bedingungen überschauen, würden Sie in Ihrem<br />

Heim/Krankenhaus sterben wollen?“ (KALUZA, TÖPFERWEIN 2005: 210 f.)<br />

Das Ergebnis: Je weiter entfernt die Befragten von <strong>der</strong> konkreten Pflegesituation<br />

in <strong>der</strong> jeweiligen Einrichtung arbeiten, umso höher ist <strong>der</strong>en Zustimmung.<br />

Während nur knapp die Hälfte <strong>der</strong> Pflegekräfte in Heimen <strong>und</strong> nur etwas mehr<br />

als ein Drittel des Pflegepersonals in Krankenhäusern sich ein Sterben in <strong>der</strong><br />

eigenen Einrichtung vorstellen können, bejahen Pflegedienstleitungen (63%<br />

Heim, 48% Krankenhaus) <strong>und</strong> Einrichtungsleiter (75% Heim, 57% Krankenhaus)<br />

diese Frage deutlicher. Die Untersuchung zeigt einen weiteren interessanten<br />

Zusammenhang: Je besser bestimmte Situationen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

organisiert sind, umso stärker ist die Bejahung bei <strong>der</strong> „Gewissensfrage“.<br />

Die zitierte <strong>und</strong> eine ganze Reihe weiterer Studien zur Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

in Einrichtungen legen nahe, dass Sterbebegleitung nicht nur als zwi-<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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schenmenschliche Begegnung o<strong>der</strong> persönliche Erfahrung zu sehen ist, son<strong>der</strong>n<br />

– wie es die ENQUETE-KOMMISSION ETHIK UND RECHT DER<br />

MODERNEN MEDIZIN (2005) formuliert - auch als eine beson<strong>der</strong>e organisatorische<br />

„Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zukunft“ begriffen werden muss.<br />

„Wir leben in einer Gesellschaft von Organisationen. Wesentliche gesellschaftliche<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen – wie z. B. Bildung, Ges<strong>und</strong>heit o<strong>der</strong> Recht – werden<br />

in Organisationen bearbeitet. Wir leben aber nicht nur in Organisationen, wir<br />

sterben auch dort. Im deutschsprachigen Raum sterben bis zu 80% <strong>der</strong> Menschen<br />

in einer Institution – im Krankenhaus o<strong>der</strong> im Pflegeheim. Die Umsetzung<br />

des Konzeptes <strong>der</strong> Palliative Care greift in die Strukturen <strong>und</strong> Entscheidungen,<br />

in die Normen <strong>und</strong> Werte <strong>der</strong> Organisationen ein <strong>und</strong> verän<strong>der</strong>t sie.<br />

(…) Organisationen lernen an<strong>der</strong>s als Personen. Personen lernen beispielsweise<br />

in Fortbildungen, Organisationen lernen über Entscheidungen <strong>und</strong> über<br />

neue o<strong>der</strong> verbesserte Kommunikationsstrukturen. Ein zentrales Instrument<br />

für das Lernen von Organisationen sind Projekte …“ 1<br />

„Qualitätskontrolliertes Sterben …“ Der Giessener Soziologe <strong>und</strong> Theologe<br />

Reimer Gronemeyer schüttelt sich bei <strong>der</strong> Vorstellung, dass nun auch das<br />

Sterben unter Qualitätsgesichtspunkten gestellt wird 2 Darf Sterbebegleitung<br />

„standardisiert“ werden? Der Versuch, Sterbebegleitung in Leitgedanken, Ziele<br />

<strong>und</strong> Maßnahmen zu fassen, mag zunächst befremden. „O Herr, gib jedem<br />

seinen eigenen Tod; das Sterben, das aus jenem Leben geht, darin er Liebe<br />

hat, Sinn <strong>und</strong> Not ..“ 3 , betet Rilke Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts angesichts des<br />

„mo<strong>der</strong>nen“ einheitlich geregelten Ablebens <strong>und</strong> <strong>der</strong> unpersönlichen Sterbebegleitung<br />

in den großen Spitälern. Dieses Verständnis von Standard <strong>und</strong> diese<br />

Form <strong>der</strong> Standardisierung wäre auch für uns ein Alptraum. 4<br />

Sterben ist <strong>und</strong> bleibt ein individueller Prozess. Wir behaupten <strong>und</strong> formulieren<br />

mit unseren verschiedenen Standards <strong>kein</strong>e Rezepte wie Sterbebegleitung<br />

abzulaufen hat. 5 Was wir schaffen wollen ist ein verlässlicher Rahmen von<br />

1 HEIMERL K., HELLER A., PLESCHBERGER S.: Implementierung <strong>der</strong> Palliative Care im Überblick.In:<br />

KNIPPING C. (Hrsg.): Lehrbuch Palliative Care. Mit einem Geleitwort von Reimer Gronemeyer. Verlag Hans<br />

Huber, Bern 2006, S. 55<br />

2 Vgl. zu dieser Horrorvorstellung eines „Qualitätskontrollierten Sterbens“; GRONEMEYER R.: Die späte Institution.<br />

Das Hospiz als Fluchtburg. In: GRONEMEYER R., LOEWY E.: Wohin mit den Sterbenden. Hospize<br />

in Europa. Ansätze zu einem Vergleich. LIT Verlag, Münster 2002: 143<br />

3 RILKE R. M.: Das St<strong>und</strong>enbuch. Das Buch von <strong>der</strong> Armut <strong>und</strong> dem Tode. 1903<br />

4 Siehe zur Qualitätsdiskussion: HÖVER G.: Neue Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Qualitätssicherung in <strong>der</strong><br />

Hospiz- <strong>und</strong> Palliativarbeit. Die Hospiz-Zeitschrift (3), 2003: 4-7. GRAF G., ROSS, J.: Brauchen wir Qualitätssicherung<br />

in <strong>der</strong> Hospizarbeit? Die Hospiz-Zeitschrift (3), 2003, 14-17<br />

5 Wir teilen das Verständnis von Adelheid von Stoesser. Siehe: STÖSSER A. v.: Pflegestandards. Erneuerung<br />

<strong>der</strong> Pflege durch Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Standards. 3. erweiterte <strong>und</strong> überarbeitete Auflage, Springer Verlag,<br />

Berlin 2003<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Kommunikation <strong>und</strong> palliativpflegerischer Qualität. „Was Qualität ist, weiß <strong>der</strong><br />

Patient am besten.“ 1 Dieser Rahmen soll einerseits möglichst viel an Individualität<br />

des Sterbenden <strong>und</strong> an Kommunikation <strong>der</strong> Betroffenen ermöglichen<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits den Mitarbeitern in <strong>der</strong> Pflege <strong>und</strong> den kooperierenden Ärzten<br />

Sicherheit <strong>und</strong> Unterstützung geben. Wir organisieren <strong>und</strong> ermöglichen<br />

somit Möglichkeiten, aber <strong>kein</strong>e Zwinglichkeiten! Unsere Standards verstehen<br />

wir als „wissensbasierte Problemlösungen“ 2<br />

Unsere Ansprüche an palliative Standards<br />

Damit sind drei Ansprüche o<strong>der</strong> Prinzipien für das Entwickeln von Standards<br />

verb<strong>und</strong>en:<br />

• Die Standards müssen in ihren Zielen <strong>und</strong> Inhalten begründet werden <strong>und</strong><br />

nachvollziehbar sein. Entsprechend knüpfen wir jeweils in den Einführungen<br />

Begründungszusammenhänge <strong>und</strong> liefern in Info-Blöcken o<strong>der</strong> in<br />

Klammern Details zu Handlungsempfehlungen, wo uns dies für das bessere<br />

Verständnis notwendig erscheint.<br />

• Die Standards sollen ethisch vertretbare Evaluierungswege <strong>der</strong> Qualität<br />

zeigen. 3 Deshalb legen wir bei den entwickelten <strong>und</strong> gesammelten Standards<br />

Wert auf überprüfbare Zielformulierungen <strong>und</strong> Anregungen für die<br />

Bewertung aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Betroffenen <strong>und</strong> Beteiligten.<br />

• Und: Sie sollen Denken <strong>und</strong> Kommunikation in <strong>der</strong> Situation anregen,<br />

nicht abschalten! In vielen Standards geben wir entsprechende Impulse<br />

für das Gespräch o<strong>der</strong> für die Schärfung <strong>der</strong> Wahrnehmung. Die wichtigste<br />

Vorbeugung gegen ein starres Verständnis von Standards ist Kommunikation.<br />

Unter diesen Maximen haben wir in verschiedenen Projekten Standards zu<br />

Schlüsselfragen entwickelt. Die beson<strong>der</strong>s gelungenen <strong>und</strong> anregenden haben<br />

wir in diesem Begleitordner zusammengestellt. Er ist insofern ein echtes,<br />

lebendiges Gemeinschaftswerk. Es wächst durch die Praxis stetig von Projekt<br />

zu Projekt. 4<br />

1 HEILMANN B.: Umbau des Wohlfahrtssystems. Hospiz als Vorreiter? In: GRONEMEYER R., LOEWY E.<br />

H. (Hrsg.): Wohin mit den Sterbenden. Hospize in Europa. Ansätze zu einem Vergleich. LIT Verlag, Münster<br />

2003, S. 71<br />

2 BARTOLOMEYCZIK S.: Sinn <strong>und</strong> Unsinn von Pflegestandards. Heilberufe (5), 2002: 12-16. DIES.: Pflegestandards<br />

kritisch betrachtet. Die Schwester / Der Pfleger (10), 1995: 888-892<br />

3 HERRLEIN P.: Qualität <strong>und</strong> Lebbarkeit. Die Hospiz-Zeitschrift (3), 2003: 18 f.<br />

4 Hier werden Sie zusätzlich fündig, wenn Sie auf <strong>der</strong> Suche nach Standards <strong>und</strong> Leitlinien sind:<br />

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Dieses Handbuch für die Projekt-Werkstatt Implementierung nimmt natürlich<br />

nicht die Mühen des Weges ab, eigene Kultur(standards) zu entwickeln. Aber<br />

es liefert einen „Rucksack anregen<strong>der</strong> Beispiele“. Wir haben die Dokumente<br />

deshalb weitgehend in <strong>der</strong> Konkretisierung für die jeweilige Einrichtung belassen,<br />

in denen die Standards entwickelt <strong>und</strong> auf die sie zugeschnitten wurden<br />

(z. B. Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Verantwortlichkeiten o<strong>der</strong> Regelungen für die<br />

Dokumentation im System <strong>der</strong> Einrichtung). Die Übertragbarkeit muss sowieso<br />

im Detail geprüft werden. Transfer ist immer ein Prozess <strong>der</strong> Anpassung<br />

<strong>und</strong> Umwandlung für die die eigene Praxis vor Ort.<br />

Wichtige Gr<strong>und</strong>sätze palliativer Standards<br />

Die Leitlinien <strong>und</strong> Standards entfalten <strong>und</strong> konkretisieren jeweils palliatives<br />

<strong>und</strong> hospizliches Denken, das von folgenden Gr<strong>und</strong>sätzen getragen ist:<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> ganzheitlichen Versorgung <strong>und</strong> Begleitung <strong>der</strong> Betroffenen<br />

mit ihren physischen, psychischen, sozialen <strong>und</strong> spirituellen Belangen<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> interdisziplinären Arbeit in multiprofessionellen Teams<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> berufs- <strong>und</strong> bereichsübergreifenden Kooperation<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Orientierung an den Bedürfnissen <strong>und</strong> am Willen <strong>der</strong> Betroffenen<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Einbeziehung Angehöriger als beson<strong>der</strong>s Betroffene mit ihrem<br />

jeweils eigenen erleben<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Einbeziehung von Ehrenamtlichen<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> fachlichen <strong>und</strong> haltungsmäßigen Vorbereitung, Begleitung<br />

<strong>und</strong> Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung aller Mitarbeiter<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> nachgehenden Trauerbegleitung 1<br />

BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT HOSPIZ V. V., DEUTSCHER CARITASVERBAND E.V.,<br />

DIAKONISCHES WERK DER EVANG. KIRCHE DEUTSCHLANDS: Sorgsam. Qualitätshandbuch für stationäre<br />

Hospize. Der Hospiz Verlag, Wuppertal 2004<br />

GRAF G.: Schritte zur Hospiarbeit in <strong>der</strong> stationären Altenhilfe aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Geschäftsführung. In: Die<br />

Hospiz-Zeitschrift (23) 2005<br />

MÜLLER M., KESSLER G.: Implementierung von Hospizidee <strong>und</strong> Palliativpflege in die Struktur <strong>und</strong> Arbeitsabläufe<br />

eines Altenheimes. Eine Orientierungs- <strong>und</strong> Planungshilfe. Pallia Med Verlag, Bonn 2000<br />

ORTH C., ALSHEIMER M. U.A.: „… nicht sang- <strong>und</strong> klanglos gehen“. Abschlussbericht zur Implementierung<br />

<strong>der</strong> Hospizidee im Leonhard-Henninger-Haus <strong>der</strong> Inneren Mission <strong>München</strong>. Heft 5 <strong>der</strong> Arbeitshilfen<br />

<strong>der</strong> Bayerischen Stiftung Hospiz (www.bayerische-stiftung-hospiz.de)<br />

ALSHEIMER M., STICH V. U. A.: Vernetzte Sterbebegleitung im ambulanten Bereich. Eine Handreichung<br />

(nicht nur) für Sozialstationen. Heft 6 <strong>der</strong> Arbeitshilfen <strong>der</strong> Bayerischen Stiftung Hospiz (www.bayerischestiftung-hospiz.de)<br />

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Was heißt nun Versorgungsqualität am Lebensende? Fünf Aspekte erweisen<br />

sich nach Forschungsergebnissen aus <strong>der</strong> Sicht von Patienten <strong>und</strong> Bewohnern<br />

als zentral 2 :<br />

• „Angemessene Schmerz- <strong>und</strong> Symptombehandlung<br />

• Vermeidung unangemessener Verlängerung des Lebens<br />

• Herstellung eines Gefühls von Kontrolle (darüber, was entschieden wird.<br />

M.A.)<br />

• Schadensabwendung von Angehörigen<br />

• Stärkung <strong>der</strong> Beziehung von Angehörigen“<br />

Aus diesen Wünschen haben wir in inhaltlichen Variationen die Ziele in den<br />

Standards abgeleitet. Es sind kommunikative Ziele, denn was konkret „angemessen“<br />

o<strong>der</strong> „unangemessen“, „Kontrolle“ o<strong>der</strong> „Schadensabwendung“ <strong>und</strong><br />

„Stärkung“ bedeuten, entscheiden die Betroffenen. Das muss immer wie<strong>der</strong><br />

erk<strong>und</strong>et, beraten, verhandelt o<strong>der</strong> begründet vermutet werden.<br />

Verbürgen <strong>und</strong> verbessern unsere Standards wirklich letztendlich Qualität?<br />

Darüber können letztendlich nur die verschiedenen Betroffenen <strong>und</strong> Beteiligten<br />

– Schwerkranke, Angehörige, Mitarbeiter, Ehrenamtliche, Ärzte – Auskunft<br />

geben.<br />

1 Vgl. die Zusammenstellung von Gr<strong>und</strong>sätzen u. a. bei HEIMERL K., HELLER A., KITTELBERGER F.:<br />

Daheim sterben. Palliative Kultur im Pflegeheim. Lambertus Verlag, Freiburg im Breisgau 205, S. 20 f.<br />

2 SINGER P., BOWMAN K.: Versorgungsqualität am Lebensende. Eine globale Herausfor<strong>der</strong>ung. In:<br />

EWERS M., SCHAEFFER D. (Hrsg.): Am Ende des Lebens. Versorgung <strong>und</strong> Pflege von Menschen in <strong>der</strong><br />

letzten Lebensphase. Verlag Hans Huber, Bern 2005,S. 23<br />

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2<br />

Arbeitshilfen für den<br />

Projekt-Prozess<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Thesen<br />

7 Empfehlungen für die<br />

Implementierung<br />

Bedingungen für eine erfolgreiche Projektarbeit<br />

Hinweise zur Entstehung <strong>und</strong> Verwendung::<br />

Was scheint für den Erfolg einer Implementierung hilfreich? In den folgenden<br />

sieben Merksätzen o<strong>der</strong> Thesen fassen wir Erfahrungen zusammen, die wir<br />

durch Erfolge <strong>und</strong> Irrtümer in unserer Projektarbeit <strong>der</strong> letzten Jahre gewonnen<br />

haben.<br />

Sie können die Hinweise für die Reflexion ihre Planung verwenden: Werden<br />

die einzelnen Empfehlungen im Projekt aufgegriffen? Wenn ja: wie?<br />

1. Mitarbeiterorientierung: Im Mittelpunkt das Personal! Dieses muss das<br />

Projekt tragen <strong>und</strong> umsetzen können. Deshalb stehen die Mitarbeiter mit<br />

ihren Erfahrungen, Überlegungen, Befürchtungen, Haltungen <strong>und</strong> Wünschen<br />

im Zentrum <strong>der</strong> Befragung <strong>und</strong> des Austausches. Die verschiedenen<br />

Mitarbeitergruppen, Positionen <strong>und</strong> Arbeitsbereiche müssen gut in <strong>der</strong><br />

Projektgruppe vertreten sein. Das Konzept soll <strong>kein</strong> unerfüllbarer Wunschzettel<br />

werden.<br />

2. Realistisch bleiben: Entlasten statt Belasten durch das Projekt! Die<br />

beabsichtigten Vorgaben <strong>und</strong> Maßnahmen müssen geprüft werden, ob sie<br />

unter den jeweiligen Arbeitsbedingungen wirklich tragbar sind. Der vorübergehende<br />

Aufwand, den ein Projekt immer mit sich bringt, muss überschaubar<br />

<strong>und</strong> akzeptabel sein.<br />

3. Wertschätzung: Ausgangspunkt unserer Arbeit ist die jeweilige Kultur<br />

des Hauses! Die bisherigen Leistungen, das persönliche Engagement,<br />

die gelebten Traditionen <strong>und</strong> Standards müssen gewürdigt <strong>und</strong> ins Bewusstsein<br />

gerückt werden, bevor Ergänzendes o<strong>der</strong> Neues entwickelt<br />

werden darf.<br />

4. Anstöße von außen – Verwandlung von innen: Oft ist es leichter, innerhalb<br />

<strong>der</strong> Organisation etwas zu bewegen, wenn neutrale Berater den Prozess<br />

mo<strong>der</strong>ieren <strong>und</strong> Vorschläge einbringen.<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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5. Motivation: Auf zügige <strong>und</strong> konkrete erste Erfolge achten! Aus den<br />

anstehenden Aufgaben wählen wir in <strong>der</strong> Regel zunächst diejenigen aus,<br />

die eine schnelle Umsetzung versprechen. Rasche spürbare Erfolge erhöhen<br />

Ausdauer <strong>und</strong> Durchhaltevermögen für längerfristige <strong>und</strong> schwierigere<br />

Prozesse.<br />

6. Entscheidend: Rückendeckung durch Träger <strong>und</strong> Leitung: Der Wille<br />

<strong>und</strong> die Beteiligung <strong>der</strong> Leitungskräfte ist notwendig, damit das Projekt auf<br />

allen Ebenen <strong>und</strong> in allen Bereichen Eingang findet <strong>und</strong> die finanziellen<br />

<strong>und</strong> personellen Ressourcen dafür gesichert sind. Vorbildfunktion!<br />

7. Transparenz: Bedeutung, Schritte <strong>und</strong> Ergebnisse müssen immer erkennbar<br />

sein für Mitarbeiter, Bewohner o<strong>der</strong> Patienten, Angehörige,<br />

Ärzte! Das Verständnis für das Projekt wird in einer Reihe vorbereiten<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> flankieren<strong>der</strong> Info-Veranstaltungen <strong>und</strong> Fortbildungen gesichert.<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Material<br />

Ein Projekt im Heim präsentieren 1<br />

Zusammenfassung eines Projektes für die PR-Arbeit<br />

Hinweise zur Verwendung::<br />

Wie lässt sich ein Projekt knapp vorstellen? Das nachfolgende Beispiel des Alten-<br />

<strong>und</strong> Pflegeheim Neuburg a. d. Donau liefert Ihnen Formulierungshilfen<br />

<strong>und</strong> Textbausteine für die Präsentation des eigenen Projektes.<br />

Unter dem Leitmotiv „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben - Palliativkultur<br />

im Altenheim St. Augustin Neuburg a.d.D. haben wir Anfang 2005 ein<br />

Projekt in unserem Haus gestartet. „Zuhause“ bedeutet für uns, dass Bewohnerinnen<br />

unseres Hauses gerade in <strong>der</strong> letzten Lebensphase - in ihrer Krankheit<br />

<strong>und</strong> im Sterben -<br />

• ein hohes Maß an selbst bestimmter Lebensgestaltung <strong>und</strong> unterstützter<br />

Entscheidungsfreiheit ermöglicht wird <strong>und</strong><br />

• sie dabei das Gefühl wertschätzen<strong>der</strong> Beziehung, Geborgenheit <strong>und</strong> Intimität<br />

erleben.<br />

Inspiriert wurden wir bei diesem Projekt von <strong>der</strong> Hospizbewegung mit ihren<br />

ambulanten <strong>und</strong> stationären Einrichtungen. Diese hat bei <strong>der</strong> Sterbe- <strong>und</strong><br />

Trauerbegleitung Pionierarbeit geleistet. Insbeson<strong>der</strong>e unter dem Titel „Palliative<br />

Care o<strong>der</strong> auf Deutsch: Palliativversorgung“ wurden in den letzten Jahren<br />

wertvolle Erkenntnisse <strong>und</strong> Erfahrungen gesammelt. Palliative Care ist ein beson<strong>der</strong>er<br />

Ansatz, den wir in unserem Haus verankern: Es bezeichnet eine umfassende<br />

<strong>und</strong> angemessene Versorgung Schwerkranker <strong>und</strong> Sterben<strong>der</strong> sowie<br />

ihrer Angehörigen in Krankheit, im Sterben <strong>und</strong> nach dem Tod. Palliative<br />

Care befasst sich mit optimaler Schmerz- <strong>und</strong> Symptomkontrolle <strong>und</strong> achtet<br />

auf alles, was die individuelle Lebensqualität sichert o<strong>der</strong> erhöht. Palliative Care<br />

verkörpert eine beson<strong>der</strong>e Gr<strong>und</strong>haltung: Sterben wird als Teil des Lebens<br />

begriffen; es wird we<strong>der</strong> beschleunigt noch gegen den Willen des Betroffenen<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“, Pflegeheim <strong>der</strong> Bamherzigen<br />

Brü<strong>der</strong>, St. Augustyn Neuburg a.d.D., Franziskaner Str. B 127, 86633 Neubug a.d.Donau, Projektleitung:<br />

Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg), Dora Schmidt (PDL)<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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verlängert. Palliative Care ist immer kooperativ <strong>und</strong> interdisziplinär angelegt.<br />

Sie versucht zum Wohle des Betroffenen alle notwendig Beteiligten über Berufs-<br />

o<strong>der</strong> Bereichsgrenzen hinweg zu vernetzten.<br />

Wie sieht die Integration dieser Idee in unserem Haus bisher praktisch aus?<br />

Wir orientieren uns im Projekt an den Indikatoren zur „Palliativkompetenz im<br />

Heim“ <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Hospiz. Unter <strong>der</strong> Projekt-Beratung von<br />

Martin Alsheimer vom Kompetenzzentrum für Palliative Care (Gemeinnützige<br />

Gesellschaft für soziale Dienste, Nürnberg) haben wir zunächst in großen Auftaktveranstaltungen<br />

eine Ist-Analyse durchgeführt. Seit März 2005 entwickeln<br />

wir in einer siebenköpfigen, hoch motivierten <strong>und</strong> engagierten Projektgruppe<br />

Leitlinien <strong>und</strong> eine Reihe hilfreicher Standards, wie die Sterbe- <strong>und</strong> Trauerbegleitung<br />

zukünftig aussehen soll. Neue Standards sind z.B.: Individuelle Lebensqualität<br />

erfassen, Informieren über Patientenverfügung, Krisenvorsorge<br />

<strong>und</strong> Notfallplanung, Kooperation mit Hospizverein, Schmerzbeobachtung bei<br />

demenziell erkranken Menschen, pflegerische Hilfen bei Schmerzen, Atemnot,<br />

Obstipation usw., Anleitung von Auszubildenden <strong>und</strong> mehr<br />

Eine Beson<strong>der</strong>heit: Alle MitarbeiterInnen des Hauses (Pflege, Verwaltung,<br />

Hauswirtschaft) wurden in einer kompakten, jeweils zweitägigen Fortbildung<br />

auf die Pflege <strong>und</strong> die psychosoziale Unterstützung Sterben<strong>der</strong> vorbereitet. Es<br />

gibt also zukünftig in unserem Haus ein einheitliches Verständnis zu den<br />

Problemen, Möglichkeiten <strong>und</strong> Aufgaben in <strong>der</strong> Sterbebegleitung <strong>und</strong> Pallativversorgung.<br />

Den pflegerischen Teil <strong>der</strong> Schulung hat Frau Angelika Plößl übernommen,<br />

die den ambulanten Palliativberatungsdienst des Vincenz-<br />

Hospizes in Augsburg leitet. Den psychosozialen Part vermittelte Herr Alsheimer.<br />

Die interne Fortbildung hatte sehr gute Resonanz. In einem weiteren<br />

gemeinsamen Fort-bildungstag wird 2006 die Arbeit mit den Standards geübt<br />

werden, so dass diese optimal erbracht werden können. Eine Mitarbeiterin absolviert<br />

zudem einen umfangreichen Basiskurs Palliative Care, um die Kolleginnen<br />

in Zweifels- <strong>und</strong> Konfliktfällen gut beraten zu können. Neben <strong>der</strong> internen<br />

Qualitätsverbesserung ist auch eine Vernetzung mit externen Diensten<br />

(Krankenhäuser, Hausärzten) vorgesehen. Der Hospizverein hat uns bereits<br />

seine Unterstützung zugesagt, ein Fortbildungsangebot für Hausärzte zur<br />

„Schmerztherapie im Alter“ ist geplant.<br />

Beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit richten wir im Projekt auf die Angehörigen <strong>und</strong><br />

unsere Abschiedskultur. Zurzeit gestalten wir mit <strong>der</strong> Künstlerin Ruth Borisch<br />

einen neuen Aufbahrungsraum, <strong>der</strong> als „Oase des Abschieds“ den Angehörigen<br />

die so wichtigen letzte „Begegnung“ mit dem Verstorbenen in einer warmen<br />

Atmosphäre ermöglichen soll. Für diesen Umbau haben wir um finanzielle<br />

Unterstützung geworben. Bereits jetzt gibt es auf je<strong>der</strong> Etage kleine Konso-<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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len als „Erinnerungsaltäre“ für aktuell Verstorbene. Ende November fand eine<br />

Gedenkfeier für die Menschen statt, die in diesem Jahr im Haus verstorben<br />

sind. Auch MitarbeiterInnen, die jemanden aus ihrer Familie betrauern, waren<br />

eingeladen. In einer kleinen Zeremonie mit Meditation, Musik <strong>und</strong> Texten wurden<br />

von fast 50 Angehörigen eindrucksvoll Erinnerungen gesammelt, Dankbarkeiten<br />

ausgedrückt, aber auch eventuell noch Belastendes formuliert. Verhin<strong>der</strong>te<br />

Angehörige konnten uns Fürbitten zuschicken. Je<strong>der</strong> Verstorbenen<br />

wurde mit Namen <strong>und</strong> einer Kerze gedacht. Ermutigt durch die überaus positiven<br />

Reaktionen werden wir künftig jedes Jahr zu diesem Ritual einladen.<br />

Das gesamte Projekt wird großzügig durch die Bayerische Stiftung Hospiz geför<strong>der</strong>t.<br />

Aber nicht nur das Geld war wichtig. Entscheidend ist die Motivation<br />

<strong>der</strong> MitarbeiterInnen. Es war <strong>und</strong> ist spürbar: Die MitarbeiterInnen tragen das<br />

Projekt. Wir sind zuversichtlich: Im St. Augustin entsteht eine gemeinsame<br />

Palliativkultur, die auch wirklich gelebt wird!<br />

Dora Schmidt (Pflegediensteiterin), Martin Alsheimer (Projektbegleiter)<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Beispiel<br />

Ein Projekt in <strong>der</strong> Sozialstation präsentieren<br />

1<br />

Zusammenfassung für die PR-Arbeit<br />

Hinweis zur Verwendung::<br />

Wie lässt sich ein Projekt knapp vorstellen? Das nachfolgende Beispiel <strong>der</strong><br />

Kath.-Evang. Sozialstation Füssen liefert Ihnen Formulierungshilfen <strong>und</strong> Textbausteine<br />

für die Präsentation eines eigenen Projektes.<br />

Unter dem Leitmotiv „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben - Palliativkultur<br />

im Altenheim St. Augustin Neuburg a.d.D. haben wir Anfang 2005 ein<br />

Projekt in unserem Haus gestartet. „Zu Die Implementierung von Palliative Care<br />

in bestehende, „gewachsene“ Einrichtungen ist immer ein längerfristiger,<br />

sensibler Prozess (Laufzeit des Projektes: 08/2003 bis 05/2005).<br />

Das Projekt umfasste eine Ist/Soll-Analyse. Sie war eingebettet in eine so genannte<br />

„Start-Veranstaltungen“. Durch sie wurden die Mitarbeiter für das Projekt<br />

motiviert, gleichzeitig wurde die vorhandene Kultur <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

<strong>der</strong> Sozialstation gewürdigt <strong>und</strong> eine erste Vision <strong>der</strong> künftigen Formen <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung entworfen.<br />

Ausgehend von dieser gewonnenen Bestandsaufnahme <strong>und</strong> Vision entwickelte<br />

<strong>und</strong> erprobte seit 11/2003 eine Projektgruppe Schritt für Schritt Leitlinien<br />

<strong>und</strong> detaillierte Standards für eine vernetzte Sterbebegleitung. (z.B. Organisation<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung im Team, Symptomkontrolle in <strong>der</strong> Terminalphase<br />

usw.)<br />

Die Projektgruppe war interdiszipinär besetzt. Es gehörten zu ihr:<br />

• ein Internist des Krankenhauses Füssen mit palliativmedizinischer Zusatzausbildung<br />

• die Einsatzleiterin <strong>und</strong> die Leiterin <strong>der</strong> örtlichen Hospizgruppe,<br />

• die Geschäftsführerin <strong>und</strong> eine <strong>der</strong> PDLs <strong>der</strong> Sozialstation<br />

• 10 Mitarbeiter aus ambulanter Pflege <strong>und</strong> Kurzzeitpflege<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen“, Evang.-kath. Sozialstion Füssen <strong>und</strong> Hospizverein<br />

Ostallgäu e.V., Am Ziegelstadel 12, 87629 Füssen, Projektleitung: Marianne Pfeifer (PDL), Veronika<br />

Stich (Hospizverein), Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg)<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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• ein Mo<strong>der</strong>ator (pädagogischer Leiter <strong>der</strong> Palliative-Care-Fortbildung <strong>der</strong><br />

GGSD)<br />

Punktuell wurden Vertreter aller genannten beteiligten Institutionen zu dieser<br />

Arbeit hinzugezogen, z.B. Geistliche <strong>der</strong> beiden Konfessionen. Flankiert wurde<br />

die Projektarbeit durch Informationsveranstaltungen <strong>und</strong> Pressearbeit für<br />

Angehörige <strong>und</strong> eine interessierte Öffentlichkeit <strong>und</strong> durch Fortbildungen für<br />

Hausärzte <strong>und</strong> Pflegekräfte an<strong>der</strong>er Dienste.<br />

Das Herzstück des Projektes<br />

In mehreren internen Fortbildungen <strong>und</strong> einem abschließenden „Planspiel“<br />

schulten wir die pflegerischen, kommunikativen <strong>und</strong> persönlichen Kompetenzen<br />

aller Pflegekräfte <strong>der</strong> Sozialstation, damit die entwickelten Standards optimal<br />

erbracht werden können (z.B. Rollenspiele Krisengespräch, Basiswissen<br />

Schmerztherapie). Wir können feststellen: (Fast) alle Mitarbeiter <strong>der</strong> Sozialstation<br />

Füssen <strong>und</strong> <strong>der</strong> integrierten Kurzzeitpflege haben diese Basisschulung<br />

durchlaufen. Palliative Care ist so zum gemeinsamen Verständnis geworden.<br />

In geson<strong>der</strong>ten Gesprächen mit einer Krankenkasse wurden die Möglichkeiten<br />

ausgelotet, wie bei Bedarf unkompliziert <strong>der</strong> Hausarzt durch den Palliativmediziner<br />

des Krankenhauses beraten werden kann.<br />

Beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit wurde auf die „Nachhaltigkeit“ gelegt: Bereits im<br />

Projekt wurden Verfahren geschaffen, die auch nach Abschluss das Konzept<br />

sichern, fortlaufend evaluieren <strong>und</strong> anpassen helfen. Wir sind uns deshalb sicher:<br />

Was entwickelt wurde bleibt auch lebendig.<br />

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ gibt sich in ihrer Reihe „Leben in Deutschland“<br />

2004 euphorisch: „Palliativ ist ein schönes Wort. Hell <strong>und</strong> klar steht es, wenn<br />

einer Glück hat, am Ende einer unheilbaren Krankheit. Und verspricht Lin<strong>der</strong>ung,<br />

wenn Heilung nicht mehr möglich ist. ... Die häusliche Betreuung<br />

schwerstkranker Patienten ist eine Revolution des Sterbens in Deutschland,<br />

wie sie zuletzt in den fünfziger Jahren stattfand, als Intensivmediziner das Leben<br />

in vitale Funktionen aufteilen <strong>und</strong> dies apparativ ersetzen.“<br />

Unser Modell-Projekt will <strong>und</strong> wird dafür sorgen, dass in unserer Region die<br />

ambulante Palliativersorgung in <strong>der</strong> Sterbebegleitung nicht nur „Glücksfall“<br />

bleibt, son<strong>der</strong>n zum „Regelfall“ wird. Ein gutes Stück haben wir für unseren<br />

Bereich bereits geschafft. Wir hoffen auf Nachahmung <strong>und</strong> Verbreitung.<br />

Martin Alsheimer (Projektberater)<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Material<br />

Schritte <strong>der</strong> Implementierung planen<br />

Sieben notwendige Stufen <strong>und</strong> Aufgaben im Projekt<br />

Hinweise zur Entstehung <strong>und</strong> Verwendung::<br />

Welche Etappen gibt es bei <strong>der</strong> Implementierung? Das Stufenschema nennt<br />

typische Entscheidungen <strong>und</strong> Aufgaben, die im Projekt auf Sie zukommen.<br />

Die Stufen folgen einer gewissen Planungslogik, sind aber nicht als strenges<br />

<strong>und</strong> zwingendes Nacheinan<strong>der</strong> zu verstehen. Sie müssen die Treppe als<br />

Ganzes im Blick haben <strong>und</strong> im Projektprozess flexibel auf <strong>und</strong> ab steigen.<br />

Zum Beispiel: Sie können schon zu einem frühen Zeitpunkt darauf achten, wie<br />

Sie die Nachhaltigkeit auch über den zeitlichen Projektrahmen hinaus sichern.<br />

O<strong>der</strong>: Das Interesse von Mitarbeitern könnte auch zunächst über Fortbildungen<br />

geweckt werden, die im Bild <strong>der</strong> Treppe erst auf Stufe vier vorgesehen<br />

sind. O<strong>der</strong>: Die Leitlinien werden erst zu einem späten Zeitpunkt formuliert,<br />

um bereits Vorhandenes <strong>und</strong> neu Entwickeltes zu beschreiben <strong>und</strong> in die Fassung<br />

eines Einrichtungskonzeptes zu bringen. O<strong>der</strong>: Das Ausprobieren in <strong>der</strong><br />

Praxis zwingt Sie dazu, über eine geplante Maßnahme in <strong>der</strong> Projektgruppe<br />

noch einmal gründlich nachzudenken …<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Stufen Aufgaben<br />

Das Netz stetig verbessern, Bewährtes an an<strong>der</strong>e weitergeben:<br />

Die Weiterentwicklung des Konzeptes in <strong>der</strong> Einrichtung zukünftig sichern<br />

(= Lebendige Palliativkultur“), Unterstützung an<strong>der</strong>er Einrichtungen<br />

durch die Veröffentlichung <strong>der</strong> Ergebnisse (= Handreichung)<br />

Das neue Netz ausprobieren:<br />

Entworfene Standards im pflegerischen Alltag umsetzen, Zwischenbilanzen<br />

<strong>und</strong> Erfolgskontrollen machen 6<br />

Das Netz nach außen erweitern <strong>und</strong> verankern:<br />

5<br />

Mit an<strong>der</strong>en Diensten die Zusammenarbeit regeln<br />

Das Netz nach innen verstärken <strong>und</strong><br />

mit vielen Händen halten<br />

Alle MitarbeiterInnen ins Boot nehmen 4<br />

Ein tragfähiges Netz<br />

entwerfen:<br />

Das Konzept entwickeln 3<br />

Das vorhandene<br />

Netz prüfen / Vision:<br />

Ist/Soll-Analyse<br />

Vorbereiten<br />

1<br />

2<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

7<br />

• Erfahrungen<br />

einholen<br />

• Konsequenzen<br />

• Organisatorische <strong>und</strong><br />

persönliche Verbindungen<br />

gezielt<br />

verbessern<br />

• Notwendiges Wissen<br />

schulen<br />

• Entworfene Standards im gesamten<br />

Team diskutieren<br />

• Vorschläge aus dem Team einflechten<br />

• Notwendiges Wissen <strong>und</strong> Können schulen<br />

(= Fortbildungen)<br />

• Leitlinien ausformulieren<br />

• Vorhandene Standards überprüfen <strong>und</strong> verbessern<br />

• Neue Standards entwickeln<br />

• Auf Umsetzbarkeit (zeitlich, personell) überprüfen<br />

• Einzelne Elemente im Kleinen erproben<br />

• Systematisch <strong>und</strong> umfassend bisherige Praxis reflektieren <strong>und</strong> würdigen:<br />

Womit sind wir zufrieden? Was belastet uns organisatorisch / persönlich?<br />

• Zukunftsbild „Sterbebegleitung“ entwerfen (= Elemente für Leitlinien):<br />

• Daraus Arbeitsprogramm für Projektgruppe ableiten<br />

• Themen für Fortbildungsprogramm entsprechend abstimmen<br />

• Mögliche Träger <strong>und</strong> Beteiligte sensibilisieren, ihre Bereitschaft erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wenn notwendig<br />

für Projekt motivieren<br />

• Finanzierung des Projektes sichern,<br />

• Zeitrahmen <strong>und</strong> Schritte abstecken, Projektgruppe gründen<br />

• Instrumente des Projektes (z.B. Projektgruppe, Fortbildungen) klären<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Material<br />

Projektablauf planen 1<br />

50 Aktionen im Überblick<br />

Hinweise zur Entstehung <strong>und</strong> Verwendung::<br />

Wie sehen die Projektstufen <strong>und</strong> –aufgaben praktisch aus? Die Übersicht<br />

sammelt die verschieden kleinen <strong>und</strong> großen Aktionen, die im Projekt Füssen<br />

„Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen …“ durchgeführt worden sind, in das Raster<br />

<strong>der</strong> sieben Stufen.<br />

Sie erhalten dadurch einen Eindruck von <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Maßnahmen <strong>und</strong> vielleicht<br />

auch die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Idee für Ihre Planung.<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen“, Evang.-kath. Sozialstion Füssen <strong>und</strong> Hospizverein<br />

Ostallgäu e.V., Am Ziegelstadel 12, 87629 Füssen, Projektleitung: Marianne Pfeifer (PDL), Veronika<br />

Stich (Hospizverein), Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg)<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

2003 2004 2005<br />

Juli -<br />

Sept.<br />

Projekt-<br />

1<br />

beschreibung<br />

Gespräche<br />

mit Sozialministerium<br />

Okt. -<br />

Dez.<br />

Palliativ-<br />

Kurs A1<br />

Schulung<br />

<strong>der</strong> Projektgr.<br />

Projektgr.<br />

1 Treffen<br />

Entwurf <strong>der</strong><br />

Leitlinien<br />

Ist-Analyse<br />

im Team<br />

<strong>und</strong> im Palliativ-Kurs<br />

A1<br />

Arbeitsprogamm<br />

Bildung<br />

<strong>der</strong> Projektgr.<br />

Gespräche<br />

mit KH +<br />

ärztl. KV<br />

Pressearb.<br />

Jan. -<br />

März<br />

Vorstellen<br />

im Dekanatsrat<br />

Öffentl.<br />

Vortrag<br />

Palliativpflege<br />

Palliativ-<br />

Kurs A2<br />

Schulung<br />

<strong>der</strong> Projektgr.<br />

Projektgr.<br />

„Hausaufgaben“<br />

Projektgr.<br />

2 Treffen<br />

Presse-<br />

Artikel<br />

Benefizkonzert<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

April –<br />

Juni<br />

Palliative<br />

Praxis:<br />

Erprobung<br />

von Standards<br />

Fortbild.<br />

Schmerztherapie<br />

mit<br />

Dr. Biensack<br />

Gespräch<br />

Hausärzte<br />

Palliativ-<br />

Kurs B1<br />

Schulung<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Mitarbeiter<br />

Projektgr.<br />

3. + 4.<br />

Treffen<br />

Leitlinien<br />

<strong>und</strong> Standards<br />

Gespräche<br />

mit gerontopsychiatrischen<br />

Fachdienst<br />

Juli<br />

Sept.<br />

Projektgr.<br />

5. Treffen<br />

Redaktion<br />

des Gesamtkonzeptes<br />

Palliative<br />

Praxis:<br />

Erprobung<br />

von Standards<br />

Palliativ-<br />

Kurs B2<br />

Gäste:<br />

Seelsorger<br />

Verhandlung<br />

AOK<br />

Palliativ-<br />

Kurs B2<br />

Schulung<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Mitarbeiter<br />

Projektgr.<br />

5. Treffen<br />

ZusammenarbeitHospizverein<br />

Okt. -<br />

Dez.<br />

Projektgr.<br />

6. Treffen<br />

Redaktion<br />

des Gesamtkonzeptes<br />

Vortrag für<br />

pflegende<br />

Angehörige<br />

Projektgr.<br />

6 Treffen<br />

Absprachen<br />

mit Krankenhaus<br />

Teambesprechung<br />

zu neu entwickelten<br />

Standards<br />

Projektgr.<br />

6. Treffen<br />

Nacharbeit<br />

zu einzelnenStandards<br />

Jan. -<br />

März<br />

Präsentation<br />

auf<br />

AltenpflegeKongress<br />

Feierlicher<br />

Abschluss<br />

Planspiel +<br />

Besprechung<br />

<strong>der</strong><br />

Standards<br />

für alle Mitarbeiter<br />

Einführung<br />

des palliativärztlichenKonsiliardienstes<br />

April –<br />

Juni<br />

Vorbereitung<br />

<strong>der</strong><br />

Veröffentlichung<br />

Juli<br />

Sept.<br />

Veröffentlichung<br />

Bayer.<br />

Stiftung<br />

Hospiz<br />

52


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Ideen<br />

Finanzielle Ressourcen entdecken<br />

Ideen für materielle <strong>und</strong> finanzielle Ressourcen <strong>und</strong><br />

Sponsoring 1<br />

Hinweise zur Entstehung <strong>und</strong> Verwendung::<br />

Ein Projekt braucht auch finanzielle Ressourcen. Vielleicht soll <strong>der</strong> Aufbahrungsraum<br />

verän<strong>der</strong>t werden, vielleicht braucht es beson<strong>der</strong>e Investitionen in<br />

Fortbildungen, die das vorgesehene Budget übersteigen. Die folgenden Ideen<br />

<strong>und</strong> Aktionen waren bereits erfolgreich. Die praktische Sammlung stammt aus<br />

einer Projekt-Werkstatt <strong>der</strong> RKS.<br />

• Briefe an Bestatter vor Ort (Siehe Musterbrief)<br />

• Berufsschule macht Duftlampen für Aufbahrungsraum (Idee Rosenheim)<br />

• Schulklassen <strong>der</strong> Altenpflege gestalten Räumlichkeiten (Beispiel Aschaffenburg, preisgekrönt,)<br />

• Pflegeschulen gestalten Textsammlungen für Abschiedsraum (Beispiel Martin Alsheimer<br />

Ingolstadt)<br />

• Lokaler Künstler ansprechen für die Gestaltung von Abschiedsräumen<br />

• Vernissage mit Bil<strong>der</strong>verkauf für Palliativprojekt<br />

• Studenten-Projekte (z. B. Journalistik-Studiengänge o<strong>der</strong> Schulen)<br />

• Angehörige spenden zweckgeb<strong>und</strong>en für Projekt<br />

• Hospizvereine för<strong>der</strong>n Fortbildung; gemeinsame Fortbildung planen<br />

• Lionsclub o<strong>der</strong> Rotary-Club gewinnen<br />

• För<strong>der</strong>töpfe für Sozialsponsoring oft bei Kommunen vorhanden <strong>und</strong> erfahrbar<br />

• För<strong>der</strong>verein gründen, um Spenden zu sammeln<br />

• Stiftungen in <strong>der</strong> Region suchen (CD beim Sozialministerium, Frau Weigand)<br />

• Flohmarkt, Basare mit Leuten von außen (z. B. Projekt „Zeit für Helden“) veranstalten<br />

(Standgebühren)<br />

• Konfirmanten-Spende; Pfarrer auf Projekt hinweisen<br />

• Benefizkonzert (z. B. mit lokalen Gesangsvereinen, Musikgruppen)<br />

• Angehörigenabende durch Schulklassen von Pflegeschulen gestalten lassen<br />

• Fußballvereine ansprechen<br />

1 Entwickelt in <strong>der</strong> Projekt-Werkstatt: „Hospizkultur <strong>und</strong> Palliativkompetenz entwickeln“ PW 0606,<br />

Sozial-Servicegesellschaft des BRK 2006 - 2007, Kursleitung: Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg), Frank<br />

Kittelberger (IMM), TN: 22 Vertreter von Pflegeheimen <strong>der</strong> RKS, Protokoll: Coaching-Tage am 14./15.06.07<br />

in Ettal<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Ideen<br />

Um Unterstützung werben 1<br />

Strategien <strong>und</strong> Argumentationshilfen für die Einführung<br />

des Projektes<br />

Hinweise zur Entstehung <strong>und</strong> Verwendung::<br />

Ein Projekt stoßen oft auf Wi<strong>der</strong>stände. Die folgenden Vermutungen zu möglichen<br />

Ursachen <strong>und</strong> Motiven wurden aus verschiedenen Rollenspielen gewonnen.<br />

Sie können als Anregung dienen, wie Sie behutsam mit typischen Wi<strong>der</strong>ständen<br />

umgehen können.<br />

Hintergr<strong>und</strong>-Ängste Strategien <strong>und</strong> Argumentationshilfen<br />

Angst:<br />

„Was kommt auf uns zu?“<br />

(Unübersichtlichkeit des Aufwandes)<br />

Angst:<br />

Es wird noch mehr in den Zeitrahmen<br />

gestopft<br />

Projekt kann als Abwertung <strong>der</strong> bisherigen<br />

Sterbebegleitung aufgefasst<br />

werden.<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Übersicht über den ungefähren Zeitrahmen <strong>und</strong><br />

Aufwand geben<br />

Kontrolle geben: „Alles wird erst im Kleinen ausprobiert.“<br />

„Es wird nichts eingeführt, das Mitarbeitern<br />

nicht tragbar o<strong>der</strong> erfüllbar erscheint.“<br />

Fragen stellen, was sich die Beteiligten erhoffen.<br />

Das gemeinsame Ziel betonen<br />

Konkrete Entlastungen aufzeigen, z. B, Kooperationen<br />

mit Hospizhelfern<br />

Gefühl <strong>der</strong> Gemeinsamkeit för<strong>der</strong>n: Es gab in <strong>der</strong><br />

Vergangenheit öfter den Wunsch, unsere Sterbebegleitung<br />

zu verbessern. Jetzt haben wir endlich<br />

die Gelegenheit dazu.<br />

Versprechen: Wir versuchen, das Thema in unseren<br />

bisherigen Besprechungsrahmen einzubauen.<br />

Vermeiden: wi<strong>der</strong>ständige Kollegen bloß zu stellen<br />

(provoziert Rache)<br />

Bei starkem Wi<strong>der</strong>stand Gespräch vertagen <strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> bei einem passen<strong>der</strong> Gelegenheit auf einzelne<br />

KollegInnen zugehen. „Ich hätte Dich gerne dabei<br />

… Was wäre Dir möglich?<br />

1 Entwickelt in <strong>der</strong> Projekt-Werkstatt: „Hospizkultur <strong>und</strong> Palliativkompetenz entwickeln“ PW 0606,<br />

Sozial-Servicegesellschaft des BRK 2006 - 2007, Kursleitung: Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg), Frank<br />

Kittelberger (IMM), TN: 22 Vertreter von Pflegeheimen <strong>der</strong> RKS, Protokoll: Coaching-Tage am 14./15.06.07<br />

in Ettal<br />

54


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Material<br />

Sterbebegleitung: Ist-Zustand<br />

analysieren (Pflegeheim)<br />

20-Punkte-Check mit Schlüsselfragen<br />

Hinweise zur Verwendung::<br />

Wie können Sie zusammen mit den Mitarbeitern die Abschiedskultur Ihrer Einrichtung<br />

erfassen <strong>und</strong> würdigen? Wir haben Schlüsselfragen zu einem Check<br />

zusammengefasst. Der Fragebogen ermöglicht einen differenzierten Blick auf<br />

den bestehenden organisatorischen Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung in <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Einrichtung. Gleichzeitig wird über die Fragen sichtbar, welche Aspekte<br />

für eine umfassende Palliativ- o<strong>der</strong> Hospizkultur noch wichtig sein können.<br />

Sie können den Fragebogen in Teamsitzungen o<strong>der</strong> Startveranstaltungen für<br />

ein Projekt einsetzen. Die Fragen ließen sich auch mit Wertungen zum Ankreuzen<br />

kombinieren (z. B. „Die Frage finde ich wichtig“ „Hier sollten wir intensiv<br />

nachdenken <strong>und</strong> neue Regelungen finden“ usw.) o<strong>der</strong> mit Skalen, auf denen<br />

die Zufriedenheit mit <strong>der</strong> Praxis in <strong>der</strong> Einrichtung erfasst werden kann<br />

(„Ist bereits sehr gut verwirklicht“ - - - - - „Braucht dringend eine Verän<strong>der</strong>ung<br />

o<strong>der</strong> Verwirklichung“). Die Teilnehmer können z. B. in Partnerarbeit o<strong>der</strong><br />

Kleingruppen die Fragen durchgehen <strong>und</strong> sich gegenseitig berichten, ob es für<br />

sie organisatorische Antworten auf diese Fragen gibt <strong>und</strong> wenn ja, welche. Sie<br />

machen sich dabei als Erinnerungshilfen Notizen auf den Fragebogen. Eventuell<br />

bewerten die Teilnehmer die Fragen jeweils nach ihrer Bedeutung <strong>und</strong> ihrer<br />

Zufriedenheit mit <strong>der</strong> organisatorischen Lösung vor Ort (z. B. in Form von<br />

Schulnoten).<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

1. Blickpunkt Träger/Leitung: Gibt es ein schriftliches Konzept o<strong>der</strong> Leitlinien<br />

<strong>der</strong> Sozialstation zur Sterbebegleitung? Wenn ja: Ist dieses o<strong>der</strong> sind<br />

diese den Mitarbeitern bekannt? Wird das Konzept von allen Mitarbeitern<br />

getragen? Macht es Aussagen darüber, wann Sterbebegleitung beginnt<br />

<strong>und</strong> was sie alles umfasst? Ist das Konzept verständlich <strong>und</strong> mit konkreten<br />

Maßnahmen verb<strong>und</strong>en?<br />

2. Wird das Thema Sterbegleitung in Prospekten/Heimmedien (z. B. Heimzeitung)<br />

angesprochen? Wenn ja: wie?<br />

3. Blickpunkt Bewohner: Werden (gezielt) Informationen über Wünsche<br />

o<strong>der</strong> Vorstellungen zur letzten Lebensphase gesammelt? Wenn ja: wie?<br />

Werden diese Wünsche gesichert (z. B. durch Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht,<br />

Notfallplanung)? Werden Bedürfnisse von demenziell erkrankten<br />

Menschen für die Sterbebegleitung beson<strong>der</strong>s ermittelt? Wenn<br />

ja: wie?<br />

4. Werden Bewohner bei Lebensbewältigung, Lebenskrisen, Lebensrückschau<br />

beson<strong>der</strong>s unterstützt? Wenn ja: wie? (Beispiel: Biografiearbeit)<br />

Gibt es beson<strong>der</strong>e Verfahren für demenziell erkrankte Menschen, die die<br />

Mitarbeiter dabei anwenden? Wenn ja: welche? (Beispiel: Validation)<br />

5. Blickpunkt Angehörige: Werden Angehörige vorbereitet <strong>und</strong> in die Sterbebegleitung<br />

gezielt einbezogen <strong>und</strong> unterstützt? Wenn ja: wie?<br />

6. Werden Angehörige beim Abschiednehmen von Verstorbenen unterstützt?<br />

Wenn ja: wie?<br />

7. Blickpunkt: Ärzte: Wird die schmerztherapeutische Versorgung <strong>und</strong> die<br />

Behandlung quälen<strong>der</strong> Symptome gesichert? Wenn ja: wie? Gibt es beratende<br />

Unterstützung, wenn <strong>der</strong> behandelnde Hausarzt an Grenzen kommt<br />

(z. B. „Hotline Schmerzbertung“, Palliativ- Beratungsdienst u.ä.)<br />

8. Wird bei Entscheidungen (z. B. PEG-Versorgung) fachlich, ethisch <strong>und</strong><br />

rechtlich verantwortbar <strong>und</strong> nachvollziehbar verfahren? Wenn ja: wie?<br />

Wird für absehbare Krisen <strong>und</strong> Komplikationen <strong>und</strong> für Notfälle Vorsorge<br />

getroffen <strong>und</strong> das Verfahren miteinan<strong>der</strong> abgestimmt (z. B. „Run<strong>der</strong><br />

Tisch“)? Wenn ja: wie?<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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9. Blickpunkt Mitbewohner: Gibt es für Mitbewohner in Zwei- o<strong>der</strong> Mehrbettzimmern<br />

beson<strong>der</strong>e Regelungen in <strong>der</strong> Sterbephase o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Zeit<br />

nach dem Versterben eines Bewohners? Wenn ja: welche?<br />

10. Werden Mitbewohner beim Abschiednehmen unterstützt? Wenn ja: wie?<br />

11. Blickpunkt Bestatter: Werden Verstorbene im Haus aufgebahrt? Wenn<br />

ja: wie? Gibt es dafür einen beson<strong>der</strong>en Raum? Wenn ja: Sind dieser <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Zugang zu ihm ansprechend gestaltet? Wenn ja: wie?<br />

12. Sind <strong>der</strong> Transfer von Verstorbenen durch die Pflegekräfte im Haus, die<br />

Einsargung <strong>und</strong> die Überführung durch den Bestatter würdig gestaltet?<br />

Wenn ja: wie?<br />

13. Blickpunkt Seelsorge: Ist die Zusammenarbeit mit Seelsorgern in <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung gut geregelt (z. B. Angebote seelsorglicher [seelsorglich<br />

o<strong>der</strong> seelsorgerisch]Begleitung, Art <strong>und</strong> Weise <strong>der</strong> Vermittlung durch Pflegekräfte)?<br />

Wenn ja: wie? Welche Formen von Seelsorge begreifen Pflegekräfte<br />

als ihre Aufgabe? Sind sie darauf vorbereitet?<br />

14. Blickpunkt Hauswirtschaft: Gibt es eine Einbindung <strong>der</strong> hauswirtschaftlichen<br />

Mitarbeiter in die Sterbebegleitung? Wenn ja: wie? Sind diese gut<br />

darauf vorbereitet? Wenn ja: wie?<br />

15. Blickpunkt ehrenamtliche Kräfte (z. B. Hospizhelfer): Haben ehrenamtliche<br />

Kräfte im Heim Bedeutung? Wenn ja: welche? Sind die ehrenamtlichen<br />

Kräfte ausreichend auf die beson<strong>der</strong>e Begleitung Sterben<strong>der</strong> im<br />

Heim vorbereitet? Ist die Kooperation klar <strong>und</strong> für alle Seiten befriedigend<br />

geregelt (z. B. Form <strong>und</strong> Umfang <strong>der</strong> Mitarbeit, Art <strong>der</strong> Einsätze, Einbindung<br />

<strong>und</strong> Akzeptanz im Team, Verfahren bei Konfliktfällen, Ansprechpartner<br />

im Heim, Formen <strong>der</strong> Anerkennung <strong>und</strong> Begleitung <strong>der</strong> ehrenamtlichen<br />

Helfer)? Wenn ja: wie?<br />

16. Blickpunkt Pflegekräfte: Praktizieren die Pflegekräfte in <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

beson<strong>der</strong>e pflegerische Maßnahmen? Wenn ja: welche? Sind<br />

Pflegekräfte dafür beson<strong>der</strong>s vorbereitet worden (z. B. durch Fortbildungen<br />

in Palliative Care)?<br />

17. Wird Zeit für die Sterbebegleitung organisiert? Wenn ja: wie? Gibt es für<br />

die Sterbebegleitung beson<strong>der</strong>e Absprachen im Team? Wenn ja: welche?<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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18. Wird Pflegekräften Raum <strong>und</strong> Zeit für ihre Gefühle in <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

gegeben? Wenn ja: wie? Wie werden auftretende Reaktion von Vorgesetzten<br />

<strong>und</strong> Kollegen bewertet? Gibt es Angebote <strong>der</strong> Entlastung (z. B. Rituale)?<br />

Wenn ja. Welche?<br />

19. Werden neue Mitarbeiter <strong>und</strong> Auszubildende herangeführt <strong>und</strong> angeleitet<br />

bei <strong>der</strong> Sterbebegleitung? Wenn ja: wie? Ist Sterben, Tod, Trauer Thema<br />

in Bewerbungsgesprächen? Wenn ja: in welcher Form?<br />

20. Werden im Heim Formen <strong>der</strong> Erinnerung <strong>und</strong> des Gedenkens an Verstorbene<br />

gepflegt? Wenn ja: welche?<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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Material<br />

Sterbebegleitung: Ist-Zustand<br />

analysieren 1 (Sozialstation)<br />

Ein 20-Punkte-Check mit Schlüsselfragen<br />

Hinweise zur Verwendung::<br />

Wie können Sie zusammen mit den Mitarbeitern die Abschiedskultur Ihrer Einrichtung<br />

erfassen <strong>und</strong> würdigen? Wir haben Schlüsselfragen zu einem Check<br />

zusammengefasst. Der Fragebogen ermöglicht einen differenzierten Blick auf<br />

den bestehenden organisatorischen Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung in <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Einrichtung. Gleichzeitig wird über die Fragen sichtbar, welche Aspekte<br />

für eine umfassende Palliativ- o<strong>der</strong> Hospizkultur noch wichtig sein können.<br />

Sie können den Fragebogen in Teamsitzungen o<strong>der</strong> Startveranstaltungen für<br />

ein Projekt einsetzen. Die Fragen ließen sich auch mit Wertungen zum Ankreuzen<br />

kombinieren (z. B. „Die Frage finde ich wichtig“ „Hier sollten wir intensiv<br />

nachdenken <strong>und</strong> neue Regelungen finden“ usw.) o<strong>der</strong> mit Skalen, auf denen<br />

die Zufriedenheit mit <strong>der</strong> Praxis in <strong>der</strong> Einrichtung erfasst werden kann<br />

(„Ist bereits sehr gut verwirklicht“ - - - - - „Braucht dringend eine Verän<strong>der</strong>ung<br />

o<strong>der</strong> Verwirklichung“). Die Teilnehmer können z. B. in Partnerarbeit o<strong>der</strong><br />

Kleingruppen die Fragen durchgehen <strong>und</strong> sich gegenseitig berichten, ob es für<br />

sie organisatorische Antworten auf diese Fragen gibt <strong>und</strong> wenn ja, welche. Sie<br />

machen sich dabei als Erinnerungshilfen Notizen auf den Fragebogen. Eventuell<br />

bewerten die Teilnehmer die Fragen jeweils nach ihrer Bedeutung <strong>und</strong> ihrer<br />

Zufriedenheit mit <strong>der</strong> organisatorischen Lösung vor Ort (z. B. in Form von<br />

Schulnoten).<br />

1 Veröffentlicht in: Alsheimer, M.; Stich, V. (2005): Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen. Vernetzte Palliativversorgung<br />

im ambulanten Bereich. www.bayerische-stiftung-hospiz.de >>Arbeitshilfen >>Heft 6<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

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1. Gibt es ein schriftliches Leitbild o<strong>der</strong> Leitlinien zur Sterbebegleitung in <strong>der</strong><br />

Sozialstation? Wenn ja: Sind dieses o<strong>der</strong> diese den MitarbeiterInnen bekannt?<br />

Wird es von allen getragen? Macht es Aussagen darüber, wo<br />

Sterbebegleitung beginnt <strong>und</strong> was es alles umfasst?<br />

2. Wird die Sterbegleitung in Prospekten über die Arbeit <strong>der</strong> Sozialstation<br />

angesprochen? Wenn ja: wie?<br />

3. Werden gezielt Informationen über Wünsche o<strong>der</strong> Vorstellungen zur letzten<br />

Lebensphase gesammelt? Wenn ja: wie? Werden diese Wünsche<br />

gesichert? Werden Bedürfnisse von demenziell erkrankten Menschen für<br />

die Sterbebegleitung beson<strong>der</strong>s ermittelt? Wenn ja: wie?<br />

4. Werden PatientInnen unterstützt bei Lebensbewältigung <strong>und</strong> Lebensrückschau?<br />

Wenn ja: wie? Gibt es beson<strong>der</strong>e Verfahren für demenziell<br />

erkrankte Menschen, die die MitarbeiterInnen anwenden?<br />

5. Werden Angehörige in die Sterbebegleitung gezielt miteinbezogen <strong>und</strong><br />

unterstützt? Wenn ja: wie?<br />

6. Werden Angehörige beim Abschiednehmen von Verstorbenen unterstützt?<br />

Wenn ja: wie?<br />

7. Haben ehrenamtliche HospizhelferInnen in <strong>der</strong> Sozialstation Bedeutung?<br />

Wenn ja: welche? Ist eine eventuelle Kooperation befriedigend geregelt<br />

(z.B. Wann werden die ehrenamtlichen HelferInnen angefor<strong>der</strong>t? Von<br />

wem? Wie schnell <strong>und</strong> zuverlässig ist <strong>der</strong> Einsatz? Wie wird bei Konfliktfällen<br />

verfahren?) Wenn ja: wie?<br />

8. Verläuft die Zusammenarbeit mit Hausärzten gut? Wird in Konfliktfällen<br />

befriedigend verfahren? (Konfliktfall z.B. Schmerztherapie, PEG-<br />

Versorgung, Einweisungen)<br />

9. Praktizieren die Pflegekräfte in <strong>der</strong> Sterbebegleitung beson<strong>der</strong>e pflegerische<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Aufmerksamkeiten? Wenn ja: welche?<br />

10. Sind die Entscheidungen in <strong>der</strong> Regel nachvollziehbar, ob jemand noch in<br />

eine an<strong>der</strong>e Einrichtung (z.B. Krankenhaus, Pflegeheim) verlegt wird?<br />

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Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

60


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

11. Ist die Überleitung zwischen Krankenhaus <strong>und</strong> Sozialstation gut geregelt?<br />

Wenn ja: wie?<br />

12. Wird <strong>der</strong> Verstorbene durch die Sozialstation noch versorgt / aufgebahrt?<br />

Gibt es hier Angebote <strong>der</strong> Sozialstation? Werden Angehörige dabei unterstützt?<br />

13. Wird die Sterbebegleitung im Team beson<strong>der</strong>s abgesprochen? Wenn ja:<br />

wie?<br />

14. Wird den Gefühlen von Pflegekräften Raum <strong>und</strong> Zeit gegeben? Wenn ja:<br />

wie?<br />

15. Wird Zeit geschaffen für die Sterbebegleitung? Wenn ja: wie?<br />

16. Werden neue MitarbeiterInnen herangeführt <strong>und</strong> angeleitet bei <strong>der</strong> Sterbebegleitung?<br />

Wenn ja: wie?<br />

17. Werden in <strong>der</strong> Sozialstation Formen <strong>der</strong> Erinnerung an Verstorbene gepflegt?<br />

Wenn ja: wie?<br />

18. Ist Sterben, Tod, Trauer Thema in Bewerbungsgesprächen? Wenn ja: in<br />

welcher Form?<br />

19. Gibt es eine Nachsorge für Angehörige? Wenn ja: in welcher Form?<br />

20. Ist die Zusammenarbeit mit Seelsorgern befriedigend geregelt? Wenn ja:<br />

wie?<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

61


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Material / Visualisierung<br />

Entwicklungen sichtbar machen<br />

Ein Auswertungsbogen für die Entwicklungsschritte<br />

Hinweise zur Verwendung::<br />

Die Übersicht bringt es auf den Punkt: Wo sehen die Teilnehmer einer Projekt-<br />

Werkstatt o<strong>der</strong> eines internen Projektes den Entwicklungsstand <strong>der</strong> Palliativkultur<br />

Ihres Hauses? Sie können die Übung <strong>und</strong> die Auswertungstabelle nutzen,<br />

um ein Meinungsbild innerhalb Ihres Hauses zu gewinnen. Die Übung<br />

kann in Abständen wie<strong>der</strong>holt werden: Wie sehen die Mitarbeiter innerhalb<br />

eines Projektes das Ausgangsniveau? Welche Zwischenbilanzen lassen sich<br />

ziehen? Wo sehen wir uns am offiziellen Ende eines Projektes?<br />

Anleitung<br />

• Ein Pfad von 1 – 10 wird ausgelegt. Lassen Sie nun die Teilnehmer auf<br />

den ausgelegten Ziffern sich zu den nachfolgenden Fragen positionieren.<br />

Sie können die Übung natürlich auch (anonymisiert) schriftlich machen<br />

lassen.<br />

• Wo sehe ich den Entwicklungsstand unserer Einrichtung? (1 = Wir stehen<br />

ganz am Anfang; je<strong>der</strong> macht es so, wie er für richtig hält; 5 = Wir haben<br />

uns auf einige Standards verständigen können; es gibt aber noch einiges,<br />

was wir entwickeln <strong>und</strong> durchdenken müssen, 10 = Wir können versichern:<br />

bei uns gibt es eine optimale Palliativversorgung) Eintrag mit x<br />

• Wo sehe ich mich <strong>und</strong> meine Fähigkeiten zur Sterbebegleitung? (1 = sehr<br />

unsicher, 10 = sehr sicher) Eintrag mit �<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

62


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Auswertung Datum:<br />

10 10<br />

9 9<br />

8 8<br />

7 7<br />

6 6<br />

5 5<br />

4 4<br />

3 3<br />

2 2<br />

1 1<br />

Durchschnittswert Einrichtung:<br />

Auswertung Datum:<br />

10 10<br />

9 9<br />

8 8<br />

7 7<br />

6 6<br />

5 5<br />

4 4<br />

3 3<br />

2 2<br />

1 1<br />

Durchschnittswert Einrichtung:<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

63


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Didaktische Planung<br />

Veranstaltung für Ist-Analyse planen<br />

Schritte, Ziele, Methoden <strong>und</strong> Medien<br />

Zielgruppe: MitarbeiterInnen aus Pflege, Hauswirtschaft, Verwaltung<br />

Zeitbedarf: ca. 90 Minuten<br />

Mitarbeiterversammlung<br />

Titel: Leben bis zuletzt – Wie wir gemeinsam einen guten Rahmen schaffen können …<br />

Zeit<br />

Lernphase<br />

Ziele<br />

5’ Einsteigen<br />

Ziel: Die Teilnehmer<br />

(TN) kennen den<br />

Rahmen <strong>und</strong> den<br />

Sinn des Projektes<br />

Ziel: Die TN fühlen<br />

sich durch die Verbindung<br />

mit positiven<br />

<strong>und</strong> negativen<br />

Fallgeschichten in<br />

ihrem Erleben <strong>der</strong><br />

Praxis angesprochen<br />

20’ Erarbeiten<br />

1. Schritt<br />

Ziel: Die TN fühlen<br />

sich persönlich angesprochen<br />

Die TN bringen für<br />

sie wichtige Anliegen<br />

auf den Punkt<br />

Methode<br />

Inhalte<br />

Begrüßung<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Fallgeschichte erzählen<br />

Mischung aus positiven <strong>und</strong> negativ Erlebnissen<br />

Kurzvortrag<br />

Entwicklung einer guten Kultur<br />

<strong>der</strong> Begleitung<br />

Was uns in <strong>der</strong> Leitung wichtig ist …<br />

Inhaltliche Stichworte:<br />

• Wachsende Bedeutung <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

• Wichtig: guten Rahmen schaffen<br />

• Entlastung suchen<br />

• Vernetzung herstellen<br />

•<br />

Arbeit mit Symbolen<br />

Mein Symbol für …<br />

Was mir als Mitarbeiter am Herzen<br />

liegt …<br />

Die TN wählen ein Symbol (Gegenstand,<br />

Bild) aus, zeigen es in <strong>der</strong> R<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> kommentieren es kurz. Symbole erleichtern<br />

das persönliche Sprechen <strong>und</strong><br />

veranschaulichen die Anliegen.<br />

Impulse, z. B.:<br />

• Was verbinde ich mit Sterbebegleitung?<br />

• O<strong>der</strong>: Was braucht Sterbebegleitung<br />

beson<strong>der</strong>s?<br />

• O<strong>der</strong>: Was ist mein Anliegen/Ziel bei<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung?<br />

Sozialform<br />

Verantwortung<br />

Plenum<br />

Heimleiter,<br />

PDL o<strong>der</strong><br />

Projektgr.-<br />

Leiter<br />

Materialien<br />

Medien<br />

� Gestaltung <strong>der</strong><br />

Mitte<br />

� Bild Netz<br />

Plenum � Symbole mitbringen<br />

(Bil<strong>der</strong>, Gegenstände,<br />

z. B.<br />

Steine, Fe<strong>der</strong>,<br />

Uhr, zerbrochener<br />

Zweig, Hammer<br />

usw.)<br />

�<br />

64


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Zeit<br />

15’<br />

15’<br />

15’<br />

15’<br />

Lernphase<br />

Ziele<br />

Erarbeiten<br />

2. Schritt<br />

Ziel: Die TN machen<br />

sich bewusst, was<br />

sie bereits leisten<br />

<strong>und</strong> fühlen dieses<br />

gewürdigt<br />

Erarbeiten<br />

3. Schritt<br />

Ziel: Die TN analysieren<br />

<strong>und</strong> benennen<br />

Vorgänge <strong>und</strong><br />

Bereiche, wo sie unsicher<br />

o<strong>der</strong> unzufrieden<br />

sind<br />

Die Leitung erhält<br />

Themenvorschläge.<br />

5’ Integrieren<br />

1. Schritt<br />

Ziel: Die TN bewerten<br />

die persönliche<br />

Bedeutung einzelner<br />

Punkte.<br />

Ziel: Die Leitung erhält<br />

eine Prioritätenliste<br />

Methode<br />

Inhalte<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Kartenabfrage<br />

Was gut läuft …<br />

Impulse:<br />

• Gehen Sie gedanklich die letzten<br />

„Sterbefälle“ durch.<br />

• Bitte halten Sie schlagwortartig fest,<br />

was Sie bereits bei <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

machen <strong>und</strong> womit Sie<br />

zufrieden sind!<br />

• Jedes Schlagwort = eine grüne Karte?<br />

Auswertung: Bitte stellen Sie Ihre Ergebnisse<br />

gemeinsam vor <strong>und</strong> heften die<br />

Karten an die Pinnwand.<br />

Die Leitung würdigt die Ergebnisse.<br />

Kartenabfrage<br />

Hier fehlt uns etwas …<br />

Impulse:<br />

• Gehen Sie gedanklich die letzten<br />

„Sterbefälle“ durch.<br />

• Wo fühle ich mich unsicher?<br />

• Was läuft schief?<br />

• Worüber sollten wir in einer Projektgruppe<br />

nachdenken, um die Sterbebegleitung<br />

zu verbessern?<br />

Auswertung: Bitte stellen Sie Ihre Ergebnisse<br />

gemeinsam vor <strong>und</strong> heften die<br />

Karten an die Pinnwand<br />

Punktabfrage:<br />

Das ist mir beson<strong>der</strong>s wichtig<br />

…<br />

Impulse:<br />

• Sie bekommen jeweils drei Klebepunkte.<br />

Überlegen Sie, welche <strong>der</strong><br />

Probleme vorrangig bearbeitet werden<br />

sollen.<br />

• Bitte kommen Sie nun alle an die<br />

Pinnwand <strong>und</strong> kleben die Punkte auf<br />

die Karten, die für Sie beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig sind.<br />

Prioritätenliste<br />

Der Leiter <strong>der</strong> Veranstaltung fasst das<br />

Ergebnis zusammen <strong>und</strong> gibt einen<br />

Ausblick, wie es mit <strong>der</strong> Projektarbeit<br />

weitergeht.<br />

Sozialform<br />

Verantwortung<br />

Gruppenarbeit<br />

För<strong>der</strong>t Austausch<br />

<strong>und</strong><br />

schafft Sicherheit<br />

beim<br />

Beschriften<br />

<strong>der</strong> Karten<br />

Plenum<br />

Gruppenarbeit<br />

Plenum<br />

Materialien<br />

Medien<br />

� Pinnwände<br />

� Karten (grün)<br />

� Filzstifte<br />

� Pinnwände<br />

� Karten (rot)<br />

� Filzstifte<br />

�<br />

Plenum � Klebepunkte (Alternative:<br />

Stifte zum<br />

Ankreuzen o<strong>der</strong> Bepunkten)<br />

65


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Zeit<br />

Lernphase<br />

Ziele<br />

10’ Integrieren<br />

2. Schritt<br />

Ziel: Die TN machen<br />

sich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />

deutlich, wie stark<br />

sie im Moment das<br />

Thema <strong>und</strong> die weitere<br />

Arbeit daran interessiert.<br />

Ziel: Die TN erfahren,<br />

dass ihre unterschiedlichesInteresse<br />

<strong>und</strong> Bereitschaft<br />

nicht bewertet wird.<br />

Ziel: Die Leitung<br />

sieht evtl. Bereitschaft<br />

zur weiteren<br />

Mitarbeit in einer<br />

Projektgruppe<br />

5’ Auswerten<br />

Ziel: Die TN geben<br />

ohne großen Aufwand<br />

Rückmeldung.<br />

Methode<br />

Inhalte<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Standbild<br />

Wie stark interessiert mich<br />

das Thema?<br />

Impulse:<br />

Der Leiter macht deutlich, dass die TN<br />

bei <strong>der</strong> folgenden persönlichen Aufstellung<br />

nicht beurteilt werden. „Je<strong>der</strong> hat<br />

ein unterschiedlich starkes Interesse<br />

am Thema o<strong>der</strong> braucht Abstand. Das<br />

ist völlig in Ordnung … Für uns ist es<br />

für die weitere Arbeit wichtig zu sehen,<br />

wie stark das Thema interessiert …“<br />

Vorgehen:<br />

• Wir legen nun in <strong>der</strong> Mitte mit <strong>der</strong><br />

Schnur einen Innenkreis <strong>und</strong> einen<br />

Außenkreis.<br />

• Bitte stellen Sie sich je nach Ihrem<br />

<strong>der</strong>zeitigen Interesse auf:<br />

• 1.Innenkreis=Interesse sehr<br />

hoch; evtl. Bereitschaft zur Mitarbeit<br />

in einer Projektgruppe<br />

• 2. Kreis=Interesse mittel,<br />

• 3. Ring=Ich brauche zurzeit Abstand<br />

zum Thema Sterben<br />

• Tauschen Sie sich bitte mit den TN<br />

in Ihrer Nähe aus, wie die Veranstaltung<br />

für Sie war …<br />

Danke für’s Mitmachen<br />

Plakat<br />

„Auswerten im Vorbeigehen<br />

…“<br />

Impulse:<br />

Bitte tragen Sie beim Rausgehen auf<br />

<strong>der</strong> verdeckten Flipchart noch ein, wie<br />

Sie die heutige Veranstaltung empf<strong>und</strong>en<br />

haben. Kreuzen Sie die entsprechende<br />

(Schul-)Note an. Wenn Sie wollen,<br />

können Sie uns auch noch einen<br />

Kommentar hinterlassen.<br />

Sozialform<br />

Verantwortung<br />

Plenum<br />

Plenum<br />

Materialien<br />

Medien<br />

Entwickelt: Projekt-Werkstatt Hospizkultur (DW Bayern), April 2008 Bamberg<br />

MA<br />

� Farbige, dickere<br />

Schnüre<br />

� Flipchart (vor Blicken<br />

geschützt)<br />

�<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

66


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Didaktische Planung<br />

Veranstaltung zur Konzept-<br />

Diskussion planen<br />

Schritte, Ziele, Methoden <strong>und</strong> Medien (Projekt Hersbruck)<br />

Zielgruppe: MitarbeiterInnen aus Pflege, Hauswirtschaft, Verwaltung<br />

Leitziel: Kennenlernen des Konzeptentwurfes – Abgleich mit den Vorstellungen<br />

<strong>und</strong> Ideen <strong>der</strong> MitarbeiterInnen <strong>und</strong> praktisches Training palliativpflegerischer<br />

Hilfen<br />

Zeitbedarf: ca. 180 Minuten<br />

Info-Veranstaltung für Mitarbeiter<br />

Titel (Vorschlag): Sterbebegleitung – „Ein neues Konzept – Passend auch für uns?“…<br />

Zeit<br />

Lernphase<br />

Ziele<br />

15’ Einsteigen<br />

Ziel: Die Teilnehmer<br />

(TN) kennen den<br />

Rahmen <strong>und</strong> den<br />

Sinn des Projektes<br />

Ziel: Die TN fühlen<br />

sich durch die Verbindung<br />

mit positiven<br />

<strong>und</strong> negativen<br />

Fallgeschichten in<br />

ihrem Erleben <strong>der</strong><br />

Praxis angesprochen<br />

Ziel: Die TN kennen<br />

Vorgeschichte <strong>und</strong><br />

die bisherigen<br />

Schritte<br />

Methode<br />

Inhalte<br />

Begrüßung<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Fallgeschichte(n) erzählen<br />

Mischung aus positiven <strong>und</strong> negativen<br />

Erlebnissen.<br />

Kurzvortrag<br />

Entwicklung einer guten Kultur<br />

<strong>der</strong> Begleitung – Unsere<br />

bisherigen Schritte<br />

Was uns in <strong>der</strong> Projektleitung wichtig<br />

ist …<br />

Inhaltliche Stichworte:<br />

• Wachsende Bedeutung <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

• Wichtig: guten Rahmen schaffen<br />

• Entlastung suchen<br />

• Vernetzung herstellen<br />

Unsere bisherigen Schritte:<br />

Strecke mit ausgeschnittenen Fußspuren<br />

markieren. Der Leiter wan<strong>der</strong>t<br />

beim Berichten auf <strong>der</strong> ausgelegten<br />

Spur …<br />

• 1. Schritt im Projekt …<br />

• 2. Schritt …<br />

Sozialform<br />

Verantwortung<br />

Plenum<br />

Heimleiter,<br />

PDL o<strong>der</strong><br />

Projektgr.-<br />

Leiter<br />

Materialien<br />

Medien<br />

� Bestuhlung:<br />

Stuhlkreis<br />

� Gestaltung <strong>der</strong><br />

Mitte<br />

� Schablone Fußspuren<br />

(aus Karton<br />

geschnitten)<br />

67


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Zeit<br />

25’<br />

5x 4’<br />

Gespräch<br />

+ Zeit<br />

zum<br />

Schreiben<br />

<strong>der</strong><br />

Karten)<br />

Lernphase<br />

Ziele<br />

Erarbeiten<br />

1. Schritt<br />

Ziel: Die TN reflektieren<br />

Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> können sich dabei<br />

austauschen<br />

Ziel: Die TN fühlen<br />

sich persönlich angesprochen<br />

Die TN bringen für<br />

sie wichtige Anliegen<br />

auf den Punkt,<br />

die für den anschließenden<br />

Abgleich mit<br />

dem Konzept genutzt<br />

werden können<br />

45’ Erarbeiten<br />

2. Schritt<br />

Ziel: Die TN kennen<br />

die Überlegungen<br />

aus <strong>der</strong> Konzeptgruppe<br />

Methode<br />

Inhalte<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Methode „Kugellager“<br />

Sterbebegleitung persönlich<br />

„Was mich als MA bei <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung beschäftigt<br />

…“<br />

Anleitung:<br />

Die TN setzen sich in einen Innenkreis<br />

<strong>und</strong> in einem Außenkreis paarweise<br />

gegenüber. Die Leitung gibt einen Impuls/eine<br />

Frage für den wechselseitigen<br />

Erfahrungs- <strong>und</strong> Meinungsaustausch<br />

zwischen den jeweiligen Partnern.<br />

Die Leitung beendet die Gespräche<br />

jeweils nach ca. 5 Min. z. B. durch einen<br />

Gongschlag. Am Ende des jeweiligen<br />

Gesprächs können die TN eine<br />

o<strong>der</strong> zwei Karten beschriften, die von<br />

<strong>der</strong> Leitung an die Pinnwand geheftet<br />

werden.<br />

Danach setzen sich die TN gegenläufig<br />

(= „Kugellager“) einen Stuhl weiter, so<br />

dass neue Partner für das nächste Gespräch<br />

zusammenkommen.<br />

Impulse, z. B.:<br />

• Was mich bei <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

beson<strong>der</strong>s interessiert …<br />

• Wo ich mich manchmal unsicher<br />

fühle …<br />

• Ein Erlebnis, das mich beschäftigt<br />

hat …<br />

• Was mir im Rahmen <strong>der</strong> Arbeit bei<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung gut getan hat<br />

…<br />

• Was mir im Rahmen <strong>der</strong> Arbeit bei<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung fehlt …<br />

Vortrag mit Diskussion<br />

Sterbebegleitung organisatorisch<br />

Vorschläge für ein Konzept<br />

Die Leitung stellt das Konzept vor <strong>und</strong><br />

versucht – wo es passt - zusammen mit<br />

den TN Verbindungen zu einzelnen Ergebnissen<br />

<strong>der</strong> Gespräche (= Karten <strong>der</strong><br />

TN ) herzustellen. Evtl. müssen die<br />

Stichworte auf den Karten noch erläutert<br />

werden.<br />

Sozialform<br />

Verantwortung<br />

Partnerarbeit<br />

Materialien<br />

Medien<br />

� Pinnwände<br />

(Zeichnung auf<br />

<strong>der</strong> Pinnwand-<br />

Bespannung:<br />

Körbe für die einzelnen<br />

Impuls-<br />

Fragen)<br />

� Nadeln<br />

� DIN A4-Karten (für<br />

jeden Impuls eine<br />

an<strong>der</strong>e Farbe)<br />

� Filzstifte (pro TN<br />

einen)<br />

Plenum � Kopiertes Konzept<br />

als TN-Material<br />

zum Mitlesen<br />

� Evtl Overheadprojektor<br />

68


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Zeit<br />

Lernphase<br />

Ziele<br />

15’ Integrieren /<br />

Transfer<br />

Ziel: Die TN fühlen<br />

sich mit ihren Vorstellungen<br />

<strong>und</strong> Fragen<br />

einbezogen<br />

Methode<br />

Inhalte<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Diskussion<br />

Das Konzept in <strong>der</strong> Diskussion<br />

Impulse:<br />

• Wo bietet das Konzept Antwort auf<br />

meine Unsicherheiten <strong>und</strong> Fragen?<br />

• Welche Vorschläge habe ich als<br />

MitarbeiterIn?<br />

• Abschluss: Was ist für mich unklar<br />

o<strong>der</strong> offen geblieben?<br />

Sozialform<br />

Verantwortung<br />

Materialien<br />

Medien<br />

20 Pause � Kaffee/Tee<br />

45’ Erarbeiten<br />

3. Schritt<br />

Ziel: Die TN kennen<br />

die Überlegungen<br />

aus <strong>der</strong> Konzeptgruppe<br />

5’ Integrieren /<br />

Transfer<br />

5’ Integrieren<br />

insgesamt<br />

Ziel: Die TN sind<br />

darüber orientiert,<br />

wie das Projekt weiter<br />

geht<br />

5’ Auswerten<br />

Ziel: Die TN bewerten<br />

ihren persönlichen<br />

<strong>und</strong> fachlichen<br />

Lernerfolg<br />

Ziel: Die Leitung erhält<br />

eine Prioritätenliste<br />

Demonstration / Übungen<br />

Sterbebegleitung praktisch<br />

Pflegerische Hilfen<br />

Beispiele:<br />

• Lagerung „Nest“<br />

• M<strong>und</strong>pflege<br />

• usw.<br />

Bei welchen Patienten kann ich das<br />

Gezeigte evtl. einsetzen o<strong>der</strong> vorschlagen?<br />

Kurzvortrag<br />

Unsere nächsten Schritte ..<br />

Fragebogen:<br />

Das nehme ich heute mit …<br />

Impulse:<br />

• 3 Erkenntnisse / Eindrücke, die ich<br />

heute mitnehme<br />

• Was hat mir weniger gefallen?<br />

• Was hat mir gut gefallen?<br />

• Das schlage ich für das nächste<br />

Treffen vor:<br />

� Kuchen<br />

Plenum � DVD<br />

Lehrbuch Student, Napiwotzki<br />

� Kopiertes TN-<br />

Material zum<br />

Nachlesen (Auszüge<br />

aus Lehrbuch)<br />

� Material zum Üben,<br />

z. B. Kissen<br />

Plenum � Fragebogen<br />

Entwickelt: Projekt-Werkstatt Hospizkultur (DW Bayern), April 2008 Bamberg<br />

69


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Beispiel<br />

Fortbildungsthemen wählen 1<br />

Themen für die Schulung von Mitarbeitern (Beispiel Projekt<br />

Füssen)<br />

Hinweise zur Verwendung::<br />

Welche Themen tauchen in den Fortbildungen auf? Das Beispiel aus dem<br />

Projekt Füssen zeigt Ihnen, welche Inhalte von den Mitarbeitern aus dem Curriculum<br />

des zertifizierten Basiskurses „Palliative Care <strong>und</strong> Hospizarbeit“ (160<br />

Std.) für den kleineren Rahmen <strong>der</strong> internen Schulungen gewählt wurden.<br />

Die Liste gibt Ihnen einen groben Überblick <strong>und</strong> hilft evtl. gewünschte Inhalte<br />

abzufragen o<strong>der</strong> diese zu ergänzen<br />

Fast alle MitarbeiterInnen <strong>der</strong> Sozialstation Füssen haben in zwei Gruppen einen<br />

Palliative-Care-Kurs kompakt durchlaufen. Diese interne Fortbildung<br />

war dreiteilig angelegt: Sie bestand aus zwei Schulungen mit je 12 U.-Std., in<br />

denen Basiswissen trainiert wurden, <strong>und</strong> einem Planspiel bzw. einer Besprechung<br />

<strong>der</strong> entwickelten Standards anhand eigener Praxissituationen.<br />

Der Umfang <strong>der</strong> internen Fortbildung betrug pro Gruppe insgesamt 30 U.-Std.<br />

Die Schwerpunkte wurden jeweils auf die Interessen <strong>der</strong> TeilnehmerInnen<br />

abgestimmt. In beiden Gruppen wurden folgende Themen in Form von Impulsreferaten,<br />

Rollenspielen, kleinen praktischen Demonstrationen, Besprechungen<br />

<strong>und</strong> Übungen behandelt:<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen“, Evang.-kath. Sozialstion Füssen <strong>und</strong> Hospizverein<br />

Ostallgäu e.V., Am Ziegelstadel 12, 87629 Füssen, Projektleitung: Marianne Pfeifer (PDL), Veronika<br />

Stich (Hospizverein), Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg)<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 28.10.2009; Redaktion: Martin Alsheimer<br />

70


Projekt-Werkstatt - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Organisatorische Themen<br />

• Leitlinien zur Sterbebegleitung<br />

• Integration <strong>der</strong> Palliativpflege in die ambulante Pflege<br />

Palliativ-medizinische <strong>und</strong> –pflegerische Themen<br />

• Basiswissen Schmerztherapie<br />

• Übelkeit / Erbrechen<br />

• Obstipation<br />

• Ernährung<br />

• Flüssigkeitssubstitution pro <strong>und</strong> contra in <strong>der</strong> Terminalphase<br />

• M<strong>und</strong>pflege<br />

• Palliative W<strong>und</strong>versorgung<br />

Rechtlich-ethische Themen<br />

• Rechtliche Fragen (Sterbehilfe, Vorsorgemöglichkeiten)<br />

• Vorstellungen zu letzten Lebensphase erfahren<br />

• Einweisung ins Krankenhaus - Beratungshilfen<br />

Psycho-soziale <strong>und</strong> spirituell-religiöse Themen<br />

• Persönliche Leitbil<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

• Unterstützende Gespräche bei Schuldgefühlen<br />

• Krisengespräche bei Lebensmüdigkeit<br />

• Gr<strong>und</strong>haltung in <strong>der</strong> Begleitung (Nähe / Distanz-Probleme)<br />

• Persönliche Hilfen vor Überfor<strong>der</strong>ung<br />

• Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Hospizhelfer<br />

• Trauer <strong>und</strong> Trauerbegleitung<br />

• Umgang mit Verstorbenen (Versorgung, Transfer, Aufbahrung)<br />

• Rituale entwickeln<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Stand 20.04.2008; Redaktion: Martin Alsheimer


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Hilfe<br />

Inhouse-Fortbildungen planen 1<br />

Konzept für hausinterne Fortbildungen<br />

Einführung<br />

Fortbildungen sind ein wichtiges Instrument, um den Boden für eine hospizliche<br />

Kultur zu bereiten. Ein wichtiger Gr<strong>und</strong>satz für die Fortbildung in Palliative<br />

Care ist: Haltung vor Technik.<br />

„Palliative Care ist nicht nur eine Aneinan<strong>der</strong>reihung von sinnvollen Maßnahmen <strong>und</strong> aus Erfahrung<br />

<strong>und</strong> Forschung gesammelten Wissen – Palliative Care ist zuallererst Reflexion <strong>und</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit unserer persönlichen Haltung, mit <strong>der</strong> wir sterbenden Menschen <strong>und</strong> ihren<br />

Angehörigen begegnen. Gemeint sind Werte wie Respekt, Empathie, Wahrhaftigkeit, Menschenfre<strong>und</strong>lichkeit<br />

<strong>und</strong> Selbstachtung. Palliative Care ist an <strong>kein</strong>en Ort geb<strong>und</strong>en. Voraussetzung<br />

ist die Bereitschaft, sich mit den Themen Sterben, Tod <strong>und</strong> Trauer auseinan<strong>der</strong>zusetzen –<br />

auch mit persönlichen Erfahrungen <strong>und</strong> Befürchtungen. 2 “<br />

Die Kunst <strong>der</strong> Fortbildungen ist es, diese Haltungen (= persönlich durchdachtes<br />

Handeln) zu entwickeln, dabei die organisatorischen Stützen <strong>und</strong> Spielräume<br />

zu prüfen (= organisatorisch durchdachtes Handeln), so dass die beson<strong>der</strong>e<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> das spezielles Wissen erworben <strong>und</strong> auch angewendet<br />

werden können (= fachlich durchdachtes Handeln).<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Leben bis zuletzt“, Evangelisches Pflegezentrum Eichenau, Bahnhofstr. 117,<br />

82223 Eichenau; Projektleitung: Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg), Dirk Spohd (HL), Ruth Wagner (PDL)<br />

2 Kränzle, S., Schmid, U., Seeger, C.: Palliative Care. Handbuch für Pflege <strong>und</strong> Begleitung. Heidelberg:<br />

Springer 2005, S. IX<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 72


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

OrganisatorischeMöglichkeiten<br />

Persönliche Haltung<br />

Palliative Fähigkeiten,<br />

Wissen, Fertigkeiten<br />

Wir haben uns für ein gestuftes Fortbildungsprogramm entschieden:<br />

• Ein thematisch breit angelegtes Basisprogramm für möglichst viele MitarbeiterInnen<br />

aus den Bereichen Pflege, Hauswirtschaft, Verwaltung sichert<br />

ein tragfähiges Gr<strong>und</strong>verständnis für hospizliches Handeln im Haus. Unser<br />

Ziel: Persönliche <strong>und</strong> fachliche Sicherheit in Alltagssituationen <strong>der</strong> Begleitung<br />

Sterben<strong>der</strong> <strong>und</strong> ihrer Angehörigen. Entsprechend unserem<br />

Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Vernetzung laden wir hier auch ehrenamtliche Kräfte aus<br />

Besuchsdienst <strong>und</strong> Hospizverein dazu ein.<br />

• Darauf aufbauend bieten wir für MitarbeiterInnen, die in beson<strong>der</strong>en Situationen<br />

pflegen <strong>und</strong> begleiten, spezialisierte Fortbildungseinheiten an.<br />

• Für die Palliative-Care-Kräfte in unserem Haus sorgen wir, dass sie über<br />

ihre Weiterbildung hinaus, Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten in externen Fortbildungen<br />

vertiefen können.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 73


1<br />

Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Fortbildungsprogramm (Beispiel Projekt Eichenau)<br />

3<br />

Palliative-Care-Fachkräfte<br />

Einführung von Auszubildenden <strong>und</strong> neuer Mitarbeiter<br />

Vermittlung von pflegerischen Fertigkeiten <strong>und</strong> Wissen<br />

(Multiplikatoren-Rolle)<br />

2 Programm für Mitarbeiter in beson<strong>der</strong>en Situationen<br />

(8 U.-Std.)<br />

Übermittlung<br />

<strong>der</strong> Todesnachricht<br />

Begleitung am<br />

Totenbett<br />

Umsorgen Verstorbener<br />

Pflege in <strong>der</strong><br />

Terminalphase<br />

Palliative Notfälle<br />

Basisprogramm für MitarbeiterInnen in Alltagssituationen <strong>der</strong> Sterbe- <strong>und</strong><br />

Trauerbegleitung (24 U.-Std.)<br />

Verständnis von Trauerprozessen<br />

Unterstützung von Abschied<br />

als professionelle<br />

Dienstleistung<br />

Verhalten am Pflegebett<br />

Rechtliches Basiswissen<br />

Reflexion eigener Haltungen <strong>und</strong><br />

Erfahrungen zu Sterben, Tod <strong>und</strong><br />

Trauer<br />

Gr<strong>und</strong>haltung <strong>der</strong> Begleitung -<br />

Kommunikation in Krisen<br />

Vorstellungen von Lebensqualität<br />

erfassen<br />

Pflegerische Themen, z.<br />

B. M<strong>und</strong>pflege, Lagerungen,<br />

beson<strong>der</strong>e Waschungen,Flüssigkeitsgabe<br />

Schmerzbeobachtung<br />

(z. B. bei demenziell erkranktenBewohnerInnen)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 74


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Material<br />

Hilfreiche Haltungen für die<br />

Sterbebegleitung för<strong>der</strong>n<br />

Beispiele für Haltungen <strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung<br />

Als Leitung für Rückhalt<br />

im Team sorgen<br />

Bei Entscheidungen<br />

Antwort geben: Was<br />

wollte ich damit erreichen?<br />

Teamritual zum Abschied<br />

Besprechung von<br />

„Fällen“<br />

Gelebte Vorbil<strong>der</strong><br />

auf allen Ebenen<br />

Übung:<br />

Mein Schutzmantel<br />

Rückhalt<br />

Solidarität<br />

Verantwortung<br />

Akzeptanz <strong>der</strong><br />

Realität (gegen<br />

Aktivismus)<br />

Entwickelt: Projekt-Kolleg Caritas 2007<br />

Achtsamkeit<br />

Zuversicht<br />

Flexibilität Toleranz<br />

Demut Offenheit für<br />

Neues<br />

Sinneswahrnehmung<br />

schulen<br />

Spirituelle<br />

Angebote<br />

Einüben von<br />

Ver-halt-ensweisen<br />

(von außen nach innen<br />

wirken)<br />

Im Team darauf achten,<br />

dass Meinungen<br />

auch stehen bleiben<br />

dürfen<br />

Bestätigung für Geleistetes<br />

erhöht Offenheit<br />

für Neues<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 75


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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3<br />

Leitgedanken<br />

Konzepte<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 76


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 77


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Thesen<br />

Leitgedanken: Sterbebegleitung 1<br />

10 Thesen zur beson<strong>der</strong>en Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

1. Sterben ist ein ganz individueller, ein einmaliger Prozess. Der Sterbende<br />

führt die Regie. Eine gute Sterbebegleitung bedeutet, alle eigenen Ideale,<br />

Vorstellungen, Rezepte beiseite zu stellen <strong>und</strong> die Wünsche des an<strong>der</strong>en<br />

zu erk<strong>und</strong>en o<strong>der</strong> zu ertasten. Es braucht eine Atmosphäre <strong>der</strong> Offenheit.<br />

2. Sterben gehört zum Leben; Sterbende sind Lebende. Eine gute Sterbebegleitung<br />

bedeutet nichts Spektakuläres. Sterbebegleitung ist Lebensbegleitung.<br />

Die Aufgabe ist, eine Lebenszeit zu ermöglichen, die lebenswert ist.<br />

Es sind die kleinen Dinge des Alltags, die wichtig sind (z. B. Achtsamkeit<br />

im Kontakt, Aufmerksamkeit für beson<strong>der</strong>e Wünsche)<br />

3. Sterben heißt Loslassen des Lebens. Um etwas loslassen zu können,<br />

muss es mir gehören. „Loslassen“ lässt sich nicht verordnen. Es geht nicht<br />

darum, den Tod anzunehmen, son<strong>der</strong>n sich das Leben anzueignen. Eine<br />

gute Sterbebegleitung bedeutet, den an<strong>der</strong>en bei dieser Lebensschau zu<br />

unterstützen – soweit er es will. Sterbebegleitung ist Biografiearbeit.<br />

4. Sterben ist ein Weg, den je<strong>der</strong> allein gehen muss. Sterbebegleitung bedeutet,<br />

diese unaufhebbare Grenze zu akzeptieren. Wir können nicht beurteilen,<br />

ob ein Sterben „gut“ o<strong>der</strong> „schlecht“ ist. Vieles, was im Sterben passiert,<br />

bleibt rätselhaft o<strong>der</strong> verborgen.<br />

5. Sterben ist oft ein schwerer Weg, <strong>der</strong> mit physischen, sozialen, psychischen<br />

<strong>und</strong> spirituellen Schmerzen verb<strong>und</strong>en ist. Eine gute Sterbebegleitung<br />

bedeutet, das Schmerzgeschehen umfassend zu sehen <strong>und</strong> für eine<br />

gute Schmerztherapie als Basis zu sorgen.<br />

6. Sterben führt an <strong>und</strong> über Grenzen – auch über Grenzen <strong>der</strong> Sprache.<br />

Vieles ist nicht sagbar. Sterbebegleitung bedeutet, weitere Ausdrucksmöglichkeiten<br />

(z. B. Symbole, Körpersprache, z. B. Berührung, Atem) zu entdecken<br />

<strong>und</strong> anzubieten.<br />

1 Vorlage: Martin Alsheimer, Didaktische Materialien (2003)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 78


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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7. Sterben konfrontiert uns mit <strong>der</strong> Endlichkeit <strong>und</strong> Zerbrechlichkeit des eigenen<br />

Lebens. Sterbebegleitung bedeutet, dass ich als Begleiter immer wie<strong>der</strong><br />

meine eigenen „unerledigten Geschäfte“ (E. KÜBLER-ROSS) kläre<br />

<strong>und</strong> mich des Lebens freue.<br />

8. Sterben fügt sich nicht in Phasen, Regeln <strong>und</strong> Zeitvorgaben (Prognosen).<br />

Eine gute Sterbebegleitung braucht Flexibilität, Absprachen, Zusammenarbeit.<br />

Sie bedeutet auch, sich Hilfen zu suchen, wenn die eigenen Kräfte<br />

nicht ausreichen, z. B. Kooperation mit Ehrenamtlichen. Sterbebegleitung<br />

ist Teamarbeit <strong>und</strong> <strong>kein</strong>e Einzelaktion.<br />

9. Sterben betrifft nicht nur eine Person. Es trifft Familie, Fre<strong>und</strong>e, Mitbewohner.<br />

Sterbebegleitung bedeutet, auch das jeweilige Umfeld zu berücksichtigen.<br />

Sterbebegleitung heißt aber auch, auszuhalten <strong>und</strong> zu akzeptieren,<br />

dass Beziehungen manchmal schwierig, zerrüttet o<strong>der</strong> zerstört sind. Wir<br />

können als Begleiter nicht Harmonie herstellen. Wir sind als Pflegekräfte<br />

<strong>kein</strong>e Ersatztöchter o<strong>der</strong> –söhne <strong>und</strong> dürfen hier auch nicht mit den leiblichen<br />

Angehörigen in Konkurrenz treten.<br />

10. Sterben ist ein persönlicher Prozess, Sterbebegleitung eine beson<strong>der</strong>e<br />

zwischenmenschliche Begegnung. Beides braucht einen organisatorischen<br />

Schutzraum. Sterbebegleitung bedeutet, sich für einen schützenden<br />

Rahmen in <strong>der</strong> jeweiligen Einrichtung o<strong>der</strong> Organisation einzusetzen.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 79


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Entwurf<br />

Lebensqualität bis zum Abschied<br />

Leitlinien <strong>der</strong> Sozialservicegesellschaft des BRK zum<br />

Thema Sterbebegleitung (Ethik-Kommission)<br />

Sterbebegleitung verstehen wir als Lebensbegleitung. Bewohnerwünsche werden<br />

in den Häusern <strong>der</strong> RKS gerade in <strong>der</strong> letzten Lebensphase beson<strong>der</strong>s<br />

berücksichtigt. Gr<strong>und</strong>lagen<br />

dafür sind: Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung, ausführliche Biografiearbeit,<br />

persönliche Gespräche <strong>und</strong> Vermittlung von spezieller Beratung<br />

Sterbebegleitung bedeutet für uns, gute palliativmedizinische <strong>und</strong> palliativpflegerische<br />

Versorgung. Voraussetzung dafür sind palliativpflegerische Basiswissen<br />

bei möglichst allen Mitarbeitern, spezielle Kompetenz durch Palliativfachkräfte<br />

<strong>und</strong> beson<strong>der</strong>e Zusammenarbeit mit Ärzten, die uns in diesem Ziel<br />

unterstützen.<br />

Sterbebegleitung heißt für uns, das Selbstbestimmungsrecht zu achten. Wir<br />

ermutigen dazu, rechtzeitig entsprechende Vorsorge für ges<strong>und</strong>heitliche Krisensituationen<br />

zu treffen, in denen <strong>der</strong> Bewohner sich nicht mehr direkt mitteilen<br />

kann. Entsprechende eindeutige Willensäußerungen, wie z. B. Patientenverfügungen,<br />

Notfallplanung sind für uns bindend. Falls <strong>kein</strong>e Entscheidungen<br />

getroffen sind, unterstützen wir betreuende Angehörige <strong>und</strong> behandelnde Ärzte<br />

dabei, den mutmaßlichen Willen des Bewohners zu erforschen.<br />

Sterbebegleitung braucht hohen Respekt gegenüber nationalen, ethnischen<br />

<strong>und</strong> religiösen Unterschieden. Wir tragen dafür Sorge, dass religiös <strong>und</strong> kulturell<br />

geprägte Vorstellungen auch in <strong>der</strong> letzten Lebensphase gelebt werden<br />

können. Entsprechende Wünsche werden im Vorfeld erfasst.<br />

Sterbebegleitung braucht Angehörige. Wir sehen Angehörige als wichtigen,<br />

unersetzbaren Partner. Das bedeutet für uns, sie je nach Wünschen <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />

in die pflegerische <strong>und</strong> psychosoziale Begleitung einzubeziehen <strong>und</strong><br />

zu sehen, wo sie beson<strong>der</strong>e Informationen <strong>und</strong> Ermutigung benötigen.<br />

Sterbebegleitung führt an eigene Grenzen. Wir geben den Mitarbeitern Raum<br />

<strong>und</strong> Möglichkeiten für die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Themen Sterben, Tod<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 80


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

<strong>und</strong> Trauer. Dieser Prozess kann geför<strong>der</strong>t werden zum Beispiel durch Entwicklung<br />

von Teamritualen, durch kollegiale Gespräche, Gesprächskreise,<br />

Fortbildungen <strong>und</strong> supervisorische Begleitung.<br />

Sterbebegleitung nutzt die Unterstützung <strong>und</strong> den beson<strong>der</strong>en Beitrag, den<br />

freiwillige Helfer leisten. Wir legen Wert auf eine gut abgeklärte Zusammenarbeit<br />

mit den örtlichen Hospizvereinen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en ehrenamtlichen Helfern,<br />

die uns in unserem palliativen Gedanken unterstützen.<br />

Sterbebegleitung endet für uns nicht mit dem Tod des Bewohners. Abschied<br />

braucht Zeit <strong>und</strong> Raum. Deswegen legen wir beson<strong>der</strong>n Wert auf Abschiedsformen,<br />

die von den Beteiligten als würdig empf<strong>und</strong>en werden. Wir pflegen<br />

auch beson<strong>der</strong>e Formen des Gedenkens an verstorbene Bewohner.<br />

Entwurf: Projekt-Werkkstatt Hospizkultur, RKS 2006-2007<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 81


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Konzept-Beispiel<br />

Leben bis zuletzt 1<br />

Konzept zur Sterbebegleitung<br />

(Leonhard-Henninger-Haus <strong>München</strong>)<br />

Hinweise zur Verwendung::<br />

Welche Gedanken <strong>und</strong> organisatorischen Ideen würden Sie in ein Konzept zur<br />

Sterbebegleitung aufnehmen? Das Beispiel präsentiert eine knappe Variante<br />

für Leitlinien zur Sterbebegleitung. Sie können als Diskussions- <strong>und</strong> Formulierungshilfe<br />

verwenden, um in <strong>der</strong> Projektgruppe eigene Leitlinien zu entwickeln.<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Projektgruppe können dabei Formulierungen aus dem Material<br />

übernehmen, Abschnitte umformulieren o<strong>der</strong> eigene Gedanken entwickeln.<br />

Der sterbende Mensch steht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Er bestimmt<br />

die Art <strong>und</strong> Weise <strong>der</strong> Begleitung. Vorrang hat in <strong>der</strong> Regel, was die<br />

sterbende Person jeweils braucht.<br />

Sterbebegleitung verstehen wir zunächst als Lebensbegleitung. Sterben beginnt<br />

für uns vor dem akuten körperlichen Sterben. Deshalb ist es uns wichtig,<br />

Wünsche im Vorfeld durch entsprechende Gesprächsangebote zu erk<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> zu dokumentieren. Die Menschen, die in unserem Hause leben, werden<br />

mit <strong>der</strong> Sterbekultur, die im Leonhard-Henninger-Haus gepflegt wird, vertraut<br />

gemacht: "Leben bis zuletzt". Dazu gehören u. a. das Abklären, ob <strong>und</strong> wie<br />

Angehörige bei <strong>der</strong> Sterbebegleitung mitwirken können <strong>und</strong> wollen <strong>und</strong> das Informieren<br />

über die Möglichkeiten <strong>der</strong> Patientenverfügung <strong>und</strong> Vollmacht, um<br />

Vorstellungen abzusichern.<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Leben bis zuletzt“, Evangelisches Pflegeheim Leonhard-Henninger-Haus <strong>München</strong><br />

(IMM), Gollierstr. 75-79, 80339 <strong>München</strong>; Projektleitung: Christel Orth (CHV <strong>München</strong>), Martin Alsheimer<br />

(GGsD, Nürnberg), Frank Cylek (HL)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 82


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Sterben ist <strong>und</strong> bleibt dabei ein ganz individueller Prozess. Sterbebegleitung<br />

lässt sich zeitlich <strong>und</strong> inhaltlich nicht detailliert im Voraus festlegen, aber es<br />

lässt sich ein verlässlicher Rahmen schaffen, <strong>der</strong> diese Individualität schützt.<br />

Die folgenden Leitlinien formulieren wichtige Überzeugungen für die Sterbebegleitung<br />

im Leonhard-Henninger-Haus.<br />

Sterbebegleitung - eine Herausfor<strong>der</strong>ung für alle Beteiligten<br />

Das Sterben von Menschen führt uns oft an Grenzen - im Team <strong>und</strong> persönlich.<br />

Begleitung bedeutet, uns nicht mit zu idealistischen Vorstellungen zu überfor<strong>der</strong>n<br />

(z.B. Vorstellung einer ständigen Betreuung „r<strong>und</strong> um die Uhr“).<br />

Sterbebegleitung ist Teamarbeit. Entscheidend ist ein guter Informationsaustausch<br />

zwischen den Beteiligten (Mitarbeiter, Angehörige, Betreuer, Ärzte).<br />

Wo immer möglich, werden wir flexibel sein <strong>und</strong> Unterstützung für die Betroffenen<br />

<strong>und</strong> für das Team organisieren (z.B. ehrenamtliche Kräfte, "Springer" im<br />

Haus), um die jeweiligen Pflege-Bezugspersonen für die Aufgabe <strong>der</strong> Begleitung<br />

zu entlasten. Die unterschiedlichen persönlichen Beziehungen, die es im<br />

Team zum sterbenden Menschen gibt, sollen dabei beachtet <strong>und</strong> genutzt werden.<br />

Das nahe Sterben von Menschen, die wir pflegen <strong>und</strong> betreuen, konfrontiert<br />

uns als Mitarbeiter in <strong>der</strong> Altenpflege persönlich mit unserer eigenen Endlichkeit<br />

<strong>und</strong> Zerbrechlichkeit. Es eröffnet in ganz beson<strong>der</strong>er Weise die existentiellen<br />

Gr<strong>und</strong>fragen: "Wer bin ich? Wozu lebe ich? Wohin sterbe ich?" Die jeweils<br />

eigenen Antworten (die Gr<strong>und</strong>haltung) fließen dabei entscheidend ein in<br />

das professionelle Handeln. Wir werden entsprechend sensibler auf Sinn- <strong>und</strong><br />

Identitätsfragen von Bewohner reagieren. Sterbebegleitung bedeutet für uns<br />

deshalb, dass wir - ohne Zwang - bereit sind, uns mit dieser Thematik persönlich<br />

<strong>und</strong> im Team immer wie<strong>der</strong> auseinan<strong>der</strong>zusetzen. Fortbildungen <strong>und</strong> Austausch<br />

im Team för<strong>der</strong>n diesen Prozess. Auch in Bewerbungsgesprächen <strong>und</strong><br />

in <strong>der</strong> Anleitung neuer Mitarbeiter spielen Fragen <strong>der</strong> Sterbebegleitung eine<br />

wichtige Rolle.<br />

Sterbebegleitung - Einbeziehung von Angehörigen<br />

Sterbebegleitung bedeutet für uns, Angehörige beson<strong>der</strong>s einzubeziehen. Bereits<br />

im Vorfeld werden sie über die Möglichkeiten im Leonhard-Henninger-<br />

Haus informiert <strong>und</strong> im akuten Fall unterstützt (z.B. Übernachtung möglich).<br />

Sie sollen sich immer als willkommene Gäste fühlen <strong>und</strong> als die wichtigen Bezugspersonen.<br />

Wir versuchen hier, eine entsprechende Atmosphäre <strong>der</strong> Offenheit<br />

<strong>und</strong> des Vertrauens zu schaffen.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 83


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Wir sehen dabei natürlich auch unsere Grenzen. Der sterbende Mensch steht<br />

in einem Beziehungsgeflecht, das möglicherweise Konflikte birgt. In solchen<br />

Konfliktfällen können wir nur gelegentlich <strong>und</strong> begrenzt vermitteln. Wichtig ist<br />

uns deshalb bereits im Vorfeld, Zuständigkeiten zu klären (z.B. Betreuungsverfügung<br />

o<strong>der</strong> Bevollmächtigung, Ansprechpartner innerhalb <strong>der</strong> Familie), um<br />

in Krisenzeiten handlungsfähig im Sinne des Betroffenen zu sein, wenn sich<br />

dieser nicht mehr direkt äußern kann.<br />

Sterbebegleitung - Lin<strong>der</strong>ung des körperlichen Leids<br />

Körperliches Leid muss so weit wie möglich gelin<strong>der</strong>t werden. Eine unserer<br />

Hauptaufgaben ist es, uns für eine gute schmerztherapeutische Versorgung<br />

<strong>und</strong> eine wirksame Symptomkontrolle einzusetzen (z.B. Atemnot, Krämpfe).<br />

Eine gute Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten ist dabei beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig. Für absehbare Krisen soll möglichst frühzeitig vorgesorgt <strong>und</strong> entsprechende<br />

Absprachen getroffen werden.<br />

Sterbebegleitung - würdige Verabschiedung von Verstorbenen<br />

Sterbebegleitung endet für uns nicht mit dem Tod <strong>der</strong> Menschen. Wir achten<br />

im Leonhard-Henninger-Haus beson<strong>der</strong>s darauf, dass die Verabschiedung<br />

würdig, dass heißt entsprechend den Wünschen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kultur <strong>der</strong> Verstorbenen<br />

<strong>und</strong> ihrer Angehörigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kultur des Hauses erfolgt. Entsprechende<br />

Vorstellungen werden nach Möglichkeit frühzeitig in Gesprächen erfragt<br />

<strong>und</strong> dokumentiert. Wir ermutigen dazu, einen persönlichen Abschied zu<br />

finden. Erfahrungsgemäß können hier beson<strong>der</strong>s Rituale hilfreich sein. Als ein<br />

zentrales Angebot für Angehörige, Mitbewohner <strong>und</strong> Pflegekräfte hat sich das<br />

Ritual <strong>der</strong> Aussegnung bewährt.<br />

Die Achtung vor den Toten wird auch in <strong>der</strong> Versorgung <strong>der</strong> Verstorbenen<br />

sichtbar. Diesen Respekt erwartet das Haus deshalb auch von den Bestattern.<br />

Abschied braucht Zeit. An die verstorbenen Menschen wird innerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

des Leonhard-Henninger-Hauses in beson<strong>der</strong>er Weise auf <strong>der</strong><br />

Feier zum Jahresende erinnert.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 84


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 85


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Konzept-Beispiel<br />

Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein<br />

Zuhause geben 1<br />

Konzept zur Sterbebegleitung (St. Augustin, Neuburg /D)<br />

Hinweise zur Verwendung::<br />

Welche Gedanken <strong>und</strong> organisatorischen Ideen würden Sie in ein Konzept zur<br />

Sterbebegleitung aufnehmen? Das Beispiel präsentiert eine umfangreiche Variante<br />

für Leitlinien zur Sterbebegleitung. Sie können sie als Diskussions- <strong>und</strong><br />

Formulierungshilfe verwenden, um in <strong>der</strong> Projektgruppe eigene Leitlinien zu<br />

entwickeln.<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Projektgruppe können dabei Formulierungen aus dem Material<br />

übernehmen, Abschnitte umformulieren o<strong>der</strong> eigene Gedanken entwickeln.<br />

Einleitung<br />

„Wir wissen, dass dem menschlichen Leben ein zeitliches Ende gesetzt ist<br />

<strong>und</strong> dass es zur Fülle in Christus berufen ist; deswegen setzen wir uns für das<br />

Recht ein, in Würde sterben zu dürfen… 2<br />

Die Begleitung Schwerkranker <strong>und</strong> Sterben<strong>der</strong> sowie <strong>der</strong>en Angehöriger ist<br />

eine christliche <strong>und</strong> menschliche Aufgabe. In unserem christlichen Gr<strong>und</strong>verständnis<br />

hat je<strong>der</strong> Mensch <strong>und</strong> jede Lebensphase – <strong>und</strong> gerade auch die Zeiten<br />

von Krankheit <strong>und</strong> Sterben – einen eigenen Wert <strong>und</strong> eine eigene Würde.<br />

Wie lässt sich dieser große Leitbegriff „Würde“ fassen? Die Würde des Menschen<br />

wurzelt für uns in seiner Gottesebenbildlichkeit. „Wir sind überzeugt,<br />

dass wir im Menschen Christus begegnen. So basiert die alltägliche Pflegeroutine,<br />

d. h. die Pflege eines Hilfsbedürftigen auf ‚spiritueller Dimension’.“ 3 Im<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“, Pflegeheim <strong>der</strong> Bamherzigen<br />

Brü<strong>der</strong>, St. Augustyn Neuburg a.d.D., Franziskaner Str. B 127, 86633 Neubug a.d.Donau, Projektleitung:<br />

Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg), Dora Schmidt (PDL)<br />

2 Barmherzige Brü<strong>der</strong> Wien, <strong>München</strong>, Frankfurt (Hg.) (2000): Charta <strong>der</strong> Hospitalität (…). Die Betreuung<br />

kranker <strong>und</strong> hilfsbedürftiger Menschen in <strong>der</strong> Nachfolge des heiligen Johannes von Gott. <strong>München</strong>: Johann<br />

von Gott Verlag, S. 5<br />

3 Formulierung des Menschenbildes in unserem Pflegekonzept (Altenheim St. Augustin, 22.02.2005), S. 1<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 86


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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praktischen Handeln <strong>der</strong> Sterbebegleitung muss Menschenwürde durch zwei<br />

komplementäre Aspekte verwirklicht werden:<br />

• Wir beachten das Selbstbestimmungsrecht des Menschen (= Autonomieaspekt<br />

<strong>der</strong> Menschenwürde).<br />

• Wir möchten den Menschen durch die Art <strong>der</strong> Pflege <strong>und</strong> Begleitung erleben<br />

lassen, dass er mit <strong>und</strong> trotz seiner Krankheit <strong>und</strong> Gebrechlichkeit<br />

wertvoll um seiner selbst willen ist (= Fürsorgeaspekt <strong>der</strong> Menschenwürde).<br />

1<br />

Beide Aspekte sind spannungsreich aufeinan<strong>der</strong> bezogen <strong>und</strong> ergänzen sich<br />

wechselseitig. Sie müssen zusammen gesehen <strong>und</strong> immer wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> täglichen<br />

Beziehung in Balance gebracht werden. Wir halbieren sonst jeweils<br />

Menschenwürde. „Autonomie“ heißt deshalb für uns nicht, Menschen in ihren<br />

Entscheidungen ratlos, überfor<strong>der</strong>t <strong>und</strong> einsam werden zu lassen. „Fürsorge“<br />

bedeutet für uns nicht, Menschen mit „besserem Wissen“ zu entmündigen. 2<br />

Autonomie braucht Fürsorge - <strong>und</strong> Fürsorge benötigt Autonomie.<br />

Neben dem Schlüsselbegriff <strong>der</strong> Würde prägt ein zweiter Gedanke unsere Arbeit.<br />

Als Leitmotiv unseres Projektes haben wir den Titel gewählt: „Im Leben<br />

<strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“. Wie interpretieren wir dieses Versprechen,<br />

das in unserem Titel steckt?<br />

Auch wenn Bewohnerinnen noch zustimmen konnten <strong>und</strong> unser Haus ausgesucht<br />

haben, ist <strong>der</strong> Wechsel von Zuhause in ein Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim selten<br />

im eigentlichen Sinne freiwillig o<strong>der</strong> gewünscht. Meist wurde er durch die Umstände<br />

<strong>und</strong> die Entwicklung von Krankheit <strong>und</strong> Behin<strong>der</strong>ungen erzwungen. Mit<br />

unserem Wahlspruch „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ maßen<br />

wir uns nicht an, diesen Verlust zu bagatellisieren <strong>und</strong> verlorene Heimat ersetzen<br />

zu können o<strong>der</strong> zu wollen. Mit „Zuhause“ meinen wir deshalb weniger eine<br />

bestimmte Wohnadresse. Als Zuhause bezeichnen die meisten Menschen<br />

den Ort, an dem<br />

• ihnen ein hohes Maß an selbstbestimmter Lebensgestaltung <strong>und</strong> unterstützter<br />

Entscheidungsfreiheit ermöglicht wird.<br />

• sie das Gefühl wertschätzen<strong>der</strong> Beziehung, Geborgenheit <strong>und</strong> Intimität<br />

erleben. 3<br />

1 Siehe auch Präambel <strong>der</strong> Leitlinien <strong>der</strong> Kath.-Evang. Sozialstation Füssen <strong>und</strong> des Hospizvereines Kaufbeuren<br />

Ostallgäu. In: Alsheimer, M. / Stich, V. (2005): Vernetzte Sterbebegleitung im ambulanten Bereich.<br />

Eine Handreichung (nicht nur) für Sozialstationen, Heft 6 <strong>der</strong> Arbeitshilfen <strong>der</strong> Bayerischen Stiftung<br />

Hospiz (www.bayerische-stiftung-hospiz.de)<br />

2 Ähnlich polarisiert den Begriff <strong>der</strong> Würde auch: Reitinger, E. / Heller, A. / Tesch-Römer, C. Zeman, P.<br />

(2004): Leitkategorie Menschenwürde. Zum Sterben in stationären Pflegeeinrichtungen. Freiburg im Br.:<br />

Lambertus, S. 12 f.<br />

3 Vgl. zu den Vorstellungen, die in Umfragen mit „Zuhause“ assoziiert werden: Ewers, M. (2002): Dimensionen<br />

von Patientenorientierung in <strong>der</strong> Pflege Schwerkranker. In: Pleschberger, S. / Heimerl, K. / Wild, M.<br />

(2002) (Hg.): Palliativepflege. Gr<strong>und</strong>lagen für Praxis <strong>und</strong> Unterricht. Wien: facultas, 83<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 87


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Es gilt, diesen Rahmen im Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim zu gestalten - als einzelne<br />

Mitarbeiterin, aber auch als gesamte Organisation. „Es muss klar sein: Mehr<br />

denn je muss Christlichkeit organisational verankert werden“ 1<br />

Dieses Zuhause immer wie<strong>der</strong> im Leben <strong>und</strong> im Sterben zu schaffen, ist unsere<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung. Es zeigt sich: Die Bedeutungen von „Würde“ <strong>und</strong> „Zuhause“<br />

liege nahe nebeneinan<strong>der</strong>.<br />

Ein beson<strong>der</strong>er Prüfstein stellt in diesem Zusammenhang <strong>der</strong> hohe Anteil demenziell<br />

erkrankter Bewohnerinnen in unserem Haus dar (ca. 50% <strong>der</strong> Bewohnerinnen<br />

2 ). Wie kann Würde realisiert werden, wenn Menschen die Fähigkeit<br />

verlieren, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen <strong>und</strong> mit an<strong>der</strong>en<br />

Menschen in Kontakt zu treten? Was kann hier Zuhause schaffen, wenn<br />

Menschen in fremden Welten wan<strong>der</strong>n? Hier benötigen wir eine große Sensibilität<br />

für die verän<strong>der</strong>te Kommunikation <strong>und</strong> die ethische Probleme, 3 um Würde<br />

im Leben <strong>und</strong> Sterben zu sichern. Wir haben deshalb in unserem Konzept<br />

„Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ immer wie<strong>der</strong> auch Aussagen<br />

darüber gemacht, wie wir Würde für demenziell erkrankte Menschen sichern.<br />

10 Merkmale unseres Konzeptes<br />

1. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ nimmt eine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Zukunft an.<br />

Die stationäre Altenpflege hat sich dramatisch in den letzten Jahren verän<strong>der</strong>t<br />

– auch in unserem Haus. Das Eintrittsalter <strong>der</strong> Bewohnerinnen ist gestiegen,<br />

<strong>der</strong> Anteil schwerstpflegebedürftige <strong>und</strong> demenziell erkrankter Menschen im<br />

Heim ist gewachsen, die durchschnittlich noch verbrachte Lebensspanne im<br />

Heim hat sich deutlich verkürzt. Immer mehr Menschen kommen sterbend zu<br />

uns. „Ein Drittel <strong>der</strong> eintretenden Personen stirbt innerhalb von drei Monaten,<br />

<strong>und</strong> ein zweites Drittel nach spätestens sechs Monaten.“ 4 Viele Einrichtungen<br />

sind auf diese Situation nur unzureichend eingestellt. Die Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation<br />

WHO, vierte Altenpflegebericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> die En-<br />

1<br />

Heimerl, K. / Heller, A. / Kittelberger, F. (2005): Daheim sterben. Palliative Kultur im Pflegeheim. Freiburg<br />

im Br.: Lambertus, 25<br />

2<br />

Wir verwenden hier wie auch in unseren an<strong>der</strong>en Texten immer die weibliche Form. Sie macht auf die<br />

Realität im Heim aufmerksam: Die Mehrheit <strong>der</strong> Bewohnerinnen <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen sind Frauen.<br />

3<br />

Reiinger, E. / Heller, A. / Tesch-Römer, C. / Zemann, P. (2004); Leitkategorie Menschenwürde. Zum Sterben<br />

in stationären Einrichtung. Freiburg im Br.: Lambertus, 11<br />

4<br />

Sallis Gross, C. (2005): Der ansteckende Tod: Sterbeverläufe im Alters- <strong>und</strong> Pflegeheim,. In: Ewers, M. /<br />

Schaeffer, D. (2005) (Hg.): Am Ende des Lebens. Versorgung <strong>und</strong> Pflege von Menschen in <strong>der</strong> letzten<br />

Lebensphase. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Verlag Hans Huber, S. 167.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 88


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

quetekommission des Deutschen B<strong>und</strong>estages beklagen, dass ältere Menschen<br />

in deutschen Pflegeheimen palliativmedizinisch <strong>und</strong> – pflegerisch unterversorgt<br />

sind, <strong>und</strong> for<strong>der</strong>n neben flankierenden politischen Rahmenbedingungen<br />

entsprechende konzeptionelle Anstrengungen in den Heimen. 1 Diese<br />

politischen For<strong>der</strong>ungen wollen wir gerne praktisch nachkommen. Zugleich<br />

wollen mit unserem Qualitätshandbuch zur Sterbebegleitung innerhalb <strong>und</strong><br />

außerhalb unseres Trägers ein Stückchen vorausgehen <strong>und</strong> Wege zeigen.<br />

2. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ schützt <strong>und</strong> för<strong>der</strong>t die<br />

Individualiät in <strong>der</strong> Sterbebegleitung <strong>und</strong> for<strong>der</strong>t Kreativität <strong>und</strong> Flexibilität<br />

in <strong>der</strong> Pflege.<br />

Darf Sterbebegleitung „standardisiert“ werden? Der Versuch, Sterbebegleitung<br />

in Leitgedanken, Ziele <strong>und</strong> Maßnahmen zu fassen, mag zunächst befremden.<br />

„O Herr, gib jedem seinen eigenen Tod; das Sterben, das aus jenem Leben<br />

geht, darin er Liebe hat, Sinn <strong>und</strong> Not …“ 2 , betet Rilke Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

angesichts „mo<strong>der</strong>nen“, einheitlich geregelten Ablebens <strong>und</strong> unpersönlicher<br />

Sterbebegleitung in den großen Spitälern. Diese Form von Standardisierung<br />

wäre auch für uns ein Alptraum. 3 Sterben ist <strong>und</strong> bleibt ein ganz individueller<br />

Prozess. Wir formulieren mit unseren verschiedenen Standards<br />

<strong>kein</strong>e Rezepte, wie Sterbebegleitung abläuft 4 . Was wir schaffen wollen ist ein<br />

verlässlicher Rahmen von Kommunikation <strong>und</strong> pflegerischer Qualität. „Was<br />

Qualität ist, weiß <strong>der</strong> Patient am besten.“ 5 Dieser Rahmen soll einerseits möglichst<br />

viel an Individualität des Sterbenden <strong>und</strong> die Beziehungen <strong>der</strong> Betroffenen<br />

ermöglichen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>seits unseren Mitarbeiterinnen in <strong>der</strong> Pflege <strong>und</strong><br />

den kooperierenden Ärzten Sicherheit <strong>und</strong> Unterstützung garantieren. Wir organisieren<br />

Möglichkeiten, aber <strong>kein</strong>e Zwinglichkeiten! Standards verstehen wir<br />

als „wissensbasierte Problemlösung“ 6 . Sie sollen Denken <strong>und</strong> Kommunikation<br />

anregen, nicht abschalten!<br />

1 Vgl. WHO: Better Palliative Care for Ol<strong>der</strong> Peopl. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe<br />

Enquete-Kommission Ethik <strong>und</strong> Recht <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Medizin (2005): Zwischenbericht. Verbesserung <strong>der</strong><br />

Versorgung Schwerstkranker <strong>und</strong> Sterben<strong>der</strong> in Deutschland durch Palliativmedizin <strong>und</strong> Hospizarbeit<br />

(BT-Drucksache 15/5858). (Download möglich z. B. über: www.dgpalliativmedizin.de)<br />

BMfJ (Hg.): 4. Altenbericht. Risiken, Lebensqualität <strong>und</strong> Versorgung Hochaltriger unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung<br />

demenzieller Erkrankungen<br />

2 Rilke, R.M. (Quelle muss ich noch nachschauen; wahrscheinlich „St<strong>und</strong>enbuch“)<br />

3 Vgl. zu dieser Horrorvorstellung eines „Qualitätskontrolliertem Sterbens“: Gronemeyer, R. (2002): Die späte<br />

Institution. Das Hospiz als Fluchtburg. In: Gronemeyer, R. .; Loewy, E. H. (Hg.) (2992): Wohin mit den<br />

Sterbenden. Hospize in Europa – Ansätze zu einem Vergleich. Münster: LIT, 143<br />

4 Vgl. zu diesem Verständnis von Standards: Stösser, A. von (2003): Pflegestandards. Erneuerung <strong>der</strong><br />

Pflege durch Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Standards. 3. erweiterte <strong>und</strong> überarbeitete Auflage. Berlin: Springer<br />

5 Heilmann, B. (2002): Umbau des Wohlfahrtssystems – Hospiz als Vorreiter? In: Gronemeyer, R.; Loewy,<br />

E. H. (Hg.) (2992): Wohin mit den Sterbenden. Hospize in Europa – Ansätze zu einem Vergleich. Münster:<br />

LIT, 71<br />

6 Bartolomeyczik, S. (2002): Sinn <strong>und</strong> Unsinn von Pflegestandards. Heilberufe (5), 12-16. Dies. (1995):<br />

Pflegestandards kritisch betrachtet. Die Schwester / Der Pfleger (10), 888-892<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 89


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3. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ ist palliativen <strong>und</strong><br />

hospizlichen Gr<strong>und</strong>sätzen verpflichtet<br />

Die Leitlinien <strong>und</strong> Standards entfalten <strong>und</strong> konkretisieren für unser Haus palliatives<br />

<strong>und</strong> hospizliches Denken, das von folgenden Gr<strong>und</strong>sätzen getragen<br />

ist 1 :<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> würdevollen <strong>und</strong> ganzheitlichen Versorgung <strong>und</strong> Begleitung<br />

<strong>der</strong> Betroffenen mit ihren physischen, psychischen, sozialen <strong>und</strong> spirituellen<br />

Belangen<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> interdisziplinären Arbeit in multiprofessionellen Teams<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> berufs- <strong>und</strong> bereichsübergreifenden Kooperation<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Orientierung an den Bedürfnissen <strong>und</strong> am Willen <strong>der</strong> Betroffenen<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Einbeziehung <strong>der</strong> Angehörigen<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Einbeziehung von Ehrenamtlichen<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> fachlichen <strong>und</strong> haltungsmäßigen Vorbereitung, Begleitung<br />

<strong>und</strong> Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung aller Mitarbeiterinnen<br />

• Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> nachgehenden Trauerbegleitung<br />

4. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ basiert auf Praxis-<br />

Projekten<br />

Bei den folgenden Leitlinien wie auch bei einzelnen Standards haben wir uns<br />

dankbar durch verschiedene Projekte zur Implementierung <strong>der</strong> Hospizidee in<br />

stationäre Einrichtungen inspirieren lassen 2 . Viele <strong>der</strong> Vorschläge <strong>und</strong> Ideen<br />

1 Vgl. die Zusammenstellung von Gr<strong>und</strong>sätzen u. a. Heimerl, K. / Heller, A. / Kittelberger, F. (2005): Daheim<br />

sterben. Palliative Kultur im Pflegeheim. Freiburg im Br.: Lambertus, S. 20 f.<br />

2 B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Hospiz e.V. / Deutscher <strong>Caritasverband</strong> e.V. / Diakonisches Werk <strong>der</strong> Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland (2004): SORGSAM. Qualitätshandbuch für stationäre Hospize. Wuppertal:<br />

<strong>der</strong> hospiz verlag;<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Hospiz e.V. (202/3): Die Hospiz-Zeitschrift, Heft 13: Leitbild <strong>und</strong> Hospiz.<br />

Graf, G. (2005/1): Schritte zur Hospizarbeit in <strong>der</strong> stationären Altenhilfe aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Geschäftsführung.<br />

In: Die Hospiz-Zeitschrift, Heft 23<br />

Leitlinien / Konzepte zur Sterbebegleitung finden Sie bei:<br />

Müller, M. / Kessler, G. (2000): Implementierung von Hospizidee <strong>und</strong> Palliativpflege in die Struktur <strong>und</strong><br />

Arbeitsabläufe eines Altenheimes. Eine Orientierungs- <strong>und</strong> Planungshilfe. Bonn: Pallia Med Verlag<br />

Orth, Ch. / Alsheimer, M. (2005): „… nicht sang- <strong>und</strong> klanglos gehen“. Abschlussbericht zur Implementierung<br />

<strong>der</strong> Hospizidee im Leonhard-Henninger-Haus <strong>der</strong> Inneren Mission <strong>München</strong>. Heft 5 <strong>der</strong> Arbeitshilfen<br />

<strong>der</strong> Bayerischen Stiftung Hospiz (www.bayerische-stiftung-hospiz.de)<br />

Alsheimer, M./ Stich, V. (2005): Vernetzte Sterbebegleitung im ambulanten Bereich. Eine Handreichung<br />

(nicht nur) für Sozialstationen. Heft 6 <strong>der</strong> Arbeitshilfen <strong>der</strong> Bayerischen Stiftung Hospiz (www.bayerischestiftung-hospiz.de)<br />

Leitlinien zur Sterbebegleitung (2005) im Caritas-Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim Marienheim Glonn, Bezug: PDL<br />

Frau Mahn, Rotterstr. 10, 85625 Glonn, Tel. 08093 / 90 90 88<br />

Alsheimer, M. (o. J.): Leitgedanken: Sterbebegleitung. F<strong>und</strong>ament für die Entwicklung von Konzeption<br />

von Konzepten <strong>und</strong> Standards. Didaktische Materialien für die Alten- / Krankenpflege <strong>und</strong> Hospizarbeit.<br />

Bezug: M. Alsheimer, Bullbug 11, 86633 Neuburg<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 90


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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haben wir geprüft, ob <strong>und</strong> wie sie in unserer Einrichtung umsetzbar sind. Einiges<br />

war bereits als lebendige Praxis in unserem Haus verwirklicht. Das Konzept<br />

nutzt nicht nur Vorhandenes. Wir haben uns als Einrichtung auf den Weg<br />

eines Praxis-Projektes begeben. Auf diesem Weg wird Bewährtes gesichert<br />

<strong>und</strong> neues erprobt. Alle Mitarbeiterinnen sind daran über Projektgruppen o<strong>der</strong><br />

Fortbildungen beteiligt.<br />

5. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ ist ein Konzept <strong>der</strong> Lebensbegleitung.<br />

Wann beginnt eigentlich Sterbebegleitung? Wir verengen Sterbebegleitung<br />

nicht auf die Terminalphase (die Wochen mit zunehmend eingeschränkter Aktivität<br />

vor einem absehbaren Tod) o<strong>der</strong> auf die Finalphase (die letzten 72<br />

Std.) 1 . So wichtig eine kompetente palliative Pflege gerade in diesen Phasen<br />

ist, die oft schwer o<strong>der</strong> nur rückblickend zu erkennen sind, so hilfreich ist es,<br />

frühzeitig mit Betroffenen <strong>und</strong> Angehörigen über ins Gespräch zu kommen.<br />

Für uns beginnt deshalb die (Sterbe-)Begleitung bereits mit dem Einzug <strong>der</strong><br />

Bewohnerin.<br />

Sie endet auch nicht mit dem Tod <strong>der</strong> Bewohnerin, son<strong>der</strong>n wir praktizieren<br />

sie in Form beson<strong>der</strong>er Aufmerksamkeit für die Angehörigen zeitlich weit darüber<br />

hinaus (z. B. jährliche Gedenkfeier). Selbstverständlich muss dabei immer<br />

<strong>der</strong> Freiheit <strong>der</strong> Beteiligten gewahrt werden, sich mit dem Thema (nicht)<br />

auseinan<strong>der</strong>zusetzen.<br />

6. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ folgt abgesicherten<br />

Zielen<br />

Was heißt Versorgungsqualität am Lebensende? Fünf Aspekte erweisen sich<br />

nach Forschungsergebnissen aus <strong>der</strong> Sicht von Patienten als zentral 2 :<br />

• „Angemessene Schmerz- <strong>und</strong> Symptombehandlung<br />

• Vermeidung unangemessener Verlängerung des Lebens<br />

• Herstellung eines Gefühls von Kontrolle<br />

• Schadensabwendung von Angehörigen<br />

• Stärkung <strong>der</strong> Beziehungen von Angehörigen“<br />

1 Zu <strong>der</strong> begrifflichen Einteilung:: Albert, E. (1993): Hilfen bei <strong>der</strong> Gewinnung <strong>und</strong> Erhaltung von Lebensqualität.<br />

In: Ders.: Bewältigungshilfen für den Krebskranken. Stuttgart, New York: Thieme-Verlag, S.<br />

2 Singer, P. / Bowman, K. (2005): Versorgungsqualität am Lebensende: Eine globale Herausfor<strong>der</strong>ung. In:<br />

Ewers, M. / Schaeffer, D. (2005) (Hg.): Am Ende des Lebens. Versorgung <strong>und</strong> Pflege von Menschen in<br />

<strong>der</strong> letzten Lebensphase. Bern: Verlag Hans Huber, S. 23<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 91


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Aus diesen Wünschen haben wir in inhaltlichen Variationen unsere Ziele abgeleitet.<br />

Es sind kommunikative Ziele, denn was konkret „angemessen“ o<strong>der</strong><br />

„unangemessen, „Kontrolle“ o<strong>der</strong> „Schadensabwendung“ <strong>und</strong> „Stärkung“ bedeuten,<br />

darüber entscheiden die Betroffenen. Das muss immer wie<strong>der</strong> erk<strong>und</strong>et,<br />

beraten, verhandelt o<strong>der</strong> begründet vermutet werden.<br />

7. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ ist ein Angebot zu interdisziplinärer<br />

Kooperation <strong>und</strong> Kommunikation<br />

Unsere Leitlinien richten sich an verschiedene Personengruppen. Sie sind<br />

• unser Versprechen an die Bewohnerinnen unseres Hauses <strong>und</strong> ihre Angehörigen,<br />

• ein Kooperationsangebot an unsere Partner in Behandlung, Pflege <strong>und</strong><br />

Betreuung,<br />

• die Orientierung für uns als Mitarbeiterinnen,<br />

• ein Beitrag für die Entwicklung heimübergreifen<strong>der</strong> Qualitätsstandards unseres<br />

Trägers 1<br />

8. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ öffnet ein weites Blickfeld:<br />

Sterben <strong>und</strong> Sterbebegleitung hat einen Betroffenen <strong>und</strong> viele Beteiligte.<br />

In unseren Leitlinien nehmen wir die folgende Betroffenen <strong>und</strong> Beteiligten systematisch<br />

in den Blick <strong>und</strong> formulieren auf sie bezogen unsere Gr<strong>und</strong>haltungen,<br />

Ziele <strong>und</strong> Maßnahmen 2 :<br />

• Bewohnerinnen<br />

• Angehörige<br />

• Hausärzte / Krankenhaus<br />

• Mitbewohnerinnen<br />

• Bestatter<br />

• Ehrenamtliche Kräfte<br />

• Seelsorger<br />

• Mitarbeiterinnen in Pflege <strong>und</strong> Betreuung, Verwaltung <strong>und</strong> Hauswirtschaft<br />

• Leitung<br />

1 So gewünscht im Provinzialrat <strong>der</strong> Bayerischen Ordensprovinz <strong>der</strong> Barmherzigen Brü<strong>der</strong> am 31.01.05<br />

2 Eine ähnliche Systematisierung liefert auch K. Wilkening in Ihrem Gr<strong>und</strong>lagenbuch: Wilkening, K. / Kunz,<br />

R. (2003): Sterben im Pflegeheim. Perspektiven <strong>und</strong> Praxis einer neuen Abschiedskultur. Göttingen: Van<strong>der</strong>hoeck<br />

<strong>und</strong> Rupprecht<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 92


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9. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ ist ein überprüfbares<br />

Konzept einer gelebten Palliativkultur mit hohen Qualitätsstandards<br />

Wie sieht die Palliativkultur in unserem Haus aus? In den nachfolgenden Leitlinien<br />

formulieren wir Gr<strong>und</strong>haltungen, denen wir als Mitarbeiterinnen in <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung verpflichtet fühlen, setzen überprüfbare Ziele <strong>und</strong> entwickeln<br />

ein Spektrum von Maßnahmen. Diese werden in beson<strong>der</strong>en Standards<br />

aufgegriffen <strong>und</strong> präzisiert. Wir haben dabei unsere Antworten anhand<br />

von Schlüsselfragen entwickelt, die die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Hospiz als<br />

Indikatoren für palliative Kompetenz aufgestellt hat. 1 Die Leitlinien <strong>und</strong> Standards<br />

sind nicht Papier; sie sind Teil eines umfangreichen Projektes des gesamten<br />

Hauses. Interne Fortbildungen, Diskussionen <strong>und</strong> Absprachen, Erprobungsphasen<br />

sorgten dafür, dass Leitlinien <strong>und</strong> Standards zukünftig optimal<br />

umgesetzt werden können.<br />

10. „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ ist ein Konzept, das<br />

stetig entwickelt wird<br />

Palliative Betreuung ist in unserem Verständnis <strong>kein</strong> Konzept, das abgeschlossen<br />

ist. Es bedarf <strong>der</strong> steten Überprüfung, ob <strong>und</strong> wie es wirksam ist,<br />

<strong>und</strong> es braucht gut bedachte Weiterentwicklung. Wir haben deshalb eine Reihe<br />

von Möglichkeiten entwickelt, durch die wir direkt <strong>und</strong> indirekt ins Gespräch<br />

kommen wollen, wie das praktizierte Konzept erfahren wird – <strong>und</strong> natürlich:<br />

wie wir es verbessern können. Wir halten z. B. über telefonische Nachgespräche<br />

Kontakt mit den nächsten Angehörigen, holen die Rückmeldung (natürlich<br />

mit Erlaubnis) auch über einen Fragebogen ein. Außerdem organisieren den<br />

regelmäßigen Austausch zu den Fragen <strong>der</strong> Sterbebegleitung im Team, suchen<br />

gezielt den Kontakt mit den Hausärzten <strong>und</strong> den KollegInnen im Krankenhaus.<br />

Die Erfahrungen werden in einem Qualitätszirkel regelmäßig aufgenommen.<br />

Unser Anspruch: eine lebendige Hospizkultur im Haus.<br />

1 BAG Hospiz Fachgruppe: Hospizarbeit in Einrichtungen (erscheint im Herbst 2005). Siehe auch Fragebogen:<br />

„Wie gut ist die Sterbebegleitung bei uns organisiert? 20 organisatorische Fragen. Bezug: M. Alsheimer,<br />

Bullbug 11, 86633 Neuburg<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 93


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Blickpunkt: Bewohnerinnen<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung Unsere Ziele Unsere Maßnahmen<br />

Leben <strong>und</strong> Sterben ist ein individueller,<br />

ein einmaliger Prozess. Im<br />

Leben <strong>und</strong> Sterben ein Zuhause<br />

geben bedeutet für uns, die Bedürfnisse,<br />

Vorstellungen <strong>und</strong> Wünsche<br />

<strong>der</strong> Bewohnerin zu erk<strong>und</strong>en<br />

o<strong>der</strong> zu ermitteln <strong>und</strong> nicht eigene<br />

Vorstellungen aufzudrängen o<strong>der</strong><br />

überzustülpen.<br />

Was Lebensqualität in bestimmten Situationen<br />

bedeutet, kann nur <strong>der</strong> einzelne<br />

für sich sagen. Vorrangig entscheidet<br />

also die Bewohnerin über<br />

Maßnahmen o<strong>der</strong> gibt die Richtung<br />

an. Der Sterbende führt „Regie“. Dies<br />

ist allerdings oft nicht mehr direkt <strong>und</strong><br />

aktiv möglich, son<strong>der</strong>n benötigt persönliche<br />

Stellvertretung, die im Sinne<br />

<strong>der</strong> Betroffenen entscheiden <strong>und</strong><br />

Maßnahmen verantworten muss.<br />

Entscheidungen sind in <strong>der</strong> Regel<br />

<strong>kein</strong> einmaliger Akt, son<strong>der</strong>n ein längerer<br />

Prozess. Die Ausein<strong>der</strong>setzung<br />

mit diesen Fragen braucht Zeit, Raum<br />

für Fragen <strong>und</strong> Zweifel, fachk<strong>und</strong>ige<br />

Beratung, mutige Mitverantwortung.<br />

Je früher über die Fragen nachgedacht<br />

wird, umso besser.<br />

„Ich kann einen Sterbenden nur gut<br />

begleiten, wenn ich den Weg zu ihm<br />

rechtzeitig gesucht <strong>und</strong> gef<strong>und</strong>en habe.“<br />

1<br />

Bewohnerin<br />

sieht ihre individuellverstandeneLebensqualitätgesichert<br />

(Bei Demenz:Bewohnerin<br />

scheint<br />

sich nachweislich<br />

wohl zu<br />

fühlen)<br />

Bewohnerin<br />

fühlt sich in<br />

Zweifeln <strong>und</strong><br />

Fragen ernst<br />

genommen.<br />

Bewohnerin<br />

fühlt sich gut<br />

informiert <strong>und</strong><br />

weiß, dass Leben<br />

bis zuletzt<br />

im Heim möglich<br />

ist - ohne<br />

Verkürzung,<br />

aber auch ohne<br />

ungewollte Verlängerung<br />

• Frühzeitiges Abklären, was Lebensqualität<br />

jeweils bedeutet; dabei Eingehen auf evtl.<br />

Ängste, persönliche Erfahrungen mit dem<br />

Sterben an<strong>der</strong>er, welche Maßnahmen auf<br />

jeden Fall nicht gewollt ist<br />

� Gesprächsleitfaden Lebensqualität<br />

sichern<br />

• Bei Demenz: biografisch bedeutsame Informationen<br />

erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> sorgfältige Zusammenschau<br />

aktueller Reaktionen<br />

� Biografiebogen<br />

• Bei Demenz / komatösen Zuständen:<br />

Training von Mitarbeiterinnen über Formen<br />

nonverbaler Kommunikation in Kontakt zu<br />

sein (Atemarbeit, Basale Stimulation)<br />

� Planung Fortbildungen<br />

• Mut, im pflegerischen Alltag auf direkte<br />

o<strong>der</strong> versteckte Anfragen zum Thema<br />

Sterben zu reagieren<br />

� Interne Fortbildung „Übung Vorstellungen<br />

zur letzten Lebensphase erfahren“<br />

• Regelmäßige Basisschulung von allen<br />

Mitarbeiterinnen zu ethisch-rechtlichen<br />

Fragen<br />

� Interne Fortbildung „Ethisch-rechtliche<br />

Entscheidungen am Lebensende“<br />

• Spezielle Schulung einzelner Kräfte, um<br />

auf Wunsch über Patientenverfügung,<br />

Vorsorgevollmacht <strong>und</strong> Betreuung sachk<strong>und</strong>ig<br />

zu informieren � Ausgebildete<br />

Mitarbeiterinnen für Informationsgespräche<br />

zur Vorsorge 2<br />

• Geeignete Vorsorgedokumente sind vorrätig;<br />

Adressen für weitere Information vorhanden<br />

� Vorsorgemappe des Bayerischen<br />

Staatsministerium für Justiz 3<br />

1 Kojer, M. (o.J.): Palliative Geriatrie. (Vortrag) Download: www.Bayerische-Stiftung-Hospiz.de (Vorträge)<br />

2<br />

Angebote zur Beraterschulung, z. B. Christophorus Hospizakademie, Programm unter www,.izpmuenchen.de<br />

3<br />

Diese beson<strong>der</strong>s empfohlene Vorsorgemappe wurde von Medizinrechtlerm, Medizinern <strong>und</strong> erfahrenen<br />

HospizpraktikerInnen e<br />

Entwickelt. Download unter http://www.justiz.bayern.de/vorsorge.pdf<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 94


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Unsere Gr<strong>und</strong>haltung Unsere Ziele Unsere Maßnahmen<br />

Sterben gehört für uns zum Leben;<br />

Sterbende sind Lebende.<br />

Im Leben <strong>und</strong> Sterben ein Zuhause<br />

geben bedeutet für uns Lebensbegleitung.<br />

Sterbebegleitung ist so<br />

verstanden nichts Spektakuläres.<br />

Die Aufgabe ist, eine Lebenszeit zu<br />

ermöglichen, die jeweils lebenswert<br />

erscheint. Es sind die kleinen<br />

Dinge des Alltags, die wichtig sein<br />

können, z. B. Achtsamkeit im Kontakt,<br />

Da-Sein ohne Geschäftigkeit,<br />

Aufmerksamkeit für die täglichen Bedürfnisse,<br />

Humor)<br />

So verstanden beginnt Sterbebegleitung<br />

bereits mit dem Einzug <strong>der</strong> Bewohnerin.<br />

Unsere Erfahrung: Im Sterben verdichtet<br />

sich das Leben. Die Lebensängste<br />

sind oft auch seine Sterbeängste<br />

<strong>und</strong> die Lebenshoffnungen<br />

prägen auch seine Sterbenshoffnungen<br />

Sterben heißt, sich das Leben „anzueignen“.<br />

Im Leben <strong>und</strong> Sterben<br />

ein Zuhause bedeutet für uns, Menschen<br />

bei ihrer „Lebensernte“ zu<br />

unterstützen 1 .<br />

Wir dienen – soweit von <strong>der</strong> Bewohnerin<br />

gesucht <strong>und</strong> zugelassen – als<br />

Anteil nehmende „Zeugen“ eines Lebens.<br />

In dieser Beziehung entwickeln<br />

sich Chancen, Lebensschätze zu ordnen,<br />

rückblickend vielleicht Sinn im<br />

Unverstanden zu entdecken, Versäumtes<br />

zu betrauern, Verschuldetes<br />

zu verzeihen. Auch in <strong>der</strong> Demenz<br />

tauchen Lebensthemen auf. Integrative<br />

Validation 2 ist eine gute Hilfe, diese<br />

Themen auszudrücken.<br />

Bewohnerin<br />

kann ihren Lebensstil<br />

pflegen<br />

<strong>und</strong> erfährt<br />

Achtung gegenüber<br />

ihren<br />

Werten <strong>und</strong><br />

Gewohnheiten<br />

Bewohnerin<br />

kann mit<br />

Ängsten leben<br />

Bewohnerin erfahren<br />

sich mit<br />

ihrer LebensleistunggewürdigteinschließlichBitterkeiten<br />

<strong>und</strong><br />

Trauer<br />

• Situative Aufmerksamkeit während <strong>der</strong><br />

Pflege <strong>und</strong> regelmäßiges Erfassen von<br />

Zufriedenheit<br />

� Pflegevisite<br />

• Kontakte zu Haustieren werden vermittelt.<br />

(Auch diese können Lebens- <strong>und</strong> Sterbebegleiter<br />

sein)<br />

� „Ein tierisches Vergnügen – Nachmittage<br />

mit dem Besuchsdienst des Tierheims“<br />

• Ängste nicht wegreden, son<strong>der</strong>n Raum<br />

geben („Klagemauer“); Wissen um hilfreiche<br />

Impulse <strong>und</strong> Symbolsprache des<br />

Trostes („Gesten helfen oft mehr als Worte“)<br />

� Interne Fortbildung „Menschen in<br />

Krisen begleiten“<br />

• Aushalten <strong>der</strong> eigenen Hilflosigkeit <strong>und</strong><br />

Reflexion <strong>der</strong> eigenen oft überhöhten Erwartungen<br />

in <strong>der</strong> Pflege („Therapeutisierung“<br />

<strong>der</strong> Begleitung); immer wie<strong>der</strong> sich<br />

(gegenseitig) erinnern, dass Mitgefühl ohne<br />

Erwartungsdruck die Basis für wirkliche<br />

Nähe<br />

� Interne Fortbildung: „Begleitung von<br />

Menschen bei Lebensmüdigkeit“<br />

• Demenz: Training von Mitarbeiterinnen auf<br />

Ängste validierend zu reagieren<br />

• Schaffen eines biografisch ausgerichteten<br />

anregenden Milieus (über Gegenstände,<br />

Musik, Formen <strong>der</strong> Geselligkeit, Symbole,<br />

Gesprächsanlässe), das Selbstachtung<br />

unterstützt, schöne Erinnerungen weckt,<br />

Traurigkeiten zulässt.<br />

• Respekt <strong>der</strong> Pflegekräfte vor dem Vertraulichen,<br />

Verschlossenen, Fremden<br />

� Interne Fortbildung: „Kreative lebensgeschichtliche<br />

Impulse“<br />

1 Lückel, K. (1993): Das war mein Leben. „Lebensbilanz“ in <strong>der</strong> Begleitung schwerkranker, sterben<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

trauern<strong>der</strong> Menschen. Ein Beitrag aus <strong>der</strong> Gestaltseelsorge. Wege zum Menschen, 45. Jg., 198 f.<br />

Lukas, E. (2004): Alles fügt sich <strong>und</strong> erfüllt sich. Die Sinnfrage im Alter, 6. Auflage, Gütersloh: Gütersloher<br />

Verlagshaus, 47 ff.<br />

2 B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Hospiz (Hg.) (2004): Mit-Gefühlt. Curriculum zur Begleitung Demenzkranker<br />

in ihrer letzten Lebensphase. Wuppertal: <strong>der</strong> hospiz verlag<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 95


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Blickpunkt: Angehörige<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung Unsere Ziele Unsere Maßnahmen<br />

Sterben betrifft nicht nur eine Person.<br />

Es trifft Menschen, die dieser<br />

Person angehören. Wir verstehen<br />

unter Angehörige nicht nur Familienmitglie<strong>der</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n auch Fre<strong>und</strong>innen,<br />

Nachbarinnen o<strong>der</strong> Betreuerin.<br />

Im Leben <strong>und</strong> Sterben ein Zuhause<br />

geben bedeutet für uns, Angehörige<br />

einzubeziehen <strong>und</strong> nach unseren<br />

<strong>und</strong> ihren Möglichkeiten zu unterstützen.<br />

Sie sind für die meisten<br />

Menschen von zentraler Bedeutung.<br />

Angehörige sind eine Brücke zum<br />

bisherigen Leben. Wir sehen <strong>und</strong><br />

brauchen sie als Partnerinnen. Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

innerhalb von Familien<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Generationen begreifen<br />

wir als Normalität. Gerade das Sterben<br />

eines Familienmitglieds erschüttert<br />

das ganze System.<br />

Es ist eine verbreitete Erfahrung (…),<br />

dass <strong>der</strong> Sterbende häufig das kleinere,<br />

die Angehörigen hingegen das<br />

größere Problem sind <strong>und</strong> haben.“ 1<br />

Das heißt für uns auch auszuhalten<br />

<strong>und</strong> zu akzeptieren, dass Beziehungen<br />

in Familien manchmal entfremdet,<br />

zerrüttet o<strong>der</strong> zerstört sind. Wir<br />

können <strong>und</strong> wollen diese familiären<br />

Beziehungen nicht ersetzen <strong>und</strong><br />

Tochter o<strong>der</strong> Sohn „spielen“. Aber wir<br />

können <strong>der</strong> Bewohnerin die uns jeweils<br />

mögliche Beziehung anbieten:<br />

menschliche Nähe bei professioneller<br />

Distanz. Wir vertrauen dabei auch auf<br />

die Unterschiedlichkeit im Team, die<br />

unterschiedliche Sympathien zulässt.<br />

Angehörige erfahren<br />

sich<br />

auch in <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung<br />

als die<br />

wichtigsten <strong>und</strong><br />

willkommene<br />

Partnerinnen –<br />

Begegnung<br />

ohne Vorwürfe<br />

Angehörige<br />

fühlen sich -<br />

nach ihren<br />

Wünschen <strong>und</strong><br />

Möglichkeiten<br />

informiert - einbezogen<br />

<strong>und</strong><br />

unterstützt in<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

• Frühzeitiges Abklären, dabei Eingehen auf<br />

evtl. Schuldgefühle, persönliche Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Mitwirkung, Verantwortlichkeiten<br />

bei stellvertretenden Entscheidungen<br />

(z.B. Betreuung), Beratung in Fragen <strong>der</strong><br />

Vorsorge<br />

� Gesprächsleitfaden „Lebensqualität<br />

sichern“ � Gesprächsleitfaden „Hilfe<br />

bei Schuldgefühlen“<br />

• Besprechen, wie mit Konflikten <strong>und</strong> Beschwerden<br />

umgegangen wird<br />

� Interne Fortbildung „Begleiten von<br />

Angehörigen – Umgang mit Vorwürfen“<br />

• Anbieten von Vermittlung bei familiären<br />

Konflikten mit verständnisvoller Distanz<br />

diplomatischer Neutralität, Diskretion <strong>und</strong><br />

Zurückhaltung<br />

• Info-Abende für Angehörige mit Themen<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung in regelmäßigem<br />

Abstand<br />

• Eine Ansprechpartnerin für Angehörige in<br />

<strong>der</strong> Schicht wird genannt<br />

• Informieren nach Absprache<br />

• Anleitung kleiner praktische Hilfen für<br />

sterbenden Bewohnerinnen (z. B. M<strong>und</strong>pflege)<br />

• Anbieten von Essen <strong>und</strong> Trinken in <strong>der</strong><br />

Zeit <strong>der</strong> Begleitung<br />

• Gästebett vorhanden, das ins Zimmer gestellt<br />

werden kann<br />

• Fernbleibende o<strong>der</strong> selten kommende Angehörige<br />

ohne Vorwurf begegnen<br />

• Anleitung für den Umgang mit demenziell<br />

erkrankten Bewohnerinnen<br />

• Gästezimmer (3. Stock), um übernachtenden<br />

Angehörigen Auszeiten zu ermöglichen<br />

• Zusammenfassung im � Faltblatt „Wenn<br />

mein Angehöriger im Heim stirbt …“<br />

1 Student, J.-Ch. / Mühlum, A. / Student, U. (2004): Soziale Arbeit in Hospiz <strong>und</strong> Palliative Care. <strong>München</strong>:<br />

UTB, S. 54<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 96


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung Unsere Ziele Unsere Maßnahmen<br />

Nicht nur die Bewohnerin selbst befindet<br />

sich in einer noch nie da gewesenen<br />

Situation. Auch ihre Angehörigen<br />

sind in einer neuen Situation. Viele<br />

Menschen haben Krankheit <strong>und</strong><br />

Sterben bisher nicht nah <strong>und</strong> direkt in<br />

ihrer Umgebung erlebt. Es kann<br />

schwer sein, den Verfall eines nahen<br />

Angehörigen zu erleben.<br />

Der Tod mag – obwohl für Außenstehende<br />

vielleicht erwartbar – den nahen<br />

Angehörigen doch überraschend<br />

treffen. Das Sterben – gerade das<br />

Sterben eines nahen Menschen –<br />

provoziert oft ein Chaos an Gefühlen.<br />

Es verstört <strong>und</strong> löst manchmal Reaktionen<br />

aus, die auch die Umgebung irritieren<br />

mag. Wir wissen, Trauer ist<br />

nicht nur Traurigkeit, son<strong>der</strong>n Trauer<br />

hat viele Gesichter: Schock, <strong>kein</strong> Gefühl<br />

mehr, Wut, Erleichterung, Dankbarkeit.<br />

Auch ein Fernbleiben kann<br />

eine Trauerreaktion sein. Trauer kann<br />

sich auch in Schuldvorwürfe gegenüber<br />

an<strong>der</strong>en verwandeln.<br />

Trauer braucht Ausdruck. Wir wissen<br />

um die heilsame Kraft von Ritualen<br />

<strong>und</strong> ermutigen Angehörige dazu, die<br />

vielfältigen heiminternen Angebote zu<br />

nutzen <strong>und</strong> nach ihren Möglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Bedürfnissen mitzugestalten.<br />

Angehörige<br />

sehen sich in<br />

<strong>der</strong> Zeit des<br />

Abschieds <strong>und</strong><br />

danach gut unterstützt<br />

• Belastende Ereignisse <strong>und</strong> Gefühle in all<br />

ihrer Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit ohne Wertung<br />

besprechen<br />

� Interne Fortbildung „Begleiten von<br />

Angehörigen – Umgang mit Trauerreaktionen“<br />

• Abschied in räumlich angenehmer Atmosphäre<br />

ohne Zeitdruck möglich (mindestens<br />

bis zu 24 Std.)<br />

� Gestaltungskonzept: Raum des Abschied<br />

• Anbieten symbolisch-ritueller Möglichkeiten<br />

(symbolische Gegenstände, Bildkarten<br />

Texte, Gebete, Musik) Texte „tröstliche<br />

Gedanken“<br />

� Standard: Versorgung <strong>und</strong> Verabschiedung<br />

Verstorbener<br />

• Angebot � „Buch <strong>der</strong> Erinnerung“ gestalten<br />

(ein Blatt kann mitgenommen <strong>und</strong><br />

später eingeheftet werden)<br />

• Gesprächspartnerinnen organisieren (z. B.<br />

Hospizhelferinnen), falls Zeit nicht ausreicht<br />

� Konzept: Sitzwachengruppe<br />

• Adressen bereithalten <strong>und</strong> aktualisieren<br />

für „nachgehende Trauerbegleitung“ <strong>und</strong><br />

Trauergruppen (z. B. „Trauercafe“)<br />

• Einladung zur Aussegnung � Handreichung<br />

„Das Ritual <strong>der</strong> Aussegnung“<br />

• Gemeinsame Kondolenzkarte <strong>der</strong> Mitarbeiterinnen<br />

schicken „Motiv: Wir denken<br />

an Sie …“ � Abschiedsritual im Team“<br />

• Beteiligen des Hauses bei <strong>der</strong> Bestattung<br />

in symbolischer o<strong>der</strong> persönlicher Form<br />

• Gestalten von Erinnerungsfeiern, die auch<br />

persönliche Zeichen ermöglichen<br />

� Handreichung Gedenkfeier<br />

• Erfahrungen von Angehörigen zur Sterbebegleitung<br />

in unserem Haus werden eingeholt<br />

<strong>und</strong> für Verbesserungen, aber auch<br />

Anerkennung von Leistungen <strong>der</strong> Mitarbeiterinnen<br />

genutzt<br />

� Fragebogen „Wie sind Sie als Angehörige/r<br />

zufrieden? � Gesprächshilfe<br />

Telefonische Nachsorge<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 97


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Blickpunkt: Mitbewohnerinnen<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung Unsere Ziele Unsere Maßnahmen<br />

Das Sterben betrifft die Gemeinschaft<br />

<strong>der</strong> Mitbewohnerinnen. Wie<br />

wir mit Sterbenden <strong>und</strong> Verstorbenen<br />

umgehen, setzt Zeichen für die<br />

Lebenden.<br />

Im Leben <strong>und</strong> Sterben ein Zuhause<br />

geben bedeutet für uns, aus dem<br />

Sterben für die lebenden Mitbewohnerinnen<br />

<strong>kein</strong> ängstigendes<br />

Tabu zu machen, son<strong>der</strong>n vielfältige<br />

<strong>und</strong> persönliche Möglichkeiten<br />

des Abschieds anzubieten.<br />

In Zeiten des Sterbens von Bewohnerinnen<br />

gilt unsere Aufmerksamkeit<br />

auch beson<strong>der</strong>s den Mitbewohnerinnen.<br />

In unserem sichtbaren Umgang<br />

mit Sterben <strong>und</strong> Tod erfahren sie ein<br />

Stück eigene Zukunft. „Es ist wie ein<br />

Vorsterben“ (Aussage einer Bewohnerin).<br />

Entsprechend kann dieses<br />

Verhalten Ängste provozieren o<strong>der</strong> –<br />

wie wir hoffen – Ängste verringern.<br />

Verstorbene verschwinden in unserem<br />

Haus nicht spurlos <strong>und</strong> heimlich.<br />

Alles was heimlich ist wird unheimlich.<br />

Dazu braucht es Offenheit ohne ein<br />

Bedrängen. Unsere Maxime: Wir gestalten<br />

alle Maßnahmen so, dass jede<br />

Mitbewohnerin den Abstand wahren<br />

darf o<strong>der</strong> die Form von Beteiligung<br />

findet, wie sie es jeweils benötigt.<br />

Wir pflegen <strong>kein</strong>e Kultur des Todes,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> lebendigen Verbindung.<br />

Mitbewohnerinnen<br />

fühlen<br />

sich über Abschiedskultur<br />

<strong>und</strong> aktuelle<br />

Sterbeprozesse<br />

gut informiert<br />

<strong>und</strong> einbezogen<br />

Mitbewohnerinnen<br />

können<br />

ihren gewünschtenAbstand<br />

zum<br />

Thema <strong>und</strong><br />

Geschehen<br />

wahren<br />

Mitbewohnerinnen<br />

erleben<br />

den Umgang<br />

mit sterbenden<br />

<strong>und</strong> verstorbenen<br />

Menschen<br />

als würdig<br />

Mitbewohnerinnen<br />

pflegen<br />

Erinnerungskultur<br />

mit Menschen,<br />

denen<br />

sie sich verb<strong>und</strong>en<br />

fühlen<br />

• Thematisierung von Sterben <strong>und</strong> Tod ist<br />

immer wie<strong>der</strong> im Beschäftigungskreis <strong>und</strong><br />

in beson<strong>der</strong>en Veranstaltungen<br />

• Mitbewohnerinnen werden eingeladen, in<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung durch den Sitzwachenkreis<br />

mitzumachen.<br />

� Konzept „Sitzwachengruppe“<br />

• Symbolische Aufnahme <strong>und</strong> Verabschiedung<br />

von Bewohnerinnen über den „Baum<br />

des Lebens“ (Jedes Blatt ist eine Bewohnerin)<br />

• Absprache in Doppelzimmern, ob Mitbewohnerin<br />

auch in dieser Zeit bleiben will;<br />

ein Paravent kann Intimität wahren; ansonsten<br />

steht in <strong>der</strong> Regel ein Ausweichzimmer<br />

zur Verfügung<br />

• Ansprechend gestaltete Todesanzeigen<br />

<strong>und</strong> kleine „Erinnerungsaltäre“ für aktuell<br />

verstorbene Bewohnerinnen auf jedem<br />

Stockwerk<br />

• Brennende Kerze zu den Essenszeiten am<br />

Platz <strong>der</strong> Verstorbenen<br />

• Erinnern an Verstorbene in <strong>der</strong> Heimzeitung<br />

• Ermutigen, persönlich sich bei befre<strong>und</strong>eten<br />

Bewohnerinnen zu verabschieden<br />

• Einladen zur Aussegnung, Andacht <strong>und</strong><br />

Rosenkranz<br />

• Nach Möglichkeit <strong>und</strong> Wunsch Fahrgelegenheiten<br />

zur Beerdigung organisieren<br />

o<strong>der</strong> eine symbolische „Teilnahme“ ermöglichen<br />

(z. B. Kerze den Angehörigen<br />

mitgeben)<br />

• Auf Wunsch Totenbildchen als Erinnerung<br />

besorgen <strong>und</strong> verteilen<br />

• Angebot einer Andacht im Heim, wenn<br />

Bewohner im Krankenhaus stirbt (Bewohnerin<br />

ist durch Foto in unserer Mitte präsent)<br />

• Einladung zur jährlichen Erinnerungsfeier<br />

mit <strong>der</strong> Möglichkeit, diese mitzugestalten<br />

� Programmplanung „Beschäftigung“<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 98


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Blickpunkt: Ärzte / Krankenhaus<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung Unsere Ziele Unsere Maßnahmen<br />

Sterben ist oft ein schwerer Weg,<br />

<strong>der</strong> mit physischen, sozialen, seelischen<br />

<strong>und</strong> spirituellen Schmerzen<br />

verb<strong>und</strong>en.<br />

Im Leben <strong>und</strong> Sterben ein Zuhause<br />

geben bedeutet für uns, für eine<br />

optimale Schmerztherapie <strong>und</strong><br />

Symptomkontrolle zu sorgen <strong>und</strong><br />

diese pflegerisch <strong>und</strong> begleitend zu<br />

unterstützen<br />

Etwa 80% <strong>der</strong> Bewohnerinnen in Pflegeheimen<br />

leiden krankheitsbedingt an<br />

chronischen Schmerzen 1 .<br />

Schmerz ist nicht nur eine physische<br />

Wahrnehmung, son<strong>der</strong>n kann beeinflusst,<br />

verstärkt o<strong>der</strong> überlagert werden<br />

durch psychische Faktoren. Deshalb<br />

versuchen wir alle Faktoren, die<br />

die Schmerzintensität beeinflussen<br />

können, in den Blick zu bekommen<br />

(z.B. Angst, Sorgen, Schlaflosigkeit).<br />

Schmerz kann nicht objektiv von außen<br />

bemessen, son<strong>der</strong>n nur subjektiv<br />

angegeben werden. Wir folgen dem<br />

Gr<strong>und</strong>satz: „Schmerz ist, was <strong>der</strong> Patient<br />

sagt, <strong>und</strong> existiert, wann immer<br />

er es sagt.“ 2 An erster Stelle stehen<br />

eine optimale Schmerztherapie <strong>und</strong><br />

Symptomkontrolle. Die Behandlung<br />

liegt zunächst in <strong>der</strong> Verantwortung<br />

des Hausarztes. Wir unterstützen<br />

durch gute Schmerzbeobachtung,<br />

fachk<strong>und</strong>ige Beratung <strong>und</strong> mit Hilfe<br />

<strong>der</strong> pflegerischen Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

Schmerz- <strong>und</strong> Symptomlin<strong>der</strong>ung. Wir<br />

wissen, dass in <strong>der</strong> Schmerztherapie<br />

oft noch Aufklärung bedarf bei Betroffenen,<br />

Angehörigen, Betreuerinnen<br />

<strong>und</strong> Ärztinnen.<br />

Die Bewohnerinnen<br />

haben<br />

die Sicherheit,<br />

dass in Zeiten<br />

<strong>der</strong> Krise in ihrem<br />

Sinne gehandelt<br />

wird<br />

Ungewollte<br />

Einweisung in<br />

ein Krankenhaus<br />

wird vermieden<br />

Die Entscheidungen<br />

sind<br />

klar <strong>und</strong> korrekt<br />

dokumentiert.<br />

Die wichtigen<br />

Dokumente<br />

sind korrekt<br />

hinterlegt<br />

Die Bewohnerinnen<br />

fühlen<br />

sich schmerzfrei<br />

o<strong>der</strong> für sie<br />

erträglich<br />

schmerzreduziert<br />

Symptome sind<br />

erträglich<br />

gelin<strong>der</strong>t<br />

• Möglichst frühzeitig wird Bewohnerin /<br />

Betreuerin auf die Möglichkeit <strong>der</strong> Krisenvorsorge<br />

/ Notfallplanung aufmerksam<br />

gemacht <strong>und</strong> eine entsprechende Beratung<br />

vermittelt <strong>und</strong> im Gespräch unterstützt<br />

� Standard „Krisenvorsorge<br />

treffen“ „Krankenhaus – ja o<strong>der</strong> nein?“<br />

• Hausärzte werden über die gewünschte<br />

Notfallplanung in unserem Haus informiert<br />

<strong>und</strong> die Art <strong>der</strong> Dokumentation abgesprochen<br />

� Musterbrief für Hausärzte <strong>und</strong> Notärzte<br />

• Notfallplan ist möglichst für jede Bewohnerin<br />

angelegt <strong>und</strong> bekannt<br />

� Dokumentation: Notfallplan / Ärztlicher<br />

Bericht<br />

• Die Mitarbeiterinnen wissen über Verhalten<br />

in Notfällen Bescheid<br />

� Interne Fortbildung „Ethischrechtliche<br />

Entscheidungen am Lebensende“<br />

• Eine ausgebildete Palliative-Care-Fachkraft<br />

im Heim steht Ärzten pflegerisch beratend<br />

zur Seite<br />

• Anlegen einer kleinen � Fachbibliothek<br />

zur Schmerztherapie <strong>und</strong> Symptomkontrolle<br />

• Regelmäßige Fortbildungsveranstaltung<br />

für Hausärzte zu „Schmerztherapie“<br />

• � Hotline zu örtlichem Schmerztherapeut<br />

für kollegiale Beratung in schwierigen<br />

Fällen wird angeboten o<strong>der</strong> selbst genutz<br />

• Unterstützung <strong>der</strong> ärztlichen Schmerztherapie<br />

durch gute Dokumentation <strong>der</strong> pflegerischen<br />

Mitarbeiterinnen<br />

� Standard „Schmerzmanagement“ �<br />

Dokumentation „Schmerzerfassung bei<br />

demenziell erkrankten Bewohnerinn<br />

1<br />

Kojer, M. / Schmidl, M. (o.J.): Praxis <strong>der</strong> palliativen Geriatrie (Vortrag). Download: www.bayerischestiftung-hospiz.de<br />

(Arbeitshilfen, Vorträge)<br />

2<br />

Binsack, T. (2000): Ganzheitliche Aspekte im Umgang mit Schmerz. In: Hiemenz, T. / Kottnik, R. (Hg.):<br />

Chancen <strong>und</strong> Grenzen <strong>der</strong> Hospizbewegung. Freiburg i.Br.: Lambertus, S. 77-81.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 99


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Konzept-Beispiel<br />

Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen 1<br />

Konzept zur Sterbebegleitung (Sozialstation Füssen)<br />

Hinweise zur Verwendung::<br />

Welche Gedanken <strong>und</strong> organisatorischen Ideen würden Sie in ein Konzept zur<br />

Sterbebegleitung aufnehmen? Das Beispiel präsentiert eine Variante für Leitlinien<br />

zur Sterbebegleitung, die . Sie können als Diskussions- <strong>und</strong> Formulierungshilfe<br />

verwenden, um in <strong>der</strong> Projektgruppe eigene Leitlinien zu entwickeln.<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Projektgruppe können dabei Formulierungen aus dem Material<br />

übernehmen, Abschnitte umformulieren o<strong>der</strong> eigene Gedanken entwickeln.<br />

Unsere Aufgabe: Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen für ein<br />

Sterben in Würde<br />

Sterben ist ein ganz individueller Prozess. Sterbebegleitung lässt sich zeitlich<br />

<strong>und</strong> inhaltlich nicht detailliert im Voraus festlegen. Aber: Wir können einen verlässlichen<br />

Rahmen schaffen, <strong>der</strong> diese Individualität ermöglicht <strong>und</strong> schützt.<br />

Darin sehen wir unsere beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

In unserem christlichen Gr<strong>und</strong>verständnis hat je<strong>der</strong> Mensch <strong>und</strong> jede Lebensphase<br />

- <strong>und</strong> gerade auch die Phase <strong>der</strong> Krankheit <strong>und</strong> des Sterbens - einen<br />

eigenen Wert <strong>und</strong> eine eigene Würde.<br />

Die Würde eines Menschen wurzelt in seiner Gottesebenbildlichkeit. Im praktischen<br />

Handeln <strong>der</strong> Sterbegleitung muss die Menschenwürde durch folgende<br />

beiden Aspekte, die sich gegenseitig bedingen, von uns verwirk-licht werden:<br />

• Wir möchten den schwerkranken Menschen durch die Art unserer Pflege<br />

<strong>und</strong> Begleitung erleben lassen, dass er mit <strong>und</strong> trotz seiner Krankheit <strong>und</strong><br />

1 Entwickelt im Projekt: „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“, Pflegeheim <strong>der</strong> Bamherzigen<br />

Brü<strong>der</strong>, St. Augustyn Neuburg a.d.D., Franziskaner Str. B 127, 86633 Neubug a.d.Donau, Projektleitung:<br />

Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg), Dora Schmidt (PDL)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 100


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Gebrechlichkeit wertvoll um seiner selbst willen ist (= Beziehungs-Aspekt<br />

<strong>der</strong> Menschenwürde).<br />

• Wir achten das unbedingte Selbst-bestimmungsrechtes des schwerkranken<br />

Menschen <strong>und</strong> versuchen, es immer wie<strong>der</strong> zu sichern (= Autonomie-Aspekt<br />

<strong>der</strong> Menschenwürde).<br />

Die folgenden Leitlinien zur Sterbebegleitung formulieren Überzeugungen <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter <strong>der</strong> kath.-evang. Sozialstation <strong>und</strong> Kurzzeitpflege Füssen <strong>und</strong> des<br />

Hospizvereines Kaufbeuern / Ostallgäu. Wir halten fest, was wir unter Sterbebegleitung<br />

verstehen, was diese alles umfasst <strong>und</strong> welche Gr<strong>und</strong>haltungen<br />

uns wichtig sind. Nach innen bieten die Leitlinien uns Orientierung <strong>und</strong> weisen<br />

uns den Weg für detaillierte organisatorische Überlegungen <strong>und</strong> Vereinbarungen.<br />

Nach außen sind sie unser Versprechen für die Betroffenen <strong>und</strong> ihre<br />

Familien.<br />

Sterbebegleitung ist Lebensbegleitung<br />

Sterbebegleitung verstehen wir als Lebensbegleitung. Im Mittelpunkt steht<br />

deshalb alles, was das Leben bewegt:: Traurigkeiten <strong>und</strong> Heiterkeiten, Rückblicke<br />

<strong>und</strong> Hoffnungen, Glaubensfragen <strong>und</strong> Zweifel, Schmerzen <strong>und</strong> Wohlbefinden<br />

- kurz: die "kleinen Dinge" des Alltags <strong>und</strong> die großen Fragen des Lebens<br />

... Um hier unterstützen<strong>der</strong> Partner sein zu dürfen, braucht es Vertrauen.<br />

Dieses kann entstehen über unser Interesse am Leben des an<strong>der</strong>en, unsere<br />

Verlässlichkeit, unsere Achtsamkeit. Biografiearbeit ist deshalb für uns ein<br />

wertvoller Schlüssel für eine individuelle Pflege <strong>und</strong> Sterbebegleitung. Wir blicken<br />

zurück auf das, was jemand geprägt hat (= Unterstützung bei <strong>der</strong> Lebensbilanz),<br />

beachten, was den Menschen im Augenblick beson<strong>der</strong>s beschäftigt<br />

(= Lebensbewältigung) <strong>und</strong> erk<strong>und</strong>en, mit welchen Ängsten <strong>und</strong> Hoffnungen<br />

er seine Zukunft sieht (Lebensplanung). Mit Erlaubnis des Betroffenen<br />

halten wir bedeutsame Informationen fest, um eine biografie-orientierte Pflege<br />

zu sichern (� Siehe Biografiebogen Sozialstation).<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung: Wir respektieren die Gefühle <strong>und</strong> Gedanken <strong>der</strong> Patienten<br />

<strong>und</strong> versuchen, diese nicht auszureden, abzulenken o<strong>der</strong> zu verharmlosen.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 101


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Im Mittelpunkt: Die Vorstellungen <strong>und</strong> Wünsche von Patienten<br />

Sterbebegleitung bedeutet für uns, Wünsche zur letzten Lebensphase zu erspüren<br />

<strong>und</strong> zu respektieren. Wir sind hellhörig für entsprechende Signale. Je<br />

nach Verfassung <strong>und</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> Patienten suchen wir auch das direkte<br />

Gespräch (z.B. über Behandlungsziele, lebensverlängernde Maßnahmen,<br />

persönliche Wünsche <strong>und</strong> Sorgen) (� Leitfaden für Gespräch: Vorstellungen<br />

zur letzten Lebensphase). Wir erk<strong>und</strong>en, ob Patientenverfügungen existieren,<br />

ermutigen dazu, sich damit auseinan<strong>der</strong>zusetzen <strong>und</strong> vermitteln bei<br />

Interesse entsprechende Information (� Vorstellungen sichern - Informationen<br />

zu Vorsorgedokumenten. )<br />

Wir sind offen für Glaubensfragen, knüpfen - wenn gewollt - den Kontakt zur<br />

Seelsorge <strong>und</strong> informieren den Kranken über die Möglichkeiten, zusätzliche<br />

Unterstützung durch den Hospizdienst zu bekommen. Geäußerte Wünsche<br />

zur letzten Lebensphase o<strong>der</strong> zur Behandlung nach dem Versterben werden<br />

mit Einverständnis des Betroffenen entsprechend in <strong>der</strong> Dokumentation gesichert.<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung: Der kranke Mensch führt Regie! Nur er weiß letztendlich,<br />

was für ihn gut <strong>und</strong> wichtig ist. Wir stehen lediglich unterstützend <strong>und</strong> beratend<br />

zur Seite.<br />

Sterbebegleitung ist praktische Unterstützung für höhere<br />

Lebensqualität<br />

Es ist uns ein wichtiges Anliegen, den Sterbenden in seiner gewohnten Umgebung<br />

zu belassen. Wir stellen bei Bedarf die notwendigen Hilfsmittel zur<br />

Verfügung <strong>und</strong> geben Anleitung, um sie sicher <strong>und</strong> effizient einzusetzen. Betroffene<br />

<strong>und</strong> Angehörige können wir zusätzlich zur Pflege gezielt entlasten<br />

durch unser breites Leistungsangebot bei <strong>der</strong> hauswirtschaftlichen Versorgung<br />

(Einkauf, Wäsche, Wohnungsreinigung, Essen auf Rä<strong>der</strong>)<br />

Sterbebegleitung ist Teamarbeit <strong>und</strong> persönliche Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

Das Sterben von Menschen führt uns oft an Grenzen - im Team <strong>und</strong> persönlich.<br />

Bei <strong>der</strong> Begleitung sollten wir uns selbst nicht mit zu hohen Erwartungen<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 102


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

überfor<strong>der</strong>n (z.B. Vorstellung einer ständigen Betreuung r<strong>und</strong> um die Uhr<br />

durch die Pflegekräfte).<br />

Sterbebegleitung braucht nicht nur persönliches Engagement einzelner Pflegekräfte,<br />

son<strong>der</strong>n erfor<strong>der</strong>t vor allem Teamarbeit. Entscheidend ist ein guter<br />

Informationsaustausch zwischen den Beteiligten (Leitung, Mitarbeiter <strong>der</strong><br />

Pflege <strong>und</strong> Hauswirtschaft, Angehörige, Betreuer, Ärzte, Seelsorge, Hospizdienst).<br />

Wo immer möglich, werden wir flexibel sein <strong>und</strong> Unterstützung für die<br />

Betroffenen <strong>und</strong> die beteiligten Teammitglie<strong>der</strong> organisieren (z.B. Hospizhelfer,<br />

Springer im Team). Wir achten <strong>und</strong> nutzen dabei die unterschiedlichen<br />

<strong>und</strong> beson<strong>der</strong>en persönlichen Beziehungen, die im Team zum jeweiligen<br />

kranken Menschen <strong>und</strong> seiner Familie entstanden sind. Entsprechend stellen<br />

wir ein kleines Pflegeteam zusammen, das mit dem Sterbenden <strong>und</strong> seiner Situation<br />

vertraut ist. Das gesamte Pflegeteam unterstützt diese Gruppe, so<br />

dass die Kollegen möglichst ohne Zeitnot arbeiten können.<br />

Das nahe Sterben von Menschen, die wir betreuen, konfrontiert uns als Mitarbeiter<br />

in <strong>der</strong> Pflege persönlich mit unserer eigenen Endlichkeit <strong>und</strong> Zerbrechlichkeit.<br />

Deshalb brauchen <strong>und</strong> schaffen wir im Team Aufmerksamkeit <strong>und</strong><br />

Raum für Gefühle <strong>und</strong> Gedanken. "Der Tod unterbricht bei uns die Tagesordnung".<br />

Wir pflegen im Team das gemeinsame Gedenken an Verstorbene <strong>und</strong><br />

för<strong>der</strong>n Möglichkeiten für einen persönlichen Abschied. Bei Belastungen einzelner<br />

Kollegen suchen wir im Gespräch nach guten Lösungen.<br />

Wir nutzen für die eigene Selbstpflege z.B. die verschiedenen Fortbildungen in<br />

diesem Bereich. Hospizverein <strong>und</strong> Sozialstation organisieren hier regelmäßige<br />

Angebote. Das Thema Sterbebegleitung ist auch Teil des Bewerbungsgespräches<br />

<strong>und</strong> einer guten Einarbeitung.<br />

Sterbebegleitung heißt für uns auch, dass wir uns immer wie<strong>der</strong> unserer eigenen<br />

christlichen Gr<strong>und</strong>haltung vergewissern (z.B. Was gibt mir Halt angesichts<br />

von Krankheit <strong>und</strong> Leiden?). Für diese Auseinan<strong>der</strong>setzung gibt es in unserer<br />

Einrichtung entsprechend Raum <strong>und</strong> Zeit (z.B. Fortbildungen, Besinnungstage).<br />

Dies ermöglicht uns, mit Offenheit <strong>und</strong> Wertschätzung an<strong>der</strong>en Glaubensrichtungen<br />

o<strong>der</strong> Weltanschauungen zu begegnen.<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung: In die Sterbebegleitung fließen immer eigene Überzeugungen<br />

ein. Als Begleiter sind wir bereit, unsere Einstellungen immer wie<strong>der</strong><br />

zu klären, uns <strong>der</strong> eigenen "unerledigten Geschäfte" (Elisabeth Kübler-<br />

Ross) zu stellen <strong>und</strong> für einen ges<strong>und</strong>en Ausgleich <strong>und</strong> für die Selbstpflege zu<br />

sorgen.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 103


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Sterbebegleitung ist Einbeziehung ehrenamtlicher Hospizhelfer<br />

Schwere Krankheit hat nicht nur körperliche Auswirkungen, son<strong>der</strong>n bringt<br />

sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen große Verunsicherung<br />

<strong>und</strong> Ängste mit sich. Sterbebegleitung bedeutet für uns, im Sinne <strong>der</strong> Betroffenen<br />

ein Netzwerk zu knüpfen <strong>und</strong> zu nutzen. Deshalb arbeiten wir sehr<br />

eng mit dem Hospizverein Kaufbeuren / Ostallgäu zusammen.<br />

Die Hospizbegleitung ist ein Angebot für Menschen, die von einer voraussichtlich<br />

unheilbaren Erkrankung getroffen sind <strong>und</strong> bei denen die Lebenserwartung<br />

begrenzt erscheint. Hospizhelfer ersetzen nicht Pflegedienst <strong>und</strong> Haushaltshilfe,<br />

aber sie ergänzen <strong>und</strong> entlasten die professionellen Helfer.<br />

Wir empfehlen den Betroffenen, Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung durch die geschulten,<br />

ehrenamtliche Hospizhelfer in Anspruch zu nehmen. (� Standard: Anbieten<br />

<strong>der</strong> ehrenamtliche Hospizhilfe) Dazu informieren wir über die Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> Helfer <strong>und</strong> ihre vielfältigen Möglichkeiten <strong>der</strong> Unterstützung (�� Infoblatt:<br />

Hospizhelferdienst). Auf Wunsch stellen wir den Kontakt zur Einsatzleitung<br />

des Hospizvereines her.<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung: Sozialstation <strong>und</strong> Hospizverein verstehen ihre Leistungen<br />

als wichtige wechselseitige Ergänzungen zum Wohle <strong>der</strong> Schwerkranken<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> betroffenen Familien. Wir kooperieren ohne Konkurrenzgefühle in<br />

gegenseitiger Loyalität durch dichten Informationsaustausch <strong>und</strong> klaren Absprachen.<br />

Sterbebegleitung ist gute palliativmedizinische Versorgung<br />

Sterbebegleitung bedeutet für uns, den Patienten ein Leben bis zuletzt <strong>und</strong> ein<br />

Sterben möglichst ohne physische Schmerzen zu ermöglichen. Dies ist ein<br />

wichtiges Element menschlicher Würde. Voraussetzung dafür ist die kollegiale,<br />

unvoreingenommene Zusammenarbeit mit vielen Berufsgruppen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> enge Kontakt mit den Hausärzten. Wir klären, ob <strong>und</strong> wie weit <strong>der</strong><br />

jeweilige Hausarzt über Wünsche <strong>und</strong> eventuelle Entscheidungen des Patienten<br />

informiert ist. Wichtig ist uns auch gutes Krisenmanagement: Um die<br />

Wünsche von Patienten zu respektieren <strong>und</strong> �� Krisenvorsorge zu treffen,<br />

werden vorbeugend mit den behandelnden Ärzten <strong>und</strong> den Angehörigen möglichst<br />

frühzeitig Handlungsweisen bei absehbaren Komplikationen besprochen<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 104


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

<strong>und</strong> dokumentiert <strong>und</strong> eine entsprechende Notfallmedikation bevorratet.<br />

(� ���������lan: Verfügungen - Ärztlicher Bericht) Damit bei Einweisungen<br />

<strong>und</strong> Entlassungen aus dem Krankenhaus <strong>kein</strong>e wichtige Informationen vergessen<br />

werden, haben wir ein entsprechendes Überleitungsmanagement vereinbart.<br />

Durch Gespräch, sorgfältige Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation erhalten wir<br />

Auskunft über den jeweiligen Schmerzzustand. ���Wenn<br />

notwendig, drängen wir<br />

darauf, palliativ-medizinisch ausgebildete Ärzte konsiliarisch hinzuzuziehen.<br />

Wir verstehen uns hier als "Anwalt von Patienten". In Kooperation von Pflegedienst<br />

<strong>und</strong> Hospizverein haben wir uns für den Aufbau eines palliativmedizinischen<br />

Beratungsdienstes in <strong>der</strong> Region eingesetzt. � Abrechnung<br />

palliativer Beratung - Vertrag mit Krankenkasse<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung: Wir praktizieren interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> fühlen uns verantwortlich für eine optimale Kooperation im Sinne <strong>der</strong> Patienten.<br />

Nicht zuletzt: Sterbebegleitung ist partnerschaftliche Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Angehörigen<br />

Sterben trifft nicht nur eine Person. Es betrifft Familie <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e. Diese sind<br />

beson<strong>der</strong>s vertraut mit dem Sterbenden, aber auch beson<strong>der</strong>s betroffen von<br />

<strong>der</strong> Situation. Wir sehen unser Verhältnis zu den Angehörigen als eine Art<br />

Partnerschaft zum Wohle des Patienten. Es ist uns deshalb beson<strong>der</strong>s wichtig,<br />

Angehörige in <strong>der</strong> Pflege auf die Sterbebegleitung vorzubereiten, sie anzuleiten<br />

<strong>und</strong> einzubeziehen. Wir unterstützen <strong>und</strong> beraten sie fachlich, brauchen<br />

<strong>und</strong> nutzen aber auch umgekehrt <strong>der</strong>en Sicht <strong>und</strong> Kenntnisse für eine individuelle<br />

Pflege des Patienten. Wir zeigen Offenheit für Fragen von Angehörigen<br />

zur letzten Lebensphase <strong>und</strong> weisen frühzeitig auf weitere Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

Unterstützung in unserem ambulanten Netzwerk hin (z.B. Hospizhelfer, Seelsorge).<br />

Wenn es gewünscht <strong>und</strong> es <strong>der</strong> jeweiligen Pflegekraft auch möglich<br />

ist, ermutigen <strong>und</strong> unterstützen wir Angehörige beim Verabschieden von Verstorbenen.<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>haltung: Wir betrachten unsere Rolle als "Gäste" im Haus <strong>und</strong><br />

sehen Angehörige als wichtige Partner in <strong>der</strong> Pflege. Allerdings sehen wir<br />

auch unsere Grenzen. Wo Angehörige fehlen o<strong>der</strong> ausgefallen sind, können<br />

wir sie nicht ersetzen - trotz <strong>der</strong> vielleicht entstandenen Vertrautheit zwischen<br />

Patienten <strong>und</strong> uns. Der sterbende Mensch steht außerdem manchmal in einem<br />

familiären Beziehungsgeflecht, das Konflikte birgt. In solchen Konfliktfäl-<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 105


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

len können wir zwar als Außenstehende in Gesprächen entlastend <strong>und</strong> wertvoll<br />

sein, aber erfahrungsgemäß nur gelegentlich <strong>und</strong> begrenzt vermitteln. Unser<br />

Leitgedanke: In diesen Situationen müssen wir beson<strong>der</strong>s achtsam sein,<br />

nicht zu werten <strong>und</strong> zu verurteilen, son<strong>der</strong>n eine verständnisvolle Distanz zu<br />

allen Konfliktparteien zu wahren.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 106


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 107


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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4<br />

Musterstandards,<br />

Gesprächshilfen,<br />

Materialien <strong>und</strong><br />

Ideen<br />

Zu dieser Sammlung gehören bewährte Standards, die in<br />

verschiedenen Projekten entwickelt wurden, o<strong>der</strong> Ergebnisse<br />

aus Projekt-Beratungen <strong>und</strong> Projekt-Werkstätten. Deshalb<br />

werden Sie in einzelnen Standards „Spuren“ örtlicher Beson<strong>der</strong>heiten<br />

finden (z. B. Verantwortlichkeiten, Regelungen vor<br />

Ort usw.). Die Musterstandards können Sie als Anregung o<strong>der</strong><br />

als direkte Vorlage für Besprechungen in Ihrer Projekt-<br />

Gruppe nutzen, um eigene, gut zugeschnittene Standards zu<br />

schaffen. Quellen bitte angeben. Wir danken allen Projekt-<br />

Gruppen <strong>und</strong> Teams, die ihre Ergebnisse im Sinne eines<br />

wechselseitigen Gebens <strong>und</strong> Nehmens zur Verfügung stellen<br />

<strong>und</strong> zu dieser stetig wachsenden Sammlung beitragen.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 108


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Standard<br />

Bewohner willkommen heißen 1<br />

Ritual in <strong>der</strong> Phase des Einzugs<br />

Einführung<br />

Eine Abschiedskultur beginnt beim Heimeinzug. Gerade dieser Übergang, <strong>der</strong><br />

von vielen Beteiligten gefürchtet wird, braucht eine beson<strong>der</strong>e (rituelle) Aufmerksamkeit,<br />

wenn er gelingen soll.<br />

Durchführung<br />

Verantwortlich: Bezugspflegekraft<br />

Vorbereitung / Rahmen / Beteiligte<br />

Blumen besorgen (lassen), Bildkarten, Kaffee, Tasse (evtl. mit Namenszug);<br />

Zeit: ca. eine St<strong>und</strong>e; Zeitpunkt: 2-4 Tage nach Einzug; Ort: Zimmer des Bewohners;<br />

evtl. weitere Bewohner dazu einladen<br />

Eröffnung<br />

Die Pflegekraft überreicht dem Heimbewohner Blumen, wünscht eine gute Zeit<br />

für den Einzug <strong>und</strong> steckt den zeitlichen Rahmen des „Besuches“ ab <strong>und</strong> klärt<br />

ab, ob die Zeit günstig ist. Impulse für den Einstieg: Wie waren denn die ersten<br />

Tage hier bei uns? Gab es etwas, was Sie vermisst haben? Wie haben<br />

Sie sich aufgenommen gefühlt?<br />

1. Phase: Rückbesinnung = Loslösung<br />

Der Bewohner kann über die ersten Tage im Heim berichten <strong>und</strong> über Herkunftsort<br />

erzählen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Pflegekraft – wenn vorhanden – Bil<strong>der</strong> zeigen.<br />

Pflegekraft unterstützt durch Fragen. Beispiele: Welche Gegenstände schaffen<br />

ein Gefühl von Zuhause? Welche persönlichen Objekte müssten noch besorgt<br />

werden? Von was fiel die Trennung schwer usw. (Hilfe, um Altes in Erinnerung<br />

zu nehmen)<br />

1 Ritual entwickelt von Arbeitsgruppe Marienheim Glonn (Obb.) <strong>und</strong> Martin Alsheimer<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 109


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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2. Phase = Höhepunkt<br />

Die Pflegekraft spricht Segenswünsche aus <strong>und</strong> lässt von Bewohner Wünsche<br />

formulieren. Der Bewohner wählt aus einer Schale mit Bildkarten eine aus.<br />

Der Segenswunsch wird auf eine Bildkarte geschrieben <strong>und</strong> im Zimmer aufgestellt<br />

(symbolisiert Kraft für den Wechsel <strong>und</strong> Vertrauen, dass <strong>der</strong> Übergang<br />

gelingt)<br />

3. Phase = Neuanbindung<br />

Bewohner bekommt persönliche Tasse (mit Namenszug) geschenkt (symbolisiert:<br />

Willkommen, Hoffnung, dass Bewohner sich künftig zu Hause fühlt)<br />

Abschluss:<br />

Eine gemeinsame Tasse Tee/Kaffee zusammen trinken<br />

Eventuell weitere Bewohner dazu einladen („Patenschaften“ für die erste Zeit<br />

stiften)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 110


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Übersicht<br />

Situationen für gezielte Gespräche<br />

Wann <strong>und</strong> wie können wir etwas über die Vorstellungen<br />

zur letzten Lebensphase erfahren?<br />

Wann Wie Empfohlene<br />

Fragen aus<br />

dem Pool<br />

Vor dem Einzug<br />

Bei <strong>der</strong> Aufnahme<br />

Bei <strong>der</strong> Besichtigung des<br />

Hauses<br />

Nach dem Tod von Mitbewohnern<br />

o<strong>der</strong> Angehörigen<br />

Bei <strong>und</strong> nach Info-Abenden<br />

(z. B. über Vorsorgemöglichkeiten)<br />

In <strong>der</strong> Eingewöhnungszeit<br />

durch Gesprächsangebote<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Biografiearbeit<br />

Über formale Fragen (z. B. zur Patientenverfügung)<br />

erste Resonanzen erfassen<br />

Erzählen über die Palliativ-Angebote des<br />

Hauses<br />

Im R<strong>und</strong>gang die jeweiligen Symbole <strong>und</strong><br />

Zeugnisse <strong>der</strong> Erinnerungskultur <strong>der</strong> Einrichtung<br />

erläutern <strong>und</strong> als Gesprächsaufhänger<br />

nutzen<br />

Für Gruppen- o<strong>der</strong> Einzelgespräche 4<br />

Anknüpfen an vorhandene o<strong>der</strong> nicht vorhandene<br />

Pat.-Verfügung als Einstieg o<strong>der</strong><br />

eingebettet in Fragen zur Eingewöhnung<br />

(Siehe Begleitmaterial)<br />

Bei Gesprächen über erlittene Verluste<br />

könnten Vorstellungen zum eigenen Sterben<br />

thematisiert werden<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 111<br />

1<br />

2<br />

3<br />

5<br />

6<br />

7


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 112


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Leitfaden/Standard<br />

Die letzte Lebensphase in den Blick<br />

nehmen –<br />

Gesprächsangebot „Rechtzeitig Vorsorge treffen“ 1<br />

Einführung in den Standard<br />

Dieses beson<strong>der</strong>e Gesprächsangebot ist nur ein <strong>der</strong> Möglichkeiten, wie Wünsche<br />

zur letzten Lebensphase erfahren werden können. Es gibt eine ganze<br />

Reihe von Situationen, um über das Thema Vorsorge, Sterbebegleitung <strong>und</strong><br />

Abschiedskultur ins Gespräch zu kommen.<br />

Beispiele:<br />

• Beim Einzug über formale Fragen, z. B. nach einer Patientenverfügung<br />

o<strong>der</strong> über das Erzählen vom Konzept „Leben bis zuletzt“<br />

• Bei <strong>der</strong> Besichtigung des Hauses: Im R<strong>und</strong>gang können auch die Symbole<br />

<strong>und</strong> Zeugnisse <strong>der</strong> Erinnerungskultur (z. B. Gedenkwand) gezeigt<br />

<strong>und</strong> erläutert werden.<br />

• Nach dem Tod von MitbewohnerInnen: Das direkte Erleben o<strong>der</strong> auch<br />

die Bekanntmachung des Todes von Nachbarn kann in Einzelgesprächen<br />

o<strong>der</strong> in Gesprächsr<strong>und</strong>en aufgegriffen werden.<br />

• Bei <strong>und</strong> nach Info-Abenden (z. B. über Möglichkeiten <strong>der</strong> Vorsorge)<br />

• Im Rahmen <strong>der</strong> Biografiearbeit, z. B. über das Erzählen von erlittenen<br />

Verlusten <strong>und</strong> über die Art <strong>und</strong> Weise, wie Bekannte o<strong>der</strong> Familienmitglie<strong>der</strong><br />

gestorben sind.<br />

Das Gespräch über die Zukunft ist somit nicht die einzige Gelegenheit. Es erlaubt<br />

allerdings, in konzentrierter Weise über Lebensqualität auch am Ende<br />

des Lebens zu reden.<br />

Je<strong>der</strong> Mensch hat unterschiedliche Vorstellungen, was „Lebensqualität“ (= innere<br />

Zufriedenheit, Wohlgefühl) in bestimmten Situationen ausmacht. Deshalb<br />

können diese Faktoren in <strong>der</strong> Regel nur in einem persönlichen Gespräch erschlossen<br />

werden. Es sind oft kleine Details, die zum Wohlgefühl beitragen.<br />

1 Entstanden in <strong>der</strong> Projekt-Beratung des Pflegezentrums Eichenau 2007<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 113


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Im Mittelpunkt dieses Gesprächsangebotes stehen zwei Situationen:<br />

• die aktuelle Situation des Einzugs, die oft als Krisenzeit erlebt wird.<br />

• Situationen, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Betroffene sich nicht mehr direkt mitteilen kann, um<br />

vorbeugend Wünsche <strong>und</strong> Vorstellungen - auch rechtlich – in <strong>der</strong> Krise zu<br />

sichern.<br />

Das Gespräch ergänzt das biografische Gespräch (� Biografiebogen) <strong>und</strong> bereitet<br />

die medizinisch-pflegerische Krisenvorsorge vor (� Schmerzmanagement<br />

� Krisenvorsorge / Notfallplan). Das Gespräch wird entwe<strong>der</strong> direkt<br />

<strong>der</strong> neu eingezogenen Bewohner angeboten o<strong>der</strong> - falls diese nicht mehr ansprechbar<br />

ist – <strong>der</strong>en Betreuer. Über Aushang wird den Bewohnern <strong>und</strong> Angehörigen<br />

auf die ständig bestehende Möglichkeit aufmerksam gemacht, über<br />

Wünsche <strong>und</strong> Sorgen <strong>und</strong> die Möglichkeit <strong>der</strong> Vorsorge ins Gespräch zu<br />

kommen.<br />

Ziele<br />

1. Absicherung von Wünschen: Die Pflegekräfte kennen die individuellen<br />

Vorstellungen von BewohnerInnen <strong>und</strong> berücksichtigen diese entsprechend.<br />

2. Persönliche Entlastung: Das Gespräch wird von den Beteiligten als entlastendes<br />

Angebot erlebt, dass Raum gibt für Gefühle <strong>und</strong> Vorstellungen<br />

bezogen auf mögliche aktuelle <strong>und</strong> zukünftige Krisenzeiten. Bewohnerin /<br />

Betreuerin fühlen sich ermutigt, Regelungen für Krisenzeiten zu treffen.<br />

3. Sicherheit: Die Pflegekräfte fühlen sich sicher, welche Maßnahmen vom<br />

Betroffenen gewollt sind, falls er sich nicht mehr mitteilen kann.<br />

Rahmen<br />

• Verantwortlich: PÜL, Palliative Care-Fachkraft, Vertretung nach Absprache<br />

• Zeitpunkt: möglichst in den ersten Wochen nach Einzug<br />

• Zeitbedarf: ca. 1 Std.<br />

• Vorbereitung: Im Rahmen des � Aufnahmegespräches wird durch Bewohnerverwaltung<br />

abgefragt, ob eine Patientenverfügung <strong>und</strong> Bevollmächtigungen<br />

/ Betreuung vorhanden sind <strong>und</strong> auf dieses weiterführende<br />

Gesprächsangebot hingewiesen: „Unser Motto in unserem Haus ist „Leben<br />

bis zuletzt! Wir möchten deshalb möglichst viel erfahren, was für Sie<br />

selbst / Ihren Vater o<strong>der</strong> Ihre Mutter in guten o<strong>der</strong> schlechten Zeiten wich-<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 114


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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tig ist im Leben …“ Entscheiden lassen, wer teilnehmen soll; Zeit arrangieren<br />

(Titel des Gesprächs: „Rechtzeitig Vorsorge treffen“)<br />

• Ort: ungestörte Atmosphäre, eventuell mit Kaffee / Tee<br />

Durchführung<br />

Wichtig für die Gesprächsführung:<br />

• Das Gespräch soll eine Atmosphäre <strong>der</strong> Offenheit schaffen. Der Leitfaden<br />

dient lediglich als Strukturierungshilfe. Umfang <strong>der</strong> Fragen <strong>und</strong> Reihenfolge<br />

sind nicht zwingend. Das Gespräch folgt eher dem Fluss des Erzählens.<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft vergewissert sich zu Beginn, ob das<br />

vereinbarte Gespräch zu diesem Zeitpunkt auch wirklich passt.<br />

• Falls in einem gemeinsamen Gespräch Angehörige die Betroffene dominieren<br />

sollten, lenkt die PDL / Palliative-Care-Fachkraft immer wie<strong>der</strong> zurück<br />

<strong>und</strong> holt die Meinung <strong>der</strong> Bewohnerin ein (Bsp. „Wie sehen Sie das<br />

selbst?“ „Was meinen Sie dazu, was Ihre Tochter / Ihr Sohn sagt?“).<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft weist darauf hin, dass die Beteiligten<br />

natürlich nicht antworten müssen, falls ihnen Fragen zu weit gehen, bzw.<br />

dass auch später noch etwas ergänzt, verän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich revidiert<br />

werden kann.<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft verdeutlicht zu Beginn noch einmal<br />

den Sinn des Gesprächs („Möglichst viele Wünsche berücksichtigen <strong>und</strong><br />

Sicherheit schaffen …“), benennt den Zeitrahmen <strong>und</strong> bedankt sich für<br />

die Zeit, die sich die Beteiligten nehmen.<br />

• Sie holt sich das Einverständnis ein, dass sie sich während des Gesprächs<br />

einige Notizen machen kann. Das Dokumentierte kann später<br />

vor- o<strong>der</strong> gegengelesen werden.<br />

Gesprächshilfen<br />

Vorschläge für den Einstieg<br />

• „Wie waren denn die ersten Tage für Sie?“ (Ziel: Entlastung bei akuten<br />

Nöte)<br />

• Hätten wir noch etwas tun können, um Ihnen die Eingewöhnung zu erleichtern?“<br />

(Ziel: Verbesserung des Aufnahmeverfahrens)<br />

• „Wie läuft denn Ihr Tag so zurzeit ab? … Entspricht das Ihren Vorstellungen,<br />

mit denen Sie zu uns gekommen sind?“ (Ziel: Klärung des Erlebens<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 115


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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in <strong>der</strong> aktuellen Situation)<br />

• „Gibt es Gegenstände von Ihrer früheren Wohnung, die Sie beson<strong>der</strong>s<br />

vermissen?“ Beispiele: wichtige Andenken, Kleidungsstücke, Möbel,<br />

Haushaltsgegenstände, Bettwäsche, Parfum, Fotos, religiöse Utensilien<br />

<strong>und</strong> Devotionalien. (Ziel: Zuhause schaffen)<br />

Thema: Vorsorge<br />

Vorschläge für den Einstieg<br />

• Wenn Sie drei Wünsche frei hätten: was würden Sie sich Ihre die Zukunft<br />

wünschen?<br />

• Falls es Ihnen ges<strong>und</strong>heitlich schlechter gehen sollte <strong>und</strong> Sie sich nicht<br />

direkt mitteilen können, gibt es etwas, auf das wir beson<strong>der</strong>s achten sollen?<br />

• Ich habe gesehen, dass Sie bereits eine Patientenverfügung angelegt<br />

haben. Gibt es etwas, das wir wissen <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s berücksichtigen<br />

müssen`?<br />

• „Es wird zurzeit viel über Patientenverfügungen <strong>und</strong> Vollmacht gesprochen.<br />

Für uns ist wichtig, dass nichts passiert, was Sie nicht wollen …<br />

Wissen Sie über die Möglichkeiten <strong>der</strong> Vorsorge Bescheid?“ (Ziel: Information<br />

nach Bedarf)<br />

• Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was Sie an Behandlung<br />

nicht mehr wollen, falls Sie sich nicht mehr selbst äußern könnten?“<br />

• Ich habe gesehen, dass Sie <strong>kein</strong>e Patientenverfügung haben … Würde<br />

das für Sie in Frage kommen, das schriftlich festzulegen, was Sie in Zeiten<br />

schwerer Krankheit haben <strong>und</strong> nicht mehr haben wollen?<br />

Vertiefungen, Weiterführung<br />

• „Haben Sie schon einmal mit Ihrem Hausarzt darüber gesprochen?“ Die<br />

PDL / Palliative-Care-Fachkraft klärt ab, ob ein Gespräch � Krisenvorsorge<br />

/ Notfallplan gewünscht wird <strong>und</strong> ermutigt dazu.<br />

• „Wer sollte denn in diesem Fall für Sie stellvertretend entscheiden <strong>und</strong> eine<br />

Betreuung übernehmen?“<br />

• „Haben Sie mit dieser Person schon einmal darüber gesprochen? Wie hat<br />

diese reagiert?“<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 116


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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• „Wem möchten Sie denn auf <strong>kein</strong>en Fall eine Betreuung zumuten? Wer<br />

sollte auf <strong>kein</strong>en Fall mit einer Betreuung beauftragt werden?“<br />

• „Wenn sollten wir unbedingt informieren, falls sich Ihr Zustand verän<strong>der</strong>n<br />

sollte?“<br />

• „Wen möchten Sie dann gerne um sich haben, falls es Ihnen mal ges<strong>und</strong>heitlich<br />

schlechter gehen sollte?“ „Wen eher nicht?“<br />

Thema: Ehrenamtliche<br />

• „Wenn es Ihnen einmal nicht gut gehen sollte: Wären Sie damit einverstanden,<br />

dass wir eine Sitzwache organisieren, damit sie nicht allein in<br />

<strong>der</strong> Nacht sind?“<br />

• Würden Sie sich jemanden wünschen, <strong>der</strong> Sie nach Absprache besucht?<br />

Thema: Religion<br />

• Würden Sie sich im weitesten Sinne als gläubiger Mensch bezeichnen?<br />

• „Welche Bedeutung hat Religion für Sie?“<br />

• „Wünschen Sie sich in Krankheit o<strong>der</strong> im Sterben eine religiöse Begleitung?<br />

Wie soll diese aussehen? Was möchten Sie auf <strong>kein</strong>en Fall?“<br />

• Gibt es etwas, das Ihnen geholfen hat, als es Ihnen in früherer Zeit einmal<br />

schlecht ging?<br />

Abschluss<br />

• Die PÜL / Palliative-Care-Fachkraft schließt das Gespräch abschließend<br />

nach: „Gibt es etwas, was Ihnen noch am Herzen liegt <strong>und</strong> was wir noch<br />

nicht angesprochen haben?“ „Hat Sie das Gespräch belastet?“<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 117


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 118


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Standard / Gesprächsleitfaden<br />

Lebensqualität sichern 1<br />

Vorstellungen zur letzten Lebensphase erfassen<br />

Einführung in den Standard<br />

Je<strong>der</strong> Mensch hat unterschiedliche Vorstellungen, was „Lebensqualität“ (= innere<br />

Zufriedenheit, Wohlgefühl) in bestimmten Situationen ausmacht. Deshalb<br />

können diese Faktoren in <strong>der</strong> Regel nur in einem persönlichen Gespräch erschlossen<br />

werden. Es sind oft kleine Details, die zum Wohlgefühl beitragen.<br />

Im Mittelpunkt dieses Gesprächsangebotes stehen zwei Situationen:<br />

• die aktuelle Situation des Einzugs, die oft als Krisenzeit erlebt wird.<br />

• Situationen, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Betroffene sich nicht mehr direkt mitteilen kann, um<br />

vorbeugend Wünsche <strong>und</strong> Vorstellungen - auch rechtlich – in <strong>der</strong> Krise zu<br />

sichern.<br />

Das Gespräch ergänzt das biografische Gespräch (� Biografiebogen) <strong>und</strong> bereitet<br />

die medizinisch-pflegerische Krisenvorsorge vor (� Schmerzmanagement<br />

� Krisenvorsorge / Notfallplan). Das Gespräch wird entwe<strong>der</strong> direkt<br />

<strong>der</strong> neu eingezogenen Bewohner angeboten o<strong>der</strong> - falls diese nicht mehr ansprechbar<br />

ist – <strong>der</strong>en Betreuer. Die Bewohnerin / <strong>der</strong> Betreuer entscheidet,<br />

wer sonst zum Beispiel aus dem Kreis <strong>der</strong> Familie noch beim Gespräch beteiligt<br />

sein soll, um wichtige Informationen zur Lebensqualität zusammenzutragen<br />

bzw. um Entscheidungen mit zu tragen.<br />

Ziele<br />

• Absicherung von Wünschen: Die Pflegekräfte kennen die individuellen<br />

Vorstellungen von BewohnerInnen <strong>und</strong> berücksichtigen diese entsprechend.<br />

• Persönliche Entlastung: Das Gespräch wird von den Beteiligten als ent-<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“, Pflegeheim <strong>der</strong> Bamherzigen<br />

Brü<strong>der</strong>, St. Augustyn Neuburg a.d.D., Franziskaner Str. B 127, 86633 Neubug a.d.Donau, Projektleitung:<br />

Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg), Dora Schmidt (PDL)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 119


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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lastendes Angebot erlebt, dass Raum gibt für Gefühle <strong>und</strong> Vorstellungen<br />

bezogen auf mögliche aktuelle <strong>und</strong> zukünftige Krisenzeiten. Bewohnerin /<br />

Betreuerin fühlen sich ermutigt, Regelungen für Krisenzeiten zu treffen.<br />

• Sicherheit: Die Pflegekräfte fühlen sich sicher, welche Maßnahmen vom<br />

Betroffenen gewollt sind, falls er sich nicht mehr mitteilen kann.<br />

Rahmen<br />

• Verantwortlich: PDL, Palliative Care-Fachkraft, Vertretung nach Absprache<br />

• Zeitpunkt: möglichst in <strong>der</strong> ersten Woche nach Einzug<br />

• Zeitbedarf: ca. 1 Std.<br />

• Vorbereitung: Im Rahmen des � Aufnahmegespräches wird abgefragt,<br />

ob eine Patientenverfügung <strong>und</strong> Bevollmächtigungen / Betreuung vorhanden<br />

sind <strong>und</strong> auf dieses weiterführende Gesprächsangebot hingewiesen:<br />

„Unser Motto in unserem Haus ist „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause<br />

schaffen! Wir möchten deshalb möglichst viel erfahren, was für Sie<br />

selbst / Ihren Vater o<strong>der</strong> Ihre Mutter in guten o<strong>der</strong> schlechten Zeiten wichtig<br />

ist im Leben …“ Entscheiden lassen, wer teilnehmen soll; Zeit arrangieren<br />

(Titel des Gesprächs: „Lebensqualität – Was ist Ihnen wichtig!“)<br />

• Ort: ungestörte Atmosphäre, eventuell mit Kaffee / Tee<br />

Durchführung<br />

Wichtig für die Gesprächsführung:<br />

• Das Gespräch soll eine Atmosphäre <strong>der</strong> Offenheit schaffen. Der Leitfaden<br />

dient lediglich als Strukturierungshilfe. Umfang <strong>der</strong> Fragen <strong>und</strong> Reihenfolge<br />

sind nicht zwingend. Das Gespräch folgt eher dem Fluss des Erzählens.<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft vergewissert sich zu Beginn, ob das<br />

vereinbarte Gespräch zu diesem Zeitpunkt auch wirklich passt.<br />

• Falls in einem gemeinsamen Gespräch Angehörige die Betroffene dominieren<br />

sollten, lenkt die PDL / Palliative-Care-Fachkraft immer wie<strong>der</strong> zurück<br />

<strong>und</strong> holt die Meinung <strong>der</strong> Bewohnerin ein (Bsp. „Wie sehen Sie das<br />

selbst?“ „Was meinen Sie dazu, was Ihre Tochter / Ihr Sohn sagt?“).<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft weist darauf hin, dass die Beteiligten<br />

natürlich nicht antworten müssen, falls ihnen Fragen zu weit gehen, bzw.<br />

dass auch später noch etwas ergänzt, verän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich revi-<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 120


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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diert werden kann.<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft verdeutlicht zu Beginn noch einmal<br />

den Sinn des Gesprächs („Möglichst viele Wünsche berücksichtigen <strong>und</strong><br />

Sicherheit schaffen …“), benennt den Zeitrahmen <strong>und</strong> bedankt sich für<br />

die Zeit, die sich die Beteiligten nehmen.<br />

• Sie holt sich das Einverständnis ein, dass sie sich während des Gesprächs<br />

einige Notizen machen kann. Das Dokumentierte kann später<br />

vor- o<strong>der</strong> gegengelesen werden.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 121


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Leitfragen Gespräch mit Bewohnerin (auf Entscheidung gemeinsam mit<br />

Angehörigen)<br />

• Einstieg: „Wie waren denn die ersten Tage für Sie?“ (Ziel: Entlastung bei akuten Nöte)<br />

• War unsere � Orientierungshilfe eine Erleichterung für Sie? Haben Sie irgendetwas vermisst,<br />

was wir hätten tun können, um Ihnen die Eingewöhnung zu erleichtern? (Ziel: Verbesserung<br />

des Aufnahmeverfahrens)<br />

• „Wie läuft denn Ihr Tag so zurzeit ab? … Entspricht das Ihren Vorstellungen, mit denen<br />

Sie zu uns gekommen sind? (Ziel: Klärung des Erlebens in <strong>der</strong> aktuellen Situation)<br />

• „Gibt es Gegenstände von Ihrer früheren Wohnung, die Sie beson<strong>der</strong>s vermissen?“ Beispiele:<br />

wichtige Andenken, Kleidungsstücke, Möbel, Haushaltsgegenstände, Bettwäsche,<br />

Parfum, Fotos, religiöse Utensilien <strong>und</strong> Devotionalien. (Ziel: Zuhause schaffen)<br />

• „Gibt es Personen, z. B. aus Ihrer Nachbarschaft, zu denen Sie gerne weiter Kontakt halten<br />

möchten? Darauf hinweisen, dass Kaffeekränzchen leicht im Heim zu organisieren<br />

sind. (Ziel: Beziehungen erhalten)<br />

• „Es wird zurzeit viel über Patientenverfügungen <strong>und</strong> Vollmacht gesprochen. Für uns ist<br />

wichtig, dass nichts passiert, was Sie nicht wollen (was Ihr Vater / Ihre Mutter nicht gewollt<br />

hätte) … Wissen Sie über die Möglichkeiten <strong>der</strong> Vorsorge Bescheid? (Ziel: Information<br />

nach Bedarf)<br />

• Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was Sie an Behandlung nicht mehr wollen,<br />

falls Sie sich nicht mehr selbst äußern könnten?“<br />

• „Haben Sie schon einmal mit Ihrem Hausarzt darüber gesprochen?“ Die PDL / Palliative-<br />

Care-Fachkraft klärt ab, ob ein Gespräch � Krisenvorsorge / Notfallplan gewünscht wird<br />

<strong>und</strong> ermutigt dazu.<br />

• „Wer sollte denn in diesem Fall für Sie stellvertretend entscheiden <strong>und</strong> eine Betreuung<br />

übernehmen?“<br />

• „Haben Sie mit dieser Person schon einmal darüber gesprochen? Wie hat diese reagiert?“<br />

• „Wem möchten Sie denn auf <strong>kein</strong>en Fall eine Betreuung zumuten? Wer sollte auf <strong>kein</strong>en<br />

Fall mit einer Betreuung beauftragt werden?“<br />

• „Wenn sollten wir unbedingt informieren, falls sich Ihr Zustand verän<strong>der</strong>n sollte?“<br />

• „Wen möchten Sie dann gerne um sich haben?“ „Wen eher nicht?“<br />

• „Wenn es Ihnen einmal nicht gut gehen sollte: Wären Sie damit einverstanden, dass wir<br />

eine Sitzwache organisieren, damit sie nicht allein in <strong>der</strong> Nacht sind?<br />

• „Welche Bedeutung hat Religion für Sie?“<br />

• „Wünschen Sie sich in Krankheit o<strong>der</strong> im Sterben eine religiöse Begleitung? Wie soll diese<br />

aussehen? Was möchten Sie auf <strong>kein</strong>en Fall?“<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft schließt das Gespräch abschließend nach: „Gibt es<br />

etwas, was Ihnen noch am Herzen liegt <strong>und</strong> was wir noch nicht angesprochen haben?“<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 122


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Leitfragen für Gespräch mit bevollmächtigter o<strong>der</strong> betreuenden Person(en)<br />

• Einstieg: „Ich kann mir vorstellen, dass die Entscheidung nicht einfach für Sie war, … zu<br />

uns ins Pflegeheim zu bringen … (Ziel: Erleichterung für mögliche Schuldgefühle)<br />

• War unsere � Orientierungshilfe eine Erleichterung für Sie? Haben Sie irgendetwas vermisst,<br />

was wir hätten tun können, um Ihnen in dieser Zeit des Einzugs von … zu helfen?<br />

(Ziel: Verbesserung des Aufnahmeverfahrens)<br />

• Wie waren denn die ersten Tage nach dem Einzug von … für Sie? Hatten Sie das Gefühl,<br />

als Bevollmächtigte o<strong>der</strong> Betreuerin gut aufgenommen worden zu sein? (Ziel: Klärung <strong>der</strong><br />

aktuellen Situation)<br />

• „Gibt es etwas, das für die Bewohnerin ein Stückchen Heimat bedeutet? Bsp.: persönliche<br />

Gegenstände, Utensilien des Alltags Gerüche, Musik. Was könnten Sie noch bringen o<strong>der</strong><br />

besorgen? (Ziel: Ein Zuhause schaffen)<br />

• „Welche Personen könnten für die Bewohnerin wichtig sein? Auf wen reagiert sie erkennbar?“<br />

(Ziel: Beziehungen erhalten)<br />

• „Sie sind ja Bevollmächtigte / Betreuerin … Das kann ja auch Entscheidungen mit sich<br />

bringen, Maßnahmen auf Wunsch des Betroffenen einzustellen o<strong>der</strong> zu unterlassen. Haben<br />

Sie Fragen dazu, was möglich, erlaubt o<strong>der</strong> sogar geboten ist?“ (Ziel: Information<br />

nach Bedarf)<br />

• „Wissen Sie, was die Bewohnerin an Behandlung nicht mehr will?“ „Wie hat sie das ausgedrückt?“<br />

Wenn nicht direkt geäußert: „Woraus schließen Sie das?“ 1<br />

• „Wie stehen Sie zu diesen Wünschen <strong>der</strong> Bewohnerin?“ „Wie sehen das an<strong>der</strong>e aus dem<br />

Kreis <strong>der</strong> Familie?“ Wie sehen Sie den ges<strong>und</strong>heitlichen Zustand? Entwicklung?<br />

• „Haben Sie schon einmal mit dem Hausarzt darüber gesprochen?“ Die PDL / Palliative-<br />

Care-Fachkraft klärt ab, ob ein Gespräch � Krisenvorsorge / Notfallplan gewünscht wird<br />

<strong>und</strong> ermutigt dazu.<br />

• Wer aus dem Kreis <strong>der</strong> Angehörigen könnte Schwierigkeiten damit haben?“<br />

• „Wann <strong>und</strong> wie wünschen Sie informiert zu werden, falls sich <strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong> Bewohnerin<br />

verän<strong>der</strong>n sollte?“ „Wer sollte noch informiert werden <strong>und</strong> wie <strong>und</strong> von wem?“<br />

• „Wen möchte <strong>der</strong> Betroffene wohl gerne um sich haben?“ „Wen eher nicht?“<br />

• „Wenn <strong>der</strong> Zustand kritisch werden sein sollte: Wären Sie damit einverstanden, dass wir<br />

eine Sitzwache organisieren, damit sich die Bewohnerin nicht allein in <strong>der</strong> Nacht fühlt?“<br />

• „Welche Bedeutung hat Religion für die Bewohnerin?“<br />

• „Wissen Sie, ob sich die Bewohnerin in Krankheit o<strong>der</strong> im Sterben eine religiöse Begleitung<br />

gewünscht hat? Wenn ja: Wie soll diese aussehen? Was möchte sie nicht?“<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft schließt das Gespräch abschließend nach: „Gibt es<br />

etwas, was Ihnen noch am Herzen liegt <strong>und</strong> was wir noch nicht angesprochen haben?“<br />

1 Diese Frage ist oft leichter zu beantworten, wenn die Wünsche nicht direkt geäußert wurden. Siehe Loewy,<br />

E. H. / Springer-Loewy, R. (2002): Ethische Fragen am Lebensende. In: Pleschberger, S. / Heimerl, K. /<br />

Wild, M. (Hg.): Palliativpflege: Gr<strong>und</strong>lagen für Praxis <strong>und</strong> Unterricht. Wien: facultas, S. 136.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 123


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Auswertung (bezogen auf Ziele)<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft fasst zusammen, was sie schriftlich<br />

festgehalten hat, <strong>und</strong> klärt ab, ob das Wesentliche richtig erfasst worden<br />

ist.<br />

• Sie erklärt, wo <strong>und</strong> wie die Informationen dokumentiert werden sollen<br />

(Ergänzung zum � Biografiebogen), <strong>und</strong> holt das Einverständnis ein.<br />

• Die PDL / Palliative-Care-Fachkraft fragt nach, wie das Gespräch von<br />

dem / den Beteiligten empf<strong>und</strong>en worden ist. (Belastend o<strong>der</strong> entlastend?)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 124


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Material<br />

Biografiebogen als Hilfe nutzen<br />

Wichtige Informationen für eine individuelle Pflege<br />

Liebe Angehörige,<br />

diesen Bogen haben wir entwickelt, um möglichst viele Wertvorstellungen,<br />

wichtige Erlebnisse <strong>und</strong> Beziehungen, persönlichen Vorlieben <strong>und</strong> Abneigungen<br />

zu kennen <strong>und</strong> zu berücksichtigen. Wir fragen nach bestimmten Lebensstationen,<br />

aber vor allem zur Gegenwart. Ihre Informationen dienen uns als<br />

Hintergr<strong>und</strong> für eine individuelle Pflege <strong>und</strong> Begleitung von Ihnen / von Ihrem<br />

Angehörigen. Bitte bedenken Sie: Gerade wenn Ihr Angehöriger sich nicht<br />

mehr mitteilen kann o<strong>der</strong> demenziell erkrankt „in früheren Zeiten lebt“, können<br />

diese Informationen uns helfen, ihn / sie besser zu verstehen<br />

Wir wissen, dass die Fragen Vertrauen brauchen. Sie können dabei sicher<br />

sein: Die gesammelten Daten werden vertraulich behandelt. Ausschließlich<br />

befugte Personen haben Zugang zur Dokumentation. Generell gilt: Alle Ihre<br />

Angaben sind freiwillig. Sie können auch nur bestimmte Fragen beantworten<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e auslassen. Vielleicht wollen Sie sich auch mit jemandem besprechen.<br />

Wählen Sie aus, was wir in Pflege <strong>und</strong> Begleitung nach Ihrer Einschätzung<br />

wirklich von Ihnen / Ihrem Angehörigen wissen sollen. Natürlich können<br />

Sie zu <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Frage später noch Informationen geben.<br />

Auch wir stehen Ihnen zur Verfügung, wenn Sie Fragen zum Bogen haben<br />

o<strong>der</strong> Sie etwas erzählen, aber nicht aufschreiben wollen.<br />

Sollte <strong>der</strong> Platz nicht reichen, heften Sie bitte einfach entsprechend Blätter mit<br />

dem Stichwort o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Frage dazu. Danke!<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 125


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

1. Allgemeine Informationen<br />

• Name:<br />

• Vorname:<br />

• Evtl. Mädchenname<br />

• Evtl. beson<strong>der</strong>e Rufnamen / Spitznamen:<br />

• Geburtsdatum:<br />

• Geburtsort:<br />

2. Herkunftfamilie (Kindheit, Jugendzeit)<br />

• Mutter:<br />

• Beson<strong>der</strong>er Rufname<br />

• Aufgabenfeld / Beruf:<br />

• Bedeutung / Verhältnis zu ihr<br />

• Vater:<br />

• Beson<strong>der</strong>er Rufname:<br />

• Aufgabenfeld / Beruf:<br />

• Bedeutung / Verhältnis zu ihm:<br />

• Wodurch wurde die Lebenssituation beson<strong>der</strong>s geprägt? (Z. B. finanzielle<br />

Verhältnisse, Abwesenheit von Elternteilen usw.?)<br />

• Geschwister (In welcher Geschwisterfolge stehen Sie / Ihr Angehöriger?)<br />

Reihenfolge<br />

Name, evtl. beson<strong>der</strong>er<br />

Rufname<br />

Geburtsdatum<br />

Evtl. Sterbedatum<br />

<strong>und</strong> Ursache<br />

Verhältnis zur Person /<br />

heutiger Kontakt<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 126


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

An<strong>der</strong>e wichtige Personen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendzeit<br />

• Wichtige Orte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendzeit (Bedeutung des jeweiligen Ortes)<br />

• Wodurch war die Erziehung geprägt? (Z. B. Erziehungsstil, Aufgaben <strong>und</strong><br />

Pflichten des Kindes, Verbote, Freiheiten?)<br />

• Welche Vorlieben hatten Sie / Ihre Angehörige als Kind? (Z. B. Beschäftigung<br />

/ Spiele, Getränke, Essen / Naschereien, Gerüche / Düfte, Musik,<br />

Tiere?)<br />

• Schulbildung (Z. B. Bedeutung <strong>der</strong> Schule, Vorlieben, Abneigungen?)<br />

• Berufsausbildung(en) (Z.B. Wunschsberuf? Bedeutung für die Person?)<br />

• Welche Ereignisse aus dieser Zeit sind sonst noch wichtig, um Verhalten,<br />

Abneigungen <strong>und</strong> Wünsche zu verstehen?<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 127


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

3. Eigene Familie / Erwachsenenzeit<br />

• Ehe- o<strong>der</strong> Lebenspartner<br />

Jahr d.<br />

Verbindung<br />

Name, evtl. beson<strong>der</strong>er<br />

Rufname<br />

Beruf<br />

• Ehelosigkeit gewollt o<strong>der</strong> ungewollt?<br />

Geburtsdatum<br />

Evtl. Trennungsdatum<br />

Evtl. Sterbedatum<br />

<strong>und</strong> Ursache<br />

• An<strong>der</strong>e wichtige Personen <strong>der</strong> Erwachsenzeit (Bedeutung?)<br />

• Wichtige Orte <strong>der</strong> Erwachsenenzeit (Bedeutung? Wo war „Heimat“?)<br />

• Wodurch wurde das gemeinsame Leben jeweils beson<strong>der</strong>s geprägt? (Z. B.<br />

Aufgabenverteilung innerhalb <strong>der</strong> Partnerschaft, finanzielle Verhältnisse,<br />

beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Probleme?)<br />

• Welche Vorlieben hatten Sie / Ihre Angehörige als Erwachsene? (Z. B.<br />

Beschäftigung / Spiele, Getränke, Essen / Naschereien, Gerüche / Düfte,<br />

Musik, Tiere?)<br />

Verhältnis zur Person /<br />

heutiger Kontakt<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 128


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

• Evtl. beruflicher Weg (Z. B. Bedeutung <strong>der</strong> Aufgaben für Sie / Ihre Angehörige,<br />

beson<strong>der</strong>e Vorlieben <strong>und</strong> Fähigkeiten?)<br />

• An<strong>der</strong>e wichtige Aufgaben im Leben (Z. B. beson<strong>der</strong>s Engagement, Hobbys?)<br />

• Welche Ereignisse aus dieser Zeit sind sonst noch wichtig, um Verhalten,<br />

Abneigungen <strong>und</strong> Wünsche zu verstehen?<br />

• Leibliche Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> angenommene Kin<strong>der</strong><br />

Reihe Name, evtl. beson<strong>der</strong>er<br />

Rufname<br />

Beruf<br />

Geburtsdatum<br />

Evtl. Sterbedatum<br />

<strong>und</strong> Ursache<br />

• Kin<strong>der</strong>losigkeit gewollt o<strong>der</strong> ungewollt? Was bedeuten Ihnen / Ihrem Angehörigen<br />

Kin<strong>der</strong>?<br />

• Wodurch wurde das Verhältnis zu den Kin<strong>der</strong>n jeweils beson<strong>der</strong>s geprägt?<br />

(Z. B. beson<strong>der</strong>s wichtig war …? Beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Probleme?)<br />

• Welche Ereignisse aus dieser Zeit sind sonst noch wichtig, um Verhalten,<br />

Abneigungen <strong>und</strong> Wünsche zu verstehen?<br />

Verhältnis zur Person /<br />

heutiger Kontakt<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 129


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

3. Gegenwart (Lebenseinstellungen)<br />

• Wie sähe ein Tag aus, an dem Sie es sich so richtig gut gehen lassen?<br />

• Wie sieht zurzeit ein typischer Tag aus?<br />

• Was ist unverzichtbar, damit es Ihnen / Ihrem Angehörigen gut geht?<br />

• Was gibt Ihnen / Ihrem Angehörigen Sicherheit?<br />

• Welche Dinge sind wichtig für eine „Zuhause-Gefühl“?<br />

• Was ist Ihnen / Ihrem Angehörigen „heilig“?<br />

• Welche Gewohnheiten / Rituale sollen wir berücksichtigen?<br />

• Welche Themen beschäftigen Sie / Ihren Angehörigen zurzeit?<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 130


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

• Was macht Ihnen / Ihrem Angehörigen Sorgen?<br />

• Gibt es wichtige Abneigungen? Was können Sie / kann Ihr Angehöriger<br />

überhaupt nicht leiden?<br />

• Welche Menschen sind Ihnen / Ihrem Angehörigen zurzeit beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig?<br />

• Was wäre für die nächste Zukunft wichtig?<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 131


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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4. Weltanschauung / Religiöse Einstellungen<br />

• Was gibt Halt im Leben? Was hat Ihnen / Ihrem Angehörigen in schwierigen<br />

Zeiten bisher geholfen?<br />

• Spielt Religiosität eine Rolle? In welcher Form?<br />

5. Einstellungen zu Krankheit / Behin<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> zu Therapie / Pflege<br />

• Wie kommen Sie / kommt Ihr Angehöriger mit Krankheit(en) o<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />

zurecht?<br />

• Was erschwert Ihnen / Ihrem Angehörigen das Leben mit <strong>der</strong> Erkrankung /<br />

Behin<strong>der</strong>ung?<br />

• Was erhoffen Sie / erhofft sich Ihr Angehöriger für die nächste Zukunft?<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 132


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

• Was würde Ihnen / Ihrem Angehörigen in Ihrer jetzigen Situation beson<strong>der</strong>s<br />

helfen o<strong>der</strong> unterstützen?<br />

• Was erwarten Sie / erwartet Ihr Angehöriger von uns? Auf was sollen wir<br />

beson<strong>der</strong>s achten?<br />

• Was wäre noch wichtig für uns zu wissen? Wofür haben Sie in diesem Bogen<br />

<strong>kein</strong>en geeigneten Platz o<strong>der</strong> <strong>kein</strong>e passende Frage gef<strong>und</strong>en?<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 133


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 134


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Standard<br />

Angehörige wahrnehmen <strong>und</strong> begleiten<br />

1<br />

Überblick über unterstützende Angebote des Hauses<br />

Einführung<br />

Pflege <strong>und</strong> Betreuung in einer traditionellen Sichtweise konzentriert sich auf<br />

den einzelnen Bewohner. Im Konzept von Palliative Care dagegen sind die<br />

Angehörigen genauso wichtig wie die hoch betagten, schwerkranken o<strong>der</strong><br />

sterbenden Menschen selbst. Sie bilden zusammen eine so genannte Behandlungseinheit.<br />

Sterben betrifft nicht nur eine Person. Es trifft Menschen,<br />

die dieser Person angehören. Wir verstehen unter Angehörige nicht nur Familienmitglie<strong>der</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n auch Fre<strong>und</strong>Innen, Nachbarn o<strong>der</strong> BetreuerIn -<br />

kurz alle, die Bedeutung im Leben des Bewohners haben.<br />

Angehörige sind eine Brücke zum bisherigen Leben. Wir sehen <strong>und</strong> brauchen<br />

sie einerseits als Partnerinnen für eine gute Pflege, an<strong>der</strong>erseits sind<br />

Sie selbst Betroffene, die manchmal unsere persönliche Unterstützung brauchen.<br />

Oft geht <strong>der</strong> Heimaufnahme eine lange, familiäre (Leidens-)Geschichte<br />

voraus. Manchmal sind Angehörige selbst schon älter, krank, erschöpft, mit<br />

Schuldgefühlen belastet. 2 Gerade das Sterben eines Familienmitglieds erschüttert<br />

das ganze System „Angehörige“. „Es ist eine verbreitete Erfahrung<br />

(…), dass <strong>der</strong> Sterbende häufig das kleinere, die Angehörigen hingegen das<br />

größere Problem sind <strong>und</strong> haben.“ 3 Sie müssen mit dem Verlust leben. „Angehörige<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e sind vom Sterben eines geliebten Menschen in mehrfacher<br />

Sicht betroffen. Sie leiden mit dem Sterbenden, antizipieren den Verlust<br />

<strong>und</strong> werden mit <strong>der</strong> eigenen Sterblichkeit mit allen damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Unsicherheiten <strong>und</strong> Ängsten konfrontiert.“<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Leben bis zuletzt“, Evangelisches Pflegezentrum Eichenau, Bahnhofstr. 117,<br />

82223 Eichenau; Projektleitung: Martin Alsheimer (GGsD, Nürnberg), Dirk Spohd (HL), Ruth Wagner (PDL)<br />

2 Heller, A., Schumann, F. (2006): Wi<strong>der</strong> die Integration <strong>der</strong> Angehörigen in die Arbeit von Pflegeheimen. In:<br />

Heller, A., Heimerl, K., Husebö, S. (Hg): Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun. Wie alte<br />

Menschen würdig sterben können. 3. aktualisierte <strong>und</strong> erw. Aufl. Freiburg im Br.: Lambertus, S.273<br />

3 Student, J.-Ch. / Mühlum, A. / Student, U. (2004): Soziale Arbeit in Hospiz <strong>und</strong> Palliative Care. <strong>München</strong>:<br />

UTB, S. 54<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 135


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

1 Uns sind folgende Gr<strong>und</strong>haltungen für die Begegnung <strong>und</strong> Unterstützung<br />

von Angehörigen wichtig:<br />

• Begegnung als Menschen auf gleicher Augenhöhe: Es steht uns nicht<br />

zu, Verhalten von Angehörigen zu bewerten. Uns ist klar, dass Beziehungen<br />

ihre (Vor-)Geschichten haben. Auseinan<strong>der</strong>setzungen innerhalb von<br />

Familien <strong>und</strong> <strong>der</strong> Generationen begreifen wir als Normalität. Angehörige<br />

können eine gewisse, vorurteilsfreie Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>lichkeit<br />

erwarten. Wir begegnen ihnen auf Augenhöhe. Wir versuchen deshalb<br />

immer wie<strong>der</strong> (z. B. über kollegiale Beratung) auftauchende Vorurteile zu<br />

kontrollieren, die unseren unvoreingenommenen Blick trüben könnten.<br />

• Eigene Wege zugestehen: Angehörige dürfen ihren ganz eigenen Weg<br />

haben, sich dem Unausweichlichen zu nähern (o<strong>der</strong> es zu meiden). Sie<br />

müssen sich nicht unseren Vorstellungen von „guten Angehörigen“ fügen.<br />

• Beziehungen akzeptieren, wie sie sind: Wir akzeptieren, dass Beziehungen<br />

in Familien manchmal entfremdet, zerrüttet o<strong>der</strong> sogar zerstört<br />

sind. Wir können <strong>und</strong> wollen diese familiären Beziehungen nicht ersetzen<br />

<strong>und</strong> die („bessere“) Tochter o<strong>der</strong> den („besseren“) Sohn „spielen“.<br />

Manchmal gibt es noch die Chance von Klärung o<strong>der</strong> Versöhnung. Wir<br />

respektieren aber auch, wenn dies den Beteiligten nicht möglich ist.<br />

• Sterben als Extremsituation auch für Angehörige verstehen: Nicht nur<br />

die Bewohnerin selbst befindet sich durch Krankheit <strong>und</strong> im Sterben in einer<br />

noch nie da gewesenen Extremsituation. Auch ihre Angehörigen geraten<br />

in einer neuen Situation. Viele Menschen haben Krankheit <strong>und</strong> Sterben<br />

bisher nicht nah <strong>und</strong> direkt in ihrer Umgebung erlebt. Es kann schwer<br />

sein, den Verfall eines nahen Angehörigen zu erleben. Dieses Erleben<br />

kann sich sehr unterschiedlich ausdrücken. Auch das Fernbleiben, das<br />

nicht wahrhaben Können o<strong>der</strong> Vorwürfe gegenüber Pflegekräften <strong>und</strong><br />

Heim können (verständliche) Trauerreaktionen sein.<br />

Auf <strong>der</strong> Basis dieses Verständnisses bieten wir eine Reihe von Möglichkeiten,<br />

um Angehörige „im Vorfeld“, während des Sterbens <strong>und</strong> nach dem Tod des<br />

Bewohners zu unterstützen. Wir wissen um Hemmschwellen <strong>und</strong> warten nicht,<br />

bis Angehörige sich mit Wünschen zu melden trauen, son<strong>der</strong>n wir ergreifen Initiative<br />

<strong>und</strong> gehen auf sie zu.<br />

1 ebenda<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 136


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Unterstützung vor dem Sterben des Bewohners<br />

• Homepage / Heimzeitung: Auf <strong>der</strong> Homepage <strong>und</strong> in <strong>der</strong> monatlich erscheinenden<br />

Heimzeitung („Der Hausflüsterer“) wird ein Stück Abschiedskultur<br />

des Hauses lesbar, z. B. über Nachrufe, Bil<strong>der</strong> von Gedenkfeiern,<br />

über Porträtieren <strong>der</strong> Ansprechpartner für beson<strong>der</strong>e Nöte <strong>und</strong> Anliegen,<br />

durch Informationen über Vorsorgemöglichkeiten usw. Wir signalisieren:<br />

„Sterben ist ein Thema im Haus. Wir haben ein offenes Ohr für Angehörige.“<br />

• Gute Information: 80% <strong>der</strong> Sterbeprozesse sind nicht dramatisch <strong>und</strong><br />

überraschend, son<strong>der</strong>n „kündigen“ sich an. Wir versuchen immer wie<strong>der</strong><br />

im Gespräch wahrzunehmen, wie Angehörige den Krankheitsverlauf sehen<br />

<strong>und</strong> welche Hoffnungen o<strong>der</strong> Befürchtungen damit verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Wichtig ist auch, sich mit den Angehörigen über die gewünschte Art <strong>und</strong><br />

Weise zu verständigen, wie diese über ges<strong>und</strong>heitliche Verän<strong>der</strong>ungen informiert<br />

werden wollen.<br />

• Regelmäßiger Angehörigenkreis: Dieses monatliche Treffen wird <strong>der</strong>zeit<br />

von <strong>der</strong> Seelorge veranstaltet <strong>und</strong> geleitet. Es bietet Angehörigen beson<strong>der</strong>en<br />

Raum für Fragen <strong>und</strong> Nöte – auch zum Thema Krankheit, Sterben<br />

<strong>und</strong> Abschied.<br />

• Spezielle Angehörigen-Abende: In größeren Abständen bieten wir Angehörigenabende,<br />

die mit speziellen Impulsen das Thema „Sterben <strong>und</strong><br />

Abschied“ in den Mittelpunkt stellen.<br />

• Infomappe: Die Verwaltung gibt zum Einzug über die Infomappe Hinweise<br />

auch zum Thema Sterbebegleitung <strong>und</strong> Abschiedskultur im Haus.<br />

• Aufnahmegespräch: Im Rahmen <strong>der</strong> Aufnahme (� Aufnahme) fragen<br />

wir u. a. nach, ob eine Patientenverfügung <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Bevollmächtigungen<br />

vorhanden sind. Daraus können eventuell erste wichtige Informationen<br />

über die Vorstellungen von Bewohnern gewonnen werden, bzw. sich Ansatzpunkte<br />

für ein späteres Gespräch ergeben.<br />

• Beson<strong>der</strong>e Gesprächsangebote: Angehörige können sich mit ihren<br />

Fragen zu Vorsorgevollmacht <strong>und</strong> Patientenverfügung im Haus beraten<br />

lassen (GesprächspartnerIn: PÜL)<br />

• Seelsorgerliche Aufmerksamkeit: Die Pflegekräfte informieren in Teamsitzungen<br />

die SeelsorgerInnen, wenn sie bei Angehörigen eine beson<strong>der</strong>e<br />

Belastung verspüren o<strong>der</strong> vermuten, so dass diese ein Gespräch anbieten<br />

können.<br />

• Vermittlung Arzt-Angehörige: Falls es Unsicherheiten, Missverständnisse<br />

o<strong>der</strong> Fragen zur ärztlichen Versorgung <strong>und</strong> Behandlung gibt, bieten die<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 137


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stationsleitungen o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en StellvertreterInnen an zu vermitteln. Bei beson<strong>der</strong>en<br />

Fragen können die Stationsleitungen o<strong>der</strong> ihre Stellvertreter die<br />

Palliative-Care-Kräfte des Hauses hinzuziehen.<br />

• Kontakt mit Besuchsdienst o<strong>der</strong> ehrenamtlichen HospizhelferInnen:<br />

Bei Bedarf empfehlen die Stationsleitungen o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en StellvertreterInnen<br />

die Begleitung o<strong>der</strong> Unterstützung ehrenamtlicher Kräfte an <strong>und</strong> organisieren<br />

auf Wunsch den Kontakt.<br />

Unterstützung von Angehörigen in <strong>der</strong> Zeit des Sterbens<br />

des Bewohners<br />

• Gastfre<strong>und</strong>schaft zeigen: Ein Pflegesessel kann für Übernachtung o<strong>der</strong><br />

Sitzwache unproblematisch ins Zimmer gestellt werden. Wir bieten Essen<br />

<strong>und</strong> Trinken an. Natürlich ist wie immer die Anwesenheit ohne zeitliche<br />

Begrenzung möglich <strong>und</strong> willkommen. Diese Gastlichkeit ist selbstverständlich<br />

nicht nur auf die Zeit des Sterbens beschränkt, aber sie ist in<br />

dieser beson<strong>der</strong>s sensiblen Zeit sehr wichtig.<br />

• Anleitung kleiner praktische Hilfen (z. B. M<strong>und</strong>pflege, Einreibungen,<br />

Schweiß abwischen). Kleine pflegerische Tätigkeiten erleichtern Angehörigen<br />

oft die Berührung. Sie können darüber ihre Zuneigung <strong>und</strong> Fürsorge<br />

zeigen <strong>und</strong> erleben sich als weniger hilflos. Wir klären immer wie<strong>der</strong><br />

ab, was Angehörige machen können <strong>und</strong> auch wollen.<br />

• Entlastung <strong>und</strong> Sicherheit geben: Wir versichern Angehörigen, dass wir<br />

beson<strong>der</strong>s aufmerksam pflegen <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Regel zu zweit am Krankenbett<br />

sind. Wir ermutigen sie auch, sich Auszeiten zu gönnen, falls wir den Eindruck<br />

haben, dass sie sich überfor<strong>der</strong>n.<br />

Unterstützung von Angehörigen in <strong>der</strong> Zeit nach dem<br />

Sterben<br />

• Informiertes Haus: Verwaltung / Leitung wird über Hinweis bei den Postfächern<br />

in <strong>der</strong> Verwaltung über Sterben <strong>und</strong> Tod von BewohnerInnen informiert,<br />

damit sie Angehörigen angemessen begegnen <strong>und</strong> ihnen kondolieren<br />

können.<br />

• An <strong>der</strong> Aufbahrung mitwirken: Angehörige werden ermutigt zum rituellen<br />

Abschied bei <strong>der</strong> Aufbahrung. Zeit: In <strong>der</strong> Regel bleibt <strong>der</strong> Verstorbene<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 138


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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mindestens noch 24 Std. im Haus. (Näheres siehe � Standard: Umsorgen<br />

Verstorbener <strong>und</strong> ihrer Angehörigen) Erfahrungsgemäß kann<br />

diese persönliche Form des Abschieds sehr hilfreich sein (z. B. über rituelles<br />

Waschen o<strong>der</strong> Berühren, Ankleiden, Anzünden einer Kerze, Aufstellen<br />

eines Kreuzes, Erinnerungssymbole aussuchen, Musik hören, Reden <strong>und</strong><br />

Schweigen usw.). Für viele findet in dieser feierlichen Atmosphäre über<br />

das achtsame Tun <strong>der</strong> eigentliche Abschied statt, <strong>der</strong> in tröstlicher Erinnerung<br />

bleibt. Das Antlitz Verstorbener zeigt oft einen tiefen Frieden <strong>und</strong><br />

kann somit tröstlich sein.<br />

• Aussegnung: Die Aussegnung, d. h. die Verabschiedung des Toten von<br />

seinem letzten Wohnort in <strong>der</strong> Gemeinschaft kann ein weiteres wichtiges<br />

Ritual sein. Gebet <strong>und</strong> Segen können trauernde Angehörige stärken. Falls<br />

die SeelsorgerInnen nicht erreichbar sind, gibt es im Stationszimmer eine<br />

entsprechende Handreichung zur Aussegnung.<br />

• Heft „Abschied nehmen“: In <strong>der</strong> Verwaltung können Angehörige das<br />

weitere Vorgehen für Überführung <strong>und</strong> Bestattung besprechen. Dort erhalten<br />

sie auch die Broschüre „Abschied nehmen“ <strong>der</strong> Evangelischen Heimstiftung<br />

Stuttgar, die ihnen zusätzlich in ansprechen<strong>der</strong> Weise Informationen<br />

zu den Formalitäten <strong>der</strong> Bestattung <strong>und</strong> Anregungen zum Verabschiedung<br />

gibt.<br />

• Beileidskarte: In <strong>der</strong> persönlich gehaltenen Beileidskarte wird <strong>der</strong> Verstorbene<br />

noch einmal gewürdigt. Verantwortung: SL<br />

• Wand <strong>der</strong> Erinnerung: Wir bieten Angehörige an, mit einem Symbol o<strong>der</strong><br />

einem Bild die Wand <strong>der</strong> Erinnerung auf <strong>der</strong> Station mit zu gestalten.<br />

• Nachsorge: Karte nach ca. einem Monat: Das Team unterzeichnet eine<br />

Gedenkkarte, die an die beson<strong>der</strong>e „Kontaktperson“ unter den Angehörigen<br />

(z. B. Betreuer) geschickt wird. Damit verb<strong>und</strong>en ist das Angebot,<br />

vorhandene Fotos des Verstorbenen (z. B. Heimleben, Heimfeiern) zuzusenden.<br />

• Nachruf in <strong>der</strong> Hauszeitung: Die Ausgabe <strong>der</strong> Heimzeitung, in <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Nachruf erschienen ist, wird an Angehörige geschickt. In <strong>der</strong> Regel zusammen<br />

mit <strong>der</strong> Karte.<br />

• Gedenkfeier: Die Angehörigen haben die Möglichkeit, im Rahmen einer<br />

Gedenkfeier <strong>der</strong> Toten zu erinnern. Sie werden dazu schriftlich eingeladen.<br />

Diese Form <strong>der</strong> Erinnerung wird zwei Mal im Jahr gepflegt.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 139


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 140


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Planungshilfe<br />

Einen Abend für Angehörige planen<br />

Tipps <strong>und</strong> Anregungen für die Gestaltung 1<br />

Einführung<br />

Im Rahmen von Maßnahmen <strong>und</strong> Projekten zur Implementierung von Hospizidee<br />

<strong>und</strong> Palliativbetreuung kommt es immer wie<strong>der</strong> vor, dass Projektgruppen<br />

Informationsveranstaltungen planen. Manchmal sind es externe Zielgruppen<br />

(Angehörige, Hausärzte, Seelsorger) die informiert werden sollen. Diese Menschen<br />

sind in <strong>der</strong> Begleitung von Bewohnern wichtig, haben aber selten den<br />

Einblick in Projektstrukturen o<strong>der</strong> auch nur die Gr<strong>und</strong>gedanken des Palliative<br />

Care. Manchmal sind es aber auch Mitarbeitergruppen innerhalb des Hauses,<br />

die über ein Projekt unterrichtet werden wollen. Dies können einzelne Berufsgruppen<br />

sein (z.B. Pflege), für die solche Informationen wichtig sind. Nur wer<br />

weiß, was so ein Projekt soll <strong>und</strong> wie es funktioniert, kann sich auch in diese<br />

Gr<strong>und</strong>haltung einfinden <strong>und</strong> sie unterstützen. Manchmal sind solche Veranstaltungen<br />

aber auch für alle Mitarbeiter gedacht (Hausworkshop, Mitarbeiterversammlung)<br />

um die nötige Gr<strong>und</strong>sensibilisierung <strong>und</strong> Basishaltung zu vermitteln.<br />

Implementierungsprojekte leben davon, dass alle an ihrem Platz davon<br />

wissen <strong>und</strong> mittun, wenn sie gefragt sind.<br />

In diesem Papier sollen daher Tipps <strong>und</strong> Anregungen für das Durchführen<br />

einer Veranstaltung gegeben werden. Das Papier wird dies am Beispiel eines<br />

Angehörigenabends ausarbeiten.<br />

Es ist jedoch möglich, die hier gegebenen Tipps <strong>und</strong> Merkposten auch bei<br />

Veranstaltungen für an<strong>der</strong>e Zielgruppen zu beachten <strong>und</strong> zu nutzen.<br />

1 Erarbeitet von: Liselotte Balbach, Irene Bauer, Elisabeth Eberhardt, Dirk Glaser, Stefan Mücke, Christian<br />

Müller, Maria Reiß, Petra Volk, Robert Wagner, Petra Winter<br />

am 4.4.2007 in Steinerskirchen im Rahmen einer Projektwerkstatt Implementierung des DW Bayern<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 141


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Überlegungen zu den Zielen <strong>und</strong> zur Zielgruppe<br />

Vor <strong>der</strong> Planung einer Veranstaltung muss klar sein, was wir wollen <strong>und</strong> wen<br />

wir erreichen möchten. Dazu einige mögliche Aussagen:<br />

Im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> steht die Botschaft: Angehörige sind in unserem Blickwinkel<br />

zentral! Sie sind immer betroffen <strong>und</strong> beteiligt. Angehörige sind in unserem<br />

Heim auch immer gegenwärtig. Wir treffen sie an jedem Ort. Sie sind in Gedanken<br />

präsent wenn wir uns um die Bewohner kümmern.<br />

Angehörige haben Wünsche <strong>und</strong> Bedürfnisse. R<strong>und</strong> um das Sterben brauchen<br />

sie unsere erhöhte Aufmerksamkeit, Zuwendung <strong>und</strong> Unterstützung.<br />

Gleichzeitig müssen wir damit rechnen, dass sie nicht verlässlich sind, in Phasen<br />

eigener Unsicherheit. Dies darf so sein!<br />

Wir haben auch im Blick, dass mit dem Begriff „Angehörige“ eine größere<br />

Gruppe von Menschen gemeint ist. Fre<strong>und</strong>e, Nachbarn, flüchtige Bekannte -<br />

sie alle können vom Tod betroffen sein. Wir nennen sie deshalb besser „nahe<br />

stehende Personen“ o<strong>der</strong> auch „Zugehörige".<br />

Das Ziel unseres Projektes ist es, Ängste zu min<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Sicherheit zu vermitteln,<br />

Einbeziehung in die Sterbebegleitung anzubieten <strong>und</strong> Angehörige dazu<br />

zu ermutigen.<br />

Es geht um das Signal: Wir sind am Thema dran! Damit werden Angehörige<br />

auch versichert, dass das Sterben ihrer ihnen Nahestehenden bei uns im Blick<br />

ist. So können auch Hemmungen abgebaut werden, sich mit diesem Thema<br />

auseinan<strong>der</strong> zu setzen.<br />

Merkposten: Wichtig ist es, an einem solchen Abend Einzelkontakte anzubieten,<br />

da nicht alle Menschen in einer großen Gruppe über ihre Sorgen sprechen.<br />

Merkposten: Niemanden vergessen! Oft sind es an<strong>der</strong>e Menschen die trauern,<br />

als wir im ersten Moment denken.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 142


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Anregungen zu den Inhalten des Angehörigenabends:<br />

Informationen über Ideen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>ansatz unseres Hospizprojektes<br />

Beim Angehörigenabend sollte die Gr<strong>und</strong>idee <strong>der</strong> Implementierung vorgestellt<br />

werden. Ein kurzer Input über das Anliegen <strong>und</strong> unser Vorgehen ist unerlässlich.<br />

Klar muss sein, warum wir diesen Abend gerade heute ansetzen (Anlass) <strong>und</strong><br />

warum sie, die Angehörigen, heute eingeladen wurden. In diesem Rahmen<br />

kann über die Abschiedskultur des Hauses ausführlich informiert worden werden.<br />

Es geht um Informationen über die Hospizidee, über die Haltung, die bei<br />

uns dahinter steht <strong>und</strong> über Maßnahmen <strong>und</strong> Organisationsaspekte. Einzelne<br />

Zitate (z.B. von Cicely Saun<strong>der</strong>s) können hier hilfreich sein.<br />

Wir berichten in diesem Zusammenhang auch über die konkrete Projektarbeit<br />

<strong>und</strong> die Projektgruppe. Wir berichten von Schulungen <strong>und</strong> von Arbeitstreffen<br />

<strong>der</strong> Projektgruppe. Die Angehörigen sollen sich vorstellen können, wie hier<br />

gearbeitet wird! Deshalb dürfen an diesem Abend auch Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Projektgruppe<br />

auftauchen <strong>und</strong> erzählen. Wir betonen auch, dass es um interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit geht. Verschiedene Berufsgruppen im Haus beschäftigen<br />

sich mit dem Thema. Es ist nicht nur Sache <strong>der</strong> Pflege! Beson<strong>der</strong>s Ehrenamtliche<br />

gehören in <strong>der</strong> Sterbebegleitung für uns als Partner zum Angebot.<br />

Merkposten: Keine falschen Versprechungen machen! Nur erzählen, was im<br />

Haus wirklich geschieht.<br />

Inhalte: Einige Beispiele<br />

• Wir erzählen an diesen Abend davon, dass wir Wünsche unserer Bewohner<br />

erfragen. Wir nehmen auch die Wünsche <strong>der</strong> Angehörigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> beteiligten<br />

Berufsgruppe ernst. Wir berichten davon, wie wir das tun (Fragebogen<br />

vorstellen? Ist-Analyse erläutern).<br />

• Sehr anschaulich <strong>und</strong> lebhaft kann über Rituale <strong>und</strong> Aussegnung erzählt<br />

werden. Hier haben wir den Gedenktisch, die Erinnerungsecke, das Kondolenzbuch<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Sachen, die wir zeigen können! Auch <strong>der</strong> Sterbekoffer,<br />

wenn er im Haus verwendet wird, soll präsentiert werden.<br />

• Bedeutsam ist es, die Vernetzung <strong>der</strong> Berufsgruppen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ehrenamtlichen<br />

deutlich zu machen. Sie dürfen live auftreten!<br />

• Ein an<strong>der</strong>es Thema wäre <strong>der</strong> Rahmen <strong>und</strong> Spielraum, den wir in <strong>der</strong> Terminalphase<br />

von Patienten <strong>und</strong> Bewohnern eröffnen. Wenn jemand stirbt,<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 143


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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erfährt er beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit. Dies reicht bis in die Pflegeplanung.<br />

• An dieser Stelle kann von Schmerz- <strong>und</strong> Symptomkontrolle erzählt werden.<br />

• Wichtig wäre es, spätestens hier die mögliche Einbindung <strong>der</strong> Angehörigen<br />

ins Gespräch zu bringen. Das beginnt bei <strong>der</strong> Möglichkeit von Übernachtungsplätzen<br />

<strong>und</strong> reicht bis zu konkreten Einbeziehung in die Sterbebegleitung<br />

(Stichwort: "Anfassen erlaubt")<br />

Merkposten. All dies sind nur Beispiele! Es ist <strong>kein</strong> „Muss“. Individualität geht<br />

vor.<br />

Anregungen für Planung <strong>und</strong> Durchführung<br />

Der Zeitpunkt einer solchen Veranstaltung muss gut überlegt werden. Passt<br />

es zur Saison? Was ist <strong>der</strong> Anlass? Gibt es eine Tradition solcher Angehörigenabende?<br />

Gut geplant werden muss dann die Zahl <strong>der</strong> möglichen Teilnehmer. Die<br />

Raumgröße muss stimmen! Einladungen mit Rückmeldung helfen Ihnen, die<br />

Zahl genauer einschätzen zu können.<br />

Auch die Einladung zu diesem Abend muss aussagekräftig sein. Vielleicht mit<br />

Zitaten zum Thema, mit Nennung <strong>der</strong> geplanten Referenten <strong>und</strong> mit Namen<br />

<strong>der</strong> Verantwortlichen.<br />

Merkposten: Je konkreter <strong>und</strong> ansprechen<strong>der</strong> die Einladung, desto mehr interessierte<br />

Besucher werden kommen.<br />

Die Teilnehmer, Veranstalter, Referenten <strong>und</strong> Gäste müssen alle gut auf diesen<br />

Abend vorbereitet werden. Dies bedeutet für jede dieser Gruppen etwas<br />

an<strong>der</strong>es!<br />

Die gesamte Vorbereitung sollte nicht in einer Hand liegen! Am besten ist es,<br />

wenn die Projektgruppe diesen Abend gemeinsam plant.<br />

Als Kernzeit für den Angehörigenabend sollten 90 Minuten ausreichen. Bitte<br />

Zeit davor <strong>und</strong> vor allen Dingen danach einplanen, damit ein informelles Beisammensein<br />

ermöglicht wird. Ein "open end" ist nie verkehrt.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 144


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Die Leitung des Abends sollte die Leiterin o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Projektgruppe<br />

haben! Die Projektgruppenmitglie<strong>der</strong> sollten vorgestellt werden. Ganz wichtig<br />

ist es, dass eine feste Mo<strong>der</strong>ation für diesen Abend erkennbar ist.<br />

Einige methodische Tipps:<br />

• Gut geeignet, um die Teilnehmer interessiert <strong>und</strong> in Bewegung zu halten,<br />

sind „Murmelgruppen“ zu kurzen Fragen. Dies bringt Energie in die Veranstaltung,<br />

bewahrt uns vor peinlichem Schweigen o<strong>der</strong> vor einzelnen<br />

Dauerrednern.<br />

• Wir stellen ein Flipchart auf, an <strong>der</strong> einzelne Fragen aufgeschrieben werden,<br />

die aus dem Publikum kommen. Dies ermutigt die Teilnehmer <strong>und</strong><br />

zeigt ihnen, dass wir sie ernst nehmen. Fragen die sofort beantwortet<br />

werden können, streichen wir durch. Dies sichert den Erfolg des Abends.<br />

• Es hat sich auch bewährt, einzelne Medien o<strong>der</strong> Arbeitsblätter auszulegen.<br />

Vielleicht können auch Bil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Gegenstände gezeigt werden, die<br />

mit dem Thema zu tun haben.<br />

• Der Raum darf nicht steril sein ("Wohlfühlumgebung"). Verköstigung kann<br />

auflockern auf - aber bitte nicht so viel, dass es vom Thema ablenkt!<br />

Auch die Öffentlichkeitsarbeit zu dieser Veranstaltung will bedacht sein.<br />

• Laden wir die Presse ein?<br />

• Schreiben wir einen Bericht über diese Veranstaltung für die Hauszeitung?<br />

• Wer macht Fotos? Wir wollen die Angehörigen auch nicht im Unklaren<br />

lassen, wenn es eine Dokumentation dieses Abends gibt. Sie sollen wissen,<br />

wo sie das nachlesen können.<br />

Merkposten: Wir werden an diesen Abend immer wie<strong>der</strong> daran erinnern, dass<br />

Einzelgespräche möglich <strong>und</strong> gewünscht sind. Es bleibt nicht bei dieser Gruppeninformation.<br />

Generell sind solche Informationsveranstaltungen für Externe <strong>und</strong> für Mitarbeiter,<br />

für Betroffene <strong>und</strong> Beteiligte in größeren Abständen wichtig. Sie stärken<br />

die Rolle des Projektes in <strong>der</strong> Einrichtung <strong>und</strong> festigen die Kultur einer Einrichtung.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 145


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 146


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Textbausteine<br />

7 Empfehlungen für Angehörige<br />

Teilnehmermaterial für Angehörigenabende<br />

1. Verbleibende gemeinsame Lebenszeit nutzen<br />

Man kann selten genau sagen, wann ein Leben zu Ende geht. Deshalb nutzen<br />

die die Zeit, die Ihnen mit Ihrem Angehörigen in Heim. Sie sind als Angehöriger<br />

durch niemanden zu ersetzen. Was möchten <strong>und</strong> können Sie Ihrem Angehörigen<br />

noch an Aufmerksamkeit schenken? Mit welchen Gefühlen möchten<br />

Sie in zehn Jahren auf diese letzte gemeinsame Lebensphase zurückblicken?<br />

2. Von „heim“-lichen Schuldgefühlen lösen<br />

Lösen Sie sich von Schuldgefühlen. Das Heim ist angesichts schwerer Krankheit,<br />

demenziellen Verän<strong>der</strong>ungen eine gute Alternative zu langjähriger, überfor<strong>der</strong>n<strong>der</strong><br />

häuslicher Pflege, die manchmal Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familie zerstört.<br />

Lassen Sie sich nicht einreden, dass die Hilfe durch ein Heim ein Abschieben<br />

sei. Die heutigen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Pflege sind völlig neu, was die Länge<br />

<strong>und</strong> Schwere <strong>der</strong> Pflege betrifft, <strong>und</strong> nicht mit „früher“ vergleichbar. Machen<br />

Sie stattdessen durch guten Kontakt mit Ihrem Angehörigen aus dem Heim<br />

ein zweites Daheim.<br />

3. Individuelle Pflege unterstützen<br />

Unterstützen Sie uns bei <strong>der</strong> individuellen Pflege. Sie sind unser wichtigster<br />

Partner bei dieser Bemühung. Um Ihren Angehörigen im Heim persönlich gerecht<br />

zu werden, brauchen wir Wissen über Gewohnheiten, Eigenheiten, Vorlieben<br />

<strong>und</strong> Abneigungen. Wir brauchen Sie <strong>und</strong> Ihre Kenntnis beson<strong>der</strong>s,<br />

wenn sich Ihr Angehöriger nicht o<strong>der</strong> nur schwer noch direkt mitteilen kann.<br />

Was gibt Ihrem Angehörigen im Heim ein Gefühl von Zuhause? Natürlich werden<br />

wir immer wie<strong>der</strong> an Grenzen des Machbaren stoßen, aber Grenzen gibt<br />

es auch zuhause. Das Persönlichste ist sowieso Ihre Beziehung zu Ihrem Angehörigen.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 147


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4. Rechtzeitig Vorsorge treffen <strong>und</strong> miteinan<strong>der</strong> sprechen<br />

Vorsorge ist wichtig für den Fall, dass sich Ihr Angehöriger nicht mehr selbst<br />

äußern kann. Wir informieren Sie hier gerne <strong>und</strong> haben bewährte Musterdokumente<br />

bereitliegen. Wenn es noch möglich ist, wäre es gut, wenn Ihr Angehöriger<br />

eine Patientenverfügung anlegt, die seinen Willen für bestimmte Situationen<br />

(z. B. dauerhafte Bewusstlosigkeit, fortgeschrittene Demenz) dokumentiert.<br />

Sie können – auch als Ehefrau o<strong>der</strong> –mann, Tochter o<strong>der</strong> Sohn - Ihren<br />

Angehörigen <strong>und</strong> seinen Willen nur dann wirksam vertreten, wenn Sie dazu<br />

ermächtigt worden sind. Möglichkeiten sind eine Vorsorgevollmacht o<strong>der</strong> eine<br />

Betreuungsverfügung. Zusammen mit dem behandelnden Arzt können (<strong>und</strong><br />

müssen) Sie dann im Sinne des Betroffenen auch über Krankenhauseinweisung<br />

o<strong>der</strong> den Verzicht darauf, eventuelle lebensverlängernde Maßnahmen<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Einstellung entscheiden. Sprechen Sie innerhalb <strong>der</strong> Familie darüber,<br />

damit Entscheidungen im Sinne <strong>und</strong> nach dem Willen des Betroffenen<br />

möglichst gemeinsam getroffen <strong>und</strong> verantwortet werden. Die entscheidende<br />

Frage ist: Was hätte Ihr Angehöriger in dieser Situation seiner Krankheit wohl<br />

gewollt, wenn er sich jetzt direkt dazu äußern könnte?<br />

5. Für eine gute Schmerztherapie eintreten<br />

Treten Sie für eine gute Schmerztherapie ein. Sie sind unser Verbündeter.<br />

Sprechen Sie mit uns <strong>und</strong> dem Hausarzt, wenn Sie den Eindruck haben, ihr<br />

Angehöriger muss unnötig Schmerzen leiden. Es gibt heute viele Möglichkeiten,<br />

Schmerzen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e quälende Symptome wirksam zu lin<strong>der</strong>n. Wir unterstützen<br />

die Schmerztherapie durch eine gute Schmerzbeobachtung <strong>und</strong><br />

achten dabei beson<strong>der</strong>s auf die oft vergessenen demenziell erkrankten Bewohner.<br />

Eine beson<strong>der</strong>s ausgebildete Palliative-Care-Fachkraft im Haus kann<br />

Sie <strong>und</strong> die Mitarbeiter beraten, was man pflegerisch noch Erleichterndes für<br />

Ihren Angehörigen tun kann. Ihr Hausarzt kann zudem die beson<strong>der</strong>e Beratung<br />

<strong>der</strong> Schmerzambulanz am Neuburger Krankenhaus nutzen.<br />

6. Angebote <strong>der</strong> Unterstützung nutzen<br />

Gerade in <strong>der</strong> letzten Zeit können Unruhe <strong>und</strong> Angst des schwerkranken,<br />

sterbenden Angehörigen <strong>und</strong> die Suche nach menschlicher Nähe beson<strong>der</strong>s<br />

gesteigert sein. Unsere ehrenamtliche Sitzwachengruppe mit freiwilligen Mitarbeitern<br />

aus <strong>der</strong> Pflege, Hauswirtschaft <strong>und</strong> Hospizhelfern des Hospizvereines<br />

Neuburg bietet Ihnen an, mit Ihnen zusammen ein möglichst starkes Netz<br />

<strong>der</strong> Begleitung in den letzten Wochen o<strong>der</strong> Tagen zu knüpfen. In <strong>der</strong> Regel ist<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 148


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Ihr Angehöriger <strong>kein</strong> Frem<strong>der</strong> für unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter, son<strong>der</strong>n<br />

ihnen durch die tägliche Arbeit o<strong>der</strong> durch Besuche im Heim bereits bekannt.<br />

Unsere Mitarbeiter zeigen Ihnen zudem gerne, was Sie selbst noch Gutes tun<br />

können, auch wenn <strong>der</strong> Schwerkranke scheinbar nichts mehr wahrnimmt.<br />

7. Sich Zeit für einen würdigen Abschied nehmen<br />

Oft hat <strong>der</strong> Abschiedsschmerz schon in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> schweren Erkrankung,<br />

Pflegebedürftigkeit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> demenziellen Verän<strong>der</strong>ung eingesetzt. Trotzdem<br />

<strong>und</strong> gerade auch deswegen ist die Zeit unmittelbar nach dem Versterben beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig. Es gilt, dem Bild des manchmal schweren Sterbens das Bild<br />

des Friedens im Tod dazu zu stellen. Für Sie als Angehörige ist es eine Ausnahmesituation.<br />

Wir legen Wert darauf, dass Sie diesen Abschied von einem<br />

für Sie wichtigen Menschen als würdig <strong>und</strong> auch als hilfreich erleben können.<br />

In unserer Einrichtung wird nicht schnell „entsorgt“. Uns ist die Zeit am Totenbett<br />

wichtig <strong>und</strong> „heilig“. Keine Stoppuhr soll dabei für Ihre Trauer ticken. Die<br />

Aufbahrung, die Atmosphäre in unserem Abschiedsraum („Oase <strong>der</strong> Trauer“),<br />

die Zeichen <strong>der</strong> Erinnerungen an den Verstorbenen auf seiner Wohnetage, die<br />

Gestaltung im Gedenkbuch <strong>und</strong> die rituellen Angebote unterstützen Sie. Auch<br />

in <strong>der</strong> Zeit danach sind Sie <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bewohner nicht vergessen. In einer jährlichen<br />

Gedenkfeier gibt es Gelegenheit, das gemeinsame Leben <strong>und</strong> den Verstorbenen<br />

zu erinnern <strong>und</strong> zu würdigen.<br />

So schwer diese Zeit des Sterbens Ihnen oft scheint, so kann in ihr eine Kraftquelle<br />

für Ihr weiteres Leben liegen.<br />

Das Sterben eines Menschen bleibt<br />

als wichtige Erinnerung zurück bei denen,<br />

die weiterleben.<br />

Aus Rücksicht auf sie, aber auch<br />

Aus Rücksicht auf den Sterbenden<br />

Ist es unsere Aufgabe,<br />

einerseits zu wissen,<br />

was Schmerz <strong>und</strong> Leiden verursacht,<br />

an<strong>der</strong>erseits zu wissen,<br />

wie wir diese Beschwerden effektiv behandeln können.<br />

Was immer in den letzten St<strong>und</strong>en geschieht,<br />

kann viele W<strong>und</strong>en heilen,<br />

aber auch in unerträglicher Erinnerung verbleiben …<br />

Cicely Saun<strong>der</strong>s<br />

(Pionierin <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Hospizbewegung)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 149


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 150


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Formulierungshilfen<br />

Angehörige mit einem Flyer<br />

informieren<br />

Textbausteine für ein Faltblatt zur Palliativkultur 1<br />

Titel: Wenn nichts mehr zu machen ist,<br />

können wir noch manches tun …<br />

Untertitel: Palliative Care – ein beson<strong>der</strong>s Angebot unserer Einrichtung<br />

Bildmotiv Hände<br />

Palliative Betreuung bedeutet:<br />

die Behandlung <strong>und</strong> Pflege von Menschen, die an einer nicht heilbaren<br />

Krankheit leiden o<strong>der</strong> die aufgr<strong>und</strong> ihres hohen Alters nur noch eine begrenzte<br />

Lebenszeit haben.<br />

Wir möchten dabei ein weitgehend beschwerdefreies, würdevolles Leben bis<br />

zuletzt ermöglichen. Die Lebensqualität <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wille <strong>der</strong> Betroffenen stehen<br />

für uns im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>.<br />

Wir achten dabei ganzheitlich auf die jeweiligen körperlichen, psychischen,<br />

sozialen <strong>und</strong> spirituellen Bedürfnisse. Wir wissen um unsere Grenzen <strong>und</strong> sehen<br />

die Lebens- <strong>und</strong> Sterbebegleitung als gemeinsame Aufgabe.<br />

Sprechen Sie mit uns, wenn Sie hier Anliegen o<strong>der</strong> Fragen haben:<br />

Ansprechpartner: …<br />

Tel.: …<br />

1 Entwurf: Projekt-Werkstatt RKS, 2006-2007<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 151


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Vorschlag für Gedicht<br />

Geh nicht vor mir her –<br />

Ich kann dir nicht folgen,<br />

denn ich suche meinen eigenen Weg.<br />

Geh nicht hinter mir –<br />

Ich bin gewiss <strong>kein</strong> Leiter!<br />

Bitte bleib an meiner Seite – <strong>und</strong> sei nichts als ein Fre<strong>und</strong><br />

Und mein Begleiter<br />

Albert Camus<br />

Palliative Care übersetzen wir in unsere Sterbebegleitung durch folgendes<br />

Haltungen <strong>und</strong> Handlungen:<br />

Persönlich begleiten:<br />

• ganzheitliche Betreuung<br />

• <strong>und</strong> dabei die persönlichen Biografie berücksichtigen<br />

Angehörige einbinden:<br />

• ermutigen <strong>und</strong> Anleiten in <strong>der</strong> Sterbegleitung<br />

• praktische Unterstützung<br />

• Auszeiten ermöglichen<br />

• Abschied in Ruhe ermöglichen<br />

Leiden lin<strong>der</strong>n:<br />

• für Schmerztherapie <strong>und</strong><br />

• <strong>und</strong> psychosoziale Betreuung sorgen<br />

Leben lebenswert halten:<br />

• unterstützende Lebensbegleitung,<br />

• orientiert an den Werten des jeweiligen Menschen<br />

Individuellen Bewohnerwillen respektieren:<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 152


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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• Gespräche über Vorstellungen anbieten<br />

• Patientenverfügungen berücksichtigen<br />

Achten <strong>der</strong> Menschenwürde:<br />

• respektvoller Umgang mit den Betroffenen <strong>und</strong> ihren Angehörigen,<br />

• ohne Vorurteile <strong>und</strong> Wertungen in schwierigen Situationen<br />

Therapeutisch beson<strong>der</strong>s unterstützen:<br />

• Aromatherapie, Basale Stimulation, Atemtherapie<br />

• enge Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Therapeuten<br />

• Respektvoller Umgang mit den Betroffenen <strong>und</strong> ihren Angehörigen,<br />

Informationen geben:<br />

• bei Unsicherheiten <strong>und</strong> Fragen ansprechbar sein<br />

• Palliative-Care-Pflegekräfte in <strong>der</strong> Einrichtung bei beson<strong>der</strong>en Anliegen<br />

Vertrauen schaffen:<br />

• mit Angehörigen, Ärzten, ehrenamtlichen Helfern zum Wohle <strong>der</strong> Betroffenen<br />

zusammenarbeiten<br />

• gemeinsam auf erwartbare Krisen <strong>und</strong> eventuelle Notfallsituationen vorbereiten<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 153


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 154


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Übersicht<br />

Palliative-Care-Fachkräfte nutzen<br />

Aufgaben-Profil für den Einsatz in <strong>der</strong> Einrichtung<br />

Palliative-Care-Fachkräfte sind beson<strong>der</strong>s geschulte examinierte Pflegekräfte,<br />

die eine Weiterbildung Palliative Care im Umfang von 160 Std. absolviert haben<br />

(Curriculum Kern, Müller, Aurnhammer). Im Zentrum dieser Weiterbildung<br />

stehen die medizinisch-pflegerischen, psychosozialen <strong>und</strong> spirituellen Aspekte<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung. Der Kurs qualifiziert Pflegekräfte, innerhalb Ihrer jeweiligen<br />

Einrichtung (Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim, Sozialstation, Krankenhaus, Hospiz,<br />

Palliativstation) palliativ-pflegerisch zu arbeiten, zu beraten <strong>und</strong> anzuleiten.<br />

Für die Fachkräfte in ambulanten Hospiz- <strong>und</strong> Palliativberatungsdiensten ist<br />

<strong>der</strong> Kurs verpflichtend (Anfor<strong>der</strong>ungsprofil, Rahmenvereinbarung nach § 39 a<br />

Abs. 2 Satz 6 SGB V).<br />

Ziele<br />

• Sicherheit: Die Pflegekräfte im Haus fühlen sich bei speziellen palliativen<br />

Pflegeproblemen sicher.<br />

• Zuverlässige palliative Pflege: Palliative Pflege wird bei allen Bewohnern<br />

gewährleistet, die diese Form <strong>der</strong> Betreuung benötigen.<br />

Aufgaben<br />

• Anleitung: Die Palliative-Care-Fachkräfte leiten Pflegekräfte am Krankenbett<br />

o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Übergabe an.<br />

• Kontrolle palliative Pflege: Die Palliative-Care-Fachkraft kontrolliert die<br />

besprochenen Pflegemaßnahmen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Dokumentation. Sie übernimmt<br />

die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung <strong>der</strong><br />

Maßnahmen (in Absprache mit <strong>der</strong> SL / stellvertretenden SL des jeweiligen<br />

Bereiches)<br />

• Fortbildungen: Die Palliative-Care-Kräfte organisieren o<strong>der</strong> gestalten<br />

selbst kleine, interne Fortbildungen zur palliativen Pflege, um ihr praktisches<br />

Wissen weiterzugeben.<br />

• Beratung: Die Palliative-Care-Fachkraft berät bei beson<strong>der</strong>en Problemstellungen.<br />

Die Beratung wird von <strong>der</strong> jeweiligen Stationsleitung angefor<strong>der</strong>t.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 155


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 156


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Dokumentation<br />

Schmerzen bei demenziell erkrankten<br />

Menschen erfassen<br />

ECPA-Beobachtungsbogen (Roland Kunz)<br />

Vorname<br />

Familienn.<br />

geb.:<br />

Bewertet durch:<br />

Dimension 1: Beobachtung außerhalb <strong>der</strong> Pflege<br />

Datum Gesamtwert<br />

Beobachtungsfeld 1: Verbale Äußerungen: Stöhnen, Klagen, Weinen, Schreien<br />

Verhalten Anmerkung zur Situation<br />

0 BewohnerIn macht <strong>kein</strong>e Äußerungen hinsichtlich<br />

Schmerzen*<br />

1 Schmerzäußerungen, wenn BewohnerIn angesprochen<br />

wird<br />

2 Schmerzäußerung, sobald jemand in <strong>der</strong> Nähe ist<br />

3 Spontane Schmerzäußerung o<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> leises<br />

Weinen, Schluchzen, auch wenn BewohnerIn anscheinend<br />

niemand in ihrer Umgebung wahrnimmt*<br />

4 Spontanes Schreien bzw. qualvolle Äußerungen<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 157


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Beobachtungsfeld 2: Gesichtsausdruck (Blick <strong>und</strong> Mimik)<br />

Verhalten Anmerkung zur Situation<br />

0 Entspannter Gesichtsausdruck<br />

1 Besorgter, gespannter Blick<br />

2 Ab <strong>und</strong> zu anscheinend schmerzhaftes Verziehen des<br />

Gesichts, Grimassen*<br />

3 Schmerzhaft verkrampfter Blick*<br />

4 Vollständig starrer Blick / Ausdruck<br />

Beobachtungsfeld 3: Spontane Ruhehaltung<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Anmerkung zur Situation<br />

Keinerlei Schonhaltung erkennbar<br />

Vermeidung einer bestimmten Position, Haltung<br />

Person wählt ständig eine Schonhaltung, aber kann<br />

sich noch bewegen<br />

Person sucht erfolglos eine schmerzfreie Schonhaltung<br />

Person bleibt vollständig immobil<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 158


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Dimension 2: Beobachtungen während <strong>der</strong> Pflege<br />

Beobachtungsfeld 4: Abwehr bei <strong>der</strong> Pflege<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Anmerkung zur Situation<br />

Person zeigt <strong>kein</strong>e Angst<br />

Ängstlicher Blick, angstvoller Ausdruck bei pflegerischen<br />

Maßnahmen*<br />

Person reagiert mit körperlicher Unruhe<br />

Person reagiert mit abwehrenden Bewegungen*<br />

Person schreit, stöhnt, jammert<br />

Beobachtungsfeld 5: Reaktion bei <strong>der</strong> Mobilisation<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Anmerkung zur Situation<br />

Person steht auf / lässt sich mobilisieren ohne spezielle<br />

Beachtung<br />

Person hat gespannten Blick / scheint Mobilisation<br />

<strong>und</strong> Pflege zu fürchten<br />

Person klammert mit den Händen / macht Gebärden<br />

während Mobilisation <strong>und</strong> Pflege<br />

Person nimmt während Mobilisation / Pflege Schonhaltung<br />

ein<br />

Person wehrt sich gegen Mobilisation <strong>und</strong> Pflege<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 159


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Beobachtungsfeld 6: Reaktionen während <strong>der</strong> Pflege schmerzhafter Zonen<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Evtl. Anmerkung zur Situation<br />

Person zeigt <strong>kein</strong>erlei auffällige Reaktionen während<br />

<strong>der</strong> Pflege ( z. B. bei einer W<strong>und</strong>versorgung<br />

Person reagiert, Reaktion ist allerdings nicht deutlich<br />

als Schmerzreaktion einzuordnen*<br />

Person reagiert bereits bei flüchtiger Berührung<br />

schmerzhafter Zonen*<br />

Person reagiert beim Anfassen schmerzhafter Zonen<br />

Es ist unmöglich, sich schmerzhaften Zonen zu nähern<br />

Beobachtungsfeld 7: Verbale Äußerungen während <strong>der</strong> Pflege<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Evtl. Anmerkung zur Situation<br />

Keine Schmerzäußerungen während <strong>der</strong> Pflege*<br />

Schmerzäußerung, wenn man sich an die Person<br />

wendet<br />

Schmerzäußerung, sobald Pflegekraft sich in <strong>der</strong> Nähe<br />

<strong>der</strong> Person aufhält<br />

Spontane Schmerzäußerung o<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> leises<br />

Weinen, Schluchzen, auch wenn BewohnerIn anscheinend<br />

niemand in ihrer Umgebung wahrnimmt*<br />

Spontanes Schreien bzw. qualvolle Äußerungen<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 160


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Dimension 3: Auswirkungen auf Aktivitäten<br />

Beobachtungsfeld 8: Auswirkungen auf den Appetit<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Evtl. Anmerkung zur Situation<br />

Keine Verän<strong>der</strong>ungen bezüglich Appetit erkennbar<br />

(gilt auch für die Essenseingabe)*<br />

Person hat einen leicht reduzierten Appetit – bei<br />

Speisen, die sie sonst mag (gilt auch für die Essenseingabe)*<br />

Person muss im Unterschied zu früherem Essverhalten<br />

animiert werden – bei Speisen, die sie sonst mag,<br />

- einen Teil <strong>der</strong> Mahlzeiten zu essen (gilt auch für die<br />

Essenseingabe)*<br />

Person ist trotz Auffor<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> sonstiger Animation<br />

nur ein paar Bissen (gilt auch für die Essenseingabe)*<br />

Person verweigert jegliche Nahrung ( gilt auch für die<br />

Essenseingabe)*<br />

Beobachtungsfeld 9: Auswirkungen auf den Schlaf<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Evtl. Anmerkung zur Situation<br />

Person schläft anscheinend gut / wirkt beim Aufwachen<br />

ausgeruht*<br />

Person hat gegenüber bisherigen Schlafverhalten<br />

Schwierigkeiten einzuschlafen o<strong>der</strong> erwacht verfrüht*<br />

Person hat gegenüber bisherigen Schlafverhalten<br />

Schwierigkeiten einzuschlafen <strong>und</strong> erwacht verfrüht*<br />

Person wacht zusätzlich nachts auf <strong>und</strong> ist unruhig<br />

Person findet <strong>kein</strong>en o<strong>der</strong> selten Schlaf<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 161


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Beobachtungsfeld 10: Auswirkungen auf Bewegungen<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Evtl. Anmerkung zur Situation<br />

Person bewegt sich wie gewohnt ohne Zeichen von<br />

Schmerz*<br />

Person bewegt sich wie gewohnt, vermeidet nun aber<br />

gewisse Bewegungen<br />

Person bewegt sich im Vergleich zu ihrem vorherigen<br />

Verhalten seltener <strong>und</strong> deutlich verlangsamt<br />

Person ist immobil<br />

Person wirkt apathisch o<strong>der</strong> unruhig<br />

Beobachtungsfeld 11: Abwehr bei <strong>der</strong> Pflege<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Verhalten Evtl. Anmerkung zur Situation<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 162


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Thesen<br />

Leitlinien Kooperation mit Ärzten<br />

Hilfen für interne Rollenklärungen <strong>und</strong><br />

Kommunikation 1<br />

Verbindendes Ziel: Für das Gelingen <strong>der</strong> Sterbebegleitung ist jede Berufsgruppe<br />

gleich wichtig. Bei aller Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> Kompetenzen eint uns<br />

das Ziel, die Lebensqualität des Bewohners bis zum Schluss zu erhalten.<br />

Beson<strong>der</strong>e Verantwortung <strong>der</strong> Pflege: Unsere beson<strong>der</strong>e Verantwortung<br />

als Pflegende sehen wir neben <strong>der</strong> umfassenden direkten pflegerischen<br />

Betreuung in einer guten Dokumentation zur Schmerzerfassung <strong>und</strong> Symptomkontrolle.<br />

Ärzte sind in ihren Entscheidungen auch abhängig von <strong>der</strong><br />

Qualität <strong>der</strong> Informationen, die sie von uns Pflegekräften erhalten. Deshalb ist<br />

es wichtig, dass wir als Pflegekräfte unsere Beobachtungen systematisch führen,<br />

Ergebnisse abgleichen <strong>und</strong> in den Aussagen einheitlich auftreten.<br />

Initiative ergreifen: Hausärzte sollen sich in unseren Einrichtungen als willkommene<br />

Kooperationspartner fühlen. Als Pflegekräfte gehen wir auf Hausärzte<br />

zu, benennen verbindliche Ansprechpartner, nehmen uns Zeit für Visiten<br />

(spart hinterher Zeit!) <strong>und</strong> sind im Ton entgegenkommend <strong>und</strong> korrekt. Wir<br />

überprüfen immer wie<strong>der</strong>, ob diese Atmosphäre stimmt, indem wir die Perspektive<br />

wechseln: Wie würde es uns als Gäste <strong>und</strong> Kooperationspartner in<br />

unserem Haus gehen?<br />

Kooperationen pflegen: Kooperation braucht eine beson<strong>der</strong>e Basis. Deshalb<br />

suchen wir nicht nur den direkten Gesprächskontakt bei <strong>der</strong> Visite, <strong>der</strong> ja<br />

oft zeitlich von beiden Seiten stark begrenzt ist, son<strong>der</strong>n laden im Rahmen<br />

des Projektes die Ärzte auch zu Informationsveranstaltungen ein, bzw. nutzen<br />

vorhandene Gesprächskreise (z. B. Ärzte-Stammtisch) für den intensiven Gedankenaustausch.<br />

1 Die Leitlinien sind aufgr<strong>und</strong> von Gruppendiskussionen in einer Projekt-Werkstatt <strong>der</strong> RKS 2006-2007 ent-<br />

standen<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 163


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Krisenvorsorge mo<strong>der</strong>ieren: Frühzeitige Krisenvorsorge <strong>und</strong> Notfallplanung<br />

ist uns ein wichtiges Anliegen. Diese dienen auch zur rechtlichen Absicherung<br />

für die Ärzte <strong>und</strong> uns als Pflegekräfte. Wir regen deshalb entsprechende Gespräche<br />

zwischen Arzt <strong>und</strong> Bewohner/Betreuer/Angehörige an. Unsere Rolle<br />

kann dabei die von Mo<strong>der</strong>atoren sein, die zudem pflegerische Möglichkeiten<br />

einbringen. Wir sorgen dafür – wenn notwendig -, dass wichtige Dokumente<br />

(z. B. Patientenverfügung, Notfallplan) an behandelnde Ärzte weitergegeben<br />

werden.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 164


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Material<br />

Hausärzte zur Kooperation einladen<br />

Textbeispiel für ein R<strong>und</strong>schreiben<br />

Sehr geehrter Dr. ….,<br />

seit Anfang des Jahres 2005 organisieren wir unter dem Leitmotiv „Im Leben<br />

<strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ eine gute Palliativversorgung für unser<br />

Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim St. Augustin.<br />

Wie Sie ja als Hausarzt wissen, sind gerade die Ungewissheiten das, was<br />

Menschen in ihrer letzten Lebensphase beson<strong>der</strong>s belasten. Werde ich vielleicht<br />

noch ins Krankenhaus gebracht <strong>und</strong> muss dort sterben? Werden<br />

Schmerzen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Nöte im Heim beherrschbar sein? Gleichzeitig sehen<br />

sich viele verunsichert, was ihre Rechte als Patienten angeht …<br />

Wir haben deshalb einige Standards für unser Haus entwickelt, um diesen<br />

Ängsten <strong>und</strong> vorhersehbaren Krisen <strong>und</strong> Komplikationen vorzubeugen. Neben<br />

frühzeitigen Gesprächsangeboten zum Thema „Lebensqualität sichern“ (mit<br />

Betroffenen o<strong>der</strong> – falls nicht mehr möglich – mit autorisierten Angehörigen<br />

o<strong>der</strong> Betreuern) <strong>und</strong> einer guten Schmerzerfassung von unserer Seite (z. B.<br />

bei Demenzkranken) sind dies vor allem Gespräche zur Krisenvorsorge<br />

<strong>und</strong> Notfallplanung. Diesen beson<strong>der</strong>en Standard haben wir Ihnen beigelegt<br />

mit <strong>der</strong> Bitte um Ihr fachliches Urteil. Er wird in unterschiedlichen Varianten<br />

bereits in einigen Heimen praktiziert. Als Hausarzt haben Sie hier eine<br />

Schlüsselfunktion. Was halten Sie von diesem Vorgehen? Könnten Sie diese<br />

Art <strong>der</strong> Krisenvorsorge mittragen?<br />

Unsere Mitarbeiterin, Frau …, wird in den beiden nächsten Wochen ein Gespräch<br />

innerhalb Ihrer Sprechst<strong>und</strong>en mit Ihnen verabreden. Wir sind zuversichtlich,<br />

dass es uns gemeinsam gelingen wird, einen Rahmen zu schaffen,<br />

<strong>der</strong> die Vorstellungen <strong>und</strong> Wünsche von BewohnerInnen sichert <strong>und</strong> schützt<br />

Für das Heim St. Augustin<br />

….<br />

P. S. Bei <strong>der</strong> hausärztlichen Schmerztherapie gibt es gerade bei älteren Menschen immer wie<strong>der</strong><br />

Komplikationen, die kollegiale Beratung benötigen. Wir freuen uns deshalb, dass Herr Dr.<br />

Herrmann von <strong>der</strong> Neuburger Schmerzambulanz sich bereit erklärt hat, bei Fragen <strong>der</strong><br />

Schmerztherapie Sie je<strong>der</strong> Zeit telefonisch zu beraten. Auf dieses Angebot möchten wir Sie<br />

jetzt schon hinweisen.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 165


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Ideensammlung<br />

Krisenvorsorge absichern<br />

Wie können Hausärzte eingeb<strong>und</strong>en werden?<br />

• Einladung von Ärzten zum Gespräch zum Austausch von Wünschen <strong>und</strong><br />

wechselseitigen Erwartungen<br />

• Weitergabe <strong>der</strong> Info-Broschüren des CHV (zur Schmerztherapie, Ernährung,<br />

Atemnot)<br />

• Fortbildungsangebot in Kooperation mit <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vereinigung<br />

mit Fortbildungspunkten bewertet<br />

• R<strong>und</strong>brief an Hausärzte mit <strong>der</strong> Frage, ob diese sich an <strong>der</strong> Wertanamnese<br />

<strong>und</strong> Notfallplanung beteiligen<br />

• Information von Angehörigen (z. B. gegen das Schreckgespenst „verhungern<br />

lassen“ <strong>und</strong> den Druck mancher Ärzte)<br />

• Problem: Vorbehalt von Ärzten, Medikamente für den Notfall zu verschreiben,<br />

die vielleicht nie gebraucht werden. Idee: Ärztlicher Medikamentenschrank<br />

im Pflegeheim mit Bedarfsmedikamenten<br />

• Hotline mit ausgewiesenen Schmerztherapeuten für die Beratung <strong>der</strong><br />

Hausärzte organisieren<br />

• Ärztliche Foren nutzen, z. B. Ärzte-Stammtisch, um für die Idee <strong>der</strong> Notfallvorsorge<br />

zu werben <strong>und</strong> zu informieren<br />

• Einen hausärztlichen Notdienst unter den Hausärzten des Pflegeheimes<br />

für die Wochenenden anregen, statt auf Rettungsdienst angewiesen zu<br />

sein. Erfahrungen in Berlin: Modell senkt die Einweisungsrate an Wochenende<br />

um 30%.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 166


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Material<br />

Formen <strong>der</strong> Sterbehilfe<br />

Überblick über Formen <strong>und</strong> ihre rechtliche Bewertung<br />

Tötung<br />

auf Verlangen<br />

-<br />

Verboten<br />

Sterbehilfe<br />

Aktive Sterbehilfe Passive Sterbehilfe<br />

Beihilfe<br />

zum Suizid<br />

+<br />

Privat erlaubt,<br />

allerdings<br />

sind Anwesendeverpflichtet<br />

zur<br />

Rettung, weil<br />

Suizidversuch<br />

rechtlich als<br />

Unfall bewertet<br />

wird)<br />

Medizinern<br />

standesrechtlichverboten<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

Indirekte Sterbehilfe<br />

+<br />

Schmerztherapie<br />

mit Risiko <strong>der</strong> Lebensverkürzung<br />

erlaubt. Bei sachk<strong>und</strong>iger<br />

Therapie<br />

ist dieses Risiko<br />

aber gering.<br />

Sterben zulassen<br />

Palliativmedizinisch<br />

<strong>und</strong> –pflegerische<br />

Unterstützung, psychosozialerBeistand<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 167<br />

+<br />

Auf Wunsch<br />

des Betroffenen<br />

geboten!<br />

……………….<br />

-<br />

Ohne gesicherten<br />

Willen<br />

unterlassene<br />

Hilfeleistung !<br />

+<br />

Geboten!<br />

Mangelnde Schmerztherapie<br />

ist unterlassene<br />

Hilfeleistung.


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Übersicht<br />

Palliative Notfälle bedenken<br />

Typische Probleme <strong>und</strong> bewährte Lösungen in Projekten<br />

Standard<br />

Gemeinsames Besprechen im<br />

Team: Bei welchen Bewohner sind<br />

Krisen aufgr<strong>und</strong> des Krankheitsbildes<br />

wahrscheinlich? Wie gehen wir<br />

Problem: Erkennen durch die Pflege-<br />

damit um?<br />

kräfte, wann jemand als palliativer Bewohner<br />

einzuschätzen ist.<br />

Scheu vor klarer Dokumentation Fallbesprechungen im Team<br />

Unsicherheit mancher Hausärzte, Notfall-Situationen<br />

gut abzusprechen <strong>und</strong><br />

vorzubereiten<br />

Fehlendes flächendeckendes Beratungsangebot<br />

Mangelnde Routine (bei palliatven Notfällen)<br />

Fehlende Bedarfsmedikation<br />

Im Vorfeld Heimaufsicht/MDK bei<br />

absehbaren Konfliktfällen einbeziehen<br />

Kooperation mit routinierten Palliativ-Beratungsdiensten<br />

Vorgespräche (Erfassen von Sterbewünschen)<br />

Verstärkung durch eigene Palliativkräfte<br />

(evtl. mit Hospitationen/Praktikum<br />

im Hospiz)<br />

„Arzt-Schrank“ im Heim (mit vereinbartem<br />

Zugang für Pall.-Care-<br />

Pflegekraft)<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 168


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Übersicht<br />

Krisen vorsorgen <strong>und</strong> Notfälle planen<br />

Standard zur Absicherung von Entscheidungen<br />

Wir unterscheiden zwischen akuten <strong>und</strong> palliativen Notfällen. Akute Notfälle<br />

(z. B. Herzinfarkt) sind überraschend <strong>und</strong> nicht vorhersehbar. Palliative Notfälle<br />

dagegen sind bestimmte Komplikationen <strong>und</strong> Krisensituationen (z. B.<br />

Schmerzen, Blutungen usw.), die aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Erkrankung wahrscheinlich<br />

<strong>und</strong> absehbar sind. Diese Situationen gilt es frühzeitig in den Blick zu nehmen<br />

<strong>und</strong> Vorentscheidungen zu treffen, wie gehandelt werden soll.<br />

Entscheidungsberechtigt sind<br />

• zum <strong>der</strong> Arzt mit seiner medizinische Indikation. (Was sind meine Behandlungsangebote<br />

für die Situation? Welche Behandlung bringt für den Patienten<br />

noch einen Nutzen o<strong>der</strong> schadet ihm zumindest nicht? Was braucht<br />

es zur Absicherung <strong>der</strong> Entscheidung, z. B. an Medikamenten)<br />

• zum an<strong>der</strong>en natürlich <strong>der</strong> Bewohner / Patient bzw. dessen Stellvertreter<br />

(Bevollmächtigter o<strong>der</strong> Betreuer) mit seinem Willen für diese Situation.<br />

(Was sind meine Wünsche für die Situation? Welche Behandlung möchte<br />

ich erhalten, tolerieren o<strong>der</strong> ablehnen?)<br />

Info: Diese ärztlichen <strong>und</strong> betreuenden Entscheidungen stehen übrigens nicht unter <strong>der</strong> Aufsicht<br />

des MDK o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Heimaufsicht. Das Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht wird nur angerufen, wenn<br />

Arzt <strong>und</strong> Bevollmächtigter uneins sind o<strong>der</strong> bei begründetem Verdacht, dass <strong>der</strong> Wille missbräuchlich<br />

angeführt wird.<br />

Unsere Aufgabe als Einrichtung sehen wir, eine Kultur <strong>der</strong> ethischen Entscheidungsfindung<br />

zu schaffen, d. h. Entscheidungsprozesse möglichst<br />

frühzeitig anzuregen <strong>und</strong> - wenn gewünscht – die Beteiligten beratend zu unterstützen<br />

<strong>und</strong> die dokumentierten Ergebnisse zu sichern. Da gerade die Pflegekräfte<br />

vor Ort die jeweiligen Behandlungsentscheidungen mittragen <strong>und</strong><br />

umsetzen müssen, scheint uns die Einbindung <strong>der</strong> Pflege in die Gespräche<br />

sinnvoll <strong>und</strong> notwendig. In diesem Standard haben wir für den Weg <strong>der</strong> Entscheidungsfindung<br />

einige Schritte <strong>und</strong> Leitfragen zur Orientierung festgehalten.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 169


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Ziele<br />

1. Offene Kommunikation: Die Betroffenen (Bewohnerin, Angehörige) <strong>und</strong><br />

Beteiligten (Pflegekräfte, ÄrztInnen) kommen frühzeitig in eine offene<br />

Kommunikation. Das Thema "Krisenvorsorge" <strong>und</strong> die Gesprächspartner<br />

sind von <strong>der</strong> Bewohnerin gewünscht.<br />

2. Sorgfältig abwägende Abklärung: Das Vorgehen bei erwartbaren<br />

Krankheitsverläufen <strong>und</strong> möglichen Komplikationen sind mit ihren Folgen<br />

<strong>und</strong> Alternativen mit <strong>der</strong> Bewohnerin besprochen worden. Die Beratung<br />

wird von den Betroffenen <strong>und</strong> Beteiligten als hilfreich <strong>und</strong> einfühlsam bewertet.<br />

3. Informiertes Einverständnis: Die geplanten Maßnahmen (umfasst auch<br />

Abbruch <strong>und</strong> Sterben zulassen) für Krisen o<strong>der</strong> Notfälle entsprechen dem<br />

informiert-erklärten o<strong>der</strong> mutmaßlichen Willen.<br />

4. Sicherheit <strong>der</strong> Beteiligten: Die MitarbeiterInnen <strong>und</strong> die betroffenen Angehörigen<br />

fühlen sich sicher im Umgang mit den erwartbaren möglichen<br />

Krisen. Sie können die geplanten einzelnen Maßnahmen fachlich nachvollziehen,<br />

sie persönlich mittragen <strong>und</strong> - soweit notwendig - praktisch<br />

ausführen.<br />

5. Keine ungewollte Einweisung: Die ungewollte Einweisung in ein Krankenhaus<br />

wird vermieden.<br />

6. Klare Dokumentation: Die Entscheidungen sind klar <strong>und</strong> korrekt dokumentiert.<br />

Die wichtigen Dokumente sind am richtigen Ort hinterlegt.<br />

Organisierter Rahmen: Die notwendigen Hilfsmittel sind vorhanden <strong>und</strong> die<br />

benötigten Medikamente ausreichend bevorratet. Vorbereitung<br />

• Bei <strong>der</strong> Aufnahme: Im wird durch die Verwaltung abgeklärt, ob bereits Patientenverfügung<br />

<strong>und</strong> Vorsorgevollmachten <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> Betreuungsverfügung<br />

vorliegen, wer davon weiß <strong>und</strong> wo diese hinterlegt sind. Ein Duplikat<br />

kommt zu den Unterlagen auf Station, damit diese schnell verfügbar ist (z.<br />

B. an Wochenenden). Im Aufnahmegespräch wird empfohlen, eine Kopie<br />

beim behandelnden Arzt zu deponieren. (Siehe Standard � Aufnahme)<br />

• Über beson<strong>der</strong>s Gesprächsangebot: Falls die Möglichkeiten <strong>der</strong> Vorsor-<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 170


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

ge unbekannt sind, werden sie auf Wunsch erläutert. Sofern sich die Betroffenen<br />

darüber hinaus näher informieren o<strong>der</strong> eine Verfügung anlegen<br />

wollen, können diese ein Informationsgespräch (Siehe: Die letzte Lebensphase<br />

in den Blick nehmen) vereinbaren (Zuständig: Pflegeüberleitungskraft<br />

= PÜL). Auf Wunsch erhalten BewohnerInnen zur Vorbereitung<br />

die Vorsorgemappe des Bayerischen Justizministeriums. Falls das Thema<br />

die Betroffenen zu diesem Zeitpunkt überfor<strong>der</strong>t, signalisiert die PÜL, dass<br />

sie auch zukünftig dafür ansprechbar ist. Sie klärt ab, ob sie die Betreffenden<br />

noch einmal darauf ansprechen darf. Falls die Bewohnerin sich nicht<br />

mehr äußern kann, wird im Bedarfsfall mit den autorisierten Angehörigen<br />

(Bevollmächtigten) / Betreuer <strong>der</strong>en mutmaßlicher Wille rekonstruiert.<br />

• Über Aushang werden die BewohnerInnen informiert, dass sie je<strong>der</strong> Zeit<br />

Informationsgespräche mit <strong>der</strong> PÜL vereinbaren können.<br />

• Bei <strong>der</strong> pflegerischen Versorgung sind die beteiligten Pflegekräfte hellhörig<br />

für angedeutete o<strong>der</strong> direkt geäußerte Ängste o<strong>der</strong> Vorstellungen <strong>der</strong><br />

Betroffenen o<strong>der</strong> von Angehörigen) z. B. zum weiteren Krankheitsverlauf.<br />

Sie greifen entsprechende Äußerungen auf <strong>und</strong> fragen nach. Die Pflegekräfte<br />

informieren die Stationsleitung o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Stellvertretung darüber.<br />

• Im Falle schwerer Krankheit: Das Gespräch zur Krisenvorsorge wird beson<strong>der</strong>s<br />

empfohlen, wenn <strong>der</strong> Tod innerhalb von vier Wochen <strong>kein</strong>e Überraschung<br />

wäre o<strong>der</strong> eine lebensbedrohliche Grun<strong>der</strong>krankung vorliegt. Die<br />

PÜL klärt nach Rücksprache mit <strong>der</strong> Stationsleitung je nach Bereitschaft<br />

<strong>und</strong> Dringlichkeit ab, ob ein beratendes Gespräch mit dem Hausarzt zum<br />

Thema "Krisenvorsorge-Notfall" vermittelt werden soll. Entscheidend ist<br />

aber immer die Bereitschaft des Betroffenen. Wenn gewollt, wird besprochen,<br />

wer bei einem Gespräch dabei sein soll. In <strong>der</strong> Regel erfolgt <strong>der</strong> Anstoß<br />

zur Krisenvorsorge <strong>und</strong> palliativen Notfallplanung zum Krisengespräch<br />

über den Betreuer o<strong>der</strong> den Bevollmächtigten.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 171


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Durchführung<br />

Das Beratungsgespräch zur Krisenvorsorge (Leitfaden für das Vorgehen)<br />

• Verantwortlich: Hausarzt <strong>und</strong> BewohnerIn o<strong>der</strong> Bevollmächtigter o<strong>der</strong><br />

Betreuer, unterstützt von <strong>der</strong> Stationsleitung o<strong>der</strong> Schichtleitung. Bei Bedarf<br />

nutzen diese die Kompetenzen einer <strong>der</strong> Palliative-Care-fachkräfte<br />

des Hauses.<br />

• Ziel benennen: Es gilt, gemeinsam vorsorglich Wege zu überlegen, die<br />

von <strong>der</strong> betroffenen Bewohnerin sind o<strong>der</strong> in ihrem Sinne wären (oberster<br />

Maßstab!) <strong>und</strong> die die Angehörigen möglichst mittragen können.<br />

• Verän<strong>der</strong>barkeit betonen: Die Bewohnerin wird darauf hingewiesen, dass<br />

Än<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Ergänzungen je<strong>der</strong>zeit möglich sind. Das festgelegte Verfahren<br />

in Krisen gilt nur, wenn die Bewohnerin sich in <strong>der</strong> akuten Situation<br />

nicht mehr direkt äußern kann. Ansonsten gilt immer <strong>der</strong> aktueller Wille.<br />

• Die Gesprächspunkte werden kurz abgesprochen. Als Leitfaden für das<br />

Gespräch können eventuell auch Punkte aus <strong>der</strong> jeweiligen Patientenverfügung<br />

dienen, sofern erstellt.<br />

• Krankheitsgeschichte <strong>und</strong> Diagnose<br />

• Wie sehen die Beteiligten die momentane ges<strong>und</strong>heitliche Situation?<br />

Was sind die beson<strong>der</strong>en Sorgen aufgr<strong>und</strong> des Krankheitsverlaufes?<br />

Welche Komplikationen könnten auftreten? Was könnte man aus ärztlicher<br />

Sicht zur Lin<strong>der</strong>ung tun?<br />

• Gr<strong>und</strong>sätzliche Überlegungen zu Krankenhauseinweisung, Sterben im<br />

Heim, Wünsche zur Wie<strong>der</strong>belebung, PEG-Versorgung <strong>und</strong> die dahinter<br />

stehenden persönlichen Werte. (Was führt Sie dazu?)<br />

• Gibt es Entwicklungen, wo <strong>der</strong> Hausarzt zu einer Einweisung raten<br />

würde? Wie steht <strong>der</strong> Betroffene dazu? Falls Einweisung notwendig<br />

werden sollte <strong>und</strong> auch gewünscht wird: Gibt es eventuell Wünsche<br />

zum Krankenhaus? Falls nicht das örtliche Krankenhaus gewählt wird,<br />

wird auf die eventuellen zusätzlichen Transferkosten hingewiesen.<br />

• Seelsorgerlicher Beistand <strong>und</strong> Begleitung durch den ehrenamtlichen<br />

Hospizdienst können erörtert werden.<br />

• Die momentane Medikation wird durchgegangen <strong>und</strong> die Indikation <strong>und</strong><br />

Dosierung von Notfall-Medikamenten besprochen. Der Arzt stellt die<br />

entsprechenden Rezepte aus.<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 172


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Auswertung (bezogen auf Ziele)<br />

• Wichtig: Es gilt auch Betroffene in den Blick zu nehmen, die am Gespräch<br />

nicht direkt beteiligt waren (z.B. an<strong>der</strong>e Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Familie). Von wem<br />

könnten eventuell Bedenken o<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stände kommen? Wie soll damit<br />

umgegangen werden?<br />

• Der Protokollführer fasst immer wie<strong>der</strong> laut die Ergebnisse zusammen <strong>und</strong><br />

vergewissert sich, ob die Bewohnerin diese richtig verstanden hat <strong>und</strong> die<br />

Ergebnisse so eintragen werden sollen.<br />

• Am Ende <strong>der</strong> Besprechung: Der Protokollführer liest die (wichtigsten)<br />

schriftlich fixierten Vereinbarungen noch einmal laut im Wortlaut vor.<br />

• Die angelegten Dokumente werden von allen entsprechend ihrer Funktion<br />

unterschrieben.<br />

• Mit dem Hausarzt wird abgesprochen: Wann <strong>und</strong> wo ist er erreichbar in<br />

Notfällen, beson<strong>der</strong>s an Wochenenden, Feiertagen, Nachtst<strong>und</strong>en, Urlaub.<br />

Wer ist <strong>der</strong> Vertretungsarzt? Ist er informiert? Wann ist dieser erreichbar?<br />

• Entsprechendes wird dokumentiert.<br />

• Der Notfallplan wird so hinterlegt, dass er zu je<strong>der</strong> Zeit schnell verfügbar ist<br />

� Stationsakte unter „Wichtige Unterlagen“<br />

• Der Hausarzt <strong>und</strong> die beteiligten Pflegekräfte besprechen unter Umständen<br />

mit den Angehörigen separat eventuelle Symptome, die sie beunruhigen<br />

könnten (z.B. Rasselatmung, Blutungen, Atemnot) <strong>und</strong> gehen ihr Verhalten<br />

in Notfällen durch. Es wird nachgefragt, was die Angehörigen beson<strong>der</strong>s<br />

belasten könnte.<br />

• Falls Krankenhauseinweisung notwendig werden sollte, sind folgende Dokumente<br />

als Kopien vorbereitet (sofern vorhanden): Pat.-Verfügung, Notfallplan<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 173


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Dokumentation<br />

Palliativer Notfallplan: Verfügungen / Ärztlicher Bericht<br />

An <strong>der</strong> Besprechung am………………. haben teilgenommen: ….……………………………………………………………………………………….<br />

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

1. Personalien des Bewohners / <strong>der</strong> Bewohnerin<br />

………………………………………………………………………………………………………………………………………………….........................<br />

Name Geburtsdatum<br />

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

Anschrift<br />

Patientenverfügung � vorhanden, hinterlegt: ………………...……………………………………………………….. � nicht vorhanden<br />

2. Wichtige Adressen<br />

Hausarzt:<br />

Palliativberatung/Palliativarzt<br />

Ärztliche Vertretung<br />

Tel. Praxis<br />

Tel. Praxis<br />

Tel. Praxis<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 174<br />

Tel. außerhalb<br />

Tel. außerhalb<br />

Tel. außerhalb


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

3. Krankheitsgeschichte / Aktuelle Diagnosen<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 175


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

4. � Direkt erklärter Wille � mutmaßlicher Wille des / <strong>der</strong> Bewohner/s/in<br />

z.B. zu Krankenhauseinweisung, Reanimation, Sterben zu Hause, künstlicher Ernährung, persönliche Werte in <strong>der</strong> Situation<br />

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

………………………………………………………………………………………………………………………………………………….…………………<br />

……………………………………………………………………………………………………………………………………….……………………………<br />

……………………………………………………………………………………………………………………………………….……………………………<br />

Beson<strong>der</strong>e Hinweise für die Einweisung in ein Krankenhaus:<br />

� Der Wunsch des / <strong>der</strong> Bewohner/s/in ist es, im Evangelischen Pflegezentrum Eichenau zu bleiben. Diagnostische Maßnahmen o<strong>der</strong> eine<br />

Einweisung in ein Krankenhaus sollen nur dann erfolgen, wenn sie einer besseren Beschwerdelin<strong>der</strong>ung dienen <strong>und</strong> im Heim nicht durchgeführt<br />

werden können.<br />

� Sollte aus guten Gründen eine Einweisung notwendig werden, möchte er / sie nach Möglichkeit auf <strong>kein</strong>en Fall in folgendes Krankenhaus<br />

überwiesen werden:<br />

� Bevorzugtes Krankenhaus:<br />

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………<br />

Name <strong>der</strong> gewünschten Einrichtung, Anschrift, Telefon<br />

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………O<br />

rt, Datum Unterschrift BewohnerIn / PatientIn o<strong>der</strong> Bevollmächtigte / Betreuer<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 176


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

5. Notfallplan<br />

Muss vom behandelnden Arzt ausgefüllt werden!<br />

Beispiele für mögliche Komplikationen <strong>und</strong> beschwerliche Symptome: Schmerzen, Atemnot, aktute Blutungen, Darmverschluss, Schluckstörungen, Übelkeit/Erbrechen<br />

Mögliche Komplikationen<br />

Vom Patienten gewünschte Behandlung<br />

� geäußert � ermittelt<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 177<br />

Vom Arzt verordnete Maßnahmen


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

Mögliche Komplikationen<br />

Vom Patienten gewünschte Behandlung<br />

� direkt geäußert � ermittelt<br />

Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 178<br />

Vom Arzt verordnete Maßnahmen<br />

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Ort, Datum Unterschrift Arzt / Ärztin<br />

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Ort, Datum Unterschrift BewohnerIn / PatientIn o<strong>der</strong> Bevollmächtigte / Betreuer


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer 179


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Standards<br />

Symptome kontrollieren 1<br />

Typische Symptome <strong>und</strong> bewährte Lösungen<br />

Entwickelt von: Projektgruppe "Palliativversorgung im ambulanten Bereich", Stand: 28.06.2004<br />

Entwurf: Rita Bühlt, Beate Rehfeldt, Hilde Erd, Dr. Peter Lechner<br />

Redaktionelle Überarbeitung: Martin Alsheimer / Beate Augustyn<br />

Symptome (Übersicht)<br />

• Schluckstörungen<br />

• Akute Blutungen<br />

• Atemnot / Rasselatmung<br />

• Schmerzen<br />

• Darmverschluss<br />

• Krampfanfälle<br />

Ziele<br />

1. Lin<strong>der</strong>ung von Leiden: Auftretende Komplikationen sollen optimal gemin<strong>der</strong>t werden.<br />

2. Sicherheit <strong>der</strong> Beteiligten: Die MitarbeiterInnen <strong>und</strong> die betroffenen Angehörigen fühlen<br />

sich sicher im Umgang mit den erwartbaren Krisen. Sie können die geplanten einzelnen<br />

Maßnahmen nachvollziehen, sie persönlich mittragen <strong>und</strong> – soweit notwendig – praktisch<br />

ausführen.<br />

3. Keine ungewollte Einweisung: Die ungewollte Einweisung in ein Krankenhaus wird<br />

vermieden.<br />

4. Organisierter Rahmen: Die Erreichbarkeit notwendiger HelferInnen ist organisiert. Die<br />

notwendigen Hilfsmittel sind vorhanden <strong>und</strong> die benötigten Medikamente ausreichend<br />

bevorratet.<br />

Symptomkontrolle: Schluckstörungen<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen“, Evang.-kath. Sozialstion Füssen <strong>und</strong> Hospizverein Ostallgäu<br />

e.V., Am Ziegelstadel 12, 87629 Füssen, Projektleitung: Marianne Pfeifer (PDL), Veronika Stich (Hospizverein), Martin Alsheimer<br />

(GGsD, Nürnberg)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Vorbereitung<br />

• Im Vorfeld abklären, ob <strong>der</strong> Kranke künstlich ernährt werden möchte o<strong>der</strong> nicht (������ndard<br />

Krisenvorsorge treffen)<br />

• Das Pro <strong>und</strong> Contra einer künstlichen Ernährung gemeinsam abwägen lassen (��� ��tscheidungshilfe<br />

Pro <strong>und</strong> Contra PEG-Versorgung.<br />

• Auf Alternativen zur PEG (z.B. Infusion) hinweisen<br />

• Aufklären des Patienten / Angehörigen bei Angst vor dem "Verhungern".<br />

• Regelmäßiges Beobachten o<strong>der</strong> Befragen des Betroffenen / <strong>der</strong> Angehörigen, in welchen<br />

Zusammenhängen die Schluckstörungen auftreten<br />

Symptome<br />

• Schmerzen beim Schlucken<br />

• Nahrung, Flüssigkeit, Speichel bleiben in M<strong>und</strong> <strong>und</strong> Rachenraum hängen<br />

• Patient verschluckt sich oft<br />

Völlegefühl<br />

Maßnahmen<br />

• Erhöhte Aufmerksamkeit bei M<strong>und</strong>pflege: Diese ist entscheidend für das Entstehen von<br />

Durstgefühl<br />

• Darreichungsform überprüfen <strong>und</strong> umstellen. Regel: Flüssiges geht besser als Festes,<br />

Dickflüssiges geht besser als Dünnflüssiges<br />

• Säfte andicken, Breie verdünnen<br />

• Gefrorenes zum Abschwellen geben<br />

• Strohhalm zum Trinken erleichtert den Schluckakt<br />

• Aufrecht im Sitzen essen lassen<br />

• Langsam mit kleinem Löffel essen<br />

• Anhalten, sorgfältig zu kauen<br />

Palliativarzt für die Beratung:<br />

Dr. Peter Lechner, Krankenhaus Füssen<br />

Tel. 08362 / 5000<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Symptomkontrolle: Akute Blutungen<br />

Vorbereitung<br />

• Im Vorfeld abklären, ob mit akuten Blutungen zu rechnen ist. (Kann auftreten z.B. bei<br />

Tumoren im HNO-Bereich, Bronchialkarzinomen, Gesichtstumore, bei Leberkarzinom,<br />

Darmdivertikel)<br />

• Aufklären des Patienten / Angehörigen bei Angst vor dem „Verbluten".<br />

Info: "Für einen Patienten, <strong>der</strong> sterben will, kann eine (erwartete) akute Blutung ein gnädiges Ende bedeuten."<br />

(Bausewein 2000, S. 294).<br />

• Dunkle Handtücher mil<strong>der</strong>n den dramatischen Eindruck, den starke Blutungen hervorrufen<br />

können<br />

• Kompressen bevorraten<br />

Lokalisation<br />

• Oberer <strong>und</strong> unterer Gastrointestinaltrakt<br />

• M<strong>und</strong>, Hals, Nase<br />

• Pulmonal<br />

• Urogenitaltrakt<br />

Maßnahmen<br />

• Eine Person muss bei dem Kranken bleiben<br />

• Angehörige evtl. aus dem Zimmer schicken<br />

• Vorbereitete dunkle o<strong>der</strong> bunte (nicht weiße) Handtücher zum Abdecken des Kranken<br />

nehmen, damit Blut nicht dramatisch sichtbar wird.<br />

• Eventuell Kompression durchführen, z.B. bei HNO-Tumor im Halsbereich Arterie abdrücken.<br />

• Seitenlagerung (wegen Erstickungsgefahr) durchführen, damit Atemwege frei bleiben.<br />

Medikamentöse Therapie<br />

• Medikamente, z.B. Tavor-Blättchen (angstlösend, beruhigend), Valium (beruhigend)<br />

• Arzt informieren<br />

• � Notfallplan beachten<br />

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Symptomkontrolle: Akute Atemnot / Rasselatmung<br />

Vorbereitung<br />

• Im Vorfeld abklären, ob <strong>der</strong> Kranke beatmet werden soll o<strong>der</strong> nicht ����Standard Krisenvorsorge<br />

treffen.<br />

• Angehörige informieren über terminale Rasselatmung: diese ist ein Normalfall <strong>und</strong> für den<br />

Patienten <strong>kein</strong>e lebensbedrohliche Situation.<br />

Info: Inwieweit <strong>der</strong> Patient selbst durch die Rasselatmung beeinträchtigt wird <strong>und</strong> sie ihn belastet, ist ungeklärt.<br />

Prüfen, ob vorgesehene Medikamente bevorratet sind ��� Notfallplan<br />

Maßnahmen<br />

• Atmung ist häufig erschwert<br />

• Atmung ist unregelmäßig.<br />

• Atmung rasselt. Sie ist mit Bronchialsekret versetzt. Dies geschieht oft bei zu hoher Flüssigkeitszufuhr<br />

o<strong>der</strong> Wassereinlagerung.<br />

• Die Atmung wird schneller o<strong>der</strong> flacher werden.<br />

• Zeitweise entstehen Atempausen o<strong>der</strong> Schnappatmung.<br />

• Die Atmung kann auch langsamer <strong>und</strong> schwächer werden, so dass wir denken mit jedem<br />

Atemzug, es könnte <strong>der</strong> letzte sein (Lungenödem).<br />

Maßnahmen<br />

• Es braucht oft nicht abgesaugt zu werden, da <strong>der</strong> Schleim in <strong>der</strong> Regel tiefer in den Bronchien<br />

sitzt <strong>und</strong> man mit dem Absauggerät (Schlauch) nicht bis dahin kommt. Dieser könnte<br />

im ungünstigsten Fall Verletzungen an <strong>der</strong> Luftröhre verursachen. Überprüfen, ob das<br />

Absaugen eine Lin<strong>der</strong>ung bringt. Es gibt Situationen, in denen es notwendig ist.<br />

• Überprüfen, ob Infusion o<strong>der</strong> Wassereinlagerung Atmung belasten.<br />

• Oberkörper hoch lagern <strong>und</strong> bei starker Sekretbildung in eine Halbseitenlage bringen, um<br />

die Sekretion leichter abfließen zu lassen.<br />

• Frische Luft zuführen, beengende Kleidung öffnen.<br />

• Beruhigend auf den Patienten einwirken, z.B. mit ihm atmen <strong>und</strong> ihn so in einen ruhigeren<br />

Rhythmus führen.<br />

Medikamentöse Therapie<br />

• Medikamente, z.B. Buscopan senkt die Schleimproduktion.<br />

• Morphium (Schmerzbekämpfung) erleichtert das Gefühl von Atemnot). Tavor nimmt panikartige<br />

Atemnot-Attacken. (Kleine Blättchen lösen sich schnell auf <strong>der</strong> Zunge auf.)<br />

� Notfallplan beachten<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Symptomkontrolle: Akute Schmerzen<br />

Vorbereitung<br />

• Wichtig: ganzheitliche Schmerzbetrachtung. Schmerzen können viele Zusammenhänge<br />

haben. Gute Schmerztherapie setzt voraus, dass die möglichen Zusammenhänge von<br />

körperlichen, sozialen, seelischen <strong>und</strong> spirituellen Schmerzen beachtet werden.<br />

• Schmerzbeobachtung mit geeigneter Dokumentation, z.B. � Schmerzerfassung bei<br />

demenziell erkrankten Menschen – Beobachtungsbogen 1<br />

• Darauf achten, dass je<strong>der</strong> Patient eine geeignete Bedarfsmedikation verschrieben bekommt<br />

<strong>und</strong> diese auch ausreichend vor Ort bevorratet ist. (Siehe � Notfallplan – Medikation)<br />

Maßnahmen<br />

• Bei chronischen Schmerzen ist die kontinuierliche Gabe <strong>und</strong> Bedarfsmedikation wichtig.<br />

• Darauf achten, ob die Form <strong>der</strong> Medikamentengabe noch situationsgerecht ist (oral,<br />

Pflaster, Injektion, rectal, über PEG, Infusion) <strong>und</strong> den Arzt benachrichtigen, wenn Form<br />

nicht mehr passt o<strong>der</strong> möglich ist (z.B. Schluckstörungen).<br />

Bei Bedarf Palliativarzt anrufen: Dr. Lechner, Krankenhaus Füssen, Tel. 08362 / 5000<br />

1 Beobachtungsbogen abgedruckt in: Wilkening, K. / Kunz, R. 2003: Sterben im Pflegeheim. Perspektiven <strong>und</strong> Pra-<br />

xis einer neuen Abschiedskultur. Göttingen: Van<strong>der</strong>hoeck u. Ruprecht, S. 235 ff.)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Symptomkontrolle: Darmverschluss<br />

Maßnahmen bei Darmverschluss<br />

• Eine Person sollte dabei bleiben.<br />

• Vorbereitete bunte Tücher verwenden.<br />

• Zusammen mit Hausarzt Angehörige darauf vorbereiten <strong>und</strong> aufklären, dass in diesem<br />

Stadium eventuell Stuhlgang erbrochen werden kann <strong>und</strong> wie sie sich verhalten sollen.<br />

• Mit dem Hausarzt Medikamentengabe abklären, z.B. Paspertin supp., MCP gtt, Tavor expidet,<br />

Vomex supp.<br />

Maßnahmen bei Krampfanfällen<br />

• Eine Person sollte dabei bleiben.<br />

• Zahnprothesen entfernen (Verschluckungsgefahr).<br />

• Decken, Kissen vorbereiten.<br />

• Gegenstände in <strong>der</strong> Nähe des Kranken entfernen (Verletzungsgefahr).<br />

Mit dem Hausarzt Medikamentengabe abklären, z.B. Diazepam-Rektiole. (Im Kühlschrank<br />

aufbewahren!)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Beratungshilfe<br />

Ehrenamt: Kooperation vorbereiten<br />

Leitfragen für die Klärung einer möglichen Zusammenarbeit<br />

Einleitung<br />

Sicher: Es gibt für die Kooperation von Heimen <strong>und</strong> Hospizvereinen viele Beispiele einer guten<br />

Praxis 1 . Die Bef<strong>und</strong>e zur generellen Bereitschaft für eine Zusammenarbeit sind allerdings<br />

zwiespältig. Auf <strong>der</strong> einen Seite befürworten Pflegekräfte den Ausbau von Hospizdiensten. Auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite stehen sie aber – trotz beklagten Zeitmangels – einem Einsatz ehrenamtlicher<br />

HospizhelferInnen mehrheitlich skeptisch bis ablehnend gegenüber. Sie befürchten Belastung<br />

statt Entlastung. Die Einschätzung erfolgt – so ein weiterer Bef<strong>und</strong> – mehrheitlich auf<br />

Verdacht ohne praktische Erfahrung.<br />

Umgekehrt zeigt sich aber auch die Hospizbewegung gegenüber den stationären Einrichtungen<br />

eher reserviert. Verbreitetes Ziel <strong>der</strong> Hospizarbeit ist das Sterben zuhause. Heime erscheinen<br />

dagegen eher als Sterbeorte 2. Klasse. Deshalb wurden Heime als mögliche Orte<br />

des hospizlichen Engagements wurden relativ spät „entdeckt“. Die Abwertung zeigt sich auch<br />

darin, dass <strong>der</strong> Einsatz von freiwilligen HelferInnen in Heimen aus <strong>der</strong> finanziellen För<strong>der</strong>ung<br />

fällt.<br />

Die Checklisten dienen dazu, die Chancen <strong>und</strong> Möglichkeiten einer Kooperation auszuloten.<br />

Sie sind zunächst als heim- <strong>und</strong> vereinsinterne Klärungshilfen gedacht. Aber sie können auch<br />

als Besprechungshilfe für Kooperationsverhandlungen dienen.<br />

1 Beispiele: Müller M.; Kessler, G. (2000): Implementierung <strong>der</strong> Hospizidee in die Struktur <strong>und</strong> Arbeitsabläufe eines Altenheims.<br />

Eine Orientierungs- <strong>und</strong> Planungshilfe. Bonn: ALPHA Rheinland, beson<strong>der</strong>s 108-132<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Ziele<br />

• Geklärte Erwartungen: Die Verantwortlichen bei<strong>der</strong> Seiten wissen um die wechselseitigen<br />

Wünsche <strong>und</strong> Möglichkeiten. Die Betroffenen sind einbezogen.<br />

• Verankerung <strong>der</strong> Kooperation im Heim <strong>und</strong> Hospizverein: Die organisatorische Integration<br />

ist auf beiden Seiten detailliert besprochen <strong>und</strong> in den Konsequenzen durchdacht.<br />

• Entdeckung weiterer Vernetzung: Die jeweiligen Möglichkeiten „vertrauensbilden<strong>der</strong>“<br />

Vernetzungen werden erkannt <strong>und</strong> genutzt.<br />

Fragen an das Heim<br />

Blickpunkt: Bereitschaft zur Kooperation<br />

• Wie sieht die gr<strong>und</strong>sätzliche Bereitschaft <strong>der</strong> MitarbeiterInnen aus, mit ehrenamtlichen<br />

Kräften zusammenzuarbeiten? Wie wurde diese Bereitschaft ermittelt?<br />

• Von wem ist <strong>der</strong> Wunsch nach Zusammenarbeit ausgegangen?<br />

• Wird <strong>der</strong> Einsatz von HospizhelferInnen gr<strong>und</strong>sätzlich auch von <strong>der</strong> Vertretung <strong>der</strong> BewohnerInnen<br />

(Heimbeirat) gewünscht?<br />

• Welche Erfahrungen gab es bei <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen (z. B. Besuchsdiensten)<br />

bereits in <strong>der</strong> Vergangenheit? Wo haben MitarbeiterInnen aufgr<strong>und</strong> bisheriger<br />

Erfahrungen Vorbehalte gegenüber ehrenamtlichen Kräften?<br />

• Sind Konkurrenzgefühle (z. B. bezogen auf Anerkennung bei BewohnerInnen) spürbar?<br />

Blickpunkt: Erwartungen <strong>und</strong> Aufgaben<br />

• Was verbinden MitarbeiterInnen mit „Hospizarbeit“?<br />

• Welche Aufgaben sehen MitarbeiterInnen / Leitung für ehrenamtliche Kräfte (Tätigkeitsprofil?)<br />

• Wo sehen die MitarbeiterInnen / die Leitung einen Bedarf für den Einsatz von ehrenamtlichen<br />

HospizhelferInnen? Wo würden sich die MitarbeiterInnen durch ehrenamtliche HospizhelferInnen<br />

entlastet fühlen?<br />

• In welchem Umfang würden sich MitarbeiterInnen ehrenamtliche Einsätze wünschen?<br />

• Zu welchen Zeiten würden MitarbeiterInnen beson<strong>der</strong>s Entlastung brauchen? (Beispiel:<br />

Nachtwachen?)<br />

• Was würden die MitarbeiterInnen als „Kompetenzen-Überschreitung“ o<strong>der</strong> als „Einmischung<br />

empfinden“?<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Blickpunkt: organisatorische Einbindung<br />

• Welche Modelle <strong>der</strong> Kooperation scheinen für das Haus sinnvoll? Modell 1: Begrenzte<br />

Einsätze von HospizhelferInnen bei einzelner Personen (= „Klassische Begleitung einzelner<br />

Menschen) – Modell 2: feste, dauerhafte Zuordnung von HospizhelferInnen zu einzelnen<br />

Etagen / Stationen im Heim (= kontinuierlicher Besuchsdienst, aus dem sich Sterbebegleitungen<br />

entwickeln können) Kürzere „Notfall-Dienst“? Krisenintervention für Angehörige?<br />

• Wer könnte verantwortlicher KoordinatorIn / AnsprechpartnerIn für die HospizhelferInnen<br />

im Haus sein (Hospizbeauftragte/r)?<br />

• Was wären die genauen Aufgaben <strong>der</strong> Hospizbeauftragten? Bekommt die Hospizbeauftragte<br />

ausreichend Anerkennung, Rückendeckung <strong>und</strong> evtl. auch zeitliche Freistellungen<br />

für die Aufgaben (z.B. Gespräche mit HospizhelferInnen)? Sind hierzu verbindliche schriftliche<br />

Regelungen getroffen?<br />

• Wie sollen BewohnerInnen auf die HospizhelferInnen hingewiesen werden? Wie werden<br />

die Aufgaben beschrieben?<br />

• Wie stark möchte die Einrichtung bei <strong>der</strong> Auswahl von ehrenamtlichen Kräften mitentscheiden?<br />

Was erwartet das Heim von ehrenamtlichen Kräften an persönlichen, sozialen,<br />

praktischen Fähigkeiten? Welche Auswahlkriterien hat <strong>der</strong> Hospizverein?<br />

• Wer darf HospizhelferInnen „anfor<strong>der</strong>n“? Wie wird die Unterstützung angefor<strong>der</strong>t?<br />

• Wie werden die HospizhelferInnen eingeb<strong>und</strong>en in das Haus / das Team? Wer leitet vor<br />

Ort an? Wo haben die HospizhelferInnen ihren Platz für Rückzug <strong>und</strong> Gespräch? Wie soll<br />

in <strong>der</strong> Regel ein Besuch ablaufen (Beispiele: Anmeldung? Vorinformation zu Beginn einholen?<br />

Abmeldung am Ende?) Wie <strong>und</strong> von wem werden HospizhelferInnen bei Verän<strong>der</strong>ungen<br />

informiert? Wie werden eventuelle pflegerelevante Beobachtungen <strong>der</strong> HospizhelferInnen<br />

eingeholt, genutzt <strong>und</strong> dokumentiert? (Beispiele: punktuelle Teilnahme an Übergaben,<br />

Teamsitzungen, Teilnahme an Aufnahmegesprächen mit Angehörigen in akuten Notfällen?)<br />

Was unterliegt <strong>der</strong> Schweigepflicht?<br />

• Wie wird bei Konflikten verfahren? Wer ist AnsprechpartnerIn beim Hospizverein?<br />

• Wie werden die Einsätze <strong>und</strong> die Zusammenarbeit evaluiert? (Beispiel: regelmäßige Treffen<br />

von Hospizbeauftragten / Verantwortliche des Hospizvereins)<br />

• Welche Formen <strong>der</strong> Anerkennung <strong>und</strong> Wertschätzung bietet die Einrichtungen? (Beispiele:<br />

kostenlos Kaffee / Tee, Einladungen zu Feiern <strong>und</strong> Ausflügen des Hauses, Geburtstagskarte,<br />

Präsent am Jahresende usw.)<br />

• Wie wird die Unterstützung des Hospizvereines honoriert (z. B. Spende am Jahresende)<br />

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Blickpunkt: weitere organisatorische Vernetzung Heim-Hospizverein<br />

• Wo sieht das Heim neben dem praktischen Einsatz von HospizhelferInnen weitere Möglichkeiten<br />

für eine Zusammenarbeit? (Beispiele: Gegenseitige Nutzung von Fortbildungsveranstaltungen?<br />

Anbieten von Praktikaplätzen für HospizhelferInnen in Vorbereitungskursen?<br />

Referenten-Tätigkeit von MitarbeiterInnen des Heimes im Rahmen <strong>der</strong> HospizhelferInnen-Ausbildung)<br />

Was wäred durch die Verwaltung abgeklärt, ob bereits Patientenverfügung<br />

<strong>und</strong> Vorsorgevollmachten <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> Betreuungsverfügung vorliegen, wer davon<br />

weiß <strong>und</strong> wo diese hinterlegt sind. Ein Duplikat kommt zu den Unterlagen auf Station, damit<br />

diese schnell verfügbar ist (z. B. an Wochenenden).<br />

Fragen an den Hospizverein<br />

Blickpunkt: Bereitschaft zur Kooperation<br />

• Wie sieht die gr<strong>und</strong>sätzliche Bereitschaft des Vereins aus, auch Kräfte im Heim einzusetzen?<br />

• Über welche personellen Möglichkeiten verfügt <strong>der</strong> Hospizverein? Wie viele Helferinnen<br />

wären bereit, Menschen im Heim zu begleiten? (Ausschließlich? Gelegentlich? Nachtwachen?<br />

Schnelle “Krisenkräfte“?)<br />

• Gibt es bereits Erfahrungen <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Einrichtungen?<br />

• Welche Vorbehalte gibt es auf Seiten des Hospizvereins? (Beispiele: Sorge, nur „billige<br />

Arbeitskräfte“ zu liefern? Vorbehalte gegenüber Pflege im Heim?)<br />

• Welche Indikationen hat <strong>der</strong> Hospizverein für die Betreuung? Ab wann beginnt für den<br />

Hospizverein „Sterbebegleitung“? Gibt es Beschränkungen auf bestimmte Krankheitsbil<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> auf Menschen mit deutlich beschränkter Lebenszeit?<br />

Blickpunkt: Erwartungen <strong>und</strong> Aufgaben<br />

• Für welche Aufgaben sind die Hospizhelferinnen vorbereitet?<br />

• Werden auch Menschen mit demenziellen Verän<strong>der</strong>ungen begleitet? Sind die Hospizhelferinnen<br />

darauf vorbereitet? (Die Begleitung demenziell erkrankter Menschen benötigt eine<br />

beson<strong>der</strong>e Gr<strong>und</strong>haltung <strong>und</strong> spezielle Verhaltensweisen, z. B. Validation. Erwartungen<br />

des persönlichen Erkennens, Entwickeln einer persönlichen Beziehung, wechselseitigem<br />

Interesse <strong>und</strong> „intensiven“ Gesprächen wird in <strong>der</strong> Regel enttäuscht.)<br />

• Würde <strong>der</strong> Verein auch eine Trauerbegleitung für einzelne Angehörige übernehmen (in <strong>der</strong><br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Sterbephase einer Bewohnerin, nach dem Tod einer Bewohnerin)?<br />

• Zu welchen Zeiten würden Hospizhelferinnen beson<strong>der</strong>s gut verfügbar sein?<br />

• Welche Aufgaben würden Hospizhelferinnen nicht übernehmen?<br />

• Was würden die Hospizhelferinnen als „Zumutung“o<strong>der</strong> „Einmischung“ empfinden?<br />

Blickpunkt: organisatorische Einbindung<br />

• Welche Modelle <strong>der</strong> Kooperation würde <strong>der</strong> Hospizverein bevorzugen? Modell 1: Begrenzte<br />

Einsätze von HospizhelferInnen bei einzelner Personen (= „Klassische Begleitung einzelner<br />

Menschen) – Modell 2: feste, dauerhafte Zuordnung von HospizhelferInnen zu einzelnen<br />

Etagen / Stationen im Heim (= kontinuierlicher Besuchsdienst, aus dem sich Sterbebegleitungen<br />

entwickeln können)<br />

• Wer könnte verantwortlicher Koordinatorin / Ansprechpartnerin im Hospizverein sein für<br />

Fragen <strong>und</strong> Konflikte im Heim?<br />

• Wie verläuft im Heim <strong>der</strong> übliche Weg <strong>der</strong> Anfrage <strong>und</strong> Vermittlung? Ist dieser Weg<br />

schnell, übersichtlich <strong>und</strong> effektiv genug für die Bedürfnisse <strong>der</strong> Einrichtung?<br />

• Wie wünschen sich die Hospizhelferinnen die Einbindung ins Team?<br />

• Wie soll im heim auf das Angebot des Hospizvereins hingewiesen werden? Welche Bezeichnungen<br />

<strong>und</strong> Basis-Informationen sind dem Verein wichtig?<br />

• Welche Erwartungen hat <strong>der</strong> Verein hinsichtlich Anleitung <strong>und</strong> Betreuung <strong>der</strong> Helferinnen<br />

durch das Haus?<br />

Blickpunkt: weitere organisatorische Vernetzung Heim-Hospizverein<br />

• Welche Angebote des Hospizvereins können auch von Mitarbeiterinnen des Heimes genutzt<br />

werden? Wie werden diese Angebote vermittelt?<br />

• Welche Bereitschaft <strong>und</strong> Möglichkeiten gibt es im Hospizverein, sich über die Begleitung<br />

im Heim zu engagieren? (Beispiele: Gestalten von Gedenkfeiern? Teilnahme an Qualitätszirkeln<br />

zurm Thema Sterbebegleitung)<br />

• Können Pflegekräfte auch im Rahmen <strong>der</strong> Vorbereitungskurse geschult werden, um z. B.<br />

Koordinationsaufgaben im Heim für Hospizhelferinnen zu übernehmen?<br />

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Literatur: Ehrenamtliche<br />

MERSCH R.: Das Spannungsfeld zwischen professionell Handelnden <strong>und</strong> ehrenamtlich Engagierten. Grin Verlag<br />

2005 (Online-Archiv www.grin.com, Dokument Nr. 40933)<br />

OLK T., JAKOB G.: Professionelles Handeln <strong>und</strong> ehrenamtliches Engagement – ein „neuer“ Blick auf ein „altes“<br />

Problem. Sozialmagazin (3) 1995<br />

STUDENT J.-C., MÜHLUM A., STUDENT U.: Soziale Arbeit in Hospiz <strong>und</strong> Palliative Care. Reinhardt Verlag, <strong>München</strong><br />

2004 (bes. 41-43, 61-66)<br />

WESSELS C.: Freiwilliges soziales Engagement <strong>und</strong> professionelle soziale Dienstleistungen: zwischen Konkurrenz<br />

WILKENING K., KUNZ R.: Sterben im Pflegeheim. Perspektiven <strong>und</strong> Praxis einer neuen Abschiedskultur. BAY R.<br />

H.: Erfolgreiche Gespräche durch aktives Zuhören. 5. Auflage, Expert Verlag, Renningen 2006<br />

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Gesprächshilfe<br />

Ehrenamtliche: Konflikte vorbeugen<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Entschärfung<br />

Einführung<br />

Es gibt für die gute Zusammenarbeit von Einrichtungen <strong>und</strong> Ehrenamtlichen viele Beispiele (z.<br />

B. MÜLLER, KESSLER 2000: 108-132, WILKENING, KUNZ 2003, ORTH, ALSHEIMER<br />

2005). Aber insgesamt ist die institutionelle Einbeziehung ehrenamtlicher Hospizarbeit wohl<br />

eher selten, wie die groß angelegte empirische Studie von Kaluza <strong>und</strong> Töpferwein zur Sterbebegleitung<br />

zumindest für das B<strong>und</strong>esland Sachsen konstatiert. Der Bef<strong>und</strong> zur Kooperationsbereitschaft<br />

von Pflegekräften ist zwiespältig, ja paradox: Auf <strong>der</strong> einen Seite befürworten<br />

Pflegekräfte mit großer Mehrheit den Ausbau von Hospizdiensten <strong>und</strong> eine stärkere Zusammenarbeit.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite stehen eine nicht zu unterschätzende Gruppe aber – trotz<br />

beklagtem Zeitmangel – einem Einsatz ehrenamtlicher Hospizhelfer skeptisch bis ablehnend<br />

gegenüber. Tenor: „Ich halte die Arbeit von Hospizhelfern (…) nicht für notwendig, denn die<br />

Begleitung Sterben<strong>der</strong> bewältigen wir genauso gut.“ 41% <strong>der</strong> Pflegekräfte in Pflegeheimen<br />

stimmen dieser Aussage zu, 28% sind es im Krankenhaus, 25% im ambulanten Bereich.<br />

(KALUZA, TÖPFERWEIN 2005: 97 ff., 178 ff., 344 ff.) Das Urteil basiert – so ein weiterer Bef<strong>und</strong><br />

– mehrheitlich auf Verdacht ohne die Erfahrung einer praktischen Zusammenarbeit. Die<br />

Forscher resümieren: „Noch bestehende Unsicherheiten <strong>und</strong> Vorbehalte müssen mit Aufklärung<br />

<strong>und</strong> Transparenz offensiv begegnet werden.“ (KALUZA, TÖPFERWEIN 2005: 350). In<br />

einer nicht repräsentativen Befragung des Vincentz-Verlages befürchtet eine knappe Mehrheit<br />

<strong>der</strong> Pflegekräfte eher eine Belastung statt Entlastung durch Hospizhelfer.<br />

Aussagen zur Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Helfern<br />

„Zum Hospiz-Verein gibt es Kontakte, Frau R. hält Vorträge zur Sterbebegleitung, die macht das auch sehr schön,<br />

sehr anschaulich, das geht wirklich unter die Haut … Das ist eben, muss ich sagen, das ist Theorie <strong>und</strong> das an<strong>der</strong>e<br />

ist die Praxis. In <strong>der</strong> Praxis gibt es <strong>kein</strong>e Helfer, die Sterbebegleitung machen, das habe ich noch nirgends erlebt.<br />

Ich arbeite seit 10 Jahren als Stationsschwester <strong>und</strong> habe in <strong>der</strong> Zeit noch nicht einmal eine Sterbebegleitung von<br />

einem Fremden erlebt. Bis zu einem gewissen Grad wäre die Zusammenarbeit mit einem Hospiz für das Heim von<br />

Vorteil. Aber, `ne Sterbebe-gleitung, denke ich mal, kann am besten <strong>der</strong>jenige machen, <strong>der</strong> den Menschen schon<br />

vornweg betreut hat. Da ist ein Vertrauensverhältnis da. Jemanden kommen zu lassen, ist vielleicht nur in den wenigsten<br />

Fällen hilfreich, man weiß nicht, wie viel <strong>der</strong> Bewohner noch mitbekommt.“ (Krankenschwester, Wohnbereichsleiterin,<br />

52 Jahre)<br />

„Die kommen einmal in <strong>der</strong> Woche für eine halbe St<strong>und</strong>e, das bringt nichts, man bräuchte im Gr<strong>und</strong>e fast r<strong>und</strong> um<br />

die Uhr jemanden.“(Altenpflegerin, Wohnbereichsleiterin, 58 Jahre)<br />

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Mögliche Reibungspunkte <strong>und</strong> Fragen<br />

aus <strong>der</strong> Sicht von Pflegekräften<br />

Konkurrenzgefühl: Die Ehrenamtlichen<br />

nehmen mir einen Teil meiner Anerkennung.<br />

Ich mache die „Schmutzarbeit“, sie<br />

ernten den „Lohn“. Das was Ehrenamtliche<br />

tun, könnte ich auch, wenn ich nur die Zeit<br />

dafür bekäme.<br />

Unsicherheitsgefühl: Was können <strong>und</strong><br />

dürfen ehrenamtliche Hospizhelfer eigentlich?<br />

Einmischung in pflegerische Entscheidungen:<br />

Ehrenamtliche Hospizhelfer kennen<br />

pflegerische Arbeitsweisen (z. B. aktivierende<br />

Pflege) o<strong>der</strong> meine momentanen<br />

Belastungen nicht <strong>und</strong> verunsichern eventuell<br />

Betroffene <strong>und</strong> Angehörige mit ihren<br />

Kommentaren.<br />

Kontrollgefühl: Ehrenamtliche Helfer beobachten<br />

mein Handeln <strong>und</strong> geben Beobachtungen<br />

unkontrollierbar weiter.<br />

Verordnete Zusammenarbeit: Die Zusammenarbeit<br />

ist ein Wunsch <strong>der</strong> Leitung.<br />

Ich empfinde es als „von oben“ verordnet.<br />

Fremdheitsgefühl: Ich kenne die ständig<br />

wechselnden ehrenamtlichen Kräfte nicht.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Organisatorische Ideen<br />

Gemeinsame Ziel- <strong>und</strong> Aufgabenklärung:<br />

Nicht nur die Aufmerksamkeit auf den<br />

Schwerkranken <strong>und</strong> seine Familie richten,<br />

son<strong>der</strong>n auch besprechen, was Pflegekräfte<br />

entlasten würde <strong>und</strong> was davon ehrenamtlich<br />

geleistet werden kann. Die Vorteile einer<br />

Kooperation werden in vorbereitenden Gesprächen<br />

herausgearbeitet. Ein Aufgabenprofil<br />

wird festgelegt <strong>und</strong> veröffentlicht.<br />

Regelmäßige kurze Vor- <strong>und</strong> Nachbesprechung<br />

von Einsätzen: Das ermöglicht<br />

Beobachtungen anzusprechen <strong>und</strong> irritierende<br />

Verhaltsweisen aufzuklären. Der Ansprechpartner<br />

im Pflegeteam wird benannt<br />

<strong>und</strong> auch die Art <strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> ehrenamtlichen<br />

Beobachtungen <strong>und</strong> Leistungen<br />

wird geklärt.<br />

Konfliktmanagement: Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt<br />

Schweigepflicht nach außen <strong>und</strong> eine kollegiale<br />

Loyalität. Verein <strong>und</strong> Einrichtung vereinbaren,<br />

wer bei nicht direkt lösbaren Konflikten<br />

für Vermittlung <strong>und</strong> Entscheidungen<br />

zuständig ist (Koordinationskräfte im<br />

Heim/Hospizverein) <strong>und</strong> wie im einzelnen<br />

bei Kritik verfahren werden soll.<br />

Abklären <strong>der</strong> Bereitschaft: Das Pflegeteam<br />

wird in die Entscheidung einbezogen (z. B.<br />

Kooperation auf Probe).<br />

Mitspracherecht des Pflegeteams bei Auswahl<br />

fester ehrenamtlicher Mitarbeiter.<br />

Fester Stamm: Ehrenamtliche Hospizhelfer<br />

sind einer bestimmten Einrichtung zugeordnet<br />

<strong>und</strong> kommen mit einem bestimmten<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Vermittlungsproblem: Wie biete ich Betroffenen<br />

o<strong>der</strong> den verantwortlichen Angehörigen<br />

ehrenamtliche Hospizhilfe an, ohne<br />

dass ich mit dem Wort „Sterbegleiter“ Ängste<br />

o<strong>der</strong> Abwehr auslöse?<br />

Unterlegenheitsgefühl: Der ehrenamtliche<br />

Hospizhelfer gibt sich als „Experte“ aus, <strong>der</strong><br />

eine umfangreichere Vorbereitung auf die<br />

Aufgabe Sterbebegleitung genossen hat als<br />

ich. In meiner breiten pflegerischen Ausbildung<br />

ist das Thema Sterbebegleitung nicht<br />

o<strong>der</strong> nur am Rande behandelt worden.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Zeitkontingent regelmäßig (als Besuchsdienst)<br />

auf Station.<br />

Integration in die Teamkommunikation<br />

Ehrenamtliche werden punktuell zu Teamsitzungen<br />

eingeladen <strong>und</strong> sind auch symbolisch<br />

Teil des Teams (z. B. Fotos auf <strong>der</strong><br />

Mitarbeitertafel <strong>der</strong> Station)<br />

Frühzeitiges Angebot: Die Möglichkeit von<br />

Sitzwachen <strong>und</strong> ehrenamtlichen Hospizdiensten<br />

wird in <strong>der</strong> Einrichtung den Patienten/Bewohnern<br />

frühzeitig bekannt gemacht.<br />

Die Einstellung <strong>der</strong> Betroffenen dazu wird im<br />

Gespräch ermittelt.<br />

Informeller Kontakt: Ehrenamtliche Hospizhelfer<br />

kommen über Alltagsdienste in<br />

persönlichen Kontakt mit Betroffenen (z. B.<br />

Kaffee/Tee bringen).<br />

Sprachregelung: Ehrenamtliche Hospizhelfer<br />

werden als Besuchsdienst für schwer erkrankte<br />

Menschen tituliert <strong>und</strong> eingeführt.<br />

Infomaterial: Die Pflegekräfte haben einen<br />

schnellen Zugriff auf Infomaterial des Vereins,<br />

das die Aufgaben <strong>der</strong> Hospizhelfer gut<br />

beschreibt.<br />

Transparenz <strong>der</strong> Kompetenzen: Die Pflegekräfte<br />

kennen Umfang <strong>und</strong> Schwerpunkte<br />

<strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> ehrenamtlichen Kräfte.<br />

Die eigenen Kompetenzen werden profiliert<br />

(Siehe Aufgabenschwerpunkte oben)!<br />

Gemeinsame Fortbildungen: Pflegekräfte<br />

werden vom Verein auch zu Hospizfortbildungen<br />

eingeladen. Umgekehrt können ehrenamtliche<br />

Hospizhelfer interne Fortbildungen<br />

<strong>der</strong> Einrichtung nutzen. Evtl. gibt es<br />

auch gemeinsame Supervision o<strong>der</strong> kollegiale<br />

Praxisberatung im Team.<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Thesen<br />

Leitlinien für den Hospizeinsatz<br />

im Heim<br />

Konzept Hospizverein Ingolstadt (Juli 2005)<br />

Der Einsatz von HH im Heim unterscheidet sich von <strong>der</strong> Begleitung im ambulanten Bereich. In<br />

<strong>der</strong> Regel setzt im Heim eine Begleitung nicht erst bei einem Krankheitsbild mit klarer Hospizindikation<br />

<strong>und</strong> fortgeschrittene Verlauf ein. Der Einsatz konzentriert sich auch nicht unbedingt<br />

nur auf eine Person. Die Aufgaben sind somit offener <strong>und</strong> unbestimmter, <strong>der</strong> Übergang zu einem<br />

Besuchsdienst ist fließend; es braucht deshalb einen guten Rahmen <strong>und</strong> klare Verantwortlichkeiten,<br />

um den jeweiligen Einsatz auszuhandeln.<br />

Wir möchten von <strong>der</strong> Einrichtung ein klares Bekenntnis zur Kooperation. Die wechselseitigen<br />

Verpflichtungen <strong>und</strong> die gemeinsam entwickelten Regelungen sind Inhalt einer vertraglichen<br />

Vereinbarung. Wir möchten neben <strong>der</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> Leitung auch einen eindeutigen Beschluss<br />

(Abstimmung) des Pflegeteams, dass sie den Einsatz des jeweiligen HH in ihrem Bereich<br />

/ ihrer Station befürworten.<br />

Unsere Angebote <strong>und</strong> Wünsche an das Heim als Partner<br />

• Wir möchten als Verein eine feste Ansprechpartnerin im Heim („Hospizbeauftragte / Stellvertreterin“).<br />

Der Hospizverein benennt umgekehrt eine feste Ansprechpartnerin (Koordinationskraft).<br />

Beide entscheiden über Konflikte, die sich nicht direkt lösen lassen.<br />

• Die Hospizbeauftragte des Heimes <strong>und</strong> die Koordinationskraft des Vereines vereinbaren<br />

eine regelmäßige Besprechung <strong>und</strong> Bewertung <strong>der</strong> Zusammenarbeit.<br />

• Die HH müssen persönlich im Team eingeführt <strong>und</strong> vorgestellt werden, so dass sie <strong>und</strong> ihre<br />

Aufgaben allen Kolleginnen bekannt sind.<br />

• Heim <strong>und</strong> Hospizverein legen vorab fest, welche Aufgaben HH im Haus gr<strong>und</strong>sätzlich übernommen<br />

werden könnten.<br />

• Die Art, Ort <strong>und</strong> Umfang <strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> HH zu ihren Einsätzen werden abgesprochen.<br />

• Die Stationsleitung bespricht mit <strong>der</strong> jeweiligen HH gr<strong>und</strong>sätzlich, wo sich die HH während<br />

ihres Einsatzes aufhalten kann, wo Platz für Tasche <strong>und</strong> Mantel ist (Spind) <strong>und</strong> welchen<br />

Zugang sie zum Stationszimmer hat.<br />

• Die freiwilligen HospizhelferInnen (HH) können in <strong>der</strong> Regel <strong>kein</strong>e bestimmten Zeiten versprechen,<br />

son<strong>der</strong>n nur einen ungefähren Umfang <strong>und</strong> prinzipiell mögliche Zeiten. Hospiz-<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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verein <strong>und</strong> Heim klären wir vorab, welche Zeiten für das Haus entlastend wären. Der HH<br />

regelt selbst in persönlicher Absprache mit <strong>der</strong> Stationsleitung die Zeiten des jeweiligen<br />

Einsatzes (z.B. Verfügbarkeit in <strong>der</strong> kommenden Woche). Die Zeiten <strong>der</strong> Anwesenheit<br />

werden für das Team sichtbar ausgehängt <strong>und</strong> in Übergaben darauf hingewiesen.<br />

• Die HH informieren die Hospizbeauftragte, wenn sie über eine längere Zeit abwesend sind<br />

(z. B. Urlaub).<br />

• Die HH meldet sich zu Beginn <strong>und</strong> am Ende des Einsatzes bei <strong>der</strong> jeweiligen Schichtleitung,<br />

um sich über Beson<strong>der</strong>heiten des Tages zu informieren <strong>und</strong> umgekehrt abschließend<br />

Rückmeldung zu geben.<br />

• Die HH klärt gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>und</strong> situativ ab, ob sie neben dem direkten Einsatz auch an<strong>der</strong>e<br />

Aufgaben im Umfeld übernehmen kann <strong>und</strong> mag. Beispiele: Besuche bei Verlegung ins<br />

Krankenhaus, Gespräche für Angehörige in Sterbephase <strong>und</strong> unmittelbar nach Tod <strong>der</strong><br />

Bewohnerin, Unterstützung <strong>der</strong> Pflegekräfte bei Aufbahrung, Mitwirkung bei Erinnerungsfeiern<br />

• Die HH klärt mit <strong>der</strong> Schichtleitung jeweils ab, für welche Unterstützung <strong>der</strong> jeweils betreuten<br />

Person sie professionelle Hilfe holen soll <strong>und</strong> was sie selbst übernehmendarf (z. B. Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Heimbewohnerin beim Gang zur Toilette)<br />

• Die Hospizbeauftragte / Schichtleitung informiert die HH, wenn Bewohnerinnen ins Krankenhaus<br />

verlegt werden o<strong>der</strong> sich im Sterben befinden.<br />

• Die HH kann nach Absprache an Teamsitzungen teilnehmen, z.B. Fallbesprechungen,<br />

Übergaben. Es gilt natürlich für alle Informationen Schweigepflicht nach außen.<br />

• Die HH ist auch symbolisch präsent auf <strong>der</strong> Station, z.B. auf Foto- <strong>und</strong> Infotafeln mit Namen<br />

des Pflegeteams.<br />

• Wir möchten, dass die Einrichtung das Engagement des Vereins am Jahresende mit einer<br />

Spende würdigt.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Konzept / Standard<br />

Sitzwachengruppe im Heim koordinieren 1<br />

Projekt St. Augustin, Neuburg a. d. D.<br />

Einleitung<br />

Ehrenamtliche haben innerhalb des Teams „vor allem die Aufgabe von ‚Fachleuten fürs Alltägliche’“<br />

2 Sie verkörpern jene unbezahlte <strong>und</strong> unbezahlbare menschliche Solidarität. Diese wird<br />

getragen von <strong>der</strong> Einsicht, dass <strong>der</strong> Sterbende dem eigenen Schicksal nur ein Stück Weg<br />

voraus ist. Das Geben <strong>und</strong> Nehmen ist dabei nicht einseitig, son<strong>der</strong>n immer wechselseitig: als<br />

Ehrenamtlicher gebe ich ein wenig meiner (Lebens-)Zeit <strong>und</strong> ernte dafür möglicherweise eine<br />

tiefe (Lebens-)Erfahrung. Damit dieses gelingt, braucht es Achtsamkeit im Kontakt <strong>und</strong> Zurückhaltung,<br />

eigene Vorstellungen dem „fremden Sterben“ aufzudrücken.<br />

Menschen in dieser hochsensiblen <strong>und</strong> sehr verletzbaren Zeit zu begleiten, braucht Vertrauen.<br />

Wir setzen deshalb in unserem Haus auf vertraute Personen: Kollegen aus Pflege, Hauswirtschaft<br />

<strong>und</strong> Verwaltung, die außerhalb ihres Dienstes Zeit schenken, <strong>und</strong> ehrenamtliche Kräfte<br />

des Besuchsdienstes, aus den Reihen <strong>der</strong> rüstigen Bewohner <strong>und</strong> vom Hospizverein Neuburg<br />

e.V.. Der Vorteil dieses Modells: Alle Beteiligten kennen sich untereinan<strong>der</strong>. Auch die Bewohner<br />

kennen die eingesetzten Helfer. Der Kontakt ist somit nicht künstlich, son<strong>der</strong>n Beziehungen<br />

sind bereits gewachsen.<br />

Ziele<br />

• Gewollter Einsatz: Die schwerkranken <strong>und</strong> sterbenden Menschen reagieren erkennbar<br />

beruhigt bzw. haben bereits im Vorfeld einer Sitzwache zugestimmt.<br />

• Wechselseitige Unterstützung: Die Pflegekräfte fühlen sich unterstützt <strong>und</strong> können sich<br />

1<br />

Konzept entwickelt im Projekt „Im Leben <strong>und</strong> im Sterben ein Zuhause geben“ – Altenheim St. Augustin Neuburg a.d.D. (2005)<br />

2<br />

Student, J.-Ch. (1999): Die Rolle <strong>der</strong> Freiwilligen Helferinnen <strong>und</strong> Helfer. In: Ders. (1999) (Hg.): Das Hospiz-Buch. 4. erw. Aufl.,<br />

Freiburg im Br.: Lambertus, S. 151<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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auf pflegerische Aufgaben konzentrieren.<br />

• Ergänzung <strong>der</strong> Sterbebegleitung <strong>der</strong> Angehörige: Die Angehörigen fühlen sich durch<br />

die Sitzwachengruppe unterstützt, nicht verdrängt <strong>und</strong> haben <strong>der</strong> Anwesenheit gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

<strong>und</strong> situativ zugestimmt.<br />

• Gut vorbereitete <strong>und</strong> begleitete Einsätze: Die ehrenamtlichen Helfer sehen sich als anerkannte<br />

Partner im Heim <strong>und</strong> erfahren ausreichende Vorbereitung <strong>und</strong> Begleitung.<br />

Konzept<br />

• Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sitzwache: Mitarbeiter aus <strong>der</strong> Pflege, Hauswirtschaft, Verwaltung, ehrenamtliche<br />

Kräfte aus Besuchsdienst, Bewohnergemeinschaft, Hospizverein Neuburg / D.<br />

e.V.<br />

• Verantwortung für Sitzwachengruppe: Palliative Care-Fachkraft des Hauses, Vertretung<br />

nach Absprache. Aufgaben: Einladung <strong>und</strong> Mo<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> halbjährlichen Treffen <strong>der</strong><br />

Sitzwachengruppe (Erfahrungsaustausch, kleine Fortbildungseinheiten auf Wunsch), AnsprechpartnerIn<br />

bei Konflikten, die sich nicht direkt lösen lassen; Ansprechpartner bei Belastung<br />

• Aufgaben <strong>der</strong> ehrenamtlichen Helfer: direkte Begleitung nach Absprache vor Ort (z.B.<br />

für kleine Annehmlichkeiten sorgen, M<strong>und</strong>pflege, stille Anwesenheit, Gespräche mit Angehörigen),<br />

Kontakt mit Bewohnern während Krankenhausaufenthalten, Unterstützung von<br />

Angehörigen z.B. unmittelbar nach dem Versterben von Bewohnern, Mithilfe bei Ritualen<br />

des Hauses (z. B. Gedenkfeier). Die jeweilige Bereitschaft für spezielle Aufgaben (z. B.<br />

Begleitung am Totenbett) wird aus einer Liste ersichtlich, die in jedem Stationszimmer<br />

aushängt.<br />

• Umfang des Einsatzes: ca. 1 Einsatz pro Quartal, st<strong>und</strong>enweise (<strong>kein</strong>e R<strong>und</strong>-um-die-Uhr-<br />

Betreuung notwendig!)<br />

• Aufnahme in die Sitzwachengruppe: Entscheidung nach einem Gespräch mit PDL / Palliative-Care-Fachkraft<br />

• Einführung <strong>der</strong> ehrenamtlichen Helfer: Die ehrenamtlichen Helfer erhalten – sofern sie<br />

nicht Mitarbeiter des Hauses sind – eine schriftliche Orientierungshilfe (Ansprechpartner,<br />

Versicherungsschutz, Beson<strong>der</strong>heiten bei nächtlicher Sitzwache, Notruf, Möglichkeiten<br />

zum Rauchen <strong>und</strong> zum Entspannen). Gr<strong>und</strong>sätzlich sind auch einführende Einsätze zu<br />

zweit möglich.<br />

• Begleitung <strong>der</strong> ehrenamtlichen Helfer: Gespräche mit Palliative-Care-Fachkraft nach<br />

Bedarf möglich; ansonsten halbjährliche Treffen zum Erfahrungsaustausch<br />

• Schulung <strong>der</strong> ehrenamtlichen Helfer: Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sitzwachengruppe können<br />

Fortbildungsangebote des Hospizvereines Neuburg / D. e.V. <strong>und</strong> auch an<strong>der</strong>er regionaler<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Hospizvereine nutzen. Die Übernahme von Gebühren durch die Einrichtung muss vorher<br />

beantragt <strong>und</strong> durch die Heimleitung genehmigt werden. Außerdem gibt es auf Wunsch<br />

kleinere Fortbildungseinheiten im Rahmen <strong>der</strong> halbjährlichen Treffen.<br />

• Anerkennung: Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sitzwachengruppe erhalten jährlich als Anerkennung<br />

des Hauses eine kleines „Überraschungsgeschenk“. Eine Fototafel nennt <strong>und</strong> zeigt die<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sitzwachengruppe.<br />

Durchführung einer direkten Begleitung<br />

• Verantwortung für Einsatz: Schichtleitung (Liste mit Namen, Telefonnummern <strong>und</strong><br />

Einsatzzeiten, beson<strong>der</strong>e Aufgaben, z. B. Begleitung am Totenbett) hängt im Dienstzimmer<br />

jedes Pflegebereiches)<br />

• Vorbereitung: Die Schichtleitung klärt mit Betroffenen (wenn möglich) <strong>und</strong> Angehörigen<br />

(„Würde es Ihnen gut tun, wenn nachts jemand still aufpasst?“). Bereits im Gespräch �<br />

Lebensqualität sichern wird auf die Sitzwachengruppe hingewiesen. Die Angehörigen<br />

werden auch gefragt, ob sie eine Sitzwache übernehmen wollen.<br />

• Rahmen: Die ehrenamtlichen Helfer melden sich kurz zu Beginn bei <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Schichtleitung, um Beson<strong>der</strong>heiten abzuklären. Am Ende <strong>der</strong> Begleitung informieren die<br />

ehrenamtlichen Helfer die Schichtleitung.<br />

• Dokumentieren: Die Schichtleitung dokumentiert die berichteten Beson<strong>der</strong>heiten in den<br />

Pflegebericht<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Standard / Gesprächshilfe<br />

Ehrenamtliche Hospizhilfe anbieten 1<br />

Hospizhelfer ambulant vermitteln (Hospizverein Füssen)<br />

Ziele<br />

• Klare Indikation: Die Pflegekräfte wissen, wann <strong>der</strong> Hospizverein in den betroffenen Familien<br />

als Unterstützung ins Gespräch gebracht werden kann.<br />

• Kompetente Information: Die Pflegekräfte kennen die Einsatzmöglichkeiten <strong>der</strong> Hospizhelfer.<br />

• Taktvolles Gespräch: Die Pflegekräfte kennen mögliche Hemmschwellen, die Hospizhilfe<br />

anzunehmen, <strong>und</strong> wissen entsprechende Anregungen, wie sie das Angebot einbringen<br />

können.<br />

• Wirkungsvolle Hilfe: Die Angehörigen / <strong>der</strong> Schwerkranke empfinden die Unterstützung<br />

als entlastend <strong>und</strong> nicht belastend. Einsatz <strong>und</strong> Än<strong>der</strong>ungswünsche werden unkompliziert<br />

geregelt.<br />

Durchführung<br />

Vorbereitung<br />

• Indikation: Die Hospizhilfe wird ins Gespräch gebracht, ...<br />

• wenn Angehörige über Überfor<strong>der</strong>ung klagen (Fall 1). Das Angebot ist auch nur für<br />

Angehörige als Entlastung möglich.<br />

• wenn das Sterben / <strong>der</strong> Tod zum Thema durch die Betroffenen gemacht wird (Fall 2)<br />

• wenn die Pflegekräfte, die in <strong>der</strong> betroffenen Familie eingesetzt sind, zur Einschätzung<br />

kommen, dass die Lebenszeit des Patienten deutlich begrenzt ist <strong>und</strong> sein Tod sie in<br />

den nächsten Wochen nicht überraschen würde (Fall 3)<br />

Abklärung: Bevor die Pflegekräfte den Hospizdienst anbieten, klären sie telefonisch ab, ob<br />

Hospizhelfer verfügbar sind.<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen“, Evang.-kath. Sozialstion Füssen <strong>und</strong> Hospizverein Ostallgäu<br />

e.V., Am Ziegelstadel 12, 87629 Füssen, Projektleitung: Marianne Pfeifer (PDL), Veronika Stich (Hospizverein), Martin Alsheimer<br />

(GGsD, Nürnberg)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Durchführung<br />

Beratungsgespräch<br />

Das Angebot <strong>der</strong> ehrenamtlichen Hilfe kann von <strong>der</strong> Pflegekraft situativ angemessen ins Gespräch<br />

mit dem Betroffenen <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> den (pflegenden) Angehörigen eingebracht werden.<br />

(Siehe auch � Krisenvorsorge treffen). Das Angebot wird in <strong>der</strong> Regel noch nicht im Erstgespräch<br />

besprochen, weil es erfahrungsgemäß sonst überfor<strong>der</strong>nd sein könnte <strong>und</strong> eine<br />

schnelle Ablehnung provoziert.<br />

• Einstieg über praktisches Hilfsangebot an Angehörige: "Sie haben geäußert, dass Sie<br />

bei ... mehr Unterstützung o<strong>der</strong> Entlastung bräuchten. Wir als Schwestern können das<br />

lei<strong>der</strong> nicht bieten, aber es gibt die Möglichkeit von ehrenamtlichen Hospizhelfern.<br />

• Übersicht über die Hilfen. Hinweis: Einsatz nach Bedarf; Hilfe kostenlos; <strong>kein</strong>e Mitgliedschaft<br />

notwendig, speziell ausgebildete <strong>und</strong> erfahrene Frauen <strong>und</strong> Männer; Schweigepflicht.<br />

• Zur Ermutigung positive Erfahrung ein- bringen: "Ich kann bestätigen, dass Hospizhelfer<br />

schon oft geholfen haben. Und es erleichtert mich auch als Pflegekraft, wenn ich weiß,<br />

dass Sie noch zusätzlich unterstützt werden ..." O<strong>der</strong>: "Ich kenne einige Helfer persönlich.<br />

• Hemmschwelle "unbekanntes Angebot": Hinweisen auf telefonische Beratung. "Soll<br />

ich <strong>der</strong> Hospiz-Einsatzleitung Bescheid geben, dass sie bei Ihnen anruft, um Sie zu beraten?<br />

Das ist völlig unverbindlich ..." Weitergeben des � Faltblattes "Hospizhelferdienst".<br />

"Sie können das, was ich gesagt habe, noch einmal in Ruhe nachlesen <strong>und</strong> sich<br />

durch den Kopf gehen lassen ..."<br />

• Auf Offenheit des Angebotes hinweisen: "Es lässt sich alles besprechen <strong>und</strong> abklären ..."<br />

• Hemmschwelle "frem<strong>der</strong> Mensch im Haus": Darauf hinweisen: "Ich kann mir vorstellen,<br />

dass man einen fremden Menschen zunächst nur ungern im Haus hat ... Die Hilfe ist<br />

immer erst einmal auf Probe zum Beschnuppern. Sie müssen den Helfer auch nicht unterhalten.<br />

Und es ist auch in Ordnung, wenn Sie ihn nicht (mehr) brauchen. Das ist völlig<br />

unkompliziert ..."<br />

• Erinnern: "Ich war als Pflegekraft auch einmal eine Fremde für Sie ..."<br />

Auswertung (bezogen auf Ziele)<br />

• PDL fragt in Teamgesprächen nach, ob Pflegekräfte den Einsatz von Hospizhelfern erwägen.<br />

Es wird geklärt, wie man konkret das Angebot einbringen könnte <strong>und</strong> welche<br />

Hemmschwellen in <strong>der</strong> betroffenen Familie gesehen werden. Das �� Faltblatt "Hospizhelferdienst"<br />

liegt in <strong>der</strong> Sozialstation zum Mitnehmen auf.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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• Der persönliche Kontakt zwischen den Pflegekräften <strong>der</strong> Sozialstation / Kurzzeitpflege<br />

<strong>und</strong> den Hospizhelfern wird durch gemeinsame Fortbildungen gepflegt. Bei diesen Fortbildungen<br />

werden auch auftauchende sachliche Fragen <strong>und</strong> persönliche Erfahrungen<br />

zum Einsatz von Hospizhelfern ausgetauscht.<br />

• Wenn es zur praktischen Begleitung durch Hospizhelferinnen kommt, achten die Pflegekräfte<br />

aufmerksam darauf, wie die Hilfe ankommt. Auffallende Störungen werden an die<br />

Einsatzleitung des Hospizvereines weitergegeben.<br />

• Bei praktischen Einsätzen suchen die eingesetzten Pflegekräfte nach Bedarf telefonisch<br />

o<strong>der</strong> persönlich den Kontakt mit den jeweiligen Hospizhelfern / Einsatzleitung, um sich<br />

über die Hilfe o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungen abzustimmen.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Gr<strong>und</strong>lagentext <strong>und</strong> Handlungsanleitung<br />

Hilfreiche Rituale entwickeln 1<br />

Rituale im Team selbst entwickeln – Ein „Bastelkurs“ für Rituale<br />

Einleitung<br />

"Unsere Kultur ist arm geworden an Ritualen für die wichtigen Lebensübergänge, z.B. in Zeiten<br />

<strong>der</strong> Trauer!", lautet eine Klage. „Von den eigentlichen Ritualen blieb nichts o<strong>der</strong> wenig.<br />

Dennoch ist ein Bedürfnis nach dem, was die Rituale leisteten, noch o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> vorhanden.“<br />

(FLAMMER 2004: 28) Diese kulturelle Entwicklung bringt Belastungen, birgt aber auch Chancen.<br />

Sicher: Es fehlen uns einerseits tradierte hilfreiche Orientierungen in Zeiten von Krisen<br />

<strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>ung. An<strong>der</strong>erseits sind wir aber auch frei geworden von den damit oft verb<strong>und</strong>enen<br />

Zwängen o<strong>der</strong> sinnentleerten Verhaltensweisen. Wir können selbst stimmige Rituale für<br />

<strong>und</strong> mit den eigenen Lebens- <strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaften (z. B. Familie <strong>und</strong> Team) kreieren.<br />

Diese Kreativität will dieser Beitrag för<strong>der</strong>n. Etwas despektierlich formuliert: Die Arbeitseinheit<br />

ist wie ein kleiner „Koch- o<strong>der</strong> Bastelkurs“ aufgebaut. Zunächst sichte ich die nötigen Zutaten<br />

o<strong>der</strong> Rohstoffe für Rituale in Form einer Definition ausgebreitet <strong>und</strong> gesichtet. Aus Definition<br />

(„Man nehme …“), Wirkungsweisen <strong>und</strong> Ablaufphasen entsteht sozusagen ein Gr<strong>und</strong>rezept,<br />

das über die „rituellen Gr<strong>und</strong>themen“ mit Gestaltungsmöglichkeiten angereichert wird.<br />

In die Form von Leitfragen gegossen, lassen sich daraus für alle möglichen Übergangssituationen<br />

im Heim Ideen entwickeln. Die verschiedenen Rituale, die wir an an<strong>der</strong>e Stelle in dieser<br />

Arbeitshilfe bereits vorgestellt haben, sind mit Hilfe dieser Leitfragen entstanden <strong>und</strong> strukturiert<br />

worden. Zwei weitere Beispiele („Sich frei schreiben“ <strong>und</strong> "Alte <strong>und</strong> neue Hospizgruppe<br />

von Ehrenamtlichen verbinden“) aus <strong>der</strong> „Ritual-Küche“ von Projekten habe ich diesem Text<br />

beigefügt.<br />

1<br />

Der Beitrag basiert auf meinen Materialien zum Unterricht, z. T. veröffentlicht auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für<br />

Palliativmedizin, Projekt: Palliative Care – Lehren, Lernen, Leben.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Das „Geheimnis“: Was sind eigentlich Rituale?<br />

Fünf Merkmale einer beson<strong>der</strong>en Handlung<br />

Rituale erleben eine gewisse Renaissance o<strong>der</strong> Konjunktur in <strong>der</strong> Aufmerksamkeit. Noch in<br />

den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren wurde in <strong>der</strong> sozialwissenschaftlichen Auslegung „Ritual“ begrifflich<br />

eingeschmolzen <strong>und</strong> für alle Formen von Routine (z. B. Samstagseinkauf beim Bäcker, jahreszeitlicher<br />

Wechsel von Autoreifen) verwendet, bzw. vor allem als Herrschaftsinstrument<br />

verdächtigt. Auch in <strong>der</strong> Pflegetheorie wird Ritual oft synonym für „routinierte Handlungen“ benutzt,<br />

z. B. für einen bestimmten Ablauf, mit <strong>der</strong> ein Bewohner zu Bett gebracht wird. „Ritual"<br />

wird deswegen begrifflich oft verwechselt mit "Gewohnheit". Eine Unterscheidung lohnt sich,<br />

weil klare Merkmale es uns erleichtern, Rituale zu entwickeln.<br />

Definition<br />

Ritual = Handlungen mit … Gewohnheit = Handlungen mit …<br />

1. mit einem geregelten, wie<strong>der</strong>holbaren Ablauf<br />

2. mit hoher Aufmerksamkeit<br />

3. mit Symbolisierungen zelebriert<br />

4. mit emotionaler Beteiligung vollzogen<br />

5. mit persönlichem Sinn gefüllt<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

mit einem geregelten, wie<strong>der</strong>holbaren Ablauf<br />

ohne beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit<br />

praktisch ausgerichtet<br />

ohne Gefühlsbeteiligung, "automatisch"<br />

ohne bewusste Bedeutung, nur zweckmäßig (Vereinfachung)<br />

�� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />

Fließende Übergänge:<br />

Großes Ritual (Zeremonie) - Kleines Ritual (ritualisierte Handlung) - Gewohnheit<br />

Es wird dabei deutlich:<br />

• Weniger das Was (ich mache) ist entscheidend für ein Ritual, son<strong>der</strong>n das Wie (ich es vollziehe). Beispiel:<br />

Wenn wir eine Kerze anzünden o<strong>der</strong> löschen o<strong>der</strong> wenn wir einen Verstorbenen waschen, kann das als<br />

schnelle, gedankenlose, funktionell ausgerichtete Routine geschehen; wir können dieselbe Handlung aber<br />

auch durch Aufmerksamkeit <strong>und</strong> symbolisch verstanden zum rituellen Akt erheben.<br />

• Der Übergang ist oft fließend. Ein Ritual kann zur Gewohnheit verflachen o<strong>der</strong> umgekehrt eine Gewohnheit<br />

kann zum Ritual erhoben werden (Beispiel: Aus dem äußerlichen Duschen wird eine „innere Reinigung“: Ich<br />

stelle mir dabei vor, wie Belastungen <strong>und</strong> Sorgen abgespült werden <strong>und</strong> im Abfluss verschwinden …)<br />

• Abschiedsrituale (im Heim) müssen auch <strong>kein</strong>e aufwendigen, groß angelegten Zeremonien sein. Das Einfache<br />

wirkt.<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Erläuterungen zur Definition<br />

Geregelter, wie<strong>der</strong>holbarer Ablauf<br />

Eine Gemeinsamkeit von Ritualen <strong>und</strong> Gewohnheiten führt zur Verwechslung: Beide haben<br />

einen geregelten, wie<strong>der</strong>holbaren Ablauf. (Übergangs-)Rituale folgen allerdings einem beson<strong>der</strong>en,<br />

unterschwelligen Muster, die einen Übergang o<strong>der</strong> Wechsel gestalten. Gewohnheiten<br />

haben diese innere Ordnung nicht. Hier beginnen bereits wesentliche Unterschiede.<br />

Hohe Aufmerksamkeit<br />

Rituale können nicht beiläufig, nebenher praktiziert werden, son<strong>der</strong>n brauchen Aufmerksamkeit.<br />

Es muss klar sein <strong>und</strong> durch den Rahmen gesichert: Ich begehe ein Ritual. Sie benötigen<br />

eine Art "feierlicher Absicht". (FISCHEDICK, 2004: 15).<br />

Wenn ich dagegen mein morgendliches Programm starte, geschieht das ohne Aufmerksamkeit.<br />

Es funktioniert im Halbschlaf: Teewasser aufstellen, Zähneputzen, Rasieren, Duschen -<br />

das spart Zeit, braucht <strong>kein</strong>e Konzentration. Eine Gewohnheit.<br />

Symbolisierungen<br />

Kern von Ritualen sind Symbolisierungen (z.B. durch Gebärden, Gegenstände, Musik, Düfte),<br />

die in sinnlich wahrnehmbarer Gestalt Gefühle <strong>und</strong> Beziehungen ausdrücken <strong>und</strong> formen.<br />

Symbole sind vieldeutig <strong>und</strong> erlauben auch, Wi<strong>der</strong>sprüchliches <strong>und</strong> Unsagbares auszudrücken.<br />

Dabei kann alles mit Bedeutung aufgeladen werden. Beispiel: Die Lesebrille, die ein Verstorbene<br />

immer getragen hat, wird auf dem Erinnerungstischchen vor seiner Tür zum wichtigen,<br />

symbolischen Gegenstand werden, die diesen toten Menschen repräsentiert mit seiner Lesefreude,<br />

kritischen Sichtweise usw. Die Krücke, die er in den letzten Monaten gebraucht hat, erinnert<br />

mit ihren Gebrauchsspuren <strong>und</strong> Narben als Sinnbild seiner Tapferkeit .<br />

Beispiel: Ich kann eine Kerze am Abend ganz praktisch <strong>und</strong> gewohnheitsmäßig anzünden, um<br />

mir etwas stimmungsvolle Beleuchtung zu verschaffen. Ich kann dieses "Universalsymbol"<br />

aber auch entzünden als tieferes Zeichen für eine innere Verb<strong>und</strong>enheit mit einem Menschen.<br />

Ausdruck von Emotion <strong>und</strong> Beziehung<br />

Rituale lösen Emotionen aus <strong>und</strong> geben ihnen gleichzeitig Form <strong>und</strong> Halt. Gleichzeitig können<br />

auch Beziehungen symbolisch geordnet werden, z.B. ein Wechsel im Status. Beispiel: In einem<br />

"Ritual für Paare, die sich trennen" des Evangelischen Beratungszentrums <strong>München</strong> e.V.<br />

(o.J.) kommt das Paar durch eine Türe in den Raum. Es wird erinnert an die "guten Zeiten"<br />

<strong>und</strong> es werden (in Formeln) Schuld <strong>und</strong> Vergebung sowie die eigenen Anteile an <strong>der</strong> Trennung<br />

eingestanden. Mit <strong>der</strong> Rückgabe <strong>der</strong> Ringe geben sich die Partner frei. Fürbitten thematisieren<br />

die Zukunft. Die Getrennten verlassen den Raum in verschiedenen Richtungen.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Sinn<br />

Rituale müssen als persönlich sinnvoll erlebt werden, um wirksam zu sein. Wenn ich als Tourist<br />

bei einem exotischen Regentanz zu sehen, ist es für mich <strong>kein</strong> Ritual, son<strong>der</strong>n ein folkloristisches<br />

Event. Wir erleben viele Rituale als persönlich entleert. Sie werden zum Brauch,<br />

weil man es eben so macht, o<strong>der</strong> vielleicht sogar zur Zwangsveranstaltung.<br />

Gewohnheiten benötigen dagegen <strong>kein</strong>e innere Sinnfüllung. Sie genügen nur einem Zweck:<br />

<strong>der</strong> Vereinfachung des täglichen Lebens.<br />

Die „Kräfte“: Wie wirken Rituale?<br />

Vier Funktionen o<strong>der</strong> Wirkungsweisen guter Rituale<br />

Rituale helfen "Schwellen- <strong>und</strong> Krisensituationen" zu bewältigen. Sie entfalten dabei in unterschiedlicher<br />

Weise vier Funktionen:<br />

• Die psychische Funktion von Ritualen<br />

Sie geben unterschiedlichen Gefühlen Ausdruck, lösen sie aus, dosieren <strong>und</strong> ordnen sie<br />

aber auch gleichzeitig. Gefühle bekommen eine Fassung.<br />

• Die soziale Funktion von Ritualen<br />

Sie führen Menschen zusammen (o<strong>der</strong> trennen sie), vermitteln Solidarität, verteilen klare<br />

Status <strong>und</strong> Rollen o<strong>der</strong> schaffen Schutzräume.<br />

• Die spirituelle Funktion von Ritualen<br />

Sie gestalten symbolisch existenzielle Fragen nach Sinn (Wozu erlebe ich das?), Identität<br />

("Wer bin ich?“) <strong>und</strong> Perspektiven (Wohin geht mein neue Weg?)<br />

• Die zeitliche Funktion von Ritualen<br />

Sie dienen <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong>ung eines Prozesses <strong>und</strong> setzen einen klaren Anfang <strong>und</strong> ein Ende.<br />

Erläuterungen zu den Funktionen<br />

Die psychische Funktion von Ritualen<br />

Sie geben unterschiedlichen Gefühlen Raum, dosieren <strong>und</strong> ordnen sie. "Trauer braucht Ausdruck!"<br />

Rituale können über symbolische Handlungen (Gebärden, Musik, usw.) Trauer ins<br />

Fließen bringen. Symbole sind ja die Sprache unserer Seele. Gleichzeitig geben sie Halt. Psychologische<br />

Untersuchungen (CANACAKIS 1987) belegen: man kann sich über Rituale „ges<strong>und</strong><br />

trauern“. Aber nicht jedes Ritual ist in diesem Sinne hilfreich. Als sinnentleerte Zwangsrituale<br />

können sie auch blockierend wirken. Gute Rituale dagegen bieten Möglichkeiten für wi<strong>der</strong>sprüchliche<br />

Gefühle (z.B. Wut, Dankbarkeit) <strong>und</strong> lassen Platz für eigene Ausdrucksformen.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Die soziale Funktion von Ritualen<br />

Sie führen Menschen zusammen (o<strong>der</strong> trennen sie) <strong>und</strong> verteilen klare Rollen. "Trauer braucht<br />

Gemeinschaft!" Rituale organisieren <strong>und</strong> demonstrieren Solidarität <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>enheit (z.B.<br />

Ritual "Nachbarn kochen für Trauernde"). Sie legen auch neue Rollen fest <strong>und</strong> machen sie<br />

sichtbar.<br />

Die spirituelle Funktion<br />

Rituale gestalten existentielle Fragen ("Wer bin ich? Wozu lebe ich? Wohin sterbe ich?) Rituale<br />

berühren uns in unserer existentiellen Tiefe <strong>und</strong> drücken Vertrauen in eine höhere Ordnung<br />

aus. Wir können damit wichtige Punkte unseres Lebens markieren <strong>und</strong> deuten auf symbolische<br />

Weise den möglichen Sinn von alltäglichen Grenzen <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>en Krisen <strong>und</strong> Übergängen<br />

(z.B. neuer Tag, neue Arbeitsstelle, Trennung einer Beziehung)<br />

Die zeitliche Funktion<br />

Sie dienen <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong>ung eines Prozesses <strong>und</strong> schaffen einen zeitlichen Rahmen. "Trauer<br />

braucht Zeit!" Rituale, z.B. <strong>der</strong> Erinnerung, ermöglichen, immer wie<strong>der</strong> für eine bestimmte Zeit<br />

in die Trauer zu gehen. Gleichzeitig setzen Rituale auch ein gutes Ende, um in den (pflegerischen)<br />

Alltag wechseln zu können.<br />

"Die Funktion des Rituals, wie ich es verstehe, ist es, dem menschlichen Leben Form zu verleihen, <strong>und</strong> zwar nicht<br />

durch ein bloßes Ordnen auf <strong>der</strong> Oberfläche, son<strong>der</strong>n in seiner Tiefe." (Joseph CAMPBELL, amerikanischer Mythenforscher;<br />

zitiert nach VON WELTZIEN, 1997: 8)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Die Dramaturgie: Wie verlaufen Rituale?<br />

Drei Phasen bei (Übergangs-) Ritualen<br />

Einen wun<strong>der</strong>baren roten Faden, um Rituale praktisch zu entwickeln, liefern die Forschungen<br />

von VAN GENNEP. Der Völkerk<strong>und</strong>ler entdeckte bereits vor hun<strong>der</strong>t Jahren, dass die großen<br />

Übergangsrituale - bei aller Vielfalt <strong>der</strong> kulturellen Formen - unterschwellig immer in drei Phasen<br />

geglie<strong>der</strong>t sind. Ich spiele die drei Phasen am Beispiel einer Erdbestattung mit Trauerfeier<br />

durch:<br />

1. Phase: Loslösung (durch Erinnerung)<br />

Beispiel: Bei Bestattungen lösen wir uns durch die persönlichen o<strong>der</strong> offiziellen Erinnerungen<br />

an den Verstorbenen. Wer war dieser Mensch? Wie war meine Beziehung zu ihm? Wo bin<br />

ich dem Verstorbenen dankbar? Wir können uns nur lösen, wenn wir uns unserer Verb<strong>und</strong>enheit<br />

vergewissern!<br />

2. Phase: Übergang (Höhepunkt / Schwelle)<br />

Beispiel: Bei Erdbestattungen ist <strong>der</strong> Übergang jener dramatische Augenblick, wenn <strong>der</strong> Sarg<br />

abgesenkt wird. Jetzt wird sichtbar: Der Verstorbene ist nicht mehr leiblich auf <strong>der</strong> Erde, son<strong>der</strong>n<br />

muss Platz finden im "Herzen <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Erinnerung".<br />

3. Phase <strong>der</strong> Neuanbindung (durch Ausblick)<br />

Beispiel: Der "Leichenschmaus" - wie immer man auch dazu stehen mag - kann für diese<br />

Phase stehen. Man vergewissert sich <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>und</strong> kehrt sinnlich <strong>und</strong> sinnfällig durch<br />

das gemeinsame Essen ins Leben zurück. Das ist auch – symbolisch vorweggenommen - die<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Trauernden auf ihrem weiteren, oft langen Trauerweg.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Rituale: Türen zu neuem Leben<br />

Typische Übergangssituationen in Institutionen<br />

Rituale können wertvolle Hilfen bei (schwierigen) Übergängen sein. Gerade das Leben <strong>und</strong><br />

Arbeiten in einer Einrichtung wie Krankenhaus, Pflegeheim o<strong>der</strong> Hospiz ist von solchen Übergängen<br />

o<strong>der</strong> Grenzen durchzogen. Das Phasenmodel <strong>der</strong> Rituale kann nun als eine Art<br />

„Bastelanleitung“ dienen, um eigene Rituale für den Arbeitsbereich zu entwickeln o<strong>der</strong> vorhandene<br />

auf ihre Stimmigkeit hin zu prüfen.<br />

Beispiele für große <strong>und</strong> kleine Übergangssituationen im Heim<br />

• Aufnahme, Einzug im Heim<br />

• Verän<strong>der</strong>ungen im Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />

• Geburtstage<br />

• Jahrestage<br />

• Teamtreffen eröffnen <strong>und</strong> schließen<br />

• Versorgung Verstorbener<br />

• Aufbahrung<br />

• Verabschiedung<br />

• Geleit von Verstorbenen<br />

• Gedenken an Verstorbene<br />

• Aufnahme ins Team<br />

• Abschied aus dem Team<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Trennung, Segen, Dank … ausdrücken<br />

Rituelle Gr<strong>und</strong>themen <strong>und</strong> Beispiele für ihre Gestaltung<br />

In Palliative Care – <strong>und</strong> natürlich nicht nur da - gibt es existenzielle Gr<strong>und</strong>themen, die rituell<br />

gestaltet werden können. Oft werden diese Themen mit ähnlichen symbolischen Handlungen<br />

inszeniert. Die Übersicht zeigt Beispiele <strong>und</strong> sammelt weitere Möglichkeiten <strong>der</strong> symbolischen<br />

Gestaltung. So entsteht ein kleines Repertoire symbolischer Handlungen, das Ihre Kreativität<br />

für die Entwicklung konkreter Rituale inspirieren kann. (Vgl. FISCHEDICK 2004: 122 f.)<br />

Gr<strong>und</strong>thema<br />

Annahme mit <strong>der</strong> Aufgabe,<br />

einverstanden zu<br />

werden, sich einzulassen<br />

Trennung mit <strong>der</strong> Aufgabe,<br />

sich zu lösen,<br />

Vergangenes zu würdigen,<br />

freizugeben <strong>und</strong><br />

frei zu werden, etwas<br />

abzuschließen<br />

Verwandlung mit <strong>der</strong><br />

Aufgabe, Einstellungen<br />

<strong>und</strong> Bewertungen zu<br />

än<strong>der</strong>n<br />

Reinigung<br />

Dank<br />

Schutz, Abwehr<br />

Segen, Zuspruch<br />

Beispiele für symbolische<br />

Handlungen<br />

Hände öffnen, Symbol in die<br />

Hand nehmen, etwas zum Herzen<br />

führen, eine symbolische<br />

Verbindung knüpfen, auf etwas<br />

zugehen, sich verbeugen<br />

Zerschneiden, zerschlagen, eine<br />

symbolische Bindung durchtrennen,<br />

zurückgeben, verneigen,<br />

sich abwenden, weggehen<br />

Verbrennen, verzieren, waschen,<br />

Kleidung wechseln, etwas<br />

wegschwimmen lassen, etwas<br />

dem Wind überlassen, etwas<br />

in die Erde bringen<br />

Baden, duschen, untertauchen,<br />

Teilwaschungen, Salbungen,<br />

räuchern, etwas ablegen<br />

Etwas opfern, hergeben,<br />

schmücken, verteilen, sich verneigen<br />

Mit Zeichen versehen, Handauflegen,<br />

Salbungen, Kreis bilden,<br />

räuchern<br />

Handauflegen, mit Zeichen versehen,<br />

Salbung<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Beispiel innerhalb eines konkreten<br />

Rituals<br />

Mit einer farbig durchwirkten kräftigen Schnur haben<br />

sich die Teilnehmer eines Hospizkurses in <strong>der</strong> Form eines<br />

Netzes verb<strong>und</strong>en.<br />

Beim Abschied aus einem Team schneidet die ausscheidende<br />

Kollegin als Zeichen <strong>der</strong> Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong><br />

Trennung ein Stück Schnur ab, das die an<strong>der</strong>en<br />

Teammitglie<strong>der</strong> halten.<br />

Die Teilnehmer einer Gruppe trauern<strong>der</strong> Angehörigen<br />

setzen in Form von Papierschiffchen Sätze ihrer Trauer<br />

in einen Fluss.. Bei einem Gedenkritual für trauernde<br />

Angehörige nehmen sich die Teilnehmer Samen (z. B.<br />

Wildblumen-Mischung o<strong>der</strong> Kerne von Sonnenblumen)<br />

aus einer Schale mit dem Impuls: Was lebt vom Verstorbenen<br />

in mir weiter?<br />

Die Teilnehmer einer Inhouse-Fortbildung Palliativpflege<br />

streichen symbolisch zu Beginn einer Unterrichtsst<strong>und</strong>e<br />

Alltagsbelastungen ab.<br />

Die Teilnehmer verneigen sich nach einer intensiven<br />

Erzählr<strong>und</strong>e über persönliche Erlebnisse voreinan<strong>der</strong><br />

im Kreis.<br />

Am Ende eines Kurstages bilden die Teilnehmer einen<br />

Kreis <strong>und</strong> ziehen sich für die Rückkehr in den Alltag<br />

durch Streichungen mit den Händen symbolisch einen<br />

schützenden Mantel an<br />

Der neu eingezogene Heimbewohner schreibt eine<br />

Hoffnung o<strong>der</strong> „Fürbitte“ für den nächsten Lebensabschnitt<br />

auf eine Bildkarte, die er sich ausgesucht hat,<br />

<strong>und</strong> stellt diese auf.<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Rituale kreativ entwickeln<br />

Eine Handlungsanleitung<br />

„Der Einsatz von Ritualen (…) an Sterbenden kann sehr hilfreich <strong>und</strong> stärkend sein. Im Zeitalter <strong>der</strong> Säkularisierung<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Individualisierung müssen solche Rituale aber nicht nur gut inszeniert, son<strong>der</strong>n auch sorgfältig<br />

geplant <strong>und</strong> ihr Einsatz in mehrfacher Hinsicht überlegt werden: Passt das Ritual zum Patienten <strong>und</strong> seiner Situation?<br />

Bin ich (…) in <strong>der</strong> Ausführung dieses Rituals sicher <strong>und</strong> erlebe ich es selbst als orientierend? Wer<br />

wünscht den Einsatz dieses Rituals – <strong>der</strong> Patient o<strong>der</strong> die Angehörigen? Werden solche Fragen nicht hinreichend<br />

vor dem Einsatz eines Rituals geklärt, können sie stärker verunsichern als orientieren <strong>und</strong> drohen ‚sehr<br />

schnell zu Klischees zu verkommen’ (…) Rituale sollten einen sinnvollen Platz innerhalb einer Begleitung haben,<br />

sie ersetzen die Begleitung nicht: ‚Das Ritual kanalisiert Emotionen, aber diese Emotionen <strong>der</strong> Angst, <strong>der</strong><br />

Schuld, <strong>der</strong> Verzweiflung müssen … durchgearbeitet werden.’ 1 “ (LILIE 2003: 86)<br />

Rituale lassen sich nicht einfach kopieren <strong>und</strong> blind übernehmen. Am besten sind eigene<br />

Ideen, die auch die Personen <strong>und</strong> Möglichkeiten vor Ort im Blick haben. Die Merkmale <strong>und</strong><br />

Funktionen von Ritualen sind in Leitfragen umformuliert, die das Nachdenken unterstützen<br />

sollen. Insbeson<strong>der</strong>e das Phasenmodel <strong>der</strong> Rituale kann als eine Art „Bastelanleitung“ genutzt<br />

werden, um (im Team) eigene Rituale für den Arbeitsbereich zu entwickeln o<strong>der</strong> vorhandene<br />

auf ihre Stimmigkeit hin zu prüfen. Hinweis: Die Beispiele im Anschluss sind entsprechend<br />

dieser Anleitung aufgebaut <strong>und</strong> können als Orientierung dienen.<br />

Anleitung<br />

Für welche (Übergangs-)Situation ist das Ritual gedacht? Gibt es einen guten Titel?<br />

Wer sind die beteiligten Personen? Wie ist <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Betroffenheit?<br />

Durch wen könnte das Ritual angeboten werden? Wer übernimmt die „Regie“? (Verantwortlich?)<br />

Soll es offiziell als Ritual bezeichnet <strong>und</strong> eingeführt werden?<br />

Wie sieht <strong>der</strong> zeitliche <strong>und</strong> räumliche Rahmen aus? Was wäre günstig?<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Übergreifende Fragen: Wie könnten die einzelnen Phasen des Rituals gestaltet werden?<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Übergreifende Fragen: Wie könnten die einzelnen Phasen des Rituals gestaltet werden?<br />

Welche Symbole (Handlungen, Musik, Objekte, Bil<strong>der</strong>) sind dabei den Beteiligten zugänglich<br />

<strong>und</strong> nicht zu fremd o<strong>der</strong> von vielleicht unerwünschten Bedeutungen überlagert? Gibt es<br />

vielleicht „ein tragendes Symbol“ im Ritual? Welche rituellen Gr<strong>und</strong>themen tauchen auf (z.<br />

B. Dank, Schuld usw.) Welche Gefühle könnten dabei im Ritual einen (symbolischen) Ausdruck<br />

bekommen? Was passt zu <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Beziehung <strong>der</strong> Beteiligten?<br />

Ideen für die Eröffnung?<br />

Ideen für Phase 1: Loslösung?<br />

Ideen für Phase 2: Wie könnte <strong>der</strong> Höhepunkt / Wendepunkt markiert werden?<br />

Ideen für Phase 3: Neuanbindung <strong>und</strong> Ausblick?<br />

Ideen für den Abschluss?<br />

1<br />

JOSUTTIS M.: Praxis des Evangeliums zwischen Politik <strong>und</strong> Religion. Gr<strong>und</strong>probleme <strong>der</strong> Praktischen Theologie. Gütersloher<br />

Verlagshaus, Gütersloh 1988, 199<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Beispiele: Kleinstrituale im (pflegerischen) Alltag<br />

Schnelle Schleusen für die täglichen Übergänge<br />

Als Pflegekräfte wan<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> eilen Sie ständig zwischen unterschiedlichen Welten: In einem<br />

Zimmer wird vielleicht gefeiert <strong>und</strong> gescherzt, in einem an<strong>der</strong>en wartet jemand auf einen Bef<strong>und</strong>,<br />

im nächsten wird gestorben <strong>und</strong> getrauert. Und diese Welten sind nur wenige Meter<br />

voneinan<strong>der</strong> getrennt … Wie ist dieser Wechsel zu verkraften? O<strong>der</strong> wie kann man „heil“ aus<br />

<strong>der</strong> beruflichen in die private Welt zurückkehren – <strong>und</strong> umgekehrt? Rituelle Handlungen können<br />

hier wie eine Art „Schleuse“ wirken, um eine Metapher von E. SCHÜTZEN-DORF (2006)<br />

aufzunehmen.<br />

Beispiele für kleine, persönliche rituelle Handlungen<br />

• Die Arbeitskleidung bewusst am Ende des Tages ausziehen <strong>und</strong> aufhängen<br />

• In die Arbeitskleidung (<strong>und</strong> die berufliche Rolle) schlüpfen wie in einen dünnen Schutzmantel<br />

• Einen kleinen Stein (symbolisch für das kommende Schwere) vor <strong>der</strong> Arbeit in die Tasche<br />

stecken <strong>und</strong> ihn nach <strong>der</strong> Arbeit bewusst wie<strong>der</strong> ablegen<br />

• Sich vor dem Patientenzimmer gedanklich sammeln <strong>und</strong> auf die Person hinter <strong>der</strong> Tür<br />

vorbereiten <strong>und</strong> drei Mal vor <strong>der</strong> Tür tief durchatmen.<br />

• Den Arbeitsplatz bewusst am Ende des Tages aufräumen<br />

• Die ablaufende Musik einer Spieluhr im Zimmer einer Heimbewohnerin fungiert als Abschiedsritual<br />

nach <strong>der</strong> pflegerischen Tätigkeit<br />

• …<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Ritual-Beispiel1: Sich „frei“ schreiben<br />

Ein Brief-Ritual als persönliche Bewältigungshilfe<br />

Schreiben schützt <strong>und</strong> stützt. Es erlaubt nach Worten zu tasten <strong>und</strong> zwingt zu einer gewissen<br />

Klarheit <strong>der</strong> Gedanken. Das Medium des Briefes kann sowohl eine gute Anregung für Patienten<br />

o<strong>der</strong> Bewohner (Beispiel STÄHLI 2004: 44) als auch für Angehörige <strong>und</strong> Pflegekräfte sein,<br />

sich „frei zu schreiben“.<br />

Das Ritual ist hier als ein nachträgliches Abschiednehmen von verstorbenen Menschen inszeniert.<br />

Natürlich könnte <strong>der</strong> Adressat des schriftlichen Zwiegesprächs auch eine lebende Person<br />

sein, <strong>der</strong> gegenüber man sich schuldig fühlt. Häufig fehlen bei einem Abschied die Worte.<br />

Worte können Schlüssel sein, um sich „los zu schließen“. Worte, die ich gerne noch gesagt<br />

hätte, o<strong>der</strong> Worte, die ich gerne noch gehört hätte … Es gilt etwas nachzutragen, damit ich<br />

nicht „nachtragend“ werde. Das folgende Ritual bietet über das Medium eines Briefes an<br />

den/die Verstorbene/n die Chance, in einen inneren Kontakt zu kommen, etwas zu klären <strong>und</strong><br />

die Erinnerung gut in das eigene Leben zu integrieren.<br />

Durchführung<br />

1. Phase: Rückbesinnung = Loslösung<br />

Um mit <strong>der</strong>/dem Verstorbene/n in einen inneren Kontakt zu kommen, suchen Sie eine symbolische<br />

Tätigkeit, die Sie mit <strong>der</strong>/dem Verstorbenen verb<strong>und</strong>en hat. Beispiele: Teetrinken aus<br />

dem Lieblingsgeschirr <strong>der</strong> Verstorbenen o<strong>der</strong> etwas backen, was Sie <strong>und</strong> er/sie gerne gegessen<br />

haben o<strong>der</strong> eine Musik hören, die Sie erinnert. Vielleicht gibt es einen Platz/Ort, an dem<br />

Sie sich <strong>der</strong>/m Verstorbene/n nahe fühlen …<br />

2. Höhepunkt = Übergang, Verwandlung<br />

• Zur Einstimmung auf das Schreiben können Sie eine Kerze anzünden.<br />

• Schreiben Sie <strong>der</strong>/dem Verstorbene/n einen Brief mit direkter Anrede.<br />

• Hilfen zum Nachdenken <strong>und</strong> Schreiben:<br />

• Was liegt mir noch am Herzen o<strong>der</strong> geht mir immer wie<strong>der</strong> durch den Kopf?<br />

• Was hätte ich gerne noch gesagt?<br />

• Was hätte ich umgekehrt gerne noch vom/von <strong>der</strong> Verstorbenen gehört? Was hätte ich noch gebraucht?<br />

• Was hat mich vielleicht verletzt?<br />

• Was bin ich schuldig geblieben?<br />

• Was tut mir leid?<br />

• Was verzeihe ich?<br />

• Wofür bin ich nicht verantwortlich, weil es nicht in meiner Macht war?<br />

• Wofür bin ich dankbar?<br />

• Was braucht noch Zeit? Welche Erfahrung nehme ich für mein weiteres Leben an?<br />

• Wo erbitte ich Hilfe?<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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• Fühlt es sich leicht an? Lassen Sie den Brief eine Weile ruhen. Was würde wohl <strong>der</strong>/die<br />

Verstorbene zu diesem Brief sagen?<br />

3. Phase = Neuanbindung<br />

Was möchten Sie mit dem Brief machen? Folgen Sie dabei Ihrer Intuition. Beispiele: Sie können<br />

den Brief verbrennen, wegschwimmen lassen, vergraben. Sie können den Brief jemanden<br />

Vertrauten vorlesen, sozusagen als Zeugen. Das entfaltet oft noch einmal eine ganz eigene,<br />

heilsame Kraft.<br />

Beispiel: „Herr S. wirkt bedrückt. Er erlebt sich selbst wie von einem fest gefügten Panzer umschlossen. Herr S. hat<br />

in dieser Enge wie<strong>der</strong>holt das Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen. Als wir den Patienten einmal fragen, was<br />

ihn belaste, antwortet er, er spüre Schuld gegenüberseiner Ehefrau, die seit einigen Jahren in einem Pflegeheim<br />

sei. (Herr S. sah seine Frau zuletzt vor etwa zwei Jahren). Er müsse die meiste Zeit des Tages <strong>und</strong> <strong>der</strong> Nacht an<br />

sie denken. Die Stieftochter des Patienten bezeichnet Herrn S. vor seiner Krankheit als einen Menschen, <strong>der</strong> nur<br />

an sich gedacht habe. Er sei in vielem ein egoistischer Mensch gewesen. So hielt es ihr Stiefvater für nicht erfor<strong>der</strong>lich,<br />

einen Arzt zu verständigen, als seine Frau einen Schlaganfall erlitt. Erst auf ihr Drängen hin sei er dazu bereit<br />

gewesen. Die hinzugezogene Atemtherapeutin des Teams sieht die Atemeinschränkung im Kontext <strong>der</strong> familiären<br />

Beziehung <strong>und</strong> bietet dem Patienten die Möglichkeit eines Rituals an, in welches dieser einwilligt. Den Pflegenden<br />

teilt sie das Gespräch mit. Für etwa eine halbe St<strong>und</strong>e wird eine Kerze auf seinem Nachtkästchen angezündet.<br />

Sie bittet Herrn S. daraufhin, dass er seiner Frau gute, warme <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>liche Gedanken zuschicken möge, wobei<br />

er sein Körperbewusstsein auf sein Herz lenken solle. Sie bestärkt ihn in <strong>der</strong> Vorstellung, dass seine Frau diese<br />

Botschaft wirklich erhalte. Am nächsten Vormittag, als seine Stieftochter zu Besuch ist, können beide im Denken an<br />

seine Frau/ihre Mutter weinen. In einem nächsten Schritt regen wir gegenüber Herrn S. an, während des Abendrituals<br />

eine Fotografie seiner Frau aufzustellen. Die Atemtherapeutin stellt die Frage, inwieweit er sich vorstellen<br />

können, einen Brief an seine Frau zu schreiben, <strong>der</strong> jedoch nicht notwendig abgeschickt müsse. Dort könne alles<br />

das stehen, was ihn belaste, er könne auch um Verzeihung bitten. Am darauf folgenden Tag möchte Herrn S einen<br />

Brief diktieren, doch gelingt ihm nur das Anredewort ‚Liebe ...’ Später gibt er den Inhalt eines ganzen Briefes zur<br />

Nie<strong>der</strong>schrift an, <strong>der</strong> dann seiner Frau von <strong>der</strong> Stieftochter vorgelesen wird. Wir erleben Herrn S. nach <strong>der</strong> Durchführung<br />

dieses Rituals (das Brennen <strong>der</strong> Kerze auf dem Nachtkästchen wird noch längere Zeit beibehalten) deutlich<br />

entlastet. Es fällt etwas von seiner Bedrückung <strong>und</strong> Schwere ab. Ein bewegen<strong>der</strong> Ausdruck davon ist, dass er<br />

mit seiner Stieftochter für einen Augenblick weinen kann. Die Entstehung <strong>und</strong> Durchführung des Rituals ist ein<br />

schönes Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Atemtherapeutin <strong>und</strong> Pflegenden.“ (STÄHLI 2004:<br />

44 f.)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Ritual-Beispiel 2: Alte <strong>und</strong> neue (Hospiz-) Gruppe von Ehrenamtlichen<br />

verbinden<br />

Ein Ritual für den Aufbruch in eine gemeinsame Arbeit<br />

Wie könnten „neue“ <strong>und</strong> „alte“ Hospizgruppen zu einem gemeinsamen Team zusammengeführt<br />

werden? Dieser Vorschlag integriert ein kleineres Abschluss-Ritual für die jeweilige Zusammenarbeit<br />

in den bisherigen Gruppen in ein großes Auftakt-Ritual für eine künftige gemeinsame<br />

Arbeit. („Ritual im Ritual“)<br />

Ritual entwickelt von: Martin Alsheimer, Hospizgruppe Fürstenfeldbruck<br />

Durchführung<br />

Verantwortlich: Koordinatorin des Vereins, weitere Verantwortliche nach Absprache<br />

Vorbereitung/Rahmen/Beteiligte<br />

Stifte, Papier, Kassettenrekor<strong>der</strong>, Sekt, Saft, Gläser, Papier für „Steckbriefe“, neue Gruppenkerze<br />

(Für Varianten: farbige Seidentücher entsprechend <strong>der</strong> Teilnehmerzahl o<strong>der</strong> unterschiedliche<br />

Steine, die beschriftet werden können, z. B. mit Plaka-Farbe o<strong>der</strong> Filzstift, Korb,<br />

Eröffnung;<br />

• Das bisherige Hospizteam <strong>und</strong> die neue, ausgebildete Gruppe treffen sich zunächst getrennt<br />

in zwei Räumen.<br />

• Der Ablauf wird kurz vorgestellt; je ein Verantwortlicher leitet das Ritual in <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Gruppe, gibt die entsprechenden Impulse <strong>und</strong> achtet auf die Zeit.<br />

• Auftakt kann ein Tanz o<strong>der</strong> eine Musik sein, die für die jeweilige Gruppe eine Bedeutung<br />

hat.<br />

• Die jeweilige Gruppenkerze wird entzündet.<br />

1. Phase: Rückbesinnung = Loslösung aus bisheriger Gruppe<br />

• Die Mitglie<strong>der</strong> erhalten Papier <strong>und</strong> Stift, um eine „Patchwork-Rede“ vorzubereiten. Impuls:<br />

Wenn ich an unsere gemeinsame Zeit denke, dann erinnere ich mich (gerne) an …<br />

• Die Mitglie<strong>der</strong> formieren sich zum Kreis. Reihum werden nun die Erinnerungen vorgetragen.<br />

So entsteht eine gemeinsame Abschlussrede. Eine gemeinsame Verbeugung als<br />

Dankeschön für das bisherige Vertrauen schließt die Rede.<br />

• Die einzelnen Gruppenmitglie<strong>der</strong> gestalten nun als Vorbereitung auf das Zusammentreffen<br />

mit <strong>der</strong> unbekannten Gruppe eine Art „Steckbrief“, <strong>der</strong> Persönliches in Stichworten <strong>und</strong><br />

Symbolen festhält. Die möglichen Stichworte <strong>und</strong> Fragen des Steckbriefes werden in <strong>der</strong><br />

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Gruppe ausgewählt. Beispiele: Mein Symbol o<strong>der</strong> mein Lebensmotto …, beson<strong>der</strong>e Interessen,<br />

was ich nicht mag …, eine wichtige Erfahrung für meine Hospizarbeit usw.<br />

2. Phase = Höhepunkt<br />

• Die Gruppen gehen mit ihrer noch brennenden Gruppenkerze in einen neuen Raum (o<strong>der</strong><br />

die „jüngere Gruppe“ geht zur „älteren Gruppe“). Mit dem Feuer <strong>der</strong> beiden Gruppenkerzen<br />

wird die neue Kerze entzündet.<br />

• Die alten Gruppenkerzen werden mit vereinten Kräften ausgepustet.<br />

• Die beiden Gruppen bilden nun einen gemischten Kreis.<br />

• Vorstellungsr<strong>und</strong>e mit Hilfe <strong>der</strong> Steckbriefe<br />

• Gemeinsames Anstoßen mit Saft/Sekt auf die zukünftige Arbeit<br />

• Variante: Die Teilnehmer können jeweils ein farbiges Tuch auswählen, das künftig Ihnen gehört (= tragendes<br />

Symbol für Verbindung, Schutz „Pallium“). An einem Holzreifen knoten nacheinan<strong>der</strong> die Teilnehmer ihr Tuch<br />

fest <strong>und</strong> sprechen dabei jeweils einen Wunsch für die zukünftige Zusammenarbeit aus. Es entsteht aus den<br />

einzelnen Tüchern eine farbiges „Sonnenrad“. Dieses kleine Ritual kann auch zukünftig bei Teamtreffen für die<br />

Einstiegsr<strong>und</strong>e praktiziert werden, evtl. mit einem Impuls zum Ankommen (Wie bin ich heute da?)<br />

• Variante: Die Teilnehmer können jeweils einen Stein aussuchen <strong>und</strong> ihn mit ihrem Amen beschriften. Die Steine<br />

werden in <strong>der</strong> Mitte zu einer Gestalt (Kreis, Spirale o. a.) formiert. Bei diesem Akt werden Wünsche zur<br />

künftigen Hospizarbeit formuliert. Der Steine werden am Ende des Treffens in einen Korb o<strong>der</strong> in eine Schale<br />

gelegt. Sie können bei künftigen Teamtreffen für den Auftakt genutzt werden. Beispiel: Wer ein beson<strong>der</strong>es Anliegen<br />

beim Treffen hat, setzt seinen Stein ins Zentrum.<br />

3. Phase = Neuanbindung<br />

• Für die Teilnehmer bleibt Zeit zum Plau<strong>der</strong>n<br />

• Organisatorisches kann besprochen werden<br />

• Gemeinsamer Kreistanz zum Abschluss<br />

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Literatur zum Thema Rituale<br />

ALSHEIMER M., Aktionsform Ritual. In: ALSHEIMER M, MÜLLER U, PAPENKORT U.: Spielend Kurse planen. Die<br />

Methodenkartothek (nicht nur) für die Erwachsenenbildung. Lexika Verlag, <strong>München</strong> 1996<br />

ALSHEIMER M., STICH V.: Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen. Sterbebegleitung im ambulanten Bereich. Ein Pilot-<br />

Projekt <strong>der</strong> kath.-evang. Sozialstation Füssen <strong>und</strong> des Hospizvereins Ostallgäu. Bayerische Stiftung Hospiz, Bayreuth<br />

2005 (www.bayerische-stiftung-hospiz.de)<br />

BARTOSCH H.: Rituale. In: LILIE, U.; ZWIERLEIN, E. (Hg.): Handbuch integrierte Sterbebegleitung. Gütersloher<br />

Verlagshaus Gütersloh 2004, 115-122<br />

BARTOSCH H.: Rituale an <strong>der</strong> Lebenssschwelle – Das Florence-Nightingale-Krankenhaus <strong>und</strong> seine palliativen Rituale.<br />

In: BARTOSCH H., COENEN-MARX C., ERCKENBRECHT J. F., HELLER A. (Hrsg.): Leben ist kostbar. Der<br />

Palliative Care- <strong>und</strong> Ethikprozess in <strong>der</strong> Kaiserswerther Diakonie. Lambertus Freiburg im Br. 2005, 84-99<br />

BASLÉ B., MAAR N.: Alte Rituale – neue Rituale. Geborgenheit <strong>und</strong> Halt im Familienalltag. Her<strong>der</strong> Verlag, Freiburg,<br />

Basel Wien 1999<br />

BAYER H. J.: „Wie lange ist eigentlich nie mehr?“ Den Alltag menschlich gestalten – neue Rituale entwickeln. In:<br />

SMEDING RM. E: W., HEITKÖNIG-WILP, M. (Hrsg.): Trauer erschließen. Eine Tafel <strong>der</strong> Gezeiten. Hospiz-Verlag,<br />

Wuppertal 2005: 181-187<br />

BELLIGER A., KRIEGER D. J. (Hrsg.): Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch. Westdeutscher Verlag, Opladen<br />

2003<br />

BICKEL L., TAUSCH-FLAMMER D. (Hrsg): In meinem Herzen die Trauer. Her<strong>der</strong>, Freiburg, Basel, Wien 1998<br />

BLIERSBACH G.: Rituale. Was das Leben zusammenhält. Psychologie heute. 31 (4) 2004: 28-31<br />

BRATHUHN S., DROLSHAGEN CH.: Manchmal wir ein Wort zum Zeichen. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh<br />

2005<br />

CANACAKIS J.: Ich sehe deine Tränen. Trauern, Klagen, Leben können. Kreuz Verlag, Stuttgart 1987<br />

DIAKONIE IN DÜSSELDORF (Hrsg.): Rituale. Segnen – Aufbahren – Verabschieden (Broschüre für Rituale im Altenheim)<br />

1999. Bestelladresse: Evangelischer Gemeindedienst, Abteilung Leben im Alter. Langerstraße 20 a,<br />

40233 Düsseldorf<br />

FISCHEDICK H.: Die Kraft <strong>der</strong> Rituale. Lebensübergänge bewusst erleben <strong>und</strong> gestalten. Kreuz Verlag, Stuttgart<br />

2004<br />

FLAMMER A.: Brauchen wir wie<strong>der</strong> Übergangsrituale? Psychologie heute. 31 (4) 2004: 28-31<br />

GROSSE-KOCK H.-J.: Glauben gestalten. Vincentz Verlag, Hannover 1992<br />

IMBER-BLACK E.: Rituale <strong>und</strong> Geheimnisse, Geheimnisse <strong>und</strong> Rituale. In: WELTER-ENDERLIN R.,<br />

HILDENBRAND B. (Hrsg.): Rituale. Vielfalt in Alltag <strong>und</strong> Therapie. Carl-Auer, Heidelberg 2002, 78 ff.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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KAST V.: Sich einlassen <strong>und</strong> loslassen. Her<strong>der</strong> Verlag, Freiburg 1994<br />

LAMP I, KÜPPER-POPP, K: Abschied nehmen am Totenbett. Rituale <strong>und</strong> Hilfen für die Praxis. Gütersloher Verlagshaus,<br />

Gütersloh 2006<br />

LANDER H.-M., ZOHNER M.-R.: Trauer <strong>und</strong> Abschied. Ritual <strong>und</strong> Tanz für die Arbeit mit Gruppen. Matthias-<br />

Grünewald-Verlag, Mainz 1992<br />

LILIE U.: Zur Seelsorge an Sterbenden. Die innere Haltung des seelsorgers in <strong>der</strong> Sterbebegleitung ist entscheidend.<br />

In: LILIE U., ZWIERLEIN E. (Hrsg.): Handbuch Integrierte Sterbebegleitung. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh<br />

2004, 82-87<br />

OTTERSTEDT C.: Rituale bei Abschied – Stützungen <strong>der</strong> Seele. In: BURGHEIM W. (Hrsg.): Qualifizierte Begleitung<br />

von Trauernden <strong>und</strong> Sterbenden. Medizinische, rechtliche, psycho-soziale <strong>und</strong> spirituelle Hilfestellungen. Bd.<br />

2, Kap. 4.10, Forum Verlag, Merching 2005, 1-28<br />

REFERAT SCHULPASTORAL DER DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART (Hrsg.): Erprobte Rituale <strong>und</strong> Methoden<br />

zum Umgang mit Tod <strong>und</strong> Trauer in <strong>der</strong> Schule 2005 (http://schulpastoral.drs.de/Methoden<strong>und</strong>Ritual.pdf)<br />

RESSEL H.: Rituale für den Alltag. Warum wir sie brauchen – wie sie das Leben erleichtern. Her<strong>der</strong> Verlag, Freiburg,<br />

Basel Wien 1998<br />

SCHÜTZENDORF E. (2006): Wer pflegt, muss sich pflegen. Prävention <strong>und</strong> Burnout in <strong>der</strong> Altenpflege. Springer<br />

Verlag, Berlin 2006<br />

STUTZ P.: 50 Rituale für die Seele. Her<strong>der</strong> Verlag, Freiburg im Br. 2003<br />

VAN GENNEP A.: Übergangsriten. Rites des Passages. Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2005<br />

VON WELTZIEN D.: Die Welt <strong>der</strong> Rituale. Goldmann, <strong>München</strong> 1994<br />

VON WELTZIEN D.: Praxisbuch <strong>der</strong> Rituale. Goldmann, <strong>München</strong> 1997<br />

WINTER F.: Sind traditionelle Übergangsrituale <strong>der</strong> Kirchen heute noch hilfreich? In: BAUER-MEHREN R., KOPP-<br />

BREINLINGER K., RECHENBERG-WINTER P. (Hrsg.): Kaleidoskop <strong>der</strong> Trauer. Ro<strong>der</strong>er Verlag, Regensburg<br />

2003, 114-120<br />

ZIRFAS J.: Vom Zauber <strong>der</strong> Rituale. Der Alltag <strong>und</strong> seine Regeln. Reclam, Leipzig 2004<br />

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Internetadressen zum Thema Rituale<br />

www.trauerherbege.de<br />

Ein Internetportal <strong>der</strong> Katholischen Erwachsenenbildung <strong>der</strong> Diözese Trier mit Texten <strong>und</strong> Musikhinweisen. Es bietet<br />

aber vor allem Online-Trauerseminare (über Passwortgeschützte „Seminarräume“), öffentliche Chats für Trauernde<br />

<strong>und</strong> virtuelle Rituale an (z. B. Trauerbrief schreiben, Blumen pflanzen usw.).<br />

www.portal-<strong>der</strong>-erinnerung.de<br />

Ein Internetportal <strong>der</strong> Katholischen Erwachsenenbildung <strong>der</strong> Diözese Trier mit Texten <strong>und</strong> Musikhinweisen.<br />

www.aphorismen.de<br />

Die Datei umfasst 100 000 Aphorismen, Gedichte. Über ein Stichwortregister lassen sich die Texte schnell aufblättern.<br />

Medien<br />

WOISIN M.-G.: Tanzbil<strong>der</strong> des Weges (mit Begleit-CD). Metanoia Verlag, Kindhausen o. J. (Bestelladresse:<br />

www.metanoia-verlag.ch)<br />

WOISIN M.-G.: Tanzsymbole in Bewegung (mit Begleit-CD <strong>der</strong> Musikgruppe Wibazzi) Metanoia Verlag, Kindhausen<br />

o. J. (Bestelladresse: www.metanoia-verlag.ch)<br />

Ritual- <strong>und</strong> Textsammlungen<br />

ALLERT-WYBRANIETZ K.: Trotz alledem. Verschenktexte. 20. Auflage, Kreuz Verlag, Stuttgart 1984<br />

APFEL W.: Die schönsten Zitate <strong>und</strong> Weisheiten <strong>der</strong> Welt. Capitol Verlag, Weinheim o. J.<br />

BERGER-ZELL C.: Gedenkgottesdienst für Verstorbene am Ewigkeitssonntag 2005<br />

(http://www.trauernetzt.de/trauernetz/trauernetz-neu-be-uns_734.htm)<br />

BICKEL L., TAUSCH-FLAMMER D. (Hrsg.): Ich möchte dich begleiten. Texte von Abschied <strong>und</strong> Hoffnung. Her<strong>der</strong><br />

Verlag, Freiburg im Br. 1999<br />

BICKEL L., TAUSCH-FLAMMER D.: In meinem Herzen die Trauer. Texte für schwere St<strong>und</strong>en. Her<strong>der</strong> Verlag,<br />

Freiburg im Br. 2003<br />

BICKEL L., TAUSCH-FLAMMER D.: Je<strong>der</strong> Tag ist kostbar. Endlichkeit erfahren – intensiver leben. Her<strong>der</strong> Verlag,<br />

Freiburg im Br. 2006<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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BRENNI P.: Beerdigungsgottesdienste <strong>und</strong> Gedächtnisfeiern. Rex Verlag, Luzern, Stuttgart, 1998<br />

DIRSCHAUER K.: Worte zur Trauer. 2. Auflage, Claudius Verlag, <strong>München</strong> 2005<br />

ENZNER-PROPST B.: Heimkommen. Segensworte, Gebete <strong>und</strong> Rituale für die Kranken- <strong>und</strong> Sterbebegleitung.<br />

Claudius Verlag, <strong>München</strong> 2005<br />

FREINTHALER A.: Abschiedsrituale. Abschieds-, Trauer- <strong>und</strong> Gedenkfeiern. 5. Auflage, Pastoralamt Linz, Linz<br />

2005 (Bestelladresse: www.behelfsdienst.at)<br />

HAARHAUS F.: Jetzt <strong>und</strong> in <strong>der</strong> St<strong>und</strong>e unseres Todes. Gebete, Meditationen <strong>und</strong> Segensfeiern. Echter Verlag,<br />

Würzburg 2001<br />

HARENBERG B.: Harenberg Lexikon <strong>der</strong> Sprichwörter <strong>und</strong> Zitate. Harenberg Kommunikation Verlags- <strong>und</strong> Medien<br />

GmbH & Co.KG, Dortm<strong>und</strong> 1997<br />

LAUDERT-RUHM G., OBERNDÖRFER S.: … <strong>und</strong> das Leben bekommt mich zurück. Kreuz Verlag, Stuttgart 2005<br />

LÖDEL R.: Seelsorge in <strong>der</strong> Altenhilfe. Ein Praxisbuch. Patmos Verlag, Düsseldorf 2003<br />

MULTHAUPT H.: Mögen Gottes Engel immer an deiner Seite sein. Irische Segenswünsche für Zeiten <strong>der</strong> Trauer.<br />

Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006<br />

MUNTANJOHL F.: Ich will euch tragen bis zum Alter hin. Gottesdienste, Rituale <strong>und</strong> Besuche im Pflegeheimen.<br />

Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005<br />

SCHUPPER F.: Wir bleiben, wenn du gehst. Gebete, Lesungen <strong>und</strong> Lie<strong>der</strong> am Sterbebett. Gütersloher Verlagshaus,<br />

Gütersloh 2004<br />

SCHWIKART G.: Die richtigen Worte im Trauerfall – Textbeispiele <strong>und</strong> Formulierungshilfen. Butzon <strong>und</strong> Bercker,<br />

Kevelaer 1998<br />

SCHWIKART G.: Wun<strong>der</strong>bar geborgen. Trauerfeiern <strong>und</strong> Beerdigungsansprachen mit Texten von Dietrich Bonhoeffer.<br />

Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005 a<br />

SCHWIKART G. (Hrsg.): Von Tag zu Tag. Ein Begleiter durch das Trauerjahr. Kreuz Verlag, Stuttgart 2005 b<br />

TWER K.-J.: „Ich kann es noch nicht fassen …“ Begleitung <strong>und</strong> Betreuung von Trauernden in <strong>der</strong> Gemeindearbeit.<br />

Mit praktischen Modellen von Trauerabenden <strong>und</strong> Beispielen für Seelsorgegespräche. Gütersloher Verlagshaus,<br />

Gütersloh 2003<br />

STUTZ P.: Gottesdienst feiern mit Trauernden. Neue Modelle. Rex Verlag, Luzern, Stuttgart 1998<br />

VOSS-EISER M.: „Noch einmal sprechen von <strong>der</strong> Wärme des Lebens …“ Texte aus <strong>der</strong> Erfahrung von Trauernden.<br />

Her<strong>der</strong> Verlag, Freiburg im Br. 1999<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Standard / Ritual<br />

Die Krankensalbung feiern<br />

Erläuterungen zu Ablauf <strong>und</strong> Sinngehalt<br />

Einleitung<br />

Die Krankensalbung ist eines <strong>der</strong> Sakramente <strong>der</strong> katholischen Kirche. Früher wurde sie „letzte<br />

Ölung“ genannt; seit dem II. Vatikanischen Konzil (1962 - 1965) hat sich das Verständnis<br />

geän<strong>der</strong>t: Die Krankensalbung soll Menschen für die Herausfor<strong>der</strong>ungen ihrer Erkrankungen<br />

stärken (Große-Kock 1992, 65 ff.). Der Ablauf einer Krankensalbung wird in <strong>der</strong> folgenden Beschreibung<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> Ritualphasen geglie<strong>der</strong>t.<br />

Durchführung<br />

Verantwortlich: Priester; Pflegekräfte können bei <strong>der</strong> Vorbereitung unterstützen <strong>und</strong> „assistieren“.<br />

Vorbereitung/Rahmen/Beteiligte<br />

• Tisch mit Blumen, einem Palmzweig, einer Kerze, einem Kreuz, einer Schale mit Weihwasser,<br />

etwas Watte zum Eintauchen in das Öl (geweihtes Olivenöl), Salz zum Zeichen<br />

<strong>der</strong> Stärkung. Anregung: Die notwendigen Symbole sollten in <strong>der</strong> Institution schnell verfügbar<br />

sein (z. B. Utensilien in einem Ritual-Koffer).<br />

• Der Priester bringt das Salböl mit (= tragendes Symbol).<br />

• Nach Möglichkeit, die Angehörigen vorher einladen. Die Krankensalbung ist eine Feier <strong>der</strong><br />

Gemeinschaft. Es können sich vorab Fürbitten für den Kranken überlegt werden.<br />

Der Kranke soll dem Ritual folgen können; nur in Ausnahmen wird das Ritual Bewusstlosen<br />

gespendet.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Eröffnung<br />

• Der Priester betritt den Raum <strong>und</strong> begrüßt die Anwesenden mit dem Friedensgruß.<br />

• Er segnet den Kranken <strong>und</strong> das Zimmer mit Weihwasser <strong>und</strong> erläutert den Sinn <strong>der</strong> Salbung.<br />

1. Phase: Rückbesinnung = Loslösung<br />

• Der Kranke hat die Möglichkeit <strong>der</strong> Beichte. Die an<strong>der</strong>en Anwesenden verlassen in dieser<br />

Zeit den Raum<br />

• Wenn <strong>kein</strong>e Beichte abgelegt wird, sprechen alle ein gemeinsames Schuldbekenntnis.<br />

• Einer <strong>der</strong> Angehörigen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Priester liest einen passenden Text aus <strong>der</strong> Bibel vor (z.<br />

B. Mt 8, 5 – 10, 13: Heilung des Dieners des Hauptmanns von Kafarnaum)<br />

2. Höhepunkt = Übergang, Verwandlung<br />

• Für den Kranken werden Fürbitten gesprochen.<br />

• Der Priester legt dem Kranken schweigend die Hände auf.<br />

• Der Priester salbt den Kranken mit <strong>der</strong> ölgetränkten Watte durch ein Kreuzzeichen auf<br />

Stirn <strong>und</strong> Hände. Dazu spricht er Segensworte <strong>und</strong> ein Gebet für den Kranken. „Durch<br />

diese heilige Salbung helfe dir <strong>der</strong> Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit<br />

<strong>der</strong> Kraft des Heiligen Geistes: Der Herr, <strong>der</strong> dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner<br />

Gnade richte er dich auf."<br />

• Eventuelle Erweiterung (gehört nicht zur offiziellen Liturgie): Angehörige salben den Kranken<br />

an den Stellen, wo sie ihm „Kraft <strong>und</strong> Heilung“ wünschen.<br />

3. Phase = Neuanbindung<br />

• Alle Anwesenden sprechen das Vaterunser<br />

• Alle haben nun die Möglichkeit, die Kommunion zu empfangen.<br />

Abschluss<br />

Die Feier endet mit dem Schlusssegen.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Beispiele / Konzept / Empfehlungen<br />

Abschiedräume gestalten<br />

Empfehlungen für Ort <strong>und</strong> Interieur<br />

Einführung<br />

„Unser Aufbewahrungsraum, äh … ich meine: Aufbahrungsraum liegt im Keller …“ Dieser<br />

Versprecher von Pflegekräften ist bezeichnend <strong>und</strong> treffend. Viele <strong>der</strong> Räume in Kliniken <strong>und</strong><br />

Pflegeheimen für die Toten sind hässliche Kammern. Steril. Kalt. Gekachelt. Dunkel. Die Toten<br />

leiden nicht darunter, aber die Lebenden. „In diesen Räumen kann man nicht Abschied<br />

nehmen, da möchte man nur schnell weg!“, urteilt <strong>der</strong> Bestatter Fritz Roth (GARHAMMER<br />

2004: 322). Wie werden die Aufbahrungsräume vor Ort erlebt? In welchen Räumen würde ich<br />

mir eine letzte Begegnung mit einem geliebten Angehörigen zutrauen? Welche Deutungsangebote<br />

für Leben <strong>und</strong> Tod könnten vor Ort hilfreich sein? (siehe dazu: HOLZSCHUH 2004;<br />

www.puetz-roth.de)<br />

Beispiele<br />

Ein trostloser Gang zu einem typischen Aufb(ew)ahrungsraum<br />

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen lieben Menschen verloren. Ich nehme Sie nun mit auf den schweren Gang<br />

zum Aufbahrungsraum <strong>der</strong> Einrichtung, in <strong>der</strong> er gestorben ist. Sie sind nicht schnell genug gekommen, zu spät jedenfalls<br />

für die Verabschiedung im Zimmer. Der Verstorbene wurde bereits in den Aufbahrungsraum gebracht. Wir<br />

müssen – wie so oft bei Abschiedsräumen – in den Keller. Über uns verlaufen unverputzte Kabelstränge <strong>und</strong> ein<br />

Gewirr von Rohren. Rechts wummert die Heizung hinter einer schweren Tür. Für Unbefugte verboten. Wir schieben<br />

uns nun an ausrangierten Bettgestellen vorbei <strong>und</strong> biegen in einen Gang ein. Es riecht etwas süßlich. Der Abfallschacht<br />

endet ganz in <strong>der</strong> Nähe. Verrenkte Stehlampen warten vor uns auf Reparatur, zwei verkratzte Rollstühle,<br />

Kabeltrommeln <strong>und</strong> ein farbbespritzter Rollwagen mit allerlei Werkzeug stehen vor einen Raum: die Werkstatt des<br />

Hausmeisters. Zehn Meter weiter stoppen wir vor einer Metalltür. Abschiedsraum steht auf einem Schild. Wir<br />

schließen auf. Die Kälte steht im dunklen Raum wie eine Wand. Zunächst tasten wir nach dem Schalter für die Beleuchtung.<br />

Kaltes Neonlicht bestrahlt hart den Raum. Hinter <strong>der</strong> Bahre hängt ein schweres dunkles Kreuz. Auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> Kammer hat jemand einen Kunstdruck mit Heftstreifen angeklebt im Versuch, den Raum zu verschönern<br />

– ein Engelbild im Nazarener Stil. Der obere Rand ist schon etwas eingerissen, ein Wasserfleck verzieht<br />

den Kopf des Engels ins Unförmige. Hinter einem Vorhang in düsterem Violett ist ein Waschbecken versteckt. Zwei<br />

Rohrstühle sind in einer Ecke gestapelt. Auf einer Konsole stehen ein zweiarmiger elektrischer Kerzenleuchter <strong>und</strong><br />

eine verstaubte Plastik-Topfblume. Der Fußboden <strong>und</strong> die untere Hälfte <strong>der</strong> Wände sind gekachelt. Ein Abfluss ist<br />

in den Boden eingelassen. Der Raum ist so klein, dass Sie zurückweichen, weil nur wenig Platz zwischen Bahre<br />

<strong>und</strong> Wänden ist. Der Verstorbene ist gänzlich abgedeckt mit einem weißen Laken. Die Konturen sind durch das<br />

Tuch hindurch gut erkennbar…<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Ein Gegenbild: Ein Ort für trostreiche Trauer - Konzept eines Aufbahrungsraumes<br />

An den Räumlichkeiten des Abschiedszimmers kommt man täglich vorbei. Sie liegen nämlich leicht zugänglich im<br />

ersten Stock am Ende eines belebten Ganges, <strong>der</strong> allerdings auch über ein separates Treppenhaus betreten bzw.<br />

verlassen werden kann. Unkompliziert kommt man über dieses Treppenhaus in den Garten, falls man frische Luft<br />

<strong>und</strong> etwas Ruhe für sich braucht. Mit großen Pflanzen <strong>und</strong> einem Teppich wurde auf dem breiten Gang eine geschützte<br />

Zone abgegrenzt. Die vorhandene Architektur zwang zu Kompromissen. Ursprünglich lag <strong>der</strong> Aufbahrungsraum<br />

im Keller. Ein Stoffsofa <strong>und</strong> zwei farblich dazu passende Sessel sind auf dem Teppich zu einer Sitzgruppe<br />

arrangiert. Auf einem Tischchen kann man Kaffee abstellen.<br />

Die Tür aus hellem Holz kann weit geöffnet werden. Dadurch ist es auch möglich, dass eine größere Gemeinde<br />

sich am Ritual <strong>der</strong> Aussegnung beteiligen kann (außerdem erleichtert dies die Überführung ohne „Akrobatik“ mit<br />

dem Sarg). Neben <strong>der</strong> Tür steht auf einer Tafel „Abschiedsraum – Oase <strong>der</strong> Trauer“. Darüber ist in einen Wechselrahmen<br />

ein Bild des Verstorbenen mit seinen Lebensdaten eingelegt worden.<br />

Der fast quadratische Raum hinter <strong>der</strong> Tür ist so groß, dass man Abstand zur Bahre des Verstorbenen halten kann,<br />

sofern man dies wünscht. Tageslicht o<strong>der</strong> warmes gedämpftes Gelblicht erfüllt den Raum. Er ist schlicht, wirkt nicht<br />

überfüllt <strong>und</strong> ist wohnlich. Durch zwei große Fenster geht <strong>der</strong> Blick auf Bäume <strong>und</strong> den Himmel. In den ersten<br />

Stock kann von außen niemand neugierig hineinschauen. Der Verstorbene ist vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt.<br />

Die Fensterflügel können geöffnet werden. Für die Sommerzeit ist prophylaktisch ein Fliegengitter angebracht.<br />

Durch einen kreisr<strong>und</strong>en Obergaden fällt indirektes Licht. Wenn die Vorhänge an den großen Zimmerfenstern<br />

etwas zugezogen werden, flutet eine Lichtbahn deutlich durch diesen Lichtgaden von oben auf den Körper des<br />

Toten. Die Bahre ist von drei Seiten her zugänglich. Bequeme Holzstühle stehen bereit. In einer Ecke ist eine Sesselgruppe<br />

zum Verweilen. Die Farbwahl ist warm. Das Wandbild gegenüber dem Toten ist von einer örtlichen<br />

Künstlerin gestaltet worden. Es ist ein Triptychon, das wie die gesamte Umgestaltung des Raumes von einem<br />

Wohltätigkeitsclub am Ort gesponsert wurde. An einer an<strong>der</strong>en Wand sind einige Gebete <strong>und</strong> Gedichte gut lesbar<br />

in Rahmen aufgehängt. Sie laden zum Lesen ein. Vielleicht mag jemand eines dieser Gebete o<strong>der</strong> einen jener Texte<br />

sprechen, weil es o<strong>der</strong> er ihm in <strong>der</strong> Situation etwas bedeutet. Diese <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Texte sind auch zusammen mit<br />

Motivkarten in einer flachen Holzschale ausgebreitet. Es darf etwas zur Erinnerung mitgenommen werden, ermuntert<br />

eine kleine Standtafel in <strong>der</strong> Schale. Ein CD-Player mit integriertem Kassettenrekor<strong>der</strong> steht auf einem schlichten<br />

Holzkubus, falls Angehörige Musik hören wollen, die <strong>der</strong> Tote gemocht hat, o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> kleinen Sammlung<br />

von CDs etwas auswählen wollen. Ein Telefon ermöglicht den schnellen Kontakt zur Verwaltung o<strong>der</strong> zum Dienstzimmer<br />

des Pflegepersonals. Auch eine (Sofortbild-)Kamera gehört zur Ausstattung, die die zuständige Pflegekraft<br />

den Angehörigen anbieten kann. Aus einem schlichten Brunnen rinnt Wasser mit leisem Plätschern <strong>und</strong> erinnert an<br />

Leben. Unterschiedliche Kerzen (die nach Hause mitgenommen werden dürfen) <strong>und</strong> Streichhölzer sind vorhanden,<br />

ebenso religiöse Devotionalien wie Kreuz, Engelfiguren, Weihwasserbehälter. Schreibmaterial liegt bereit.<br />

Neben <strong>der</strong> Bahre ist ein Holztisch, auf dem Blumen <strong>und</strong> Gegenstände des Toten arrangiert werden können. Der<br />

Verstorbene selbst ist nur bis zum hoch gelagerten Oberkörper mit einem rostroten, leichten Tuch abgedeckt. Angehörige<br />

haben bereits bei ihrem ersten Besuch am Vormittag einige persönlich mitgebrachte bzw. aus dem F<strong>und</strong>us<br />

gewählte Symbole auf die Decke gelegt …<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Leitlinien für die Gestaltung von Aufbahrungsräumen<br />

• Keinen abgelegenen, „unbekannten“ Ort wählen!<br />

• Auch <strong>der</strong> Weg zu den Räumlichkeiten ist wichtig für die letzten Eindrücke <strong>der</strong> Angehörigen<br />

(Sieht die Umgebung des Raumes nach Entsorgung o<strong>der</strong> Umsorgung <strong>der</strong> Toten aus?).<br />

• Ein leichter <strong>und</strong> separater Zugang ins Freie lässt Erholung zu <strong>und</strong> schützt vor neugierigen<br />

Blicken.<br />

• Ein Vorraum o<strong>der</strong> eine geschützte Zone mit bequemer Sitzgelegenheit gibt den Angehörigen<br />

Gelegenheit, sich vor <strong>der</strong> Begegnung zu sammeln.<br />

• Der Raum ist für verschiedene Rituale in größerer Gemeinschaft erweiterbar.<br />

• Für islamischen Totenkult kann die Bahre nach Osten ausgerichtet werden. In einem Nebenraum<br />

ist ein großer Steintisch mit fließendem Wasser für die Totenwaschung.<br />

• Die Raumgröße soll individuell notwendigen Abstand zum Toten erlauben.<br />

• Symbolisches (Gedichte, Gebete, Gegenstände) soll Deutungen für Tod <strong>und</strong> Leben ermöglichen.<br />

• Unterschiedliche Medien laden zur Gestaltung <strong>und</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung ein (Fotografieren,<br />

Schreiben, Beigaben aufsuchen usw.).<br />

• Die gewählte Farbgestaltung strahlt Wärme <strong>und</strong> Geborgenheit aus.<br />

• „Warme“ Materialien werden verwendet.<br />

• Schlichtes, nicht ablenkendes Interieur lässt die Zentrierung <strong>der</strong> Aufmerksamkeit auf den<br />

Verstorbenen zu.<br />

• Bequeme Stühle erlauben längeres Sitzen (Sitzwache).<br />

• Körpernahe Kühlung <strong>der</strong> Toten erlaubt angenehme Raumtemperatur für die Lebenden.<br />

• Ein bereitgestelltes Telefon ermöglicht schnellen Kontakt mit Pflegekräften o<strong>der</strong> Verwaltung.<br />

(Siehe dazu: HOLZSCHUH 2004, 2006)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Material<br />

Trauerkorb zusammenstellen<br />

Ideen für Symbole <strong>und</strong> praktische Hilfen beim Abschied<br />

• Kreuz in verschieden Varianten (figürlich, abstrakt)<br />

• Engelfiguren<br />

• Marienstatue<br />

• Kerzen in unterschiedlichen Formen, Farben, Größen <strong>und</strong> Stärken (auch als Erinnerung<br />

zum Mitnehmen gedacht)<br />

• Kerzenhalter, Gläser<br />

• lange Streichhölzer<br />

• Symbole (z. B. Fe<strong>der</strong>n, Blumenzwiebeln, Getreidekörner, Blätter, Baumscheibe mit Jahresringen,<br />

Papierschmetterlinge)<br />

• Verschiedene Schälchen <strong>und</strong> Vasen, um Blumen <strong>und</strong> Symbole zu fassen<br />

• Weihwasser<br />

• Sand für Kerzenschale<br />

• Briefpapier, Kuverts, Stifte<br />

• Zeichenpapier, Pastellkreiden (z. B. als Angebot für Kin<strong>der</strong>, etwas für den Verstorbenen zu<br />

malen)<br />

• Karten mit Bil<strong>der</strong>n von Wegen, Türen, Stufen, Händen, Engeln, Regenbogen, Lichtern,<br />

weiten Landschaften, Sonnenuntergängen, Segelbooten, Meer usw.) (Karten z. B. bei Verlag<br />

am Eschbach o<strong>der</strong> www.bestattungsinstitut.de/card.html)<br />

• Textkarten zum Aussuchen, Vorlesen <strong>und</strong> Aufstellen (auch als Erinnerung zum Mitnehmen)<br />

(Textsammlungen z. B. bei BICKEL, TAUSCH-FLAMMER 1998, 1999;<br />

FREINTHALER 2003; GÄBE 2001; HANGLBERGER 2004; NEYSTERS, SCHMITT 2004;<br />

HAARHAUS 2001; LAMP, KÜPPER-POPP 2006; SCHWICKART 2001)<br />

• farbige Tücher für Gestaltung des Nachtkästchens<br />

• Körperöl zum Salben des Verstorbenen<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Bücher <strong>und</strong> Materialempfehlungen 1<br />

Evangelisches Gesangbuch Ausgabe für die Ev. Landeskirche in Württemberg, Großdruckausgabe.<br />

1<br />

Die Buchempfehlungen <strong>und</strong> Materialliste wurden übernommen von <strong>der</strong> Evang. Heimstiftung Stuttgart, Dr.<br />

Mäule<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Gesangbuchverlag Stuttgart GmbH<br />

ISBN 931895-06-8<br />

Zeit zu leben – Zeit zu sterben Preis €21,00 (bei <strong>der</strong> HV zu bestellen)<br />

Du bist mir täglich nahe. Sterben, Tod, Bestattung,<br />

Trauer. Eine evang, Handreichung<br />

für Menschen, die trauern <strong>und</strong> für<br />

die, die sie in ihrer Trauer begleiten<br />

Ich geb` dir einen Engel mit… Erfahrungen<br />

mit einem Symbol.<br />

+ 1 Bronzeengel<br />

Typisch! Kleine Geschichten für an<strong>der</strong>e<br />

Zeiten.<br />

V. Kast (Hg.), Diese vorüberrauschende<br />

blaue einzige Welt<br />

Schutzgebühr € 1,00. Zu bestellen über Vereinigte, Ev. Luth. Kirche<br />

Deutsch-lands, Email: zentrale@velkd.de, www.velkd.de<br />

Alleinvertrieb: An<strong>der</strong>e Zeiten e.V., Hamburg; Preis: € 16,50, Email:<br />

vertrieb@an<strong>der</strong>ezeiten.de, www.an<strong>der</strong>ezeiten.de<br />

s.o. (An<strong>der</strong>e Zeiten), Preis € 6,00<br />

Pendo-Verlag Zürich, Preis € 12,90,<br />

ISBN 3-85842-545-1<br />

J. Bauer, Opas Engel Carlsen-Verlag Hamburg, Preis € 11,00<br />

Utensilien<br />

ISBN 3-551-51543-3<br />

32 Karten „Was bleibt, ist die Liebe Verlag am Eschbach, ISBN 978-3-88671-742-2, Preis € 14,90<br />

Aussegnung Verstorbener Handreichungen zur Gestaltung (aus Württemberg, Baden, Hannover)<br />

Flyer „Abschied nehmen“ bei <strong>der</strong> HV kostenlos zu bestellen<br />

Kunst-Doppelkarten im Format B 6 je € 2,30 im Präsenz-Verlag,<br />

Kerzenstän<strong>der</strong> (Sonne/Mond bzw.<br />

Kreuz/Krippe) <strong>und</strong> Kerze<br />

Email: info@praesenz-verlag.de; www.präsenz-verlag.de<br />

Preis: je € 30,00. Kunsthandwerk Wolfgang & Claudia Burlein<br />

Brühlstr. 6, 73271 Holzmaden<br />

Tel. 07023/72536<br />

Duftlampe mit Kerze <strong>und</strong> Duftöl Preis für Duftlampe: € 14,00.<br />

Tischkreuz (Buchenholz) , Art. „alfa“,<br />

Best.Nr. 108<br />

Rosenkranz (Olivenholz) II, Art. Nr.<br />

R 120190<br />

Kunsthandwerk Burlein (s.o.)<br />

Preis: € 21,25. Bestelladresse:Sinnob-jekte Hamburg,<br />

www.sinnobjekte.de Email: kontakt@sinnobjekte.de;<br />

Preis: 13,99. Email: kontakt@marienfiguren.de<br />

Handkreuz aus Bethlehem (Olivenholz) Preis: € 6,00. Altenwerk <strong>der</strong> <strong>Erzdiözese</strong> Freiburg, Email: altenwerk@seelsorgeamt-freiburg.de<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Standard / Gesprächshilfe<br />

Todesnachricht telefonisch überbringen<br />

Einführung<br />

Die Übermittlung <strong>der</strong> Todesnachricht am Telefon kann für beide Seiten eine beson<strong>der</strong>e<br />

Stresssituation sein. Die Kommunikation ist auf Sprechen <strong>und</strong> Hören eingeschränkt. Die Situation<br />

ist dadurch schwerer kontrollierbar als im direkten Kontakt. Beispiel: Der Angehörige legt<br />

in einer Schockreaktion abrupt auf o<strong>der</strong> fängt an zu schreien. (Die Polizei übermittelt deshalb<br />

bei Unfalltod nie am Telefon, son<strong>der</strong>n sucht den direkten Kontakt, um die Angehörigen emotional<br />

auffangen zu können.) „Wenn Angehörige auf den Tod vorbereitet <strong>und</strong> vielleicht sogar<br />

explizit übers Telefon informiert werden wollen, kann man wohl bedenkenlos anrufen, doch bei<br />

einem plötzlichen Tod kann <strong>der</strong> Überbringer <strong>der</strong> Nachricht die Reaktion <strong>der</strong> (…) Angehörigen<br />

nicht einschätzen.“ 1 Deshalb bedarf es hier beson<strong>der</strong>er Vorüberlegungen <strong>und</strong> Konzentration<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiterin.<br />

Eine Untersuchung <strong>der</strong> Universität Dortm<strong>und</strong>, in <strong>der</strong> 171 Überbringer <strong>der</strong> Hiobsbotschaft (Unfälle)<br />

befragt wurden, zeigt folgendes Spektrum an Reaktionen: 96 traurig, entsetzt, fassungslos<br />

– 36 nüchtern, gefasst, gelassen – 16 ausgesprochen apathisch, lethargisch – 21 wütend,<br />

hysterisch, mit Vorwürfen – 11 konnten die Nachricht nicht begreifen – Ein völliger Zusammenbruch<br />

ist eher selten (Arzt schicken!) 2<br />

1 Übermittlung am Telefon. In: Käsler-Heide, H. (1999): Diagnose: Sterben <strong>und</strong> Tod. Berlin u. a.: Springer Verlag, S. 103<br />

2 Ahrens, C (2001): Todesnachrichten: Mitgefühl zeigen. Deutsches Ärzteblatt 98 (34-35), S. A-2164 f<br />

(www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=28387)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Ziele<br />

• Anteilnahme: Die Angehörige fühlt sich persönlich angesprochen <strong>und</strong> in ihren ersten Reaktionen<br />

verstanden.<br />

• Sicherheit in <strong>der</strong> Kommunikationssituation: Die Mitarbeiterin kann die Situation auf<br />

Seite <strong>der</strong> Angehörigen einschätzen <strong>und</strong> sorgt für Unterstützung <strong>und</strong> Selbstkontrolle <strong>der</strong><br />

Angehörigen.<br />

• Klarheit: Die Angehörige ist informiert über die weiteren Schritte <strong>und</strong> weiß, dass sie Zeit<br />

hat.<br />

• Ermutigung <strong>der</strong> Angehörigen: Die Angehörige fühlt sich ermutigt, in die Einrichtung zu<br />

kommen, um vor Ort für sie passende Möglichkeiten eines Abschieds zu suchen.<br />

Vorbereitung<br />

• Verantwortlich: Die Pflegefachkraft in <strong>der</strong> Schichtleitung / die leitende Pflegefachkraft<br />

• Vereinbarungen in <strong>der</strong> Dokumentation sichten: Die Pflegefachkraft schlägt in <strong>der</strong> Dokumentation<br />

nach, welche Angehörige wie <strong>und</strong> wann über ges<strong>und</strong>heitliche Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>und</strong> Todesfall informiert werden wollen.<br />

• Sich Zeit für das Telefonat verschaffen. Prüfen, ob alle notwendigen Daten da sind (Eintrag<br />

in <strong>der</strong> Dokumentation, wer wann informiert werden soll; Adresse, falls es zu den eher<br />

selten heftigen Reaktionen kommt <strong>und</strong> ein Arzt geschickt werden muss.)<br />

Info: Mangelnde Zeit s so eine Dortmun<strong>der</strong> Studie - scheint das größte Problem bei <strong>der</strong> Vermittlung zu sein (Ahrens 2001:<br />

A-2164)<br />

• Einstellen auf Gespräch: Sich innerlich auf das Gespräch vorbereiten, um präsent zu<br />

sein (Kurzentspannung)<br />

• Überraschen<strong>der</strong> Todesfall: Bei einem überraschenden Todesfall gilt es vorab zu überlegen,<br />

ob es eventuell Kontaktpersonen in <strong>der</strong> Nähe gibt (z. B. Seelsorger), die die Nachricht<br />

in <strong>der</strong> Wohnung überbringen können. Falls die Pflegefachkraft die Reaktionen nicht einschätzen<br />

kann, von beson<strong>der</strong>en Risiken weiß o<strong>der</strong> die Angehörige bereits im Vorfeld „außergewöhnliche<br />

Reaktionen“ gezeigt hat, ist für das Telefonat eine Notlüge erlaubt. Beispiel:<br />

„ … Ich muss Ihnen lei<strong>der</strong> sagen, dass es … wesentlich schlechter geht. Ich bitte Sie<br />

deshalb zu kommen. Aber er / sie ist so weit stabil. Aber Sie haben Zeit. Vielleicht ist es<br />

besser ein Taxi zu nehmen …“<br />

Es ist wichtig, diese Notlüge aufzuklären, sobald <strong>der</strong> Angehörige vor Ort ist. Beispiel: „…<br />

Es tut mir furchtbar leid; ich muss Ihnen lei<strong>der</strong> mitteilen, dass Ihr … bereits gestorben war,<br />

als ich Sie anrief, weil ich Angst um Sie hatte, wenn Sie mit dieser Nachricht ganz allein<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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sind.“ 1 „Ich hoffe, Sie nehmen mir diese Notlüge nicht übel …“<br />

Es ist wichtig, die Notlüge aufzulösen. Sonst verstrickt sich <strong>der</strong> Angehörige vielleicht in<br />

Schuldgefühle, weil er nicht schnell genug gekommen ist, o<strong>der</strong> er macht <strong>der</strong> übermittelnden<br />

Pflegekraft Vorwürfe, nicht früher angerufen zu haben.<br />

Empfehlungen / Regeln für das Überbringen 2<br />

• Identität sicher stellen: „Bin ich verb<strong>und</strong>en mit … Sie sind <strong>der</strong>/die … von Herrn/Frau …“<br />

Ich bin … Sie kennen mich durch …“<br />

• Anteilnahme ausdrücken: „Ich habe lei<strong>der</strong> eine traurige Nachricht für Sie.“<br />

• Ohne Umschweife informieren: „Ihr/Ihre … ist verstorben.“<br />

• Immer wie<strong>der</strong> Zeit zum Reagieren geben<br />

• Auf Fragen eingehen<br />

• Situation vor Ort klären <strong>und</strong> eventuelle Unterstützung ansprechen: „Ist im Moment<br />

noch jemand bei Ihnen?“ „Wen könnten Sie anrufen?“<br />

• Mitgefühl, Verständnis für Reaktion ausdrücken: „Das war für Sie überraschend …“<br />

„Auf diese Nachricht müssen Sie sich erst einstellen …“<br />

• Keine Wertung: Es ist wichtig beim Telefonat (<strong>und</strong> natürlich auch später), die Trauerreaktionen<br />

nicht zu bewerten. Auch scheinbar unterkühlte, nüchterne Antworten („Ich habe <strong>kein</strong>e<br />

Zeit zu kommen; ich muss erst einkaufen …“) können natürliche Schockreaktionen auf<br />

die Ausnahmesituation „Tod eines Angehörigen“ sein.<br />

• Den weiteren Ablauf <strong>und</strong> die Möglichkeiten erläutern: „Ihr Angehöriger kann mindestens<br />

noch …St<strong>und</strong>en im Zimmer bleiben. Der Arzt kommt voraussichtlich um … Wann<br />

können Sie kommen? … Wir werden immer wie<strong>der</strong> zu Ihrem/Ihrer … schauen. Wen wollen<br />

Sie informieren <strong>und</strong> eventuell mitbringen? Alles Weitere können wir hier vor Ort besprechen.“<br />

• Wenn <strong>der</strong> Angehörige ablehnt zu kommen: Bedenkzeit lassen: „Lassen Sie sich es<br />

durch den Kopf gehen … Sie können ja später noch einmal anrufen. Unsere Erfahrung ist:<br />

Vielen Angehörigen waren hinterher eher dankbar <strong>und</strong> erleichtert, noch einmal da gewesen<br />

zu sein.“<br />

• Zeit lassen: „Sie brauchen jetzt nichts überstürzen. Wenn möglich, kommen Sie mit dem<br />

Taxi. Vielleicht kann Sie auch jemand fahren …“<br />

• Darauf hinweisen, wer den Angehörigen vor Ort empfängt o<strong>der</strong> ansprechbar ist: „Ich<br />

bin noch bis … für Sie da <strong>und</strong> würde mich dann um Sie kümmern. Ab … ist dann … hier.<br />

Ich werden sie / ihn informieren.“<br />

1 Käsler-Heide, H. (1999), S. 104<br />

2 Siehe zu den Regeln auch: Lasogga, F. (2001): Psychische erste Hilfe beim Überbringen von Todesnachrichten. Rettungs-<br />

dienst 24 (5), S. 446-450<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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• Rückruf-Nummer hinterlassen<br />

• Versichern, ob Gespräch beendet werden kann: „Ist es in Ordnung für Sie, wenn ich<br />

jetzt auflege, o<strong>der</strong> kann ich noch etwas für Sie tun?<br />

Auswertung:<br />

• Die Pflegekraft geht noch einmal das Gespräch gedanklich durch.<br />

• Die Pflegekraft kann – wenn es angemessen erscheint - den Angehörigen zu einem späteren<br />

Zeitpunkt darauf ansprechen, wie er die Art <strong>und</strong> Weise <strong>der</strong> telefonischen Übermittlung<br />

erlebt hat. „Ich habe immer ein bedrückendes Gefühl, wenn ich jemanden benachrichtigen<br />

muss … Wie haben Sie die Art <strong>und</strong> Weise empf<strong>und</strong>en, wie Ihnen <strong>der</strong> Tod Ihres/Ihrer …<br />

beigebracht worden ist?“<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Standard<br />

Verstorbene versorgen – Angehörige<br />

unterstützen 1<br />

Spirituelle, pflegerische <strong>und</strong> rechtliche Aspekte<br />

Einführung<br />

„Pflegende betrifft <strong>der</strong> Umgang mit Verstorbenen in beson<strong>der</strong>em Maße. Sie sind meist zum<br />

Zeitpunkt des Todes anwesend, ‚legen letzte Hand am Verstorbenen an’ <strong>und</strong> sind im Kontakt<br />

mit den Angehörigen. Es drängt sich die Frage auf, warum die Berufsgruppe <strong>der</strong> Pflegenden –<br />

trotz dieser beruflichen Nähe – bisher wenig Einfluss genommen hat, um Gestaltungsformen<br />

für die Betreuung <strong>der</strong> Verstorbenen <strong>und</strong> ihrer Angehörigen zu entwickeln.“ (PLENTER,<br />

UHLMANN 2000: 82) Auch Ärzte übersehen, welche Rolle sie mit ihrer beruflichen Autorität in<br />

dieser wichtigen Trauerpassage haben. Manchmal behin<strong>der</strong>n sie den Abschied durch Falschinformation<br />

(WEBER, OCHSMANN, HUBER 1997).<br />

Pflegende sind - neben dem Bestatter <strong>und</strong> eventuell dem Seelsorger <strong>und</strong> dem Arzt - Schlüsselfiguren<br />

o<strong>der</strong> Vorbil<strong>der</strong> für den Umgang mit Verstorbenen. Ihre Aufgabe besteht auch darin,<br />

Fremdes <strong>und</strong> Ungewohntes in dieser Situation für Angehörige zugänglich zu machen.<br />

Ziele<br />

• Achten <strong>der</strong> Würde: Der Umgang mit Verstorbenen wird von allen Beteiligten als würdig<br />

empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> entspricht <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>und</strong> Kultur des Verstorbenen.<br />

• Sicherheit: Die Mitarbeiter fühlen sich sicher im Umgang mit Verstorbenen <strong>und</strong> können<br />

die einzelnen Maßnahmen fachlich <strong>und</strong> persönlich nachvollziehen.<br />

• Abschiednehmen <strong>der</strong> Mitarbeiter: Die Mitarbeiter empfinden Versorgung <strong>und</strong> Aufbahrung<br />

als gute Möglichkeit für den eigenen Abschied <strong>und</strong> können Angehörige entsprechend<br />

ermutigen.<br />

• Achten <strong>der</strong> gesetzlichen Vorgaben: Die gesetzlichen Vorgaben zur ärztlichen Leichenschau<br />

werden erfüllt.<br />

• Unterstützung <strong>der</strong> Angehörigen: Angehörige fühlen sich unterstützt in <strong>der</strong> für den<br />

1 Entwickelt im Projekt: „Ein Netz <strong>der</strong> Begleitung knüpfen“, Evang.-kath. Sozialstion Füssen <strong>und</strong> Hospizverein Ostallgäu<br />

e.V., Am Ziegelstadel 12, 87629 Füssen, Projektleitung: Marianne Pfeifer (PDL), Veronika Stich (Hospizverein), Martin Alsheimer<br />

(GGsD, Nürnberg)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Trauerprozess so wichtigen "Schleusenphase" (SMEDING, HEITKÖNIG-WILP 2005),<br />

d.h. in den Tagen zwischen Tod <strong>und</strong> Beerdigung. Sie erleben das Verhalten <strong>der</strong> Pflegekräfte<br />

auch im Rückblick als hilfreich für ihren Abschied. (Aufgabe: Den Tod be-greifen<br />

können)<br />

• Auslegung im Sinne einer Palliativkultur: Versorgung <strong>und</strong> Aufbahrung werden im Sinne<br />

einer Palliativ- o<strong>der</strong> Abschiedskultur ausgelegt, d.h. es wird alles getan, genutzt <strong>und</strong><br />

angeboten, was den individuellen Trauerprozess <strong>der</strong> Beteiligten för<strong>der</strong>t. Die Beteiligten<br />

fühlen sich dabei nicht gezwungen.<br />

• Gute Zusammenarbeit: Die Zusammenarbeit wird von den Beteiligten (Angehörigen,<br />

Arzt, Bestatter) als klar abgesprochen <strong>und</strong> störungsfrei erlebt.<br />

Vorbereitung<br />

• Mögliche Vorbereitung <strong>der</strong> Angehörigen: Die persönlichen <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> kulturellen Wünsche<br />

<strong>und</strong> Beson<strong>der</strong>heiten zum Umgang mit dem verstorbenen Bewohner können Thema<br />

eines entsprechenden Gespräches zur "letzten Lebensphase" sein, das mit dem Bewohner<br />

o<strong>der</strong> seinen Angehörigen geführt wird. ("Gibt es etwas, auf das wir nach dem Tod achten<br />

sollen?"). Entsprechende Wünsche sind dokumentiert <strong>und</strong> nachzulesen. Wenn möglich,<br />

versuchen wir die Angehörigen auf den Todeseintritt <strong>und</strong> die Zeit danach vorzubereiten<br />

<strong>und</strong> geben ihnen zusätzlich hilfreiche schriftliche Informationen (z. B. Werkblatt „Hinüberschauen“<br />

ist vorrätig 1 ) an die Hand. Sind Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Familie, ermutigen wir die Eltern,<br />

diese in das Abschiednehmen einzubeziehen (z. B. Kin<strong>der</strong> könnten Bild für Sterbenden,<br />

Verstorbenen malen).<br />

• Absprachen mit Arzt: Wenn <strong>kein</strong>e Vitalzeichen mehr feststellbar sind, wird <strong>der</strong> Hausarzt<br />

benachrichtigt (Vertretung: Arzt vom Dienst). Die Pflegefachkraft klärt für das weitere Vorgehen<br />

ab, wann <strong>der</strong> Arzt kommen wird. (Je nach Umständen: zur Feststellung des Todes,<br />

zur ärztlichen Leichenschau.) Es wird mit dem Arzt besprochen, welche medizinischen<br />

Hilfsmittel vor <strong>der</strong> ärztlichen Leichenschau eventuell entfernt werden dürfen (Infusion,<br />

PEG, Katheter, Ausschalten von Wechseldruckmatraze u.a.). Dies wird dokumentiert.<br />

Info: Zeichen des nahenden Todes: unregelmäßige, schnappende o<strong>der</strong> rasselnde Atmung - unregelmäßiger,<br />

aussetzen<strong>der</strong> Pulsschlag - abfallen<strong>der</strong> Blutdruck - sinkende Temperatur in Armen <strong>und</strong> Beinen (Ausnahme: Infekt)<br />

- kalte, blasse o<strong>der</strong> bläulich marmorierte Haut an Händen <strong>und</strong> Füßen - weißes Dreieck um Nase <strong>und</strong><br />

M<strong>und</strong> - Eintrübung <strong>der</strong> Augen - schwindendes Bewusstsein. Unsichere Zeichen des eingetretenen Todes:<br />

Bewusstlosigkeit – Atemstillstand - <strong>kein</strong>e Bewegung - <strong>kein</strong> wahrnehmbarer Herzschlag o<strong>der</strong> Puls - <strong>kein</strong>e Reaktion<br />

auf sprachlichen o<strong>der</strong> körperlichen Kontakt - leicht geöffnete Augenlie<strong>der</strong> mit Fixierung auf Punkt - entspannter<br />

Kiefer - eventuell Abgang von Urin <strong>und</strong> Stuhl durch Muskelentspannung (Schaffler; u.a. 2000: Pflege<br />

heute - Lehrbuch <strong>und</strong> Atlas für Pflegeberufe)<br />

1 Kath. Landvolkbewegung Deutschlands (2004): „Den Abschied gestalten“. Anregungen, Gebete <strong>und</strong> Gottesdienste für die Zeit<br />

zwischen Tod <strong>und</strong> Beerdigung (Broschüre). Bestelladresse: www.behelfsdienst.at<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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• Benachrichtigen von Angehörigen: Falls Angehörige / Betreuer / Hospizhelfer nicht bereits<br />

anwesend sind, werden - wie im Vorfeld abgesprochen - diese entsprechenden Ansprechpartner<br />

von <strong>der</strong> leitenden Pflegefachkraft informiert. Es wird abgeklärt, wann <strong>und</strong><br />

wie <strong>der</strong> jeweilige Angehörige kommen kann. Bei Aufgeregtheit wird ein sicheres Verkehrsmittel<br />

empfohlen (z.B. Taxi, Mitfahrgelegenheit). Den Angehörigen wird zur Beruhigung<br />

versichert, dass <strong>der</strong> Sterbende, bzw. <strong>der</strong> Tote beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit erfährt, bis<br />

<strong>der</strong> Angehörige kommen kann. Wichtig ist Sicherheit durch entsprechende Information zu<br />

geben: Welche Schritte sind für den Angehörigen jetzt möglich <strong>und</strong> nötig? Wie viel Zeit<br />

bleibt? Was passiert mit dem verstorbenen Menschen jetzt weiter in <strong>der</strong> Einrichtung?<br />

• Hinführung von Angehörigen: Wenn Angehörige kommen, ermutigen Sie, sich den Verstorbenen<br />

anzuschauen. Respektieren Sie aber auch den Wunsch nach Distanz. Wenn<br />

gewünscht, erzählen Sie den Angehörigen als „Augenzeuge“, wie <strong>der</strong> Verstorbene auf Sie<br />

wirkt. Bereiten Sie die Angehörigen – wenn notwendig – auf Begegnung <strong>und</strong> Anblick vor<br />

(z.B. Verfärbungen, Lage im Bett, Totenstarre).<br />

Info: „Acht<strong>und</strong>neuzig Prozent aller Verstorbenen kann man gut anschauen, <strong>und</strong> man kann sich an ihren Geruch<br />

gewöhnen. Viele Tote verän<strong>der</strong>n auch noch ihr Aussehen, <strong>und</strong> zwar Tag für Tag. Manche bekommen sogar<br />

wie<strong>der</strong> Farbe ins Gesicht. Die Wahrnehmung von Verän<strong>der</strong>ungen des Körpers, zum Beispiel Leichenflecke,<br />

zeigt aber dem Hinterbliebenen, dass er nicht Lebendiges beerdigt. Beerdigt wird das, was an uns Menschen<br />

vergänglich ist. Die Persönlichkeit des Verstorbenen jedoch, seine Worte <strong>und</strong> Gedanken, sind unsterblich<br />

<strong>und</strong> leben mit den Hinterbliebenen weiter.“ (BODE, ROTH 1999: 82)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Durchführen <strong>der</strong> Versorgung<br />

• Dokumentieren: Wenn <strong>der</strong> Bewohner verstorben ist, wird im Pflegebericht mit Datum,<br />

Uhrzeit eingetragen: "Keine Vitalzeichen feststellbar! Eventuell angeben, wer bei <strong>der</strong> Feststellung<br />

mit anwesend war. Dieses Dokumentieren muss nicht sofort erfolgen. „Die Stille<br />

nach dem Eintritt ist oft zu wertvoll, als dass sie sofort durch Funktionshandlungen unterbrochen<br />

werden sollte.“<br />

Info: Den Tod darf nur <strong>der</strong> Arzt feststellen. Ergeben sich Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod, so dürfen<br />

an <strong>der</strong> Leiche nur Verän<strong>der</strong>ungen vorgenommen werden, die aus Gründen <strong>der</strong> öffentlichen Sicherheit<br />

dringend erfor<strong>der</strong>lich sind. Ansonsten darf <strong>der</strong> Verstorbene vor <strong>der</strong> ärztlichen Leichenschau wie unten beschrieben<br />

versorgt werden (Siehe: Bayerische Bestattungsverordnung, §2). Natürlich: Folge von vorausgegangener<br />

Erkrankung. Nicht natürlich: Selbsttötung, Unfall (z.B. Sturz), Behandlungsfehler, Vergiftung, Gewalteinwirkung.<br />

(Siehe: Klingshorn, H. 2001: Erläuterungen zur Bayerischen Bestattungsverordnung II, S. 20) Bei<br />

nicht natürlichem Tod ist die Leichenschau auch zur Nachtzeit zu veranlassen (BAYERISCHE<br />

BESTATTUNGSVERORDNUNG §1)<br />

• Gr<strong>und</strong>haltung in <strong>der</strong> Situation: Die Pflegekräfte lassen nach dem Versterben des Bewohners<br />

sich <strong>und</strong> anwesenden Angehörigen eine Zeit <strong>der</strong> Besinnung <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> des Gebetes<br />

in diesen wichtigen Augenblicken des Lebens. � Zur Unterstützung sind Texte,<br />

Kerzen, Musik vorhanden. Die folgenden Handlungen haben nicht nur funktionellen, son<strong>der</strong>n<br />

vor allem rituellen Charakter. Entscheidend ist hier das achtsame Tun, das einen Abschied<br />

<strong>und</strong> den Trauerprozess för<strong>der</strong>t. Ein weiteres Prinzip: „Wenn man einen Verstorbenen<br />

versorgt, versorgt man ihn so wenig wie nötig! Nicht zu verwechseln, mit so wenig wie<br />

möglich! (BETRAM 2001)<br />

• Einbeziehung von Angehörigen: Die Pflegekraft informiert die Angehörigen über die einzelnen<br />

Schritte <strong>der</strong> Versorgung <strong>und</strong> klärt ab, ob <strong>und</strong> wie sich die Angehörigen beteiligen<br />

wollen. Die Angehörigen werden dabei ermutigt, bei <strong>der</strong> ersten Versorgung des Verstorbenen<br />

vor <strong>der</strong> ärztlichen Leichenschau <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Aufbahrung danach mitzuwirken.<br />

("Nach unserer Erfahrung tut das vielen Angehörigen gut ...") Was im Einzelnen getan wird<br />

<strong>und</strong> was dem jeweiligen Angehörigen möglich ist, wird im Geschehen immer wie<strong>der</strong> erneut<br />

abgesprochen. Auf Hemmungen ohne Drängen eingehen: "Wie könnten wir Sie unterstützen?"<br />

Eventuell Bedenkzeit lassen, z.B. bis zur Aufbahrung. Auf mögliche Irritationen vorbereiten:<br />

eventuell seufzerähnliche Laute, weil Luft beim Umlagern entweicht, <strong>und</strong> möglicherweise<br />

Entleerung von Darm <strong>und</strong> Blase, weil die Muskulatur sich entspannt.<br />

Info: Es gibt <strong>kein</strong> "Leichengift"! Es ist den Angehörigen <strong>und</strong> den Pflegekräften freigestellt, ob sie Handschuhe<br />

<strong>und</strong> Plastikschürze anziehen wollen. Beson<strong>der</strong>er Schutz ist eigentlich nur bei Verstorbenen nötig, wenn vorher<br />

bereits übertragbare Krankheiten bekannt waren. Hier müssen dann entsprechende Schutzmaßnahmen fortgesetzt<br />

werden, bzw. eingehalten werden (Näheres siehe Bayerische Bestattungsverordnung § 7). "Bei jedem<br />

Neugeborenen strecken die Menschen die Hände aus. Auch die Grablegung sollte wie<strong>der</strong> eine Aufgabe <strong>der</strong><br />

Angehörigen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e werden." (SITZMANN 2002: 10)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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• Der Verstorbene wird vor direkter Sonnenbestrahlung geschützt. Gr<strong>und</strong>sätzlich: Keine<br />

schwere Bettdecke verwenden.<br />

Info: Im Tod fällt die natürliche Schutzschranke (Rheindel’sche Barriere) weg, die die Haut „wasserdicht“<br />

macht. Dadurch wird die Hautoberfläche leicht fettig <strong>und</strong> feucht. Dieser Prozess wird durch eine schwere Bettdecke<br />

noch geför<strong>der</strong>t. (BERTRAM 2001: 26 f.)<br />

• Die Augen werden geschlossen. Ein leichtes, sanftes Massieren mit einem feuchten Wattebausch<br />

kann dabei helfen. Gerade dieser Akt ist sehr persönlich <strong>und</strong> sollte auf jeden Fall<br />

zunächst den engsten Angehörigen angeboten werden. Dabei darauf achten, ob das untere<br />

o<strong>der</strong> das obere o<strong>der</strong> ob beide Augenli<strong>der</strong> durch entsprechend gerichtetes Streichen geschlossen<br />

werden müssen.<br />

Info: „Das Schließen <strong>der</strong> Augen des Verstorbenen sollte nicht durch dauerhaftes Auflegen eines Gegenstandes<br />

o<strong>der</strong> eines getränkten Wattebausch erfolgen. Denn durch den Tod sinkt <strong>der</strong> Augapfel wegen seines relativ<br />

hohen Eigengewichts in die Augenhöhlen zurück. Wenn nun zum Verschließen <strong>der</strong> Augen noch zusätzlich ein<br />

– wenn auch geringes – Gewicht auf den Augapfel drückt, fällt er noch tiefer in die Höhle zurück. Dadurch erreichen<br />

Sie zwar ein geschlossenes Augenlied, aber auch einen unbefriedigenden optischen Eindruck.“<br />

(BERTRAM 2001: 32)<br />

• Falls erfor<strong>der</strong>lich wird <strong>der</strong> Intimbereich gereinigt <strong>und</strong> mit einer Einlage <strong>und</strong> Netzhose versorgt.<br />

Die Pflegekräfte bereiten Zellstoff zum Schutz vor. Eventuelle offene Stellen werden<br />

mit geeignetem Verbandsmaterial abgedeckt. Falls Angehörige beim Waschen im Intimbereich<br />

anwesend sind o<strong>der</strong> sich beteiligen wollen, klären Sie bitte ab, ob <strong>der</strong> Verstorbene<br />

dieses zu Lebzeiten zugelassen hat.<br />

• Das Gesicht wird von <strong>der</strong> Pflegekraft o<strong>der</strong> von Angehörigen mit kaltem Wasser mit einem<br />

Waschlappen o<strong>der</strong> Leinentuch gewaschen. Betrachten Sie das Waschen als rituell: Es<br />

geht nicht nur um die körperliche Reinigung, son<strong>der</strong>n um eine Geste des Respekts <strong>und</strong><br />

Abschieds.<br />

Info: Warmes Wasser <strong>und</strong> Lauge för<strong>der</strong>t die Bildung einer Waschhaut. Empfehlung Nicht rubbeln, son<strong>der</strong>n<br />

kleine abrollende Bewegungen. (BERTRAM 2001: 32).<br />

Das Ritual des Waschens Verstorbener wird in vielen Kulturen gepflegt. Es symbolisiert die Vorbereitung auf<br />

eine an<strong>der</strong>e Welt; „Christen vergleichen es mit dem Taufritual“ (FIEDLER 2001: 185). Trauerpsycholgisch gedeutet<br />

kann über diese Handlung <strong>und</strong> das Medium Wasser die Berührung des Verstorbenen leichter fallen.<br />

„Berührung berührt!“ Es ermöglicht ein Be-greifen im wahrsten Sinne des Wortes.<br />

• Wenn möglich wird das Gebiss eingesetzt.<br />

• Bis zur ärztlichen Leichenschau wird ein frisches, leicht zu öffnendes Flügelhemd o<strong>der</strong><br />

persönliches Nachthemd angezogen, das hinten aufgeschnitten ist. Beim Drehen des Verstorbenen<br />

wird vorsorglich ein feuchtes Tuch (haftet besser) auf das Gesicht gelegt (Flüssigkeit<br />

kann aus Gesicht <strong>und</strong> Nase austreten). Der Verstorbene wird bis zum Bauch zugedeckt.<br />

Die Hände liegen über <strong>der</strong> Decke.<br />

Info: Bei <strong>der</strong> ärztlichen Leichenschau muss <strong>der</strong> Verstorbene vollständig entkleidet werden (Bayerische Bestattungsverordnung<br />

§3). Deshalb sollte die Bekleidung auch im Zustand <strong>der</strong> Totenstarre leicht auszuziehen sein.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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• Der Oberkörper wird leicht erhöht gelagert.<br />

Info: Hochlagern vermeidet entstellende Verfärbungen am Kopf durch rotviolette Totenflecken. Diese entstehen<br />

durch Blut, das durch die Schwerkraft in die tiefer gelegenen Körperteile sickert <strong>und</strong> so zu Hautverfärbungen<br />

führt.<br />

• Der M<strong>und</strong> wird - nur wenn möglich - durch eine Kinnstütze geschlossen (z.B. durch feuchtes,<br />

gerolltes Handtuch)<br />

Info: Nicht hochbinden, weil es den Anblick entstellt! Der Brauch, den M<strong>und</strong> zu schließen, folgt zwar ästhetischen<br />

Empfindungen, wurzelt aber in <strong>der</strong> alten Annahme <strong>und</strong> Furcht vieler Religionen, dass die "Seele durch<br />

den M<strong>und</strong> wie<strong>der</strong> eintreten könne".<br />

• Die Hände werden übereinan<strong>der</strong> gelegt, die Arme körpernah angewinkelt.<br />

Info: Hände nicht falten – nur wenn es beson<strong>der</strong>s gewünscht wurde - da sonst die ärztliche Leichenschau bei<br />

Totenstarre erschwert wird. Das Anlegen <strong>der</strong> Arme erleichtert die spätere Aufbahrung <strong>und</strong> Einsargung.<br />

• Falls Angehörige nicht anwesend sind: Wie verfügt werden Wertgegenstände (Ringe,<br />

Schmuck) am Körper belassen o<strong>der</strong> entfernt <strong>und</strong> gesichert. Beides wird dokumentiert (Liste!)<br />

Falls Schmuck entfernt wird, wird <strong>der</strong> eingetütete Schmuck bei <strong>der</strong> Verwaltung abgegeben<br />

<strong>und</strong> quittiert (werktags) o<strong>der</strong> im Stationstresor eingeschlossen.<br />

• Das Bett wird so gestellt, dass es von beiden Seiten zugänglich ist. Stühle werden dazugestellt.<br />

• Die Heizung wird zurückgedreht, <strong>der</strong> Raum gelüftet. Eventuell stellen Sie eine elektrisch<br />

betriebene Duftlampe auf.<br />

• Pflegeutensilien werden vom Nachtkästchen geräumt. Wenn gewünscht, werden Symbole<br />

(Kerze, Rosenkranz, Blume) aufgestellt <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> persönliche Dinge (Brille, Bil<strong>der</strong>, "Lieblingsgegenstände")<br />

arrangiert.<br />

• Ärztliche Leichenschau: Bei <strong>der</strong> ärztlichen Leichenschau bieten die Pflegekräfte an, den<br />

Arzt zu unterstützen. Der Arzt füllt den Totenschein aus (Personalien des Toten, Todeszeitpunkt,<br />

Todesart, evtl. Hinweise auf übertragbare Erkrankung usw.)<br />

Info: Die ärztliche Leichenschau ermittelt die Todesart <strong>und</strong> sichtet die sicheren Todeszeichen: Totenflecke<br />

(zeigen sich in <strong>der</strong> Regel nach ca. 1-4 Std. nach dem Versterben, Ursache: siehe oben. Todesstarre (beginnt<br />

nach 2-12 Std., abhängig von Temperatur, Medikamenten, Anstrengungen des Todeskampfes.) Sie beginnt<br />

zunächst an <strong>der</strong> Muskulatur von Unterkiefer, Hals <strong>und</strong> Nacken <strong>und</strong> breitet sich zu den Extremitäten hin aus. Je<br />

nach Umständen löst sie sich in umgekehrter Reihenfolge nach ca. 1 - 6 Tagen. Ursache: Die Totenstarre entsteht<br />

durch Kontraktion <strong>der</strong> Muskulatur, die so ihre Energievorräte aufbraucht. (Ausführlicher Beitrag in Stationsordner<br />

„Sterbebegleitung“ abgelegt. MADEA, DETTMAYER, 2003)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Durchführen <strong>der</strong> Aufbahrung<br />

• Nach <strong>der</strong> ärztlichen Leichenschau kann <strong>der</strong> Tote in den Räumen <strong>der</strong> Kurzzeitpflege aufgebahrt<br />

werden. Wohnte die/<strong>der</strong> Verstorbene in einem Einzelzimmer, geschieht dies dort;<br />

ansonsten im Abschiedsraum. Der Tote kann nach Absprache mit den Angehörigen bis zu<br />

36 Std. in den Räumlichkeiten bleiben. Die anwesende verantwortliche Pflegekraft weist<br />

die Angehörigen darauf hin, dass auch die Möglichkeit einer häuslichen Aufbahrung besteht<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Verstorbene auch dorthin überführt werden kann.<br />

Info: Die Aufbahrung ist die Zeit des Abschieds. Dieser braucht Zeit <strong>und</strong> möglichst wenig Reglementierung.<br />

"Die menschenwürdige Aufbahrung eines Verstorbenen kann helfen bei <strong>der</strong> Trauerarbeit <strong>der</strong> nahen Angehörigen<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> professionellen Helfer." (SITZMANN 1999: 12.) An die Einrichtung des Aufbahrungsraumes werden<br />

vom Gesetz <strong>kein</strong>e beson<strong>der</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt. Die Überführungsfrist ist in den einzelnen Län<strong>der</strong>gesetzen<br />

zur Bestattung meist auf 36 Std. festgelegt; sie kann auf Antrag verlängert werden.<br />

Info: In Bayern ist die Zeit in <strong>der</strong> Bestattungsordnung nicht festgelegt. Kommunale Ordnungen machen entsprechend<br />

sehr unterschiedliche Vorschriften.<br />

• Für die Aufbahrung kann <strong>der</strong> Tote eingekleidet werden. Eventuell geäußerte o<strong>der</strong> übermittelte<br />

persönlichen Wünsche werden dabei berücksichtigt (z.B. Lieblingskleid, Hochzeitsanzug).<br />

Empfohlen wird das Einkleiden durch mindestens drei Personen auszuführen.<br />

Schwierige Kleidungsstücke können am Rücken aufgeschnitten werden.<br />

Info: Bei <strong>der</strong> Bekleidung von Toten ist leicht vergängliches Material zu verwenden (Bayerische Bestattungsverordnung<br />

§ 30 Abs. 4). Straßenklei<strong>der</strong> o<strong>der</strong> -anzüge sind als solche anzusehen (Siehe: KLINGSHORN 2001:<br />

9) "Ein Verstorbener sollte von mindestens drei Personen eingekleidet werden. Eine Person sollte den Verstorbenen<br />

statisch heben <strong>und</strong> halten, damit die beiden an<strong>der</strong>en Personen ihn problemlos ankleiden können."<br />

(Sitzmann 1999)<br />

Anregungen für körpernahe Kühlung: Ist eine Kühlung (Sommer) notwendig, eventuell<br />

Trockeneis in den Sarg legen (kann von Brauereien bezogen werden.) Günstige Alternative:<br />

Kühlmodule (für Kühlbox)<br />

• Der Verstorbene kann noch von den Angehörigen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Pflegekräften rasiert <strong>und</strong> gekämmt<br />

werden. Empfehlung: Angefeuchteter, weitzahniger Kamm. Keine Bürste! Bei gelocktem<br />

Haar werden die Strähnen einzeln behandelt.<br />

• Wichtig: Die Pflegekräfte informieren über die Möglichkeiten <strong>der</strong> Aussegnung o<strong>der</strong> von<br />

Abschiedsritualen (Werkblatt „Hinübergehen“; in <strong>der</strong> Station vorrätig) Sie ermutigen zur<br />

"Totenwache" <strong>und</strong> bieten Kaffee/Tee an. Eltern werden ermutigt, auch ihre Kin<strong>der</strong> in dieses<br />

Abschiednehmen einzubeziehen.<br />

• Wenn Pflegekräfte o<strong>der</strong> Angehörige nicht anwesend sind, wird <strong>der</strong> Raum verschlossen.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Auswertung (bezogen auf Ziele)<br />

• Die Pflegekräfte vergewissern sich in dieser Zeit <strong>der</strong> Versorgung/Aufbahrung immer wie<strong>der</strong>,<br />

wie es den Angehörigen geht <strong>und</strong> welche Unterstützung sie brauchen.<br />

• Die Pflegekräfte besprechen bei <strong>der</strong> Übergabe das Vorgehen mit den geglückten <strong>und</strong><br />

den eventuell schwierigen Ereignissen <strong>und</strong> Prozessen.<br />

• Die verantwortliche Pflegefachkraft (Stationsleitung) erk<strong>und</strong>igt sich regelmäßig, wie die<br />

Art <strong>der</strong> Zusammenarbeit von den Beteiligten gesehen wird (Ärzte, Bestatter).<br />

• Die Stationsleitung ruft ca. drei Monate nach dem Versterben den Ansprechpartner unter<br />

den Angehörigen an <strong>und</strong> erk<strong>und</strong>igt sich, wie die Unterstützung rückblickend bewertet<br />

wird.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Beispiele<br />

An Verstorbene erinnern<br />

Beispiele für einer Abschieds- <strong>und</strong> Gedenkkultur<br />

Wichtig: Die Idee muss immer mit den unmittelbar Betroffenen (z. B. Heimbewohner, Angehörige) gut abgestimmt<br />

sein, damit aus <strong>der</strong> Gedenkkultur <strong>kein</strong>e Gedenkdiktatur wird.<br />

• Trauerflor an <strong>der</strong> Tür: Mitarbeiter/Angehörige schmücken die Tür des Verstorbenen. Idee: St.-Josef-Heim,<br />

<strong>München</strong><br />

• Persönliche Gegenstände, die im Leben <strong>der</strong> verstorbenen Person eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung hatten (z. B. Pullover,<br />

Kreuz, Strickzeug usw.) werden an einem beson<strong>der</strong>en Platz arrangiert, bis <strong>der</strong>jenige bestattet wurde. Idee:<br />

Altenheim St. Augustin, Neuburg a. d. D.<br />

• Angehörige suchen Steine aus <strong>und</strong> beschriften diese. Die Steine können nach <strong>der</strong> Erinnerungsfeier mitgenommen<br />

werden. Alternative: kleine Blumentöpfe mit Erde zum Beschriften <strong>und</strong> Bemalen, in die Samenkörner<br />

gesät werden. Idee: Palliativstation am Klinikum Ingolstadt<br />

• Symbolkerze: Auf eine große Kerze applizieren Angehörigen mit Knetwachs den Namen des Verstorbenen<br />

<strong>und</strong> Symbole. Idee: HOLTZBECK 2004: 8<br />

• Objekte gestalten o<strong>der</strong> „Grabbeigaben“ aussuchen: Angehörige werden ermutigt, z. B. für die Aufbahrung o<strong>der</strong><br />

Aussegnungsfeier etwas mitzubringen, das symbolisch Ihre Trauer ausdrückt (z. B. zerbrochener Zweig)<br />

• Gedenklichter im Foyer: Eine große Kerze wird in einer mit Sand gefüllten Schale in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Rezeption<br />

<strong>der</strong> Einrichtung aufgestellt. Kleinere Kerzen stehen bereit, um von Angehörigen, Mitbewohner o<strong>der</strong> Pflegekräften<br />

für ein Gedenken o<strong>der</strong> Gebet für den Verstorbenen entzündet zu werden.<br />

• Ein „Lebensbaum“ mit Fotos von Bewohnern <strong>und</strong> Mitarbeitern als Blätter: Bereits beim Einzug eines Bewohners<br />

wird – wenn möglich mit dem Betroffenen zusammen – ein Blatt gestaltet <strong>und</strong> am Baum des Lebens <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Gemeinschaft befestigt. Auch Mitarbeiter sind Teil dieses Baumes. Bei Tod o<strong>der</strong> beruflichen Abschied aus<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaft werden die Blätter an das Wurzelwerk des Baumes gebettet. Idee: Altenheim St. Josef, Gerolfing<br />

• „Kreuzweg“: Ein großes Kreuz wird von Mitbewohnern, Angehörigen <strong>und</strong> Pflegekräften beim Versterben eines<br />

Bewohners mit einem Quadrat aus starker Silber- o<strong>der</strong> Goldfolie (z. B. 10x10 cm) beklebt, in die Wünsche, Erinnerungen<br />

o<strong>der</strong> ein Symbol mit stumpfen Bleistift eingraviert wurden. (Idee: REFERAT SCHULPASTORAL<br />

2005; ähnlich Leonhard-Henninger-Haus, <strong>München</strong> ORTH, ALSHEIMER 2005)<br />

• Gedenkwand mit Fotos/Objekten Verstorbener in <strong>der</strong> Einrichtung: Die Gedenkwand kann selbst in ihrer Gestaltung<br />

einen symbolischen Charakter annehmen (z. B. Motive: Reisekoffer, Tor, Schiff, Brücke, Weg, Wolken<br />

usw.). Die Gedenkwand könnte auch zur „Klagemauer“ werden. Idee REFERAT SCHULPASTORAL 2005<br />

• Nachruf für die Heimzeitung mit den Angehörigen des Verstorbenen gemeinsam gestalten. Gab es ein zentrales<br />

Lebensmotto des Verstorbenen? Aus einer Sammlung von Bil<strong>der</strong>n kann dann ein stimmiges Motiv ausgewählt<br />

werden. Idee: St. Elisabeth, Gaimersheim<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Hilfen/Fallbeispiel /<br />

Angehörige am Totenbett begleiten<br />

Hilfen für das Gespräch <strong>und</strong> rituelles Handeln<br />

Einführung<br />

„Den eigenen Tod, den stirbt man nur, aber mit dem Tod <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en muss man leben“, bangt<br />

die jüdische Lyrikerin Mascha Kaléko (1912-1975). Der Mainzer Klinikseelsorger Erhard Weiher<br />

(2004, 2005) zeigt die Bedeutung <strong>der</strong> Situation nach dem Versterben <strong>und</strong> die vielen kleinen<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Begleitung <strong>der</strong> Angehörigen. Seine Beiträge dazu wurden in dieser Arbeitseinheit<br />

in ein Fallbeispiel <strong>und</strong> Empfehlungen verwandelt.<br />

Im Unterschied zur verbreiteten Annahme, dass die erste Begegnung mit dem Verstorbenen<br />

im gefühlsgelähmten Schock vorbeizieht, erinnern sich 92 Prozent <strong>der</strong> Trauernden, dass in<br />

dieser unmittelbaren Zeit nach dem Tod ihre Trauerreaktionen am heftigsten gewesen seien.<br />

Wie die Situation erlebt wird <strong>und</strong> wie sich Ärzte, Pflegende, Seelsorger, Bestatter etc. verhalten,<br />

bleibt in intensiver Erinnerung. „Qualitative Untersuchungen (z. B. an <strong>der</strong> Klinik in Augsburg)<br />

lassen darauf schließen, dass ein qualifiziertes Reagieren <strong>der</strong> Professionellen in <strong>der</strong> Zeit<br />

unmittelbar nach dem Tod die spätere Trauer erleichtert.“ 1 (Weiher 2004, 4)<br />

1 Weiher, E. (2004): Die Sterbest<strong>und</strong>e im Krankenhaus. Was können die Professionellen im Umkreis des Todes tun? Beiträge<br />

zur Thanatologie (28), S. 4. (www,uni-mainz.de/Organi-sationen/thanatologie/Literatur/heft 28.pdf)<br />

Siehe auch Weiher, E. (1997): Pflege <strong>und</strong> Seelsorge unterstützen gemeinsam die Angehörigen. Abschied am Totenbett. Pflegezeitschrift<br />

50 (4), S. 168-170<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Fallgeschichte<br />

„Nein, ich kann das nicht, ich will ihn lieber so in Erinnerung behalten, wie ich ihn gekannt habe …“ Die Tochter,<br />

Frau Semrock, zögert. Vor ein paar St<strong>und</strong>en erst war sie hier gewesen. Sicher, dem Vater ging es nicht gut. Die<br />

Schwestern hatten sie informiert. Aber nichts deutete darauf hin, dass es so schnell gehen würde. Und jetzt liegt er<br />

hinter dieser Tür …<br />

Die Schwester am Telefon hatte sie schon gefragt, ob noch jemand mitkommen könne. Aber wen sollte sie bitten,<br />

so früh am Morgen? Sie hatte ihr empfohlen, dass sie sich ein Taxi nehmen solle. Und sie hätte Zeit. Nein, sie wollte<br />

nicht warten. Und jetzt steht sie vor <strong>der</strong> Tür. Schwester Maria, die sie bereits kannte, ist ihr schon entgegengekommen.<br />

Sie hat ihr Beileid ausgesprochen. „Ich bin selbst überrascht; Sie wissen ja, dass ich Ihren Vater mochte<br />

…“ Niemand hatte <strong>der</strong> Tochter den unterschwelligen Vorwurf gemacht, dass es doch absehbar war. Das hatte Frau<br />

Semrock befürchtet.<br />

„Möchten Sie eine Tasse Tee o<strong>der</strong> Kaffee, Sie haben die Zeit. Wir haben bis jetzt lediglich ein paar pflegerische<br />

Sachen aufgeräumt <strong>und</strong> das Kopfteil etwas höher gestellt, aber sonst nichts verän<strong>der</strong>t. Ihr Vater liegt leicht auf <strong>der</strong><br />

Seite. Er wirkt auf mich friedlich. Ich dachte vorhin zunächst noch, er schläft. Den Arzt kommt erst gegen halb<br />

neun. Wissen Sie, er muss noch warten mit <strong>der</strong> Untersuchung. Ihr Vater bleibt noch mindestens vier St<strong>und</strong>en bei<br />

uns hier auf Station. Anschließend kann er noch mindestens bis morgen bei uns im Abschiedsraum aufgebahrt<br />

bleiben, wenn sie möchten …“ Sie nennen ihn hier noch „Ihren Vater“, nicht „<strong>der</strong> Verstorbene“. Frau Semrock registriert<br />

es.<br />

Nun steht sie unschlüssig vor <strong>der</strong> Tür. Sie war schnell gekommen. Den Vater wollte sie nicht allein lassen; jetzt<br />

weiß sie nicht mehr, was sie will. Die Schwester steht neben ihr: „Ich weiß, ich war damals auch unschlüssig, als<br />

meine Mutter gestorben ist, ob ich zu ihr gehen soll o<strong>der</strong> kann. Aber ich war so froh, dass ich es dann doch gewagt<br />

habe … Aber natürlich können Sie ihn auch später noch sehen …“ Schwester Maria wartet.<br />

„Ist es Ihnen recht, wenn ich mit Ihnen gehe – o<strong>der</strong> wollen sie allein sein? Ich habe meinen Kolleginnen Bescheid<br />

gesagt. Niemand drängt uns.“ Die Tochter nickt, drückt die Klinke, wartet aber, bis die Schwester vorausgeht. Gedämpftes<br />

Licht brennt bereits im Zimmer. Die Schwester bietet ihr an, ein paar Minuten mit ihr still innezuhalten. „Ist<br />

das in Ordnung für Sie? Sie können solange bei Ihrem Vater bleiben wie sie wollen …“<br />

„Mögen Sie sich setzen? Wohin wollen Sie Ihren Stuhl?“ Beide lassen nun die Atmosphäre auf sich wirken. Es<br />

herrscht nach <strong>der</strong> Betriebsamkeit <strong>der</strong> letzten Tage - mehrfache Arztvisiten, die Unruhe des Kranken - Frieden im<br />

Zimmer. Ein Frieden, <strong>der</strong> vom Verstorbenen auszugehen scheint. Draußen hört man die erwachende Straße. Vögel<br />

zwitschern. Hier scheint die Zeit still zu stehen. Der Verstorbene wirkt trotz des leicht geöffneten M<strong>und</strong>es nicht gequält,<br />

auch wenn die Falten tief eingegraben sind. Die Augen sind geschlossen. Lediglich das linke scheint etwas<br />

zu blinzeln. Das Gesicht ist von <strong>der</strong> langen Krankheit gezeichnet. Die Hände liegen wachsbleich auf <strong>der</strong> Decke.<br />

Die Schwester eröffnet nach einer Zeit ein Gespräch über den Verstorbenen. „Das es jetzt so schnell ging … Sie<br />

haben anstrengende Tage hinter sich … Er hat lange gekämpft … Wie haben Sie es in den letzten Tagen erlebt?“<br />

Die Tochter beginnt zu erzählen, von <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> letzten Zeit, dem Chaos im Haushalt, die berufliche Hektik,<br />

<strong>der</strong> Hoffnung, dazwischen die Besuche hier. Und das Zuschauen-Müssen, wie ihr Vater kämpft. Die Schwester<br />

fragt, was sie ihrem Vater gewünscht hätte. Frau Semrock überlegt <strong>und</strong> bestätigt, ja, er sei immer schon ein Kämpfer<br />

gewesen. So wie er gestorben sei, habe er auch gelebt. Nie aufgeben!<br />

Dann entschuldigt sie sich, dass sie nicht weinen könne. Dazwischen Pausen. Sie erzählt von dem Schuldgefühl,<br />

das sie nun habe, weil sie gestern so früh gegangen sei <strong>und</strong> ihr Vater ohne sie sterben musste. Schwester Maria:<br />

„Wir machen oft diese Erfahrung, dass Menschen dann sterben, wenn niemand im Raum ist. Vielleicht ist das Gehen-Können<br />

für den Menschen leichter …“ Frau Semrock nickt, klagt aber erneut, warum sie nicht noch länger<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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geblieben sei. „Was würde Ihr Vater zu Ihnen <strong>und</strong> Ihrem Vorwurf sagen, den sie sich machen?“, fragt nun Maria.<br />

Frau Semrock lacht kurz auf. „Ach er; <strong>der</strong> hat mich immer getröstet. Auch die letzten Tage noch. Ich soll mich nicht<br />

so quälen im Leben.“ Frau Semrock schluchzt, lacht dazwischen kurz, schluchzt.<br />

Maria gibt <strong>der</strong> Tochter ein Taschentuch, die Nase läuft. Beide schweigen eine kleine Weile. „Wer wäre denn noch<br />

gerne heute da? Wen möchten Sie später noch informieren?“<br />

„Möchten Sie eine Kerze anzünden? Ich habe Ihnen bereits eine mitgebracht, die sie auch später mitnehmen können<br />

… Es geht Ihnen sicher vieles durch den Kopf <strong>und</strong> durch das Herz … Wir haben ein bisschen Zeit zum Erzählen.“<br />

(Wann hat eigentlich die Krankheit angefangen? Wer gehört noch zur Familie? Hatten Sie gute Jahre miteinan<strong>der</strong>?)<br />

Maria fragt Frau Semrock, ob sie allein bleiben wolle. Frau Semrock verneint. Es tue gut, dass sie da sei. Maria<br />

ermutigt nun Frau Semrock: „Vielleicht möchten Sie Ihrem Vater noch alle guten Wünsche <strong>und</strong> Gedanken mitgeben,<br />

die in Ihnen sind …“<br />

„Vielleicht möchten Sie Ihrem Vater danken …“<br />

„Vielleicht wollen Sie ihm noch gedanklich o<strong>der</strong> laut sagen, was sie schmerzt …“<br />

Schwester Maria fragt Frau Semrock, als diese sie nach einiger Zeit wie<strong>der</strong> anblickt, ob sie gläubig sei. Frau Semrock<br />

nickt. „Ich mache Ihrem Vater ein Kreuzzeichen auf die Stirn. Wenn Sie möchten, können Sie ihn auch berühren<br />

…“ Frau Semrock segnet die Hände <strong>und</strong> die Stelle des Herzens auf dem Schlafanzug ihres Vaters.<br />

„Ich möchte Ihren Vater gerne auch Gott anvertrauen, wenn Sie damit einverstanden sind … Wir können dazu das<br />

‚Vater unser“ beten. Beide beten nun laut das „Menschheitsgebet“. …<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Anregungen für die Begleitung<br />

• Reden Sie nichts weg o<strong>der</strong> bagatellisieren Sie nicht, son<strong>der</strong>n beschreiben Sie aufrichtig!<br />

(„Er hat gekämpft …“)<br />

• Klären Sie immer wie<strong>der</strong> die Situation! („ … Sind Sie damit einverstanden?“)<br />

• Informieren Sie über die nächsten Schritte <strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>und</strong> geben Sie so Sicherheit!<br />

(„Ihr Vater kann noch mindestens vier St<strong>und</strong>en auf unserer Station bleiben …“)<br />

• Sprechen Sie aus ihrer Erfahrungen <strong>und</strong> Ihrem persönlichem Erleben, aber unterstellen<br />

o<strong>der</strong> deuten Sie nicht. (Beispiel für eine Deutung wäre: „Ihr Vater wollte Ihnen die Situation<br />

nicht zumuten“ führt eventuell zu Schuldgefühl bei Angehörigen: „Bin ich zu<br />

schwach?“) Lassen Sie stattdessen Platz für die Ausdeutung <strong>der</strong> Angehörigen. („Wie haben<br />

Sie die letzten Tage erlebt?“)<br />

• Enthalten Sie sich schneller, drängeln<strong>der</strong> Psychologisierungen, z. B. die Angehörigen wollen<br />

das nahe Ende nicht wahrhaben<br />

• Schaffen Sie sich etwas Zeit für die Begleitung durch Absprachen auf <strong>der</strong> Station („Die<br />

Kolleginnen wissen Bescheid …“)<br />

• Zeigen Sie Möglichkeiten auf, ohne zu drängen („Sie können sich Zeit lassen mit <strong>der</strong> Entscheidung<br />

…)<br />

• Würdigen Sie die Leistung o<strong>der</strong> Gefühle <strong>der</strong> Angehörigen („Es war sicher eine anstrengende<br />

Zeit …“ „Ich kann mir vorstellen, es war nicht einfach für Sie …)<br />

• Regen Sie symbolisch-rituelles Handeln an, z. B. Kerze anzünden, Gegenstände aussuchen<br />

<strong>und</strong> drapieren!<br />

• Seien Sie Vorbild im Umgang mit den Verstorbenen, z. B. Berührung!<br />

• Beziehen Sie Nicht-Anwesende gedanklich mit ein („Wer gehört noch zum Kreis?“ „Wer<br />

konnte nicht kommen?“ „Wer wäre noch beson<strong>der</strong>s wichtig?“)<br />

• Knüpfen Sie eventuell an spirituellen Vorstellungen an! („Gibt es religiöse Symbole o<strong>der</strong><br />

Gebete, die Ihnen o<strong>der</strong> <strong>der</strong>/m Verstorbenen etwas bedeuten?“)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Standard / Textentwurf<br />

Im Team Gedenkkarte an Angehörige<br />

schreiben<br />

Ein Beispiel für eine aufmerksame Nachsorge<br />

Nach den Betriebsamkeiten <strong>und</strong> Aufregungen <strong>der</strong> ersten Tage (Bestattung organisieren,<br />

Nachlass regeln, Zimmer räumen usw.) wird es um die Angehörigen nach dem Tod eines Bewohners<br />

meist stiller. Die Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Umgebung lässt nach. In dieser Zeit wird eine<br />

Geste <strong>der</strong> Solidarität <strong>und</strong> des Gedenkens erfahrungsgemäß sehr positiv von den Angehörigen<br />

aufgenommen. Diese Form <strong>der</strong> Nachsorge ist wenig aufwändig, gleichzeitig aber persönlich.<br />

Sie unterstützt Team <strong>und</strong> Angehörige gleichermaßen, indem die Aktion menschliche Solidarität<br />

vermittelt <strong>und</strong> wertvolle Rückmeldung für die Sterbebegleitung <strong>der</strong> Einrichtung liefern kann.<br />

Ziele<br />

• Anteilnahme <strong>und</strong> Trost: Die Angehörige fühlt sich persönlich angesprochen <strong>und</strong> wertet<br />

es als beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit.<br />

• Guter Abschied im Team: Die Mitarbeiterinnen haben eine weitere Möglichkeit, sich zu<br />

entlasten <strong>und</strong> erfahren umgekehrt über die Rückmeldung des Angehörigen Anerkennung<br />

ihrer Arbeit.<br />

• Rückmeldung: Die Mitarbeiterinnen erfahren aus <strong>der</strong> Sicht von Angehörigen, was sie gut<br />

gemacht haben <strong>und</strong> auf was sie eventuell zukünftig achten können.<br />

Durchführung<br />

Verantwortlich: Verantwortliche Pflegefachkraft<br />

Vorbereitung / Rahmen / Beteiligte<br />

• Zeit: ca. drei bis vier Wochen nach dem Tod des Bewohners, Adressat ist die nächste Angehörige<br />

(z. B. Betreuerin)<br />

• Karte, Sammlung von kleinen Gedichten, Zitaten zum Thema Abschied zur Auswahl<br />

• Das Unterschreiben <strong>der</strong> Karte kann in ein Abschiedsritual des Teams eingebettet sein. (�<br />

Sich im Team durch Abschiedsritual entlasten)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Textvorschlag<br />

Titel: Das Team von Station … erinnert sich gerne an …<br />

Das Team <strong>und</strong> ich sitzen gerade in unserer Teamr<strong>und</strong>e zusammen <strong>und</strong> denken an Sie <strong>und</strong> Ihre<br />

verstorbene Mutter. Eine Kerze haben wir auch angezündet. Wir haben ein Gedanken ausgewählt<br />

<strong>und</strong> auf die Rückseite <strong>der</strong> Karte geschrieben, den wir trostreich fanden.<br />

Die Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase ist uns ein beson<strong>der</strong>es Anliegen.<br />

Wir fragen uns, wie es Ihnen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Familienangehörigen geht <strong>und</strong> wie Sie die Zeit des<br />

Abschieds in unserem Haus erlebt haben. Über eine kurze Rückmeldung würden wir uns<br />

freuen. Sie können uns auch ruhig sagen, falls Sie etwas irritiert, gestört o<strong>der</strong> gekränkt hat.<br />

Wie ja schon bei unserer letzten Begegnung vereinbart, dass ich Sie anrufen kann. Ich würde<br />

mich gerne bei Ihnen in den nächsten Tagen melden, um Sie zu fragen, wie es Ihnen geht <strong>und</strong><br />

wie Sie die Zeit bei uns erfahren haben.<br />

Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen<br />

………………………………….…..<br />

Verantortliche Pflegefachkraft (Stationsleitung)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Standard/ /Ritual<br />

Gedenkfeier gestalten<br />

Ein Beispiel für eine gelungene Dramaturgie<br />

Verantwortlich: Mitarbeiter des Arbeitskreises Gedenkfeier nach Absprache<br />

Titel: „Wir werden nichts vergessen, was wir miteinan<strong>der</strong> gelebt haben …“<br />

Vorbereitung/Rahmen<br />

• Empfehlung: Es sollten bei diesem Ritual nicht mehr als 20 Verstorbene im Mittelpunkt <strong>der</strong><br />

Feier stehen, weil sonst das Ritual zu lange dauern würde. Erfahrungsgemäß ist für jeden<br />

Verstorbenen mit etwa zwei bis drei Angehörigen zu rechnen.<br />

• Die Einladungen werden verschickt. Die Zahl <strong>der</strong> Teilnehmer sollte gut überschaubar bleiben;<br />

deshalb wird um eine Rückantwort gebeten. Empfehlung: Der Abstand zum Zeitpunkt<br />

des Todes sollte mindestens drei Monate betragen, damit <strong>der</strong> Verlust für die Angehörigen<br />

nicht zu „frisch“ ist.<br />

• In <strong>der</strong> Einladung (ca. einem Monat vor <strong>der</strong> Gedenkfeier) werden die Angehörigen auch<br />

darauf aufmerksam gemacht, dass sie auch eine Fürbitte o<strong>der</strong> Erinnerung formulieren <strong>und</strong><br />

zuschicken können, wenn sie nicht an <strong>der</strong> Gedenkfeier teilnehmen können o<strong>der</strong> wollen.<br />

Diese würde dann – wenn gewünscht – bei <strong>der</strong> Gedächtnisfeier stellvertretend von einer<br />

Mitarbeiterin vorgelesen. So wäre auch eine Beteiligung trotz Abwesenheit möglich. Niemand<br />

soll sich zum Ritual gedrängt fühlen. Auch Mitarbeiter, die im vergangenen Zeitraum<br />

seit <strong>der</strong> letzten Gedenkfeier Angehörige verloren haben, können zu dieser Gedenkfeier<br />

eingeladen werden.<br />

Raumgestaltung/Materialien/Medien<br />

• Stuhlkreis (auch mit einigen Stühlen in einer zweiten Reihe, falls jemand mehr Abstand<br />

<strong>und</strong> „Schutz“ haben möchte)<br />

• Tücher <strong>und</strong> Blätter für die Mitte (Deko-Material)<br />

• Faltblatt mit dem Ablauf <strong>und</strong> den Texten auf jedem Stuhl ausgelegt<br />

• CD-Player<br />

• Kerzen <strong>und</strong> Kerzengläser, lange Zündhölzer<br />

• Klangschale<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Durchführung<br />

Übersicht: Das Ritual folgt dem Phasenschema für Übergangsrituale. Es wird zunächst über<br />

Begrüßung, kurzes Kennenlernen <strong>der</strong> Sitznachbarn <strong>und</strong> poetische <strong>und</strong> musikalische Einstimmung<br />

ein Rahmen geschaffen, <strong>der</strong> feierliche Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Sicherheit ermöglichen soll.<br />

In <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> „Erinnerung/Loslösung“ werden durch Meditation <strong>und</strong> Schreiben <strong>der</strong> Trauer<br />

Ein- <strong>und</strong> Ausdrucksmöglichkeit gegeben. Zentrales Medium des „Höhepunkts“ ist das Universalsymbol<br />

des Lichtes. Dass die Trauerzeit auch eine Zeit des Wachsens im Dunklen ist, wird<br />

über das Symbol-Geschenk <strong>der</strong> Blumenzwiebel ausgedrückt. Ein einfacher Kreistanz führt aus<br />

dem Ritual hinaus.<br />

Eröffnung/Rahmen<br />

• Mit dem Klang <strong>der</strong> Klangschale wird das Ritual eröffnet.<br />

• Die Heimleitung begrüßt die Angehörigen <strong>und</strong> gibt eine Übersicht zum Ablauf.<br />

• Der 1. Text zum Thema Gedenken wird rezitiert (z. B. Paul Tillich: … die eigentliche Todesangst<br />

ist immer die Angst vor dem Vergessen-Werden …“<br />

• Die Anwesenden werden gebeten, sich kurz den jeweiligen Sitznachbarn zur Rechten <strong>und</strong><br />

zur Linken vorzustellen (= Sicherheit durch Kontakt)<br />

• Einstimmung über ein Musikstück (z. B. Instrumentalstück „Borg mir Dein Licht“, Jörg Hufeisen<br />

2005)<br />

4. Phase: Rückbesinnung = Loslösung<br />

Motto: Wir erinnern uns <strong>und</strong> blicken zurück<br />

• Ein 2. Text zur Bedeutung von Erinnerung wird vorgetragen (z. B. Hermann Hesse: … Auf<br />

unserer Stufe muss das Totenopfer in unserer eigenen Seele vollzogen werden, durch<br />

Gedenken, durch genaueste Erinnerungen, durch Wie<strong>der</strong>aufbau des geliebten Wesens in<br />

unserem Inneren …“)<br />

• Die Anwesenden werden zu einer Besinnung eingeladen, die verschiedene Seiten <strong>und</strong><br />

Facetten <strong>der</strong> jeweiligen Beziehung zum verstorbenen Angehörigen in die Erinnerung holt.<br />

Einige Impulse <strong>der</strong> Meditation werden kurz vorab benannt, damit sich die Teilnehmer etwas<br />

unter <strong>der</strong> Besinnung vorstellen <strong>und</strong> sich darauf einstellen können. Die Teilnehmer<br />

können für die Meditation die Augen schließen, wenn sie möchten.<br />

Text für Meditation<br />

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Ich erinnere mich …<br />

• Ich erinnere mich an eine schöne Situation, in <strong>der</strong> ich mich <strong>der</strong> verstorbenen Person sehr nahe o<strong>der</strong><br />

sehr verb<strong>und</strong>en gefühlt habe …<br />

• Ich erinnere mich an Eigenheiten … Was habe ich vielleicht übernommen?<br />

• Ich erinnere mich an typische Aussprüche …<br />

• Vielleicht wurden wir uns auch fremd. Vielleicht litt mein Angehöriger an Demenz …<br />

• Vieles ist nicht vorhersehbar, was uns hinterher leid tut. Diese Versäumnisse gehören zu unserem<br />

Menschsein. Vielleicht hätte ich dem Verstorbenen zu Lebzeiten noch gerne etwas gesagt … Was<br />

hätte die verstorbene Person wohl zu mir gesagt, wenn sie meine Worte jetzt hören würde? Vielleicht<br />

hätte ich gerne noch etwas gehört, was mir <strong>der</strong> Verstorbene zum Abschied sagen könnte …<br />

• Für was bin ich dankbar?<br />

• Vielleicht gibt es auch Menschen, die für mich wichtig waren in <strong>der</strong> Zeit des Sterbens meines Angehörigen<br />

<strong>und</strong> in <strong>der</strong> Zeit danach …<br />

• Ein 3. Text wird zitiert (z. B. Rainer Maria Rilke: Herbst)<br />

• Der folgende Teil des Erinnerungsrituals wird vorab kurz erläutert. Eine große Schale o<strong>der</strong><br />

ein Korb mit Stiften <strong>und</strong> mit farbigen DIN A4-Blättern wird herumgereicht, die in Form von<br />

verschiedenen Herbstblättern geschnitten wurden. Farbe <strong>und</strong> Blattform stehen für unterschiedliche<br />

Satzanfänge, die auf die Blätter kopiert wurden. Gelbes Ahornblatt = Ich bin<br />

dankbar für … Oranges Kastanienlaub = Ich erinnere mich gerne an … Rotes Buchenblatt<br />

= Ich brauche noch Zeit für …<br />

• Wer von den Anwesenden mag, kann nun diesen Impulsen auf den Blättern folgen <strong>und</strong> die<br />

jeweiligen Sätze persönlich weiter schreiben.<br />

• Wer möchte, legt die beschriebenen Blätter wie<strong>der</strong> zurück in den Korb o<strong>der</strong> in die Schale.<br />

Die Mitarbeiter des Arbeitskreises legen diese in <strong>der</strong> Mitte aus <strong>und</strong> lesen einige Erinnerungen<br />

vor. Es bleibt auf diese Weise anonym, von wem das jeweilige Blatt stammt. Für den<br />

Betroffenen kann es hilfreich sein, das Geschriebene noch einmal laut zu hören. Für an<strong>der</strong>e<br />

Anwesende mag es ein Gedanke sein, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um eigene Dankbarkeiten, schöne Erinnerungen<br />

o<strong>der</strong> Nöte in <strong>der</strong> Trauerzeit zum Ausdruck bringt.<br />

• Wenn Erinnerungen von Angehörigen geschickt wurden, können diese – sofern gewünscht<br />

– an dieser Stelle des Rituals vorgelesen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> ausgelegt werden.<br />

Beispiele für Erinnungsblätter<br />

Ich erinnere mich gerne an …<br />

• Deine weiche, gut riechende Haut, an die vielen gemeinsamen St<strong>und</strong>en, z. B. beim Kaffee-Trinken<br />

<strong>und</strong> an Dein gutes Essen<br />

• meine Kindheit, an Weihnachten mit meiner Mutter, an das Weihnachtsgebäck <strong>und</strong> an die Zimtster-<br />

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ne, die so einmalig waren.<br />

Ich bin dankbar für …<br />

• Deine Hilfsbereitschaft <strong>und</strong> für die schöne Zeit, die wir zusammen hatten. Ich vermisse Dich sehr!!<br />

• die Unterstützung durch meine Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Zeit nach dem Tod meines lieben Mannes.<br />

Ich brauche noch Zeit …<br />

• um mir selbst zu vergeben. Denn am Schluss war meine Kraft auch zu Ende, Dich so leiden sehen zu<br />

müssen. Bitte verzeih’ mir!<br />

• ganz zu begreifen, dass sie nicht mehr unter uns weilt.<br />

5. Höhepunkt = Übergang, Verwandlung<br />

• Die folgende Handlung wird durch ruhige Musik getragen (z. B. von Pachelbel o<strong>der</strong> Bach).<br />

• Ein Mitglied des Arbeitskreises verliest laut den Namen eines verstorbenen Bewohners<br />

<strong>und</strong> bringt eine Kerze mit Kerzenglas zu dessen Angehörigen. Es wird dort leise <strong>und</strong> kurz<br />

mit den Angehörigen abgesprochen, ob einer <strong>der</strong> Angehöriger die Kerze selbst in die Mitte<br />

bringen kann o<strong>der</strong> ob diesen Akt das Mitglied des Arbeitskreis übernimmt, weil die Trauernden<br />

zu sehr berührt sind. Die Angehörigen entzünden die Kerze.<br />

• Der nächste Name wird erst dann genannt, wenn die Kerze in <strong>der</strong> Mitte aufgestellt wurde<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Angehöriger, bzw. sein Stellvertreter wie<strong>der</strong> auf seinen Platz zurückgekehrt ist.<br />

Diese Feierlichkeit durch Ordnung <strong>und</strong> Ruhe in <strong>der</strong> Handlung ist wichtig (FISCHEDICK<br />

204: 15). Je<strong>der</strong> Verstorbene erhält symbolisch einen Platz in <strong>der</strong> Mitte. Die Kerzen können<br />

zu einer Gestalt geordnet werden (z. B. Kreis, Herz, Kreuz Spirale, Stern). Wenn das gewollt<br />

ist, sollten die Umrisse in <strong>der</strong> Mitte schon angedeutet sein (z. B. mit Kieselsteinen als<br />

„Platzhalter“)<br />

• Die Musik klingt leise aus. (Die Lautstärke des CD-Players wird langsam reduziert.)<br />

• Wenn alle Verstorbenen mit Namen genannt <strong>und</strong> mit Kerzen repräsentiert sind, wird ein<br />

Gebet (z. B. Vaterunser) gesprochen. Wer möchte, betet mit.<br />

• Fürbitten, die von den Mitglie<strong>der</strong>n des Arbeitskreises abwechselnd vorgetragen werden,<br />

beenden diese Phase.<br />

6. Phase = Neuanbindung<br />

• 4. Text vortragen (z. B. Friedrich Bonhoeffer: „… Man muss sich hüten, in den Erinnerungen<br />

zu wühlen, sich ihnen auszuliefern, wie man auch ein kostbares Geschenk nicht immerfort<br />

betrachtet …“)<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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• In einem Korb o<strong>der</strong> einer Schale werden Blumenzwiebeln verschenkt. Impuls: Auch die<br />

Trauer braucht ihre Zeit …Was ist meine Hoffnung?<br />

• Ein 5. Text, <strong>der</strong> gedanklich zum Weiterleben hinführt, wird vorgelesen (z. B. Borges:<br />

„Wenn ich noch einmal leben könnte … würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen …“<br />

o<strong>der</strong> Reuter: „Ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen …“ o<strong>der</strong> v. Droste-Hülshoff: „<br />

… Alles ist gut.“ o<strong>der</strong> Koholet: „Alles hat seine Zeit“.<br />

• Ein leicht zu lernen<strong>der</strong> Kreistanz wird gezeigt. (z. B. WOISIN o.J.a: Navida Dau von <strong>der</strong><br />

Gruppe WibazziI); weitere Auswahl <strong>und</strong> Musikhinweise bei LANDER, ZOHNER 1992,<br />

Empfehlungen für Lie<strong>der</strong> aus dem Gebetbuch: LÖDEL2003)<br />

• Musik <strong>und</strong> Tanz r<strong>und</strong>en <strong>und</strong> beenden das Ritual.<br />

Abschluss<br />

Die Feier endet mit „irischen Segenswünschen“ (z. B. Sammlung bei MULTHAUPT 2006) des<br />

Heimleiters <strong>und</strong> <strong>der</strong> Einladung zu einem Imbiss (im Stehen).<br />

Verwendete Literatur für die Textauswahl: BICKEL, TAUSCH-FLAMMER 2003, DIRSCHAUER 2005<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Standard mit Gesprächsimpulsen<br />

Auszubildende auf die Versorgung<br />

Verstorbener vorbereiten 1<br />

Schritte für eine verantwortungsvolle Praxisanleitung<br />

Einführung<br />

Junge Auszubildende haben schon viele Tote gesehen – in <strong>der</strong> Regel allerdings nur auf dem<br />

Bildschirm: bis zum 14. Lebensjahr im Durchschnitt etwa 18.000. (HURTH 2001: 512). Es ist<br />

meist ein gewaltsamer Tod. Etwa 40 % <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> zwischen sechs <strong>und</strong> zehn Jahren glauben<br />

deshalb, Menschen sterben durch Erschießen (HURTH 2001; 2004). Wenn die jeweiligen<br />

„Tatort-Kommissare“ Hinterbliebene befragen, zeigen sich kaum Spuren von Trauer. Tote verschwinden<br />

schnell. Totenwache o<strong>der</strong> Todengedenken sind im Drehbuch nicht vorgesehen.<br />

Wenn auch <strong>der</strong> Tod auf diese verzerrte Weise medial allgegenwärtig <strong>und</strong> nah scheint, so ist er<br />

im realen Leben meist sehr fern. Die Mehrheit <strong>der</strong> Erwachsenen in Deutschland hat bis zum<br />

40. Lebensjahr noch <strong>kein</strong>en Verstorbenen aus <strong>der</strong> Nähe gesehen. (WILLMANN 2004) „Was<br />

fehlt, ist die Erfahrung <strong>und</strong> damit das gr<strong>und</strong>legende Wissen, das die Normalität des Sterbens<br />

<strong>und</strong> des Todes beinhaltet. Anfänger in Pflegeberufen spüren dieses Defizit am deutlichsten.<br />

Häufig erleben sie ihre erste Begegnung mit Sterbenden <strong>und</strong> Toten als Schock, <strong>und</strong> zwar<br />

dann, wenn sie nicht genügend darauf vorbereitet wurden.“ (BODE; ROTH 1998: 51; siehe<br />

dazu auch: KNOBLING 1999). Wir treffen also in <strong>der</strong> Anleitung zur Versorgung Verstorbener<br />

auf eine komplexe Situation. Es gibt vermutlich viele Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Phantasien, aber wenig o<strong>der</strong><br />

<strong>kein</strong>e reale Erfahrung. Wie können Auszubildende an diese Situation herangeführt werden?<br />

Eine echte kommunikative Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

1<br />

Entwickelt von: Martin Alsheimer/Kurs Praxisanleitung Ingolstadt 2005<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Ziele<br />

• Der Auszubildende kennt die notwendigen pflegerischen Handlungen <strong>und</strong> ihre rechtlichen<br />

<strong>und</strong> trauerpsychologischen Hintergründe.<br />

• Der Auszubildende fühlt sich sicher in <strong>der</strong> Pflegesituation.<br />

• Der Praxisanleiter erkennt eventuelle Ängste gegenüber dieser Situation.<br />

• Der Auszubildende begreift die Versorgung <strong>und</strong> Aufbahrung von Verstorbenen als Chance<br />

für den persönlichen Abschied von dem verstorbenen Menschen.<br />

Durchführung<br />

1. Schritt: Erk<strong>und</strong>en<br />

• Der Praxisanleiter bespricht mit dem Auszubildenden den Standard <strong>der</strong> Einrichtung zur<br />

Versorgung Verstorbener. Dabei werden pflegepraktische, rechtliche, trauerpsychologische<br />

<strong>und</strong> organisatorische Fragen geklärt. Wichtig für dieses Gespräch: angenehme, ungestörte<br />

Atmosphäre<br />

• Sie besprechen gemeinsam die bisherigen Erfahrungen (o<strong>der</strong> Vorstellungen) im Umgang<br />

mit Toten.<br />

• Der Praxisanleiter spricht eventuelle Ängste an; die Schritte <strong>der</strong> Heranführung werden abgesprochen<br />

<strong>und</strong> auf den Auszubildenden hin abgestimmt (Impuls: „Was könnte Ihnen/Dir<br />

den ersten Umgang mit Verstorbenen erleichtern?“)<br />

• (Heim/Klinik) Der Praxisanleiter zeigt den Aufbahrungsraum (ohne aufgebahrten Toten)<br />

<strong>und</strong> bespricht die Wirkung des Raumes auf den Auszubildenden.<br />

2. Schritt: Begegnen<br />

• Der Praxisanleiter fragt bei einem aktuellen Todesfall, ob <strong>der</strong> Auszubildende in seinem<br />

Beisein den Verstorbenen anschauen möchte (ohne pflegerische Handlung).<br />

• Der Praxisanleiter bietet ein Vorbild für die persönliche Verabschiedung (z. B. Verbeugung,<br />

Gebet, „Anrede <strong>der</strong> Toten“, Berührung).<br />

• Der Praxisanleiter fragt nach, wie es dem Auszubildenden geht.<br />

• Der Praxisanleiter ermutigt den Auszubildenden, den toten Menschen zu berühren (ohne<br />

Zwang).<br />

• Der Praxisanleiter lädt den Auszubildenden zu einem einrichtungsüblichen Verabschie-<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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dungsritual ein (z.B. Aussegnung).<br />

3. Schritt: Mitwirken bei <strong>der</strong> Versorgung <strong>und</strong> Aufbahrung<br />

• Der Praxisanleiter lädt den Auszubildenden ein, nach seinen Möglichkeiten bei <strong>der</strong> Versorgung<br />

mitzuwirken. Er lässt ihm dabei die Freiheit auch wie<strong>der</strong> abzubrechen, wenn es<br />

ihm zu viel wird.<br />

• Der Praxisanleiter sorgt dafür, dass die Versorgung in einer Atmosphäre <strong>der</strong> Ruhe <strong>und</strong><br />

Besinnung passiert. Er ist Vorbild in dieser Situation. (Er kann z. B. auf den Frieden, <strong>der</strong><br />

oft auf den Gesichtern von Verstorbenen liegt, aufmerksam machen o<strong>der</strong> wie in einer<br />

Pflege bei Lebenden mit dem Verstorbenen sprechen)<br />

• Der Praxisanleiter erklärt den jeweiligen nächsten Schritt <strong>und</strong> bereitet vor <strong>der</strong> jeweiligen<br />

pflegerischen Handlung den Auszubildenden auf eventuell irritierende o<strong>der</strong> erschreckende<br />

Phänomene vor (z. B. Seufzerlaute beim Drehen des Verstorbenen durch entweichende<br />

Luft, Austreten von Körperflüssigkeit usw.)<br />

Auswertung:<br />

• Der Praxisanleiter nimmt sich Zeit für ein anschließendes Gespräch mit dem Auszubildenden<br />

(Impuls: „Wie haben Sie/hast Du die Situation erlebt?)<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Standard mit Gesprächsimpulsen<br />

In die Sterbebegleitung einführen 1<br />

Praxisanleitung: Auszubildende auf Sterben <strong>und</strong> Trauer vorbereiten<br />

Ziele<br />

• Die Auszubildenden können eigene Erfahrungen <strong>und</strong> eigenes Wissen, persönliche Vermutungen<br />

<strong>und</strong> Ängste im Gespräch reflektieren <strong>und</strong> fühlen sich ernst genommen.<br />

• Die Auszubildenden kennen Leitgedanken <strong>und</strong> (heiminterne) Beson<strong>der</strong>heiten bei <strong>der</strong> Begleitung<br />

<strong>und</strong> Pflege sterben<strong>der</strong> Menschen<br />

• Die Auszubildende erhalten Informationen zu Fragen, die sie bewegen.<br />

• Der Praxisanleiter erkennt eventuelle Ängste im Vorfeld <strong>und</strong> kann individuell unterstützten.<br />

• Die Auszubildende <strong>und</strong> Praxisanleiter treffen Vereinbarungen zu praktischen Hinführung<br />

<strong>und</strong> bleiben zum Thema im Gespräch.<br />

Durchführung<br />

Zeitpunkt: Im Rahmen eines Anleitungstages möglichst im 1. Ausbildungsjahr<br />

1. Schritt: Persönliche Erzählungen als Einstieg<br />

Der Praxisanleiter erzählt, wie er die erste (berufliche) Konfrontation mit dem Sterben erlebt<br />

hat. Er kann berichten, was ihm damals eventuell geholfen hat o<strong>der</strong> was er an Unterstützung<br />

vielleicht vermisst hat o<strong>der</strong> er sich gewünscht hätte. Dieser persönliche Einstieg soll die Auszubildenden<br />

im weiteren Gespräch ermutigen, auch ihre Ängste o<strong>der</strong> Wünsche zu äußern.<br />

(„Coole Fassade ist nicht notwendig!“)<br />

2. Schritt: Über Erfahrungen ins Gespräch kommen, den Wissenstand erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

Fragen sammeln<br />

Impulse<br />

• „Was hast Du / habt Ihr in <strong>der</strong> Schule schon zum Thema Sterbebegleitung gehört o<strong>der</strong><br />

1 Entwickelt in einer Fortbildung zum Thema am 02.07.2009 im Alten- <strong>und</strong> Pflegeheim St. Augustin <strong>der</strong> Barmherzigen Brü<strong>der</strong> in<br />

Neuburg a.d.D.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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gelernt?“<br />

• „Was hast Du / habt Ihr hier in <strong>der</strong> Einrichtung schon erlebt o<strong>der</strong> besprochen?“<br />

• „Was interessiert Dich / Euch zum Thema Sterbebegleitung beson<strong>der</strong>s?“<br />

• „Gibt es etwas, das Dir / Euch Sorgen bereitet?“ (Evtl. nachfragen, wie o<strong>der</strong> in welcher Situation<br />

die Ängste entstanden o<strong>der</strong> aufgetaucht sind)<br />

3. Schritt: Gezielt informieren, Fragen <strong>und</strong> Ängste aufgreifen<br />

Leitgedanken<br />

• Das Heim ist in <strong>der</strong> Regel das letzte Zuhause. Beobachtung <strong>der</strong> letzten Jahre: Die Menschen<br />

kommen in die Einrichtung immer älter, immer kränker, die verbleibende Lebenszeit<br />

im Heim wird immer kürzer. Die Sterberate ist 50% pro Jahr im Durchschnitt<br />

• Sterben ist ein natürlicher Prozess. Der Anblick eines Toten ist nicht grauenvoll (wie im<br />

gewaltsamen Fernseh-Thriller)<br />

• Je<strong>der</strong> stirbt seinen eigenen Tod. Wir müssen uns lösen von eigenen idealisierten Vorstellungen,<br />

wie ein „guter Tod“ aussehen sollte.<br />

• Das Sterben liegt nicht in unserer Macht. Wenn jemand stirbt, müssen sich Pflegekräfte<br />

nicht schuldig fühlen.<br />

• Betroffenheit (z. B. Tränen) sind <strong>kein</strong> Zeichen fehlen<strong>der</strong> Distanz o<strong>der</strong> „Professionalität“,<br />

son<strong>der</strong>n spiegeln persönliche Beziehungen, die in <strong>der</strong> Pflege entstehen können. Alle Gefühle<br />

sind in Ordnung (z. B. auch Erleichterung). Offenheit <strong>und</strong> Erzählen-Dürfen schützen<br />

vor Überfor<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> sind wichtiger Teil einer „professionellen Haltung“..<br />

Basisinformationen (Auf was achten wir in <strong>der</strong> Einrichtung?)<br />

o Achtsamkeit gegenüber Angehörigen<br />

o Schmerzlin<strong>der</strong>ung, Symptomkontrolle (z. B. Atemnot)<br />

o Wünsche, die für die Situation erfasst worden sind (siehe Beispiele Dokumentation)<br />

o Oft verän<strong>der</strong>te Reaktionen (Achtung: Wünsche können sich än<strong>der</strong>n!)<br />

o Auch wenn <strong>der</strong> Betroffene anscheinend nicht mehr reagiert, sprechen wir ihn bei allen pflegerischen<br />

Handlungen immer an <strong>und</strong> erklären, was wir tun.<br />

o Pflege nach Absprache im Team immer anpassen. Leitfrage: Was belastet den Sterbenden<br />

vielleicht nur? Wir dürfen weglassen, was quält!<br />

o Was passiert nach dem Versterben im Haus? Informieren über die Regelungen <strong>der</strong> Einrichung<br />

Der Praxisanleiter macht die Informationen mit Beispielen anschaulich <strong>und</strong> fragt im Gespräch<br />

nach, was die Auszubildende beson<strong>der</strong>s interessiert.<br />

4. Schritt: Weitere Schritte <strong>und</strong> Umgang mit Belastungen besprechen<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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� Der Praxisanleiter klärt mit den Auszubildenden, wie sie an die Aufgabe <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

herangeführt werden möchten (z. B. mit ins Zimmer gehen dürfen, ohne gleich pflegerisch<br />

aktiv werden zu müssen). Er sorgt dafür, dass diese Vereinbarungen im Pflegeteam<br />

bekannt sind.<br />

� Der Praxisanleiter ermutigt dazu, sich bei Problemen, die mit den KollegInnen vor Ort nicht<br />

ausreichend zu klären sind, sich an die Praxisanleitung zu wenden.<br />

� Die Praxisanleitung zeigt weitere Möglichkeiten, sich den Themen Sterben, Tod <strong>und</strong> Trauer<br />

anzunähern (z. B. Teilnahme an Abschiedsritual, Gedenkfeier, Besichtigung des Aufbahrungsortes,<br />

Anschauen des Bildbandes „Noch einmal leben vor dem Tod“ 1 )<br />

� Der Praxisanleiter gibt die Konzeption/Standards zur Sterbegleitung an die Auszubildenden<br />

zum Lesen mit. „Welche Informationen findest Du beson<strong>der</strong>s wichtig?“ „Wo hast Du<br />

Fragen?“ Der Praxisanleiter vereinbart die Gelegenheit <strong>und</strong> den Zeitpunkt, um über Konzeption<br />

<strong>und</strong> Standards zu sprechen.<br />

� Der Praxisanleiter fragt nach, welche Unterstützung sich die Auszubildenden noch wünschen?<br />

:<br />

Nachbereitung<br />

Der Praxisanleiter sucht regelmäßig (alle zwei Monate) das Gespräch mit den Auszubildenden:<br />

„Wie geht es Dir/Euch mit <strong>der</strong> Anleitung vor Ort“ „Gibt es Erfahrungen in <strong>der</strong> Sterbebegleitung?“<br />

1 LAKOTTA B., SCHELS W.: Noch mal Leben vor dem Tod. Wenn Menschen sterben. Deutsche Verlags-Anstalt<br />

<strong>München</strong> 2004<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Entwurf Ablaufplanung<br />

Angehörigenabend zur Patientenverfügung<br />

Lernphasen, Lernziele, Inhalte, Methoden <strong>und</strong> benötigtes Material<br />

Titel: Liebe Dein Leben <strong>und</strong> denk’ an den Tod – Vorsorge treffen<br />

Zeit Lernphase / Ziele<br />

19:00 Einsteigen 1<br />

Ziel: Die Tn erfahren<br />

die Diskrepanz zwischen<br />

eindeutiger<br />

Rechtslage <strong>und</strong> dem<br />

verwirren<strong>der</strong> Bild in<br />

den Medien<br />

19:10 Einsteigen 2<br />

Ziel: Die Tn kommen<br />

in persönlichen<br />

Kontakt <strong>und</strong> präzisieren<br />

ihre Erwartungen<br />

19:20 Erarbeiten 1<br />

Ziel: Die Tn erhalten<br />

einen Einblick in<br />

rechtliche Gr<strong>und</strong>lagen,<br />

erfahren die unterschiedlicheHaltungen<br />

von Ärzten.<br />

Methoden<br />

Inhalte<br />

Kurze Begrüßung<br />

Methode Erzählen<br />

Schlagzeilen<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Der Kursleiter (Kl) liefert über Zeitungsschlagzeilen<br />

Beispiele für die Verwirrung<br />

bei <strong>der</strong> Sterbehilfe. Ziel des Abends:<br />

Klarheit.<br />

Motto: „Die Rechtslage ist eindeutig!“<br />

Der Kl liefert einen Überblick über die<br />

Schritte des Abends an <strong>der</strong> Flipchart<br />

Methode Partnergespräch:<br />

„Meine Fragen“<br />

Die Tn machen sich mit den Nachbarn<br />

(zu zweit o<strong>der</strong> zu dritt bekannt). Sie<br />

schreiben ihre Fragen auf Karten (1<br />

Frage = 1 Karte!). Der Kl sammelt die<br />

Beiträge <strong>und</strong> fragt evtl. nach, wenn die<br />

Formulierung unklar ist.<br />

Hinweis: Die Fragen dienen als Ausgangspunkt<br />

für die „Expertenbefragung“<br />

Methode Videobetrachtung<br />

„Leben wi<strong>der</strong> Willen“<br />

Im Film kommen unterschiedliche<br />

Sichtweisen von Ärzten zu Wort. Ein<br />

Verfassungsrichter klärt die Rechtlage.<br />

An mehreren Schicksalen wird die<br />

rechtsbrüchige Praxis, aber auch Wege<br />

des Sterben Zulassens gezeigt.<br />

Impulse für die Filmbetrachtung<br />

• Welche Informationen finde ich<br />

wichtig?<br />

• Wo habe ich Antworten erhalten auf<br />

meine Fragen?<br />

• Welche Fragen stellen sich mir?<br />

Sozialform<br />

Verantwortlich<br />

Materialien / Medien<br />

Plenum � CD-Player mit Hintergr<strong>und</strong>musik<br />

vor<br />

<strong>der</strong> Veranstaltung (löst<br />

evtl. Beklemmung<br />

beim Warten)<br />

Partnerarbeit<br />

Plenum<br />

� Folie o<strong>der</strong> Plakat<br />

mit montierten<br />

Zeitungsschlagzeilen<br />

� Flipchart<br />

� Karten (Din A4<br />

längs)<br />

� Dicke Filzstifte<br />

� Evtl. Klemmbretter<br />

zum Schreiben<br />

� Pinnwand („Unsere<br />

Fragen“)<br />

� DVD-Player +<br />

Fernseher o<strong>der</strong><br />

Beamer + Laptop<br />

+ Lautsprecher<br />

� Film „Leben wi<strong>der</strong><br />

Willen“<br />

aus <strong>der</strong> Reihe „Sterben<br />

verboten“<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Zeit<br />

Lernphase / Ziele<br />

Methoden<br />

Inhalte<br />

20:00 Transfer 1 Methode Kugellager<br />

20:15<br />

Ziel: Gibt Raum für<br />

Erzählungen <strong>und</strong><br />

persönliche Betroffenheiten<br />

20:25 Transfer 2<br />

Ziel: Die Tn gewinnen<br />

Klarheit auf ihre<br />

Fragen<br />

20:50 Auswertung 1<br />

Ziel: Die Tn reflektieren<br />

persönliche<br />

Konsequenzen<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Anleitung: Die Tn setzen sich in einen<br />

Innenkreis <strong>und</strong> in einem Außenkreis<br />

paarweise gegenüber. Die Leitung gibt<br />

einen Impuls/eine Frage für den wechselseitigen<br />

Erfahrungs- <strong>und</strong> Meinungsaustausch<br />

zwischen den jeweiligen<br />

Partnern.<br />

Die Leitung beendet die Gespräche<br />

jeweils nach ca. 5 Min. z. B. durch einen<br />

Gongschlag. Danach setzen sich<br />

die Tn gegenläufig (= „Kugellager“) einen<br />

Stuhl weiter, so dass neue Partner<br />

für das nächste Gespräch zusammenkommen.<br />

Impulse, z. B.:<br />

• Welche Informationen waren für<br />

mich neu o<strong>der</strong> wichtig?<br />

• Was gilt es bei <strong>der</strong> Vorsorge zu bedenken?<br />

Was wäre meine Antwort<br />

auf die Frage „Wollen Sie Ihren Vater<br />

/ Ihre Mutter verhungern <strong>und</strong><br />

verdursten lassen?“<br />

• Welche Frage hat sich für mich geklärt?<br />

Welche Fragen stellen sich<br />

mir noch? Auftrag: Karte schreiben<br />

für die Pinnwand<br />

Sozialform<br />

Verantwortlich<br />

Materialien / Medien<br />

Partnerarbeit � Karten<br />

� Dicke Filzstifte<br />

� Evtl. Klemmbretter<br />

zum Schreiben<br />

� Pinnwand („Unsere<br />

Fragen“)<br />

Pause � Pausengetränke<br />

Methode „Expertenbefragung“<br />

Was ich noch wissen will …<br />

Die Tn haben die Möglichkeit, offene<br />

Fragen zu stellen, die bisher <strong>kein</strong>en<br />

Platz o<strong>der</strong> Antwort gef<strong>und</strong>en haben.<br />

Der Kl o<strong>der</strong> ein eingeladener Referent<br />

greift Fragen an <strong>der</strong> Pinnwand auf <strong>und</strong><br />

klärt diese.<br />

Beispiele:<br />

• Reichweite <strong>der</strong> Patientenverfügung<br />

• Formulierungsvorschläge<br />

Usw.<br />

Methode Partnergespräch<br />

Impuls: Mein nächster Schritt? Die Tn<br />

äußern laut Überlegungen o<strong>der</strong> besprechen<br />

diese mit dem Nachbarn<br />

�<br />

Plenum � Vorlage<br />

Pat.Verfügungen<br />

<strong>und</strong> Vorsorgevollmachten<br />

Plenum �<br />

� Literatur<br />

267


Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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20:55 Auswertung 2<br />

Ziel: Die Tn bewerten<br />

den persönlichen<br />

Nutzen <strong>der</strong> Veranstaltung<br />

Methode: Punktabfrage<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

Verabschiedung „Wie gehe<br />

ich nach Hause?“<br />

Anleitung: „Bitte machen Sie im Hinausgehen<br />

auf <strong>der</strong> Skala („Viel gebracht<br />

… Nichts gebracht) einen Punkt.<br />

Danke!“<br />

Einzelarbeit � Flipchart mit Grafik<br />

� Stift zum Bepunkten<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Gr<strong>und</strong>lagentext <strong>und</strong> Handlungsanleitung<br />

Umgang mit „Schuldgefühlen“ 1<br />

Unterscheidungen <strong>und</strong> Anregungen für unterstützende Gespräche<br />

Kennen Sie das: Angehörige, die sich quälen, weil sie in den Minuten des Sterbens nicht am<br />

Bett anwesend waren, o<strong>der</strong> die sich Vorwürfe machen, dass sie trotz aufopfern<strong>der</strong> Pflege Leiden<br />

<strong>und</strong> Tod nicht verhin<strong>der</strong>n konnten? O<strong>der</strong> Schwerkranke, die sich <strong>und</strong> Gott anklagen? „Überhaupt<br />

ist bei Schicksalsschlägen die Schuldfrage allgegenwärtig.“ (RENZ 2006: 97)<br />

O<strong>der</strong> ich gerate als Begleiter selbst in Not <strong>und</strong> mache mir Vorwürfe, z. B. zu wenig Zeit gegeben<br />

zu haben. Wie lassen sich Schuldgefühle verstehen? Wie kann ich an<strong>der</strong>e (<strong>und</strong> mich) bei<br />

auftauchenden Schuldgefühlen unterstützen?<br />

Unterscheidungen: Schuld, Schuldgefühle, Schuldgedanken<br />

„Schuld ist untrennbar mit dem Menschsein verb<strong>und</strong>en. … Diese Schuldfähigkeit weist auf<br />

Freiheit hin; Freiheit im Tun wie auch Freiheit, er selbst zu sein.“ (STÄHLI 2004: 33).<br />

Ich unterscheidet zwischen Schuld <strong>und</strong> Schuldgefühlen o<strong>der</strong> - in <strong>der</strong> Begrifflichkeit von M.<br />

HIRSCH (1998: 12 f.) - zwischen realen <strong>und</strong> irrealen Schuldgefühlen (ähnlich: KÜBLER-<br />

ROSS, KESSLER 2001: 117). Schuld o<strong>der</strong> Verantwortung hat etwas mit Wissen, Können, Absichten<br />

zu tun. Schuldig werde ich, wenn ich<br />

� etwas besser gewusst habe<br />

� etwas besser gekonnt hätte<br />

� etwas auch so beabsichtigt habe<br />

In Schuldgefühlen wuchert die oft unbewusste Anmaßung an sich selbst, alles zu wissen o<strong>der</strong><br />

in seinen Folgen zu überblicken <strong>und</strong> für alles verantwortlich o<strong>der</strong> im Handeln (all)mächtig zu<br />

sein. Der Blick ist grüblerisch in die Vergangenheit gerichtet. Typisch ist das gedankliche Drehen<br />

im Kreis: „Ach, hätte ich doch …!“ Wenn ich etwas nicht gewusst, gekonnt, gewollt habe,<br />

ist das Geschehene nicht schuldhaft, son<strong>der</strong>n tragisch zu nennen. Schuld dagegen ist maßvoll:<br />

„Ja, da habe ich einen Fehler gemacht.“ Der Blick richtet sich in die Zukunft.<br />

Eine zweite wichtige Differenzierung: Schuldgefühle sind <strong>kein</strong>e direkten Gefühle wie etwa<br />

Wut, Liebe, Angst. Sie sind Gedanken. Schuldgedanken sind Interpretationen. Ich sitze inner-<br />

1<br />

Der Beitrag von M. Alshemer ist eine überarbeitete Version des Unterrichtsmoduls „Schuld <strong>und</strong> Schuldgefühle“ im Rahmen des<br />

Projektes „Palliative Care – Lehren, Lernen, Leben“ (www.dgpalliativmedizin.de) Erschienen in: Hospiz-Dialog NRW 11/2008<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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lich zu Gericht (PAUL 2006:: 77). Ich kann diese den Betroffenen nicht einfach mit einem<br />

„Freispruch“ wegnehmen o<strong>der</strong> wegreden, son<strong>der</strong>n es braucht Raum, Geduld <strong>und</strong> Klärungshilfen,<br />

um tatsächliche Verantwortung von überhöhten Selbstansprüchen zu trennen. Das sind<br />

oft lange Verwandlungsprozesse.<br />

Unterscheidungen: Schuldgedanken als „psychische Last“ <strong>und</strong><br />

Schuldgedanken als „psychische List“<br />

Ich möchte zwei Zugänge o<strong>der</strong> Ansätze zum Umgang mit Schuldgefühlen o<strong>der</strong> Schuldgedanken<br />

eröffnen <strong>und</strong> Gesprächsimpulse durchspielen.<br />

Ein erstes Verständnis: Ich habe Regeln meiner inneren Wertewelt gebrochen <strong>und</strong> habe deshalb<br />

Schuld- <strong>und</strong> Bestrafungsgedanken. Bei perfektionistischen Ansprüchen können Schuldgefühle<br />

zum erdrückenden „Ballast“ werden.<br />

Einen zweiten Ansatz zum Verständnis von Schuldgedanken verdanke ich <strong>der</strong> Trauerbegleiterin<br />

Chris Paul: Meine Welt (Beziehungen, Ordnung, Kontrolle) ist zerbrochen <strong>und</strong> ich brauche<br />

deshalb Schuldgedanken als zunächst hilfreichen „Klebstoff“ o<strong>der</strong> als „schützende Hülle“, die<br />

Erklärungen liefern für Unerklärbares <strong>und</strong> Bindungen, z.B. zum Verstorbenen, aufrechterhalten.<br />

Hier haben Schuldgedanken zunächst eine entlastende Funktion: „Schuld als affektivkognitives<br />

Phänomen kann Angehörige von Sterbenden, Mitarbeitenden auf Palliativstationen,<br />

Sterbenden selbst <strong>und</strong> Angehörigen nach dem Tod viele schwierige Fragen <strong>und</strong> Situationen<br />

erleichtern.“ (PAUL 2002: 17). Ich bezeichne diese Schuldgedanken als „psychische List“, die<br />

das Unerträgliche vorübergehend erträglicher macht.<br />

Diese Differenzierungen sind wichtig. Je nachdem, welche Funktion Schuldgefühle haben,<br />

werden die Möglichkeiten <strong>der</strong> Unterstützung im Gespräch an<strong>der</strong>s aussehen. Im ersten Fall<br />

kann es eine Entlastung werden, im Gespräch die tatsächliche Verantwortung zu prüfen.<br />

(„Realitätsprüfung“ WORDON 2007). Sie ermöglichen, Schuldgefühle eventuell in bewusst<br />

angenommene Schuld zu verwandeln, die Verantwortlichkeiten zu relativieren o<strong>der</strong> ganz aufzulösen.<br />

Im zweiten Fall geht es um das langsame Entwickeln an<strong>der</strong>er Bindungsmöglichkeiten<br />

(z. B. Dankbarkeit), die Schuldgefühle ablösen können.<br />

Wie kann ich im Gespräch unterstützen? Ich spiele einige Gesprächsimpulse, mögliche Wirkungen<br />

<strong>und</strong> Reaktionen am Beispiel <strong>der</strong> anfangs genannten Selbstvorwürfe durch: Eine Angehörige,<br />

Tochter eines Verstorbenen im Pflegeheim, grämt sich, dass sie in <strong>der</strong> Zeit des unmittelbaren<br />

Sterbens nicht anwesend war. Mir geht es bei den Impulsen natürlich nicht um<br />

Gesprächsformeln, son<strong>der</strong>n um die Anschaulichkeit des Gesprächssituation.<br />

Gesprächshilfen für Schuldgedanken als psychische Last<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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1. Schuldgefühle ernst nehmen<br />

Gesprächsimpuls: „Ich kann mir vorstellen, es ist nicht einfach für Sie, das auszusprechen“<br />

2. Die Perspektive/Blickrichtung wechseln lassen (LÜCKEL 1990)<br />

Gesprächsimpuls: „Was würde denn <strong>der</strong> Betroffene wohl zu Ihnen sagen, wenn er Sie <strong>und</strong><br />

Ihre Selbstvorwürfe jetzt hören könnte?<br />

Eventuelle Wirkung: Meist ist die imaginierte (vermutete) Antwort wohlwollen<strong>der</strong> als <strong>der</strong><br />

Vorwurf, den sich die Betroffenen zunächst selbst machen.<br />

Beispiel für eine Reaktion: „Er hätte wohl gesagt: ‚Ist gut, Mädchen, ich weiß ja, dass Du<br />

mir gut bist …’ Das hat er oft zu mir gesagt, als ich ihn noch zuhause gepflegt habe …“<br />

2. Autorität <strong>und</strong> Anspruch <strong>der</strong> Vorwürfe prüfen (lassen)<br />

Gesprächsimpuls: „Macht Ihnen jemand diese Vorwürfe, die sie jetzt gerade geäußert haben?“<br />

„Wenn Sie diese Schuldvorwürfe „hören“, vernehmen Sie da eigentlich Ihre Stimme<br />

o<strong>der</strong> sagt das jemand an<strong>der</strong>er in diesem Ton zu Ihnen?“<br />

Eventuelle Wirkung: Manchmal sind Schuldgefühle übernommen. Die Frage hilft zu klären,<br />

ob diese Erwartungen auch wirklich die Selbstansprüche des Betroffenen sind o<strong>der</strong> ob die<br />

Maßstäbe von jemand übernommen wurden. Eine zusätzliche Frage kann etwas Distanz.<br />

„Finden Sie diesen Vorwurf an Sie berechtigt?.“<br />

Beispiel für eine Reaktion: „Ich glaube, es ist <strong>der</strong> alte Vorwurf, ‚Du bist nie da, wenn es<br />

darauf ankommt.’ Das sagt meine Schwester häufig. Aber das finde ich nicht berechtigt.<br />

Ich war die letzten Wochen oft im Krankenhaus …“<br />

3. Mit Erfahrungswissen entlasten<br />

Gesprächsimpuls: „Wir erleben es oft, dass Menschen anscheinend allein sein wollen im<br />

Sterben. Vielleicht brauchen sie hier noch einmal die ganze Kraft. Ich habe für mich eine<br />

bildhafte Vorstellung verb<strong>und</strong>en mit einer Frage, die mir hilft: ‚Aus welchem Zimmer würde<br />

ich leichter durch die Türe gehen: aus einem Zimmer, in dem Menschen sind, die ich liebe<br />

<strong>und</strong> die mich halten o<strong>der</strong> aus einem Zimmer, das leer ist?’“<br />

An<strong>der</strong>er Impuls: „Manchmal lässt sich ein Zusammenhang entdecken, was bei einem<br />

Menschen das Leben geprägt hat <strong>und</strong> was ihm nun im Sterben wichtig war. Vielleicht sehen<br />

Sie ja einen Zusammenhang zwischen Leben <strong>und</strong> Sterben bei Ihrem Vater?“<br />

Eventuelle Wirkung: Schuldgefühle sind oft Selbstvorwürfe in Einsamkeit <strong>und</strong> Nichtwissen.<br />

Erleichternd kann es sein, dass es an<strong>der</strong>en in solchen Situationen ähnlich erging o<strong>der</strong><br />

dass es entlastende Zusammenhänge gibt, die „professionelle o<strong>der</strong> erfahrene Autoritäten“<br />

aufzeigen.<br />

Beispiel für eine Reaktion: „Ja, mein Vater war schon immer eher ein Einzelkämpfer. Er<br />

hat vieles mit sich ausgemacht. Vielleicht wollte er auch bei diesem ‚letzten Kampf’ allein<br />

sein …“<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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4. Tatsächliches Wissen prüfen (lassen)<br />

Gesprächsimpuls: „Haben Sie es damals wirklich besser gewusst. Haben Sie gewusst o<strong>der</strong><br />

wissen können, dass Ihr Vater in den nächsten St<strong>und</strong>en stirbt?“<br />

Eventuelle Wirkung: Im Rückblick sind wir immer klüger. Entscheidend für Schuld o<strong>der</strong><br />

Unschuld ist aber unser Wissen in <strong>der</strong> damaligen Situation. Ansonsten maßen wir uns den<br />

(Über-)Anspruch des Hellsehen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Allwissenheit an. Die Frage führt zurück zum damaligen<br />

Wissensstand in <strong>der</strong> entscheidenden Situation, bzw. erinnert an die Unübersichtlichkeiten<br />

<strong>der</strong> Situation.<br />

Beispiel für Reaktion: „Nein, das habe ich nicht gewusst. Dass es ihm schlecht geht, ja,<br />

das schon. Aber dass er in <strong>der</strong> St<strong>und</strong>e stirbt, in <strong>der</strong> ich gerade im Auto nach Hause sitze,<br />

dass habe ich nicht geahnt. Auch die Schwestern vor Ort nicht. Die waren auch überrascht.“<br />

4. Tatsächlich vorhandene Handlungsmöglichkeiten prüfen (lassen)<br />

Gesprächsimpuls: „Sie machen sich den Vorwurf, dass Sie nicht da gewesen sind, son<strong>der</strong>n<br />

nach Hause gefahren sind. Es war ja nicht genau absehbar: Hätten Sie denn ganze<br />

Tage o<strong>der</strong> Wochen hier sein können, um zu verhin<strong>der</strong>n, dass Ihr Vater allein stirbt? Und<br />

was wäre mit Ihnen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Menschen vielleicht passiert, wenn Sie so gehandelt hätten?“<br />

Eventuelle Wirkung: Schuldgefühle entspringen oft einer großen Verantwortungsbereitschaft.<br />

Wir haben nicht nur Verantwortung gegenüber einer Person, son<strong>der</strong>n müssen<br />

Rücksicht auf uns selbst <strong>und</strong> auf an<strong>der</strong>e nehmen, mit denen wir auch verb<strong>und</strong>en sind. Die<br />

Frage löst aus <strong>der</strong> gedanklichen Fixierung auf eine Person <strong>und</strong> macht an<strong>der</strong>e Verantwortlichkeiten<br />

geltend. Sie relativiert den Anspruch <strong>der</strong> „Allmacht“ (= alles machen können).<br />

Beispiel für Reaktion: „Ich war gerade an diesem Tag völlig erschöpft wie ich gefahren bin.<br />

Ich war auch nur kurz bei ihm, weil ich so müde war <strong>und</strong> ich wusste, dass mein Sohn heute<br />

früher von <strong>der</strong> Schule nach Hause kommt …“<br />

5. Tatsächlich vorhandene Absicht überprüfen (lassen)<br />

Gesprächsimpuls: „Lag das in Ihrer Absicht, dass es jetzt so gekommen ist?“<br />

Eventuelle Wirkung: Auch die Rechtsprechung prüft die Absicht <strong>und</strong> fällt entsprechend<br />

Freispruch, mil<strong>der</strong>nde Umstände, z. B. „Fahrlässigkeit“, wenn eine Tatabsicht fehlte. Meist<br />

liegen <strong>kein</strong>e Absichten vor, jemanden zu schädigen.<br />

Beispiel für Reaktion: „Natürlich war es <strong>kein</strong>e Absicht. Ich wäre gerne bei ihm gewesen –<br />

aber vielleicht lag das ja nicht in <strong>der</strong> Absicht meines Vaters …“<br />

Gesprächshilfen: Schuldgedanken als psychische List<br />

Dieser Ansatz stammt von den Trauerberaterinnen Chris Paul <strong>und</strong> Monika Müller.<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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„Meine erste Beobachtung war: Manche Menschen, die sich schuldig fühlen, wollen ihre Schuld behalten <strong>und</strong> sind<br />

unter <strong>kein</strong>en Umständen bereit, sie sich ausreden zu lassen (…)<br />

Schuld kann Erklärungen geben, wo es <strong>kein</strong>e mehr gibt.<br />

Schuld kann eine, wenn auch eingebildete, Macht über Leben <strong>und</strong> Tod geben.<br />

Schuld kann Bindungen aufrechterhalten, die durch Sterben <strong>und</strong> Tod getrennt werden.<br />

Für all diese positiv nützlichen Funktionen des Prinzips Schuld sind unsere herkömmlichen Interventionen als Reaktion<br />

auf Schuldgefühle nutzlos. Solange Schuld positiven Nutzen erfüllt, liegt es nicht im Bedürfnis <strong>der</strong> sich<br />

schuldig Fühlenden <strong>und</strong> Denkenden, diese Schuld zu verlieren, zu vergeben o<strong>der</strong> verziehen zu bekommen. Vielmehr<br />

liegt es in ihrem Interesse, das zugr<strong>und</strong>e liegende Bedürfnis zu erkennen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Wege zu finden, dieses<br />

Bedürfnis zu erfüllen.“ PAUL 2002: 17)<br />

Wenn Schuldgedanken diese wichtige „Krücken-Funktion haben“ braucht es Zeit, bis an<strong>der</strong>e<br />

Deutungen wachsen können. Mögliche Gesprächsrichtungen könnten z. B. sein:<br />

• An<strong>der</strong>e Verbindungen wie z. B. Dankbarkeit mit dem Betroffenen suchen (Impuls: Wo fühlen<br />

Sie sich ihm nahe? Wofür sind Sie ihm dankbar? Was waren auch gute Zeiten?)<br />

• Rätselhaftes, fremdes Verhalten anerkennen? (Impuls: Was werden Sie wahrscheinlich<br />

nie verstehen können?<br />

• Unverzeihbares stehen lassen (Impuls: Was werden Sie dem an<strong>der</strong>en wahrscheinlich nie<br />

verzeihen können?)<br />

• Das „Warum“ in ein „Wozu“ verwandeln (Impuls: Gibt es in dem Geschehenen trotz allem<br />

einen Sinn für Ihr weiteres Leben?“)<br />

Was bleibt? Ausgleich, Wie<strong>der</strong>gutmachung, Vergebung<br />

Wenn Betroffene sich zu realen Versäumnissen bekennen, geht es um einen lebensför<strong>der</strong>nden<br />

Umgang mit <strong>der</strong> Schuld.<br />

1. Die Schuld besetzte Situation ausgleichen (lassen)<br />

Gesprächsimpuls: „Was hätten Sie vielleicht Ihrem Vater noch gerne gesagt? (Wenn Sie<br />

es nicht sagen möchten, vielleicht können Sie es aufschreiben …) Was hätten Sie vielleicht<br />

gerne noch von ihm gehört?<br />

Eventuelle Wirkung: Schuldgefühle entstehen aus Versäumnissen. Die Frage ermutigt,<br />

Ungesagtes o<strong>der</strong> Ungehörtes nachzuholen, um die Situation gut zu schließen <strong>und</strong> um sich<br />

damit von Schuldgefühlen „los zu schließen“.<br />

Beispiel für Reaktion: „Ich hätte ihm gerne noch gesagt, dass er ein guter Vater für mich<br />

war – auch wenn ich ihm das nicht so gezeigt habe …“<br />

2. Bei Schuld: Wie<strong>der</strong>gutmachung <strong>und</strong> Vergebung suchen (lassen)<br />

Gesprächsimpuls: „Wenn Sie sagen, Sie sind gefahren, obwohl Sie es wussten, dass es<br />

ein Fehler sein wird: Welche Wie<strong>der</strong>gutmachung gäbe es vielleicht?“ „Was müsste passie-<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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ren o<strong>der</strong> was könnten Sie tun, um es sich Verzeihen zu können?“ „Was würde Ihnen Ihr<br />

verstorbener Vater wohl für Ihr weiteres Leben wünschen?“)<br />

Eventuelle Wirkung: Schuld verlangt nach einem gewissen Ausgleich. Wenn dieser nicht<br />

direkt geleistet werden kann, sind vielleicht stellvertretende „Opfer“ möglich. Das „Opfer“<br />

darf allerdings nicht größer sein als die begangene Schuld. Sonst entsteht ein neues Ungleichgewicht,<br />

Leid <strong>und</strong> neue Schuld. Es genügt oft ein Bekenntnis zur Verantwortung, um<br />

Verzeihung zu bekommen o<strong>der</strong> sich selbst verzeihen zu können.<br />

Beispiel für Reaktion: „Mein Vater hat sich immer für den Sportverein eingesetzt. Das war<br />

sein Leben. Ich konnte damit ja nie viel anfangen. Ich werde in seinem Namen eine Spende<br />

machen <strong>und</strong> dafür sorgen, dass ein paar Tribünenbänke eine Plakette mit seinem Stifternamen<br />

bekommen …“<br />

Literatur<br />

HÜLSHOFF T.: Emotionen. 2. überarbeitete. Auflage. Verlag E. Reinhardt, <strong>München</strong>, Basel, 2001<br />

KÜBLER-ROSS E., KESSLER D.: Geborgen im Leben. Wege zu einem erfüllten Dasein. Kreuz Verlag, Stuttgart<br />

2001<br />

LÜCKEL K.: Begegnung mit Sterbenden. „Gestaltseelsorge“ in <strong>der</strong> Begleitung sterben<strong>der</strong> Menschen. Mit einem<br />

Vorwort von Hilarion Petzold. 3. Auflage. Kaiser Verlag, <strong>München</strong> 1990<br />

MÜLLER M., SCHNEGG M.: Unwie<strong>der</strong>bringlich – Vom Sinn <strong>der</strong> Trauer. Her<strong>der</strong> Verlag, Freiburg im Br. 2001<br />

PAUL C.: Schuldgefühle im Trauerprozess. Vortrag auf <strong>der</strong> AGUS-Jahrestagung 2002<br />

(http://www.veid.de/936.0.html)<br />

PAUL C.: Schuld-Denken <strong>und</strong> Schuld-Fühlen. Vortrag auf dem 5. Kongress <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin<br />

in Aachen 2004 (http://www.chrispaul.de/artikel.html<br />

PAUL C.: Warum hast du uns das angetan? Begleitbuch für Trauernde, wenn sich jemand das Leben genommen<br />

hat. 5. überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte Auflage. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006<br />

RENZ M: Zeugnisse Sterben<strong>der</strong>. Todesnähe als Wandlung <strong>und</strong> letzte Prüfung. 3. Auflage. Jungfermann, Pa<strong>der</strong>born<br />

2006<br />

SPECHT-TOMANN M., TROPPER D.: Zeit des Abschieds. Sterbe- <strong>und</strong> Trauerbegleitung. 5. Auflage. Patmos Verlag,<br />

Düsseldorf 2005 (bes. 99-106)<br />

STÄHLI A.: Umgang mit Emotionen in <strong>der</strong> Palliativpflege. Ein Leitfaden. Kohlhammer, Stuttgart 2004<br />

WORDON W.: Beratung <strong>und</strong> Therapie in Trauerfällen. Hans Huber Verlag, Bern 2007<br />

WOLF, D.: Wenn Schuldgefühle zur Qual werden. Wie Sie Schuldgefühle überwinden <strong>und</strong> sich selbst verzeihen<br />

lernen. PAL Verlag, Mannheim 2006<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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Projekt-Werkstatt Hospizkultur - Kursmaterial<br />

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Didaktisches Handbuch<br />

Anleitung Gruppenarbeit<br />

Vorbereitung eines Angehörigenabends<br />

• Wie würden Sie einladen?<br />

• Titel <strong>der</strong> Veranstaltung? Untertitel?<br />

• Ziele für den Abend nachprüfbar formulieren? (Die Angehörigen fühlen sich bgut informiert<br />

über …)<br />

• Inhalte: Welche Informationen sind Ihnen wichtig? Wie bringen Sie diese rüber (Medien/Methoden)<br />

Wie beteiligen Sie die Angehörigen?<br />

• Welche Reaktionen befürchten Sie evtl.? Wie bereiten Sie sich darauf vor?<br />

• Abschluss? Angebote darüber hinaus? Material zum Mitgeben?<br />

•<br />

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Stand: 26.04.2008 Redaktion: Martin Alsheimer<br />

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