04.02.2014 Aufrufe

Das Opfer nach der Sintflut für die Gottheit(en) des Alten Testaments ...

Das Opfer nach der Sintflut für die Gottheit(en) des Alten Testaments ...

Das Opfer nach der Sintflut für die Gottheit(en) des Alten Testaments ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Page 6 of 7<br />

Original Research<br />

werd<strong>en</strong>. 35 Da<strong>nach</strong> wird das <strong>Opfer</strong> zunehm<strong>en</strong>d w<strong>en</strong>iger mit<br />

seiner Fokussierung auf Sühne o<strong>der</strong> Vergebung verstand<strong>en</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n stärker im Rahm<strong>en</strong> eines religionswiss<strong>en</strong>schaftlich<strong>en</strong><br />

Verständnisses als Gabe, durch welche eine Kommunikation<br />

mit Gott hergestellt o<strong>der</strong> fortgeführt werd<strong>en</strong> soll. 36 Als<br />

Vorreiter <strong>die</strong>ser neu<strong>en</strong> <strong>Opfer</strong>deutung könn<strong>en</strong> Alfred Marx<br />

und Christian Eberhart gelt<strong>en</strong>. 37 In <strong>die</strong>ser Sichtweise wird<br />

das <strong>Opfer</strong> vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Gepflog<strong>en</strong>heit<strong>en</strong> am<br />

altori<strong>en</strong>talisch<strong>en</strong> Königshof als Gastmahl <strong>für</strong> Gott als ein<strong>en</strong><br />

Höhersteh<strong>en</strong>d<strong>en</strong> verstand<strong>en</strong>. <strong>Das</strong> gilt in Israel insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>für</strong> das Brandopfer, wie Ina Willi-Plein bereits 1993 betont<br />

hat. 38 Durch <strong>die</strong> Gabe <strong>des</strong> ganz<strong>en</strong> Tieres <strong>für</strong> Gott wird <strong>die</strong>ser<br />

im Brandopfer wie ein vornehmer Gast behandelt. Man<br />

lädt ihn ein und sucht seine Nähe, indem ihm nur das Beste<br />

vorgesetzt wird. 39 In <strong>die</strong>sem Verständnis <strong>des</strong> <strong>Opfer</strong>s geht es<br />

in <strong>der</strong> Begegnung um Kontakt und Kommunikation und um<br />

d<strong>en</strong> Austausch mit dem Ehr<strong>en</strong>gast. 40 Marx präzisiert <strong>die</strong>s noch<br />

einmal vor dem Hintergrund <strong>des</strong> ‘Altargesetzes’ in Exodus<br />

20:22–26, <strong>der</strong> Ätiologie <strong>des</strong> <strong>Opfer</strong>s im Alt<strong>en</strong> Testam<strong>en</strong>t:<br />

‘<strong>Das</strong> <strong>Opfer</strong> <strong>die</strong>nt nicht dazu, Gott zu beschwichtig<strong>en</strong>’<br />

(Marx 2000:137). Son<strong>der</strong>n ‘… das <strong>Opfer</strong> [ist] Anlass <strong>des</strong><br />

Komm<strong>en</strong>s Gottes …, um <strong>die</strong> Gastfreundschaft seines Volkes<br />

anzunehm<strong>en</strong> und es zu segn<strong>en</strong>’ (Marx 2000:137). Übertrag<strong>en</strong><br />

auf G<strong>en</strong>esis 8:20f. hieße das: <strong>Das</strong> <strong>Opfer</strong> <strong>die</strong>nt in <strong>die</strong>sem Text<br />

als Anlass <strong>für</strong> das Komm<strong>en</strong> Gottes, um <strong>die</strong> Gastfreundschaft<br />

Noahs anzunehm<strong>en</strong> und <strong>die</strong>s<strong>en</strong> sowie alle, <strong>die</strong> mit ihm<br />

zusamm<strong>en</strong> <strong>die</strong> Flut überlebt hab<strong>en</strong>, zu segn<strong>en</strong>. Diese<br />

Neudeutung <strong>des</strong> <strong>Opfer</strong>s wird auch dadurch gestützt, dass<br />

sich hierin ריח ‏(ה)ניחח mit <strong>der</strong> Bedeutung <strong>des</strong> ‘einlad<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Duftes’ gut einfügt. Nach <strong>der</strong> Errettung Noahs und seiner<br />

Familie vor <strong>der</strong> Flut wird Gott durch ein Brandopfer<br />

eingelad<strong>en</strong>, <strong>die</strong> bereits besteh<strong>en</strong>de Kommunikation wie<strong>der</strong><br />

aufzunehm<strong>en</strong>. Dies markiert zugleich d<strong>en</strong> Neuanfang <strong>der</strong><br />

<strong>nach</strong>sintflutlich<strong>en</strong> M<strong>en</strong>schheitsgeschichte. Und Gott lässt<br />

sich einlad<strong>en</strong>. Ähnlich wie bei Atramḫasis und Gilgameš<br />

kommt er. Seine Reaktion auf das <strong>Opfer</strong> <strong>en</strong>tspricht g<strong>en</strong>au<br />

<strong>der</strong>, <strong>die</strong> auch im Altargesetz Exodus 20 ankündigt wird: Er<br />

segnet <strong>die</strong>, <strong>die</strong> ihn eingelad<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>. 41<br />

35.Hierzu vergleiche insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Überblicksdarstellung von Willi-Plein (2011).<br />

36.Dies geht vor allem auf <strong>die</strong> Thes<strong>en</strong> von Mauss (1990), Stansell (1999), Eberhart<br />

(2002), Kessler (2004) und Marx (2000, 2005) zurück. Exemplarisch hierzu Kessler<br />

(2004:402f.).<br />

37.Marx (2000, 2005); Eberhart (2002).<br />

38.So Marx (2000:136): ‘Der erst<strong>en</strong> Art <strong>der</strong> Gastfreundschaft [bei <strong>der</strong> dem Gast das<br />

Mahl vom Gastgeber vorgesetzt wird, ohne dass <strong>die</strong>ser selbst am Mahl teilnimmt]<br />

<strong>en</strong>tspricht das Brandopfer, wo das ganze Tier Gott allein vorbehalt<strong>en</strong> wird.’ In<br />

<strong>die</strong> gleiche Richtung auch Willi-Plein (1993:84) zur ‏:מנחה ‘Aus <strong>der</strong> allgemein<strong>en</strong><br />

Huldigungsgabe ist dann eine – vielleicht auch nur metaphorisch gemeinte –<br />

Gottesbewirtung geword<strong>en</strong>. Nie wird gesagt, dass Gott wirklich isst, aber es wird<br />

ihm aufgetrag<strong>en</strong> wie einem fein<strong>en</strong> Herrn. Darum gehört zum Gesamtopfer <strong>der</strong><br />

“liebliche Duft” o<strong>der</strong> “Beruhigungsduft” (reach nichoach), <strong>für</strong> d<strong>en</strong> v.a. <strong>die</strong> Mincha<br />

sorgt. So stimmt sie Gott als d<strong>en</strong> Au<strong>die</strong>nz Gewähr<strong>en</strong>d<strong>en</strong> gnädig. Umso <strong>en</strong>tsetzlicher<br />

ist <strong>die</strong> prophetische Aussage (Am 5:21): “Ich mag eure Gottes<strong>die</strong>nste nicht<br />

riech<strong>en</strong>.” D<strong>en</strong>n normalerweise kann man einem M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>, <strong>der</strong> in Schwierigkeit<strong>en</strong><br />

ist, rat<strong>en</strong>, Gott eine Mincha als Huldigungsgabe zu riech<strong>en</strong> zu geb<strong>en</strong> (1 Sam 26:19).’<br />

39.So Marx (2000:136); er weist auch auf d<strong>en</strong> dem <strong>Opfer</strong> innewohn<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Anthropomorphismus hin: ‘<strong>Das</strong>s es [Israel] ihn [Gott] zu einem <strong>Opfer</strong>schmaus<br />

einlädt, bezeugt, dass es ihn <strong>für</strong> m<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>ähnlich hält. D<strong>en</strong>n nur jemand, <strong>der</strong> d<strong>en</strong><br />

M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> ähnlich ist, kann an einem Mahl Gefall<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>. Wie es ihn empfängt,<br />

bezeugt demgeg<strong>en</strong>über d<strong>en</strong> Rang, d<strong>en</strong> es ihm beimisst.’<br />

40.Marx (2000:137): ‘<strong>Das</strong> Angebot <strong>der</strong> Gastfreundschaft setzt freundliche<br />

Beziehung<strong>en</strong> voraus, was nicht ausschließt, dass es auch zur Ehrung <strong>des</strong> Gastes<br />

<strong>die</strong>nt, ja sogar zur Bekundung <strong>der</strong> Ehrfurcht und <strong>der</strong> Unterwerfung.’<br />

41.Deutlicher noch wird Sch<strong>en</strong>ker (2003:145), <strong>der</strong> im Bandopfer Noahs – zumin<strong>des</strong>t<br />

<strong>nach</strong> <strong>der</strong> Erzähllogik von G<strong>en</strong>esis 8:20f. – <strong>die</strong> Ursache <strong>für</strong> d<strong>en</strong> Sinneswandel JHWHs<br />

sieht: ‘Dieses <strong>Opfer</strong> begründet daher in <strong>der</strong> Erzählung <strong>die</strong> um 180 Grad verän<strong>der</strong>te<br />

Gesinnung JHWHs. (...) Es [sic] hält jedoch schwer, <strong>die</strong> kleine Erzählung von G<strong>en</strong><br />

8:20–21 an<strong>der</strong>s d<strong>en</strong>n als logische Folge eines ursächlich<strong>en</strong> Zusamm<strong>en</strong>hangs<br />

zu interpretier<strong>en</strong>. Die erzähl<strong>en</strong>de Abfolge k<strong>en</strong>nt keine explizite o<strong>der</strong> implizite<br />

Unterbrechung.’<br />

Fazit<br />

Was ergibt <strong>die</strong>ser religionsgeschichtliche Vergleich <strong>des</strong><br />

Riech<strong>en</strong>s <strong>des</strong> <strong>Opfer</strong>dufts im Atramḫasis-Mythos, im<br />

Gilgameš-Epos und in <strong>der</strong> biblisch<strong>en</strong> <strong>Sintflut</strong>erzählung in<br />

G<strong>en</strong>esis 8:20f.?<br />

1. Die drei Texte schil<strong>der</strong>n göttliche Reaktion<strong>en</strong> auf das<br />

<strong>Opfer</strong> <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Sintflut</strong>. Diese seh<strong>en</strong> im Einzeln<strong>en</strong><br />

unterschiedlich aus:<br />

• Die mesopotamisch<strong>en</strong> Texte setz<strong>en</strong> ein<strong>en</strong> doppelt<br />

ausgeführt<strong>en</strong> Akz<strong>en</strong>t: Götter und M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> sind<br />

wechselseitig aufeinan<strong>der</strong> angewies<strong>en</strong>. Zum ein<strong>en</strong><br />

sind <strong>die</strong> Götter <strong>nach</strong> <strong>der</strong> opferlos<strong>en</strong> <strong>Sintflut</strong>zeit<br />

ausgehungert und schar<strong>en</strong> sich um d<strong>en</strong> <strong>Opfer</strong>duft.<br />

Zum an<strong>der</strong><strong>en</strong> wird durch das verw<strong>en</strong>dete<br />

Flieg<strong>en</strong>motiv angedeutet, dass das Schicksal von<br />

Göttern und M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> miteinan<strong>der</strong> verknüpft ist.<br />

• Demgeg<strong>en</strong>über beschreibt <strong>der</strong> biblische Text <strong>die</strong><br />

positive Aufnahme <strong>des</strong> <strong>Opfer</strong>s durch JHWH: Der<br />

<strong>Opfer</strong>duft zieht ihn an. Von <strong>der</strong> Angewies<strong>en</strong>heit<br />

JHWHs auf das <strong>Opfer</strong> ist hier nicht <strong>die</strong> Rede, und<br />

pass<strong>en</strong>d dazu wird auch das Flieg<strong>en</strong>motiv nicht<br />

verw<strong>en</strong>det.<br />

2. In all<strong>en</strong> drei Text<strong>en</strong> zieht <strong>die</strong>se unmittelbare göttliche<br />

Reaktion auf das <strong>Opfer</strong> Konsequ<strong>en</strong>z<strong>en</strong> <strong>nach</strong> sich. Diese<br />

seh<strong>en</strong> wie<strong>der</strong>um im Einzeln<strong>en</strong> unterschiedlich aus:<br />

• Die mesopotamisch<strong>en</strong> Texte schil<strong>der</strong>n zunächst d<strong>en</strong><br />

Ärger <strong>der</strong> Muttergottheit und d<strong>en</strong> Streit innerhalb<br />

<strong>des</strong> Götterkollegiums. Aufgrund <strong>der</strong> sonst fehl<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

<strong>Opfer</strong> beschließ<strong>en</strong> <strong>die</strong> Götter gemeinsam, dass <strong>die</strong><br />

M<strong>en</strong>schheit zukünftig nicht mehr komplett vernichtet<br />

werd<strong>en</strong> soll. Selektive Dezimierung<strong>en</strong> soll<strong>en</strong><br />

ausreich<strong>en</strong>.<br />

• Im biblisch<strong>en</strong> Text folgt auf das Riech<strong>en</strong> <strong>des</strong> <strong>Opfer</strong>dufts<br />

ein göttlicher Sinneswandel: Zwar hat JHWH seine<br />

Ansicht über d<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> nicht verän<strong>der</strong>t, aber<br />

trotzdem will er sie nicht mehr vernicht<strong>en</strong>. <strong>Das</strong><br />

Motiv da<strong>für</strong> wird nicht explizit ung<strong>en</strong>annt. Vor<br />

dem Hintergrund <strong>der</strong> altori<strong>en</strong>talisch<strong>en</strong> Texte und<br />

<strong>der</strong> neuer<strong>en</strong> <strong>Opfer</strong>deutung in <strong>der</strong> alttestam<strong>en</strong>tlich<strong>en</strong><br />

Wiss<strong>en</strong>schaft legt es sich nahe, dass <strong>die</strong> argum<strong>en</strong>tative<br />

Lücke <strong>des</strong> Textes durch das <strong>Opfer</strong> gefüllt wird. Der<br />

göttliche Sinneswandel wird maßgeblich durch das<br />

<strong>Opfer</strong> herbeigeführt. Der Kontaktaufnahmeversuch<br />

<strong>des</strong> überleb<strong>en</strong>d<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> in Gestalt <strong>des</strong> <strong>Opfer</strong>s<br />

trifft auf eine positive Reaktion Gottes.<br />

Off<strong>en</strong>e Frag<strong>en</strong> bleib<strong>en</strong> in Hinblick auf das <strong>Opfer</strong>verständnis.<br />

Hier wäre eine gründlichere Aufarbeitung <strong>der</strong> christlich<strong>en</strong> –<br />

zumal <strong>der</strong> evangelisch<strong>en</strong> – Sicht auf das <strong>Opfer</strong> wünsch<strong>en</strong>swert.<br />

W<strong>en</strong>n <strong>die</strong> vorlieg<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Ausführung<strong>en</strong> zutreff<strong>en</strong>d sind,<br />

dann wäre eine Höherbewertung <strong>des</strong> <strong>Opfer</strong>s notw<strong>en</strong>dig.<br />

Damit einhergeht eine Neubewertung <strong>der</strong> Kontaktaufnahme<br />

mit Gott sowie eine Revision <strong>der</strong> traditionell überliefert<strong>en</strong><br />

Ablehnung <strong>des</strong> ‘Anthropomorphismus’ Gottes. 42 Darüber<br />

hinaus müsste geprüft werd<strong>en</strong>, ob nicht sinnliche<br />

Kommunikationswege stärker in <strong>die</strong> Theologie integriert<br />

42.Anfrag<strong>en</strong> aus an<strong>der</strong>er Perspektive gibt es an <strong>die</strong>se Vorstellung zum Beispiel durch<br />

Hart<strong>en</strong>stein (2008) sowie Wagner (2010).<br />

http://www.ve.org.za<br />

doi:10.4102/ve.v34i2.888

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!