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Gottesdienst in Gebärdensprache. - KH-Konrath.de

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SCHRIFTLICHE ARBEIT IM RAHMEN DES<br />

ERSTEN KIRCHLICHEN EXAMENS AN<br />

DER THEOLOGISCHE FAKULTÄT<br />

DER UNIVERSITÄT<br />

LEIPZIG<br />

betreut durch<br />

PROF. DR. WOLFGANG RATZMANN<br />

am<br />

INSTITUT FÜR PRAKTISCHE THEOLOGIE<br />

<strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>.<br />

Grundlegen<strong>de</strong> Betrachtungen und praktisch-liturgische Überlegungen<br />

angefertigt von<br />

cand. theol. Andreas <strong>Konrath</strong><br />

Schwarzackerstr. 8, 04299 Leipzig<br />

Matrikel 7553480


VORWORT<br />

Vorab sei mir erlaubt, me<strong>in</strong>en persönlichen Zugang und die Voraussetzungen dieser Arbeit voranzustellen.<br />

Als Christ b<strong>in</strong> ich Mitglied <strong>de</strong>r Evangelisch-Lutherischen Lan<strong>de</strong>skirche Sachsens und<br />

hörend. Im Rahmen me<strong>in</strong>er kirchlichen Ausbildung sah ich mich zum ersten Mal mit <strong>de</strong>r Problematik<br />

<strong>de</strong>r Kommunikationsbarrieren zwischen akustisch und manuell kommunizieren<strong>de</strong>n<br />

Menschen konfrontiert. Die „geme<strong>in</strong>same“ Schriftsprache verb<strong>in</strong><strong>de</strong>t bei<strong>de</strong> Seiten weit weniger als<br />

vermutet, weil sie die graphisch fixierte Form <strong>de</strong>r lautsprachlichen Syntax und Grammatik ist,<br />

also nicht die Muttersprache z. B. <strong>de</strong>r Gehörlosen. Vielmehr stellt es für viele Benutzer <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

<strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> – nachstehend „Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>“ genannt – e<strong>in</strong>e zeitaufwendige Übersetzungsarbeit<br />

dar, e<strong>in</strong>e große Zeitung o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong> Buch zu lesen, so daß die Zurückhaltung, selbst e<strong>in</strong>e<br />

han<strong>de</strong>lsübliche Bibel <strong>in</strong> die Hand zu nehmen, größer ist als bei Hören<strong>de</strong>n. Mir fiel auf, daß Informationsaufnahme<br />

bzw. -austausch bei Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n vorrangig im zwischenmenschlichen Dialog<br />

geschieht.<br />

In me<strong>in</strong>en unterschiedlichen Praktika habe ich Kontakte mit hör- und sprachgeschädigten Mitmenschen<br />

knüpfen können und e<strong>in</strong>en Schatz an Erfahrungen mit auf <strong>de</strong>n Weg bekommen. Seither<br />

fasz<strong>in</strong>iert und fesselt mich die Thematik nun schon e<strong>in</strong>ige Jahre. Allmählich etablierte sich bei<br />

mir das Bewußtse<strong>in</strong>, daß Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> nicht nur e<strong>in</strong>e eigene Sprache mit spezieller Syntax haben,<br />

son<strong>de</strong>rn daß sie auch e<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>re, eigene Kultur pflegen mit eigener Ästhetik, Poesie, Dramaturgie<br />

und <strong>de</strong>rgleichen. Ich begann, kirchliche Handlungsfel<strong>de</strong>r dah<strong>in</strong>gehend zu analysieren, wie sie<br />

auf Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> wirken könnten. Speziell bei <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong>en mit Gehörlosen habe ich mir<br />

Gedanken über das Geschehen und Verstehen gemacht. Ist <strong>de</strong>r agendarische <strong>Gottesdienst</strong> für<br />

Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> das, was die Liturgen, Prediger, Fachleute o<strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n me<strong>in</strong>en bzw. wollen, das<br />

er sei? S<strong>in</strong>d die Erfahrungen und Erwartungen bei lautsprachlichen und gebär<strong>de</strong>nsprachlichen<br />

<strong>Gottesdienst</strong>teilnehmern vergleichbar?<br />

Ich will mich bei <strong>de</strong>n grundsätzlichen Untersuchungen und praktisch-liturgischen Überlegungen<br />

nur zu e<strong>in</strong>em Teil auf me<strong>in</strong>e eigenen Erfahrungen stützen. Der an<strong>de</strong>re Teil s<strong>in</strong>d jene Erfahrungen,<br />

an <strong>de</strong>nen mir dankenswerterweise Gehörlosenseelsorger, aber auch Dolmetscher und vor allem<br />

Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> selbst Anteil gegeben haben. Ich hoffe, dadurch e<strong>in</strong> objektiveres Bild <strong>de</strong>s darzustellen<strong>de</strong>n<br />

Gegenstan<strong>de</strong>s zeichnen zu können. Zugleich weise ich darauf h<strong>in</strong>, daß sich dadurch me<strong>in</strong><br />

Blickfeld auf die östlichen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r beschränkt – abgesehen von Kontakten nach Köln –<br />

und vornehmlich auf die Situation hiesiger Gehörloser, nämlich <strong>in</strong> Nord- und Westsachsen unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s gebär<strong>de</strong>nsprachlichen Dialekts, sowie <strong>de</strong>r sächsischen <strong>Gottesdienst</strong>praxis<br />

und Frömmigkeit.


In me<strong>in</strong>er Arbeit beschäftige ich mich e<strong>in</strong>erseits mit <strong>de</strong>m Thema <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>, an<strong>de</strong>rerseits<br />

mit Liturgik allgeme<strong>in</strong> wie auch mit Aspekten <strong>de</strong>s Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbaues und <strong>de</strong>r Hermeneutik.<br />

Ich wer<strong>de</strong> nicht ausführlich darauf e<strong>in</strong>gehen, wie Hör- und Sprachgeschädigte als Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte<br />

über Klage o<strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die Frage nach <strong>de</strong>r Theodizee <strong>de</strong>nken, auch wenn dies das <strong>Gottesdienst</strong>verständnis<br />

prägt. Ebenso bleiben weitere E<strong>in</strong>zelfragen <strong>de</strong>r Poimenik unberücksichtigt, wie<br />

ich auch nicht zu allen Aspekten <strong>de</strong>r Homiletik, <strong>de</strong>r Kasualgottesdienste, <strong>de</strong>r Diakonie bzw. <strong>de</strong>s<br />

diakonischen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>verständnisses o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Religionspädagogik hier gründliche Ausführungen<br />

mache. Die Möglichkeit dazu impliziert jedoch zugleich die Notwendigkeit, diese Denkrichtungen<br />

weiter zu verfolgen, um e<strong>in</strong>em <strong>Gottesdienst</strong>verständnis, das <strong>de</strong>n gebär<strong>de</strong>nsprachlichen<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten gerecht wird, möglichst nahe zu kommen.<br />

Ich wer<strong>de</strong> bei Bezeichnungen von Berufen und Akteuren <strong>de</strong>r Kürze halber vorwiegend maskul<strong>in</strong>e<br />

Formen verwen<strong>de</strong>n. Damit s<strong>in</strong>d zugleich fem<strong>in</strong><strong>in</strong>e Personen impliziert, <strong>de</strong>nn e<strong>in</strong>e geschlechtsspezifische<br />

Trennung <strong>in</strong> Bezug auf Liturgie und <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> ist nicht vorgesehen. Außer<strong>de</strong>m<br />

weise ich darauf h<strong>in</strong>, daß ich mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Ausführungen <strong>de</strong>r „alten“ Rechtschreibung<br />

bediene.<br />

Die bei <strong>de</strong>r Arbeit gewonnenen E<strong>in</strong>sichten und Erkenntnisse wer<strong>de</strong> ich nicht auf lautsprachliche<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>gottesdienste übertragen. Diese Leistung muß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>de</strong>ren sprachtheoretischen<br />

Kontext erbracht wer<strong>de</strong>n.<br />

Ich versichere, daß ich die vorliegen<strong>de</strong> Examensarbeit selbständig verfaßt und ke<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>ren als<br />

die angegeben Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.<br />

Leipzig, <strong>de</strong>n 14. Oktober 2001<br />

Andreas <strong>Konrath</strong>


INHALT<br />

A grundlegen<strong>de</strong> Betrachtungen<br />

Seite<br />

1. soziologische Vorbetrachtungen<br />

1.1 zur allgeme<strong>in</strong>en Situation <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Deutschland 1<br />

1.2 zur speziellen Situation <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r 2<br />

1.3 zur Situation <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Ev.-Luth. Lan<strong>de</strong>skirche Sachsens 3<br />

2. sprachtheoretische Betrachtung<br />

2.1 gebär<strong>de</strong>nsprachliche Spezifika 4<br />

2.2 LBG und DGS 8<br />

2.3 Universalität und Dialekte 9<br />

3. liturgietheoretische Betrachtung<br />

3.1 <strong>Gottesdienst</strong> theologisch 10<br />

3.2 Elemente <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es 13<br />

3.3 Abschnitte <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es 17<br />

A E<strong>in</strong>gang und Eröffnung 17<br />

B Verkündigung und Bekenntnis 19<br />

C Abendmahl 21<br />

D Sendung und Segen 22<br />

3.4 Dimensionen <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es 24<br />

B praktisch-liturgische Überlegungen<br />

4. Überlegungen zu Aspekten von gebär<strong>de</strong>nsprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>en 26<br />

5. Überlegungen zu Konzeptionen aus <strong>de</strong>r kirchlichen Praxis<br />

5.1 Entwurf von Pfarrer Sauermann und Pfarrer Kretzer 35<br />

5.2 Entwurf von Pfarrer Weithaas 36<br />

5.3 Entwurf „visuelle Liturgie“ <strong>de</strong>r DAFEG 38<br />

6. Zusammenfassung 40<br />

Anhang 1<br />

Anhang 2<br />

Anhang 3<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

Literaturverzeichnis<br />

I<br />

II<br />

III<br />

V<br />

VI


Thesen zur Examensarbeit von Andreas <strong>Konrath</strong>:<br />

<strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>.<br />

Grundlegen<strong>de</strong> Betrachtungen und praktisch-liturgische Überlegungen.<br />

1. In Deutschland kommuniziert e<strong>in</strong> Teil <strong>de</strong>r Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>, ohne das<br />

die Gesellschaft davon Kenntnis nimmt. Die verbale Kommunikationsstruktur <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

grenzt Menschen aus, die aufgrund ihrer Hör- o<strong>de</strong>r Sprachschädigung daran<br />

nicht partizipieren können.<br />

2. Derzeit s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland verschie<strong>de</strong>ne Gebär<strong>de</strong>nsprachformen und Dialekte <strong>in</strong> Gebrauch,<br />

von <strong>de</strong>nen bisher ke<strong>in</strong>e gesetzlich anerkannt ist. Deshalb ist es nicht möglich, auf<br />

e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Wortschatz und die dazugehörige Syntax, auf e<strong>in</strong>e Amtssprache zurückzugreifen.<br />

3. Diese Tatsache ist auch im Bereich christlicher Kirchen und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n anzutreffen.<br />

Daher ergibt sich die Frage, wie <strong>Gottesdienst</strong>e mit Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n angemessen gefeiert<br />

wer<strong>de</strong>n können.<br />

4. Der <strong>Gottesdienst</strong> ist als e<strong>in</strong> dialogisches Geschehen zu beschreiben. Se<strong>in</strong>e wesentlichen<br />

Elemente, Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung, Gebet und Bekenntnis, realisieren<br />

sich vorrangig im Wort. Daneben geben nonverbale Aspekte <strong>de</strong>s liturgischen Han<strong>de</strong>lns<br />

Zeugnis von <strong>de</strong>r christlichen Botschaft.<br />

5. Für <strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> s<strong>in</strong>d die nonverbalen Botschaften von höherer<br />

Brisanz. Daher ist es wichtig, daß die Verkündigung <strong>in</strong> verständlicher Sprache geschieht<br />

an e<strong>in</strong>em Platz, wo <strong>de</strong>r Verkündiger auch gut zu sehen ist, weil Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> „mit <strong>de</strong>n Augen<br />

hören“.<br />

6. Die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Arbeit vorgestellten Entwürfe für <strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> s<strong>in</strong>d positiv<br />

wie negativ zu beurteilen. Der Entwurf von Pfarrer Weithaas und die „visuelle Liturgie“<br />

bieten die besten Voraussetzungen für weiterführen<strong>de</strong> konstruktive Überlegungen.<br />

Das Konzept von Pfarrer Sauermann und Kretzer dagegen wird <strong>de</strong>r Kommunikationssituation<br />

Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r im <strong>Gottesdienst</strong> nicht gerecht.<br />

7. <strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> und <strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong> Lautsprache nötigen zu <strong>de</strong>r<br />

Überlegung, wie sich <strong>in</strong> bei<strong>de</strong>n die e<strong>in</strong>e, heilige, allgeme<strong>in</strong>e und apostolische Kirche manifestiert,<br />

die sich zu <strong>de</strong>m e<strong>in</strong>en Herrn Jesus Christus bekennt.


Andreas <strong>Konrath</strong><br />

<strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>


1<br />

1. SOZIOLOGISCHE VORBETRACHTUNGEN<br />

1.1. ZUR ALLGEMEINEN SITUATION DER GEBÄRDENDEN IN DEUTSCHLAND<br />

Die Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e soziologische Größe <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r Gesellschaft, die neben <strong>de</strong>r<br />

Schriftsprache, welche als graphisch fixierte Form <strong>de</strong>r Deutschen Lautsprache (DLS) zugleich<br />

Amtssprache <strong>in</strong> Deutschland ist, die Deutsche <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> (DGS) benutzen, um zu kommunizieren.<br />

Sie s<strong>in</strong>d durch die geme<strong>in</strong>same Sprache, Geschichte und Kultur verbun<strong>de</strong>n.<br />

Die Geschichte 1 <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n läßt sich bis <strong>in</strong> die frühe Antike zurückverfolgen als Historie<br />

<strong>de</strong>r Diskrim<strong>in</strong>ierung. Taubheit ist bis heute e<strong>in</strong>e negativ assoziierte Vokabel geblieben, die beispielsweise<br />

mit Gefühlslosigkeit <strong>de</strong>r Gliedmaßen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht wird o<strong>de</strong>r auch mit<br />

Wertlosigkeit, wie das „taube Geste<strong>in</strong>“ im Bergbaujargon beweist. Ebenso wird Sprechbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit <strong>de</strong>r Hochform <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>kunst <strong>in</strong> Politik und Wirtschaft oft mit geistiger Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />

gleichgesetzt. In <strong>de</strong>n Betriebsräten von Firmen o<strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Elternbeiräten von Schulen<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n anzutreffen. „Ke<strong>in</strong> Gehörloser dr<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e führen<strong>de</strong> Stellung vor,<br />

wird Abgeordneter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stadtparlament, Mitglied e<strong>in</strong>es Parteiausschusses, leiten<strong>de</strong>r Beamter<br />

usw.; d. h., ke<strong>in</strong> Gehörloser greift gestaltend <strong>in</strong> das Sozialleben <strong>de</strong>r Hören<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>.“ 2 Die Nichtgebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

fühlen sich meist nicht e<strong>in</strong>mal für soziale Gerechtigkeit h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

verantwortlich. Insofern hat die Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n kaum nachgelassen. Ihren<br />

traurigen Höhepunkt fand sie im Jahre 1934: Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“<br />

schrieb bei erblicher Taubheit die Zwangssterilisierung vor. Die Schatten dieser Zwangsmaßnahme<br />

s<strong>in</strong>d teils heute noch zu spüren, wenn man mit Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gespräch tritt. Gera<strong>de</strong><br />

bei älteren Menschen hat diese Zeit tiefe Narben an Leib und Seele h<strong>in</strong>terlassen. H<strong>in</strong> und wie<strong>de</strong>r<br />

begegnet man sogar <strong>de</strong>r stark pauschalisierten Ansicht, Hören<strong>de</strong> seien „alle Nazis“. Meist<br />

jugendliche Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> neigen zu solchen falschen Urteilen, <strong>de</strong>ren Denken von e<strong>in</strong>er Zweiteilung<br />

<strong>de</strong>r Welt <strong>in</strong> Hören<strong>de</strong> und Gehörlose beherrscht wird. Dar<strong>in</strong> spiegelt sich aber e<strong>in</strong>e lange<br />

Erfahrung <strong>de</strong>r Unterdrückung, die auch die Zeit <strong>de</strong>r Deutschen Demokratischen Republik umfaßt.<br />

Doch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n letzten Jahren hat sich e<strong>in</strong>e freie „Gehörlosenkultur“ entwickeln können.<br />

„In <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland leben etwa 16 Mio. Menschen, die wegen ihres mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger stark bee<strong>in</strong>trächtigten Hörvermögens <strong>in</strong> ihrer Kommunikation mit ihren Mitmenschen<br />

beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rt s<strong>in</strong>d“ 3 . Darunter s<strong>in</strong>d m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens 200.000 Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nen e<strong>in</strong>e Verständigung alle<strong>in</strong><br />

über das Gehör auch mit Hilfe von Hörgeräten kaum möglich ist. Die Ursachen dafür s<strong>in</strong>d<br />

so unterschiedlich wie die Menschen selbst, weil es von Geburt an Schwerhörige und Gehörlose,<br />

wie auch Spätertaubte gibt – sei es durch Altersschwerhörigkeit, e<strong>in</strong>e Krankheit o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en Unfall.<br />

Wie diese teilen sich Stumme und Sprachgeschädigte mittels Gebär<strong>de</strong>n mit. Auch <strong>de</strong>ren<br />

Verwandte und Freun<strong>de</strong> treten <strong>in</strong> diesen Kulturkreis e<strong>in</strong>, wenn sie Gebär<strong>de</strong>n benutzen. Die Zahl<br />

1 vgl. Blick zurück; dazu Lane, H.: Maske und Nöth, W.: Handbuch <strong>de</strong>r Semiotik, S. 381<br />

2 Mit <strong>de</strong>n Augen hören, S. 32<br />

3 aus: http://www.gesundheitspilot.<strong>de</strong>/gesundheit/<strong>de</strong>utschegesellschaftzurfoer<strong>de</strong>rung<strong>de</strong>rgehoerlosen_10382.htm


2<br />

<strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n läßt sich also nicht genau erheben. Trotz <strong>de</strong>r Größe dieser Gruppe s<strong>in</strong>d Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>de</strong>rheit am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft. Ihre Sprache ist gesetzlich nicht anerkannt,<br />

obwohl die Sprachwissenschaft <strong>in</strong>zwischen die DGS als e<strong>in</strong>e vollwertige Sprache ansieht 4 . Sie<br />

s<strong>in</strong>d beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rt – im Falle e<strong>in</strong>er Gehörlosigkeit zu 100%. Und so wird ihnen auch begegnet mit<br />

e<strong>in</strong>er Mischung aus Angst und Mitleid. Die Angstabwehr <strong>de</strong>s Unbekannten, die Unsicherheit <strong>de</strong>r<br />

Begegnung, die Scheu vor <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren e<strong>in</strong>erseits erschwert für bei<strong>de</strong> Gesprächspartner e<strong>in</strong>e offene<br />

und ehrliche Kommunikation. Doch das „Mitleid <strong>de</strong>s Gesun<strong>de</strong>n“ an<strong>de</strong>rerseits – oft e<strong>in</strong> Gefühl<br />

<strong>de</strong>r Überlegenheit an Macht und Glück, so auch „böses Mitleid“ 5 genannt – <strong>de</strong>gradiert die<br />

Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten vielfach zu <strong>de</strong>fizientem Personse<strong>in</strong>. So ist es nicht verwun<strong>de</strong>rlich, daß sich Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Öffentlichkeit nicht „outen“ wollen, son<strong>de</strong>rn möglichst unauffällig ihr Leben geme<strong>in</strong>sam<br />

mit an<strong>de</strong>ren Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n führen.<br />

E<strong>in</strong> gegenläufiger Trend ist das Engagement Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r um gesellschaftliche Akzeptanz und<br />

Toleranz. Daß z. B. die <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> häufig als <strong>in</strong>teressant und ästhetisch ansprechend empfun<strong>de</strong>n<br />

wird, begünstigt <strong>de</strong>n Erfolg gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Theatergruppen und an<strong>de</strong>rer künstlerischer Botschafter,<br />

die bewußt „nach außen“ wirken wollen. Um die gesetzliche Anerkennung und Gleichstellung<br />

<strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n 6 h<strong>in</strong>gegen bemühen sich viele Verbän<strong>de</strong> und Bürger<strong>in</strong>itiativen. Doch<br />

dieses Ziel ist noch <strong>in</strong> weiter Ferne, solange <strong>in</strong> Deutschland wie <strong>in</strong> ganz Europa die <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>n<br />

als Notbehelf für mangeln<strong>de</strong> lautsprachliche Kommunikation betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

1.2 ZUR SPEZIELLEN SITUATION DER GEBÄRDENDEN UNTEREINANDER<br />

Durch ihre geme<strong>in</strong>samen Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft verbun<strong>de</strong>n, suchen Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> oft<br />

<strong>de</strong>n Kontakt mit „Schicksalsgefährten“. Sie organisieren sich außer <strong>in</strong> Gehörlosengeme<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

auch <strong>in</strong> Sportvere<strong>in</strong>en und an<strong>de</strong>ren Gruppen. Dort beschränkt sich ihre Kommunikation nun<br />

nicht mehr – wie häufig mit Nichtgebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n – auf das Nötigste, son<strong>de</strong>rn es s<strong>in</strong>d sowohl heiße<br />

Debatten wie auch schlichte „Plau<strong>de</strong>reien“ möglich. Die Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n können sich und ihre Bef<strong>in</strong>dlichkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r ganzen Tiefe menschlichen Se<strong>in</strong>s mitteilen. Man kann sich näher kommen, als<br />

es sonst aufgrund <strong>de</strong>r Sprachbarrieren vorstellbar wäre. In <strong>de</strong>n meisten Fällen ist <strong>de</strong>r Bekanntenkreis<br />

e<strong>in</strong>es Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit e<strong>in</strong>er solchen Gruppe i<strong>de</strong>ntisch. In diesen engen sozialen Strukturen<br />

s<strong>in</strong>d aber auch Spannungen vorprogrammiert, <strong>de</strong>nn es wer<strong>de</strong>n „nicht nur Ehen, Freundschaften<br />

und Bekanntschaften geschlossen, son<strong>de</strong>rn <strong>in</strong> gleicher Weise spielt auch das Verlangen nach Ansehen,<br />

E<strong>in</strong>fluß und Macht mit“ 7 . Interessenkonflikte können, e<strong>in</strong>mal zu Haß mutiert, immense<br />

Ausmaße annehmen, weil sich Bekannte o<strong>de</strong>r Verwandte als Freund o<strong>de</strong>r Fe<strong>in</strong>d positionieren<br />

müssen. Das ganze soziale Umfeld e<strong>in</strong>er Person kann dadurch stark <strong>in</strong>s Wanken geraten.<br />

4 vgl. Boyes Braem, P.: E<strong>in</strong>führung<br />

5 Herbst, H. R.: Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte, S. 117<br />

6 siehe Anhang 1<br />

7 Mit <strong>de</strong>n Augen hören, S. 35


3<br />

In diesem Zusammenhang ist auf die Distanz <strong>de</strong>r Altersgruppen untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r h<strong>in</strong>zuweisen. Weil<br />

je<strong>de</strong> Altersstufe ihre eigenen Interessen und Erfahrungen hat, s<strong>in</strong>d auch bei Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gesprächspartner<br />

mit ähnlichen Vorraussetzungen bevorzugt. Bei Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n kommt außer<strong>de</strong>m<br />

h<strong>in</strong>zu, daß mit zunehmen<strong>de</strong>m Altersunterschied sich auch das Vokabular und die Artikulation<br />

än<strong>de</strong>rn. Deshalb schließen sich Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> stärker als Nichtgebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> nur <strong>de</strong>n Gruppen an,<br />

die „ihre“ Sprache sprechen.<br />

Vor allem jugendliche Gehörlose gelten als „Sensationsmenschen“ 8 , weil sie sich von visuellen<br />

Angeboten <strong>de</strong>s Augenblicks stark angesprochen fühlen. In diesem Punkt kommt ihnen die Konsumgesellschaft<br />

e<strong>in</strong> gutes Stück entgegen. Die Werbung suggeriert Schönheit, Kraft, Erfolg. Diese<br />

Außenwirkung erstreben sie auch für sich – primär h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>r Gruppe. Doch sie stoßen<br />

dabei an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Teilen mehrere Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gruppe diese Erfahrung,<br />

folgt e<strong>in</strong> „S<strong>in</strong>nes-Wan<strong>de</strong>l“ <strong>de</strong>r Gruppe, an<strong>de</strong>rnfalls e<strong>in</strong> Wechsel zu e<strong>in</strong>er an<strong>de</strong>ren.<br />

1.3. ZUR SITUATION DER GEBÄRDENDEN IN DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS<br />

Die <strong>in</strong>nerkirchliche Situation ist <strong>de</strong>r gesellschaftlichen ähnlich. Auch <strong>in</strong> je<strong>de</strong>m Pfarramtsbereich<br />

leben z. B. Christen mit Hör- o<strong>de</strong>r Sprachschädigung. Dennoch nimmt die Ortsgeme<strong>in</strong><strong>de</strong> ihre<br />

gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Geschwister kaum wahr, weil sie sich aus <strong>de</strong>m herkömmlichen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>leben zurückziehen,<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Schwerpunkt neben <strong>de</strong>r Teilhabe an <strong>de</strong>n Sakramenten auf <strong>de</strong>m Hören <strong>de</strong>s<br />

Wortes Gottes liegt. Die Hauptversammlung <strong>de</strong>r Christen am Sonntag ist maßgeblich auf Emission<br />

und Rezeption akustischer Signale beschränkt. Sichtbares liturgisches Han<strong>de</strong>ln läßt selten auf<br />

<strong>de</strong>n Inhalt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n S<strong>in</strong>n <strong>de</strong>r Handlung schließen, weil e<strong>in</strong>e Reflexion <strong>de</strong>r nonverbalen Kommunikation<br />

im <strong>Gottesdienst</strong>raum seitens <strong>de</strong>r Liturgen, Pfarrer und Praedikanten oft nicht stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>t<br />

9 . Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gehörlose geht „leer“ aus e<strong>in</strong>em solchen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>gottesdienst wie<strong>de</strong>r heraus.<br />

Der Sprachgeschädigte h<strong>in</strong>gegen kann kaum Lie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Gebete laut mitsprechen, ohne daß an<strong>de</strong>re<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>glie<strong>de</strong>r sich <strong>in</strong> ihrer Andacht gestört fühlen. Bei<strong>de</strong> haben ke<strong>in</strong>en vollen Anteil an<br />

<strong>de</strong>r Versammlung. So s<strong>in</strong>d sie zur Bildung e<strong>in</strong>er Randgruppe, e<strong>in</strong>er ecclesiola <strong>in</strong> ecclesia 10 genötigt,<br />

wenn Sie nicht sogar <strong>de</strong>n Raum <strong>de</strong>r Evangelisch-Lutherischen Kirche ganz verlassen. Die<br />

„Christlichen Gehörlosengeme<strong>in</strong><strong>de</strong>n“ (CGG) s<strong>in</strong>d diesen Weg gegangen. Sie haben sich von Gehörlosengeme<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r evangelischen Kirche getrennt und lehnen – vergleichbar e<strong>in</strong>er ecclesiola<br />

extra ecclesia – die Zusammenarbeit mit lan<strong>de</strong>skirchlichen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n ab. E<strong>in</strong>e nähere Betrachtung<br />

<strong>de</strong>r CGG wird daher nicht erfolgen.<br />

8 Mit <strong>de</strong>n Augen hören, S. 20<br />

9 E<strong>in</strong>e ausführliche Debatte darüber führt Wenz, H.: Körpersprache.<br />

10 Ich bediene mich <strong>de</strong>s Term<strong>in</strong>us von Phillip Jakob Spener (1635-1705), weil die Isolierung von <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> - ohne sich<br />

von <strong>de</strong>r Kirche abzuwen<strong>de</strong>n – <strong>de</strong>r historischen Situation vergleichbar ist. Die im Gegensatz dazu stehen<strong>de</strong>n separatistischen<br />

„Christlichen Gehörlosengeme<strong>in</strong><strong>de</strong>n“ (CGG) untermauern <strong>de</strong>n Gebrauch <strong>de</strong>s Vokabulars. Geistesgeschichtliche o<strong>de</strong>r theologische<br />

Implikationen übernehme ich nicht, nur die soziologische Tatsache.


4<br />

In <strong>de</strong>r Evangelisch-Lutherischen Lan<strong>de</strong>skirche Sachsens s<strong>in</strong>d ephoral Gehörlosenseelsorger e<strong>in</strong>gesetzt<br />

– meist Pfarrer e<strong>in</strong>er Ortsgeme<strong>in</strong><strong>de</strong> – zur Gewährleistung kirchlicher Handlungen an und<br />

mit Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n. Sie betreuen die ecclesiolas <strong>in</strong> ecclesia seelsorgerisch. Die Gebär<strong>de</strong>nkompetenz <strong>de</strong>r<br />

Geistlichen fällt unterschiedlich aus, weil u. U. das Amt <strong>de</strong>s Gehörlosenseelsorgers mit <strong>de</strong>m Pfarrer<br />

besetzt wird, <strong>de</strong>m augensche<strong>in</strong>lich die meiste Zeit zur Verfügung steht. Nichts<strong>de</strong>stotrotz treten<br />

diese Seelsorger – über e<strong>in</strong>en Lan<strong>de</strong>skonvent <strong>in</strong> Kontakt – <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung entgegen,<br />

<strong>de</strong>n Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n das Evangelium zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten. Dabei bef<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

sie sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Situation, geprägte Formulierungen <strong>de</strong>r DLS übersetzen zu müssen, ohne<br />

von <strong>de</strong>n feststehen<strong>de</strong>n Wendungen abzuweichen, die als agendarische Texte lan<strong>de</strong>skirchlich festgelegt<br />

s<strong>in</strong>d, und <strong>de</strong>nnoch s<strong>in</strong>nstiftend zu gebär<strong>de</strong>n. Dieser Kompromiß erfor<strong>de</strong>rt Zugeständnisse<br />

von bei<strong>de</strong>n Kommunikationsformen. Es stellt sich zwangsläufig die Frage nach <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> und<br />

Wirkung solcher <strong>Gottesdienst</strong>e. Fast durchweg hören<strong>de</strong> Pfarrer gebär<strong>de</strong>n Texte <strong>de</strong>r DLS. Ist<br />

solcher <strong>Gottesdienst</strong> <strong>de</strong>r Kommunikationssituation <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n angemessen? Hat <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong><br />

<strong>de</strong>n gleichen feierlichen Charakter für Hören<strong>de</strong> und Hörgeschädigte? Diesen Fragen<br />

nachzugehen, erfor<strong>de</strong>rt zunächst e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>gehen<strong>de</strong> Beschäftigung mit <strong>de</strong>r <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>, ehe<br />

danach theologische Inhalte und Aspekte von <strong>Gottesdienst</strong>en bedacht und dazu <strong>in</strong> Beziehung<br />

gesetzt wer<strong>de</strong>n können.<br />

2. SPRACHTHEORETISCHE BETRACHTUNG<br />

2.1 GEBÄRDENSPRACHLICHE SPEZIFIKA<br />

Wer mit Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n kommuniziert, begegnet e<strong>in</strong>er ausgesprochen „gegenständlichen“ Sprache.<br />

Für Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, die DGS als Muttersprache erlernt haben, mag dies selbstverständlich ersche<strong>in</strong>en,<br />

so wie jenen, welche DLS als Muttersprache benutzen, die Abhängigkeit <strong>de</strong>r Satzlänge vom<br />

Atemvolumen selten bewußt ist. Bei<strong>de</strong> Kommunikationsformen bewegen sich <strong>in</strong> teils sehr unterschiedlichen<br />

Parametern, teils aber auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>nselben. Letzteres grün<strong>de</strong>t v. a. <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Verwendung<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache als geme<strong>in</strong>sames Reservoir <strong>de</strong>r Lexeme, weshalb e<strong>in</strong> Vergleich legitim ist.<br />

In <strong>de</strong>r DGS wird – als erstes Charakteristikum – zugunsten <strong>de</strong>r Darstellbarkeit jedwe<strong>de</strong> Form<br />

von Abstrakta vermie<strong>de</strong>n, soweit dies möglich ist. Dazu zählen u. a. Substantivierungen mittels<br />

„-ung“, „-heit“ und „-keit“ o<strong>de</strong>r auch Partizipialkonstruktionen. Diese E<strong>in</strong>schränkung verleitet<br />

oft zu <strong>de</strong>m falschen Schluß, die Ausdrucksmöglichkeit <strong>de</strong>r DGS sei aufgrund <strong>de</strong>s reduzierten<br />

Lexemvorrats verm<strong>in</strong><strong>de</strong>rt 11 . Dagegen s<strong>in</strong>d sich viele Sprachforscher e<strong>in</strong>ig, „daß sich auch <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>n<br />

alle Konzepte ausdrücken lassen, die für Lautsprachen zu erwarten s<strong>in</strong>d.“ 12<br />

Die Struktur <strong>de</strong>s Lexikons <strong>de</strong>r DGS ist an<strong>de</strong>rs als die Struktur <strong>de</strong>r bekannten <strong>in</strong>dogermanischen<br />

Sprachen. Zwar gibt es z. B. bei<strong>de</strong>rseits Wortfamilien, die je auf e<strong>in</strong>em mehr o<strong>de</strong>r m<strong>in</strong><strong>de</strong>r ge-<br />

11 vgl. Ebb<strong>in</strong>ghaus, H.: Warum<br />

12 aus <strong>de</strong>m Vortrag „Lexikalische Strukturen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>“ von Sonja Erlenkamp und Claudia Becker,<br />

gehalten auf <strong>de</strong>r 23. Jahrestagung <strong>de</strong>r Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft 2001


5<br />

me<strong>in</strong>samen Wortstamm basieren. Doch glie<strong>de</strong>rn sich die Lexeme <strong>de</strong>r DLS nach Silbenverwandtschaft<br />

(„Bau“, „bauen“, „Gebäu<strong>de</strong>“ usw.), <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DGS h<strong>in</strong>gegen nach Form gleicher Zeichen<br />

(„Programm“, „Gesetz“, „Fahrplan“ usw.). Maßgeblich für die Unterscheidung <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>er<br />

Wortfamilie <strong>de</strong>r DGS ist <strong>de</strong>r Kontext und das Mundbild.<br />

Abb.1 ke<strong>in</strong>e Wortfamilie <strong>de</strong>r DGS e<strong>in</strong>e Wortfamilie <strong>de</strong>r DGS<br />

Bau Gebäu<strong>de</strong> Programm / Gesetz / Fahrplan<br />

e<strong>in</strong>e Wortfamilie <strong>de</strong>r DLS<br />

ke<strong>in</strong>e Wortfamilie <strong>de</strong>r DLS<br />

Wer<strong>de</strong>n Gebär<strong>de</strong>n „unsauber“ ausgeführt, kann die <strong>in</strong>haltliche Ergänzung bei <strong>de</strong>r Rezeption aufgrund<br />

dieser Wortverwandtschaften völlig an<strong>de</strong>re Bahnen e<strong>in</strong>schlagen, als e<strong>in</strong> Nichtgebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

vermutet. Dagegen verwun<strong>de</strong>rt nicht, daß Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> z. B. die Orthographie an<strong>de</strong>rs herleiten als<br />

Lautsprachbenutzer. Dazu tragen auch die Richtungsverben <strong>de</strong>r DGS bei, die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DLS mit<br />

mehreren Worten wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n, weil sie zugleich Urheber, Art und Empfänger e<strong>in</strong>er<br />

Handlung anzeigen. Solche Verben s<strong>in</strong>d meist transitiv („sehen“, „besuchen“, „geben“ usw.):<br />

Abb.2<br />

jemand kommt zu dir<br />

jemand kommt zu mir<br />

Auch wenn Gebär<strong>de</strong>n <strong>in</strong> ihrer Ausführung länger andauern (600 ms), als wenn man die Worte<br />

sprechen wür<strong>de</strong> (250 ms pro Silbe), so s<strong>in</strong>d doch die Vertreter bei<strong>de</strong>r Kommunikationssysteme<br />

gleich schnell <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Korrektur ihrer Fehler und „Versprecher“ 13 . Bei<strong>de</strong> Sprachen unterliegen<br />

– wie gesagt – teils <strong>de</strong>n gleichen, teils gänzlich an<strong>de</strong>ren Gesetzmäßigkeiten.<br />

13 aus <strong>de</strong>m Vortrag „Spontansprachliche Korrekturen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DGS: modalitätsabhängige und modalitätsneutrale Aspekte <strong>de</strong>s<br />

Monitors“ von Jörg Keller und Annette Hohenberger, gehalten auf <strong>de</strong>r 23. Jahrestagung <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft 2001


6<br />

Der Satzbau <strong>de</strong>r DGS – e<strong>in</strong> zweites Charakteristikum – ist von kurzen Konstruktionen mit wenigen<br />

f<strong>in</strong>iten Verbformen gekennzeichnet. Verschachtelungen von Satzebenen wer<strong>de</strong>n durch erläutern<strong>de</strong><br />

Nebensätze aufgelöst zu mehreren E<strong>in</strong>zelaussagen. Dadurch ersche<strong>in</strong>en die Texte vielen<br />

DLS benutzen<strong>de</strong> Rezipienten schlicht und rhetorisch wertlos. Doch e<strong>in</strong>e solche Beurteilung fußt<br />

auf Unkenntnis <strong>de</strong>r sprachlichen Herausfor<strong>de</strong>rung e<strong>in</strong>er Übersetzung im eigentlichen S<strong>in</strong>ne. Ke<strong>in</strong>er<br />

wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n rhetorischen Kunstgriff figura ethymologica e<strong>in</strong>es altgriechischen Verfassers (z. B.<br />

„e<strong>in</strong>e Frage fragen“) als stillos bezeichnen, nur weil sie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DLS verpönt ist. In <strong>de</strong>r Antike<br />

zeugte diese figura von hoher Re<strong>de</strong>kunst. Ähnlich verhält es sich bei Übersetzungen von DLS zu<br />

DGS. Die Lexeme ersche<strong>in</strong>en vertraut, doch die Syntax ist e<strong>in</strong>e völlig an<strong>de</strong>re. In <strong>de</strong>r DGS wird<br />

das Proprium <strong>de</strong>r Aussage an <strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>s Satzes und das Prädikat meist an das En<strong>de</strong> gestellt.<br />

Schematisch vere<strong>in</strong>facht läßt sich <strong>de</strong>r Satzbau wie folgt darstellen: Agens – Patiens – Prädikat 14 .<br />

Daneben gibt es diverse Regeln, welche diese Struktur aufbrechen können, wie z. B. jene „Vom<br />

Großen zum Kle<strong>in</strong>en“, wo gemäß <strong>de</strong>r Wahrnehmung gebär<strong>de</strong>t wird: Dach – Katze – sitzt auf.<br />

Doch solche Regeln wer<strong>de</strong>n regional unterschiedlich gehandhabt. E<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>heitlichung kann<br />

erst mit <strong>de</strong>r gesetzlichen Anerkennung <strong>de</strong>r DGS erreicht wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Unterschiedlichkeit <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Sprachsysteme DGS und DLS läßt sich an <strong>de</strong>r Untertitelung<br />

von Filmen exemplifizieren. Die Untertitelung ist aber e<strong>in</strong> Kompromiß, <strong>de</strong>r von bei<strong>de</strong>n Seiten<br />

unterschiedlich honoriert wird. Der Hören<strong>de</strong> e<strong>in</strong>erseits erachtet die Übersetzung als zu oberflächlich,<br />

da Lautstärke und Sprechmelodie usw. nicht wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n. Der Gehörlose an<strong>de</strong>rerseits<br />

muß ständig Übersetzungsarbeit leisten, wodurch e<strong>in</strong> Film sehr anstrengend wer<strong>de</strong>n<br />

kann. An dieser Stelle kommt die Problematik <strong>de</strong>r Schrift zur Sprache, <strong>de</strong>nn sie ist für die graphische<br />

Fixierung <strong>de</strong>r DGS nicht ausreichend. Deshalb wer<strong>de</strong>n alternative Notationssysteme entwickelt<br />

wie die Transskription:<br />

Abb.3<br />

A: Wo wohnst Du eigentlich?<br />

B: Ich wohne <strong>in</strong> Altona.<br />

A: Was, <strong>in</strong> Altona?<br />

B: Ja<br />

A: Wie kommst Du <strong>de</strong>nn von<br />

dort hierher?<br />

B: Ich fahre mit <strong>de</strong>m Auto.<br />

Die Dialogdarstellung gibt Mimik (über <strong>de</strong>r Schrift), Gebär<strong>de</strong>n (Schrift) und Mundbild (Unterstrich)<br />

wi<strong>de</strong>r. Die Reproduktion <strong>de</strong>s Gesprächs <strong>in</strong> DGS ist anhand <strong>de</strong>r Transskription präziser.<br />

14 Ich verwen<strong>de</strong> nicht die Begriffe Subjekt und Objekt, weil sie Konnotationen <strong>de</strong>r lautsprachlichen L<strong>in</strong>guistik enthalten.


7<br />

Gebär<strong>de</strong>ndolmetscher benutzen zum Erlernen <strong>de</strong>r DGS weit komplexere Notationssysteme, wie<br />

das Hamburger Notationssystem (HamNoSys) an dieser Stelle zeigen soll:<br />

Abb.4<br />

Umschrift für „<strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>“<br />

Neben <strong>de</strong>n vergleichbaren Eigenschaften bei<strong>de</strong>r Sprachen verfügt die DGS über Ausdrucksmöglichkeiten<br />

– e<strong>in</strong> drittes Charakteristikum – ohne direkte lautsprachliche Entsprechung. E<strong>in</strong>e vollständige<br />

Liste wird hier nicht geboten, son<strong>de</strong>rn e<strong>in</strong>ige Beispiele genügen zur Veranschaulichung:<br />

In <strong>de</strong>r DGS f<strong>in</strong><strong>de</strong>n Lexeme Verwendung, die es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DLS nicht gibt (z. B. „sch“ o<strong>de</strong>r „lef“).<br />

Außer<strong>de</strong>m ist e<strong>in</strong>e stufenlose Steigerung von Adjektiven und Adverbien möglich. Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

können ganz genau wie<strong>de</strong>rgeben, wie sie das Erlebnis empfun<strong>de</strong>n haben o<strong>de</strong>r um wieviel<br />

schlechter bzw. besser ihr E<strong>in</strong>druck war. Durch Modulation <strong>de</strong>r Intensität <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n und<br />

Mimik stehen unzählige Graduierungen <strong>de</strong>r Steigerung zur Verfügung. Solche Präzision f<strong>in</strong><strong>de</strong>t <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r DLS selbst mit Umschreibungen ke<strong>in</strong> Äquivalent. Inkorporation als e<strong>in</strong>e Art Erweiterung<br />

von Richtungsverben ist e<strong>in</strong> weiteres Phänomen <strong>de</strong>r DGS, wobei mehrere Aussagen mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />

verschmelzen. S<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>heiten, welche <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DLS mit e<strong>in</strong> bis zwei Sätzen wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>n, können <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DGS – <strong>in</strong>korporiert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Gebär<strong>de</strong> – <strong>in</strong> kürzester Zeit dargestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m kann die Beschreibung zeitgleich kommentiert wer<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>rs bei<br />

Wegbeschreibungen o<strong>de</strong>r Reiseberichten bevorzugen Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> solche Inkorporationen. Als<br />

Beispiel sei die Beschreibung <strong>de</strong>r Urlaubsfahrt e<strong>in</strong>es Jugendlichen genannt: Er bewegte se<strong>in</strong>e<br />

rechte Hand, die e<strong>in</strong> Fahrzeug zeigte, <strong>in</strong> ausschweifen<strong>de</strong>r Schlängell<strong>in</strong>ie langsam oberhalb se<strong>in</strong>es<br />

Kopfes und gebär<strong>de</strong>te zeitgleich mit <strong>de</strong>r l<strong>in</strong>ken Hand, daß er etwas „aushalten“ müsse. Bei<strong>de</strong><br />

Bewegungen, zu e<strong>in</strong>em Gebär<strong>de</strong>nakt verschmolzen, geben mit beispielhafter Genauigkeit se<strong>in</strong><br />

Erlebnis wie<strong>de</strong>r: „Nach<strong>de</strong>m wir alle wie<strong>de</strong>r im Auto saßen, fuhren wir auf <strong>de</strong>n Berg h<strong>in</strong>auf, wobei die<br />

Straße so kurvenreich und steil war, daß ich befürchtete, <strong>de</strong>r Wagen könnte es nicht schaffen.“ Die Übersetzung<br />

gibt noch nicht an, wie kurvenreich und steil <strong>de</strong>r Weg nun genau war, was die Gebär<strong>de</strong> durchaus<br />

zu leisten im Stan<strong>de</strong> ist. Daran ist zu spüren, wie anschaulich und gegenständlich DGS se<strong>in</strong> kann.<br />

Hier vermute ich, spezifische Denkstrukturen begrün<strong>de</strong>t zu sehen. Eigentlich weckt je<strong>de</strong> Kommunikationsform<br />

beim Empfänger Vorstellungen durch Impulse <strong>de</strong>s Sen<strong>de</strong>rs. Doch diese Vorstellungen<br />

ersche<strong>in</strong>en mir bei Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n gegenständlicher zu se<strong>in</strong> als bei <strong>de</strong>r DLS. Die DGS<br />

ist Ausdruck e<strong>in</strong>er zuvor <strong>in</strong>nerlich vollzogenen Konkretisierung und damit e<strong>in</strong>er „Visualisierung“<br />

von Erfahrungen und Wissen. Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, wenn sie sich e<strong>in</strong> „Bild“ von <strong>de</strong>r Welt gemacht haben,<br />

„leben“ ihre Sprache – ohne viele Worte. Anhand von Gebär<strong>de</strong>nneuschöpfungen wie z. B.<br />

„Internet“ ließen sich diesbezüglich weiterführen<strong>de</strong> Beobachtungen o<strong>de</strong>r sogar psychologische<br />

Untersuchungen anstellen. Doch diese Spekulationen s<strong>in</strong>d an an<strong>de</strong>rer Stelle zu verifizieren.


8<br />

2.2 LBG UND DGS<br />

Die Gebär<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Deutschland teilen sich streng genommen <strong>in</strong> die zwei Formen „Lautsprachbegleiten<strong>de</strong><br />

Gebär<strong>de</strong>n“ (LBG) und „Deutsche <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>“ (DGS). Zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st <strong>in</strong> Sachsen<br />

wird aber selten e<strong>in</strong>e von bei<strong>de</strong>n ausschließlich benutzt. Vielmehr liegt e<strong>in</strong>e Mischform vor, die<br />

altersabhängig teils stärker an <strong>de</strong>r DGS orientiert ist, teils stärker an <strong>de</strong>r LBG.<br />

„LBG ist ke<strong>in</strong>e <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>, son<strong>de</strong>rn lediglich e<strong>in</strong> künstliches Verfahren zur besseren<br />

Sichtbarmachung <strong>de</strong>r Lautsprache. Parallel zu je<strong>de</strong>m gesprochenen Wort wird e<strong>in</strong>e möglichst<br />

be<strong>de</strong>utungsgleiche Gebär<strong>de</strong> ausgeführt. LBG bedient sich also <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>nzeichen <strong>de</strong>r DGS,<br />

ohne jedoch <strong>de</strong>ren Grammatik zu berücksichtigen.“ 15 Sie wird be<strong>in</strong>ahe ausschließlich <strong>in</strong> Schulen<br />

genutzt zur Unterstützung <strong>de</strong>s Lippenlesens, um DGS benutzen<strong>de</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>r an die Syntax <strong>de</strong>r DLS<br />

zu gewöhnen. Und wenn für e<strong>in</strong>en Begriff ke<strong>in</strong>e Gebär<strong>de</strong> parat ist, wird er mittels <strong>de</strong>s F<strong>in</strong>geralphabetes<br />

daktyliert. Daher f<strong>in</strong><strong>de</strong>t diese Variante zu gebär<strong>de</strong>n häufig Anwendung, wenn schriftliche<br />

Texte vorzutragen s<strong>in</strong>d. Für e<strong>in</strong>e Sprechsituation ist sie zu umständlich:<br />

Abb.5<br />

E<strong>in</strong> Satz wird <strong>in</strong> DGS an<strong>de</strong>rs als <strong>in</strong> LBG gebär<strong>de</strong>t.<br />

15 Prillwitz, S.: Grundkurs, S. 36


9<br />

Die DGS hat e<strong>in</strong>en sogenannten Gebär<strong>de</strong>nraum zur Verfügung, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m D<strong>in</strong>ge o<strong>de</strong>r Personen<br />

lokalisiert bzw. „abgestellt“ wer<strong>de</strong>n können, um später wie<strong>de</strong>r darauf zu verweisen. Obwohl diese<br />

Möglichkeit bei LBG theoretisch nicht besteht, wird sie trotz<strong>de</strong>m gern angewandt. An<strong>de</strong>rerseits<br />

gibt es mit LBG notgedrungen die Option, Substantivierungen zu gebär<strong>de</strong>n. Diese Auswahl aus<br />

<strong>de</strong>n möglichen Differenzen soll die Unterschiedlichkeit bei<strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>nformen anzeigen. Letztlich<br />

f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Praxis e<strong>in</strong>e Mischung bei<strong>de</strong>r. In Schule und Ausbildung ist LBG üblich, <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Freizeit und unter Freun<strong>de</strong>n hat sich aber die DGS etabliert, die bis En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er Jahre regelrecht<br />

verboten war. Das F<strong>in</strong>geralphabet ist auch e<strong>in</strong>e neuere Form zu gebär<strong>de</strong>n, die ältere Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

aber z. T. noch strikter ablehnen als die DGS. Ihnen ist es generell unangenehm, öffentlich<br />

zu gebär<strong>de</strong>n, zumal sie das damals obligatorische Lippenlesen und Sprechen beherrschen.<br />

2.3 UNIVERSALITÄT UND DIALEKTE<br />

Gebär<strong>de</strong>n gibt es <strong>in</strong> <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Sprachen und Nationen. Die Amerikanische, Ch<strong>in</strong>esische,<br />

Deutsche, Französische, Österreichische o<strong>de</strong>r die Schwedische <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> s<strong>in</strong>d nur<br />

Beispiele aus <strong>de</strong>m Spektrum <strong>de</strong>r Möglichkeiten. In ehemaligen Kolonialgebieten haben sich zuweilen<br />

die ursprünglichen Gebär<strong>de</strong>n sogar mit <strong>de</strong>n „neuen“ Amtssprachen vermischt. So wer<strong>de</strong>n<br />

z. B. <strong>in</strong> Tunesien noch arabische Gebär<strong>de</strong>n verwen<strong>de</strong>t. Das Mundbild h<strong>in</strong>gegen ist französisch.<br />

Daran zeigt sich, daß <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>n untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r kompatibel s<strong>in</strong>d. Gebär<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d universell<br />

e<strong>in</strong>setzbar und verständlich, weil die gegenständliche Beschreibung <strong>de</strong>r Welt e<strong>in</strong>erseits und<br />

<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>en an<strong>de</strong>rerseits global auf ähnlichen Lexemen basiert. Gebär<strong>de</strong>n, die die Natur und ihre<br />

Vorgänge beschreiben o<strong>de</strong>r Eigenschaften und Verhaltensweisen, die allen Menschen zueigen<br />

s<strong>in</strong>d, fallen entsprechend analog aus, weil sie imitatorischen Charakter haben. I<strong>de</strong>elle Konzepte<br />

h<strong>in</strong>gegen o<strong>de</strong>r nichtimitatorische Gebär<strong>de</strong>n – wie beispielsweise manche Farben – wer<strong>de</strong>n unterschiedlich<br />

gebär<strong>de</strong>t und trotz<strong>de</strong>m größtenteils verstan<strong>de</strong>n, obwohl auch die Mundbil<strong>de</strong>r national<br />

unterschiedlich s<strong>in</strong>d, <strong>de</strong>nn es herrscht weltweit e<strong>in</strong> gewisser Konsens bei <strong>de</strong>r <strong>in</strong>neren und äußeren<br />

Visualisierung von Lexemen, <strong>de</strong>r vermutlich auf die bereits erwähnten psychologischen Charakteristika<br />

Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r zurückgeführt wer<strong>de</strong>n kann. In diesem Kontext hier ist die Tatsache e<strong>in</strong>er<br />

größeren Universalität <strong>de</strong>r <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>n als solche wichtig 16 .<br />

Neben dieser Tatsache ist die Differenziertheit <strong>de</strong>r jeweiligen <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> <strong>in</strong> sich bezeichnend,<br />

die anhand <strong>de</strong>r DGS veranschaulicht wer<strong>de</strong>n soll. Außer <strong>de</strong>n oben genannten altersspezifischen<br />

Unterschie<strong>de</strong>n gibt es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DGS auch regionale Dialekte wie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r DLS auch. E<strong>in</strong> Leipziger<br />

Gehörloser z. B. kann Münchener von Bremer Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n unterschei<strong>de</strong>n, Chemnitzer<br />

von Zwickauer und sogar Hallenser von Leipziger anhand <strong>de</strong>r „Wortwahl“. Diese Pluriformität<br />

<strong>de</strong>r DGS setzt sich fort bei Schülern o<strong>de</strong>r Dolmetschern, solange nicht e<strong>in</strong>e Basis-DGS als e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>heitliche Sprache anerkannt wird, ohne daß die Dialekte <strong>de</strong>shalb verdrängt wer<strong>de</strong>n müßten.<br />

16 vgl. Nöth, W.: Handbuch <strong>de</strong>r Semiotik, S. 382


10<br />

3. LITURGIETHEORETISCHE BETRACHTUNG<br />

3.1 GOTTESDIENST THEOLOGISCH<br />

Liturgie kommt von leitourgiva, die zunächst als priesterlicher Dienst am Kult (Lk 1,23), als<br />

Liebesdienst am Nächsten (2Kor 9,20) und als Kult aller Gläubigen (Act 13,2) beschrieben<br />

wird 17 . Das be<strong>de</strong>utet, daß im Lobpreis <strong>de</strong>r Bezug zu Gott und se<strong>in</strong>er Schöpfung besteht, im Kerygma<br />

die Relation zu Christus und zum irdischen Leben sowie im Bekenntnis die Verb<strong>in</strong>dung<br />

zum Heiligen Geist und zur s<strong>in</strong>nhaften Gegenwart Gottes. Dieses genu<strong>in</strong> menschliche Verhalten<br />

ist nun unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r zuvorkommen<strong>de</strong>n Gna<strong>de</strong> Gottes ausführlicher zu betrachten.<br />

Das Christentum hat sich durch se<strong>in</strong>e bewegte Geschichte h<strong>in</strong>durch die praxis pietatis bewahrt,<br />

daß die Gläubigen – im Anschluß an <strong>de</strong>n jüdischen Wochenzyklus – „am Tag <strong>de</strong>s Herren“ zu<br />

<strong>Gottesdienst</strong>en zusammenkommen 18 , um mit ihrem auferstan<strong>de</strong>nem Herrn (Mt 18,20) als auch<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft zu haben. Die ko<strong>in</strong>wniva (Act 2,42) ist e<strong>in</strong> erstes Charakteristikum<br />

<strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es. Auch Luther sah es als die primäre Aufgabe e<strong>in</strong>es je<strong>de</strong>n christlichen Versammlungsraumes,<br />

„daß nichts an<strong>de</strong>res dar<strong>in</strong> geschehe, als daß unser lieber Herr selbst mit uns<br />

re<strong>de</strong> durch se<strong>in</strong> heiliges Wort und wir wie<strong>de</strong>rum mit ihm re<strong>de</strong>n durch Gebet und Lobgesang.“ 19<br />

<strong>Gottesdienst</strong> wird folglich verstan<strong>de</strong>n als die Geme<strong>in</strong>schaft <strong>de</strong>rer, die sich zu Jesus Christus als<br />

ihrem Herrn bekennen, um sich von ihm ansprechen und beschenken zu lassen sowie mit Dank<br />

und Gebet darauf zu antworten im Glauben.<br />

„Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigamt e<strong>in</strong>gesetzt, Evangelium und Sakrament<br />

geben, dadurch er als durch Mittel <strong>de</strong>n heiligen Geist gibt, welcher <strong>de</strong>n Glauben, wo und wenn er<br />

will, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen, so das Evangelium hören, wirket, welches da lehret, daß wir durch Christus Verdienst,<br />

nicht durch unser Verdienst, e<strong>in</strong> gnädigen Gott haben, so wir solchs glauben.“ 20 Diese<br />

Formulierung aus <strong>de</strong>r Confessio Augustana kennzeichnet <strong>de</strong>n <strong>in</strong>tellektuellen und materiellen Geschenkcharakter<br />

von <strong>Gottesdienst</strong>en. Zugleich kommt auch <strong>de</strong>r Auftrag an die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> zur<br />

Sprache, das Evangelium zu verkündigen und das Gedächtnis <strong>de</strong>s Herren zu feiern, was als<br />

Dienst vor Gott verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann 21 . Solcher Dienst <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> ist aber nur möglich,<br />

weil Gott sich ihr zuvor zuwen<strong>de</strong>t und kundtut. Gott dient <strong>de</strong>n Menschen und erweist sich als<br />

Geben<strong>de</strong>r. Die Antwort auf die Selbstmitteilung Gottes im Glaubensbekenntnis ist e<strong>in</strong> zweites<br />

Charakteristikum <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es, womit <strong>de</strong>r Christ als e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>r martuvre" (Act 1,8) se<strong>in</strong><br />

Verhältnis und Vertrauen zu Gott bezeugt. Gleichsam bestimmt er damit se<strong>in</strong> Verhältnis zu jenen<br />

Mitmenschen, die dieses Bekenntnis aller Orten und Zeiten ebenso sprechen wie er, und zu <strong>de</strong>nen,<br />

die es nicht <strong>in</strong> dieser Form sprechen. Somit f<strong>in</strong><strong>de</strong>t beim Credo wie bei an<strong>de</strong>ren Elementen<br />

mit bekenntnishaftem Charakter I<strong>de</strong>ntitätsstiftung und -stabilisierung <strong>de</strong>s E<strong>in</strong>zelnen wie <strong>de</strong>r Ge-<br />

17 vgl. Volp, R.: Liturgik 1, S. 37 ff.<br />

18 vgl. Act 20,7; Barn 15,9; Did 14,1-3 u. a.<br />

19 WA 49, 588<br />

20 BSLK, 58 [CA V]<br />

21 vgl. Brunner, P.: Lehre vom <strong>Gottesdienst</strong>, S. 253 ff.


me<strong>in</strong><strong>de</strong> durch Gottes Zuwendung statt. Und wie Gott <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wort immer neu zur Sprache<br />

kommt, so f<strong>in</strong><strong>de</strong>t die Antwort <strong>de</strong>r im Glauben Angesprochenen Ausdruck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em möglichst<br />

angemessenen Verhältnis von traditionellen und aktuellen Formen. Doch e<strong>in</strong>e solche Verhältnisbestimmung<br />

kann im evangelischen Glauben e<strong>in</strong>e Person nicht alle<strong>in</strong> festlegen, weil die ganze<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> als ko<strong>in</strong>wniva <strong>Gottesdienst</strong> feiert und sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Antwort wie<strong>de</strong>rf<strong>in</strong><strong>de</strong>n will. Deshalb<br />

ist Wahrnehmung von menschlichen Bef<strong>in</strong>dlichkeiten außerhalb wie <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

konstitutiv für <strong>Gottesdienst</strong>. So ist ihm auch das – nun dritte – Charakteristikum <strong>de</strong>r diakoniva<br />

(Act 6,1) zu eigen, nämlich e<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r helfend beizustehen. In <strong>de</strong>r familia Dei ist geschwisterliche<br />

Liebe im Glauben das Maß im gegenseitigen Umgang. Selbstlose Zuwendung zum Nächsten von<br />

allen Mitfeiern<strong>de</strong>n auch im <strong>Gottesdienst</strong> 22 als Zeichen <strong>de</strong>r Liebe Gottes zu praktizieren, be<strong>de</strong>utet,<br />

die erfahrene Gna<strong>de</strong> weiterzugeben <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Bewußtse<strong>in</strong>, daß dar<strong>in</strong> Gottes Wille geschehe. Somit<br />

realisiert sich auch <strong>de</strong>r heilsgeschichtliche Bezug von <strong>Gottesdienst</strong>en: In <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes <strong>in</strong><br />

Wort und Sakrament hat die feiern<strong>de</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>, die stets <strong>de</strong>r Vergebung ihrer Sün<strong>de</strong>n bedarf,<br />

bereits Anteil an <strong>de</strong>r Herrschaft Gottes und am ewigen Lobpreis im Himmel (Apk 7,9-12). Der<br />

<strong>Gottesdienst</strong>raum ist so e<strong>in</strong> Ort <strong>de</strong>s Schon-Jetzt im Noch-Nicht <strong>de</strong>r Herrschaft Gottes. „Die<br />

Liturgie ist sowohl anamnetisch als auch epikletisch: Sie »ge<strong>de</strong>nkt« <strong>de</strong>s vollen<strong>de</strong>ten Wirkens Christi<br />

(vgl. 1Kor 11,24 ff.) und »ruft« <strong>de</strong>n Heiligen Geist »an«, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r göttliche Urheber <strong>de</strong>r Erneuerung<br />

ist (vgl. Tit 3,5 ff.).“ 23<br />

Diese Charakterisierung <strong>de</strong>r Liturgie im heute aktuellen Kontext<br />

kommt <strong>in</strong> <strong>de</strong>n maßgeblichen Kriterien <strong>de</strong>s „Evangelischen <strong>Gottesdienst</strong>buches“ (EGB), das die<br />

Grundlage für <strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r EKD darstellt, zum Ausdruck: „1. Der <strong>Gottesdienst</strong><br />

wird unter <strong>de</strong>r Verantwortung und Beteiligung <strong>de</strong>r ganzen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> gefeiert. […] 2. Der <strong>Gottesdienst</strong><br />

folgt e<strong>in</strong>er erkennbaren, stabilen Grundstruktur, die vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten<br />

offen hält. […] 3. Bewährte Texte aus <strong>de</strong>r Tradition und neue Texte aus <strong>de</strong>m Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>leben<br />

<strong>de</strong>r Gegenwart erhalten <strong>de</strong>n gleichen Stellenwert. […] 4. Der evangelische <strong>Gottesdienst</strong> steht <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em lebendigen Zusammenhang mit <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong>en <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Kirchen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Ökumene.<br />

[…] 5. Die Sprache darf nieman<strong>de</strong>n ausgrenzen; vielmehr soll <strong>in</strong> ihr die Geme<strong>in</strong>schaft von Männern,<br />

Frauen, Jugendlichen und K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn sowie von unterschiedlichen Gruppierungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kirche<br />

ihren angemessenen Ausdruck f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. […] 6. Liturgisches Han<strong>de</strong>ln und Verhalten bezieht<br />

<strong>de</strong>n ganzen Menschen e<strong>in</strong>; es äußert sich auch leibhaft und s<strong>in</strong>nlich. […] 7. Die Christenheit ist<br />

bleibend mit Israel als <strong>de</strong>m erstberufenen Gottesvolk verbun<strong>de</strong>n.“ 24<br />

Zusammenfassend kann also gesagt wer<strong>de</strong>n: <strong>Gottesdienst</strong> ist heilsbe<strong>de</strong>utsame Gegenwart Gottes<br />

Israels <strong>in</strong> <strong>de</strong>r feierlichen Geme<strong>in</strong>schaft <strong>de</strong>r Christgläubigen, die sich stets aktuell realisiert als e<strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Menschen ganzheitlich beanspruchen<strong>de</strong>s, multil<strong>in</strong>eares Kommunikationsgeschehen im vertrauten<br />

Vollzug gegenseitiger Zuwendung.<br />

22 vgl. Volp, R.: Liturgik 1, S. 35 f.<br />

23 Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik, S. 82<br />

24 EGB, S. 15 f.<br />

11


12<br />

Daß sich <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong> als Feier o<strong>de</strong>r Fest herausgehoben aus <strong>de</strong>m Alltag vollzieht, betont<br />

beson<strong>de</strong>rs F. D. E. Schleiermacher, wenn er schreibt: „Vere<strong>in</strong>igungen zu e<strong>in</strong>em religiösen Zwekk,<br />

die zu bestimmten Zeiten wie<strong>de</strong>rkehren, s<strong>in</strong>d Unterbrechungen <strong>de</strong>s übrigen Lebens und stehen<br />

damit <strong>in</strong> relativem Gegensatz. […] Wenn die Menschen sich, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie die Arbeit und das Geschäft<br />

sistieren, <strong>in</strong> größeren Massen zu e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>schaftlichen Thätigkeit vere<strong>in</strong>en, so ist das<br />

e<strong>in</strong> Fest […] ohne Nebenabsichten und ohne e<strong>in</strong>e beson<strong>de</strong>re Wirkung zu bezwekken.“ 25 Damit<br />

will nicht gesagt se<strong>in</strong>, daß <strong>Gottesdienst</strong> abseits <strong>de</strong>r tagtäglichen Lebenswirklichkeit <strong>de</strong>r Menschen<br />

ke<strong>in</strong>e Inhalte transportiere, son<strong>de</strong>rn Gott teilt sich selbst <strong>in</strong>mitten menschlichen Lebens mit. Daher<br />

wissen sich Christen <strong>in</strong> allen Bereichen ihres Lebens und zu je<strong>de</strong>r Zeit von <strong>de</strong>r Gegenwart<br />

und Liebe Gottes umgeben und zur Antwort auf se<strong>in</strong>e Zuwendung gerufen. Doch <strong>de</strong>r „Tag <strong>de</strong>s<br />

Herrn“ als <strong>de</strong>r christlich verstan<strong>de</strong>ne Sabbat öffnet beson<strong>de</strong>re Freiräume, um sowohl kontemplativ<br />

als auch aktiv Gott zu begegnen und ganzheitlich Gottes Gegenwart zu feiern. Insofern stellen<br />

<strong>Gottesdienst</strong>e Höhepunkte im Zusammenhang <strong>de</strong>s „alltäglichen“ Vollzugs christlichen Glaubens<br />

dar, die als „Herzstück“ 26 <strong>de</strong>s Glaubenslebens nie <strong>in</strong>strumental gebraucht wer<strong>de</strong>n können.<br />

<strong>Gottesdienst</strong> umfaßt neben <strong>de</strong>m Re<strong>de</strong>n mit Gott, auch von und über Gott mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r zu sprechen,<br />

weil Gott <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wort die Menschen wie<strong>de</strong>r auf ihn h<strong>in</strong> orientiert. Die zuvorkommen<strong>de</strong><br />

Selbstmitteilung Gottes und se<strong>in</strong> Ruf zur Umkehr sowie die darauffolgen<strong>de</strong> Reaktion <strong>de</strong>r Glauben<strong>de</strong>n<br />

kennzeichnen <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> als e<strong>in</strong> multil<strong>in</strong>eares Kommunikationsgeschehen. Wie auf<br />

Gottes Selbstmitteilung <strong>in</strong> Evangelium und Sakrament die Menschen <strong>in</strong> ihrer jeweiligen kulturund<br />

sprachspezifischen Situation reagieren, ist von <strong>de</strong>r tatsächlichen Verfaßtheit <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

abhängig und stets neu zu über<strong>de</strong>nken. Die christliche Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> hat auf ihrem Weg mit Gott<br />

verschie<strong>de</strong>ne Formen gesucht und gefun<strong>de</strong>n, ihre Antwort auf Gottes Ruf auszudrücken. Speziell<br />

die Reformation war e<strong>in</strong>e Reformation <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es. Gera<strong>de</strong> die konfessionelle Vielfalt <strong>de</strong>r<br />

<strong>Gottesdienst</strong>praxis verdankt sich <strong>de</strong>r unterschiedlichen Gewichtung <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Ausdrucksform.<br />

Den Schätzen <strong>de</strong>r Tradition aber aktuelle Glaubensaussagen und -haltungen zur<br />

Seite zu stellen, kann nur unter <strong>de</strong>r Prämisse geschehen, <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es, nämlich<br />

Gottes Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Raum zu gewähren <strong>in</strong> <strong>de</strong>n je verschie<strong>de</strong>nen Kirchenbräuchen<br />

und Riten. In <strong>de</strong>r Formula Concordiae f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich zu diesen situationsabhängigen Komponenten<br />

<strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es die Aussage, „daß die Geme<strong>in</strong> Gottes j<strong>de</strong>s Orts und j<strong>de</strong> [sic!] Zeit nach<br />

<strong>de</strong>rselben Gelegenheit Macht habe, solche Ceremonien zu än<strong>de</strong>rn, wie es <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>en Gottes<br />

am nützlichsten und erbaulichsten se<strong>in</strong> mag.“ 27 Daher kann und soll die Gestalt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es<br />

variieren. Das ist Aufgabe nicht nur <strong>de</strong>r Liturgen, son<strong>de</strong>rn aller am <strong>Gottesdienst</strong> Beteiligten<br />

– auch <strong>de</strong>r mitfeiern<strong>de</strong>n Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>.<br />

25 Schleiermacher, F. D. E.: „Die praktische Theologie“, S. 70<br />

26 vgl. Brunner, P.: Lehre vom <strong>Gottesdienst</strong>, S.115 ff.; Volp, R.: Liturgik 2, S. 911 f. u. a.<br />

27 BSLK, S. 814 [FC X, 2.]


3.2 ELEMENTE DES GOTTESDIENSTES<br />

Solcher <strong>Gottesdienst</strong> be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e Vielzahl verschie<strong>de</strong>ner Elemente, <strong>de</strong>ren semantische Be<strong>de</strong>utungen<br />

im folgen<strong>de</strong>n kurz betrachtet wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn das ist die hermeneutische Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>, <strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Elementen bewußt zu gestalten und wahrzunehmen. Primär<br />

ist auf <strong>de</strong>n kommunikativen Charakter <strong>de</strong>s jeweiligen Elementes zu achten, was <strong>in</strong> <strong>de</strong>r dialogischen,<br />

monologischen o<strong>de</strong>r nonverbalen Eigenart zur Sprache kommt und was nicht. Erst daraus<br />

ergibt sich sekundär die Überlegung zu geeigneten Formen, Umfang und Komb<strong>in</strong>ation <strong>de</strong>r<br />

Elemente. In die „dialogische“ Rubrik wird das gezählt, was e<strong>in</strong>e Handlung mit e<strong>in</strong>em Gegenüber<br />

bezeichnet: Jemand spricht „mit“ jeman<strong>de</strong>m. Dem gegenüber steht die „monologische“ Rubrik:<br />

Jemand spricht „zu“ jeman<strong>de</strong>m. Elemente, die ke<strong>in</strong>er dieser bei<strong>de</strong>n Rubriken zuzuordnen s<strong>in</strong>d,<br />

fallen <strong>in</strong> die „nonverbale“ Rubrik.<br />

Allem menschlichen Han<strong>de</strong>ln geht Gottes Zuspruch und Anspruch voraus. Daher ist zuerst Gottes<br />

Wort an die Versammlung <strong>de</strong>r Gläubigen zu nennen. In <strong>de</strong>r Verkündigung – sei es nun Lesung<br />

o<strong>de</strong>r Predigt – spricht Gott die Menschen im Glauben auf se<strong>in</strong>e Zuwendung an. Sie wer<strong>de</strong>n<br />

getröstet und im Glauben bestärkt o<strong>de</strong>r auch auf ihre schuldig gebliebene Antwort h<strong>in</strong>gewiesen.<br />

Deshalb fällt Verkündigung vorerst <strong>in</strong> die monologische Rubrik. Doch wird diese Charakterisierung<br />

alle<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Selbstmitteilung Gottes nicht gerecht, weil sie ke<strong>in</strong> Monolog bleiben will. Außer<strong>de</strong>m<br />

ereignet sie sich auch <strong>in</strong> an<strong>de</strong>rer Art als nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ansprache o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>em Vortrag. Darauf wird<br />

an geeigneter Stelle geachtet. Gleiches gilt für an<strong>de</strong>re Elemente, die sich vor<strong>de</strong>rgründig als Handlung<br />

„an“ statt „mit“ an<strong>de</strong>ren äußern, im eigentlichen S<strong>in</strong>ne aber kommunikativen Charakter<br />

haben. Zu nennen s<strong>in</strong>d <strong>de</strong>r Gruß, die Absolution und <strong>de</strong>r Segen. Daneben f<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich aber wirklich<br />

monologische Elemente im <strong>Gottesdienst</strong>, die jedoch häufig als Fremdkörper empfun<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Abkündigungen o<strong>de</strong>r „freie“ Re<strong>de</strong>n bzw. Berichte von Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>glie<strong>de</strong>rn erwecken<br />

oft <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>druck, <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> zu unterbrechen. Ebenso s<strong>in</strong>d „Regieanweisungen“ kontraproduktiv<br />

im Vollzug geme<strong>in</strong>schaftlicher Kommunikation, weil es <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> unmöglich ist<br />

zu antworten. Somit entsprechen die re<strong>in</strong> monologischen Elemente nicht <strong>de</strong>r Intention von <strong>Gottesdienst</strong>,<br />

wie er bisher und weiterh<strong>in</strong> verstan<strong>de</strong>n wird.<br />

In die dialogische Rubrik s<strong>in</strong>d die meisten Elemente <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es e<strong>in</strong>zuordnen, wodurch bestätigt<br />

ist, daß es sich bei <strong>Gottesdienst</strong>en vornehmlich um Kommunikation han<strong>de</strong>lt. Gottes Zuwendung<br />

im Wort <strong>de</strong>r Lesung o<strong>de</strong>r Predigt hat – wie erwähnt – zunächst monologischen Charakter.<br />

Doch dabei bleibt es nicht, <strong>de</strong>nn Gott erwartet e<strong>in</strong>e Antwort auf se<strong>in</strong>e Mitteilung. Damit ist<br />

<strong>de</strong>n Menschen erst die Kommunikation mit Gott im Heiligen Geist durch se<strong>in</strong> Wort eröffnet.<br />

Hochkonzentriert f<strong>in</strong><strong>de</strong>t diese Ermöglichung <strong>de</strong>r Kommunikation <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kommunion statt, da<br />

Christus selbst gegenwärtig ist und dazu e<strong>in</strong>lädt, die Gabe <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft im Glauben zu empfangen.<br />

Doch auch die Absolution, welche ebenso als Monolog erwähnt war, ist Kommunikation<br />

ermöglichen<strong>de</strong> Zuwendung Gottes. „Absolution ist e<strong>in</strong>e Verdichtung <strong>de</strong>s Evangeliums als Wort,<br />

13


<strong>de</strong>r nur noch die Verdichtung <strong>de</strong>s Evangeliums im Empfang <strong>de</strong>s Leibes und Blutes Jesu Christi<br />

an die Seite gestellt wer<strong>de</strong>n kann. Dieser Konzentration <strong>de</strong>r Gabe entspricht auch e<strong>in</strong>e Konzentration<br />

<strong>de</strong>r personellen Zuwendung <strong>de</strong>r Gabe: die Absolution wird <strong>de</strong>m e<strong>in</strong>zelnen, <strong>de</strong>r se<strong>in</strong>e Sün<strong>de</strong><br />

bekennt, zugesprochen; sie ist die <strong>in</strong>dividuellste Form <strong>de</strong>r Evangeliumsverkündigung, dar<strong>in</strong><br />

durchaus <strong>de</strong>r Taufe vergleichbar.“ 28 Auch <strong>de</strong>r Gruß 29 und Segen s<strong>in</strong>d kommunikations- und so<br />

geme<strong>in</strong>schaftsstiften<strong>de</strong> Elemente. Salutatio, Pax, Kanzelgruß und Segen zu Beg<strong>in</strong>n o<strong>de</strong>r am En<strong>de</strong><br />

gottesdienstlicher Handlungen qualifizieren jene als sich im Zuspruch realisieren<strong>de</strong> Gegenwart<br />

und Geme<strong>in</strong>schaft Gottes. Speziell die Sakramentsfeier wird damit eröffnet, daß <strong>de</strong>r auferstan<strong>de</strong>ne<br />

und gegenwärtige Herr dazu e<strong>in</strong>lädt und se<strong>in</strong>en Frie<strong>de</strong>nsgruß 30<br />

14<br />

an die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> richtet.<br />

Ebenso schließt <strong>de</strong>r Segen als letztes, zusammenfassen<strong>de</strong>s Wort <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es mit <strong>de</strong>r Bitte<br />

um Frie<strong>de</strong>n. „Im Segen ist wie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Absolution <strong>de</strong>r »sakramentale« Charakter <strong>de</strong>s Wortes beson<strong>de</strong>rs<br />

<strong>de</strong>utlich zu erkennen. In <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>r Verheißung Christi, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kraft se<strong>in</strong>er wortgebun<strong>de</strong>nen<br />

Pneumagegenwart übermittelt das Segenswort die Gabe, die es ausspricht.“ 31<br />

Darauf antwortet <strong>de</strong>r Beschenkte im Glauben und verkün<strong>de</strong>t damit wie<strong>de</strong>rum Gottes Zuwendung.<br />

Solche Verkündigung f<strong>in</strong><strong>de</strong>t im ganzen <strong>Gottesdienst</strong> statt – vor allem <strong>in</strong> <strong>de</strong>n hymnischen<br />

Passagen. „Der Hymnus ist e<strong>in</strong> Spiegel, <strong>de</strong>r die großen Taten Gottes aufgefangen hat und diese<br />

Selbstmanifestation <strong>de</strong>r göttlichen Glorie zurückstrahlen läßt auf ihren Ursprung. Aber eben dadurch<br />

wird <strong>de</strong>r Hymnus zur Verkündigung <strong>de</strong>r Taten Gottes“ 32 . Zu <strong>de</strong>r erwarteten Reaktion auf<br />

Gottes Zuwendung s<strong>in</strong>d ferner die Gebete zu zählen als Mitteilung von E<strong>in</strong>sichten und Anliegen<br />

<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>zelnen an Gott, weil Gott sich <strong>de</strong>m e<strong>in</strong>zelnen mitgeteilt hat. Sie s<strong>in</strong>d also Antworten <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>de</strong>s bereits zuvor von Gott <strong>in</strong>itiierten Kommunikationsprozesses. Dankgebete artikulieren<br />

das Bewußtse<strong>in</strong>, von Gott beschenkt wor<strong>de</strong>n zu se<strong>in</strong>. Bittgebete h<strong>in</strong>gegen thematisieren die<br />

(noch) nicht erhaltenen Zuwendungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gewißheit, daß Gott im Stan<strong>de</strong> ist, diese zu gewähren.<br />

In bei<strong>de</strong>n Fällen geht <strong>de</strong>m Gebet e<strong>in</strong>e von Gott selbst offenbarte Mitteilung voraus, woraufh<strong>in</strong><br />

das Gebet formuliert wird. In<strong>de</strong>m Gebete geme<strong>in</strong>sam gesprochen wer<strong>de</strong>n, tauschen sich die<br />

Beten<strong>de</strong>n auch untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r über ihren Dank bzw. ihre Wünsche aus. Sie bekräftigen die jeweiligen<br />

Gebetsanliegen mit e<strong>in</strong>er Zustimmung, die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Versammlung <strong>de</strong>r Gläubigen seit <strong>de</strong>n Tagen<br />

<strong>de</strong>s ersterwählten Gottesvolkes die Form <strong>de</strong>s „Amen“ hat. Wenn das Gebet im traditionellen<br />

Wortlaut gestaltet ist, weil z. B. e<strong>in</strong> Psalm o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong> agendarischer Gebetstext das Gebetsanliegen<br />

treffen<strong>de</strong>r beschreibt, als es eigene Formulierungen können, ist zu beachten, daß damit die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

<strong>in</strong> Beziehung tritt zu jenen, die mit gleichen Worten beten. Gera<strong>de</strong> im ökumenischen<br />

Kontext kann sich im geme<strong>in</strong>samen Gebet Geme<strong>in</strong>schaft ereignen. Wenn e<strong>in</strong> Vorbeter die Gebetsanliegen<br />

ausgestaltet zu e<strong>in</strong>em komplexeren Gebet, fallen Bitte und Antwort, Zuversicht und<br />

28 Brunner, P.: Lehre vom <strong>Gottesdienst</strong>, S. 199<br />

29 vgl. EGB, S. 490<br />

30 Pax ist nie als vorösterlicher, son<strong>de</strong>rn nur als nachösterlicher Gruß überliefert: Lk 24,26; Joh 20,19.21.26<br />

31 Brunner, P.: Lehre vom <strong>Gottesdienst</strong>, S. 201<br />

32 Brunner, P.: Lehre vom <strong>Gottesdienst</strong>, S. 205


15<br />

Zeugnis <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r. So wer<strong>de</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em loben<strong>de</strong>n Passus die Werke Gottes verkün<strong>de</strong>t zur Er<strong>in</strong>nerung<br />

an se<strong>in</strong>e Selbstmitteilung an jene, die <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im Glauben vorangegangen s<strong>in</strong>d.<br />

Dann folgen die Gebetsanliegen an Gott <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Vertrauen, daß Gott sich wie<strong>de</strong>rum zuwen<strong>de</strong>n<br />

wird, um mit e<strong>in</strong>em Ausblick auf <strong>de</strong>n Zweck <strong>de</strong>s Erbetenen das Bewußtse<strong>in</strong> zu äußern, daß auf<br />

die dann erfahrene Zuwendung wie<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>e Reaktion folgen wird. Damit teilen sich die Beten<strong>de</strong>n<br />

auch gegenseitig ihren Glauben und ihre Hoffnung mit. Doch die Kommunikation <strong>de</strong>r Beten<strong>de</strong>n<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r ist <strong>de</strong>r mit Gott untergeordnet, weil primär Gott angesprochen ist.<br />

Dies ist nicht mehr <strong>de</strong>r Fall, wenn die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> sich selbst ermuntert, z. B. e<strong>in</strong>en Lobpreis anzustimmen,<br />

<strong>de</strong>r Aussagen „über“ Gott macht. Die verdichtete Formulierung solcher theologischen<br />

Aussagen im Credo stellt als Bekenntnis <strong>de</strong>s e<strong>in</strong>zelnen vor <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>, vor <strong>de</strong>r Christenheit<br />

und <strong>de</strong>r Welt e<strong>in</strong>en Son<strong>de</strong>rfall b<strong>in</strong>nen <strong>de</strong>r dialogischen Rubrik dar. Denn <strong>in</strong><strong>de</strong>m das Verhältnis<br />

Gott-Mensch zum Ausdruck kommt, ereignet sich zwar Kommunikation als Verkündigung<br />

stärker zwischen Menschen, aber zugleich auch als Antwort auf Gottes Zuwendung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Gewißheit, daß Gott Kenntnis davon nimmt (Mt 10,32). So kann multil<strong>in</strong>eare Kommunikation<br />

ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n <strong>in</strong> allen Elementen <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r dreie<strong>in</strong>ige Gott bezeugt<br />

wird, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Glauben dazu schenkt. Als Beispiele seien das tr<strong>in</strong>itarische Votum, die paraphrasierten<br />

Kyrie-Rufe, das Gloria Patri wie das Gloria <strong>in</strong> excelsis Deo, die Tages- bzw. E<strong>in</strong>gangsgebete,<br />

sowie die Lob- und Eucharistiegebete im Sakramentsteil erwähnt.<br />

Die nonverbale Rubrik be<strong>in</strong>haltet nun eher Aspekte von Elementen als Elemente selber, die sich<br />

nicht <strong>in</strong> Worten äußern und <strong>de</strong>nnoch e<strong>in</strong>e Botschaft vermitteln. Freilich kann nur e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

Auswahl vorgestellt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn angefangen beim Geläut über die Musik und die Textilien bis<br />

h<strong>in</strong> zum <strong>Gottesdienst</strong>raum mit se<strong>in</strong>en Lichtverhältnissen und Düften f<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich unzählige<br />

Aspekte und Elemente im <strong>Gottesdienst</strong>, welche entwe<strong>de</strong>r verbale Aussagen unterstützen, begleiten,<br />

eigenständig nebenherlaufen o<strong>de</strong>r ihnen gar wi<strong>de</strong>rsprechen. Sie alle<strong>in</strong> machen jedoch ke<strong>in</strong>en<br />

<strong>Gottesdienst</strong> aus, son<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n eher als Adiaphora behan<strong>de</strong>lt. Aber als Unterstützung s<strong>in</strong>d<br />

diese nonverbalen Elemente und Aspekte e<strong>in</strong>e so kostbare Gabe an die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>, wie sie schädlich<br />

s<strong>in</strong>d bei Mißachtung ihrer Be<strong>de</strong>utung. Das Geläut z. B. ruft zur Andacht und zum Gebet.<br />

Deshalb ist am En<strong>de</strong> e<strong>in</strong>es <strong>Gottesdienst</strong>es beim Geläut wie<strong>de</strong>r e<strong>in</strong> Gebet <strong>in</strong> aller Andacht angemessen,<br />

wenn man die Funktion <strong>de</strong>r Glocken nicht ad absurdum führen will. Die Blickrichtung<br />

<strong>de</strong>s Liturgen bei <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen Elementen ver<strong>de</strong>utlicht, ob Gott angesprochen wird o<strong>de</strong>r die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>.<br />

E<strong>in</strong>zig das Credo als Son<strong>de</strong>rfall wird zum Altar gewandt gesprochen, ohne Gott expressis<br />

verbis anzure<strong>de</strong>n. H<strong>in</strong>gegen die Gebete s<strong>in</strong>d Gespräche mit Gott und als solche auf das Kreuz<br />

h<strong>in</strong> orientiert. Daher kann es z. B. bei <strong>de</strong>n Fürbitten irritieren, daß die Vorbeter <strong>de</strong>m Altar als<br />

<strong>de</strong>m Zeichen <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes <strong>de</strong>n Rücken zuwen<strong>de</strong>n und die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> ansprechen.<br />

Tanz o<strong>de</strong>r Musik im <strong>Gottesdienst</strong> trägt maßgeblich zu <strong>de</strong>ssen Feierlichkeit bei und ist e<strong>in</strong>e Möglichkeit,<br />

die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> vorhan<strong>de</strong>nen Gaben auch <strong>in</strong> diese Versammlung e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Für


16<br />

<strong>de</strong>n jeweiligen <strong>Gottesdienst</strong> wichtige Elemente o<strong>de</strong>r Abschnitte können dadurch e<strong>in</strong>e Betonung<br />

erfahren. Außer<strong>de</strong>m ereignet sich auch Verkündigung <strong>in</strong> solchen künstlerischen Medien.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re ist <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>gesang e<strong>in</strong>e gesteigerte Ausdrucksform für Gebete o<strong>de</strong>r Bekenntnisse<br />

(Ps 149). Generell entwickelt sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r gesungenen Liturgie e<strong>in</strong>e stimmungsvolle Atmosphäre,<br />

welche die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> mit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zieht <strong>in</strong> die geme<strong>in</strong>schaftliche Feier <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes,<br />

wenn die Ausführung <strong>de</strong>m angemessen ist. Auch mehrere Funktionsträger im <strong>Gottesdienst</strong><br />

können <strong>de</strong>nselben immens bereichern als Kontrast z. B. zur „E<strong>in</strong>-Mann-Show“, weil dadurch <strong>de</strong>r<br />

geme<strong>in</strong>same Vollzug <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> s<strong>in</strong>nfällig wird. Doch es bleibt zu beachten, daß stets Gottes<br />

Han<strong>de</strong>ln im Vor<strong>de</strong>rgrund steht. Wenn die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes nicht gewahr wird<br />

und auf se<strong>in</strong>e Zuwendung nicht antworten kann, mutiert <strong>Gottesdienst</strong> zu e<strong>in</strong>er Art von Selbstdarstellung<br />

o<strong>de</strong>r Vorführung. Gleichermaßen bee<strong>in</strong>flussen gegenläufige Extreme die Aussagekraft<br />

von <strong>Gottesdienst</strong>en. Derjenige, <strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s erfahrenen Evangeliums verbal zum Gotteslob<br />

auffor<strong>de</strong>rt, macht sich und se<strong>in</strong> Anliegen unglaubhaft, solange se<strong>in</strong>e Gestik und Körperhaltung<br />

33 <strong>de</strong>m wi<strong>de</strong>rsprechen. Gleichfalls wirkt die „Hän<strong>de</strong>-hoch!“-Haltung anstelle <strong>de</strong>r stilisierten<br />

Handauflegungsgeste <strong>de</strong>r Segensgabe entgegen, wie die äußere Haltung beim Abendmahlsempfang<br />

<strong>de</strong>r <strong>in</strong>neren wi<strong>de</strong>rsprechen kann.<br />

Weitere nonverbale Elemente im <strong>Gottesdienst</strong>raum mit starker Aussagekraft s<strong>in</strong>d z. B. die Paramente<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Textilien wie Albe o<strong>de</strong>r Stola, welche <strong>de</strong>n kirchenjahreszeitlichen Kontext<br />

bzw. das Proprium <strong>de</strong>s jeweiligen Sonntags visualisieren. Gleiches gilt für Kerzen und Blumen.<br />

Der Unterschied zwischen e<strong>in</strong>em am Karfreitag kahlen und <strong>de</strong>mselben zu Ostern feierlich geschmückten<br />

<strong>Gottesdienst</strong>raum veranschaulicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>prägsamer Weise die Kluft zwischen Tod<br />

und Auferstehung Christi. In diesem Zusammenhang spricht auch <strong>de</strong>r Duft <strong>de</strong>s Raumes bzw.<br />

se<strong>in</strong> Geruch e<strong>in</strong>e klare Sprache. Modrige, abgestan<strong>de</strong>ne Luft steht verquer zur Predigt vom Wehen<br />

<strong>de</strong>s lebendigen Geistes <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>. Ebenso geben Lichtverhältnisse viele nonverbale<br />

Impulse alle<strong>in</strong> schon dann, wenn beachtet wird, wo es im Raum am hellsten ist und, wie das Licht<br />

sche<strong>in</strong>t. Die Kerze symbolisiert das Licht, das Gott von Ostern her <strong>in</strong> diese Welt sche<strong>in</strong>en läßt<br />

und das <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> gegenwärtig ist 34 . Brennen die Kerzen auf <strong>de</strong>m Altar während <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es<br />

so weit nie<strong>de</strong>r, daß sie gar erlöschen, vermittelt dies lei<strong>de</strong>r ebenfalls e<strong>in</strong>e Botschaft.<br />

Außeror<strong>de</strong>ntlich aussagekräftig ist das Altarbild als Ausdruck <strong>de</strong>s Glaubens e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> vor<br />

Ort. Hier<strong>in</strong> ereignet sich gleichfalls Verkündigung <strong>in</strong> nonverbaler Form. Der <strong>Gottesdienst</strong>raum<br />

als ganzer – sei es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kirche, e<strong>in</strong>em Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>haus o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>er Wohnung – teilt sich als materiell<br />

gestaltetes Glaubenszeugnis mit und hat dadurch entschei<strong>de</strong>nd E<strong>in</strong>fluß auf die <strong>Gottesdienst</strong>gestaltung<br />

und -feier. Vornehmlich visuell orientierte Christen berücksichtigen diese nonverbalen<br />

Elemente im gottesdienstlichen Vollzug <strong>in</strong> beson<strong>de</strong>rer Weise.<br />

33 siehe Anm. 8<br />

34 Jes 9,2; Ps 36,9; Lk 2,30-32; Joh 1,4 f.


3.3 ABSCHNITTE DES GOTTESDIENSTES<br />

Die Elemente nach Inhalt und Form zu komb<strong>in</strong>ieren, verleiht <strong>de</strong>m <strong>Gottesdienst</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuell<br />

gestaltete Prägung und e<strong>in</strong>en unverwechselbaren Spannungsbogen. Im ökumenischen Kontext ist<br />

darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong> <strong>de</strong>n meisten <strong>Gottesdienst</strong>en geme<strong>in</strong>samer dramaturgischer Ablauf <strong>de</strong>r Elemente<br />

erkennbar, <strong>de</strong>r daher auch <strong>de</strong>m EGB zugrun<strong>de</strong> liegt: „Die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> nähert sich <strong>de</strong>m<br />

Evangelium durch <strong>de</strong>n Vorbereitungs- und Gebetsteil (A), feiert die Anwesenheit Gottes im Re<strong>de</strong>n<br />

und Hören (B) und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Tischgeme<strong>in</strong>schaft (C) und sie kehrt wie<strong>de</strong>r zurück <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Alltag<br />

(D).“ 35 Gleichfalls folgt die Auswahl <strong>de</strong>r Lesungen e<strong>in</strong>em Zyklus, <strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>r christlichen Praxis<br />

„<strong>de</strong>r Abbildung <strong>de</strong>s Glaubens auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Zeit“ 36 verdankt. Dar<strong>in</strong> will <strong>Gottesdienst</strong> vertraute,<br />

religiöse Heimat <strong>de</strong>r Christen se<strong>in</strong>, wo <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>de</strong>s ewig E<strong>in</strong>en auch Stabilität<br />

und Kont<strong>in</strong>uität <strong>de</strong>r <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Namen Versammelten zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n ist. Innerhalb <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>zelnen Abschnitte<br />

s<strong>in</strong>d aber Möglichkeiten für Akzentuierungen vorgesehen, die <strong>de</strong>m <strong>Gottesdienst</strong> se<strong>in</strong><br />

beson<strong>de</strong>res Gesicht verleihen, ihn als evangelische Messe o<strong>de</strong>r als Predigtgottesdienst qualifizieren,<br />

als eucharistischen Dank o<strong>de</strong>r als <strong>de</strong>mütigen Bußakt usw. E<strong>in</strong>e Entscheidung über die mögliche<br />

Komb<strong>in</strong>ation <strong>de</strong>r Elemente, also über die Syntaktik <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es <strong>Gottesdienst</strong>es kann jedoch<br />

nicht ungeachtet <strong>de</strong>r Wirkung <strong>de</strong>sselben im Prozeß <strong>de</strong>s Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbaus gefällt wer<strong>de</strong>n.<br />

Schon <strong>de</strong>r „bedürfnisorientierte Ansatz“ <strong>de</strong>s Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbaus hat die absichtliche <strong>Gottesdienst</strong>konzipierung<br />

im Blick, wenn speziell die lebensnahe Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>arbeit durch e<strong>in</strong>e Vielfalt von<br />

<strong>Gottesdienst</strong>formen e<strong>in</strong>gefor<strong>de</strong>rt wird 37 . Solcher <strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> „Zielgruppen“ kann sich jedoch<br />

nur als „zweites Programm“ verstehen neben <strong>de</strong>n Hauptgottesdiensten, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen dann alle Geme<strong>in</strong>schaft<br />

haben. Auf weitere Ansätze <strong>de</strong>s Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbaus wird im e<strong>in</strong>zelnen geachtet.<br />

17<br />

A EINGANG UND ERÖFFNUNG<br />

„Der E<strong>in</strong>gangsteil dient dazu, daß alle, die mit ihren persönlichen Erwartungen und B<strong>in</strong>dungen<br />

zum <strong>Gottesdienst</strong> gekommen s<strong>in</strong>d, »<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schar <strong>de</strong>rer, die da feiern« (Ps 42,5) offen und bereit<br />

wer<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Zuspruch und Anspruch <strong>de</strong>r jetzt folgen<strong>de</strong>n Wortverkündigung.“ 38<br />

Dem geht e<strong>in</strong>e Phase voraus, die agendarisch nicht ausdrücklich, wohl aber <strong>in</strong>tentional berücksichtigt<br />

wur<strong>de</strong>: das Ankommen im <strong>Gottesdienst</strong>raum. Es ist besser als Prozeß zu verstehen statt<br />

als Ergebnis, weil es weit vor <strong>de</strong>r Kirchen- o<strong>de</strong>r Haustür bereits e<strong>in</strong>setzt. Auf <strong>de</strong>m Weg zum Versammlungsort<br />

o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Obacht, sich rechtzeitig auf <strong>de</strong>n Weg dah<strong>in</strong> zu begeben, ja schon bei<br />

<strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Kleidung ist <strong>de</strong>r potentielle <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmer <strong>in</strong> Gedanken bereits bei <strong>de</strong>r im<br />

Namen Gottes versammelten Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>. Umgekehrt ist <strong>de</strong>r Prozeß <strong>de</strong>s Ankommens nicht damit<br />

been<strong>de</strong>t, daß man se<strong>in</strong>en Platz e<strong>in</strong>genommen hat. Die Gedanken s<strong>in</strong>d noch „unterwegs“ bei <strong>de</strong>m,<br />

35 Meyer-Blanck, M.: Liturgie und Liturgik, S. 19<br />

36 Ratzmann, Wolfgang: Tradition und Kommunikation: Zum Profil <strong>de</strong>s lutherischen <strong>Gottesdienst</strong>es nach<br />

<strong>de</strong>m neuen Evangelischen <strong>Gottesdienst</strong>buch. In: http://www.uni-leipzig.<strong>de</strong>/~prtheol/egb/ra2.htm<br />

37 Ziemer, J.: <strong>Gottesdienst</strong> und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau. In: Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik, S. 617<br />

38 EGB, S. 32


18<br />

was war, und <strong>de</strong>m, was vielleicht wird. Erst wenn man „ganz bei <strong>de</strong>r Sache“ ist, dazu E<strong>in</strong>gang<br />

gefun<strong>de</strong>n hat und sich darauf e<strong>in</strong>läßt, kann es zu e<strong>in</strong>em wirklichen Treffen kommen, zu Wahrnehmung<br />

und Begegnung, zur Geme<strong>in</strong>schaft aller Teilnehmer. Hierfür for<strong>de</strong>rt das Geläut zu Andacht<br />

und Bes<strong>in</strong>nung auf, sich zu sammeln und sich bewußt zu wer<strong>de</strong>n, was man mitbr<strong>in</strong>gt an<br />

Sorgen, Freu<strong>de</strong>, Schuld und Gaben, sich auf die Begegnung mit <strong>de</strong>m Göttlichen e<strong>in</strong>zustellen.<br />

Dies kann im Teil A Unterstützung f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, wenn die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> sich selbst <strong>in</strong> Gesang und Gebet<br />

gewahr wird <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Glauben an die Gegenwart <strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r sie zusammenruft, zu <strong>de</strong>m sie betet<br />

bzw. zu <strong>de</strong>ssen Lob sie s<strong>in</strong>gt. Mit <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>zug <strong>de</strong>r Zelebranten wird nämlich s<strong>in</strong>nfällig <strong>de</strong>r Blick<br />

geweitet von <strong>de</strong>m e<strong>in</strong>zelnen Subjekt auf die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> und <strong>de</strong>n Raum, <strong>de</strong>r für die Feier bereitsteht.<br />

Im Namen Gottes wird die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> von e<strong>in</strong>er Person, die an ihr verantwortlich Dienst<br />

tut, begrüßt und dazu e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n, sich <strong>in</strong> die Feier ganzheitlich e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Darauf beg<strong>in</strong>nt die<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> mit e<strong>in</strong>em Gebet o<strong>de</strong>r Lied, womit sie um die Aufhebung <strong>de</strong>r Distanz zwischen<br />

Mensch und Gott bittet, sei es <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Bußgebetes, e<strong>in</strong>es Psalms o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>es Lie<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r<br />

Bitte um <strong>de</strong>n Heiligen Geist. Der Wunsch nach Vergewisserung <strong>de</strong>r heilsamen Zuwendung Gottes<br />

steht am Anfang e<strong>in</strong>es <strong>Gottesdienst</strong>es, getragen von <strong>de</strong>m Bewußtse<strong>in</strong>, daß Gott die Menschen<br />

annimmt <strong>in</strong> ihrem So-Se<strong>in</strong>. Darum folgt <strong>de</strong>r Lobpreis Gloria Patri und die Anrufung im dreifachen<br />

Kyrie – evtl. verbun<strong>de</strong>n mit Gebetsanliegen – als Ausdruck dafür, daß Christus <strong>de</strong>r allmächtige<br />

Herr <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im Himmel und auf Er<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>m Lob und Ehre gebührt, wie es im<br />

Gloria <strong>in</strong> excelsis Deo <strong>de</strong>utlich zur Sprache kommt 39 . Der Teil <strong>de</strong>r Sammlung, welcher mit <strong>de</strong>m<br />

Läuten e<strong>in</strong>setzte, erreicht im Kollektengebet se<strong>in</strong> Ziel, <strong>in</strong><strong>de</strong>m vor Gott zur Sprache kommt und<br />

ihm anvertraut wird, was <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> mitgebracht wur<strong>de</strong>. Die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> – ganz auf Gott<br />

h<strong>in</strong> orientiert – erwartet Gottes Zuwendung und Anspruch.<br />

Das EGB sieht neben dieser Grundform I für <strong>de</strong>n A-Teil drei Schwerpunkt-Varianten vor 40 , die<br />

je e<strong>in</strong> Element beson<strong>de</strong>rs zur Geltung br<strong>in</strong>gen. Dem kirchenjahreszeitlichen Kontext o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Situation <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> entsprechend kann <strong>de</strong>r Psalm, die Anrufung Gottes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Lobpreis<br />

betont wer<strong>de</strong>n. In solchen Fällen treten an<strong>de</strong>re Elemente zurück. Bei <strong>de</strong>r Grundform II ist das<br />

Loben auf das Gloria Patri und das Anrufen auf das Kollektengebet reduziert.<br />

Für <strong>de</strong>n Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau ist dieser Abschnitt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es relevant, <strong>in</strong>sofern sich <strong>de</strong>r<br />

Christ nach e<strong>in</strong>er längeren Zeit <strong>de</strong>r Betriebsamkeit wie<strong>de</strong>r bewußt Gott zuwen<strong>de</strong>t, <strong>in</strong><strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n<br />

<strong>Gottesdienst</strong> aufsucht <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Wissen, im Hause Gottes willkommen zu se<strong>in</strong>. Der Christ f<strong>in</strong><strong>de</strong>t<br />

sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft aller Gläubigen als <strong>de</strong>m Gottesvolk, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Ekklesia wie<strong>de</strong>r. Je<strong>de</strong>r kann<br />

ankommen bei Gott, <strong>in</strong> welcher Situation man sich auch bef<strong>in</strong><strong>de</strong>n mag. Die zuvorkommen<strong>de</strong><br />

Liebe Gottes lädt herzlich dazu e<strong>in</strong>, sich ihm zu nähern. Von daher ist im Eröffnungsteil <strong>de</strong>s<br />

<strong>Gottesdienst</strong>es e<strong>in</strong> konstitutives Element von Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau wirksam.<br />

39 vgl. EGB, S. 28 f.<br />

40 EGB, S. 40


B VERKÜNDIGUNG UND BEKENNTNIS<br />

In diesem Abschnitt kommt ausdrücklich Gott zu Wort, <strong>in</strong><strong>de</strong>m er sich mitteilt <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Lesungen<br />

<strong>de</strong>r Bibel Israels, <strong>de</strong>r Briefe und Evangelien. Wie Jesus selbst es <strong>in</strong> Synagogalgottesdiensten 41 vorgelebt<br />

hat, wird Gottes Wille verkün<strong>de</strong>t und ausgelegt. Dar<strong>in</strong> ist Gott ganz gegenwärtig, daß er<br />

die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> anspricht und mit se<strong>in</strong>em Wort beschenkt. Mit <strong>de</strong>r Predigt – <strong>de</strong>ren theologische<br />

und homiletische Spezifika hier nicht besprochen wer<strong>de</strong>n – ereignet sich Verkündigung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigartiger<br />

und unwie<strong>de</strong>rholbarer Weise. Die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>r im Namen Christi Versammelten erfährt<br />

persönlich <strong>de</strong>n Zuspruch und Anspruch Gottes <strong>in</strong> ihrer aktuellen Situation. So formuliert W.<br />

Joest: „Will das <strong>in</strong> Christus gesprochene Wort Gottes durch die Zeiten h<strong>in</strong>durch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er I<strong>de</strong>ntität<br />

wahrgenommen wer<strong>de</strong>n, so aber auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Relevanz, mit <strong>de</strong>r es Menschen je <strong>in</strong> ihrer Zeit betrifft.<br />

[…] Auch wenn Grun<strong>de</strong>rfahrungen und Grundfragen <strong>de</strong>s Menschse<strong>in</strong>s sich durchhalten, so verän<strong>de</strong>rt<br />

sich die Weise, wie sie unter verän<strong>de</strong>rten Verhältnissen und Dase<strong>in</strong>sbed<strong>in</strong>gungen erfahren<br />

wer<strong>de</strong>n.“ 42 Diesem Anspruch als Prediger gerecht zu wer<strong>de</strong>n, die Hörer wirklich <strong>in</strong> ihrer Situation<br />

ernstzunehmen und abzuholen, sowie Gottes Wort <strong>in</strong> rechter Weise zu artikulieren, kann nur<br />

Wirken <strong>de</strong>s Heiligen Geistes se<strong>in</strong>. Denn <strong>in</strong> allem menschlichen Re<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Predigt teilt sich Gott<br />

selbst <strong>de</strong>n Se<strong>in</strong>en mit. Und diese antworten im Glauben darauf, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie sich zu Gott als ihrem<br />

Herren bekennen, ihn loben und ihm danken <strong>in</strong> Form von Gesängen, Halleluja-Rufen und weiteren<br />

Versikeln. Das Credo als Bekenntnis vor <strong>de</strong>n Menschen zu Gott ist die konzentrierte Darstellung<br />

<strong>de</strong>s Verhältnisses, das e<strong>in</strong> Christ zu Gott und zu se<strong>in</strong>er Umwelt hat. Dar<strong>in</strong> kommt se<strong>in</strong>e<br />

tiefste Überzeugung und Lebenshaltung zur Sprache, die sich <strong>de</strong>r Selbstmitteilung Gottes <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Verkündigung <strong>de</strong>s Christus verdankt. Diese Antwort auf Gottes Zuspruch <strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert <strong>de</strong>n Glauben<strong>de</strong>n<br />

als Christ. In Gottes Wort wird aber auch <strong>de</strong>r Anspruch <strong>de</strong>utlich, <strong>de</strong>m zu entsprechen<br />

Menschen unmöglich im Stan<strong>de</strong> s<strong>in</strong>d. Begrenztheit und Unzulänglichkeit s<strong>in</strong>d elementare Aspekte<br />

menschlicher Existenz, welche vor Gott ke<strong>in</strong>en Bestand haben kann, wenn nicht Christus<br />

selbst dafür e<strong>in</strong>tritt. Und <strong>in</strong><strong>de</strong>m Christen darum bitten, bekennen sie mit <strong>de</strong>r Beichte im Vertrauen<br />

auf Gottes Liebe ihre Verfehlungen 43 , die Christus auf sich lädt und damit wegnimmt, „auf<br />

daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn das ewige Leben haben.“ (Joh 3,16)<br />

Buße ist also von Gottes Rückruf <strong>in</strong>itiierte und stets nötige Umkehr <strong>in</strong> Gottes Arme.<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Antwort an <strong>de</strong>n Schöpfer und Erhalter <strong>de</strong>s Lebens ist auch <strong>de</strong>r Dank 44 , mit welchem<br />

bezeugt wird, daß alles von Gottes Gna<strong>de</strong> kommt, was <strong>de</strong>n Gläubigen gegeben ist. Zugleich<br />

nimmt die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> damit auch die Verantwortung war, die Gaben Gottes gewissenhaft<br />

e<strong>in</strong>zusetzen und <strong>de</strong>n „Bedürftigen“ dieser Welt e<strong>in</strong>en Dienst <strong>de</strong>r Liebe zu erweisen.<br />

19<br />

41 Lk 4,16 f. u. a.<br />

42 Joest, W.: Dogmatik. Bd.1, S. 90<br />

43 Ich bevorzuge für aJrmatavnw die Be<strong>de</strong>utung „nicht treffen“ statt „sündigen“. vgl. Benselers Wörterbuch, S. 37<br />

44 2Kor 8,7; 9,12; Gal 2,10 u. a.


20<br />

Abgesehen von dieser materiellen Hilfestellung setzt sich die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> auch priesterlich für die<br />

Nächsten e<strong>in</strong>, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie Fürbitte 45 hält vor Gott und um se<strong>in</strong>en Beistand bittet für jene, die se<strong>in</strong>er<br />

heilsamen Gegenwart bedürfen. Damit realisiert sich spürbar im Teil B <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es die<br />

Auffor<strong>de</strong>rung Jesu, Gott und <strong>de</strong>n Nächsten zu lieben (Mt 22,37-40), weil alle Aufmerksamkeit<br />

darauf gerichtet ist, Gottes Willen wie <strong>de</strong>n Mitmenschen wahrzunehmen und zu achten.<br />

Das EGB bietet <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Grundform I für diesen Abschnitt B vier Schwerpunkt-Varianten 46 , die<br />

teilweise stark mit <strong>de</strong>m folgen<strong>de</strong>n Abschnitt C korrelieren. Stehen Predigt und Abendmahl <strong>in</strong><br />

enger Verb<strong>in</strong>dung, schließt sich an die Verkündigung und das Predigtlied sofort das Dankopfer<br />

und das „Tisch <strong>de</strong>cken“ an. Die Fürbitten haben dann im Sendungsteil ihren Platz. Die zweite<br />

Variante hebt die Offene Schuld nach <strong>de</strong>r Predigt hervor, <strong>de</strong>r das Glaubensbekenntnis und das<br />

Fürbittengebet folgen, ehe das Dankopfer dargebracht und <strong>de</strong>r „Tisch ge<strong>de</strong>ckt“ wird. Die dritte<br />

Variante betont als Abendmahlsvorbereitung die Offene Schuld bzw. die Geme<strong>in</strong>same Beichte<br />

mit ausdrücklicher Lossprechung, die – wie auch e<strong>in</strong> Frie<strong>de</strong>nsgruß – nach <strong>de</strong>m Dankopfer und<br />

„Tisch <strong>de</strong>cken“ gesprochen wird. Die vierte Variante legt <strong>de</strong>n Schwerpunkt auf das Glaubensbekenntnis<br />

und das Abendmahl. Auf die Predigt folgt e<strong>in</strong> Gebet o<strong>de</strong>r Stille, dann Musik und das<br />

Dankopfer, weil die Fürbitten im Sendungsteil gebetet wer<strong>de</strong>n. Direkt im Anschluß an das „Tisch<br />

<strong>de</strong>cken“ spricht o<strong>de</strong>r s<strong>in</strong>gt die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> dann das Credo und geht damit zum Sakramentsteil<br />

über. Die Grundform II empfiehlt, <strong>de</strong>n christlichen Glauben <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe zur Predigt<br />

zu bekennen, <strong>de</strong>r dann je e<strong>in</strong> Lied vorangehen und folgen kann. Stille nach <strong>de</strong>r Predigt ist ebenso<br />

möglich, wie das Confiteor zu sprechen. Das darauffolgen<strong>de</strong> Predigtlied kann zugleich als Dankopferlied<br />

fungieren. Allen Möglichkeiten ist geme<strong>in</strong>sam, daß Gott <strong>de</strong>n Menschen nahekommt,<br />

daß die Distanz zwischen Kreator und Kreatur abnimmt.<br />

Dieser Aspekt kommt im „verkündigungsorientierten Ansatz: Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau vom <strong>Gottesdienst</strong><br />

her und auf <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> h<strong>in</strong>“ zum Tragen. Christen – von Gottes Wort begleitet und<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft gestärkt – erleben <strong>Gottesdienst</strong>e als Impulsgeber, die das übrige Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>leben<br />

als „ständige Bewegung von Aufbruch zu Ankunft und von Ankunft zu Aufbruch“ 47 strukturieren.<br />

Gera<strong>de</strong> Luthers Verständnis von <strong>Gottesdienst</strong> 48 f<strong>in</strong><strong>de</strong>t hier<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Nie<strong>de</strong>rschlag, daß<br />

Gottes Wort und menschliche Antwort die für das Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>leben wichtigen Elemente s<strong>in</strong>d.<br />

„Der <strong>Gottesdienst</strong> ist <strong>de</strong>r eigentliche Ort <strong>de</strong>s Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbaus, die <strong>Gottesdienst</strong>versammlung<br />

die primäre Ausdrucksgestalt <strong>de</strong>r christlichen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>.“ 49<br />

45 Mk 11,24 par.; Eph 6,18<br />

46 EGB, S. 45<br />

47 vgl. Herlyn, O.: <strong>Gottesdienst</strong>gestaltung, S. 144<br />

48 siehe Anm. 18<br />

49 Ziemer, J.: <strong>Gottesdienst</strong> und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau. In: Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik, S. 615


C ABENDMAHL<br />

Die Feier <strong>de</strong>s Sakraments <strong>de</strong>s Abendmahls ist <strong>de</strong>r Kern christlicher Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> <strong>de</strong>r heilsamen<br />

Gegenwart Gottes (1Kor 11,23-25). Dafür s<strong>in</strong>d die kirchlichen Altarräume konzipiert, daß<br />

<strong>de</strong>r Tisch <strong>de</strong>s Herrn e<strong>in</strong>en exponierten Platz hat, um <strong>de</strong>n herum sich die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> versammelt.<br />

„Ist doch das Abendmahl se<strong>in</strong>em Wesen nach diejenige kirchliche Handlung, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigartiger<br />

Weise <strong>de</strong>r Vollzug <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft mit Christus als Anteilhabe an ihm mit <strong>de</strong>m Vollzug<br />

<strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft <strong>de</strong>r Feiern<strong>de</strong>n untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r verb<strong>in</strong><strong>de</strong>t.“ 50 Die eigentliche Mahlgeme<strong>in</strong>schaft<br />

wird mit <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>nsgruß <strong>de</strong>s Auferstan<strong>de</strong>nen 51 eröffnet und mit verschie<strong>de</strong>nen Weisen<br />

<strong>de</strong>s Empfanges sowie mit <strong>de</strong>m altkirchlichen Agnus Dei auch als Verkündigung gestaltet (1Kor<br />

11,26). „Son<strong>de</strong>rlich dienet das Agnus über allen Gesängen aus <strong>de</strong>r Messe wohl zum Sakrament.<br />

Denn es klärlich daher s<strong>in</strong>get und lobet Christum, daß er unsere Sün<strong>de</strong>n getragen habe, und mit<br />

kurzen Worten das Gedächtnis Christi gewaltiglich und lieblich treibet.“ 52 Dieses Zentrum wird<br />

von Vorbereitungs- und Dankgebeten umrahmt, welche z. T. auf jüdische und altkirchliche Feierformen<br />

zurückgehen, wodurch „<strong>in</strong> je<strong>de</strong>r Abendmahlsfeier die Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>de</strong>r Kirche aller<br />

Zeiten zum Ausdruck“ 53 kommt. Als Vorbereitung fungieren nach e<strong>in</strong>em optionalen Vorbereitungsgebet<br />

<strong>de</strong>r feierliche Grußwechsel, die Präfation mit <strong>de</strong>m Sanctus, das Vaterunser 54 und die<br />

E<strong>in</strong>setzungsworte. Im Anschluß an das Mahl f<strong>in</strong><strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Dank <strong>in</strong> Form von Gebet o<strong>de</strong>r Lie<strong>de</strong>rn<br />

se<strong>in</strong>en Ausdruck als Antwort auf die erfahrene Geme<strong>in</strong>schaft, die Gott <strong>in</strong> Brot und We<strong>in</strong> <strong>de</strong>nen<br />

gewährt, die se<strong>in</strong>en Ruf zur Umkehr vernommen haben und zum Tisch <strong>de</strong>s Herrn gekommen<br />

s<strong>in</strong>d. Insofern wird das Abendmahl als Mahl <strong>de</strong>r Buße verstan<strong>de</strong>n. Dieses Bewußtse<strong>in</strong> hat <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Ev.-Luth. Lan<strong>de</strong>skirche Sachsens u. a. dar<strong>in</strong> Gestalt gefun<strong>de</strong>n, daß <strong>de</strong>m Schuldbekenntnis (1Kor<br />

11,28 f.) e<strong>in</strong> fester Platz nach <strong>de</strong>r Predigt zugewiesen ist. In an<strong>de</strong>ren Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n kann dies <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Abendmahlsvermahnung ausgedrückt wer<strong>de</strong>n. Für die Gott rühmen<strong>de</strong> und preisen<strong>de</strong> Ausgestaltung<br />

<strong>de</strong>r Sakramentsfeier als Mahl <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> sieht das EGB <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Grundform I die eucharistische<br />

Form <strong>de</strong>s Abendmahls vor. Nach <strong>de</strong>m Lobgesang <strong>de</strong>s Sanctus, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m „Himmel und<br />

Er<strong>de</strong>, Menschen und Engel und alles, was Stimme hat und tönen kann, zum universalen Gotteslob<br />

vere<strong>in</strong>t“ 55 ist, betet dann die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> das Abendmahlsgebet I, ehe sie im Anschluß an die<br />

E<strong>in</strong>setzungsworte und an das fakultative Christuslob zum Abendmahlsgebet II übergeht, worauf<br />

das Vaterunser die loben<strong>de</strong> Vorbereitung <strong>de</strong>r Sakramentsfeier beschließt. Die bei<strong>de</strong>n Abendmahlsgebete<br />

können überdies als Anamnese im weiteren S<strong>in</strong>ne bzw. nach <strong>de</strong>n Verba Testamenti<br />

als Anamnese im engeren S<strong>in</strong>ne mit Epiklese, Interzessionen und <strong>de</strong>r Doxologie formuliert wer<strong>de</strong>n,<br />

wodurch die außeror<strong>de</strong>ntlich feierliche Atmosphäre die heilswirksame Gegenwart Gottes <strong>in</strong><br />

21<br />

50 Kühn, U.: Kirche, S. 205<br />

51 siehe Anm. 29<br />

52 WA 30II, 615<br />

53 EGB, S. 33<br />

54 Zum Verständnis <strong>de</strong>r Positionierung im Sakramentsteil wird auf S. 25 im EGB verwiesen.<br />

55 EGB, S. 30


22<br />

Brot und We<strong>in</strong> ver<strong>de</strong>utlicht. Doch <strong>in</strong> dieser umfangreichen Form je<strong>de</strong>n Sonntag Abendmahl zu<br />

feiern, nimmt ihr <strong>de</strong>n außeror<strong>de</strong>ntlichen Charakter. E<strong>in</strong>e alternative Möglichkeit <strong>de</strong>r Sakramentsfeier<br />

stellt im EGB die Abendmahlsbetrachtung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Grundform II dar, <strong>de</strong>r sich unmittelbar<br />

die E<strong>in</strong>setzungsworte, e<strong>in</strong> Abendmahlsgebet und das Vaterunser anschließen, bevor die E<strong>in</strong>ladung<br />

und <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsgruß ausgesprochen und die Elemente <strong>de</strong>n Kommunikanten gereicht wer<strong>de</strong>n,<br />

die daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dankgebet sprechen. Auch hier ist <strong>de</strong>r Blick fokussiert auf die leibhaftige<br />

Gegenwart Christi und somit auf die Geme<strong>in</strong>schaft Gottes und <strong>de</strong>r Menschen. Neben <strong>de</strong>n agendarischen<br />

Formen haben sich freie Mahlgeme<strong>in</strong>schaften entwickelt. In ökumenischen <strong>Gottesdienst</strong>en,<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>nen aus theologischen Grün<strong>de</strong>n ke<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Sakramentsfeier ratsam ist,<br />

kann statt <strong>de</strong>ssen e<strong>in</strong> Agapemahl gehalten wer<strong>de</strong>n. Für an<strong>de</strong>re gottesdienstliche Situationen besteht<br />

die Möglichkeit <strong>de</strong>s Feierabendmahls. Bei<strong>de</strong> Angebote bewegen sich abseits <strong>de</strong>s agendarischen<br />

Konsenses an<strong>de</strong>rer <strong>Gottesdienst</strong>geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n, weshalb <strong>de</strong>ren Erwähnung hier genügen soll.<br />

Das beziehungsorientierte Konzept „Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau durch Befreiung zu »kommunikativer<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>praxis«“ 56 setzt da an, daß <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kommunion wirklich Beziehungen zum Tragen<br />

kommen, die im <strong>Gottesdienst</strong> wie im Alltag e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Han<strong>de</strong>ln ermöglichen, das möglichst<br />

ke<strong>in</strong>erlei Reglementierung mehr bedarf, weil die Kommunikanten <strong>in</strong> Christus alle Freiheit<br />

haben (Gal 5,1). Die <strong>in</strong>dividuellen Lebensbezüge s<strong>in</strong>d berechtigt, als Gaben (1Kor 12) im <strong>Gottesdienst</strong><br />

<strong>de</strong>s Lebens (Röm 12,1) wirksam zu wer<strong>de</strong>n. Doch mehr noch basiert <strong>de</strong>r „verkündigungsorientierte<br />

Ansatz: Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau vom <strong>Gottesdienst</strong> her und auf <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> h<strong>in</strong>“ 57<br />

auf <strong>de</strong>r Feier <strong>de</strong>s Sakraments <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>de</strong>m göttlichen Wort, <strong>de</strong>nn bei<strong>de</strong> Formen <strong>de</strong>r<br />

Gegenwart Gottes konstituieren bei<strong>de</strong> Abschnitte <strong>de</strong>s e<strong>in</strong>en Kommunikationsgeschehens.<br />

D SENDUNG UND SEGEN<br />

„Den Übergang von <strong>de</strong>r gottesdienstlichen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>versammlung zum <strong>Gottesdienst</strong> im Alltag<br />

<strong>de</strong>r Welt bezeichnen im Schlußteil <strong>de</strong>r Liturgie Elemente <strong>de</strong>r Sendung aufgrund <strong>de</strong>s Heilszuspruchs<br />

und <strong>de</strong>r Segen.“ 58 Damit steht Teil D <strong>in</strong> Entsprechung zum Ankommen <strong>in</strong> Teil A. Den<br />

Prozeß <strong>de</strong>s Übergangs vom Versammlungsort auf <strong>de</strong>n Weg <strong>in</strong> die Welt vollzieht <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmer<br />

<strong>in</strong> Gedanken bei <strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes versammelten Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>. Die<br />

Gedanken s<strong>in</strong>d aber auch schon „unterwegs“ bei <strong>de</strong>m, was vielleicht wird.<br />

Predigtgottesdienste ohne Sakramentsteil knüpfen im Teil D mit <strong>de</strong>n Fürbitten an <strong>de</strong>n Verkündigungsteil<br />

direkt an. Auch das Vaterunser hat dann hier se<strong>in</strong>en Platz, worauf e<strong>in</strong> Lobpreis folgen<br />

kann als Antwort auf die erfahrene Zuwendung Gottes im Wort. Wenn <strong>in</strong> Sakramentsgottesdiensten<br />

diese Elemente nicht bereits vollzogen wur<strong>de</strong>n, f<strong>in</strong><strong>de</strong>t mit ihrer Positionierung im Sendungsteil<br />

zugleich e<strong>in</strong>e bewußte Akzentverschiebung statt. Das Gloria aus <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>gangsteil o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong><br />

56 Ziemer, J.: <strong>Gottesdienst</strong> und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau. In: Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik, S. 616<br />

57 siehe Anm. 48<br />

58 EGB, S. 34


23<br />

Te Deum z. B. kann nunmehr Ausdruck <strong>de</strong>s Lobes für Gottes Gegenwart <strong>in</strong> Verkündigung und<br />

Sakrament se<strong>in</strong>. Bei<strong>de</strong> können durch Umstellung <strong>de</strong>s Dankgebets und <strong>de</strong>r Fürbitten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Sendungsteil<br />

enger verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Generell wer<strong>de</strong>n die Fürbitten, wenn sie im Ausgangsteil gebetet<br />

wer<strong>de</strong>n, stärker auf <strong>de</strong>n Dienst an <strong>de</strong>r Welt h<strong>in</strong> fokussiert, <strong>de</strong>r – durch Gottes Zuwendung<br />

zu se<strong>in</strong>er Schöpfung getragen – nie Leistung <strong>de</strong>r Menschen se<strong>in</strong> kann, son<strong>de</strong>rn nur Geschenk.<br />

Das kommt zum Ausdruck, wenn Gottes Segen mit <strong>de</strong>r Sendung verbun<strong>de</strong>n ist. Der Segen und<br />

Frie<strong>de</strong> Gottes wird <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmern mitgegeben. Se<strong>in</strong>e heilsame Gegenwart begleitet<br />

die Gläubigen auch dann, wenn sie <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong>raum verlassen haben.<br />

Liegt darauf <strong>de</strong>r Schwerpunkt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es, bietet das EGB e<strong>in</strong>e Variante 59 mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>leitung<br />

zum Segen, dazu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> verbaler und räumlicher Ausgestaltung entfalteten Segen selbst<br />

und e<strong>in</strong>em Segenslied, ehe die Musik zum Ausgang und das Geläut erkl<strong>in</strong>gt. E<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>re Variante<br />

betont <strong>de</strong>n erwähnten ausführlichen Lobpreis mit Gloria und Te Deum. Auch die Sendung kann<br />

stärker <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Blick genommen wer<strong>de</strong>n, wenn diakonische o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Aufgaben die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

erwarten. Die Aufmerksamkeit wird auf die praktischen Lebensvollzüge gelenkt. Mit „Gottes<br />

Gütern gefüllt“ (Lk 1,53) wen<strong>de</strong>t sich die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>r bewußt verantworteten Mitgestaltung<br />

<strong>de</strong>r Welt zu. Dafür s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>formative H<strong>in</strong>weise o<strong>de</strong>r Ankündungen hilfreich, die als „Abkündigungen“<br />

vor <strong>de</strong>r Sendung ihren Platz haben. Beziehen sie sich auf die Fürbitten, s<strong>in</strong>d sie<br />

dort s<strong>in</strong>nvoll. Gleiches gilt für das Dankopfer wie für H<strong>in</strong>weise auf <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong>verlauf, welche<br />

bei <strong>de</strong>r Begrüßung zu geben s<strong>in</strong>d. Da <strong>de</strong>r monologische Charakter <strong>de</strong>r H<strong>in</strong>weise und Informationen<br />

aber stets Kommunikation unterbricht, ist ggf. über Informationsmitteilung per Vorabsprache<br />

o<strong>de</strong>r per Handzettel 60 nachzu<strong>de</strong>nken, die dann durchaus kommunikationserleichternd<br />

wirken können.<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau geschieht auch und gera<strong>de</strong> im Zusammenhang mit Sendung und Segen 61 dadurch,<br />

daß sich die gesegnete Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> an<strong>de</strong>ren zuwen<strong>de</strong>t. Der „handlungsorientierte Ansatz:<br />

<strong>Gottesdienst</strong> am Ort als Übergang zum Dienst an <strong>de</strong>r Welt“ zählt zu <strong>de</strong>n „wirksamsten Entwürfen<br />

<strong>de</strong>r neueren Theologie und ist getragen von e<strong>in</strong>em im Evangelium begrün<strong>de</strong>ten Engagement<br />

für die Welt.“ 62 .<br />

Je<strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong> ist e<strong>in</strong> Orig<strong>in</strong>al <strong>de</strong>r geme<strong>in</strong><strong>de</strong>eigenen Frömmigkeit im kirchenjahreszeitlichen<br />

Kontext und als solches nicht wie<strong>de</strong>rholbar. <strong>Gottesdienst</strong> allgeme<strong>in</strong> ist zugleich aber auch die<br />

geistliche Heimat von Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> und somit für ihre I<strong>de</strong>ntität und ihr Wachstum im Glauben<br />

unverzichtbar. Freilich begegnet Gottes Wort auch <strong>de</strong>n Gästen <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im <strong>Gottesdienst</strong>.<br />

Diesbezüglich ist er <strong>de</strong>r Bibellektüre o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Gesprächskreis vergleichbar. Ganzheitliche An-<br />

59 EGB, S. 675, vgl. S. 49<br />

60 EGB, S. 548, vgl. Herlyn, O.: <strong>Gottesdienst</strong>gestaltung, S. 122<br />

61 vgl. Lange, E.: Chancen.<br />

62 Ziemer, J.: <strong>Gottesdienst</strong> und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau. In: Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik, S. 618


24<br />

teilnahme an <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft aber wird durch aktive geme<strong>in</strong>same Gestaltung <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es<br />

wie durch <strong>in</strong>nerliche Bereitschaft dazu <strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert, wodurch die Ausführung <strong>de</strong>r Feier erst Authentizität<br />

gew<strong>in</strong>nt. Und dar<strong>in</strong> bezeugt sich die Gegenwart Gottes im Geist, daß die <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Namen Versammelten im <strong>Gottesdienst</strong> „glaubwürdig“ han<strong>de</strong>ln, nämlich <strong>in</strong> Entsprechung <strong>de</strong>r<br />

<strong>in</strong>neren Anteilnahme zu <strong>de</strong>n äußeren Vollzügen. Daher können diejenigen, welche sich e<strong>in</strong> Bild<br />

von <strong>Gottesdienst</strong> machen wollen, nur Beobachter bleiben und nie mitfeiern, solange sie <strong>de</strong>r Feier<br />

gegenüberstehen, anstatt sich ganzheitlich <strong>in</strong> das Kommunikationsgeschehen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>nehmen zu<br />

lassen und so Geme<strong>in</strong>schaft mit Menschen und Gott zu erfahren. Denn christlicher <strong>Gottesdienst</strong><br />

ist feierliche Geme<strong>in</strong>schaft <strong>de</strong>r Christgläubigen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r heilsbe<strong>de</strong>utsamen Gegenwart Gottes Israels,<br />

die sich stets aktuell realisiert als e<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Menschen ganzheitlich beanspruchen<strong>de</strong>s, multil<strong>in</strong>eares<br />

Kommunikationsgeschehen im vertrauten Vollzug gegenseitiger Zuwendung. Insofern ist<br />

„<strong>Gottesdienst</strong>, <strong>de</strong>r die Kirche ist“ 63 , ekklesiologisch be<strong>de</strong>utsam für <strong>de</strong>n Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

alltäglichen praxis pietatis.<br />

3.4. DIMENSIONEN DES GOTTESDIENSTES<br />

Die Elemente und Abschnitte <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelne Dimensionen e<strong>in</strong>gestuft<br />

und dadurch <strong>in</strong> Relation zue<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r gebracht wer<strong>de</strong>n 64 . So ist gleichsam e<strong>in</strong> zusammenfassen<strong>de</strong>r<br />

„Querschnitt“ durch das gottesdienstliche Kommunikationsgeschehen möglich.<br />

Zu <strong>de</strong>r geschöpflichen Dimension zählen Raum und Zeit, die Stoffe und die Menschen selbst als Teil<br />

<strong>de</strong>r Schöpfung. „Um <strong>Gottesdienst</strong> feiern zu können, begeben sich Menschen zu bestimmten<br />

Zeiten an e<strong>in</strong>en bestimmten Ort.“ 65 Dieser Ort ist räumlich vorf<strong>in</strong>dlich und wird von Menschen<br />

<strong>in</strong> Besitz genommen und gestaltet, so daß er e<strong>in</strong>e eigene Sprache erhält. Die Zeit ist ebenfalls<br />

vorf<strong>in</strong>dlich. Sie bestimmt und wird bestimmt von kosmischen und vegetativen Zyklen wie Tag<br />

und Nacht, Sommer und W<strong>in</strong>ter. Dadurch ist erst Planung möglich, die Zeit als Zeichen- und<br />

S<strong>in</strong>nträger zu gestalten: als wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Festzeit im Jahr, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Woche und <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s<br />

Tages. Stoffe und Medien s<strong>in</strong>d die Mittel dieser Gestaltung und eröffnen die akustisch, visuell,<br />

olfaktorisch, gustatorisch, haptisch und räumlich bestimmbaren Be<strong>de</strong>utungen. Zusammen br<strong>in</strong>gen<br />

sie S<strong>in</strong>n neu hervor, sobald sie bewußt bearbeitet und somit strukturiert wer<strong>de</strong>n, also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

größeren Handlungszusammenhang e<strong>in</strong>bezogen wer<strong>de</strong>n. Der Mensch als Teil <strong>de</strong>r Schöpfung ist<br />

selbst Zeichenträger, <strong>de</strong>r mit se<strong>in</strong>er Leiblichkeit das Geschehen <strong>Gottesdienst</strong> konstituiert. Abstrahiert<br />

auf die Gruppe kann diese als Leib zum Träger theologisch-religiöser Be<strong>de</strong>utung wer<strong>de</strong>n<br />

(Röm 12). Zur Geschöpflichkeit gehören weiterh<strong>in</strong> die direkte und die mittelbare Körpersprache<br />

66 <strong>de</strong>r D<strong>in</strong>ge, die <strong>de</strong>n Körper umgeben wie Kleidung o<strong>de</strong>r Geruch, weiterh<strong>in</strong> die Nahrungs-<br />

63 Ebel<strong>in</strong>g, G.: Dogmatik, Bd. 3, S. 362<br />

64 nach Bieritz, K.-H.: Anthropologische Grundlegung. In: Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik, S. 96-119<br />

65 Josuttis, M.: Weg <strong>in</strong> das Leben, S. 66<br />

66 vgl. Volp, R.: Liturgik 1, S. 127 f.


25<br />

mittel als Medien <strong>de</strong>r Kommunikation sowie S<strong>in</strong>gen bzw. Sprechen als Ausdruck <strong>de</strong>s Leibes.<br />

Letztere haben auch soziokulturelle Be<strong>de</strong>utung.<br />

Die kulturelle Dimension <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es kennzeichnet die Relation zwischen Anschluß an vorhan<strong>de</strong>ne<br />

Traditionen und bewußte Gegensätze dazu 67 . Zunächst ist festzustellen, daß <strong>Gottesdienst</strong><br />

e<strong>in</strong>e kulturelle Errungenschaft ist, die als Festlegung menschliches Leben h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>s<br />

Raumes, Leibes und <strong>de</strong>r Zeit bestimmt. Beispielsweise s<strong>in</strong>d Speise und Trank Erzeugnisse <strong>de</strong>r<br />

Kultur, die Menschen <strong>in</strong> bestimmten sozialen Positionen mit Mangel o<strong>de</strong>r Überfluß e<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />

reichen. Dar<strong>in</strong> ist <strong>Gottesdienst</strong> kulturkritisch und zugleich als Zeichenprozeß e<strong>in</strong>e Wirklichkeit,<br />

die z. B. durch das Evangelium, das Sakrament, die Kirche, durch Jesus Christus selbst im Glauben<br />

erfahrbar und <strong>de</strong>utbar ist. Im <strong>Gottesdienst</strong> im S<strong>in</strong>ne von unbegrenzter Zeichen<strong>de</strong>utung und<br />

zugleich -austauschung wird religiöses Wissen nicht nur symbolisch kommuniziert, son<strong>de</strong>rn als<br />

solches neu gegrün<strong>de</strong>t. <strong>Gottesdienst</strong> ist somit e<strong>in</strong> gesellschaftliches Ereignis und steht im Zusammenhang<br />

von Kollektiv und Kultur. Der Prozeß <strong>de</strong>r gegenseitigen Durchdr<strong>in</strong>gung und Bee<strong>in</strong>flussung<br />

mit <strong>de</strong>r Gesellschaft kennzeichnet <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> als Alternative zu <strong>de</strong>n gesamtgesellschaftlich<br />

anerkannten Mustern. Doch die Dialektik von Religion und Gesellschaft kulm<strong>in</strong>iert <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Schicksalsbewältigung z. B. von Zufall, Schuld o<strong>de</strong>r Tod, so daß da, wo <strong>de</strong>r Glauben mit se<strong>in</strong>en<br />

Zeichen <strong>in</strong>kulturiert wird, er immer schon auf S<strong>in</strong>n<strong>de</strong>utungen trifft, die <strong>de</strong>r Kultur bereits<br />

immanent s<strong>in</strong>d.<br />

Die personale Dimension äußert sich im <strong>Gottesdienst</strong> als Wort-, Beziehungs- und Sprachgeschehen.<br />

Der Mensch erfährt se<strong>in</strong>e Personalität <strong>in</strong> zwischenmenschlicher Kommunikation. <strong>Gottesdienst</strong><br />

als personale Begegnung mit <strong>de</strong>m Wort f<strong>in</strong><strong>de</strong>t zwischen Menschen untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r wie mit Gott<br />

statt. In <strong>de</strong>r Sprache wird Wirklichkeit erschlossen, <strong>de</strong>m Tun e<strong>in</strong>e Deutung beigelegt und das<br />

Gegenüber als Person <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Verhältnis zu sich selbst wahrgenommen. Dadurch ermöglicht<br />

Sprache e<strong>in</strong> Beziehungsgeschehen, das sich e<strong>in</strong><strong>de</strong>utig im Wort und mehr<strong>de</strong>utig im Verhalten vollzieht.<br />

<strong>Gottesdienst</strong> als Beziehungsgeschehen ist somit e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>engen<strong>de</strong>n Festlegungen entzogen,<br />

<strong>in</strong>soweit die Beziehung zu Gott nicht bis <strong>in</strong> das letzte Detail erklärbar ist. An<strong>de</strong>rerseits<br />

herrscht im <strong>Gottesdienst</strong> E<strong>in</strong><strong>de</strong>utigkeit h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>r Beziehung Gott-Mensch basierend auf<br />

<strong>de</strong>m Christusereignis und <strong>de</strong>r unverwechselbaren Geschichte Gottes mit <strong>de</strong>n Menschen. Menschen<br />

stehen durch Sprache auch <strong>in</strong> Beziehung zue<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r und zur Situation, <strong>in</strong> die h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gesprochen<br />

wird. Reduktion auf nur e<strong>in</strong>en Kommunikationsmodus be<strong>de</strong>utet Wirklichkeitsverlust.<br />

<strong>Gottesdienst</strong> ist daher Sprachhandlung und Wortvollzug <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em, weil sprachliche Elemente und<br />

Handlungen e<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r ergänzen und durchdr<strong>in</strong>gen. Dies trifft <strong>in</strong>sbeson<strong>de</strong>re auf <strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong><br />

<strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> zu, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen sich Sprache als Handlung, das Wort <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Ausführung ereignet.<br />

67 Jesus hielt <strong>in</strong> jüdischer Tradition das Mahl mit Sün<strong>de</strong>rn als Sozialkritik (Mk 2,16). Das frühe Christentum pflegte ebenso<br />

e<strong>in</strong>en konstruktiv-kritischen Umgang mit <strong>de</strong>r antiken Welt (vgl. Volp. R.: Liturgik 1, S. 180).


4. ÜBERLEGUNGEN ZU GEBÄRDENSPRACHLICHEN GOTTESDIENSTEN<br />

Unter Bezugnahme auf die soziologischen Vorbetrachtungen im allgeme<strong>in</strong>en und auf Punkt 1.3<br />

im speziellen stellt sich zunächst die Frage nach <strong>de</strong>r <strong>in</strong> Gottes Namen versammelten Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>,<br />

die <strong>Gottesdienst</strong> verantwortet und daher für die weiteren Ausführungen die Basis bil<strong>de</strong>t.<br />

Die gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Christen, die <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es lan<strong>de</strong>skirchlichen Pfarramtsbereichs wohnen, stehen<br />

abseits <strong>de</strong>s kirchlichen Ortsgeme<strong>in</strong><strong>de</strong>lebens, weil die kommunikative Barriere je<strong>de</strong> Partizipation<br />

hemmt. Diese „Zielgruppe“, die fast nie an Hauptgottesdiensten aller Gläubigen vor Ort,<br />

also nicht am „ersten Programm“ teilhat, bedarf nichts<strong>de</strong>stotrotz seelsorgerlicher und pastoraler<br />

Betreuung, <strong>de</strong>m ephoral mit „Son<strong>de</strong>rdiensten“ begegnet wird. Dies kann jedoch nur großflächig<br />

geschehen und ist überwiegend auf <strong>Gottesdienst</strong>feiern und Kasualien konzentriert, weil dadurch<br />

<strong>de</strong>r Geistliche bereits so beansprucht ist, daß für seelsorgerliche Gespräche u. a. selten Zeit<br />

bleibt. So erhält <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong> e<strong>in</strong>e zentrale Rolle im geistlichen Leben dieser Christen, <strong>de</strong>nn<br />

dar<strong>in</strong> <strong>de</strong>f<strong>in</strong>ieren sich z. B. die Gehörlosen-Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n als solche 68 , die als ecclesiolae <strong>in</strong> ecclesia mit<br />

<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>skirche kaum <strong>in</strong> Berührung kommen.<br />

In Sachsen f<strong>in</strong><strong>de</strong>n gebär<strong>de</strong>nsprachliche <strong>Gottesdienst</strong>e nur <strong>in</strong> wenigen Ortsgeme<strong>in</strong><strong>de</strong>n statt. Dadurch<br />

s<strong>in</strong>d Besuche bei an<strong>de</strong>ren gebär<strong>de</strong>nsprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n gang und gäbe,<br />

weil die zeitlichen Abstän<strong>de</strong> zwischen <strong>Gottesdienst</strong>en <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe zum Wohnsitz u. U.<br />

mehrere Wochen betragen. In ländlichen Gegen<strong>de</strong>n wohnen die <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmer teils<br />

mehrere Ortschaften ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r. Selbst <strong>in</strong> größeren Städten umfaßt die gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>Gottesdienst</strong>geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

auch Christen <strong>de</strong>s Umlan<strong>de</strong>s, so daß <strong>de</strong>n Teilnehmern jeweils e<strong>in</strong> hoher Grad an<br />

Mobilität abgefor<strong>de</strong>rt wird. Dennoch ist die Zusammensetzung solcher Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n relativ stabil,<br />

weil abgesehen von <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong>en kaum Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>veranstaltungen angeboten wer<strong>de</strong>n. So<br />

s<strong>in</strong>d die Teilnehmer e<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r meist bekannt und vertraut, zumal im Anschluß an die <strong>Gottesdienst</strong>e<br />

regelmäßig <strong>in</strong> „Kirchencafés“ über die aktuellsten Neuigkeiten „geplau<strong>de</strong>rt“ wird. Die <strong>in</strong><br />

Punkt 1.2 beschriebene soziale Dynamik dieser Gruppen ereignet sich auch im christlichen Kontext.<br />

Dementsprechend hat die Zusammenkunft große gesellschaftliche Be<strong>de</strong>utung. Gelegentlich<br />

gleicht das Zusammentreffen <strong>de</strong>r ecclesiola <strong>in</strong> ecclesia <strong>de</strong>m Ablauf e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>ssitzung, <strong>in</strong>sofern<br />

man nach e<strong>in</strong>em obligatorischen ersten Teil rasch zum geselligen übergeht. Doch weil die Versammlung<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Erfahrungen und Sprache <strong>de</strong>r Teilnehmer für Außenstehen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Jüngere<br />

zumeist unattraktiv ersche<strong>in</strong>t, bil<strong>de</strong>n im allgeme<strong>in</strong>en ältere Christen <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>.<br />

Daher ist mit Recht zu fragen, ob „nicht durch e<strong>in</strong>e zu dichte Kohärenz <strong>de</strong>r Zugang zur<br />

<strong>Gottesdienst</strong>geme<strong>in</strong><strong>de</strong> für Außenstehen<strong>de</strong> versperrt wird.“ 69 Geme<strong>in</strong>schaftsbildung ist e<strong>in</strong> konstitutives<br />

Element christlichen Lebens, solange Klarheit darüber besteht, ob sie <strong>in</strong> o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m<br />

<strong>Gottesdienst</strong> im Namen Jesu o<strong>de</strong>r aus Sympathie geschieht.<br />

26<br />

68 siehe Anm. 62<br />

69 Ziemer, J.: <strong>Gottesdienst</strong> und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau. In: Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik, S. 621


Den gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Christen <strong>de</strong>s jeweiligen Ortes obliegt die „Gastgeberrolle“ entsprechend <strong>de</strong>n<br />

personellen und räumlichen Möglichkeiten. Teils ist das „Kirchen-Café“ sogar selbst <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong>raum<br />

– mit Tellern, Tassen, Kannen und Kuchen bestückt. Aber <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regel f<strong>in</strong><strong>de</strong>n gebär<strong>de</strong>nsprachliche<br />

<strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>sälen statt, weil es so Tradition ist o<strong>de</strong>r weil Bil<strong>de</strong>r an<br />

die Wand projiziert wer<strong>de</strong>n sollen o<strong>de</strong>r weil sich die feiern<strong>de</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> für <strong>de</strong>n großen Kirchenraum<br />

u. U. als zu kle<strong>in</strong> erachtet. Dabei kann gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kirchenraum gottesdienstliche Vollzüge<br />

unterstützen und bereichern als kulturelles Dokument christlichen Glaubens und damit als Verkündigung<br />

selbst. „Die Architektur ist e<strong>in</strong> hochgradig auskunftsbereiter Platzhalter für das <strong>in</strong> die<br />

kulturellen Prozesse e<strong>in</strong>gebun<strong>de</strong>ne liturgische Tun gewesen, das Baumaterial für theologische<br />

Basissätze und Systeme.“ 70 Darüber h<strong>in</strong>aus bestün<strong>de</strong> auch Verbun<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>r lautsprachlichen<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>, welche im gleichen Raum die Gegenwart Gottes feiert. Der Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>saal –<br />

evtl. mit Bestuhlung im Kreis – h<strong>in</strong>gegen ver<strong>de</strong>utlicht stärker <strong>de</strong>n Geme<strong>in</strong>schaftscharakter. Denn<br />

die Bankreihen <strong>in</strong> Kirchgebäu<strong>de</strong>n verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn für visuell kommunizieren<strong>de</strong> Christen e<strong>in</strong>e gegenseitige<br />

Wahrnehmung als Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im Gebet, solange <strong>de</strong>r Blick auf <strong>de</strong>n Vorbeter gerichtet ist.<br />

Dagegen unterstützen Kirchen die Feierlichkeit und die Partizipation mehrerer am liturgischen<br />

Vollzug. Außer für <strong>de</strong>n Prediger und Liturgen ist dort Raum auch für Lektoren und für Vorbeter.<br />

Letztere stimmen Gebär<strong>de</strong>n-Lie<strong>de</strong>r an o<strong>de</strong>r animieren die Teilnehmer zur aktiven Teilhabe an<br />

<strong>de</strong>n Responsorien und Akklamationen, wie dies auch Kantoren bzw. Organisten <strong>in</strong> lautsprachlichen<br />

<strong>Gottesdienst</strong>en handhaben. E<strong>in</strong> Beispiel aus <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong>praxis <strong>de</strong>r Leipziger Gehörlosen-Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

soll dafür zur Veranschaulichung dienen. In e<strong>in</strong>em neogotischen Kirchgebäu<strong>de</strong><br />

wer<strong>de</strong>n die <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmer am E<strong>in</strong>gang von drei Herren <strong>in</strong> liturgischer Gewandung begrüßt.<br />

Die dunklen Talare wer<strong>de</strong>n als Kontrasth<strong>in</strong>tergrün<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n die Verständlichkeit<br />

begünstigen. E<strong>in</strong>er <strong>de</strong>r drei ist als Pfarrer zu i<strong>de</strong>ntifizieren, weil er e<strong>in</strong> Beffchen angelegt hat statt<br />

e<strong>in</strong>er Stola 71 , welche die an<strong>de</strong>ren bei<strong>de</strong>n tragen. Vom E<strong>in</strong>gangsbereich aus ziehen sie geme<strong>in</strong>sam<br />

mit <strong>de</strong>r Lektor<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Kirche e<strong>in</strong> und signalisieren damit unmißverständlich, daß <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong><br />

beg<strong>in</strong>nt. Durch die symmetrische Aufstellung im Altarraum ist von allen Plätzen <strong>de</strong>r Kirche<br />

aus Sichtkontakt zum leiten<strong>de</strong>n Liturgen bzw. zur Lektor<strong>in</strong> und zu je e<strong>in</strong>em <strong>de</strong>r Vorbeter<br />

möglich. Hat <strong>de</strong>r Pfarrer die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im Namen Gottes begrüßt, antwortet diese darauf von<br />

<strong>de</strong>n Vorbetern dazu angestimmt, gleich wie die lautsprachliche Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> zusammen mit <strong>de</strong>r<br />

Orgel die Begrüßung beantwortet. Gleiches gilt für die Akklamationen zu <strong>de</strong>n Lesungen. So gestaltete<br />

<strong>Gottesdienst</strong>e wer<strong>de</strong>n sichtbar <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Verantwortung <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> gefeiert. In Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>sälen<br />

ist allerd<strong>in</strong>gs die <strong>in</strong>tensivere gegenseitige Wahrnehmung von Vorteil, welche für I<strong>de</strong>ntitätsstiftung<br />

und -stabilisierung <strong>de</strong>r Christen als solche und als Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im Bekenntnis zum<br />

70 Volp, R.: Liturgik 1, S. 356<br />

71 Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich nicht um die Insignie e<strong>in</strong>es Ord<strong>in</strong>ierten, auch wenn dies im S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>s Priestertums aller Gläubigen<br />

vorstellbar wäre, son<strong>de</strong>rn um e<strong>in</strong>en Schal, <strong>de</strong>r über die Schultern ähnlich e<strong>in</strong>er Stola getragen wird. Die Zeichen <strong>de</strong>s Kreuzes<br />

mit <strong>de</strong>n „plau<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n Gottes“ – entworfen von <strong>de</strong>m Gehörlosenseelsorger Benno Weiß – an <strong>de</strong>n En<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Schals<br />

weisen <strong>de</strong>n Träger als e<strong>in</strong>en gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Liturgen aus. Insofern hat diese Stola e<strong>in</strong>e ähnliche Funktion wie das Chorhemd.<br />

27


Glaubens- und Lebensgrund unentbehrlich ist. Doch wenn die <strong>in</strong> manchen Lautsprachgottesdiensten<br />

übliche Praxis zur Anwendung kommt, sich für das Glaubensbekenntnis zu erheben,<br />

kann auch <strong>in</strong> Kirchenräumen mehr Flexibilität erreicht und ganzheitliche Kommunikation erleichtert<br />

wer<strong>de</strong>n. Kirchen s<strong>in</strong>d für gottesdienstliche Versammlungen konzipiert und <strong>in</strong> dieser<br />

Funktion von unschätzbarem Wert für die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

E<strong>in</strong>st aus <strong>de</strong>m liturgischen Vollzug heraus entwickelt, begünstigen Kirchenräume (meist) e<strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Menschen mit allen S<strong>in</strong>nen ganzheitlich ansprechen<strong>de</strong>s und beanspruchen<strong>de</strong>s, multil<strong>in</strong>eares<br />

Kommunikationsgeschehen. „Auch die heiligen<strong>de</strong> Zuwendung Gottes zum Menschen und <strong>de</strong>ssen<br />

glaubend-verehren<strong>de</strong> Antwort <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Feier <strong>de</strong>r Liturgie ist nur <strong>in</strong> s<strong>in</strong>nenhafter Vermittlung<br />

möglich.“ 72 Zunächst ist hierbei das Gehör von Be<strong>de</strong>utung, wodurch <strong>de</strong>r Mensch vernimmt, daß<br />

Gott sich ihm zugewandt und ihn erlöst hat, wenn er es glaubt (Röm 10,17 f.). Daher s<strong>in</strong>d Ambo<br />

und Kanzel so im Kirchenraum angebracht, daß von dort aus <strong>de</strong>r Lektor bzw. Prediger gut zu<br />

hören – aber nicht immer gut zu sehen – ist, damit Gottes Wort optimal vernehmbar sei, <strong>de</strong>nn<br />

Verkündigung wird biblisch wie kirchlich vorrangig als akustische Mitteilung verstan<strong>de</strong>n. Wer<br />

nicht hört, sche<strong>in</strong>t <strong>de</strong>s Glaubens unfähig zu se<strong>in</strong> 73 . Dem ist nicht pauschal unter Verweis auf die<br />

biblische Autorität zuzustimmen. Ignoranz o<strong>de</strong>r „Taubheit“ gegenüber <strong>de</strong>r Selbstmitteilung Gottes<br />

gibt es bei Hören<strong>de</strong>n wie bei Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, doch be<strong>de</strong>utet Hörschädigung ke<strong>in</strong>eswegs automatisch<br />

e<strong>in</strong>geschränkte Auffassungsgabe <strong>de</strong>s Menschen. Gesellschaftliche Benachteiligung – so<br />

auch Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung genannt – hat Jesus <strong>in</strong> <strong>de</strong>n überlieferten Heilungsgeschichten überwun<strong>de</strong>n 74 .<br />

Sie hat daher im <strong>Gottesdienst</strong> als <strong>de</strong>r feierlichen Versammlung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes ke<strong>in</strong>en<br />

Platz. Die Fokussierung <strong>de</strong>s Gehörs kann, wie im 5. maßgeblichen Kriterium 75 <strong>de</strong>s EGB formuliert<br />

ist, für gebär<strong>de</strong>nsprachliche <strong>Gottesdienst</strong>e nicht durchgehalten wer<strong>de</strong>n. Vielmehr ist mit<br />

seelsorgerlicher Umsicht darauf zu achten, daß <strong>de</strong>r verme<strong>in</strong>tliche Vorteil <strong>de</strong>r Hören<strong>de</strong>n nicht<br />

mancherorts <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Liturgie, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Lesungen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Gebeten usw. o<strong>de</strong>r gar das Gehör Gottes<br />

betont wird 76 , son<strong>de</strong>rn daß die Verkündigung <strong>in</strong> verständlicher Sprache geschieht an e<strong>in</strong>em Platz,<br />

wo <strong>de</strong>r Verkündiger auch gut zu sehen ist, weil Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> „mit <strong>de</strong>n Augen hören“ 77 .<br />

Optische Wahrnehmung spielt neben <strong>de</strong>r re<strong>in</strong> sprachlichen noch e<strong>in</strong>e weitere maßgebliche Rolle.<br />

„Das rezeptive Sehen und das aktive An- und H<strong>in</strong>-Schauen (Blickkontakt) s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Tun, durch<br />

das alle Beteiligten e<strong>in</strong> »Gesamtbild« <strong>de</strong>r gottesdienstlichen Handlung gew<strong>in</strong>nen und das alle Phasen<br />

<strong>de</strong>r liturgischen Feier begleitet. Daher ist die optische Dimension <strong>de</strong>r Liturgie von entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

Be<strong>de</strong>utung für die Erfassung ihrer Struktur und ihrer S<strong>in</strong>ngestalt, aber auch für die<br />

Kommunikation zwischen <strong>de</strong>n Feiern<strong>de</strong>n und für die emotionale »Färbung« <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

72 Gestalt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es, Teil 3, S. 20<br />

73 vgl. Joh 8,47<br />

74 vgl. Mk 7,31-37<br />

75 siehe Anm. 23<br />

76 Formeln aus Ps 17,6; 31,2; 71,2; 86,1; 88,2 u. a. wie „Herr, neige De<strong>in</strong>e Ohren!“ o<strong>de</strong>r „Herr, erhöre me<strong>in</strong> Gebet!“ s<strong>in</strong>d<br />

hör- und sprachbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtengerecht umzuformulieren. Gebete f<strong>in</strong><strong>de</strong>n bei Gott auch Beachtung, ohne verbal artikuliert zu se<strong>in</strong>.<br />

77 Das betont beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>s ökumenischen Handbuchs für die Taubstummenseelsorge.<br />

28


Feiern, die stark von visuellen Komponenten (z. B. Raume<strong>in</strong>druck, Gestalt, Bewegung, Helligkeitsgra<strong>de</strong>,<br />

Farbwerte) bee<strong>in</strong>flußt wird.“ 78 Dementsprechend ist <strong>de</strong>r Kirchenraum gestaltet, um<br />

mit se<strong>in</strong>en baulichen und beweglichen, farbigen und perspektivischen Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>n Blick<br />

auf <strong>de</strong>n Platz zu lenken, <strong>de</strong>r die Gegenwart Christi symbolisiert: das Kreuz auf <strong>de</strong>m Altar, von<br />

woher morgens das Licht <strong>in</strong> die Kirche fällt, wie Christus das Licht <strong>in</strong> die Welt gebracht hat 79 .<br />

Jesus heilte die Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten, um ihnen die Zuwendung Gottes erfahrbar wer<strong>de</strong>n zu lassen. Der<br />

Prediger h<strong>in</strong>gegen wird das Zeugnis von <strong>de</strong>r Güte Gottes durch Sprachkompetenz mitteilen,<br />

<strong>de</strong>nn Verkündigung kann auf vielfältige Weise geschehen, meist jedoch <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Muttersprache.<br />

„Ich wolt heute gerne eyne <strong>de</strong>utsche Messe haben, Ich gehe auch damit umbe, Aber ich wolt ja<br />

gerne, das sie eyne rechte <strong>de</strong>utsche art hette, Denn das man <strong>de</strong>n late<strong>in</strong>ischen text verdolmetscht<br />

und late<strong>in</strong>ischen don od<strong>de</strong>r noten behellt, las ich geschehen, Aber es laut nicht ertig noch rechtschaffen.<br />

Es muß bey<strong>de</strong> text und notten, accent, weyse und geper<strong>de</strong> aus rechter mutter sprach<br />

und stymme komen, sonst ists alles eyn nachomen, wie die affen thun.“ 80 Was M. Luther mit<br />

diesen Worten postuliert, nämlich fremdsprachige Elemente nicht unbesehen <strong>in</strong> muttersprachliche<br />

<strong>Gottesdienst</strong>e zu übernehmen, gilt ebenso <strong>in</strong> ev. <strong>Gottesdienst</strong>en, die <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong><br />

gefeiert wer<strong>de</strong>n. DLS ist für Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e Fremdsprache – beson<strong>de</strong>rs h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>s Zeichenvorrates.<br />

Mißverständnisse <strong>in</strong> Glaubensfragen grün<strong>de</strong>n nicht selten <strong>in</strong> unnachvollziehbaren<br />

Predigten. Die für Christen zentrale „Vergebung <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>“ gebär<strong>de</strong>nsprachlich als Suppression<br />

o<strong>de</strong>r als schlichtes Vergessen zu verkün<strong>de</strong>n, hat Unklarheiten über Christi Tod am Kreuz notwendig<br />

zur Folge. Doch dar<strong>in</strong> liegt die „Kunst“ <strong>de</strong>r Theologie, Glaubensaussagen über Gott auf<br />

<strong>de</strong>n Punkt zu br<strong>in</strong>gen und entsprechen<strong>de</strong> Gebär<strong>de</strong>n zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Insofern ist e<strong>in</strong>e poimenisch angemessene<br />

Übersetzung und e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>utliche Artikulation biblischer Texte von höchster Relevanz<br />

für gut verständliche Verkündigung. Im Gegenzug dazu ist e<strong>in</strong> Großteil <strong>de</strong>r Wendungen <strong>de</strong>r liturgischen<br />

Lautsprache <strong>de</strong>n Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n vertraut, <strong>de</strong>nn sie s<strong>in</strong>d im Glauben mit <strong>Gottesdienst</strong>en<br />

<strong>in</strong> LBG aufgewachsen. Eigenes Bibelstudium o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong> Hörgerät machen die lautsprachliche Variante<br />

gottesdienstlicher Elemente geläufig. Texte zu verän<strong>de</strong>rn, die seit <strong>de</strong>r Taufe, Konfirmation,<br />

Trauung usw. das Leben <strong>de</strong>r Christen begleitet und bestimmt haben, stößt auf ebensoviel Kritik,<br />

wie das Glaubensbekenntnis o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Segen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Syntaktik zu variieren. Gleiches gilt für die<br />

E<strong>in</strong>setzungsworte o<strong>de</strong>r die Weihnachtsgeschichte usw., weil durch <strong>de</strong>n jahrelangen Umgang diese<br />

Texte lieb und vertraut gewor<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d. Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>glie<strong>de</strong>r, die sich zutrauen, als Lektoren Dienst<br />

zu tun, weigern sich oft – sei es aus Respekt vor <strong>de</strong>m Wort Gottes o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>sicht heraus,<br />

selbst ke<strong>in</strong>e bessere Formulierung zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n – die Lesungen <strong>in</strong> DGS zu übersetzen. Bis es e<strong>in</strong>e<br />

verständliche und theologisch adäquate Übertragung <strong>de</strong>r Bibeltexte für Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> gibt, wer<strong>de</strong>n<br />

die Lesungen im <strong>Gottesdienst</strong> lautsprachliche Bibelausgaben wie<strong>de</strong>rgeben.<br />

78 Gestalt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es, Teil 3, S. 21<br />

79 siehe Anm. 33<br />

80 WA 18, S. 123<br />

29


Hat die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> die Möglichkeit, <strong>in</strong> <strong>Gottesdienst</strong>en z. B. mit Gastpredigern e<strong>in</strong>en Berufsdolmetscher<br />

e<strong>in</strong>zusetzen, wird sich bald die Erkenntnis aufdrängen, daß Gebär<strong>de</strong>n im religiösen<br />

Umfeld nicht immer <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Umgangssprache gleichzusetzen s<strong>in</strong>d. Daher gibt es „religiöse<br />

Gebär<strong>de</strong>n“, um die teilweise theologisch großen Unterschie<strong>de</strong> zu ver<strong>de</strong>utlichen z. B. zwischen<br />

<strong>de</strong>r geglaubten „eigenen Schuld“ <strong>de</strong>s Christen am Tod Jesu und <strong>de</strong>r profanen Gebär<strong>de</strong>, welche<br />

aussieht wie „selber Schuld“. Mißverständlich kann man solche Übersetzung fast nicht mehr<br />

nennen. Alle aufgeführten und viele weitere Argumente sprechen dafür, <strong>in</strong> gebär<strong>de</strong>nsprachlichen<br />

<strong>Gottesdienst</strong>en christliche LBG zu verwen<strong>de</strong>n statt <strong>de</strong>r DGS <strong>de</strong>r Dolmetscherlan<strong>de</strong>szentralen,<br />

solange sich ke<strong>in</strong>e Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r beschriebenen Situation ergibt – beispielweise durch die Anerkennung<br />

<strong>de</strong>r DGS als Sprache. Benutzt die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> diese Ausdrucksform, wird sie auch im<br />

<strong>Gottesdienst</strong> Anwendung f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Aber erst dann ist erneut darüber nachzu<strong>de</strong>nken.<br />

Im Gegensatz zu <strong>de</strong>m fast ausschließlich akustischen Rezeptionsverhalten lautsprachlicher <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmer<br />

achten Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> stärker auf die <strong>in</strong> Punkt 3.2 genannten nonverbalen<br />

Aspekte und Elemente <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es und partizipieren dadurch ganzheitlicher an <strong>de</strong>m sich<br />

ereignen<strong>de</strong>n multil<strong>in</strong>earen Kommunikationsgeschehen <strong>de</strong>r feierlichen Geme<strong>in</strong>schaft. Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

haben z. B. weit weniger Berührungsängste, weil ihre Sprache als körperliche Mitteilungsform<br />

auch Gesten impliziert: ermutigend auf die Schulter klopfen, streichelnd trösten, die Hand zum<br />

Gruß reichen. Vorrangig die Aussagen solcher performativer Vokabeln 81 gel<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Gesprächen<br />

durch Berührung e<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r nahestehen<strong>de</strong>r Dialogpartner. Daher realisiert <strong>de</strong>r Tasts<strong>in</strong>n im gottesdienstlichen<br />

Vollzug die geme<strong>in</strong>schaftliche Dimension <strong>de</strong>r gegenseitigen Zuwendung. „Schon im<br />

Alten Testament […] wird das Berührt- und Umschlossense<strong>in</strong> von Gott als Grund für e<strong>in</strong>e tiefe<br />

Geborgenheit, für e<strong>in</strong> religiöses Urvertrauen gesehen, und die atl. Vor-Bil<strong>de</strong>r erfüllen sich <strong>in</strong><br />

Christus, <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> die Arme schließt, Kranke durch Berührung heilt, se<strong>in</strong>en Jüngern die Füße<br />

wäscht usw., <strong>de</strong>n man berühren kann“ 82 . Solche Berührung setzt sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Handauflegung<br />

fort wie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r gegenseitigen Zuwendung zue<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r (Mt 25,40) im Frie<strong>de</strong>nsgruß und -zeichen.<br />

Sie f<strong>in</strong><strong>de</strong>t aber auch und vor allem <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kommunion statt, da man „schmeckt, wie freundlich<br />

<strong>de</strong>r Herr ist.“ (Ps 34,9) Im <strong>Gottesdienst</strong> – als e<strong>in</strong> Von-Gott-Berührt-Wer<strong>de</strong>n verstan<strong>de</strong>n – kommen<br />

v. a. im Abendmahl die Gläubigen auf <strong>de</strong>n Geschmack <strong>de</strong>r heilsbe<strong>de</strong>utsamen Gegenwart<br />

Gottes. Wie <strong>de</strong>r Geschmack bee<strong>in</strong>flußt <strong>de</strong>r olfaktorische S<strong>in</strong>n das Empf<strong>in</strong><strong>de</strong>n für die Umwelt<br />

und die Menschen selbst. Aromatisch-analytisch f<strong>in</strong><strong>de</strong>t Wie<strong>de</strong>rerkennung o<strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung, Un-<br />

o<strong>de</strong>r Wohlbef<strong>in</strong><strong>de</strong>n, För<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Hemmung <strong>de</strong>r Kommunikation statt. Beson<strong>de</strong>rs Frauen<br />

stufen die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Geruchs sehr hoch e<strong>in</strong>. Davon weiß auch die Bibel zu berichten, die<br />

„Wohlduft als Ausdruck <strong>de</strong>r Offenbarung Gottes und <strong>de</strong>r Präsenz <strong>de</strong>s Heils“ 83 erwähnt. <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmer<br />

s<strong>in</strong>d <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes gewiß im Duft <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kerzen o<strong>de</strong>r<br />

81 Schermann, J.: Sprache im <strong>Gottesdienst</strong>, S. 29<br />

82 siehe Anm. 69<br />

83 Gestalt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es, Teil 3, S. 22; vgl. Gen 8,21; Ex 29,7; 2Kor 2,14<br />

30


<strong>de</strong>r Blumen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Morgenluft. So bleibt festzustellen, daß <strong>in</strong> gebär<strong>de</strong>nsprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>en<br />

durch Hören und Sprechen zwar <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n zufolge weniger, aber durch Sehen,<br />

Fühlen, Schmecken und Riechen sich ganzheitlich beanspruchen<strong>de</strong>s Kommunikationsgeschehen<br />

im <strong>Gottesdienst</strong> als feierliche Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> Gegenwart Gottes ereignet (1Kor 12,17). „Weiter<br />

ist zu be<strong>de</strong>nken, daß nicht nur die Vernachlässigung e<strong>in</strong>es S<strong>in</strong>nesbereichs die gesamte Ausdrucksgestalt<br />

liturgischer Feiern bee<strong>in</strong>trächtigen kann, son<strong>de</strong>rn ebenso, ja noch mehr das Hervorrufen<br />

und Wahrnehmen falscher o<strong>de</strong>r stören<strong>de</strong>r S<strong>in</strong>nese<strong>in</strong>drücke.“ 84 Daher ist speziell bei visuell<br />

orientierten Christen darauf zu achten, das <strong>Gottesdienst</strong> authentisch, also <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

<strong>de</strong>r <strong>in</strong>neren und äußeren Vollzüge gestaltet ist.<br />

Aus gebär<strong>de</strong>nsprachlicher Sicht im engeren S<strong>in</strong>ne wird die Kommunikation im <strong>Gottesdienst</strong> erleichtert,<br />

wenn diverse Regeln 85 Beachtung f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Diejenigen, welche die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> ansprechen,<br />

sollten frontal sichtbar se<strong>in</strong> und ihren festen Platz im Raum mit e<strong>in</strong>em maximalen Abstand von<br />

vier Metern zur Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> behalten. Gesichter s<strong>in</strong>d nach Möglichkeit zu beleuchten, um dadurch<br />

das Lippenlesen zu erleichtern wie auch durch <strong>de</strong>utliche, aber natürliche Artikulation und durch<br />

verlangsamtes Sprechtempo. Gegenlicht <strong>in</strong><strong>de</strong>s ist von Nachteil, weil die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen<br />

Personen o<strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> schlecht erkennen kann. Innerhalb von Ansprachen, die sich durch<br />

kommunikationsgerechte Wortwahl und Syntax auszeichnen, können kurze Denkpausen zum<br />

besseren Verständnis gewährt o<strong>de</strong>r Zwischenüberschriften zur Strukturierung <strong>de</strong>r Problematik<br />

mittels visueller Medien wie Tageslichtschreiber o<strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>obeamer geboten wer<strong>de</strong>n. Themenwechsel<br />

– wie auch Personenwechsel <strong>in</strong> zitierten Texten – s<strong>in</strong>d <strong>de</strong>utlich zu signalisieren.<br />

Weitere Überlegungen zu gebär<strong>de</strong>nsprachlichen Aspekten <strong>in</strong> <strong>Gottesdienst</strong>en wer<strong>de</strong>n im Zusammenhang<br />

<strong>de</strong>r kritischen Würdigung ausgewählter Konzepte aus <strong>de</strong>r Praxis erörtert. Bis dah<strong>in</strong> ist<br />

zu be<strong>de</strong>nken, was gebär<strong>de</strong>nsprachliche <strong>Gottesdienst</strong>e für <strong>de</strong>n Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau be<strong>de</strong>uten können.<br />

„Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau vom <strong>Gottesdienst</strong> her und auf <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> h<strong>in</strong>“ 86 wird schon lange praktiziert<br />

– bewußt o<strong>de</strong>r unbewußt. Die auffällig kle<strong>in</strong>e Zahl alternativer Angebote, christliche Geme<strong>in</strong>schaft<br />

aktiv zu erfahren, macht <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> zum Zentrum <strong>de</strong>s Glaubenslebens Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

87 . Doch ist damit verbun<strong>de</strong>n, daß <strong>Gottesdienst</strong>e nicht nur die Mitte, son<strong>de</strong>rn zugleich das<br />

Ganze <strong>de</strong>r praxis pietatis ausmachen. Dadurch s<strong>in</strong>d sie Bibelkreis, Andacht, „Chorstun<strong>de</strong>“ usw.<br />

und auch <strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em. Aber die Unbestimmtheit <strong>de</strong>r <strong>in</strong>dividuellen Positionierung <strong>in</strong><br />

solchen „omnipotenten“ <strong>Gottesdienst</strong>en zwischen Gesprächskreis und Messe, zwischen vertrautem<br />

Vollzug gegenseitiger Zuwendung e<strong>in</strong>erseits und <strong>de</strong>m ehrfürchtigen Respekt vor <strong>de</strong>r heilsbe<strong>de</strong>utsamen<br />

Gegenwart Gottes an<strong>de</strong>rerseits h<strong>in</strong><strong>de</strong>rt Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> oftmals an <strong>de</strong>r authentischen<br />

Mitgestaltung <strong>de</strong>r feierlichen Geme<strong>in</strong>schaft. Der Grad <strong>de</strong>r äußeren Beteiligung am gottesdienstli-<br />

84 Gestalt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es, Teil 3, S. 23<br />

85 entnommen aus <strong>de</strong>r von Claudia W<strong>in</strong>kler gehaltenen Mitarbeiterfortbildung am Berufsbildungswerk für Hör- und Sprachgeschädigte<br />

Leipzig gGmbH<br />

86 siehe Anm. 48<br />

87 siehe Anm. 62<br />

31


32<br />

chen Geschehen s<strong>in</strong>kt, zumal vielen das öffentliche Gebär<strong>de</strong>n noch unangenehm ist. Doch dies<br />

ist bei Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nicht an<strong>de</strong>rs als bei an<strong>de</strong>ren Christen, <strong>de</strong>nn auch Lautsprachbenutzer s<strong>in</strong>d<br />

stellenweise eher <strong>Gottesdienst</strong>besucher als -teilnehmer. Der Unterschied zwischen bei<strong>de</strong>n Kommunikationssituationen<br />

ist lediglich die Tatsache, daß ke<strong>in</strong>e Orgel und ke<strong>in</strong> Chor dies übertönt.<br />

Außer<strong>de</strong>m haben Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> bildlichere Vorstellungen von Gottes Gegenwart im Wort 88 und<br />

Sakrament und wissen sich so <strong>in</strong> real-existentieller Nähe zum Heiligen. E<strong>in</strong>ige fühlen sich gar<br />

„beobachtet“, wenn sie das Credo u. a. Gebete gebär<strong>de</strong>n. Doch f<strong>in</strong><strong>de</strong>t die <strong>in</strong> Punkt 3.1 beschriebene<br />

I<strong>de</strong>ntitätsstiftung und -stabilisierung <strong>de</strong>r Christen als solche und als Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im Bekenntnis<br />

zum Glaubensgrund auf dieser Abstraktionsebene m. E. nicht statt, son<strong>de</strong>rn <strong>in</strong> <strong>de</strong>r praktizierten<br />

und somit bekennen<strong>de</strong>n Nächstenliebe und Geme<strong>in</strong>schaft. Manuelle Kommunikation formuliert<br />

Bekenntnis im Han<strong>de</strong>ln statt im Sprechen. Insofern ist die – über die Geme<strong>in</strong>schaft gewonnene<br />

– I<strong>de</strong>ntität unentbehrlich für Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau. Doch I<strong>de</strong>ntität impliziert auch das Bewußtse<strong>in</strong>,<br />

an<strong>de</strong>rs zu se<strong>in</strong> als an<strong>de</strong>re. Ausdrücklich im geme<strong>in</strong>samen Bekenntnis zeigt sich <strong>de</strong>r Abstand<br />

zwischen lautsprachbenutzen<strong>de</strong>n und gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Christen. Die M<strong>in</strong>orität f<strong>in</strong><strong>de</strong>t bei <strong>de</strong>r Majorität<br />

<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>skirchen kaum Beachtung und bleibt so auf sich gestellt. Die ecclesiola <strong>in</strong> ecclesia ist<br />

abgeson<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n Versammlungen und Veranstaltungen <strong>de</strong>r lan<strong>de</strong>skirchlichen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Sprachbarrieren.<br />

Diese Barrieren bee<strong>in</strong>flussen auch die Verkündigung. Der Prediger gibt Zeugnis von Gottes Zuwendung,<br />

wor<strong>in</strong> Gott selbst sich <strong>de</strong>n Se<strong>in</strong>en zuwen<strong>de</strong>t. Aber berührt solches Wort Gottes wirklich<br />

<strong>de</strong>n Lebensgrund <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n? Ragt alltägliches Leben <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>?<br />

„Nur wenn das wirkliche Leben <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> und ihrer Glie<strong>de</strong>r <strong>in</strong> ihm zur Sprache kommt,<br />

kann er <strong>Gottesdienst</strong> se<strong>in</strong>, <strong>de</strong>r zum Leben hilft.“ 89 Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau kann folglich nur geschehen,<br />

wenn Verkündigung aus <strong>de</strong>m Leben <strong>in</strong> das Leben h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> spricht. Solange die verordneten Diener<br />

Gottes „ehrenamtlich“ predigen, bleibt wenig Raum für Gespräche sowie für Erfahrungen <strong>de</strong>r<br />

Welt- und Lebenswirklichkeit Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r und somit für Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau im <strong>Gottesdienst</strong>.<br />

Zugleich ist die Frage nach Möglichkeiten <strong>de</strong>r Partizipation angerissen. Der <strong>Gottesdienst</strong> wird<br />

meist von e<strong>in</strong>em ord<strong>in</strong>ierten Pfarrer, e<strong>in</strong>em studierten Profi geleitet, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m heiligen Wort<br />

und Sakrament rout<strong>in</strong>iert und sicher umgehen kann, <strong>de</strong>r auch die eigens<strong>in</strong>nigen Formulierungen<br />

<strong>de</strong>r Bibel verstehen und auslegen kann, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Sekundärliteratur zu <strong>Gottesdienst</strong>en vertraut<br />

ist und sich e<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung bil<strong>de</strong>n kann, weil er e<strong>in</strong>en Überblick hat. Pfarrer s<strong>in</strong>d aus <strong>de</strong>r Sicht von<br />

Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n die geeigneten Personen für gottesdienstliche Handlungen. Sich selbst im <strong>Gottesdienst</strong><br />

zu beteiligen o<strong>de</strong>r Vorschläge zu machen – dazu fühlen sich viele Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> außerstan<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r unterprivilegiert, solange nicht bewußt ist, daß <strong>de</strong>r Pfarrer auch nur e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>mitglied<br />

ist mit e<strong>in</strong>em speziellen Auftrag. Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Laienprediger s<strong>in</strong>d die absolute Ausnahme. Allen-<br />

88 vgl. Kretzer, A.: Glaubensbuch, S. 1 „Gott wohnt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch“<br />

89 Ziemer, J.: <strong>Gottesdienst</strong> und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau. In: Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik. S. 619


33<br />

falls zu e<strong>in</strong>em Lektorat o<strong>de</strong>r noch seltener zum Vorbeterdienst lassen sich Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> „überre<strong>de</strong>n“,<br />

wenn sie genug Zeit f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, dafür zu üben. Daher bestimmen vorrangig ord<strong>in</strong>ierte hören<strong>de</strong><br />

Christen das Ersche<strong>in</strong>ungsbild von gebär<strong>de</strong>nsprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>en, bis e<strong>in</strong>e wirkliche<br />

Partnerschaft von Pfarramtsstellenleiter und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>glied die bisherige Praxis ablöst.<br />

Dann könnte es auch zu e<strong>in</strong>er wirklichen gegenseitigen Wahrnehmung kommen, die e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />

E<strong>in</strong>treten <strong>de</strong>r Christen vor Gott für die Welt und für alle Menschen ermöglicht. Doch<br />

<strong>de</strong>rzeit f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich Weltverantwortung <strong>in</strong> diesem Kontext lei<strong>de</strong>r viel zu selten. E<strong>in</strong>erseits lehnt die<br />

Welt die konkrete Hilfe von „Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten“ allzugern ab. An<strong>de</strong>rerseits nehmen Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> die<br />

Welt zwar als solche war, aber sie wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m Prozeß <strong>de</strong>r öffentlichen Me<strong>in</strong>ungsbildung<br />

größtenteils ausgeschlossen. In Abhängigkeit von <strong>de</strong>r geographischen Distanz zu <strong>de</strong>n Krisenher<strong>de</strong>n<br />

dieser Welt variieren zu<strong>de</strong>m die Vokabeln, sofern – für die <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Medien <strong>de</strong>battierten Probleme<br />

z. B. – überhaupt Gebär<strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d. Folglich ist <strong>de</strong>rjenige, welcher die Fürbitten<br />

vorträgt, sich nicht klar darüber, ob er auch von <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> verstan<strong>de</strong>n wird. E<strong>in</strong>e Anerkennung<br />

<strong>de</strong>r DGS wür<strong>de</strong> hier Erleichterung bewirken können. Aber praktische Hilfe für konkrete<br />

Notsituationen <strong>in</strong> relativer Nähe zu leisten, ist für Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> selbstverständlicher, als z. B. politische<br />

Fürbitte zu halten. Das Bewußtse<strong>in</strong>, <strong>in</strong> Zeiten <strong>de</strong>r Not nicht <strong>de</strong>n Arzt o<strong>de</strong>r auf Arbeit nicht<br />

die Kollegen um Rat fragen zu können, führt häufig dazu, sich an Gott zu wen<strong>de</strong>n und dann<br />

erfahrene Güte aus Gottes Hand zu empfangen. Daher bitten Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gott bewußt um Beistand<br />

und Bewahrung se<strong>in</strong>er Geschöpfe – <strong>in</strong> existentiellem statt politischem S<strong>in</strong>ne. Aktiver Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aufbau<br />

mit Außenwirkung ist so kaum möglich.<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> dadurch zu bauen, daß im <strong>Gottesdienst</strong> die Subjektivität <strong>de</strong>r Teilnehmer <strong>in</strong> seelsorgerlicher<br />

Verantwortung ernstgenommen wird, ist e<strong>in</strong> diffiziles Unterfangen. E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d die<br />

Seelsorger bei bestem Willen nicht im Stan<strong>de</strong>, zusätzlich zu ihren vielfältigen Diensten mit allen<br />

potentiellen <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmern enge Kontakte zu pflegen. Außer<strong>de</strong>m „belästigen“ die Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>n Lautsprachler auch nicht gern mit ihren „Wehwehchen“. Erst <strong>in</strong> extremen Krisenzeiten<br />

signalisieren sie ihre Hilfsbedürftigkeit, die dann meist <strong>de</strong>r Privatsphäre wegen im <strong>Gottesdienst</strong><br />

nicht thematisiert wer<strong>de</strong>n kann. An<strong>de</strong>rerseits eignet <strong>de</strong>r <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> Subjektivität<br />

von Hause aus, weil je<strong>de</strong>r Mensch se<strong>in</strong>e Gebär<strong>de</strong>n selbst bil<strong>de</strong>t. Als sogenannte „Stammgebär<strong>de</strong>n“<br />

s<strong>in</strong>d sie wie die menschliche Stimme höchst <strong>in</strong>dividueller Ausdruck <strong>de</strong>s jeweiligen „Ich“.<br />

Zu<strong>de</strong>m gibt es die förmliche Anre<strong>de</strong> „Sie“ nicht, wie es auch das „Ihr“ im eigentlichen S<strong>in</strong>ne<br />

nicht gibt, son<strong>de</strong>rn nur das „Du“. Denn Anre<strong>de</strong> be<strong>de</strong>utet Blickkontakt verbun<strong>de</strong>n mit e<strong>in</strong>em<br />

l<strong>in</strong>guistischen In<strong>de</strong>x <strong>in</strong> Form <strong>de</strong>r Namensnennung bzw. <strong>de</strong>s Zeigens. Blickkontakt ist jeweils nur<br />

mit e<strong>in</strong>em Gegenüber möglich. Erst <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Aufe<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rfolge wird <strong>in</strong> <strong>de</strong>r <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> aus<br />

<strong>de</strong>m vielen „Du“ e<strong>in</strong> „Ihr“. Auch <strong>in</strong> Stellvertretung <strong>de</strong>r Anwesen<strong>de</strong>n „Wir“ zu gebär<strong>de</strong>n, erfolgt<br />

im Kontext <strong>de</strong>s Vorbetens e<strong>in</strong>erseits durch <strong>in</strong>klusive Anre<strong>de</strong> je<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>zelnen „wir alle zusammen“<br />

bzw. an<strong>de</strong>rerseits <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Verständnis „ich zusammen mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren“. Daher ist gebär<strong>de</strong>n-


34<br />

sprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>en Subjektivität pr<strong>in</strong>zipiell zu eigen. Diese Subjektivität konstituiert die<br />

Möglichkeit zu Dialogen, zu Informationsaufnahme und -austausch. Das Gegenüber wird zum<br />

Gesprächspartner – <strong>de</strong>r Nachbar, <strong>de</strong>r Prediger, Gott selbst, <strong>de</strong>r zu diesem Treffen e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n<br />

und Geme<strong>in</strong>schaft ermöglicht hat. Zwischen Menschen und Gott ereignet sich Begegnung und<br />

dar<strong>in</strong> christliche Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>. So ist auch gebär<strong>de</strong>nsprachlicher <strong>Gottesdienst</strong> heilsbe<strong>de</strong>utsame Gegenwart<br />

Gottes Israels <strong>in</strong> <strong>de</strong>r feierlichen Geme<strong>in</strong>schaft <strong>de</strong>r Christgläubigen, die sich stets aktuell<br />

realisiert als e<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Menschen ganzheitlich beanspruchen<strong>de</strong>s multil<strong>in</strong>eares Kommunikationsgeschehen<br />

im vertrauten Vollzug gegenseitiger Zuwendung.<br />

5. ÜBERLEGUNGEN ZU KONZEPTIONEN AUS DER KIRCHLICHEN PRAXIS<br />

<strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> ist zwar e<strong>in</strong> relativ junges Phänomen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kirchengeschichte,<br />

jedoch ke<strong>in</strong>e Neuerf<strong>in</strong>dung <strong>de</strong>r letzten Jahre. Innerhalb <strong>de</strong>r EKD wer<strong>de</strong>n solche <strong>Gottesdienst</strong>e<br />

schon e<strong>in</strong>ige Zeit „angeboten“, wodurch das Problembewußtse<strong>in</strong> wuchs, daß Agen<strong>de</strong>n nicht von<br />

Hause aus geeignet s<strong>in</strong>d für <strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>. Daher s<strong>in</strong>d alternative Konzepte<br />

erstellt wor<strong>de</strong>n, liturgische Feiern <strong>de</strong>r Kommunikationssituation angemessener zu gestalten. Alle<br />

Entwürfe wer<strong>de</strong>n nicht vorgestellt, son<strong>de</strong>rn es wird e<strong>in</strong>e Auswahl getroffen anhand <strong>de</strong>r Relevanz<br />

<strong>de</strong>r jeweiligen Konzeption für die hiesige Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>praxis <strong>in</strong> Nord- und Westsachsen.<br />

5.1. ENTWURF VON PFARRER SAUERMANN UND PFARRER KRETZER<br />

Auf <strong>de</strong>r Tagung <strong>de</strong>r Deutschen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft für Ev. Gehörlosenseelsorge (DAFEG)<br />

1982 wur<strong>de</strong>n die „Agen<strong>de</strong>n. Vorschläge für <strong>Gottesdienst</strong>e bei und mit Gehörlosen“ von V. Sauermann<br />

samt <strong>de</strong>ren Motivationen und Genese vorgestellt sowie diskutiert. Anfangs s<strong>in</strong>d für alle<br />

dar<strong>in</strong> enthaltenen Agen<strong>de</strong>n – vom Predigtgottesdienst über Kasualien bis zu E<strong>in</strong>führungen –<br />

diese Ziele verfolgt wor<strong>de</strong>n: I. Agen<strong>de</strong>n als Hilfe für nebenamtliche Kollegen; II. e<strong>in</strong>heitliche<br />

Ordnung als Erkennungszeichen; III. Lippenablesehilfe als Erleichterung <strong>de</strong>r Teilnahme am <strong>Gottesdienst</strong><br />

für Gehörlose; IV. bestmögliche Ausnutzung <strong>de</strong>r Verstehensmöglichkeiten; V. ästhetisch<br />

wertvolle Gestaltung; VI. aktives Mitgebär<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmer. In <strong>de</strong>n Entstehungsprozeß<br />

s<strong>in</strong>d auch Erfahrungen aus <strong>de</strong>m Jahr <strong>de</strong>r Erprobung <strong>de</strong>s Entwurfs e<strong>in</strong>geflossen.<br />

Je<strong>de</strong>r Aspekt h<strong>in</strong>sichtlich Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r und h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>r Kommunikationsverbesserung sollte<br />

Berücksichtigung f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. „So soll feststehen, daß es <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Fragen <strong>de</strong>r Agen<strong>de</strong> nicht um e<strong>in</strong>e<br />

perfekte Theologie geht, son<strong>de</strong>rn vorwiegend um e<strong>in</strong>e Gruppe von Menschen, <strong>de</strong>nen wir etwas<br />

mitteilen wollen. Dies müssen wir sachlich erleichtern.“ 90 Zugleich weist Sauermann auf vorhan<strong>de</strong>ne<br />

Schwachstellen <strong>de</strong>s Entwurfs h<strong>in</strong>: qualitative Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Agen<strong>de</strong>n und Textvorschläge,<br />

fehlen<strong>de</strong> Handlungsanweisungen, weiterh<strong>in</strong> ungünstige Formulierungen (hören, loben, „Ich<br />

aber sage Euch“, „Gott, <strong>de</strong>r Du bist“ usw.). „Damit will ich e<strong>in</strong>fach an<strong>de</strong>uten, zu überlegen, wie<br />

90 Tagungsbericht 1982, S.14


35<br />

weit ich von <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong> her im Inhalt Schwerpunkte setzen kann, um das Teilnehmen am Gehörlosengottesdienst<br />

zu erleichtern.“ 91 Auf <strong>de</strong>r Tagung wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Entwurf zugestimmt, so daß<br />

dann 1985 die zweite Auflage <strong>de</strong>r „Agen<strong>de</strong>n“ ersche<strong>in</strong>en konnte, <strong>in</strong> <strong>de</strong>ren Vorwort <strong>de</strong>r Zweck<br />

<strong>de</strong>s Buches so bestimmt wird: „Diese Agen<strong>de</strong>nvorschläge s<strong>in</strong>d als Hilfe und Anregung beson<strong>de</strong>rs<br />

für <strong>de</strong>n nebenamtlichen Gehörlosenpfarrer gedacht, <strong>de</strong>r nicht immer die Möglichkeit hat, e<strong>in</strong>en<br />

eigenen Entwurf e<strong>in</strong>er Agen<strong>de</strong> zu erstellen.“ 92 Das macht <strong>de</strong>utlich, daß die ursprünglichen Ziele<br />

„wie<strong>de</strong>rerkennbare E<strong>in</strong>heitlichkeit“ (II) und „Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><strong>in</strong>tegration“ (VI) nicht realisierbar schienen.<br />

In <strong>de</strong>m folgen<strong>de</strong>n Durchgang <strong>de</strong>r Agen<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n weitere Problemfel<strong>de</strong>r besprochen.<br />

E<strong>in</strong>ige Aspekte <strong>de</strong>s gesamten <strong>Gottesdienst</strong>verständnisses wer<strong>de</strong>n gleich im Eröffnungsteil <strong>de</strong>r<br />

Variante „Predigtgottesdienst“ 93 <strong>de</strong>utlich. Den Gebeten ist e<strong>in</strong>e eigenwillige Umschreibung <strong>de</strong>s<br />

lautsprachlichen Optativs zu eigen, die eher e<strong>in</strong>em Imperativ ähnelt als e<strong>in</strong>em Flehen zu <strong>de</strong>m<br />

allmächtigen Gott. Deutlich wird dies an <strong>de</strong>m dom<strong>in</strong>anten Confiteor, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> betet,<br />

„Jesus soll vergeben“ und „wir wollen besser“. Erst <strong>in</strong> <strong>de</strong>n entfalteten Kyrie-Rufen erfolgt die<br />

bisher meist unterlassene Nennung <strong>de</strong>s Bittempfängers, jedoch ke<strong>in</strong>e Anrufung Gottes. Selbst im<br />

Kollektengebet als e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>r seltenen Anre<strong>de</strong>n an Gott wird lediglich mitgeteilt, was die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

„will“. Die Kommunikation bleibt <strong>in</strong>direkt auf die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> beschränkt. Dies setzt sich im<br />

apostolischen Credo fort, <strong>de</strong>m e<strong>in</strong> Predigtgebet, die Predigt und Fürbitten folgen. Erst im Vaterunser<br />

wird wie<strong>de</strong>r Gott angesprochen, weil die Textfassung <strong>de</strong>r Lautsprache entspricht. Diese<br />

Anre<strong>de</strong> ist also mit <strong>de</strong>m Gebet importiert wor<strong>de</strong>n. Denn im Segen fehlt sie wie<strong>de</strong>r wie auch <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Zusätzen <strong>de</strong>s „<strong>Gottesdienst</strong>es mit Heiligem Abendmahl“ 94 . Das – eigentlich Gott zugewandte<br />

– Kollektengebet ist dort erweitert um „Wir wollen heute <strong>de</strong>s Heilige Abendmahl feiern. Wir<br />

wollen zu Jesus an <strong>de</strong>n Altar kommen. Wir wissen: Jesus schickt niemand fort.“ Je<strong>de</strong> Form <strong>de</strong>s<br />

Dialoges, die sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bitten zuvor noch an<strong>de</strong>utete, ist damit wie<strong>de</strong>r verschwun<strong>de</strong>n – ebenso<br />

die Fürbitten. Dafür wird die Buße aus <strong>de</strong>m Confiteor wie<strong>de</strong>r aufgegriffen, um mit e<strong>in</strong>er Gna<strong>de</strong>nzusage<br />

zum Sakrament e<strong>in</strong>zula<strong>de</strong>n. Nur an dieser Stelle im <strong>Gottesdienst</strong> spricht <strong>de</strong>r Pfarrer<br />

die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> wirklich an. Die Kommunion ist das e<strong>in</strong>zige echte Kommunikationsgeschehen, das<br />

sich während solcher <strong>Gottesdienst</strong>e ergibt, weil agendarische Texte aus <strong>de</strong>r Lautsprache adaptiert<br />

wur<strong>de</strong>n. Sämtliche weitere „gebär<strong>de</strong>nsprachliche“ Passagen entbehren e<strong>in</strong>es Gegenübers. Die<br />

Gewißheit <strong>de</strong>r heilsamen Zuwendung und Gegenwart Gottes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Zuspruch und Anspruch<br />

ist diesem Entwurf nicht abzuspüren. Allenfalls kommt zur Sprache, daß es sich bei <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong>geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

um e<strong>in</strong>e Versammlung von Christgläubigen han<strong>de</strong>lt, die sich über Glaubens<strong>in</strong>halte<br />

austauschen. Jedoch ist nicht zu erkennen, ob es sich dabei um e<strong>in</strong>e feierliche Geme<strong>in</strong>schaft<br />

91 Tagungsbericht 1982, S.16<br />

92 Agen<strong>de</strong>n, S. 3<br />

93 vgl. Anhang 2<br />

94 siehe Anm. 91


36<br />

han<strong>de</strong>lt 95 . Die Feierlichkeit ist durch <strong>de</strong>n knappen schriftlichen und zeitlichen Umfang wie durch<br />

die ger<strong>in</strong>ge Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>beteiligung beschränkt. Die l<strong>in</strong>guistischen Schwächen könnten geme<strong>in</strong><strong>de</strong><strong>in</strong>tern<br />

korrigiert wer<strong>de</strong>n. Aber e<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Menschen ganzheitlich beanspruchen<strong>de</strong>s, multil<strong>in</strong>eares<br />

Kommunikationsgeschehen im vertrauten Vollzug gegenseitiger Zuwendung sche<strong>in</strong>t nicht vorgesehen<br />

zu se<strong>in</strong>. Der Prämisse, ke<strong>in</strong>e perfekte Theologie zu bieten, ist dieser Entwurf gerecht gewor<strong>de</strong>n.<br />

Vielmehr wird dadurch gottesdienstliches Geschehen verschleiert. E<strong>in</strong>e lautsprachliche<br />

Agen<strong>de</strong> zu übersetzen, trägt mehr zur feierlichen Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> <strong>de</strong>r heilsamen Gegenwart Gottes<br />

bei, als es Sauermann und Kretzer gelungen ist. Daher haben die sächsischen Gehörlosenseelsorger<br />

diese Agen<strong>de</strong> abgelehnt und sich auf e<strong>in</strong>e eigene Konzeption verständigt.<br />

5.2. ENTWURF VON PFARRER WEITHAAS<br />

In Sachsen hat <strong>de</strong>r Gehörlosenseelsorgerkonvent beschlossen, e<strong>in</strong>heitlich <strong>de</strong>n LBG-Übersetzungsvorschlag<br />

96 <strong>de</strong>r lautsprachlichen Agen<strong>de</strong> I von Pfarrer Weithaas zu benutzen. Die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

haben sich <strong>de</strong>m angeschlossen und <strong>in</strong>zwischen <strong>de</strong>n gottesdienstlichen Ablauf regelrecht<br />

ver<strong>in</strong>nerlicht. Dadurch s<strong>in</strong>d die Gehörlosengeme<strong>in</strong><strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Vorgängen im <strong>Gottesdienst</strong> vertraut,<br />

auch wenn frem<strong>de</strong> Liturgen und Prediger mit ihren <strong>in</strong>dividuellen „Stammgebär<strong>de</strong>n“ <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> zu Gast s<strong>in</strong>d. Zu<strong>de</strong>m können gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Christen die lautsprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>e<br />

besser mitvollziehen, <strong>de</strong>nn die eigene <strong>Gottesdienst</strong>praxis erleichtert das – ohneh<strong>in</strong> schwierige –<br />

Lippenablesen, so daß die sonst übliche Erkennungsrate 97 von 33 % bei <strong>de</strong>n liturgischen Elementen<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Erfahrung auf be<strong>in</strong>ahe 100% ergänzt wird. Viel wichtiger jedoch ist die Tatsache<br />

<strong>de</strong>r <strong>in</strong>neren Anteilnahme und <strong>de</strong>s geme<strong>in</strong>samen Feierns. Beispielsweise <strong>de</strong>r Gruß, das vorgezogene<br />

Confiteor, das große Gloria, das Credo, das Vaterunser, das Dankopfergebet und die<br />

Fürbitten, wie auch <strong>de</strong>r Segen lassen Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> ohne Umschweife o<strong>de</strong>r Erklärungen an <strong>de</strong>r<br />

feierlichen Geme<strong>in</strong>schaft aller Christen <strong>de</strong>r Welt partizipieren, die <strong>in</strong> diesen Gebeten und Elementen<br />

vere<strong>in</strong>t <strong>de</strong>r heilsamen Gegenwart Gottes gewiß s<strong>in</strong>d.<br />

Entgegen <strong>de</strong>m Entwurf <strong>in</strong> 5.1 wird <strong>in</strong> <strong>de</strong>rart gestalteten <strong>Gottesdienst</strong>en <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> <strong>de</strong>r<br />

Reichtum feierlicher Ausdrucksmöglichkeiten nicht vorenthalten, son<strong>de</strong>rn die Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d<br />

Handlungsträger im lebendigen Dialog zwischen Gott, Liturgen und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>: Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

stimmen Lie<strong>de</strong>r 98 an und bitten o<strong>de</strong>r danken Gott selbst. Sie feiern buchstäblich im geme<strong>in</strong>samen<br />

und vertrauten Vollzug die Gegenwart Gottes, wovon das umfangreiche eucharistische Dankgebet<br />

u. a. Zeugnis gibt, ohne dabei die gegenseitige Zuwendung im Dankopfer und Allgeme<strong>in</strong>en<br />

Kirchengebet aus <strong>de</strong>m Blick zu verlieren.<br />

95 Das for<strong>de</strong>rten auch Diskussionsteilnehmer im Tagungsbericht 1982, S. 17: „Der <strong>Gottesdienst</strong> muß nicht nur vom<br />

Verstand her verstehbar se<strong>in</strong>, son<strong>de</strong>rn auch erlebbar.“<br />

96 vgl. Anhang 3<br />

97 siehe Anm. 84<br />

98 Gebär<strong>de</strong>nlie<strong>de</strong>r s<strong>in</strong>d Gedichte mit gegenständlichem Vokabular. Sie wur<strong>de</strong>n größtenteils aber von Lautsprachbenutzern<br />

geschaffen und s<strong>in</strong>d <strong>de</strong>shalb nicht direkt Ausdruck <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>frömmigkeit. Bis Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> selbst diesbezüglich kreativ<br />

wer<strong>de</strong>n, s<strong>in</strong>d die vorhan<strong>de</strong>nen Texte e<strong>in</strong>e gute Möglichkeit, <strong>Gottesdienst</strong> bewußt und aktiv zu gestalten.


37<br />

E<strong>in</strong>er <strong>de</strong>r Nachteile daran jedoch ist, daß die Gestalt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es überhaupt nicht variiert.<br />

Im jahreszeitlichen Kontext wird e<strong>in</strong>em Sonntag wie <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren begegnet – abgesehen von <strong>de</strong>n<br />

Lesungen und <strong>de</strong>r Predigt. Das Tagesgebet und das Allgeme<strong>in</strong>e Kirchengebet s<strong>in</strong>d so allgeme<strong>in</strong>,<br />

daß sie be<strong>de</strong>nkenlos von e<strong>in</strong>er liturgischen Feier zur nächsten übertragen wer<strong>de</strong>n können. Der<br />

Vorteil e<strong>in</strong>er Agen<strong>de</strong> als Ablaufsempfehlung wird ihr Nachteil, sobald man sie für alle Anlässe<br />

je<strong>de</strong>rzeit heranzieht. Dies ist allzuhäufig <strong>de</strong>r Fall. Außer<strong>de</strong>m kann sie nicht alle<strong>in</strong> – Gottes Gegenwart<br />

zunächst vorausgesetzt – mit ihrem Wortlaut Feierlichkeit bewirken, <strong>de</strong>nn die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

feiert <strong>in</strong> „ihrer“ Sprache <strong>Gottesdienst</strong>, <strong>de</strong>r mit e<strong>in</strong> und <strong>de</strong>rselben Agen<strong>de</strong> teils festlichen Charakter<br />

hat und teils auch wie<strong>de</strong>r nicht. Gebär<strong>de</strong>nkompetenz spielt hierbei e<strong>in</strong> wichtige Rolle, weil<br />

sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Wortwahl die Theologie <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> kristallisiert und sich somit <strong>Gottesdienst</strong> stets<br />

geme<strong>in</strong><strong>de</strong>bezogen ereignet. Die Verständigung darauf muß ggf. je<strong>de</strong>n Sonntag neu geschehen,<br />

solange Worte alle<strong>in</strong> statt <strong>de</strong>r ganzen Liturgie <strong>Gottesdienst</strong>en ihr Gepräge verleihen.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Nachteil zeigt sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Entwurf von Weithaas daran, daß <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Gebeten die<br />

traditionellen Optative <strong>de</strong>r Lautsprache abgedruckt wur<strong>de</strong>n. Im Vertrauen auf die verheißene<br />

Gebetserhörung wissen Christen zwar, daß ihre Bitten erfüllt wer<strong>de</strong>n, die aber erst auszusprechen<br />

s<strong>in</strong>d im Glauben. Diese Schwebe <strong>de</strong>r Realität ist aber e<strong>in</strong> <strong>de</strong>rart komplexes Abstraktum, das mit<br />

Gebär<strong>de</strong>n schlicht nicht zu fassen ist. So s<strong>in</strong>d die eigenwilligen Formulierungen <strong>in</strong> 5.1 entstan<strong>de</strong>n.<br />

In Sachsen wird zumeist Indikativ gebär<strong>de</strong>t und <strong>de</strong>r gebär<strong>de</strong>nuntypische Optativ gesprochen.<br />

E<strong>in</strong> an<strong>de</strong>res Beispiel für zuviel Traditionalismus <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Entwurf ist <strong>de</strong>r Gruß, <strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r lautsprachlichen<br />

Variante abgedruckt ist. Mehr Mut zum Indikativ jedoch könnte dazu verhelfen, <strong>de</strong>r<br />

Glaubensgewißheit <strong>de</strong>s Credos im ganzen <strong>Gottesdienst</strong> Raum zu gewähren, wenn z. B. statt mit<br />

<strong>de</strong>r Formel „im Namen Gottes“, die wenig gegenständlich ist, <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong> zusammen „mit<br />

Gott <strong>de</strong>m Vater“ begonnen wird. Der Glaube an die Gegenwart <strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r dazu e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n hat,<br />

lebt <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Bewußtse<strong>in</strong>, auf se<strong>in</strong>en Wunsch h<strong>in</strong> versammelt zu se<strong>in</strong>. Nichts an<strong>de</strong>res sagt das tr<strong>in</strong>itarische<br />

Votum <strong>de</strong>r lautsprachlichen Agen<strong>de</strong>n – mit gebär<strong>de</strong>nunfreundlichen Lexemen.<br />

Schließlich s<strong>in</strong>d die Elemente mit wirklichkeitsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Wirkung wie z. B. <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsgruß<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Segen als Bitten formuliert, wodurch die tatsächliche Gabe <strong>de</strong>s Erbetenen <strong>in</strong> Aussicht<br />

gestellt, aber nicht zugesprochen wird. Auch hier wäre <strong>de</strong>r Indikativ e<strong>in</strong>e begrüßenswerte Variante,<br />

zumal viele Gehörlose v. a. <strong>de</strong>n Segen als reale Handlung glauben, weil <strong>de</strong>r Unterschied <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Aussprache zwischen Optativ und Indikativ oft nicht zu sehen ist. Speziell visuell wahrnehmen<strong>de</strong><br />

Menschen fühlen sich von kreativ gestalteten und dadurch ganzheitlich beanspruchen<strong>de</strong>n gottesdienstlichen<br />

Handlung berührt. Den Segen gestisch und räumlich als Geschehen erfahrbar zu<br />

machen, ver<strong>de</strong>utlicht die Zuwendung Gottes zu diesen Menschen, auch wenn man die Hän<strong>de</strong><br />

zum Gebär<strong>de</strong>n benutzt. Bewußte Visualisierung von theologischen Inhalten ist e<strong>in</strong>e Möglichkeit,<br />

die Balance von traditionellen und neuen Texten zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, so daß sich das Kommunikationsgeschehen<br />

stets aktuell realisieren kann. Deshalb hat die DAFEG e<strong>in</strong>en Ausschuß dazu gebil<strong>de</strong>t.


38<br />

5.3. ENTWURF „VISUELLE LITURGIE“ DER DAFEG<br />

In Köln entsteht z. Z. e<strong>in</strong>e DVD, die als Hilfe für jene Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n gedacht ist, die <strong>Gottesdienst</strong>e<br />

<strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> reicher gestalten wollen. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich also weniger um e<strong>in</strong>en Agen<strong>de</strong>nentwurf<br />

als um e<strong>in</strong> „Werkbuch“, womit neue Erfahrungen im gottesdienstlichen Vollzug<br />

möglich wer<strong>de</strong>n können. Anhand e<strong>in</strong>es exemplarischen <strong>Gottesdienst</strong>ablaufs wer<strong>de</strong>n Vorschläge<br />

gemacht, um das Confiteor o<strong>de</strong>r das eucharistische Abendmahl, die Verkündigung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Segen<br />

stärker zu entfalten. Kirchenjahreszeitliche Akzentuierungen s<strong>in</strong>d gleichermaßen vorgesehen<br />

wie alternative Formulierungen zentraler christlicher Texte. Dar<strong>in</strong> ist die „visuelle Liturgie“ <strong>de</strong>m<br />

EGB vergleichbar. Daß es nicht <strong>in</strong> Druckform ersche<strong>in</strong>t, liegt e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Problematik <strong>de</strong>r<br />

Schrift begrün<strong>de</strong>t. An<strong>de</strong>rerseits ist die konkrete Visualisierung <strong>in</strong> Raum und Zeit von theologischen<br />

Inhalten e<strong>in</strong>zelner Elemente <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es beabsichtigt, die sich nicht <strong>in</strong> Worte fassen<br />

läßt. Der größte Vorteil besteht aber dar<strong>in</strong>, daß Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> selbst daran mitwirken. Dadurch ist<br />

die Epoche verlassen, daß Lautsprachbenutzer die Texte für die „benachteiligten“ Gebär<strong>de</strong>nsprachbenutzer<br />

übersetzen mußten. Nunmehr könnte <strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> auch<br />

<strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> Muttersprache be<strong>de</strong>uten, wor<strong>in</strong> Gott sich <strong>de</strong>n Menschen mitteilt.<br />

Allem voran ist darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß <strong>de</strong>r Entwurf <strong>in</strong> DGS konzipiert ist. Nur das Vaterunser<br />

und das Credo s<strong>in</strong>d als Ausnahmen <strong>in</strong> LBG <strong>de</strong>n DGS-Varianten zur Seite gestellt. E<strong>in</strong> Votum,<br />

<strong>de</strong>r Segen, die E<strong>in</strong>setzungsworte usw. s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> DGS formuliert. Neben diesen Übersetzungen<br />

wer<strong>de</strong>n Möglichkeiten vorgestellt, das Proprium <strong>de</strong>s Tages angemessen zu visualisieren. Das kircheneigene<br />

o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong> frem<strong>de</strong>s Geläut kann gefilmt und zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es gezeigt wer<strong>de</strong>n,<br />

wie auch thematisch abgestimmte Vi<strong>de</strong>os die Funktion <strong>de</strong>r Musik zum E<strong>in</strong>gang und zum<br />

Ausgang übernehmen können. Den Raum zusätzlich zu <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Paramenten usw. mit<br />

Tüchern unicolor o<strong>de</strong>r völlig bunt zu gestalten, <strong>de</strong>n Altar, <strong>de</strong>n Mittelgang o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Taufste<strong>in</strong> ggf.<br />

dadurch noch stärker zu betonen, Blätter, Blumen, Ste<strong>in</strong>e, Sand o<strong>de</strong>r Wasser sowie Duftkerzen<br />

<strong>de</strong>zent o<strong>de</strong>r eher übertrieben e<strong>in</strong>zusetzen, s<strong>in</strong>d Varianten <strong>de</strong>r Visualisierung von gottesdienstlichen<br />

Inhalten. H<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>r Verkündigung ist an Folien mit Texten o<strong>de</strong>r Motiven gedacht, an<br />

Diabetrachtungen, Theatergruppen, Schattenspiele o<strong>de</strong>r Pantomimen. Auch Kleidungsstücke und<br />

an<strong>de</strong>re Gebrauchsgegenstän<strong>de</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Dienst <strong>de</strong>r Verkündigung genommen. Zum Thema<br />

„Gott behütet und beschützt“ beispielweise s<strong>in</strong>d von <strong>de</strong>r Ba<strong>de</strong>kappe angefangen über Damenund<br />

Herrenhüte bis zum Zyl<strong>in</strong><strong>de</strong>r und schließlich zum Helm vielfältige Visualisierungen möglich,<br />

die theologischen Inhalte <strong>de</strong>r Verkündigung zu veranschaulichen. In <strong>de</strong>r konkreten Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>situation<br />

f<strong>in</strong><strong>de</strong>t Gottes Anspruch und Zuspruch an die Menschen überraschend neue<br />

Ausdrucksformen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen das <strong>Gottesdienst</strong>geschehen sichtbarer wird.<br />

Die „visuelle Liturgie“ ist e<strong>in</strong> weiterer Schritt auf <strong>de</strong>m Weg zu <strong>de</strong>m Bewußtse<strong>in</strong>, das <strong>Gottesdienst</strong><br />

Kommunikation se<strong>in</strong> will. Daher bietet sie <strong>in</strong>sbeson<strong>de</strong>re sprachliche Chancen, Verkündigung zu<br />

realisieren entsprechend <strong>de</strong>r Wahrnehmungs- und Mitteilungsmodalitäten <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n.


39<br />

Daß dies nicht <strong>de</strong>r letzte Schritt war, versteht sich von selbst. Das beansprucht die „visuelle Liturgie“<br />

für sich auch gar nicht. Die DAFEG hat <strong>de</strong>n Fachausschuß gebil<strong>de</strong>t <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n <strong>in</strong> Deutschland heute, <strong>de</strong>nen dann die Aufgabe obliegt, weiter daran zu arbeiten.<br />

Schon die fehlen<strong>de</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aktivität als Antwort auf Gottes Zuwendung provoziert weiterführen<strong>de</strong><br />

Überlegungen. Das „Gefuchtel“ unter <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmern kann bei aller Liebe<br />

zum liturgischen Detail nicht aufgegeben wer<strong>de</strong>n, ohne <strong>Gottesdienst</strong> zu e<strong>in</strong>er Vorführung zu<br />

pervertieren. Ebenso beraubt die fast durchweg vorgeschlagene DGS – <strong>in</strong> Kölner Dialekt – die<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>glie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>renorts ihrer Reaktions- und damit Partizipationsmöglichkeiten, wodurch<br />

gebär<strong>de</strong>nsprachlicher <strong>Gottesdienst</strong> wie<strong>de</strong>r zurückzufallen droht <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Status „Handlung für“<br />

statt <strong>de</strong>s angestrebten „Han<strong>de</strong>lns mit“. Jedoch auf lange Sicht betrachtet könnte die „visuelle<br />

Liturgie“ große Zustimmung f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, wenn DGS überall anerkannt und benutzt wird. Bis dah<strong>in</strong><br />

kann und will sie nur „Werkbuch“ se<strong>in</strong>, das e<strong>in</strong>en ganzheitlich beanspruchen<strong>de</strong>n und kommunikationsgerechten<br />

<strong>Gottesdienst</strong> anstrebt.<br />

Deshalb steht <strong>de</strong>m Entwurf von Pfarrer Weithaas auch weiterh<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Berechtigung zu, weil<br />

dar<strong>in</strong> – als Kontrast zur „visuellen Liturgie“ – die Feierlichkeit <strong>in</strong> Verantwortung <strong>de</strong>r versammelten<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> zum Tragen kommt. Geme<strong>in</strong>schaft f<strong>in</strong><strong>de</strong>t im Dialog statt, im Wort Gottes und <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Antwort <strong>de</strong>r Glauben<strong>de</strong>n. Im Kontext <strong>de</strong>r ganzen Christenheit dieser Welt kann <strong>de</strong>r Prozeß<br />

<strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong>gestaltung nicht zur Isolation e<strong>in</strong>zelner sprachspezifischer Gruppen e<strong>in</strong>er Kirche<br />

führen, woh<strong>in</strong> die „visuelle Liturgie“ tendiert. Vielmehr ist das Verb<strong>in</strong><strong>de</strong>n<strong>de</strong> zu suchen, das nur<br />

bei Gott zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>r zu Kommunikation e<strong>in</strong>lädt und Geme<strong>in</strong>schaft erst ermöglicht. Vor<br />

<strong>de</strong>n Menschen auf se<strong>in</strong>e Zuwendung zu antworten, ist multil<strong>in</strong>eare Kommunikation und als solche<br />

unverzichtbar für die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Christen. <strong>Gottesdienst</strong> <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne ist feierliche Geme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r heilsamen Gegenwart Gottes, dar<strong>in</strong> die Angesprochenen se<strong>in</strong>e Selbstmitteilung<br />

wahrnehmen und achten.<br />

Für die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>praxis vor Ort ergibt sich aus alle<strong>de</strong>m die Aufgabe, die besprochenen „Vorarbeiten“<br />

fruchtbar zu machen auf <strong>de</strong>m jeweiligen Betätigungsfeld <strong>de</strong>s Glaubens 99 . Ist <strong>Gottesdienst</strong><br />

zugleich Kirche 100 , geschieht er unter Mitsprache und Verantwortung <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>in</strong><br />

ihrer speziellen Situation. Daß z. Z. LBG beibehalten wer<strong>de</strong>n könnte mit e<strong>in</strong>er gewissen Aff<strong>in</strong>ität<br />

zur DGS und darüber h<strong>in</strong>aus auch über mehrere liturgische Möglichkeiten nachzu<strong>de</strong>nken ist,<br />

entspricht <strong>de</strong>m Auftrag <strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>, liturgische Feiern <strong>de</strong>r Kommunikationssituation angemessen<br />

zu gestalten, um <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>ln Gottes <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Versammlung Raum zu gewähren und so von<br />

abstumpfen<strong>de</strong>r Rout<strong>in</strong>e und Betriebsbl<strong>in</strong>dheit befreit se<strong>in</strong>e heilsame Gegenwart zu erfahren.<br />

99 vgl. 1Thess 5,21<br />

100 siehe Anm. 62


6. ZUSAMMENFASSUNG<br />

Nach<strong>de</strong>m nun von <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n und ihrer kommunikationsspezifischen Lebenswirklichkeit<br />

e<strong>in</strong> flüchtiges Bild gezeichnet wor<strong>de</strong>n ist, wur<strong>de</strong>n Implikationen und Strukturen<br />

<strong>de</strong>s Geschehens „<strong>Gottesdienst</strong>“ betrachtet, um anschließend vorhan<strong>de</strong>ne Erfahrungen und Konzepte<br />

kritisch würdigen zu können. Daraus ergab sich die Erkenntnis, daß <strong>Gottesdienst</strong>e <strong>in</strong><br />

<strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> primär bestimmt wer<strong>de</strong>n von Gottes Dienst an <strong>de</strong>n Menschen e<strong>in</strong>erseits und<br />

<strong>de</strong>r Antwort <strong>de</strong>r Menschen im Glauben an Gott an<strong>de</strong>rerseits. Sodann ist festzuhalten, daß die<br />

Menschen mit ihrer Antwort zu Gott und zue<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r <strong>in</strong> Beziehung stehen als Kommunikationsgeme<strong>in</strong>schaft,<br />

die sich bezüglich <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n als nichtorganisierte ecclesiola <strong>in</strong> ecclesia <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>de</strong>r Gesamtheit aller Gläubigen beschreiben läßt <strong>de</strong>r speziellen Sprachform wegen. Doch die<br />

geme<strong>in</strong>same praxis pietatis <strong>de</strong>s gottesdienstlichen Vollzugs bei Lautsprach- und Gebär<strong>de</strong>nsprachbenutzern<br />

macht e<strong>in</strong> Nach<strong>de</strong>nken über Berührungspunkte und Unterschie<strong>de</strong> notwendig.<br />

Notwendig ist jenes, das vorhan<strong>de</strong>ne Not wen<strong>de</strong>t. Deshalb ist <strong>in</strong> Bezug auf Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> zuallererst<br />

über Sprach- und Geme<strong>in</strong>schaftsbarrieren nachzu<strong>de</strong>nken, um diese abbauen bzw. verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />

zu können. Der Auftrag Jesu Christi an die Se<strong>in</strong>en, Gott und e<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r zu lieben, kann nur <strong>in</strong> gegenseitiger<br />

Wahrnehmung zur Ausführung gelangen. Da die gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Christen Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Lan<strong>de</strong>skirche s<strong>in</strong>d, wird bereits auf dieser Ebene die Unerläßlichkeit gegenseitiger Kenntnisnahme<br />

<strong>de</strong>utlich, die sich auf <strong>de</strong>n Ebenen <strong>de</strong>r Ephorie und <strong>de</strong>s jeweiligen Pfarramtsbereichs fortsetzt.<br />

Nur „Son<strong>de</strong>rgottesdienste“ anzubieten, gibt Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n wie auch <strong>de</strong>n Lautsprachbenutzern<br />

nicht vollen Anteil an <strong>de</strong>r Kirche Jesu Christi. Die Erfor<strong>de</strong>rnis, sich entwe<strong>de</strong>r zur Etablierung<br />

gleichberechtigter gebär<strong>de</strong>nsprachlicher Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n e<strong>in</strong>schließlich aller Rechte und Pflichten<br />

o<strong>de</strong>r aber zu e<strong>in</strong>em wirklich <strong>in</strong>tegrativen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>verständnis zu entschließen, geht je<strong>de</strong>r weiteren<br />

Überlegung voraus. Wenn dann <strong>Gottesdienst</strong> das Zentrum <strong>de</strong>s Glaubenslebens ist, verdankt<br />

er se<strong>in</strong>e zentrale Stellung nur <strong>de</strong>r Positionierung <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>aktivitäten.<br />

Ohne Bibelstun<strong>de</strong>, Junge Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> und weitere Möglichkeiten, sich im Glauben auszutauschen,<br />

ist die Versammlung am „Tag <strong>de</strong>s Herrn“ ke<strong>in</strong> Hauptgottesdienst. Insofern ist auch die Lan<strong>de</strong>skirche<br />

auf allen Ebenen gerufen, die gegenseitige Wahrnehmung im Namen Gottes nicht zu beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rn.<br />

Im Gegensatz dazu geme<strong>in</strong>sam <strong>Gottesdienst</strong> zu feiern, stellt die Vielfalt und <strong>de</strong>n Reichtum<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>heit <strong>de</strong>s Glaubens vor Augen. Sogar die Möglichkeit, <strong>in</strong> ökumenischen <strong>Gottesdienst</strong>en<br />

z. B. e<strong>in</strong>e ganzheitliche Kommunikation zu erleichtern <strong>de</strong>s Universalismus <strong>de</strong>r <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong><br />

wegen, ist <strong>de</strong>nkbar. <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> vermag hilfreich und aufschlußreich zu se<strong>in</strong><br />

auch für Lautsprachbenutzer, die allzugern Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n helfen wollen statt sie als Mitchristen<br />

wahrzunehmen.<br />

Gebär<strong>de</strong>nsprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n ist die gegenseitige Wahrnehmung aller Menschen<br />

gleichfalls aufgetragen, wodurch sich die Flucht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kommunikationsspezifische Nische verbietet.<br />

Gebär<strong>de</strong>nsprachgerechte <strong>Gottesdienst</strong>e mit vielfältigen visuellen Impulsen ereignen sich <strong>in</strong><br />

40


41<br />

Gegenwart <strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r alle Christen <strong>in</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft ruft – mit e<strong>in</strong>em Wort o<strong>de</strong>r auch e<strong>in</strong>em<br />

W<strong>in</strong>k. Daher s<strong>in</strong>d sie alle Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>glie<strong>de</strong>r <strong>in</strong> Christus vere<strong>in</strong>t (Röm 12,5) und zur Antwort auf<br />

se<strong>in</strong>e Zuwendung imstan<strong>de</strong>. Daran s<strong>in</strong>d Christen je<strong>de</strong>r Sprache zu erkennen, daß sie sich zu <strong>de</strong>m<br />

E<strong>in</strong>en Herren bekennen und geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> <strong>de</strong>n himmlischen Lobpreis e<strong>in</strong>stimmen. Insofern<br />

be<strong>de</strong>utet bewußte <strong>Gottesdienst</strong>gestaltung, die Kommunikation zwischen Gott und untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />

zu stärken. Deshalb ist es hilfreich, die <strong>in</strong> lautsprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>en übliche Agen<strong>de</strong> zur<br />

Kenntnis zu nehmen und gemäß ihrer Intention als Werkbuch zu gebrauchen <strong>in</strong> Zusammenschau<br />

mit an<strong>de</strong>ren Angeboten wie z. B. <strong>de</strong>r „visuellen Liturgie“, <strong>de</strong>nn es bedarf mehr als nur<br />

Worte, um sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r ganzen Tiefe menschlichen Se<strong>in</strong>s mitzuteilen, wie Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>ckart schreibt:<br />

„Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Hän<strong>de</strong>n“ (EG 321). Das setzt voraus, daß die<br />

Um- und Übersetzung bei<strong>de</strong>n Sprachformen gerecht wird, daß die Formulierungen <strong>de</strong>n Lexemen<br />

und <strong>de</strong>r Syntax <strong>de</strong>r <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> nahe ist, ohne <strong>de</strong>n S<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s Textes zu verzerren. Das EGB<br />

bietet viele gute Möglichkeiten, auch <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> <strong>Gottesdienst</strong> zu feiern.<br />

E<strong>in</strong>gangs stand die Frage: Ist <strong>de</strong>r agendarische <strong>Gottesdienst</strong> für Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> das, was die Liturgen,<br />

Prediger, Fachleute o<strong>de</strong>r Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n me<strong>in</strong>en bzw. wollen, das er sei? Das kann nach <strong>de</strong>n<br />

bisherigen Betrachtungen und Überlegungen bejaht wer<strong>de</strong>n, wenn man davon ausgeht, daß <strong>Gottesdienst</strong><br />

bewußt gestaltet wird. Auf die an<strong>de</strong>re Frage, ob die Erfahrungen und Erwartungen bei<br />

lautsprachlichen und gebär<strong>de</strong>nsprachlichen <strong>Gottesdienst</strong>teilnehmern vergleichbar seien, kann<br />

ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong><strong>de</strong>utige Antwort gegeben wer<strong>de</strong>n. Die formale Vergleichbarkeit ist zweifelsohne <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Ausführungen erwiesen wor<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e Äquivalenz zwischen bei<strong>de</strong>n Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>situationen h<strong>in</strong>gegen<br />

kann nicht bestätigt wer<strong>de</strong>n, weil Gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong> fast ausschließlich nur <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong>en<br />

christliche Geme<strong>in</strong>schaft erleben. Daher s<strong>in</strong>d die Erwartungen be<strong>de</strong>utend gesteigert bzw. die<br />

Enttäuschung, wenn e<strong>in</strong> <strong>Gottesdienst</strong> ausfallen muß, weil dadurch jedwe<strong>de</strong> Vergewisserung im<br />

Glauben auf <strong>de</strong>n nächsten <strong>Gottesdienst</strong> verschoben wird. Die Erfahrungen unterschei<strong>de</strong>n sich<br />

gleichfalls grundlegend, da <strong>in</strong> Sachsen z. B. Sonntag für Sonntag e<strong>in</strong> und <strong>de</strong>rselbe <strong>Gottesdienst</strong>ablauf<br />

befolgt wird, zumal bisher gebär<strong>de</strong>nsprachliche <strong>Gottesdienst</strong>e von Fremdsprachlern „gehalten“<br />

wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m f<strong>in</strong><strong>de</strong>n weit regelmäßiger <strong>in</strong> „Kirchencafés“ Gespräche statt als bei lautsprachlichen<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Die protestantische Anonymität <strong>de</strong>r „<strong>Gottesdienst</strong>besucher“ ist bei<br />

<strong>Gottesdienst</strong>en <strong>in</strong> <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> be<strong>in</strong>ahe unmöglich. Grundsätzlich unterschei<strong>de</strong>n sich bei<strong>de</strong><br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>situationen und <strong>de</strong>shalb auch die <strong>Gottesdienst</strong>erfahrungen.<br />

Dennoch s<strong>in</strong>d lautsprachliche wie gebär<strong>de</strong>nsprachliche <strong>Gottesdienst</strong>e feierliche Geme<strong>in</strong>schaft <strong>de</strong>r<br />

Christgläubigen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r heilsamen Gegenwart Gottes Israels, die sich stets aktuell realisiert als e<strong>in</strong><br />

die Menschen ganzheitlich beanspruchen<strong>de</strong>s multil<strong>in</strong>eares Kommunikationsgeschehen im vertrauten<br />

Vollzug gegenseitiger Zuwendung. Solange Gott <strong>in</strong> diese Geme<strong>in</strong>schaft mit sich ruft,<br />

dürfen wir im Vertrauen auf se<strong>in</strong>e Hilfe uns weiterh<strong>in</strong> darum bemühen, geeignete <strong>Gottesdienst</strong>formen<br />

zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, die es ermöglichen, angemessen mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong> zu feiern.


I<br />

ANHANG 1<br />

For<strong>de</strong>rungen nach Anerkennung <strong>de</strong>r <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> auf <strong>de</strong>n wichtigen Ebenen:<br />

Um die Lebenssituation Gehörloser zu verbessern und die I<strong>de</strong>ntität dieser Geme<strong>in</strong>schaft mit eigenen<br />

Kommunikationsformen zu stärken, ist neben <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Anerkennung, die gesetzliche Anerkennung <strong>de</strong>r<br />

<strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> unbed<strong>in</strong>gt notwendig. Die Grundlage bil<strong>de</strong>t die Auffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Europaparlaments vom 17.6.88,<br />

die För<strong>de</strong>rung und Umsetzung <strong>de</strong>r Anerkennung nationaler Zeichensprachen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n EU-Staaten Schritt um Schritt zu<br />

realisieren. Nach<strong>de</strong>m seitens <strong>de</strong>r Gehörlosen viel gekämpft wur<strong>de</strong> und sich seit kurzem auch M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>de</strong>nten<br />

verschie<strong>de</strong>ner Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r und Politiker für diese Ziele e<strong>in</strong>setzen, müssen alle hörgeschädigten Verbän<strong>de</strong> dies<br />

unterstützen und <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung Nachdruck verleihen.<br />

Anerkennung auf politischer Ebene:<br />

· Anhörung <strong>de</strong>r Gehörlosenvertreter über beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenspezifische Fragen<br />

· Beratungsrecht <strong>de</strong>r Gehörlosenvertreter <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Politik<br />

· Umsetzung <strong>de</strong>r Anerkennung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Grundgesetzes Art.1<br />

· Verbesserung <strong>de</strong>r Nachteilsausgleiche für Gehörlose/Hörgeschädigte<br />

Anerkennung auf juristischer Ebene:<br />

· Anerkennung <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>nsprach-DolmetscherInnen bei Gerichten und Behör<strong>de</strong>n<br />

· selbstbestimmter Rechtsanspruch <strong>de</strong>r Gehörlosen/Hörgeschädigten auf Gebär<strong>de</strong>nsprach-DolmetscherInnen bei<br />

Beratungsgesprächen<br />

Anerkennung auf gesellschaftlicher Ebene:<br />

· För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r kommunikativen Lebensbewältigung, <strong>de</strong>r sozialen Kontakte. Beseitigung kommunikativer<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung und sozialer Ausgrenzung.<br />

· Anspruch auf freie Wahl <strong>de</strong>r Kommunikation mit o<strong>de</strong>r ohne Gebär<strong>de</strong>nsprach-DolmetscherInnen<br />

· Recht auf öffentliche, allgeme<strong>in</strong>e und beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenspezifische Informationen durch Medien und Veranstaltungen<br />

z. B.: Untertitelung bzw. Dolmetschere<strong>in</strong>blendungen im Fernsehen, E<strong>in</strong>satz von Dolmetschern<br />

Anerkennung auf pädagogischer Ebene:<br />

· Gleichrangiger E<strong>in</strong>satz <strong>de</strong>r <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> und <strong>de</strong>r Lautsprache im Unterricht für Gehörlose/Hörgeschädigte.<br />

Dadurch wird e<strong>in</strong>e Vergrößerung <strong>de</strong>s Wortschatzes, e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Grammatik, <strong>de</strong>r Lautsprachund<br />

Schriftkompetenz und e<strong>in</strong>e umfangreichere Wissensvermittlung erreicht.<br />

· Zw<strong>in</strong>gen<strong>de</strong> Gebär<strong>de</strong>nsprachkompetenz <strong>de</strong>r Gehörlosen Pädagogen durch e<strong>in</strong> Prüfungsfach <strong>de</strong>r Universitäten.<br />

Dies be<strong>de</strong>utet e<strong>in</strong>e Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r LPO (Lehramtsprüfungsordung) für Sozialpädagogen für Hörgeschädigte mit <strong>de</strong>r<br />

Pflicht e<strong>in</strong>er zw<strong>in</strong>gend vorgeschriebenen Prüfung zur Feststellung <strong>de</strong>r Kompetenz <strong>in</strong> manuellen Kommunikationsformen<br />

(LBG, DGS, F<strong>in</strong>geralphabet)<br />

· E<strong>in</strong>stellung von gehörlosen/hörgeschädigten Pädagogen an Schulen für Gehörlose / Hörgeschädigte<br />

· Mitspracherecht <strong>de</strong>r Gehörlosenvertreter bei beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungsspezifische Fragen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bildungse<strong>in</strong>richtungen für<br />

Gehörlose/Hörgeschädigte<br />

Anerkennung auf beruflicher Ebene:<br />

· Anerkennung <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>nsprach-DolmetscherInnen als Beruf<br />

· durch e<strong>in</strong>e Ausbildungsordnung verb<strong>in</strong>dlich geregelte, staatlich anerkannte Ausbildung zum/zur Gebär<strong>de</strong>nsprach-<br />

DolmetscherIn<br />

· E<strong>in</strong>stellung von gehörlosen/hörgeschädigten Personen bei gleicher Ausbildung auch an Arbeitsplätzen <strong>de</strong>r freien<br />

Wirtschaft, Behör<strong>de</strong>n und Institutionen, mit entsprechend ausgestattetem Arbeitsplatz (Telekommunikationsmittel).<br />

Anerkennung auf f<strong>in</strong>anzieller Ebene:<br />

· Zuerkennung <strong>de</strong>r Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten Kennzeichnung "GL" (GehörLos)<br />

· rechtlich abgesicherte Regelung <strong>de</strong>r Kostenübernahme für Gebär<strong>de</strong>nsprachdolmetscher durch <strong>de</strong>n jeweils zuständigen<br />

Sozialträger (für Ausbildung und Beruf das Arbeitsamt o<strong>de</strong>r die Hauptfürsorgestelle, für Gesundheit und Mediz<strong>in</strong> die<br />

Krankenkassen, für <strong>de</strong>n allgeme<strong>in</strong>en Lebensbereich die Sozialhilfe o<strong>de</strong>r Hauptfürsorgestelle)<br />

Die Hauptfürsorgestelle könnte aus <strong>de</strong>r Ausgleichsabgabe Mittel für Dolmetscher zur Verfügung stellen.<br />

· Zuerkennung e<strong>in</strong>es Gehörlosengel<strong>de</strong>s (vergleichbar mit <strong>de</strong>m Bl<strong>in</strong><strong>de</strong>ngeld)<br />

Quelle: http://www.taubenschlag.<strong>de</strong>/politik/anerkennung/dgs_for<strong>de</strong>rungen.htm


II<br />

ANHANG 2<br />

Auszug aus <strong>de</strong>m „<strong>Gottesdienst</strong>“ <strong>in</strong>: Agen<strong>de</strong>n, S. 7 ff.<br />

Liturg<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

Wir wollen heute unser Herz öffnen für die gute Botschaft von<br />

Jesus. Wir beg<strong>in</strong>nen unseren <strong>Gottesdienst</strong> im Namen Gottes, <strong>de</strong>s<br />

Vaters und <strong>de</strong>s Sohnes und <strong>de</strong>s Heiligen Geistes.<br />

Amen.<br />

Gott schenkt uns Hilfe. Gott ist <strong>de</strong>r Herr. Gott hat Himmel und Wir wissen: Wir haben oft böse<br />

Er<strong>de</strong> gemacht. Gott hat uns das Leben gegeben. Wir überlegen: Gedanken. Wir haben oft Böses<br />

Was haben wir mit unserem Leben gemacht! Wir <strong>de</strong>nken an getan. Wir haben oft gestritten. Unser<br />

unsere Schuld: à<br />

Leben ist oft nicht <strong>in</strong> Ordnung.<br />

Aber die Bibel schreibt: „Jesus hat euch lieb.<br />

Wir bitten: Jesus Christus soll uns<br />

Ihr dürft immer zu Jesus kommen.“ à<br />

unsere Schuld vergeben. Wir wollen<br />

besser <strong>de</strong>nken und leben und tun.<br />

Die Bibel schreibt: „Jesus will je<strong>de</strong>n Tag bei uns se<strong>in</strong>.“ Darum<br />

wissen wir: Wir s<strong>in</strong>d nicht alle<strong>in</strong>. Wir beten: Lieber Herr Jesus<br />

Christus! Wir s<strong>in</strong>d hier zusammengekommen. Wir wollen e<strong>in</strong>en<br />

<strong>Gottesdienst</strong> feiern. Wir wollen dich anbeten. Wir wollen Dir<br />

danken. Wir wollen <strong>de</strong><strong>in</strong>e gute Botschaft verstehen.<br />

Gott soll jetzt bei uns se<strong>in</strong>.<br />

Gott soll uns se<strong>in</strong>e Kraft schenken.<br />

Gott soll uns se<strong>in</strong>en Heiligen Geist schicken.<br />

Gott soll uns se<strong>in</strong>en Segen geben.<br />

Lesung<br />

Wir bitten Gott um se<strong>in</strong>en Segen, damit wir gut verstehen mit<br />

<strong>de</strong>m Kopf und mit <strong>de</strong>m Herzen.<br />

Predigt<br />

Fürbittengebet<br />

Gott <strong>de</strong>r Vater, Gott, <strong>de</strong>r Sohn und Gott, <strong>de</strong>r Heilige Geist will<br />

euch segnen und beschützen, heute, morgen und je<strong>de</strong>n Tag.<br />

Gott will euch se<strong>in</strong>en Frie<strong>de</strong>n schenken.<br />

Wir bitten Gott:<br />

Wir bitten Gott:<br />

Wir bitten Gott:<br />

Wir bitten Gott:<br />

Amen.<br />

Glaubensbekenntnis<br />

Amen<br />

Vaterunser<br />

Amen<br />

Auszug aus <strong>de</strong>m „<strong>Gottesdienst</strong> mit Heiligem Abendmahl“ <strong>in</strong>: Agen<strong>de</strong>n, S. 17 ff.<br />

... im direkten Anschluß an die Predigt:<br />

Wir bereiten uns vor auf das Heilige Abendmahl. Wir schauen<br />

uns e<strong>in</strong> Bild an. Die Bibel schreibt: „Jesus Christus hat uns alle<br />

e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n. Jesus kennt unsere Angst und Schuld. Jesus will uns<br />

Vergebung schenken.“ Darum kommt zum Altar essen und<br />

tr<strong>in</strong>ken. Jesus will uns Geme<strong>in</strong>schaft schenken. à<br />

E<strong>in</strong>setzung<br />

Jesus Christus ist für uns gestorben. Jesus Christus ist<br />

auferstan<strong>de</strong>n und lebt. Jesus Christus schenkt uns Geme<strong>in</strong>schaft<br />

jetzt. Jesus Christus schenkt uns Geme<strong>in</strong>schaft, auch wenn wir<br />

gestorben s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Ewigkeit. à<br />

[nach <strong>de</strong>r Austeilung]<br />

Wir beten: Wir danken Gott für Brot und We<strong>in</strong>. Wir danken<br />

Gott für die Geme<strong>in</strong>schaft im Abendmahl. Jesus Christus will<br />

uns immer e<strong>in</strong>la<strong>de</strong>n. Wir danken Gott für das ewige Leben. Wir<br />

s<strong>in</strong>d froh. Wir wollen Jesus gehorsam se<strong>in</strong>.<br />

Gott ist unser Vater! Gott hat <strong>de</strong>n<br />

Himmel und die Er<strong>de</strong> gemacht. Wir<br />

danken Gott. Wir beten Gott an. Wir<br />

danken Jesus. Jesus kommt von Gott.<br />

Jesus ist unser Erlöser. Wir beten<br />

Jesus an. Amen<br />

Vaterunser<br />

Gebär<strong>de</strong>nlied: Jesus schenkt mir Brot und<br />

We<strong>in</strong>. Jesus schenkt mir se<strong>in</strong>e Liebe. Ich soll<br />

frei von Sün<strong>de</strong> se<strong>in</strong>. Jesus gibt me<strong>in</strong>em<br />

Herzen Frie<strong>de</strong>n. Jesus läßt mich nicht alle<strong>in</strong>.<br />

Jesus will immer bei mir se<strong>in</strong>.<br />

Amen


III<br />

ANHANG 3<br />

Ordnung für Gehörlosengottesdienst Leipzig<br />

Liturgen<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

E<strong>in</strong>zug<br />

Gebär<strong>de</strong>nlied<br />

Im Namen <strong>de</strong>s Vaters und Sohnes und Heiligen Geistes.<br />

Amen<br />

Der Herr sei mit euch<br />

und mit dir<br />

Brü<strong>de</strong>rn und Schwestern, geme<strong>in</strong>sam feiern wir diesen <strong>Gottesdienst</strong>.<br />

Gott will uns beschenken, und wir wollen Gott ehren.<br />

Wir beten: Herr Jesus Christus: Du suchst das Verlorene:<br />

Wir haben gesündigt vor Dir:<br />

Vergib uns unsere Schuld:<br />

Herr, erbarme Dich<br />

Christus erbarme Dich<br />

Herr, erbarme Dich<br />

Der allmächtige Gott vergebe uns unsere Sün<strong>de</strong> und führe uns<br />

zum ewigen Leben<br />

Amen<br />

Wir wollen Gott von Herzen loben: Ehre sei Gott <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Höhe und Frie<strong>de</strong>n<br />

auf Er<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Menschen.<br />

Herr, Gott, du bist unser Vater, wir loben dich.<br />

Jesus Christus, du bist unser Retter, wir loben dich.<br />

Heiliger Geist, du bist unser Helfer, wir loben dich.<br />

Gott, wir loben dich.<br />

Gott, wir loben dich.<br />

Gott, wir loben dich.<br />

Wir beten: Herr, Gott, lieber Vater, gib uns <strong>de</strong><strong>in</strong>en Geist, daß wir erkennen<br />

und tun was dir gefällt. Wir bitten dich durch Jesus Christus unseren Herrn. Amen<br />

Lesung + Predigt<br />

Glaubensbekenntnis<br />

Dankopfer (Kollekte, Brot und We<strong>in</strong> zum Altar) Wir beten: Herr,<br />

Gott, wir br<strong>in</strong>gen dir unsere Gaben. >Wir br<strong>in</strong>gen dir Brot und We<strong>in</strong>.<<br />

Wir br<strong>in</strong>gen dir unser Leben. Nimm unsere Gaben an und segne sie. Amen<br />

>Der Herr sei mit euch<br />

und mit dir <<br />

>Wir wollen Gott von Herzen danken: Herr, Gott, lieber Vater, wir<br />

>danken dir mit allen Menschen hier und mit allen im Himmel.<br />

>Du bist groß und wun<strong>de</strong>rbar hast du alles gemacht.<br />

>Wir freuen uns über die Sonne und das Licht, das die Welt erleuchtet.<br />

Gott, wir danken dir <<br />

Gott, wir danken dir <<br />

Gott, wir danken dir <<br />

>Wir freuen uns über die Er<strong>de</strong> und die Menschen und alles Leben,<br />

>das du schenkst.<br />

>Du <strong>de</strong>nkst immer an uns, darum hast du Jesus zu uns gesandt.<br />

Gott, wir danken dir <<br />

Gott, wir danken dir <<br />

>Jesus hat K<strong>in</strong><strong>de</strong>r gesegnet und Kranke geheilt. Jesus hat Sün<strong>de</strong>rn<br />

>vergeben und die Menschen geliebt.<br />

Gott, wir danken dir <<br />

>Jesus will auch bei uns se<strong>in</strong> und uns froh und glücklich machen, darum<br />

>hat er se<strong>in</strong> Leben für uns gegeben.<br />

Gott, wir danken dir <<br />

>E<strong>in</strong>setzungsworte<br />

>Lieber Vater, wir <strong>de</strong>nken jetzt an <strong>de</strong><strong>in</strong>en Sohn.<br />

>Jesus ist für uns gestorben.<br />

>Jesus ist vom Tod erstan<strong>de</strong>n.<br />

>Jesus kommt <strong>in</strong> Herrlichkeit.<br />

Jesus ist für uns gestorben <<br />

Jesus ist vom Tod erstan<strong>de</strong>n <<br />

Jesus kommt <strong>in</strong> Herrlichkeit <<br />

>Herr, Gott, sen<strong>de</strong> <strong>de</strong><strong>in</strong>en Geist: Segne diese Gaben und schenke alle,<br />

>die Christi Leib und Blut empfangen, Geme<strong>in</strong>schaft im Glauben,<br />

><strong>in</strong> <strong>de</strong>r Liebe und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Hoffnung auf <strong>de</strong><strong>in</strong>e Herrlichkeit. Amen. Vater unser <<br />

>Der Frie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn sei mit euch allen<br />

>Gebt euch die Hand zum Zeichen <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns<br />

>[nach <strong>de</strong>r Austeilung]<br />

>Danket <strong>de</strong>m Herrn, <strong>de</strong>nn er ist freundlich<br />

>und se<strong>in</strong>e Güte währet ewiglich.<br />

und mit dir <<br />

Frie<strong>de</strong>nszeichen <<br />

Amen


IV<br />

Pfr.:<br />

L1<br />

L2<br />

L1<br />

L2<br />

L1<br />

L2<br />

L1<br />

Pfr.:<br />

Wir beten: Herr, du bist zu uns gekommen. Wir danken dir.<br />

Bleibe bei uns mit <strong>de</strong><strong>in</strong>er Hilfe.<br />

Schenke De<strong>in</strong>er Kirche Vollmacht zum Zeugnis<br />

Stärke unsere Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im Glauben<br />

Erhalte unserem Land und <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n<br />

Wehre <strong>de</strong>r Not und <strong>de</strong>m Hunger <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Welt<br />

Halte Eltern und K<strong>in</strong><strong>de</strong>r auf <strong>de</strong><strong>in</strong>em Weg<br />

Hilf <strong>de</strong>n Alten, <strong>de</strong>n Kranken und E<strong>in</strong>samen<br />

Führe uns und alle <strong>de</strong><strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong><strong>in</strong> Reich<br />

Herr, mit allen <strong>de</strong><strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn loben wir dich heute<br />

und alle Tage bis <strong>in</strong> Ewigkeit<br />

Euch alle segne <strong>de</strong>r allmächtige Gott<br />

<strong>de</strong>r Vater, <strong>de</strong>r Sohn und <strong>de</strong>r Heilige Geist<br />

Auszug<br />

wir bitten dich<br />

wir bitten dich<br />

wir bitten dich<br />

wir bitten dich<br />

wir bitten dich<br />

wir bitten dich<br />

wir bitten dich<br />

wir bitten dich<br />

Amen<br />

Glaubenslied<br />

Amen


V<br />

ABKÜRZUNGEN<br />

Act - Apostelgeschichte ggf. - gegebenenfalls<br />

Anm. - Anmerkung / Fußnote Jes - Prophet Jesaja<br />

Apk - Offenbarung Joh - Johannes-Evangelium<br />

atl. - alttestamentlich Kor - Brief an die Kor<strong>in</strong>ther<br />

Barn - Brief <strong>de</strong>s Barnabas Lk - Lukas-Evangelium<br />

Bd. - Band luth. - lutherisch<br />

BSLK - Bekenntnisschriften<br />

m. E. - me<strong>in</strong>es Erachtens<br />

<strong>de</strong>r ev.-luth. Kirche<br />

bzw. - beziehungsweise Mk - Markus-Evangelium<br />

CA - Confessio Augustana ms - Millisekun<strong>de</strong>n<br />

DAFEG - Dt. Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft für Mt - Matthäus-Evangelium<br />

Ev. Gehörlosenseelesorge<br />

d. h. - das heißt par. - parallel<br />

DGS - Dt. <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> Ps - Psalm<br />

Did - Zwölfapostellehre Röm - Brief an die Römer<br />

DLS - Deutsche Lautsprache S. - Seite<br />

dt. - <strong>de</strong>utsch Thess - Brief an die<br />

Thessalonicher<br />

DVD - Digital Vi<strong>de</strong>o Disk Tit - Brief an Titus<br />

EG - Ev. Gesangbuch u. a. - und/unter an<strong>de</strong>re/m<br />

EGB - Ev. <strong>Gottesdienst</strong>buch usw. - und so weiter<br />

EKD - Evangelische Kirche<br />

u. U. - unter Umstän<strong>de</strong>n<br />

<strong>in</strong> Deutschland<br />

Eph - Brief an die Ephesser v. a. - vor allem<br />

ev. - evangelisch VELKD - Vere<strong>in</strong>igte Ev.-Luth.<br />

Kirche Deutschlands<br />

evtl. - eventuell vgl. - vergleiche dazu<br />

f. - folgen<strong>de</strong> Seite WA - Luther, M.: Werke<br />

FC - Formula Concordiae z. B. - zum Beispiel<br />

ff. - fortfolgen<strong>de</strong> Seiten z. T. - zum Teil<br />

Gal - Brief an die Galater z. Z. - zur Zeit


VI<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

Die Angaben s<strong>in</strong>d nach CIP – E<strong>in</strong>heitsaufnahme <strong>de</strong>r Deutschen Bibliothek alphabetisch angeordnet.<br />

Agen<strong>de</strong>n: Vorschläge für <strong>Gottesdienst</strong>e bei und mit Gehörlosen /<br />

hrsg. i. A. d. Deutschen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft für Evang. Gehörlosen-Seelsorge e.V. –<br />

2., neu überarb. Aufl. – Münster; Nürnberg: Selbstverl., 1985<br />

Die Bekenntnisschriften <strong>de</strong>r evangelisch-lutherischen Kirche /<br />

hrsg. im Ge<strong>de</strong>nkjahr <strong>de</strong>r Augsburgischen Konfession 1930. – 11. Aufl., 45.-47. Tsd. –<br />

Gött<strong>in</strong>gen: Van<strong>de</strong>nhoeck & Ruprecht, 1992<br />

Benselers Griechisch - Deutsches Wörterbuch /<br />

bearb. v. Adolf Kaegi. – 18. Aufl. – Leipzig: Enzyklopädie, 1985<br />

Biblia Sacra utriusque Testamenti. – editio Hebraica et Graeca –<br />

Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 1994<br />

Blick zurück: e<strong>in</strong> Rea<strong>de</strong>r zur Geschichte von Gehörlosengeme<strong>in</strong>schaften<br />

und ihren <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>n / Renate Fischer; Harlan Lane (Hg.).<br />

Aus d. Engl. übers. von Trixi Flügel, ... – Hamburg: Signum-Verl., 1993<br />

(Internationale Arbeiten zur <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> und Kommunikation Gehörloser; Bd. 24)<br />

Boyes Braem, Penny:<br />

E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> und ihre Erforschung. – 3. Aufl. – Hamburg: Signum, 1995<br />

Brunner, Peter:<br />

Zur Lehre vom <strong>Gottesdienst</strong> <strong>de</strong>r im Namen Jesu versammelten Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>. – Neudr. /<br />

mit e<strong>in</strong>em Vorw. von Joachim Stalmann. – Hannover: Luth. Verl.-Haus, 1993<br />

(Leiturgia; N.F., Bd. 2)<br />

Drechsler, Friedrich:<br />

Gehörlosenarbeit <strong>de</strong>r Kirche als Spezialfall <strong>de</strong>r Verkündigung und Seelsorge.<br />

(Diplomarbeit an <strong>de</strong>r Sektion Theologie <strong>de</strong>r Karl-Marx-Universität Leipzig)<br />

Ebb<strong>in</strong>ghaus, Horst:<br />

Warum <strong>de</strong>utsche Wörter wesentliche Bestandteile <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> s<strong>in</strong>d (Teil I).<br />

In: Das Zeichen 12;45, 1998, S.274-279<br />

Ebel<strong>in</strong>g, Gerhard:<br />

Dogmatik <strong>de</strong>s christlichen Glaubens. – Tüb<strong>in</strong>gen: Mohr, 1979<br />

Bd. 3. Der Glaube an Gott <strong>de</strong>n Vollen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt.<br />

Evangelisches Gesangbuch:<br />

Ausgabe für die Evangelisch-Lutherische Lan<strong>de</strong>skirche Sachsens / hrsg. im Auftr. <strong>de</strong>r Evang.<br />

Kirche <strong>in</strong> Deutschland. – Leipzig: Evang. Verlagsanst., 1994<br />

Evangelisches <strong>Gottesdienst</strong>buch: Agen<strong>de</strong> für die Evangelische Kirche <strong>de</strong>r Union und<br />

für die Vere<strong>in</strong>igte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands / hrsg. v. d. Kirchenleitung<br />

d. VELKD und i. A. d. Rates v. d. Kirchenkanzlei <strong>de</strong>r EKU. – Taschenausgabe –<br />

Berl<strong>in</strong>: Evang. Haupt-Bibelgesell. und v. Canste<strong>in</strong>sche Bibelanst.; Bielefeld: Luther-Verl.;<br />

Hannover: Lutherisches Verl.-Haus, 2000


VII<br />

Gehörlose Menschen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Arbeitswelt / W. Bungard (Hg). –<br />

We<strong>in</strong>heim: Beltz, Psychologie-Verlags-Union, 1995<br />

(Arbeits- und Organisationspsychologie <strong>in</strong> Forschung und Praxis; 4)<br />

Die Gehörlosenseelsorge als pastorale Aufgabe <strong>de</strong>r Kirche:<br />

dritter <strong>in</strong>ternationaler ökumenischer Kongreß für Gehörlosenseelsorge<br />

4.-22. Oktober 1983 <strong>in</strong> Rom / hrsg. v. IÖAK. – Leipzig: St.Benno, 1983<br />

Gestalt <strong>de</strong>s <strong>Gottesdienst</strong>es: sprachliche und nichtsprachliche Ausdrucksformen /<br />

mit Beitr. von Rupert Berger ... – 2. durchges. und erg. Aufl. – Regensburg: Pustet, 1990<br />

(<strong>Gottesdienst</strong> <strong>de</strong>r Kirche; 3)<br />

Der <strong>Gottesdienst</strong> zwischen Abbil<strong>de</strong>rn und Leitbil<strong>de</strong>rn /<br />

Jörg Neijenhuis; Wolfgang Ratzmann (Hg.). – Leipzig: Evang. Verlagsanst., 2000<br />

(Beiträge zu Liturgie und Spiritualität; Bd. 5)<br />

Handbuch <strong>de</strong>r Liturgik: Liturgiewissenschaft <strong>in</strong> Theologie und Praxis <strong>de</strong>r Kirche /<br />

hrsg. von Hans-Christoph Schmidt-Lauber und Karl-He<strong>in</strong>rich Bieritz – 2., korr. Aufl. –<br />

Leipzig : Evang. Verl.-Anst.; Gött<strong>in</strong>gen: Van<strong>de</strong>nhoeck & Ruprecht, 1995<br />

Herausfor<strong>de</strong>rung: <strong>Gottesdienst</strong> / Re<strong>in</strong>hold Morath; Wolfgang Ratzmann (Hg.). –<br />

1. Aufl. – Leipzig: Evang. Verlagsanst., 1997<br />

(Beiträge zu Liturgie und Spiritualität; Bd. 1)<br />

Herbst, Hans R.:<br />

Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte zwischen Stigma und Bildung. – 2. Aufl. – Erlangen: Union Aktuell, 1981<br />

Herbst, Wolfgang:<br />

Evangelischer <strong>Gottesdienst</strong>: Quellen zu se<strong>in</strong>er Geschichte / Wolfgang Herbst (Hg.). –<br />

2., völlig neubearb. Aufl. – Gött<strong>in</strong>gen: Van<strong>de</strong>nhoeck & Ruprecht, 1992<br />

Herlyn, Okko:<br />

Theologie <strong>de</strong>r <strong>Gottesdienst</strong>gestaltung / Okko Herlyn. – 2. Aufl. –<br />

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1992<br />

Integrative <strong>Gottesdienst</strong>e: <strong>Gottesdienst</strong>e mit beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten und nicht beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten Menschen,<br />

Alten, Obdachlosen, Gehörlosen und Aussiedlern / hrsg. von Erhard Domay. –<br />

Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus, 2000<br />

(<strong>Gottesdienst</strong>praxis; B,<strong>in</strong>te)<br />

Internationaler Ökumenischer Arbeitskreis für Taubstummenseelsorge /<br />

Engerer Vorstand <strong>de</strong>s IÖAK. – Dres<strong>de</strong>n: Eigenverl., 1980<br />

Joest, Wilfried:<br />

Dogmatik / Wilfried Joest. – Gött<strong>in</strong>gen: Van<strong>de</strong>nhoeck & Ruprecht<br />

Bd. 1. Die Wirklichkeit Gottes. – 4., durchges. Aufl. – 1995<br />

Bd. 2. Der Weg Gottes mit <strong>de</strong>m Menschen. – 4. Aufl. – 1996<br />

Josuttis, Manfred:<br />

Der Weg <strong>in</strong> das Leben: e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Gottesdienst</strong> auf<br />

verhaltenswissenschaftlicher Grundlage / Manfred Josuttis. – 2. Aufl. –<br />

Gütersloh: Kaiser; Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus, 1993


VIII<br />

Kommunikation mit Gehörlosen <strong>in</strong> Lautsprache und Gebär<strong>de</strong> / Alfred Braun [u. a.]. –<br />

München: Bun<strong>de</strong>sarbeitsgem. d. Elternvertreter u. För<strong>de</strong>rer Dt. Gehörlosen-Schulen, 1982<br />

Kretzer, Alfred:<br />

Das kle<strong>in</strong>e Glaubensbuch / Alfred Kretzer – Münster/Westf.: Selbstverl., 1990<br />

Kühn, Ulrich:<br />

Kirche/ Ulrich Kühn. – 2. Aufl. – Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus Mohn, 1990<br />

(Handbuch systematischer Theologie; Bd. 10)<br />

Lane, Harlan: j<br />

Die Maske <strong>de</strong>r Barmherzigkeit: Unterdrückung von Sprache und Kultur<br />

<strong>de</strong>r Gehörlosengeme<strong>in</strong>schaft – Dt. Erstausg. – Hamburg: Signum-Verl., 1994<br />

(Internationale Arbeiten zur <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong> und Kommunikation Gehörloser; 26)<br />

Lange, Ernst:<br />

Chancen <strong>de</strong>s Alltags: Überlegungen zur Funktion <strong>de</strong>s christlichen <strong>Gottesdienst</strong>es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Gegenwart / hrsg. und mit e<strong>in</strong>em Nachwort versehen v. Peter Cornehl. – München: Kaiser, 1984<br />

Luther, Mart<strong>in</strong>:<br />

Werke / D. Mart<strong>in</strong> Luthers Werke. – Kritische Gesamtausg. – Weimar: Böhlau.<br />

Teilw. als Nachdr. d. Ausg. 1883 ff. <strong>in</strong> d. Akad. Dr.-u.-Verl.-Anst., Graz erschienen<br />

Meyer-Blanck, Michael:<br />

Liturgie und Liturgik: <strong>de</strong>r evangelische <strong>Gottesdienst</strong> aus Quellentexten erklärt /<br />

Michael Meyer-Blanck. – Gütersloh: Kaiser; Gütersloher Verl.-Haus, 2001<br />

(Theologische Bücherei; Bd. 97: Studienbücher)<br />

Mit <strong>de</strong>n Augen hören: ökumenisches Handbuch für die Taubstummenseelsorge;<br />

mit Beiträgen zum 1. Ökumenischen Sem<strong>in</strong>ar für Taubstummenseelsorger,<br />

GOES, 1971 <strong>in</strong> Genf / i. A. <strong>de</strong>s Ökumenischen Arbeitskreises für Taubstummenseelsorge<br />

hrsg. von d. Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Evang. Gehörlosenseelsorger Deutschlands e. V. u. d.<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft d. Kath. Gehörlosenseelsorger Deutschlands. Nach d. franz. Ausg. besorgt<br />

von Friedrich W. Luger. [Übers.: Elisabeth <strong>de</strong> Peyer u. Alfred W<strong>in</strong>newisser]. –<br />

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1975<br />

Nöth, W<strong>in</strong>fried:<br />

Handbuch <strong>de</strong>r Semiotik / Wilfried Nöth. – 2., vollständig neu bearb. und erw. Aufl. –<br />

Stuttgart; Weimar: Metzler, 2000<br />

Prillwitz, Siegmund:<br />

Grundkurs Nonverbale Kommunikation und Deutsche <strong>Gebär<strong>de</strong>nsprache</strong>. – Hamburg, 1995<br />

Ruoß, Manfred:<br />

Kommunikation Gehörloser. – Bern u. a.: Huber, 1994 (Arbeiten zur Theorie und Praxis <strong>de</strong>r<br />

Rehabilitation <strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>, Psychologie und Son<strong>de</strong>rpädagogik; Bd. 38)<br />

Rupp, Hans:<br />

Lei<strong>de</strong>n und Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung als Themen <strong>de</strong>r Verkündigung: Anfragen an Predigt und Seelsorge. –<br />

Stuttgart: Verlagswerk <strong>de</strong>r Diakonie, 1983


IX<br />

Sacks, Oliver:<br />

Stumme Stimmen: Reise <strong>in</strong> die Welt <strong>de</strong>r Gehörlosen /<br />

Oliver Sacks.; Dt. von Dirk van Gunsteren. – 26.-30. Tsd. –<br />

Re<strong>in</strong>bek bei Hamburg: Rowohlt, 1995<br />

Schermann, Josef:<br />

Die Sprache im <strong>Gottesdienst</strong> / Josef Schermann. – Innsbruck; Wien: Tyrolia, 1987<br />

(Innsbrucker theologische Studien; Bd. 18)<br />

Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst:<br />

Sämmtliche Werke / Friedrich Schleiermacher's sämmtliche Werke. –<br />

Berl<strong>in</strong>: Reimer. In Fraktur. – Abth. 2, Bd. 5 u. 6 bei Herbig, Berl<strong>in</strong>, erschienen<br />

1. Literarischer Nachlaß zur Theologie;<br />

Bd. 8 Die praktische Theologie nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r evangelischen Kirche /<br />

hrsg. von Jacob Frerichs. – 1850<br />

Schüssler, Anja:<br />

Gehörlosigkeit und Lautsprachtext: zum Stand von Leseforschung und Didaktik. –<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>: Lang, 1997<br />

(Kölner Arbeiten zur Sprachpsychologie; 8)<br />

Tagungsbericht: <strong>Gottesdienst</strong>e für Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> und Schule, Hüllhorst, 18.-22. Oktober 1982 /<br />

hrsg. v. d. Deutschen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft für Evangelische Gehörlosenseelsorge e.V. –<br />

Berl<strong>in</strong>: Selbstverl., 1983<br />

Tagungsbericht: Möglichkeiten und Grenzen religiöser Bildung bei Gehörlosen,<br />

Ludwigshafen, 6. bis 10. Oktober 1980 / hrsg. v. d. Deutschen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

für Evangelische Gehörlosenseelsorge e.V. – Berl<strong>in</strong>: Selbstverl., 1981<br />

Unser Glaube: die Bekenntnisschriften <strong>de</strong>r Ev.-Luth. Kirchen /<br />

i. A. d. Kirchenleitung d. VELKD hrsg. vom Luth. Kirchenamt.<br />

Bearb. von Horst Georg Pöhlmann. – 3.Aufl. –<br />

Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus Mohn, 1991<br />

Volp, Ra<strong>in</strong>er:<br />

Liturgik: die Kunst, Gott zu feiern / Ra<strong>in</strong>er Volp. –<br />

Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus Mohn<br />

Bd. 1. E<strong>in</strong>führung und Geschichte. – 1992<br />

Bd. 2. Theorie und Gestaltung. – 1994<br />

Wenz, Helmut:<br />

Körpersprache im <strong>Gottesdienst</strong>: Theorie und Praxis <strong>de</strong>r K<strong>in</strong>esik für Theologie und Kirche. –<br />

2., erw. Aufl. – Leipzig: Evang. Verl.-Anst., 1996<br />

Nicht publizierte Quellen, die <strong>in</strong> dieser Arbeit Berücksichtigung fan<strong>de</strong>n, s<strong>in</strong>d ausgewählte<br />

Mitschriften <strong>de</strong>s Autors aus <strong>de</strong>m Lehrangebot <strong>de</strong>r Universität Leipzig – beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r 23.<br />

Jahrestagung <strong>de</strong>r Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, die im Frühjahr 2001 an <strong>de</strong>r<br />

Universität Leipzig stattfand. Weiterh<strong>in</strong> wur<strong>de</strong> im Internet recherchiert. Die Adressen s<strong>in</strong>d jeweils<br />

angeben.

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