15.02.2014 Aufrufe

DFR - BGE 71 II 239 - servat.unibe.ch

DFR - BGE 71 II 239 - servat.unibe.ch

DFR - BGE 71 II 239 - servat.unibe.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

238 Obligationenre<strong>ch</strong>t. N° 52.<br />

wenn der Verzi<strong>ch</strong>tende im Dienst des andern stehe oder<br />

die Verantwortli<strong>ch</strong>keit aus dem Betrieb eines obrigkeitli<strong>ch</strong><br />

konzessionierten Gewerbes folge, so dürfe die Haftung<br />

hö<strong>ch</strong>Stens für lei<strong>ch</strong>tes Vers<strong>ch</strong>ulden wegbedungen werden.<br />

Die Beklagte nimmt nun den Standpunkt ein, Art. 101<br />

OR sei auf den vorliegenden Fall ni<strong>ch</strong>t anwendbar, weil<br />

der Gs<strong>ch</strong> V als öffentli<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Vertrag. den privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Bestimmungen des OR ni<strong>ch</strong>t unterstehe.<br />

Die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e EisenbahngesetzgebUng enthält allerdings<br />

in bezug auf die Mitbenutzung von Bahnanlagen gewisse<br />

öffentli<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Bestimmungen. Das gilt vorab<br />

für Art. 30 des BG über den Bau und Betrieb von Eisenbahnen<br />

auf dem Gebiet der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Eidgenossens<strong>ch</strong>aft<br />

vom 23. Dezember 1872, wona<strong>ch</strong> jede Eisenbahnverwaltung<br />

verpfli<strong>ch</strong>tet ist, den Ans<strong>ch</strong>luss anderer s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>er<br />

Eisenbahnunternehmungen an die ihrige in<br />

« s<strong>ch</strong>ickli<strong>ch</strong>er» Weise zu gestatten. Allfällige Anstände<br />

hierüber hat der Bundesrat, also eine Verwaltungsbehörde,<br />

zu ents<strong>ch</strong>eiden. Die Festsetzung der Ents<strong>ch</strong>ädigung für<br />

die Mitbenutzung bestehender Bahnhofanlagen und Bahnstrecken<br />

hat im Streitfalle in einem besonderen Verfahren<br />

vor dem Bundesgeri<strong>ch</strong>t zu erfolgen. Diese Regelung gilt<br />

auf Grund von Art. 2 des BG vom 21. Dezember 1899 au<strong>ch</strong><br />

für die Nebenbahnen.<br />

Damit geben nun wohl öffentli<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Normen dem<br />

Ans<strong>ch</strong>lussverhältnis ein besonders rß<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es Gepräge,<br />

indem sie na<strong>ch</strong> bestimmten Ri<strong>ch</strong>tungen hin zwingendes<br />

Re<strong>ch</strong>t setzen. Das s<strong>ch</strong>liesst aber ni<strong>ch</strong>t aus, dass das Re<strong>ch</strong>tsverhältnis,<br />

soweit öffentli<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Bestimmungen fehlen,<br />

privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Charakter aufweist (vgI. über analoge<br />

Fälle APELT, Der verwaltungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Vertrag, S.133 f.).<br />

Damit ist au<strong>ch</strong> die grundsätzli<strong>ch</strong>e Anwendbarkeit von<br />

Art. 101 OR gegeben.<br />

Die Eins<strong>ch</strong>ränkung, wona<strong>ch</strong> die Haftung für Absi<strong>ch</strong>t<br />

und s<strong>ch</strong>weres Vers<strong>ch</strong>ulden ni<strong>ch</strong>t ausges<strong>ch</strong>lossen werden<br />

darf, wenn der Verzi<strong>ch</strong>tende im Dienst des andern steht,<br />

fällt für den vorliegenden Fall zum vorneherein ausser<br />

Obligationenre<strong>ch</strong>t. N° 53. <strong>239</strong><br />

Betra<strong>ch</strong>t, was keiner näheren Begründung bedarf. Es<br />

kann si<strong>ch</strong> vielmehr nur fragen, ob die Haftung für Absi<strong>ch</strong>t<br />

und grobes Vers<strong>ch</strong>ulden ni<strong>ch</strong>t habe ausges<strong>ch</strong>lossen werden<br />

dürfen, weil die Verantwortli<strong>ch</strong>keit aus dem Betrieb eines<br />

obrigkeitli<strong>ch</strong> konzessionierten Gewerbes folge.<br />

Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen,<br />

dass im Anwendungsgebiet des Art. 101 OR grundsätzli<strong>ch</strong><br />

die Bes<strong>ch</strong>ränkung und Aufhebung der Haftung dur<strong>ch</strong> eine<br />

zum voraus getroffene Abrede gestattet ist und dass die<br />

Vors<strong>ch</strong>rift, wel<strong>ch</strong>e die Zulässigkeit einer sol<strong>ch</strong>en Verabredung<br />

eins<strong>ch</strong>ränkt, eine Ausnahmebestimmung darstellt.<br />

Sie darf daher na<strong>ch</strong> allgemein anerkannten Grundsätzen<br />

ni<strong>ch</strong>t ausdehnend interpretiert werden. Die hier in<br />

Frage stehende Eins<strong>ch</strong>ränkung der Vertragsfreiheit in<br />

Fällen, in denen die Verantwortli<strong>ch</strong>keit aus dem Betrieb<br />

eines konzessionierten Gewerbes folgt, hat ihren Grund<br />

darin, dass der Private, der wegen der MonopolsteIlung<br />

des Konzessionsinhabers zwangsläufig mit diesem kontrahieren<br />

muss, ges<strong>ch</strong>ützt werden sollte (vgl. hierüber<br />

BECKER Kommentar, 2. AuH. N. 8 zu Art. 100). Im vorliegenden<br />

Falle trat indessen der « Konzessionsinhaber » -<br />

wenn, was dahingestellt bleiben kann, die SBB überhaupt<br />

als sol<strong>ch</strong>er anzuspre<strong>ch</strong>en ist - ni<strong>ch</strong>t einem Privaten,<br />

sondern einem andern Konzessionsinhaber gegenüber. Das<br />

gesetzgeberis<strong>ch</strong>e Motiv des Art. 101 Abs.3 OR trifft also<br />

ni<strong>ch</strong>t zu und diese Gesetzesbestimmung ist deshalb ni<strong>ch</strong>t<br />

anwendbar.<br />

53. Auszug aus dem lIrteiI der I. ZiviJabteiIung vom 25. September<br />

1945 i. S. Octo S. A. gegen Spiegl & Waber G.m.b.H.<br />

Kauf. Haftung für zugesi<strong>ch</strong>erte Eigens<strong>ch</strong>aften, Art. 197 OR.<br />

Vente. Responsabilite en raison des qualitea promises. Art. 197 CO.<br />

Vendita. Responsabilita per le qualitd promesse. Art. 197 CO.<br />

A U8 dem Tatbestand :<br />

Die Klägerin kaufte von der Beklagten ein gebrau<strong>ch</strong>tes<br />

Automobil zum Preise von Fr. 7280.-. Der Kilome~er-<br />

18 AS <strong>71</strong> <strong>II</strong> - 1945


240 Obligationenre<strong>ch</strong>t. N° 53.<br />

zähler des Wagens zeigte ca. 42 500 km an; in Wirkli<strong>ch</strong>keit<br />

hatte der Wagen ca. 100000 km hinter si<strong>ch</strong>. Die Klägerin<br />

verlangt Wandelung des Kaufes. Zur Begründung ma<strong>ch</strong>t<br />

sie unter anderm geltend, die Beklagte habe ihr zugesi<strong>ch</strong>ert,<br />

der Wagen habe ni<strong>ch</strong>t mehr als die vom Kilometerzähler<br />

angezeigten ca. 42 500 km zurückgelegt. Die Klägerin<br />

habe betont, dass dieser Umstand für sie sehr wi<strong>ch</strong>tig<br />

sei und ein Wagen mit höherem Fahrkilometerstand für<br />

sie ni<strong>ch</strong>t in Frage käme.<br />

Das Handelsgeri<strong>ch</strong>t des Kantons Bern hat die Klage<br />

abgewiesen.<br />

Das Bundesgeri<strong>ch</strong>t weist die Sa<strong>ch</strong>e an die VorinstaIiz<br />

zurück.<br />

A U8 den Erwägungen:<br />

4. - Die Klägerin hat von Anfang an geltend gema<strong>ch</strong>t,<br />

die Beklagte habe ihr zugesi<strong>ch</strong>ert, dass der Hudson­<br />

Terraplane ni<strong>ch</strong>t mehr als rund 42 500 km gefahren worden<br />

sei. Die Vorinstanz hat hiezu ni<strong>ch</strong>t Stellung genommen,<br />

obwohl dieser Re<strong>ch</strong>tsstandpunkt der Klägerin, falls sie<br />

den Beweis für die erfolgte Zusi<strong>ch</strong>erung zu erbringen vermag,<br />

re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> von grosseI' Bedeutung ist. Denn für zugesi<strong>ch</strong>erte<br />

Eigens<strong>ch</strong>aften haftet na<strong>ch</strong> Art. 197 OR der Zusi<strong>ch</strong>ernde<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin, insbesondere au<strong>ch</strong> dann, wenn trotz<br />

dem Fehlen der zugesi<strong>ch</strong>erten Eigens<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t von<br />

einem Mangel im Sinne des Gesetzes gespro<strong>ch</strong>en. werden<br />

kann. Das ergibt si<strong>ch</strong>, abgesehen vom Sinn des Gesetzes,<br />

ohne weiteres s<strong>ch</strong>on aus dem Wortlaut des Art. 197 OR,<br />

wo von der Haftung 8owolU für zugesi<strong>ch</strong>erte Eigens<strong>ch</strong>aften,<br />

als a~ von der Mängelhaftung im eigentli<strong>ch</strong>en Sinne . des<br />

Wortes die Rede ist. Erforderli<strong>ch</strong> ist nur, dass die Zusi<strong>ch</strong>erung<br />

für den Ents<strong>ch</strong>luss des Käufers, überhaupt oder<br />

dann wenigstens zu den vereinbarten Bedingungen. zu<br />

kaufen, kausal war (so zutreffend STAUB, Kommentar<br />

zum deuts<strong>ch</strong>efi HQB, § 373 Anm. 4J, gegen DÜRINGERI<br />

HACHENBURG; Deuts<strong>ch</strong>es HGB V<strong>II</strong> S. 174 Anm. 191 und<br />

STAUDINGER, Kommentar zum deuts<strong>ch</strong>en BGB, §459<br />

Obligationenrooht. No 53. 241<br />

Anm. 10). Eine sol<strong>ch</strong>e Kausalität ist bei Zusi<strong>ch</strong>erungen<br />

zu vermuten, die na<strong>ch</strong> den Erfahrungen des Lebens allgemein<br />

geeignet sind, den Käufer in seiner Ents<strong>ch</strong>liessung,<br />

überhaupt oder do<strong>ch</strong> zu den konkreten Bedingungen zu<br />

kaufen, ents<strong>ch</strong>eidend zu beeinflussen. Sa<strong>ch</strong>e des Verkäufers<br />

ist es dann, allenfalls diese natürli<strong>ch</strong>e Vermutung<br />

dur<strong>ch</strong> den Na<strong>ch</strong>weis zu zerstören, dass die Zusi<strong>ch</strong>erung im<br />

vorliegenden Falle effektiv für den Käufer bedeutungslos<br />

war. Im übrigen handelt es si<strong>ch</strong> bei der Zu,si<strong>ch</strong>erung<br />

gemäss Art. 197 OR ni<strong>ch</strong>t um einen Vertragsbestandteil,<br />

sondern vielmehr um eine letzten Endes auf die Grundsätze<br />

von Treu und Glauben zurückführende gesetzli<strong>ch</strong>e<br />

Haftung, die beim Vorhandensein eines bestimmten Tatbestandes,<br />

nämli<strong>ch</strong> der bestimmt ums<strong>ch</strong>riebenen Vorstellungsäu,sserung<br />

oder Aussage des Verkäufers, platzgreift<br />

(vgl. STAUFFER, Von der Zusi<strong>ch</strong>erung gemäss Art. 197 OR,<br />

ZBJV Band 80 S. 145 -ff.).<br />

Es liegt nun auf der Hand, dass beim Kauf eines Occasionswagens<br />

die Zahl der gefahrenen Kilometer für den<br />

Käufer regelmässig von Bedeutung ist. Dies gilt ganz<br />

besonders in Fällen 'wie dem vorliegenden, wo der Wagen<br />

no<strong>ch</strong> für teures Geld (die Beklagte selbst nennt Fr. 3000.­<br />

bis 3700.-, inbegriffen im Gesamtpreis von Fr. 7280.-)<br />

auf einen anderen Betriebsstoff umgebaut werden musste.<br />

Ein vernünftiger Käufer wird si<strong>ch</strong> unter sol<strong>ch</strong>en Umständen<br />

ernsthaft fragen, ob er einen so grossen Betrag an einen<br />

s<strong>ch</strong>on erhebli<strong>ch</strong> gefahrenen und daher' au<strong>ch</strong> entspre<strong>ch</strong>end<br />

abgenutzten Wagen wenden wolle, selbst wenn dieser<br />

vorläufig.no<strong>ch</strong> befriedigend fährt. Denn es ist klar, dass<br />

bei Wagen mit höheren Kilometerzahlen die Amortisationsquote<br />

ganz erhebli<strong>ch</strong> steigt. Gelingt daher der Klägerin<br />

der von ihr wiederholt offerierte Beweis für das .Vorliegen<br />

einer eigentli<strong>ch</strong>en Zusi<strong>ch</strong>erung im Sinne von Art. 197<br />

OR, so -wii'tt bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen<br />

sein; däs~ die Kilometerzahl für ihren Ents<strong>ch</strong>luss, überhaupt<br />

oder zu den vereinbarten Bedingungen zu kaufen,<br />

von· kausaler Bedeutung war.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!