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Alb Magazin - Ausgabe Kispel Lauter 4/2013

Regional Magazin auf der Schwäbischen Alb für die Region St. Johann, Sirchingen, Marbach und Gomadingen

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Ortsportrait Offenhausen<br />

<strong>Alb</strong>-<strong>Magazin</strong> <strong>Ausgabe</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Von lustigen Nonnen und edlen Pferden<br />

Am Quelltopf der großen <strong>Lauter</strong>, keine drei Kilometer von Gomadingen entfernt, liegt der Gomadinger Teilort Offenhausen.<br />

Eigentlich nicht mehr als ein paar Häuser an der Landstraße in Richtung Reutlingen, doch auf der linken Seite<br />

von Gomadingen aus kommend, schmiegt sich das ehemalige Klostergelände von Offenhausen in die markante Karstlandschaft.<br />

Im Eingangsbereich thront die ehemalige Klosterkirche mit einer gewissen majestätischen Arroganz – fast<br />

so als wollte sie sagen: Ich habe hier schon viele kommen und gehen sehen. Zu Recht.<br />

Das Dorf Offenhausen wurde erstmals<br />

im Jahr 1161 erwähnt; es war zu diesem<br />

Zeitpunkt eigenständige Pfarrei mit einer<br />

Pfarrkirche. Die Geschichte beginnt aber<br />

wohl schon viel früher, Funde aus der älteren<br />

Eisenzeit von etwa 800 bis 475 v.<br />

Chr. Zeit in der Region bezeugen, dass die<br />

Gegend seit jeher besiedelt war. Die Gründung<br />

von Offfenhausen erfolgte vermutlich<br />

in alemannischer Zeit, Historiker ziehen<br />

hier die Endung „Hausen“ im Ortsnamen<br />

als Indiz heran – eine typische Namensgebung<br />

aus dieser Zeit.<br />

Der Tübinger Historiker Martin Crusius<br />

(1526 bis 1607) erzählt in seiner schwäbischen<br />

Chronik eine Art Offenhausener<br />

Gründungssage, die bis heute aber nicht<br />

verifiziert werden konnte: Ein nicht näher<br />

benannter „Landvogt“ - man nimmt an,<br />

dass dieser auf dem Runden Berg bei<br />

Urach residierte - „...nahm es sehr wunder,<br />

daß niemand an der <strong>Lauter</strong> wegen der rauhen<br />

und kalten Gegend etwas aufrichten<br />

wollte...“. Er ergriff diverse Maßnahmen,<br />

um das Volk herbeizulocken und<br />

„dieser Ursach halben wurde dem Flecken<br />

der Name Offenhausen gegeben, weil jedermann<br />

offenen Paß dazu hatte und darinnen<br />

wohnen durfte, wenn er nur Lust bezeugte...“<br />

So nahmen sich also vermutlich<br />

Menschen aus den umliegenden Dörfern<br />

des engen Tals an. Die erste urkundliche<br />

Erwähnung Offenhausens erfolgte anno<br />

1137/38 in der Chronik des Zwiefalter<br />

Mönches Berthold.<br />

Im Jahre 1258 schenkten die Herren von<br />

Lupfen dem Frauenkloster in Kenhausen<br />

bei Spaichingen ihren Besitz in Offenhausen.<br />

Diese frommen Frauen aus Kenhausen<br />

übersiedelten daraufhin nach Offenhausen<br />

und gründeten dort ein Kloster. Es<br />

ist nicht bekannt welchem Orden der Konvent<br />

von Kenhausen ursprünglich angehörte.<br />

Tatsache ist aber, dass Offenhausen<br />

1278 in den Dominikanerorden aufgenom-<br />

men wurde und den Namen Maria Gnadenzell<br />

erhielt. Um 1330 wurde dann die<br />

Klosterkirche St. Maria Gnadenzell erbaut.<br />

Das Kloster erlangte im Laufe der Zeit einen<br />

gewissen Wohlstand, die Frauen kamen<br />

meist aus adligen und vermögenden<br />

bürgerlichen Familien der Umgebung. Mit<br />

Eintritt ins Kloster unterwarfen sich Frauen<br />

damals einer strengen Klausur und lebten<br />

in Bescheidenheit hinter den Klostermauern.<br />

Ihr Tagesablauf war genau geregelt<br />

und durch die gemeinsamen Gebete im<br />

Konvent bestimmt. Für die Seelsorge der<br />

Schwestern in Offenhausen wurde ein Kaplan<br />

vom übergeordneten Dominikanerorden<br />

aus Esslingen auf die <strong>Alb</strong> gesandt, im<br />

15. Jahrhundert wurde ihm ein Beichtvater<br />

zur Seite gestellt. In der zweiten Hälfte des<br />

15. Jahrhunderts traten an die Stelle der<br />

Gründerfamilie die Grafen von Württemberg<br />

als neue Schutzherren.<br />

Frivole Histörchen<br />

Bis heute kursieren viele Gerüchte und<br />

anrüchige Geschichten über die Nonnen<br />

von Offenhausen, die so gottesfürchtig gar<br />

nicht gewesen sein sollen. Fakt ist, dass<br />

viele junge Frauen und Mädchen damals<br />

von ihren Familien gegen ihren Willen ins<br />

Kloster abgeschoben wurden. Und viele<br />

der unfreiwilligen Nonnen versuchten hinter<br />

den hohen Klostermauern trotzdem<br />

weltlichen Genüssen zu frönen. So erzählt<br />

man sich bis heute hinter vorgehaltener<br />

Hand Geschichten von fröhlichen Trinkgelagen<br />

und Festen in Offenhausen. Ansehnliche<br />

Jünglinge aus der Umgebung sollen<br />

über einen Geheimgang ins Kloster herein<br />

geschmuggelt worden sein und sogar der<br />

junge Graf Eberhard im Bart (1445 bis<br />

1496) soll mal mitgefeiert haben. Was an<br />

diesen frivolen Histörchen wirklich dran ist<br />

beziehungsweise war, wird wohl im Dunklen<br />

der Geschichte verborgen bleiben.<br />

Von Maultieren zu edlen Rössern<br />

Während der Reformation hob das Königreich<br />

Württemberg das Kloster im 16.<br />

Jahrhundert auf. Die letzte Nonne starb<br />

1613. Das Kloster wurde bereits Ende des<br />

16. Jahrhunderts in ein herzogliches Gestüt<br />

zur Zucht von Pferden und Maultieren<br />

umgewandelt. Um 1600 gab es auch eine<br />

Großschäferei. Um 1760 unter der Regentschaft<br />

des Herzogs Carl Eugen blühte die<br />

Maultierzucht besonders auf: Bis zu 36<br />

Mutterstuten standen damals in Offenhausen.<br />

Später ging das Gestüt im Haupt- und<br />

Landgestüt Marbach auf, nach Offenhausen<br />

wurden wegen der saftigen Weiden<br />

zunächst die Stutenfohlen geschickt. Bis<br />

heute spielen die Pferde in Offenhausen<br />

die Hauptrolle. So ist in der Anlage auch<br />

die EU-Besamungs- und Embryotransferstation<br />

des Gestüts beheimatet, von dort<br />

werden die wertvollen Keimzellen tiefgefroren<br />

per Kurier in die ganze Welt verschickt.<br />

Die <strong>Lauter</strong> entspringt gleich hinter dem<br />

heutigen Gestütshof im ehemaligen Klostergarten.<br />

Rund 200 Liter sprudeln pro<br />

Sekunde in den idyllisch gelegenen, glasklaren<br />

Quelltopf. Das 8 Grad kalte Wasser<br />

stammt aus einem Einzugsgebiet von etwa<br />

15 Quadratkilometern. Die Stärke der<br />

Quelle trieb früher gleich die benachbarte<br />

Mühle an.<br />

Heute wohnen 160 Menschen in Offenhausen,<br />

die meisten haben mit dem Gestüt<br />

nichts mehr zu tun. Früher war es ein<br />

Privileg der Gestütsmitarbeiter in der Nähe<br />

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