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Tony Sheridan • Kevin Ayers • Stephen Stills • Justin Hayward • Eric Burdon • Cactus • Albert Hammond<br />
D: € 6,50 • Schweiz CHF 12,00 • A • L • NL • I • B: € 7,00 • Nr. 2/2013 • April/Mai • www.goodtimes-magazin.de<br />
EXTRAS<br />
+++EXTRAS+++<br />
Amiga + Sun Records + Gimmicks<br />
Mord & Totschlag + Die Aussteiger<br />
Jimi Hendrix<br />
Billy Cox & Eddie Kramer:<br />
Auf zu neuen Ufern<br />
Troggs<br />
Reg Presley:<br />
Der ewige Trogg<br />
Manfreds<br />
Zwei Sänger –<br />
viele Erinnerungen<br />
Kreis<br />
Vom Disco-Sound zur<br />
Wagner-Schwere<br />
Willie Nelson<br />
Kraftwerk • Chuck Leavell • Mott The Hoople • Lynsey De Paul • Snakecharmer • Chi Coltrane • Dave Edmunds
INHALT<br />
Ausgabe 123 · April/Mai 2013<br />
10 <strong>Queen</strong><br />
Royale Prozession<br />
14 We Will Rock You<br />
<strong>Music</strong>al in Essen im neuen Gewand<br />
16 Hits dank Gimmicks?<br />
Werbegeschenke der Plattenindustrie<br />
20 Willie Nelson<br />
Outlaw unter Denkmalschutz<br />
24 Kreis<br />
Arnold Fritzsch: Vom Disco-Sound zur Wagner-Schwere<br />
26 Amiga<br />
Auferstanden aus Ruinen – nach der Wende ausverkauft<br />
29 Albert Hammond<br />
Alter Mann mit dem Enthusiasmus eines Jünglings<br />
68 Cactus<br />
Comeback der Rampensäue<br />
69 Petula Clark<br />
Bald erstmals live in Deutschland?<br />
70 Manfreds<br />
Zwei Sänger – viele Erinnerungen<br />
71 Eric Burdon<br />
Erinnerung an Bo<br />
72 Tony Sheridan<br />
Nachruf<br />
76 Reg Presley<br />
Der ewige Trogg<br />
77 Sun Records<br />
Ano<strong>the</strong>r Kind Of Country <strong>Music</strong> ... The Sun Country Box<br />
78 Kevin Ayers<br />
Der Dandy des Pop ist <strong>to</strong>t<br />
79 Lynsey de Paul<br />
Große Künstlerin mit Bühnenangst<br />
81 Chuck Leavell<br />
Verneigung mit Keith<br />
82 Billy Boy Arnold<br />
Bluesporträt No. 39<br />
83 Dave Edmunds<br />
Neue Songs, aber nie mehr live?<br />
84 Kraftwerk<br />
Karl Bar<strong>to</strong>s: Feedback aus der Vergangenheit<br />
86 Live<br />
Jeff Wayne's War Of The Worlds – Rock Meets Classic<br />
87 Stephen Stills<br />
50 Jahre in einer Box<br />
88 Jimi Hendrix<br />
Billy Cox und Eddie Kramer erinnern sich an die Zeit des Umbruchs<br />
90 Green On Red<br />
Helden der Eighties ... und mehr<br />
92 Die Aussteiger<br />
Von Lewis Collins bis Screaming Lord Sutch<br />
95 <strong>GoodTimes</strong>-Newcomer<br />
Allen S<strong>to</strong>ne – Andreas Kümmert – Gary Clark Jr.<br />
96 Justin Hayward<br />
Auch Kitsch ist Kunst<br />
97 Emmylou Harris & Rodney Crowell<br />
Lebenslange Freundschaft<br />
98 Morde & Mörder in der Musikszene<br />
Spiel mir das Lied vom Tod<br />
101 Dave Kelly<br />
Blues mit Kids und Kumpels<br />
102 Snakecharmer<br />
Melodie, AOR plus Blues-Rock<br />
102 Verden Allen<br />
Das Kapitel Mott The Hoople ist vorbei<br />
103 Krokus<br />
Volles Rohr!<br />
104 Es war einmal ...<br />
Ein Blick zurück auf Denkwürdiges<br />
109 Chi Coltrane<br />
Kreuzverhör<br />
110 Skip Bifferty<br />
Band-Archiv<br />
112 Roogala<strong>to</strong>r/Danny Adler<br />
Spurensuche<br />
114 ... zuguterletzt<br />
Richard Thompson – Paul Raymond Project – Devon Allman<br />
<strong>Queen</strong>, S. 10<br />
Manfreds, S. 70<br />
Willie Nelson, S. 20<br />
RUBRIKEN<br />
4 Aktuell – Neues aus der Szene<br />
30 CD/Vinyl-Vorstellungen<br />
61 DVD/Blu-ray-Vorstellungen<br />
63 Buch-Vorstellungen<br />
64 <strong>GoodTimes</strong>-Shop<br />
66 Kleinanzeigen<br />
Edi<strong>to</strong>rial<br />
Reg Presley, S. 76<br />
Kreis, S. 24<br />
Jimi Hendrix, S. 88<br />
67 Abo-Bestellschein<br />
80 Kolumne: Christian Simon<br />
106 Konzertkalender<br />
110 His<strong>to</strong>ry<br />
113 Leserbriefe<br />
114 Impressum<br />
Kaum wurden die anstehenden Deutschland-Shows von Eric<br />
Clap<strong>to</strong>n angekündigt, waren sie auch schon im Handumdrehen<br />
ausverkauft. Der Name des Altmeisters steht dabei stellvertretend<br />
für ein nicht ganz neues Phänomen: Tickets für die ganz Großen<br />
des Musikgeschäfts sind heißbegehrt, egal wie teuer sie auch sein<br />
mögen. Dem steht ein anderes Phänomen gegenüber, das Musikern<br />
wie Veranstaltern zu schaffen macht: Namen der Mittelklasse<br />
ziehen nicht mehr wie gewohnt, selbst etablierte Acts wie<br />
Status Quo, bei denen man weiß, dass man live Gegenwert fürs<br />
Geld bekommt, garantieren nicht mehr für ausverkaufte Hallen.<br />
Und Gruppen oder Interpreten ein, zwei Etagen darunter tun sich schwer, überhaupt Gigs an<br />
Land ziehen zu können – oder müssen auf Abendkasse spielen.<br />
Deutsche Blues-Rocker tun sich schwer, weil das deutsche Publikum offenbar lieber zu (oft<br />
gehypten) vergleichbaren Akteuren aus dem UK oder den USA gehen. Und dass Konzertausrichter<br />
es angesichts sinkender Zuschauerzahlen zunehmend scheuen, ins finanzielle Risiko<br />
zu gehen, ist nachvollziehbar.<br />
Ein Problem ist, dass der Publikumsgeschmack inzwischen absolut unkalkulierbar ist. Große<br />
Veranstaltungen, die einst Kassenschlager waren – wie Jeff Waynes „War Of The Worlds"<br />
oder „Rock Meets Classic" mit klangvollen Namen –, ziehen plötzlich nicht mehr so, obwohl<br />
sie den Besuchern neben Stars auch einen für Rockkonzerte nicht unbedingt üblichen Komfort<br />
in großen Hallen bieten. Doch genau dieser Punkt hat offenbar bei vielen Akteuren, die<br />
in Clubs auftreten, eine wachsende Bedeutung: Die Musikliebhaber werden wie ihre Favoriten<br />
immer älter. Anderthalb Stunden Stehen ist nicht mehr jedermanns Sache, ebenso die<br />
immer noch von vielen Rockern übertriebene Lautstärke. Erschwerend kommen die teilweise<br />
doch deutlich gestiegenen Eintrittspreise hinzu.<br />
Da ist es fast schade, dass es im Musikpublikum – anders als im Fußball – keine Fanzusammenschlüsse<br />
gibt, die mit den Veranstaltern erörtern könnten, woran es im aktuellen Konzertgeschehen<br />
(neben oft schlechter Werbung) krankt. Vielleicht haben Sie, liebe Leserinnen<br />
und Leser, Hinweise und Tipps, was verbessert werden könnte. Und gehen Sie weiter eifrig in<br />
Konzerte – Sie tun damit sich selbst, den Künstlern, die davon leben, aber auch <strong>GoodTimes</strong><br />
als Informationsträger Gutes ...<br />
Fabian Leibfried<br />
-Herausgeber/Chefredakteurkult!<br />
ab 19.4.<br />
No.8 erhältlich!<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 3
Aktuell News Aktuell<br />
Ten Years After treten im ersten Halbjahr<br />
konzerttechnisch ein wenig kürzer,<br />
„weil wir in den letzten Jahren zu viel in<br />
Europa präsent waren", sagte Drummer Ric<br />
Lee <strong>GoodTimes</strong>. „Eine Ausnahme ist unser<br />
Auftritt bei den Ro<strong>the</strong>r Bluestagen, zu dem<br />
wir extra einfliegen." Allerdings wird es laut<br />
Lee „Ende 2013, spätestens Anfang nächsten<br />
Jahres ein neues Album geben, das wir<br />
live auch mit frischen Songs einspielen, weil<br />
es im Studio nicht so recht hinhaut"+++<br />
Das Hannoveraner Label SPV setzt seine<br />
Vinyloffensive fort: Die neue Staffel mit<br />
„schwarzem Gold" aus den 80er Jahren<br />
umfasst GO FOR YOUR LIFE von Mountain<br />
(1985), IN THE CITY OF ANGELS von Sänger<br />
Jon Anderson (Ex-Yes; 1988), Johnny<br />
Winters RAISIN' CAIN (1980), Quiet Riots<br />
selbst betiteltes Opus aus dem Jahr 1988<br />
sowie THUNDER STEEL der Schwermetaller<br />
Riot (1988, Do-LP)+++<br />
Eine Werkschau mit zwei CDs und einer<br />
DVD („Rockpalast") planen der englische<br />
Singer/Songwriter Julian Dawson und<br />
sein deutsches Label Blue Rose für das<br />
kommende Frühjahr. Den Schwerpunkt<br />
sollen dabei vor allem Veröffentlichungen<br />
des fließend deutsch sprechenden einstigen<br />
WDR-Modera<strong>to</strong>rs Dawson (Plainsong)<br />
von seinen Alben der 80er und 90er<br />
Jahre bilden. Zuletzt hatte der 58-Jährige<br />
sein einjähriges Solo-Sabbatical beendet<br />
und war bereits wieder solo live auf deutschen<br />
Bühnen zu erleben+++<br />
Alt-Folkie Gordon Giltrap (g, voc) hat sich<br />
mit Jungrocker Oliver Wakeman (keys;<br />
Yes, Strawbs) zusammengetan, um ein ambitioniertes<br />
Projekt zu realisieren: Eine eigenwillige<br />
Mischung aus Folk und Prog-Rock ist<br />
auf dem Doppelalbum RAVENS AND LULLA-<br />
BIES zu hören, das am 22. März erscheint.<br />
Neben neuen Studio-Aufnahmen des Duos<br />
sind auf einer Bonus-CD Aufnahmen von<br />
seiner 2012er UK-Tour zu hören+++<br />
Für den 26. April ist die Veröffentlichung<br />
des neuen und dann 19. Studioprodukts<br />
von Deep Purple festgesetzt. Es wird<br />
den Titel NOW WHAT?! tragen. Außerdem<br />
wurden erste Konzertdaten von Ian<br />
Gillan, Roger Glover, Ian Paice, Steve<br />
Morse und Don Airey für Deutschland im<br />
Sommer angekündigt+++<br />
STATE ist das neue Studiowerk des experimentierfreudigen<br />
Rock-Altmeisters Todd<br />
Rundgren betitelt, das ab 5. April in den<br />
Plattenläden (und Download-Shops) stehen<br />
wird. Es ist das 24. Solo-Album des einstigen<br />
Nazz- und U<strong>to</strong>pia-Masterminds, das<br />
auch die New York Dolls, Patti Smith, Meat<br />
Loaf, XTC oder Hall & Oates produzierte+++<br />
WROTE A SONG FOR EVERYONE heißt das<br />
neue Album von John Fogerty, das ab<br />
dem 24. Mai erhältlich sein wird. Der einstige<br />
CCR-Frontmann hat dafür zwei neue<br />
Kompositionen eingespielt und ansonsten<br />
Klassiker aus den Zeiten mit Creedence<br />
Clearwater Revival, aber auch seines Soloschaffens<br />
mit namhaften Gästen frisch<br />
aufgenommen. Die Foo Fighters sind mit<br />
dabei, Bob Seger, Allen Toussaint, die<br />
Country-Stars Keith Urban, Brad Paisley<br />
und Alan Jackson, Tom Morello (Rage<br />
Against The Machine), Kid Rock, My Morning<br />
Jacket, Miranda Lambert, Dawes und<br />
die Zac Brown Band. „Musik gemeinsam<br />
mit anderen zusammen zu machen, bereitet<br />
viel mehr Spaß, als allein vor sich hinzududeln",<br />
sagte Fogerty bei einer Vorab-<br />
Listening-Party in Los Angeles+++<br />
Iggy Pop & The S<strong>to</strong>oges haben den<br />
Nachfolger für ihr Album THE WEIRDNESS<br />
von 2007 fertiggestellt. Die beiden überlebenden<br />
Gründungsmitglieder Iggy Pop<br />
(voc) und Scott Ashe<strong>to</strong>n (dr) waren gemeinsam<br />
mit James Williamson (g) und Mike<br />
Watt (b) im Studio, um READY TO DIE einzuspielen.<br />
Als Veröffentlichungsdatum ist<br />
Ende April angekündigt+++<br />
Rock + Pop<br />
Memorabilia<br />
Wall Of Fame • P.O. Box 1950 • 48580 Gronau<br />
Tel.: 0171/7412584 • eMail: info@wall-of-fame.de<br />
Internet: www.wall-of-fame.de<br />
Goldene Schallplatten, Signaturen etc. von Abba<br />
bis Zappa. Das weltweit größte Angebot an Raritä ten<br />
aus dem Bereich Rock+Pop Memorabilia.<br />
Anfragen bitte telefonisch.<br />
Zwei Woods<strong>to</strong>ck-Veteranen sind die Headliner<br />
der 22. Ro<strong>the</strong>r Bluestage (11. bis<br />
21. April): Johnny Winter und Ten Years<br />
After spielen in der Kreisstadt vor den Toren<br />
Nürnbergs auf. Bei der Vorstellung des<br />
Programms kündigte Ferdl Eichner, der den<br />
traditionellen „Bluesbrunch" gemeinsam<br />
mit Partner John Kirkbride musikalisch<br />
umrahmen wird, an, er werde bei der Gelegenheit<br />
seine Harp im Kopfstand spielen.<br />
Deutsche Akteure wie der „Isar-Indianer"<br />
Willy Michl (im Doppelkonzert mit seinem<br />
„echten" US-Indianerpendant Neal Black),<br />
Errorhead oder Jessy Martens dabei, dazu<br />
kommen internationale Gäste wie die Vargas<br />
Blues Band, Giles Robson, Ryan McGarvey,<br />
Morblues, der Österreicher Willi Resetarits<br />
(früher als Ostbahn-Kurti unterwegs),<br />
The Brew UK oder Chicago-Veteran Boo<br />
Boo Davis. Das genau Programm ist unter<br />
www.bluestage.de zu finden+++<br />
Völlig neue musikalische Wege geht seit geraumer<br />
Zeit US-Rockveteran Bobby Whitlock.<br />
Der Keyboarder, der am 18.3. seinen<br />
65. feierte und seine Karriere einst als Mitglied<br />
der Hausband bei Stax Records startete<br />
und mit Eric Clap<strong>to</strong>n bei Derek & The<br />
Dominos ("Layla") dabei war, veröffentlicht<br />
inzwischen gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin<br />
Coco Carmel Meditations- und<br />
New-Age-Alben über die gemeinsame Homepage<br />
www.bobbywhitlockandcococarmel.com+++<br />
THE DIVING BOARD wird das neue Album<br />
von El<strong>to</strong>n John heißen, das bereits Ende<br />
2012 auf den Markt hätte kommen sollen,<br />
nun aber erst im September erhältlich sein<br />
wird. Produziert hat kein Geringerer als T<br />
Bone Burnett, der bereits THE UNION, die<br />
Zusammenarbeit des englischen Sängers/<br />
Pianisten mit Leon Russell 2010, betreut<br />
hatte. Das Resultat soll laut Ohrenzeugen<br />
„El<strong>to</strong>n Johns beste Arbeit seit vielen Jahren"<br />
sein. Die Texte der 13 neuen Lieder<br />
kamen wieder aus Bernie Taupins Feder+++<br />
In einer australischen TV-Show hat Aerosmith-Sänger<br />
Steven Tyler Gerüchte korrigiert,<br />
er habe insgesamt etwa 20 Millionen<br />
Dollar für Drogen verjubelt. Realistischer<br />
seien sechs Millionen, die er in den vergangenen<br />
Jahrzehnten dafür ausgegeben<br />
habe+++<br />
Seite 4 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
News<br />
An den Sendestart der Musikshow Formel<br />
Eins"<br />
"<br />
vor 30 Jahren<br />
erinnert ein<br />
Veröffentlichungspaket<br />
mit einer<br />
3-DVD-Box<br />
und vier Doppel-CDs,<br />
allesamt<br />
mit dem<br />
Titel FORMEL<br />
EINS. Laut<br />
Ankündigung<br />
wird damit ein „wahrer<br />
Lichtblick in der<br />
damals noch relativ<br />
tristen Fernsehwelt"<br />
für die musikbegeisterten<br />
Teenager jener<br />
Jahre zelebriert, der<br />
im dritten Programm<br />
des WDR startete. Die<br />
Dreiviertelstunde Programm<br />
bot Stars und<br />
Videoclips kompakt –<br />
in der Sendung wurde<br />
im Januar 1984 beispielsweise<br />
Michael<br />
Jacksons "Thriller"-<br />
Video in voller Länge<br />
von 14 Minuten<br />
gezeigt. Peter Illman,<br />
Ingolf Lück, Stefanie<br />
Tücking und Kai Bökking<br />
moderierten die<br />
Sendung im Laufe der<br />
Jahre und nutzten sie<br />
als Sprungbrett für ihre eigenen Karrieren.<br />
Eine ausführliche S<strong>to</strong>ry zum Thema „Formel<br />
Eins" wird auch im <strong>GoodTimes</strong>-Schwestermagazin<br />
kult! Nr. 8 erscheinen+++<br />
„The Doors Unhinged – Jim Morrison's Legacy<br />
Goes On Trial” heißt das Buch, das<br />
Doors-Drummer John Densmore geschrieben<br />
hat und im April erscheinen soll. Densmore,<br />
der seit 2002 mit seinen Ex-Kollegen<br />
Robbie Krieger und Ray Manzarek heillos<br />
zerstritten ist und ihnen 2005 gerichtlich<br />
die Verwendung des Namens Doors Of The<br />
21st Century untersagte, kündigte an, er<br />
wolle die alten Streitigkeiten mit dem Duo<br />
aus der Welt schaffen, wenn er seine Lesereise<br />
nach der Buchveröffentlichung abgeschlossen<br />
hat+++<br />
Nur wenige Tage, nachdem sich der 100.<br />
tibetische Mönch aus Protest gegen die<br />
chinesische Herrschaft in seiner Heimat<br />
selbst verbrannt hatte, ging am 21. Februar<br />
in der New Yorker Carnegie Hall ein „Tibet<br />
Benefit Concert" über die Bühne. Headliner<br />
waren Patti Smith und Jim James (My<br />
Morning Jacket)+++<br />
Die Songwriters Hall Of Fame hat<br />
ihre Neuzugänge des Jahres 2013 bekannt<br />
gegeben. Am 13. Juni werden in<br />
New York mit einer feierlichen Zeremonie<br />
aufgenommen: Tony Hatch ("Down<strong>to</strong>wn”),<br />
Steven Tyler & Joe Perry von<br />
Aerosmith, das eins tige Eagles-Mitglied<br />
J.D. Sou<strong>the</strong>r, Mick Jones & Lou Gramm<br />
(Foreigner) und Holly Knight ("Love Is A<br />
Battlefield”)+++<br />
Aktuell<br />
Parallel zur Veröffentlichung des Albums<br />
THE WORLD IS YOURS seiner aktuellen<br />
Hauptband Union hat Thunder-Gitarrist<br />
Luke Morley seine Soloscheibe EL GRIN-<br />
GO RETRO von 2001 wiederveröffentlicht.<br />
Sie enthält eine komplette Bonus-CD mit<br />
unveröffentlichten Livemitschnitten und<br />
Demos+++<br />
Aufnahmen von 1987 bis 2012 aus Lörrach,<br />
der Balver Höhle und vom Finkenbach Festival<br />
sowie das komplette letzte Konzert<br />
mit Peter Panka im Dezember 2006 sind<br />
auf der Doppel-DVD PHOENIX von Peter<br />
Panka's Jane nachzuerleben+++<br />
Heutzutage noch stilistisch Neues und<br />
für die Ohren Überraschendes zu kreieren,<br />
ist schwierig und gelingt eher selten. Die<br />
Hamburger Band Brix<strong>to</strong>nboogie um<br />
Mastermind Krisz Kreuzer (voc, Harp) und<br />
Gitarrist Micky Wolf hatte dies mit ihrem<br />
Album URBAN BLUES geschafft: Sie vereinte<br />
Blues mit HipHop, Electronica, Soul und<br />
Rock. Jetzt steht der Nachfolger CROSSING<br />
BORDERS ins Haus, der ab dem 26.4. aufhorchen<br />
lassen dürfte+++<br />
Bobby Womack hat bekanntgegeben,<br />
dass er an einem Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung<br />
leidet. „Im Augenblick<br />
geht es mir nicht schlecht, aber es wird<br />
schlimmer werden", sagte der 68-Jährige<br />
der BBC. Er habe bereits viele eigene Texte<br />
vergessen, und auf der Bühne komme es<br />
schon mal vor, dass ihm die Namen seiner<br />
Musiker nicht einfielen+++<br />
Der frühere Dr.-Feelgood-Gitarrist Wilko<br />
Johnson hat seine Farewell-Tour mit vier<br />
Gigs im UK für März angekündigt und zugleich<br />
seine Diagnose mit Bauchspeicheldrüsenkrebs<br />
bekanntgegeben, der in den<br />
meisten Fällen tödlich endet. Der 65-jährige<br />
Johnson will sich keiner Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
unterziehen, sondern so lange wie möglich<br />
arbeiten+++<br />
Timothy B. Schmit, Bassist der Eagles,<br />
hat mitgeteilt, er erhole sich bestens von<br />
einem operativen Eingriff gegen eine<br />
Krebserkrankung im Nacken und am Kehlkopf.<br />
„Ich habe ein Problem erkannt und<br />
habe mich darum gekümmert", erklärte<br />
der 65-Jährige lakonisch auf seiner Homepage+++<br />
Trevor Bolder, Bassist von Uriah Heep,<br />
hat sich Anfang Januar ebenfalls einem<br />
operativen Eingriff unterzogen – nicht<br />
wegen eines Herzinfarkts, wie es gerüchteweise<br />
geheißen hatte, sondern wegen einer<br />
Krebserkrankung. Er befinde sich auf dem<br />
Wege der Genesung, ließ Bolder verlauten<br />
und verriet dabei gleich auch, dass es in<br />
diesem Jahr zu einer Reunion der Spiders<br />
From Mars kommen könnte. Während seiner<br />
Rekonvaleszenz hilft JJ Jowitt (IQ, Arena)<br />
bei Uriah Heep am Bass aus+++<br />
Es geht nicht nur um das Aufspüren von<br />
Raritäten, wenn die Mega Record &<br />
CD Fair am 13. und 14. April in Utrecht<br />
ihre Pforten öffnet. Neben diversen Live-<br />
Performances ist auch eine Ausstellung mit<br />
Postern von David Bowie zu besichtigen.<br />
RMN<br />
DAS INTERNETRADIO MIT MUSIK DER 60er, 70er UND 80er JAHRE.<br />
EINE KOOPERATION VON RMNRADIO UND GOODTIMES.<br />
RADIO rund<br />
um die Uhr<br />
Der Empfang funktioniert problemlos.<br />
Erforderlich ist lediglich ein<br />
Internetanschluss.<br />
Nähere Infos hierzu unter:<br />
www.rmngoodtimes.de<br />
Wir lieben Oldies<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 5
Aktuell News Aktuell<br />
Zudem wird an den belgischen Chansonnier<br />
und Gelegenheitsschauspieler Jacques Brel<br />
erinnert: Der Regisseur René Seghers signiert<br />
sein Buch „Jacques Brel – The Definite<br />
Biography" und stellt rare Poster und unbekanntes<br />
Material über den Poeten vor+++<br />
Ein rares Fo<strong>to</strong> von Blueslegende Robert<br />
Johnson (1911–1938) ist nach eingehender,<br />
fünfjähriger forensischer Prüfung<br />
für echt erklärt worden. Bislang hatten<br />
nur zwei Bilder des Musikers vom Mississippi<br />
existiert, den Eric Clap<strong>to</strong>n für den<br />
„wichtigs ten Bluesmusiker, der je gelebt<br />
hat", hält. Das Fo<strong>to</strong> war vor acht Jahren im<br />
Internet aufgetaucht+++<br />
Die ältere Pop- und Rock-Generation unter<br />
den Preisträgern bei der 55. Verleihung der<br />
Grammy Awards waren Paul McCartney<br />
(„Best Traditional Pop Vocal Album”), die<br />
Beach Boys („Best His<strong>to</strong>rical Album”), Dr.<br />
John („Best Blues Album”), Janis Ian („Best<br />
Spoken Word Album” für ihre Au<strong>to</strong>biografie),<br />
der jüngst vers<strong>to</strong>rbene Ravi Shankar<br />
(„Best World <strong>Music</strong> Album”), Jimmy Cliff<br />
(„Best Reggae Album”) und Billy Vera (für<br />
die Liner-Notes einer Ray-Charles-Compilation”)+++<br />
„The Commitments" taucht mehrfach in<br />
den <strong>GoodTimes</strong>-Top-Five der besten Musikfilme<br />
in dieser Ausgabe auf (siehe Seite<br />
31). Eine wichtige Rolle in dem irisch-britischen<br />
Movie (Regie: Alan Parker) spielte<br />
1991 Andrew Strong, der sei<strong>the</strong>r als Sänger<br />
Karriere gemacht hat. Jetzt blickt er per CD<br />
zurück: THE COMMITMENTS YEARS AND<br />
BEYOND ist sein neuer Konzertmitschnitt<br />
vom Juli 2012 betitelt+++<br />
Über das neue Album von Barclay James<br />
Harvest, das im Frühjahr erscheinen soll,<br />
wird Bandleader John Lees in der nächsten<br />
<strong>GoodTimes</strong>-Ausgabe Genaueres erzählen.<br />
Parallel ist Lees mit seiner BJH-Version ab<br />
11. April in Deutschland auf Tour und gibt<br />
neun Konzerte. Ende März gibt es zudem<br />
eine remasterte „Expanded Edition" von<br />
GLASNOST, dem Mitschnitt des BJH-Auftritts<br />
1987 in (Ost-)Berlin. Dokumentiert<br />
ist das komplette Konzert in der damaligen<br />
Songfolge+++<br />
In Friedland bei Göttingen lädt das erste<br />
und einzige deutsche „Marshall Amp<br />
Museum" Musikfans ein, sich an einzigartigen<br />
Vintage-Verstärkern des berühmten<br />
Unternehmens zu delektieren. „Es erwarten<br />
euch Röhrenamps aus den letzten fünf<br />
Jahrzehnten – aber eben nicht in der Vitrine,<br />
sondern als Full Stack oder Half Stack.<br />
Die – nach Absprache – auch bereit sind, zu<br />
zeigen, was sie können", heißt es auf der<br />
Homepage www.marshall-forever.de – verbunden<br />
mit dem Hinweis, dass Jimi Hendrix<br />
einst Verstärker von Marshall spielte+++<br />
Krautrock goes Internet: Das in Berlin<br />
ansässige Musik-Label play loud! hat damit<br />
begonnen, unter dem Titel „(Live) <strong>Music</strong><br />
Series" Konzertmitschnitte von Krautrockbands<br />
als Videostreams zu veröffentlichen.<br />
Den Anfang machen die Berliner Neo-<br />
Krautrocker Camera, die bei einem Auftritt<br />
zusammen mit dem Ex-Kraftwerk/Neu!-<br />
Musiker Michael Ro<strong>the</strong>r und dem Cluster/<br />
Harmonia-Keyboarder Dieter Moebius auf<br />
der Bühne des Berliner HBC gefilmt wurden.<br />
Gigs von Damo Suzuki (Can) und<br />
Faust sollen folgen. Für die Filme zeichnet<br />
Regisseur Dietmar Post verantwortlich,<br />
der für seine Monks-Dokumentation „The<br />
Transatlantic Feedback" den Grimme-Preis<br />
erhielt. Infos unter www.playloud.org/archiveands<strong>to</strong>re/en/+++<br />
Neue Veröffentlichungen über seinen<br />
Labelpartner Frontiers hat Jeff Lynne,<br />
einst Anführer des Electric Light Orchestra,<br />
angekündigt. Das 2001er ELO-Album<br />
ZOOM (mit Gastspielen von George Harrison<br />
und Ringo Starr, sowie Lynnes Solodebüt<br />
ARMCHAIR THEATRE (ebenfalls<br />
mit Harrison) von 1990 und die DVD<br />
ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA LIVE, mitgeschnitten<br />
zu Beginn der „Zoom Tour"<br />
in Los Angeles, werden im April neu aufgelegt.<br />
Alle Tonträger sind mit Bonus-<br />
Tracks angereichert+++<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
3x DVD-Box, Formel Eins<br />
Die momentan schwer angesagte Teenie-<br />
Popband One Direction hat eine Cover-<br />
Version von Blondies "One Way Or Ano<strong>the</strong>r”<br />
als Benefizsingle zum „Red Nose Day”<br />
veröffentlicht. Der Erlös kommt der britischen<br />
Charity-Organisation Comic Relief<br />
zugute+++<br />
Heftige Proteste hat der Deutschlandfunk<br />
mit seiner Entscheidung hervorge-<br />
Verlosung<br />
<strong>GoodTimes</strong> verlost unter allen Teilnehmern!<br />
Einsendeschluss ist<br />
der 16.05.2013!<br />
Set besteht aus:<br />
T-Shirt+CD+<br />
Au<strong>to</strong>gramm+Plakat<br />
3x 2 Karten Bon Jovi, Stuttgart<br />
1x Blind-Guardian-Set<br />
10x CD Petula Clark<br />
rufen, die seit 1969 bestehende Sendung<br />
„MemoryHits” abzuschaffen. „Am 31. März<br />
2013 laufen ab 4.05 Uhr Doppelfolgen der<br />
Original MemoryHits Show'. Danach wirft<br />
'<br />
der Deutschlandfunk die Sendung aus dem<br />
Programm. Der DLF hat es nicht mehr nötig<br />
und kann auf uns treue Hörer und Gebührenzahler<br />
verzichten. Die älteste, die beste<br />
und wirklich einzigartige, echte' Oldiesendung<br />
im deutschen Rundfunk wird für<br />
'<br />
noch mehr Gequatsche im Radio geopfert",<br />
klagten Anhänger der traditionsreichen<br />
Sendung auf der Website www.memoryhitsfanclub.de+++<br />
In der Reihe SONGS FROM THE ROAD von<br />
Ruf Records kommt in diesen Tagen auch<br />
ein CD+DVD-Paket der Blues'n'Boogie-<br />
Veteranen Savoy Brown in den Handel.<br />
Derzeit arbeitet Bandleader Kim Simmonds<br />
aber auch schon am nächsten Vorhaben<br />
unter dem Veteranennamen: Das folgende<br />
Album wird der Gitarrist/Sänger in Triobesetzung<br />
aufnehmen+++<br />
Auf die Loreley und nach Inzell im Chiemgau<br />
lockt am 1. und 2. Juni das HiRock<br />
Festival 2013 mit einem traumhaften<br />
Open-Air-Progamm: Whitesnake, Journey,<br />
To<strong>to</strong>, Rick Springfield, Europe, Survivor<br />
und die Black Star Riders (= die umbenannten<br />
Thin Lizzy) lassen im Wechsel den 80er-<br />
Jahre-Rock fröhliche Urständ feiern+++<br />
Die Gerüchteküche brodelt wieder zum<br />
Thema Led Zeppelin. Im australischen<br />
Fernsehen hatte Sänger Robert Plant gesagt,<br />
er habe „2014 nichts zu tun". Er wisse nicht,<br />
was Plant damit habe sagen wollen, postete<br />
Drummer Jason Bonham. Plant hatte auch<br />
erklärt, er warte auf ein Signal seiner Kolle-<br />
3x T-Shirt, Größe M<br />
Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz · Fax: 0 70 42/37660-188 · email: goodtimes@nikma.de<br />
Seite 6 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
News<br />
Aktuell<br />
News<br />
gen Jimmy Page und John Paul Jones hinsichtlich<br />
einer Reunion. Doch beide würden<br />
nur schweigen, ließ Plant seinem Frust freien<br />
Lauf. Page ließ sich davon nicht weiter<br />
beeindrucken, schweigt weiter zum Thema<br />
neue Aktivitäten. Er verriet nur, dass er damit<br />
beschäftigt sei, Bonus-Material für jedes<br />
Led-Zep-Album zusammenzustellen – die<br />
sollen offenbar erneut wiederveröffentlicht<br />
werden. Ob Page und Jones mehr rauslassen<br />
werden, wenn sie am 21. März in Berlin den<br />
Echo (= deutscher Grammy) für ihr Lebenswerk<br />
entgegennehmen?+++<br />
Während Robert Plant vorerst ein wenig<br />
chillt, hat sein Kumpel/Gitarrist Buddy<br />
Miller verraten, dass ein Solo-Album des<br />
Sängers mit durchweg neuen Songs so<br />
gut wie fertig ist. „Es fehlen noch ein paar<br />
Backgroundgesänge, und Robert wird wohl<br />
noch ein paar Kleinigkeiten neu machen,<br />
aber ansonsten ist alles im Kasten – jetzt<br />
liegt es an ihm, wann was daraus wird. Er<br />
ist Robert Plant und kann tun und lassen,<br />
was er will", so Miller+++<br />
Beachtliche Erfolge haben die deutschen<br />
Vertreter bei der 29. International Blues<br />
Challenge (IBC) in Memphis gefeiert: In<br />
der Kategorie Band-Contest belegten<br />
Michael van Merwyk & Bluesoul<br />
(Rheda-Wiedenbrück) sensationell Platz<br />
2! Damit sind sie der erste europäische<br />
Act, der diesen Erfolg in der 29-jährigen<br />
IBC-Geschichte schaffte. In der Kategorie<br />
Solo/Duo schafften es Altmeister Abi<br />
Wallenstein & Martin Röttger immerhin<br />
bis ins Halbfinale. Nach Memphis<br />
hatten es van Merwyk als Gewinner der<br />
German Blues Challenge 2011 und Wallenstein<br />
& Röttger bei den German Blues<br />
Awards 2012 geschafft. Beim internationalen<br />
Finale starteten 80 Solo/Duo-Acts<br />
und 124 Bands aus 16 Ländern+++<br />
Auf eigene Faust auf dem Online-Weg hat<br />
Blues-Altmeister John Mayall die CD-Serie<br />
HISTORIC LIVE SHOWS VOLUMES 1, 2<br />
& 3 auf den Weg gebracht. Die Konzertmitschnitte<br />
enthalten Aufnahmen Mayalls und<br />
diverser Inkarnationen seiner Band von den<br />
70er bis 90er Jahren – „handverlesen von<br />
John Mayall persönlich", heißt es auf seiner<br />
Homepage. Infos unter www.johnmayall.<br />
com/merch.html+++<br />
Statt bei den Brit Awards sein Gesicht in alle<br />
möglichen Kameras zu recken, zog es Rolling<br />
S<strong>to</strong>ne Ronnie Wood am 20. Februar<br />
vor, einen Überraschungsgig in einer Lehranstalt<br />
im nordenglischen Northamp<strong>to</strong>n zu<br />
spielen. Geschlagene drei Stunden spielte er<br />
in der Malcolm Arnold Academy Songs auf<br />
seiner Akustikgitarre und beantwortete Fragen<br />
der wissbegierigen Studenten+++<br />
Die 70er-Jahre-Disco-Ikonen KC & The<br />
Sunshine Band feiern 2013 ihr 40-jähriges<br />
Bestehen mit einer ausgedehnten<br />
Welt<strong>to</strong>ur. Bandgründer Harry Wayne Casey<br />
versprach dazu auch neue Musik: „Ich<br />
stecke mitten in der Arbeit an einem neuen<br />
Album, das aus einer Doppel-CD bestehen<br />
wird: Eine Hälfte bilden Klassiker der 60er<br />
Jahre, die andere Hälfte klingt zeitgenössischer<br />
– beides ist aber unverkennbar KC &<br />
The Sunshine Band", sagte Casey. Die Zeit<br />
bis zur Veröffentlichung im Sommer soll<br />
die neue Single "I Can't Get You Out Of My<br />
Mind" demnächst überbrücken+++<br />
In einem Interview mit Fox News hat Stevie<br />
Nicks erklärt, es hänge maßgeblich von der<br />
Reaktion des Publikums auf die drei neuen<br />
Songs ab, die die Band bei der anstehenden<br />
Fleetwood Mac-Tour spielen werde,<br />
ob es noch einmal ein neues Studio-Album<br />
von den Veteranen geben wird. „Wenn die<br />
Leute positiv darauf reagieren, werden wir<br />
mehr machen", versprach die FM-Frontfrau+++<br />
Der Frust bei Alice Cooper sitzt tief:<br />
Die für Ende Ok<strong>to</strong>ber geplante fünftägige<br />
„Ship Of Fear Cruise” von Miami zu den<br />
Bahamas musste bereits im Februar frühzeitig<br />
abgeblasen werden. Grund waren die<br />
kümmerlichen Ticketverkaufszahlen, die die<br />
Organisa<strong>to</strong>ren als „mangelnde Konsumentennachfrage"<br />
bezeichneten+++<br />
Vorab war DELTA MACHINE, das neue<br />
Album von Depeche Mode, nicht zu<br />
hören, auch nicht zu Reviewzwecken.<br />
Das 13. Studiowerk der Synthie-Popband<br />
kommt am 22. März heraus und wird in<br />
der nächsten Ausgabe besprochen. Neben<br />
der Normalversion mit 13 Songs gibt es<br />
eine Deluxe Edition mit vier zusätzlichen<br />
Stücken auf einer Bonus-CD und einem<br />
28-seitigen Hardcover-Buch mit Fo<strong>to</strong>s ihres<br />
langjährigen künstlerischen Partners An<strong>to</strong>n<br />
Corbijn+++<br />
Einen Parforceritt zu zweit unter dem<br />
Mot<strong>to</strong> „Mike Oldfield's Tubular Bells For<br />
Two" bieten die beiden Australier Daniel<br />
Holdsworth und Aidan Roberts. Die Multi-Instrumentalisten<br />
haben das Meisterwerk,<br />
das heuer sein 40-Jähriges feiert, so<br />
arrangiert, dass sie es in voller Länge live<br />
bieten können. Mit ihrem „Kraftakt akrobatischer<br />
Musikalität" geben sie ab dem<br />
6. Mai elf Konzerte in Deutschland. Ihre<br />
Landsleute The Australian Pink Floyd<br />
Show sind bereits ab 12. April hier zu<br />
Lande unter dem Mot<strong>to</strong> „Eclipsed By The<br />
Moon" unterwegs+++<br />
Insgesamt drei Shows spielen die US-Intelligenz-Rocker<br />
<strong>Queen</strong>sryche im April<br />
in Deutschland, um ihren neuen Sänger<br />
und Geoff-Tate-Nachfolger Todd LaTorre<br />
live vorzustellen. Auf dem Spielplan stehen<br />
Duisburg (20.), Ludwigsburg (21.) und<br />
München (24.)+++<br />
Die US-Post hat angekündigt, dass eine der<br />
drei anstehenden Würdigungen von „Musik-Ikonen"<br />
auf neuen Briefmarken Johnny<br />
Cash gewidmet sein wird. Wer die beiden<br />
anderen Geehrten sein werden, wurde<br />
ebenso wenig mitgeteilt wie der Zeitpunkt<br />
des Erscheinens der Postwertzeichen+++<br />
Oldie-Gipfeltreffen der Originale im<br />
Schwabenländle: Suzi Quatro, die Hollies,<br />
The Sweet, dazu die Disco-Könige<br />
Boney M. und US-Schmachtsouler<br />
George Mc-<br />
Crae geben<br />
sich am 4. Mai<br />
ein Stelldichein<br />
im Sindelfinger<br />
Glas palast. Unter<br />
dem Mot<strong>to</strong><br />
„Top Of The<br />
Pops" reichen<br />
sich die einstigen<br />
Chart-<br />
Stürmer, die<br />
alle immer gut in Form sind, im Rahmen<br />
eines stilistisch wahrlich bunten Reigens<br />
das Mikro in die Hand. Moderieren wird<br />
der den <strong>GoodTimes</strong>-Lesern bestens bekannte<br />
Christian Simon+++<br />
Tina Turner hat neben ihrer US-Staatsbürgerschaft<br />
jetzt auch einen Schweizer Pass.<br />
Die Sängerin lebt seit fast 20 Jahren mit ihrem<br />
deutschen Lebensgefährten in Zürich.<br />
„Ich fühle mich hier zu Hause und könnte<br />
mir keinen schöneren Ort zum Leben vorstellen",<br />
kommentierte Turner die „offizielle<br />
Aufnahme" in ihrer Wahlheimat+++<br />
MADE IN JAPAN wird die 2-CD/DVD umfassende<br />
Deluxe Edition der nächsten<br />
Whitesnake-Veröffentlichung heißen.<br />
Dabei handelt es sich um den Mitschnitt<br />
eines Konzerts am 15. Ok<strong>to</strong>ber 2011 beim<br />
Loud Park Festival während der „Forevermore<br />
World Tour". Erhältlich sein soll das<br />
auch als Blu-ray und Einzel-DVD verfügbare<br />
Teil Ende April. Außerdem kündigte<br />
Bandleader David Coverdale an, dass wenig<br />
später eine zweite Liveveröffentlichung folgen<br />
soll: „Die wird MADE IN BRITAIN heißen,<br />
es handelt sich um eine Doppel-CD,<br />
die im Juli kommt und ebenfalls 2011 im<br />
UK dokumentiert wurde”+++<br />
Sein 14. Solo-Album hat der frühere Killing-Floor-Gitarrist<br />
Mick Clarke Mitte<br />
März am Start. Er hat alle Instrumente für<br />
RAMDANGO selbst eingespielt+++<br />
Der renommierte Internet-Radiosender<br />
Planet Rock hat seine Hörer befragt,<br />
und die haben darüber abgestimmt, wer<br />
denn die einflussreichste Rockband aller<br />
Zeiten sei. Das Ergebnis überrascht wenig:<br />
Gesiegt haben (natürlich) Led Zeppelin.<br />
Ebenfalls auf das Podest geschafft haben<br />
es <strong>Queen</strong> (2.) und Black Sabbath (3.). Auf<br />
den weiteren-Top-Ten-Plätzen rangieren in<br />
dieser Reihenfolge Pink Floyd, Deep Purple,<br />
Jimi Hendrix, die Rolling S<strong>to</strong>nes, The Who,<br />
AC/DC und David Bowie+++<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 7
Vers<strong>to</strong>rben<br />
Sammy Johns (*7.2.1946) gelang 1975<br />
mit "Chevy Van” ein US-#5-Hit, nachdem<br />
er seine Karriere 1962 mit The Devilles gestartet<br />
hatte. Schrieb später für Kollegen<br />
wie Waylon Jennings, Conway Twitty und<br />
Fu Manchu, bekämpfte seine Dämonen<br />
Alkohol und Drogen bis zum 4.1., als er<br />
in einem Krankenhaus in North Carolina<br />
verstarb.<br />
Lou Wilson (alias Sweet Lou) gelangte<br />
mit den Afro-Funkern Mandrill in den 70er<br />
Jahren zu Soul-Erfolgsehren. Der Sänger<br />
trommelte auch und spielte Trompete und<br />
Flügelhorn und arbeitete mit Mandrill an<br />
einem neuen Album, als ihn am 7.1. ein<br />
Herzstillstand 71-jährig das Leben kostete.<br />
Kent Abbott (*1981) spielte Gitarre in<br />
den kanadischen Punk- und Rockbands<br />
Grade, Somehow Hollow und 45 Goodbye.<br />
Verließ den Planeten am 7.1.<br />
Liz Lands (*1939) nahm für Mo<strong>to</strong>wn auf<br />
und war 1964 gemeinsam mit den Temptations<br />
auf ”Midnight Johnny” zu hören.<br />
Verschwand Mitte der 60er Jahre von der<br />
Bildfläche, arbeitete später mit Hamil<strong>to</strong>n<br />
Bohannon, versuchte in den ausklingenden<br />
90ern ein Comeback. Starb am 7.1.<br />
Sam Pace (*22.9.1944) gehörte als Sänger<br />
ab den 60er Jahren der R&B-Truppe<br />
The Esquires ("Get On Up”, 1967 #3) an<br />
und trat bis 2007 mit ihr auf. Starb am 7.1.<br />
Tandyn Almer (*30.7.1942) schrieb neben<br />
seinen eigenen Musikeraktivitäten<br />
Songs für Kollegen (für The Association<br />
"Along Comes Mary", mit Brian Wilson<br />
"Sail On Sailor" für die Beach Boys). Erlag<br />
am 8.1. einem Herzleiden.<br />
Werner Krabbe (*20.2.1944), Berliner<br />
Semi-Rocklegende, galt als exquisiter R&B-<br />
Henning Tögel (*14.12.1954) war Gründer<br />
und Leiter der Konzertagentur Moderne<br />
Welt, mit der er Tourneen von Joan<br />
Baez, Emmylou<br />
Harris, Crosby,<br />
Stills & Nash, Paul<br />
Anka, Kris Kris<strong>to</strong>fferson<br />
und vielen<br />
anderen Größen<br />
in Deutschland<br />
ausrichtete. Er<br />
starb am 9.1.<br />
Trevor Gordon (*5.5.1948) war als Sänger<br />
und Gitarrist bei The Blue Sect aktiv,<br />
aus denen das Duo The Marbles hervorging,<br />
das aus Gordon und seinem Cousin<br />
Graham Bonnett bestand und den Hit<br />
"Only One Woman" landete. Arbeitete mit<br />
den Bee Gees, ging am 10.1. für immer.<br />
Claude Nobs (*4.2.1936) wurde von Deep<br />
Purple in "Smoke On The Water” als „Funky<br />
Claude" verewigt – eine Verbeugung vor<br />
dem Gründer und langjährigen Leiter des<br />
legendären Montreux Jazz Festivals. Nobs<br />
war vor Ort, als 1971 während des Konzerts<br />
von Frank Zappa im Montreux Casino Feuer<br />
ausbrach. Er erlag am 10.1. den Folgen<br />
eines Sturzes beim Skifahren.<br />
George Gruntz (*24.6.1932) war ein gefragter<br />
Keyboarder, der mit Jazzgrößen wie<br />
Don Cherry, Chet Baker, Art Farmer, Charlie<br />
Mariano, Wolfgang Dauner arbeitete, seine<br />
eigene Bigband leitete, mehrere Bühnenwerke<br />
und Ora<strong>to</strong>rien komponierte und als<br />
künstlerischer Leiter des JazzFest Berlin<br />
amtierte. Der Schweizer starb am 10.1.<br />
Bryan Gregory (*20.2.1951), Gitarrist der<br />
einflussreichen Psychobilly-Undergroundband<br />
The Cramps, spielte nach seinem Ausstieg<br />
bei The Beast, zog später nach Florida<br />
und betrieb einen Buchladen, ehe er in Los<br />
Angeles mit The Dials und Shiver wieder<br />
musikalisch aktiv wurde. Multiples Organversagen<br />
stand am 10.1. in seinem Totenschein.<br />
John Wilkinson (*1945) gehörte als<br />
Rhythmusgitarrist der TCB Band an, die Elvis<br />
Presley begleitete, später auch dem Kings<strong>to</strong>n<br />
Trio und den The New Christy Minstrels.<br />
Nach einem bereits 1989 erlittenen Schlaganfall<br />
endete seine Karriere jetzt am 11.1.<br />
Jimmy O'Neill (*8.1.1940) moderierte<br />
zwischen 1964 und 1966 mit „Shindig” eine<br />
der ersten amerikanischen TV-Musikshows<br />
mit Gästen wie Leon Russell, Jerry Lee Lewis,<br />
Sam Cooke, Chuck Berry, Tina Turner,<br />
den Everly Bro<strong>the</strong>rs, Beatles, Beach Boys,<br />
Yardbirds, Rolling S<strong>to</strong>nes oder Donovan.<br />
War Besitzer des Clubs Pandora's Box am<br />
Sunset Strip in Hollywood, starb am 11.1.<br />
Precious Bryant (*4.1.1942, geborene<br />
Bussey) sang und spielte Gitarre bei den<br />
Bussey Sisters; die charismatische Blueserin<br />
war dann solo unterwegs, veröffentlichte<br />
aber erst 2002 ihr erstes Album FOOL ME<br />
GOOD. Diabetes-bedingtes Herzversagen<br />
kostete sie am 12.1. das Leben.<br />
Jiri Popper (*22.5.1930) stammte aus<br />
Prag, arbeitete als Sänger und moderierte in<br />
den 60er Jahren allmonatlich im DDR-Radio<br />
„Ein Koffer voll Musik". Verabschiedete sich<br />
am 13.1. für immer.<br />
Morten Molster (*31.3.1962), der Gitarrist<br />
der ab 1977 aktiven norwegischen Band The<br />
September When überlebte am 14.1. einen<br />
Herzstillstand nicht.<br />
Nic Potter (*18.10.1951) war als Bassist,<br />
Songschmied und Maler aktiv, unter anderem<br />
bei The Misunders<strong>to</strong>od und Van der<br />
Graaf Genera<strong>to</strong>r, spielte mit Jeff Beck, Cuck<br />
Berry, Rare Bird und Peter Hammill, ehe er<br />
seine Gerätschaften am 17.1. für immer aus<br />
der Hand legte.<br />
Steve Knight (*12.5.1935) griff für Mountain<br />
auch beim Woods<strong>to</strong>ck Festival in die<br />
Keyboardtasten, verlegte sich ab 1972 auf<br />
Jazz und gehörte 2000 bis 2007 dem Stadtrat<br />
von Woods<strong>to</strong>ck an. Ging am 19.1. für<br />
immer.<br />
Gregory Carroll (*19.12.1929) sang in<br />
Doo-Wop-Gruppen wie The Four Buddies,<br />
The Orioles, war Co-Au<strong>to</strong>r und Produzent<br />
von Doris Troys 1963er Hit "Just One Look”,<br />
den auch Linda Ronstadt und Anne Murray<br />
aufnahmen. Ein Aneurysma kostete ihn am<br />
25.1. das Leben.<br />
Shouter, sang bei den Beat- und Rockbands<br />
The Hound Dogs und The Boots, stand<br />
2010 mit den Berlin Beat Allstars auf der<br />
Bühne, erlag am 25.1. einem Herzinfarkt.<br />
Leroy "<br />
Sugarfoot" Bonner (*14.3.1943)<br />
gehörte als singender Funkgitarrist den<br />
Ohio Players an ("Skin Tight", "Funky<br />
Worm", " Love Rollercoaster"), mit denen er<br />
bis zu seinem Tod am 26.1. unterwegs war.<br />
Bobby Sharp (*24.11.1924) hatte Musik<br />
studiert und wurde berühmt als Au<strong>to</strong>r<br />
von "Unchain My Heart" (Ray Charles, Joe<br />
Cocker), dessen Urheberrechte er für 50<br />
Dollar verkaufte, um damit Drogen zu erwerben.<br />
Schrieb für Sarah Vaughan, Sammy<br />
Davis Jr., beriet später Drogenabhängige in<br />
einem Gesundheitszentrum, starb am 29.1.<br />
Patty Andrews (*16.2.1918) war die<br />
jüngste der legendären Andrew Sisters, die<br />
sich mit dem Tod<br />
von LaVerne Andrews<br />
1967 auflösten<br />
(Maxine<br />
starb 1995). Patty<br />
Andrews sang für<br />
Bing Crosby und<br />
Glenn Miller, verstummte<br />
am 30.1.<br />
für immer.<br />
Cecil Womack (*25.9.1947) sang, spielte<br />
Gitarre und Piano, gehörte The Valentinos<br />
an, war mit Mary Wells verheiratet, dann<br />
mit Sam Cookes Tochter Linda, mit der<br />
er das Duo Womack & Womack gründete<br />
(Hit:"Teardrops"). Lebte seit den 90er Jahren<br />
in Nigeria, wo er am 1.2. starb.<br />
Darlene McCrea sang ab 1954 bei The<br />
Cookies und dann ab 1958 bei Ray Charles'<br />
The Raelettes. Veröffentlichte auch solo,<br />
erlag 83-jährig am 4.2. einem Krebsleiden.<br />
Donald Byrd (*9.12.1932) blies seine<br />
Trompete für The Blackbyrds und diverse<br />
eigene Bands, arbeitete mit fast allen Jazzgrößen<br />
und verstummte am 4.2. für immer.<br />
Alva "<br />
Reggie" Lewis griff Ende der Sixties<br />
für The Hippy Boys in die Gitarrensaiten,<br />
später auch für Lee Scratch Perry & The<br />
Upsetters, Max Romeo, Bob Marley und Pat<br />
Kelly – wurde bis zum 4.2. nur 63.<br />
Rick Huxley (*5.8.1940) wurde als Bassist<br />
der Dave Clarke Five berühmt und in die<br />
Rock'n'Roll Hall Of Fame aufgenommen,<br />
war auch mit den Riverside Blues Boys und<br />
The Spon Valley S<strong>to</strong>mpers aktiv, verabschiedete<br />
sich am 11.2. ins Jenseits.<br />
Mark Kamins (*13.4.1955) produzierte<br />
Madonnas erste Single "Everybody", betreute<br />
im Studio auch David Byrne, Ofra Haza,<br />
UB40, Sinead O'Connor und die Beastie<br />
Boys – seine Produzentenmission endete<br />
am 14.2.<br />
George "<br />
Shadow" Mor<strong>to</strong>n (*3.9.1940)<br />
war Mitglied der Marquees, schrieb "Remember<br />
(Walking In The Sand)” und "Leader<br />
Of The Pack” für die Shangri-Las, arbeitete<br />
im Studio mit Janis Ian, Vanilla Fudge,<br />
Iron Butterfly, Jimi Hendrix, The Who und<br />
Mott The Hoople. Krebs kostete ihn am<br />
14.2. das Leben.<br />
Stanley Knight (*12.2.1949) spielte Gitarre<br />
bei Black Oak Arkansas, starb am 17.2.<br />
Mindy McCready (*20.11.1975) ließ ihre<br />
Country-Songs nur bis zum 17.2. ertönen,<br />
als sie sich in ihrem Heim in Heber Springs,<br />
Arkansas, selbst erschoss.<br />
Damon Harris (*17.7.1950), der Vokalist<br />
mit der samtseidenen Stimme, stieß<br />
1971 zu den<br />
Temptations<br />
(bis 1975)<br />
und ersetzte<br />
Eddie Kendricks.<br />
Er war<br />
später mit<br />
Impact und<br />
The Young Temps aktiv, dazu im Duo mit<br />
dem Ex-Kollegen Richard Street, ehe er am<br />
18.2. den Kampf gegen den Prostatakrebs<br />
verlor.<br />
Magic Slim (*7.8.1937 als Morris Holt)<br />
kam 1955 nach Chicago, nahm 1965 erstmals<br />
auf ("Scufflin'"); der singende Gitarrist<br />
gründete 1970 seine Band Teardrops,<br />
gewann mehrfach den W.C. Handy Award<br />
und veröffentlichte 2012 sein letztes Album<br />
BAD BOY. Starb nach Herzproblemen<br />
am 21.2. in einem Krankenhaus in Philadelphia.<br />
Cleotha Staples war als ältestes Kind<br />
von Roebuck „Pops" Staples 1948 Gründungsmitglied<br />
der bis 1994 aktiven R&B/<br />
Gospelgruppe The Staple Singers, die auch<br />
als „Gottes größte Hitmacher" galten,<br />
zahlreiche Erfolge sangen und 1999 in<br />
die Rock'n'Roll Hall Of Fame aufgenommen<br />
wurden. Litt an Alzheimer und starb<br />
78-jährig am 21.2.<br />
Diane Lampert (*25.9.1924) profilierte<br />
sich in den 50er und 60er Jahren als<br />
Songwriterin und Texterin, bei der sich<br />
Brenda Lee, Tommy Sands, Steve Lawrence,<br />
Red Foley, The Lettermen und die<br />
Beatles ["Nothin' Shakin' (But The Leaves<br />
On The Trees)" wurde erst 1994 veröffentlicht]<br />
bedienten. Herzversagen beendete<br />
am 22.2. ihr Erdendasein.<br />
Virgil Johnson (*29.12.1935) war Leadsänger<br />
der Velvets, denen Roy Orbison einen<br />
Plattenvertrag bei Monument Records<br />
verschaffte und Songs auf die Stimmbänder<br />
schrieb. Johnson arbeitete später als<br />
Lehrer, verstarb am 24.2.<br />
"<br />
Dangerous" Dan Toler (*1948) saß zuletzt<br />
krankheitsbedingt im Rollstuhl, hatte<br />
davor für Dickey Betts & Great Sou<strong>the</strong>rn,<br />
die Allman Bro<strong>the</strong>rs und eigene Aktivitäten<br />
in die Gitarrensaiten gegriffen. Wurde am<br />
25.2. von allen Leiden erlöst.<br />
Richard Street (*5.10.1942) ersetzte<br />
1971 Paul Williams bei den Temptations,<br />
denen er bis 1993 angehörte. War danach<br />
solo und im Duo mit Damon Harris aktiv.<br />
Er war dabei, ein Buch über seine Zeit<br />
bei den Temptations zu schreiben, als ihn<br />
eine Lungenembolie am 27.2. dahinraffte.<br />
Seite 8 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
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Über<br />
erhebl<br />
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kulminieren. <strong>Queen</strong> begannen<br />
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r 40 Jahren mit der Veröf-<br />
fentlichung ihrer erstenen Single<br />
"Keep Yourse<br />
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Fo<strong>to</strong>: © Zill/Bildarchiv Hallhuber<br />
Vor 40 Jahren: das<br />
-Debüt<br />
Royale Prozession<br />
Zeit lässt sich nicht allein in Zahlen messen. In den zurückliegenden<br />
vier Jahrzehnten ist viel geschehen. Über <strong>Queen</strong> sind tausende Artikel<br />
geschrieben worden, sind Platten erschienen, Filme wurden gedreht,<br />
Tourneen führten die Band um die ganze Welt – und jeder der vier Musiker gewährte<br />
von Zeit zu Zeit einen mehr oder weniger großen Einblick in sein Leben.<br />
Wenn man heute versucht, sich daran zu erinnern, was wirklich geschah, als das<br />
Album QUEEN herauskam, die ersten Songs des britischen<br />
Quartetts im Radio zu hören waren, kommen viele der hoch. Jedoch sind Erinnerungen trügerisch. Es<br />
Billiegt<br />
nun mal dieser Ereignispuffer von 40 Jahren<br />
dazwischen. Und der macht aus dem Film im Kopf<br />
einen kaum zu entwirrenden Mix aus Erlebtem,<br />
Wünschen und Suggestionen.<br />
Eines ist jedenfalls nicht zu verklären: QUEEN<br />
schlug nicht etwa ein wie die sprichwörtliche<br />
Bombe. Um das Album wahrzunehmen, musste der<br />
Rockfan schon sehr aufmerksam sein. Denn auch<br />
wenn für das Jahr 1973 heute nur noch eine Handvoll<br />
Gruppen steht, war der Musikmarkt damals schon schwemmt von Pop- und Rockinterpreten, die allwöchentlich um die besten<br />
über-<br />
Platzierungen in den Charts konkurrierten. Und selbst wenn die Hitparaden von<br />
einst noch voll waren mit zum Teil qualitativ Hochwertigem, ließen sich damals<br />
schon doch außerhalb der Ranglisten die interessantesten Bands entdecken.<br />
Bei <strong>Queen</strong> reagierten anfangs ausschließlich Heavy-Rockanhänger. Und unter<br />
denen waren es garantiert nicht die Mitläufer, die irgendwann in der Schule<br />
angeberisch deklarierten, sie seien <strong>Queen</strong>-Fans. Freddie Mercury, Brian May, Roger<br />
Taylor und John Deacon machten Musik für Egozentriker. Mädchen fanden<br />
gar keinen Zugang zu dem ruppigen Zeug mit diesen Arrangements, die schon<br />
auf QUEEN etwas von einer höfischen Prozession hatten. "Keep Yourself Alive"<br />
– Debütsingle und Albumopener – gab zwar noch vor, eine Haudrauf-Nummer<br />
zu sein, enthielt aber im letzten Drittel mit Drumsolo und Vokalparts für Taylor<br />
und May bereits zwei Brüche. Die 45er startete als klassischer Rohrkrepierer.<br />
Lediglich Radio Luxemburg erbarmte sich und spielte sie. Erst als die BBC-TV-<br />
Sendung „The Old Grey Whistle Test" die Nummer anonym zu einem einstigen<br />
Roosevelt-Wahlkampf-Filmchen ablaufen ließ, kamen erste Räder ins Rollen.<br />
Vor allem nahm die Musikpresse Notiz von der Single: Positive Rezensionen<br />
hielten sich mit Verrissen die Waage.<br />
Die B-Seite "Son And Daughter", ein bleischwerer, an Black Sabbath<br />
orientierter Heavy-Metalsong und später in der zweiten LP-Hälfte<br />
einsortiert, hatte kaum das Zeug, die Journaille zu beeindrucken. Erst in<br />
der<br />
Rückschau wird deutlich, dass <strong>Queen</strong> mit der pumpenden Gitarrenwalze<br />
breitbeinig das selbst gewählte Snob-Image durchkreuzten.<br />
Oder "Doing Alright": Beginnend als Piano-unterlegte Ballade, s<strong>to</strong>lpert der Song<br />
über eine angejazzte Bridge, in der Mercury Sopranhöhen ins Visier nimmt, in<br />
einen Gitarrenorkan. Mit dem Wissen um spätere Großtaten der Band dürfte<br />
dieses fast ein wenig unbeholfen zusammengezimmerte Stück als einer der frühen<br />
"Bohemian Rhapsody"-Testläufe erscheinen.<br />
"Great King Rat" will zwischen straightem Geholze und epischer Klangwucht<br />
pendeln, wird aber durch die in so gut wie allen Belangen eingeschränkte Produktion<br />
gebremst. Nicht nur dieser Song des LP-Debüts hätte später einmal<br />
Seite 10<br />
■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
eine Wiederverwertung ertung unter den<br />
Verhältnissen eines es großen Budgets<br />
verdient gehabt. "My Fairy<br />
King" sowieso. <strong>Queen</strong>s Flirt mit<br />
opernhaften Dramen tritt auf<br />
dem Erstling in diesem Song am<br />
deutlichsten zutage – inklusive<br />
der „singenden" n" Red Special<br />
Brain Mays und eines Freddie<br />
Mercury, der seine Stimmbänder<br />
derart strapaziert, dass zumindest<br />
Weingläser zu zerspringen<br />
drohen.<br />
" Liar" – Eröffnung der B-Seite<br />
– bringt in seiner kompromisslos<br />
gegen gängige Rockklischees<br />
gebürsteten Art den<br />
extrovertierten <strong>Queen</strong>-Stil der<br />
Frühzeit am besten rüber. Später<br />
wurde häufig darüber diskutiert,<br />
ob dieser brettharte, mit zahlreichen<br />
Brüchen versehene Song<br />
als erste Single-Auskopplung die<br />
bessere Wahl gewesen wäre. Dass<br />
diese Debatten unnütz waren,<br />
belegt allerdings die Tatsache, dass eine klanglich aufpolierte Version der Nummer<br />
im Februar 1974 als 7-Inch-Vinyl in den USA ebenso scheiterte wie zuvor<br />
"Keep Yourself Alive" in Großbritannien.<br />
Hätte "The Nights Come Down" nicht dieses hektische Intro und Outro –<br />
es wäre lediglich eine etwas zu lässig heruntergespielte Halbballade, die am<br />
Ende nur aufgenommen wurde, um den Boden für den Speed-Kracher "Modern<br />
Times Rock’n’Roll" zu bereiten. Der rast dann auch durch zwei atemberaubende<br />
Minuten und präsentiert die an Rod Stewart erinnernde Stimme Roger<br />
Taylors erstmals über die gesamte – wenn auch kurze – Zeit eines Songs.<br />
Und schließlich "Jesus". So hingebungsvoll wandte sich Freddie Mercury der<br />
christlichen Religion später nur noch ganz selten zu. Sein Verhältnis zum Christentum<br />
war das eines zweifelnden Abkömmlings, der vertrauen will, der widersprüchlichen<br />
Wirklichkeit aber nicht zu entrinnen vermag. Das Stück hat etwas<br />
von einem Kirchenchoral, der am Ende eilig von ein paar Heavy-Metal-Kids zum<br />
Rock-Statement umgezimmert wird.<br />
"Seven Seas Of Rhye" bleibt am LP-Schluss nur ein instrumentales Fragment.<br />
Ein wenig beängstigend erschien<br />
dieser klangliche Nachhall spätestens<br />
in dem Moment, als der<br />
mit Lyrics versehene Song am 23.<br />
Februar 1974 in der englischen<br />
Hitparade die Top 10 knackte.<br />
Was dem Quartett damals<br />
mächtig im Magen lag, ist<br />
heute eine charmante Fußnote,<br />
die QUEEN unter den Fans einen<br />
wohlwollenden Sonderstatus<br />
garantiert: der Sound. Hier ein<br />
bisschen Hall, da ein paar Stereospielereien<br />
– und das war's. Ansonsten<br />
ist vor allem Brian Mays<br />
Gitarrenklang hörbar in ein Korsett<br />
gezwängt. Und dort, wo in den<br />
hochmütigen Momenten orchestrale<br />
Übermacht den jeweiligen<br />
Song in Sphären der Erhabenheit<br />
gehoben hätte, blieben <strong>Queen</strong> ungewollt bodenständig. Derart auf die Möglichkeiten<br />
einer vierköpfigen Rockband reduziert, klang das Quartett nie wieder.<br />
Während die Songs der LP zum Teil bis zu drei Jahre Zeit gehabt hatten, im<br />
Proberaum und auf kleinen Clubbühnen zu reifen, war die Scheibe selbst über<br />
Nacht entstanden: Ihr Label Trident überließ der Band nämlich immer dann das<br />
hauseigene Studio, wenn gerade niemand dort aufnahm. Also enterten die vier<br />
eigenwilligen Typen die noch nach Schweiß, Qualm, Bier und Ausdünstungen<br />
stinkenden Produktionsräume nachts oder an den Wochenenden. Vor allem<br />
Fo<strong>to</strong>: © Universal<br />
Mercury fühlte sich ob dieser Situation<br />
ziemlich angepisst, verwandelte seinen<br />
Unmut jedoch in pure Energie und lieferte<br />
begnadete Gesangsleistungen ab.<br />
Es macht Spaß, auf QUEEN die vor<br />
allem durch Arbeit gekennzeichnete<br />
Studio-Atmosphäre zu erlauschen.<br />
Manchmal meint man, hinter der Glaswand<br />
im Aufnahmeraum zu sitzen und<br />
die Band bei ihrem konzentrierten Zusammenspiel<br />
zu beobachten. Die Gruppe<br />
kam danach nie wieder in die Situation,<br />
lediglich damit abgespeist zu werden, was jene, die bereits aufgegessen hatten,<br />
am Tellerrand übrigließen. Bereits mit dem Album QUEEN II, am 8. März 1974<br />
veröffentlicht, marschierte der Vierer schnurstracks ins erste Glied.<br />
An Daten orientierte Bandbiografien<br />
gibt es reichlich.<br />
Auch die Alben erfuhren unzählige<br />
Betrachtungen und erhielten<br />
erst 2011, im 40. Jahr des Bestehens<br />
der Band, umfassende Würdigungen<br />
(<strong>GoodTimes</strong> 3/2011).<br />
Dass <strong>Queen</strong> aber nicht nur musikalisch<br />
außergewöhnlich und<br />
kommerziell eminent erfolgreich<br />
waren, sondern zu den bizarrsten<br />
Musikergemeinschaften der<br />
gesamten Rockgeschichte gehören,<br />
bleibt häufig auf der Strecke.<br />
Während andere Giganten den<br />
Ruhm vor allem fast ausschließlich<br />
mit sexuellen Eskapaden und Drogenexzessen<br />
auslebten, ist das Anekdotenbuch<br />
von Freddie, Brian,<br />
John und Roger voll mit Hintersinnigem.<br />
Wer den Eindruck gewinnt, dass <strong>Queen</strong> nichts dem Zufall überließen,<br />
liegt definitiv nicht falsch.<br />
Kein Wunder. Bei den vier neuen Stars am Rock’n’Roll-Firmament handelte es<br />
sich 1973 um angehende oder ausgebildete Akademiker. Brian May saß über<br />
seiner Dok<strong>to</strong>rarbeit in Astrophysik, Roger Taylor hatte nach einem Abstecher<br />
ins Medizinfach Biologie studiert, Freddie Mercury hatte längst sein Diplom in<br />
Grafik, Kunst und Design in der Tasche, und John Deacon strebte nach einem<br />
Uni-Abschluss in Elektronik und Physik. Das war damals eine ungewöhnliche<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 11
Konstellation. Heavy- und Hard Rocker entstammten dann doch eher dem Arbeitermilieu,<br />
weshalb sich intellektuell wähnende Musikjournalisten der Stilrichtung<br />
wenig Inhalt zugestanden und ihr schnell der Ruf stumpfsinniger Aggressivität<br />
anhaftete.<br />
Durch die Brille eines Spätgeborenen betrachtet, könnte die Bedeutung verwundern,<br />
die damals den unterschiedlichen Bildungsschichten beigemessen<br />
wurde. Allerdings handelte es sich bei Unis in den 60er und 70er Jahren<br />
tatsächlich noch um die berühmten Eliteschmieden. Wer studierte, war überdurchschnittlich<br />
begabt und gebildet. Hochschulen und Universitäten waren die<br />
Böden, auf denen Kreativität, Freigeist und Rebellion gediehen. Und heute?<br />
Nicht umsonst gibt es den Begriff Studenten-Rock, der sinnfreien Singer/Songwriter-Einheitsbrei<br />
beschreibt.<br />
<strong>Queen</strong> hatten ein Konzept. Nicht sofort, was ihre Happenings mit in Schokosoße<br />
getauchtes Popcorn bei frühen Konzerten belegen. Es ist jedoch<br />
kein Zufall, dass das royale <strong>Queen</strong>-Emblem noch vor der ersten LP entstand.<br />
Obwohl die Verantwortlichen bei Trident zweifelnd die Köpfe wiegten, schuf<br />
sich die Band ein aris<strong>to</strong>kratisches Image, das zu keiner der gerade grassierenden<br />
Wellen zu passen schien. Wozu auch? <strong>Queen</strong> hatten nie vor, Erwartungshaltungen<br />
zu bedienen. Sie verwoben Progressive Rock mit Glam, brachten Heavy<br />
Metal mit Oper zusammen. Das war bescheuert. Zumindest sahen das die<br />
Kritiker so, die besonders in <strong>Queen</strong>s Heimatland mit der Band eigentlich nie<br />
warm wurden. Und so hatten diese „arroganten Typen" von Anfang an Hürden<br />
zu nehmen, Mauern zu brechen, was sie zu allem Ärger ihrer Gegner affektiert<br />
s<strong>to</strong>lzierend taten.<br />
Das Spiel mit dem Königlichen hatte besonders für Mercury zwei Seiten.<br />
Zum einen schuf sich die Band einen Sonderstatus, der sie aus der Masse<br />
der Mitbewerber nicht nur heraushob, sondern geradezu isolierte. Niemand<br />
war wie <strong>Queen</strong>. Und <strong>Queen</strong> wollten auch nirgends dazugehören. Zum anderen<br />
transportierte das Image im England der Früh-70er, als noch keine Lady Di die<br />
Royals zu profanen Nachbarn herabgewürdigt hatte, die pure Provokation. Als<br />
die Popularität der Band zunahm, forderten konservative, königstreue Kreise in<br />
Petitionen gar, die Band möge sich umbenennen. Wenig erfolgreich, wie man<br />
weiß. Vielmehr sorgte der Gegenwind für nur noch mehr Lust anzuecken. So<br />
sollen <strong>Queen</strong> zum Beispiel in einer ihrer ersten Anzeigen als Au<strong>to</strong>grammadresse<br />
die Anschrift des Buckingham Palace veröffentlicht haben. Ob die echte <strong>Queen</strong><br />
sich danach vor Post nicht mehr retten konnte, ist das Geheimnis der Royals<br />
geblieben.<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
Beinahe noch besser als Werbung funktionierte die Auszeichnung der Band<br />
mit einer silbernen Scheibe für QUEEN II. In der deutschen „Bravo" war<br />
dazu im Ok<strong>to</strong>ber 1974 zu lesen: „Die vier Boys der Gruppe bekamen ihre Edelmetallscheiben<br />
im Londoner Café Royale überreicht – aus den Händen von<br />
<strong>Queen</strong> Elisabeth: allerdings nicht von der echten Königin, sondern von deren<br />
Doppelgängerin, einer Hausfrau namens Jeanette Charles aus Birmingham.<br />
Trotzdem – die verblüfften Gäste staunten anfangs nicht schlecht über den<br />
,hohen Besuch'."<br />
Live erlebte die Band in diesen Jahren des mühseligen Aufstiegs wahre Odysseen.<br />
Ihr erster Australienabstecher im Januar 1974 blieb als Desaster in Erinnerung.<br />
Sie waren bei einem Festival als Headliner gebucht worden und hatten somit auf<br />
einen Schlag sämtliche einheimischen Bands und Crewmitglieder gegen sich. In<br />
einer Atmosphäre wutschnaubender Abneigung fuhren die Bandmitglieder auch<br />
noch einzeln in großen weißen Limousinen vor, was das Fass überlaufen ließ<br />
und den für die Moderation zuständigen DJ dazu veranlasste, dem bereits gegen<br />
die Band in Stimmung gebrachten Publikum <strong>Queen</strong> als<br />
„aufgeblasene Wichser" anzukündigen.<br />
Heiß her ging es wenig später auch an der Universität<br />
Sterling (Schottland), als die Fans selbst nach der<br />
vierten Zugabe nicht akzeptieren wollten, dass die Band<br />
das Konzert beendete, und völlig ausrasteten. Es kam<br />
zu brutalen Schlägereien, in deren Folge zwei Gäste der<br />
Show niederges<strong>to</strong>chen wurden.<br />
Während die verhinderten Rockstars in den Redaktionen<br />
der englischen Musikmagazine von jeher mit<br />
nationalen Bands recht rüde umgingen, wurden <strong>Queen</strong><br />
sogar zum erklärten Kritiker-Hassobjekt. Wenn sich mal<br />
wieder ein Musikjournalist mit einer bissigen Schmähtirade<br />
ins Gerede bringen wollte, stürzte er sich auf die<br />
so schwer zu fassenden „Königinnen". Eine scheinbar<br />
sachliche Analyse des „leblosen Sounds" war da dann<br />
meist das kleinere Übel. Spott war an der Tagesordnung,<br />
der sich oft in Regionen bewegte, in denen versucht<br />
wurde, die Band der Lächerlichkeit preiszugeben.<br />
Selbstverständlich ging das nicht spurlos an den Musikern<br />
vorbei. Und natürlich war es der sensible Mercury,<br />
der besonders unter den öffentlichen Beleidigungen litt.<br />
<strong>Queen</strong>s Antwort auf die Anfeindungen war ein Rückzug.<br />
Das Quartett gab kaum Interviews, ließ Journalisten an<br />
der Entwicklung der Band nur als Zaungäste teilhaben.<br />
Dieser Selbstschutz hatte zur Folge, dass die schreibende<br />
Zunft Freddie & Co. der Arroganz bezichtigte, was die schrillen Figuren schließlich<br />
für die Fans noch interessanter machte. Das Verhältnis zur britischen Presse<br />
erholte sich nie mehr. Spätestens seit "Bohemian Rhapsody" (1975) interessierte<br />
<strong>Queen</strong> dies aber nicht mehr.<br />
Seite 12<br />
■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
Bis heute wird über Inhalt und Hintergrund dieser Jahrhundert-Single gerätselt.<br />
Den Text erklärte Mercury eigentlich nie. Und auch die Frage, ob<br />
es sich bei der musikalischen Umsetzung um einen frühen Crossover-Versuch<br />
oder doch eher um eine Opern-Parodie handelte, blieb lange Gegenstand von<br />
Spekulationen. Roger Taylor und Brian May sind in den zurückliegenden 20<br />
Jahren seit Mercurys Tod immer wieder bemüht gewesen, offen jene Fragen<br />
zu beantworten, die vorher zum Erhalt des Mythos <strong>Queen</strong> beredtes Schweigen<br />
ernteten. Allerdings ist ein zwei Jahrzehnte lang be<strong>to</strong>niertes Monument nicht<br />
mit ein paar wortreichen Interviews aufzuweichen.<br />
Es ist kurios, dass die Kohle erst richtig zu fließen begann,<br />
als "Bohemian Rhapsody" in die Charts kam und das<br />
mittlerweile vierte Album erschien, A NIGHT AT THE OPE-<br />
RA (1975). Ursache für die bis dahin leeren Kassen waren<br />
Knebelverträge mit Trident, aus denen sich die Band<br />
rauskaufen musste. Und während die anderen Gruppenmitglieder<br />
tatsächlich recht vernünftige Sachen mit den<br />
plötzlichen Riesensummen anstellten, flippte Mercury erst<br />
mal aus. Das „Freizeit Magazin" schrieb dazu 1978: „…<br />
kaufte sich Freddie lieber gleich eine neunsitzige Limousine<br />
mit Chauffeur … Mercury: ,Ich habe so viel sinnloses<br />
Zeug gekauft und hinterher weggeworfen, dass ich mich<br />
manchmal dabei über mich selbst gewundert habe.'"<br />
Wenn auch keiner der vier Musiker irgendetwas mit Drogen<br />
am Hut hatte und selbst Alkohol nie zu einem ernsthaften<br />
Problem wurde, gestalteten sich die unvermeidlichen<br />
After-Show-Partys äußerst exzessiv. Brian May beschrieb das mal als eine Art<br />
Ventil, das es ermöglichte, überschüssiges Adrenalin aus dem zuvor bestrittenen<br />
Auftritt abzubauen. Aus seinem Mund klingt das fast wie ein ironischer Scherz,<br />
wirkte der Gitarrist doch live eher zurückhaltend. Bei einem Angus Young<br />
(AC/DC) hätte man sofort gewusst, was er meinte – aber Brian May? Und doch –<br />
bei aller Konzentration aufs Spiel der nicht gerade unkomplizierten Songstrukturen<br />
explodierte der Klampfer allabendlich, was durchaus an seine Substanz<br />
ging. Vermutlich reagierte sein Körper auch wegen der Dauerbelastung 1974<br />
mit zwei schweren Infektionen. Erst entzündete sich sein Arm, beim zweiten<br />
Mal wurde May von einer Gelbsucht ausgehebelt, die sich nicht nur über Monate<br />
hinzog, sondern ihn zeitweise an die Schwelle des Todes brachte. Es war<br />
aber ausgerechnet diese erzwungene Auszeit, die dem Gitarristen in Momenten<br />
der Ruhe und Genesung die Möglichkeit gab, neue Songs zu schreiben.<br />
Bei <strong>Queen</strong> drehte sich alles um das Prinzip „schneller, höher, weiter". So<br />
strebten sie auch live nach immer wieder neuen Großtaten, die der Welt<br />
Fo<strong>to</strong>: © Universal<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 13<br />
den Atem rauben sollten. Bühnen-Extravaganz bei den Klamotten und der<br />
Lichtshow, Nebelschwaden, Bomben und Firlefanz, der in beachtlichen Größenordnungen<br />
als Unterhaltungseffekt im Publikum landete (massenhaft von<br />
Dornen befreite Rosen zum Beispiel) – und Zuschauerrekorde. So knackten sie<br />
am 18. September 1974 mit einem Gratis-Konzert im Londoner Hyde Park die<br />
150.000er-Grenze. Da ohne Ticketverkäufe keine genauen Zahlen vorlagen, bewegten<br />
sich einige Schätzungen sogar bei rund 200.000 Menschen. Mehr ging<br />
nicht. <strong>Queen</strong> waren dort angekommen, wo Mercury vom ersten Moment an<br />
hin wollte. Nichts hatte er dem Zufall überlassen. Er war einer jener Musiker,<br />
die zwar leidenschaftlich ans Werk gingen, Gefühlsregungen aber grundsätzlich<br />
noch einmal akribisch analysierten. Das galt fürs Image genauso wie für die Musik.<br />
Wer in "Bohemian Rhapsody" einen aus dem Bauch gespielten Rock’n’Roller<br />
sieht, ist definitiv besoffen. Selbst so simple Sachen wie "Crazy Little Thing Called<br />
Love" (THE GAME, 1980) oder "We Will Rock You" (NEWS OF THE WORLD,<br />
1977) waren exzellent durchdacht und im Studio zigmal diskutiert worden. Der<br />
Blues-Rocker "Sleeping On The Sidewalk" (NEWS OF THE WORLD), der in einem<br />
Take aufgenommen wurde, weil die Bandmaschine mitlief, blieb die Ausnahme.<br />
Mit der Popularität ging die Jagd der Journalisten nach immer neuen Informationen<br />
über die einzelnen Bandmitglieder einher. John Deacon eignete<br />
sich in seiner introvertierten Art nur schlecht für reißerische Geschichten. An<br />
Brian May hatte man sich schnell abgearbeitet, weil bei ihm außer dem Thema<br />
Musik nicht viel zu holen war. Anders Mercury und Taylor. Letzterer war ein<br />
Hansdampf in allen Gassen. Die Frauen liebten ihn – und er liebte die Frauen.<br />
Und Au<strong>to</strong>s: "I’m In Love With My Car" vom Album A NIGHT AT THE OPERA war<br />
ernstgemeint. Sportwagen, Luxusschlitten, Spezialausführungen – alles probierte<br />
er aus. Bis er 1980 bei einem Unfall in Deutschland in seinem Au<strong>to</strong> fast<br />
verbrannt wäre. In letzter Sekunde hatte er sich aus dem Wrack befreien können,<br />
bevor es in die Luft ging.<br />
Mercury war tatsächlich jene Diva, für die ihn alle hielten. Normal lief sein Leben<br />
eigentlich nur, wenn er schlief. Und hätte er die Journaille auch nur einen halben<br />
Meter näher an sich herangelassen, wären bereits in den ersten Jahren des Erfolgs<br />
über seine Eskapaden die Boulevard-Gazetten voll gewesen. So blieb es viele Jahre<br />
jedoch in erster Linie bei Spekulationen und Halbwahrheiten. Für den charismatischen<br />
Sänger nur weitere Gründe, sich medial äußerst rar zu machen.<br />
Freddie Mercury war durch und durch ein Künstler. Alles an ihm, jede<br />
Handlung hatte etwas mit Kreativität zu tun. Platz für anderes gab<br />
es nicht. So hielt der Frontmann zum Beispiel überhaupt nichts von<br />
Benefiz- oder sozialem Engagement, was seinen Bandkollegen<br />
ganz offensichtlich entgegenkam. Aber auch <strong>Queen</strong> spendeten:<br />
zum Beispiel den Reinerlös ihres Konzerts von 7.<br />
Juni 1977 im Earl’s Court an den Fonds zum 25. Thronjubiläum<br />
von Königin Elisabeth. Wie wenig das Quartett<br />
von politischen Statements hielt, belegt die anfängliche<br />
Weigerung der Band, 1985 am „Live Aid"-Spektakel teilzunehmen.<br />
Bob Geldof gestand später in Interviews, dass<br />
er Mercury nur über seine Eitelkeit zu einem Auftritt bei<br />
dem Festival habe überreden können: Ohne ihn ginge es<br />
nicht, die ganze Welt schaue zu und so weiter. Manch<br />
selbst ernannter Weltretter schluckte, als die Gruppe die<br />
Bühne betrat. Hatte Mercury mit seinen Kollegen nicht erst<br />
ein knappes Jahr zuvor den Kulturboykott der Vereinten<br />
Nationen gebrochen und im südafrikanischen Las Vegas,<br />
Sun City, Konzerte gegeben? <strong>Queen</strong> hatten! „Wir haben durchaus über den<br />
moralischen Aspekt nachgedacht, uns aber am Ende entschlossen, es zu tun",<br />
sagte Brian May seinerzeit dem „Guardian". „Wir sind keine politische Band,<br />
und deshalb spielen wir für jeden, der zu uns kommt und zuhört." Und John<br />
Deacon meinte: „Wir haben Freude daran, zu neuen Orten zu gehen. Wir haben<br />
Amerika und Europa so viele Male bereist, dass es Zeit war, mal irgendwo anders<br />
hinzugehen ... Ich weiß, dass es deshalb ein wenig Aufregung gegeben hat, aber<br />
offensichtlich sind wir da unten sehr populär ... Und grundsätzlich wollen wir<br />
spielen, wo auch immer Anhänger uns sehen wollen." Die Entrüstung kannte<br />
keine Grenzen. Diese Haltung passte ja so gut zu der „unerträglichen Arroganz"<br />
(„Guardian") der Gruppe.<br />
Dieselbe Zeitung fragte im Mai 2008, wie May und Taylor den Nerv haben<br />
konnten, an einem Festival im Hyde Park zum 90. Geburtstag Nelson Mandelas<br />
teilnehmen zu wollen. „Kalkül" und „kaltschnäuzig" hieß es da. May und Taylor<br />
beantworten solche Attacken mit einem Schulterzucken. Nur, dass es im Vergleich<br />
zu damals weitaus freundlicher ausfällt.<br />
Jens-Uwe Berndt
<strong>Music</strong>al in Essen<br />
im neuen Gewand<br />
Gemessen an ihrem Hang zum Gigantismus und zur Perfektion war<br />
es in der Epoche der <strong>Music</strong>als nur eine Frage der Zeit, bis auch<br />
<strong>Queen</strong> eine Show für die Theater anbieten würden. Und bei allem<br />
Wohlwollen: Der enorme Erfolg der Produktion „We Will Rock<br />
You“ schien anfangs keineswegs selbstverständlich. Mittlerweile<br />
haben seit der Uraufführung 2002 rund 14 Millionen Menschen<br />
das Spektakel gesehen, sechs Millionen allein im Dominion Theater<br />
im Londoner West End, zwei Millionen Zuschauer machten die<br />
Show von 2004 bis 2008 in Köln zum bisher erfolgreichsten <strong>Music</strong>al<br />
in Nordrhein-Westfalen. In Essen geht es ab April weiter.<br />
Wie <strong>Queen</strong>-Gitarrist Brian May versichert,<br />
erwartet das Publikum nicht etwa nur<br />
eine identische Aufführung an einem<br />
anderen Standort. „Wir sind überglücklich, dass wir<br />
,We Will Rock You' in dieser aktuellsten und technisch<br />
neuesten Überarbeitung erstmals für Deutschland<br />
in Essen präsentieren können", sagt May. „Wir<br />
sind sehr s<strong>to</strong>lz auf diese deutsche Produktion. Sie<br />
ist mit keiner anderen weltweit zu vergleichen. Das<br />
Ensemble und die Band haben ihren ganz eigenen<br />
Stil. Aber was am allerwichtigsten ist: Die Show ist<br />
live, sie ist gefährlich, und mehr als alles andere:<br />
Sie rockt!"<br />
Vom 11. April bis 30. Juni wollen im Essener Colloseum<br />
Theater jeden Abend 76 Ensemble- und<br />
Crewmitglieder für die perfekte Illusion einer <strong>to</strong>talitären<br />
Science-Fiction-Welt sorgen, in der eine<br />
kleine Gruppe ausgeflippter Rebellen die Rockmusik<br />
dem Bann einer dikta<strong>to</strong>rischen Herrscher-Kaste entreißen<br />
will. Das klingt bedeutungsschwanger und ist<br />
von der S<strong>to</strong>ry des Konzeptwerks KILROY WAS HERE<br />
der Gruppe Styx (1983) gar nicht so weit entfernt.<br />
Dort war es einst ein gewisser Robert Orin Charles<br />
Kilroy, der als eingekerkerter Rock’n’Roll-Star die<br />
verbotene Rockmusik wieder ins Bewusstsein der<br />
Menschen zurückbringen wollte.<br />
Die Handlung bei „We Will Rock You" ist opulenter.<br />
Nicht nur der Kampf zwischen Gut und Böse – verkörpert<br />
durch die Rockfans auf der einen und die<br />
Herrscherin Killer <strong>Queen</strong> (Brigitte Oelke) auf der anderen<br />
Seite – machen die Handlung aus. Dazu gibt<br />
es eine facettenreiche Love-S<strong>to</strong>ry mit Galileo (Chris<strong>to</strong>pher<br />
Brose) und Scaramouche (Jeannine Michele<br />
Wacker). Selbst Nebenfiguren wie Bap (Léon van<br />
Leeuwenberg), Brit (Markus Neugebauer) und Dieter<br />
(Martin Werth) sind mit Liebe zum Detail ausgearbeitet<br />
und treiben die Geschichte unentwegt<br />
vorwärts.<br />
Ein wesentliches Element des <strong>Music</strong>als ist der Humor.<br />
Vor allem witzige Bezüge zum <strong>Queen</strong>-Schaffen und<br />
Anspielungen auf die aktuelle Rock- und Popszene<br />
sorgen für Lacher. Und es ist den<br />
Machern der deutschen Version von<br />
„We Will Rock You" hervorragend gelungen, die den<br />
Fluss unterstützenden Wortspiele, die sich aus englischsprachigen<br />
Songs ergeben, mit nicht weniger<br />
heiteren Bezügen zu deutschen Liedern zu ersetzen.<br />
Der <strong>Queen</strong>-Fan kommt schon aus musikalischer<br />
Sicht voll auf seine Kosten. Neben einer gigantischen<br />
Version von "Bohemian Rhapsody", des<br />
visuell traumhaft umgesetzten "Radio Ga Ga" und<br />
dem machtvollen "Killer <strong>Queen</strong>" kommen Titel wie<br />
"Headlong", "These Are The Days Of Our Lives" und<br />
"Tie Your Mo<strong>the</strong>r Down" zur Aufführung.<br />
Jens-Uwe Berndt<br />
Fo<strong>to</strong>: © Hardy Müller<br />
Fo<strong>to</strong>: © Nilz Böhme<br />
Fo<strong>to</strong>: © Nilz Böhme<br />
Seite 14<br />
■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
Steven Wilson<br />
The Raven That Refused<br />
To Sing (And O<strong>the</strong>r S<strong>to</strong>ries)<br />
Das neue Album des Grammy nominierten Songschreibers,<br />
Produzenten und Porcupine Tree Gründungsmitglieds.<br />
Engineered von Alan Parsons.<br />
<br />
<br />
ECLIPSED – ALBUM DES MONATS<br />
ROCK HARD 9/10 (Michael Rensen):<br />
“Ein heißer Anwärter auf den Titel „Platte des Jahres“!<br />
VISIONS (Dennis Plauk):<br />
“Steven Wilson ist das größte Prog-Genie seiner Zeit.”<br />
Jezt Erhältlich<br />
www.kscopemusic.com/stevenwilson<br />
www.stevenwilsonhq.com<br />
Amplifier<br />
Echo Street<br />
<br />
<br />
Erhältlich ab 15. März<br />
www.kscopemusic.com/amplifier<br />
ON TOUR<br />
20/4 OSNABRUCK - Kleine Freiheit<br />
21/4 HAMBURG - Knust<br />
22/4 DRESDEN - Beatpol<br />
24/4 MUNICH - Hansa 39<br />
25/4 WURZBURG - Cairo<br />
26/4 ERFURT - HSD Gewerkschaftshaus<br />
27/4 COLOGNE -Luxor<br />
28/4 SAARBRUCKEN - Garage<br />
29/4 WEINHEIM - Cafe Central<br />
30/4 KARLSRUHE - Substage<br />
ON TOUR<br />
10/3 KÖLN, Live <strong>Music</strong> Hall<br />
14/3 HAMBURG, CCH Saal 2<br />
21/3 BERLIN, Hasenheide, Huxley’s<br />
22/3 ESSEN, Altendorfer Straße, Colosseum<br />
23/3 FRANKFURT, Neu-Isenburg, Hugenottenhalle<br />
25/3 STUTTGART, Siemensstraße, Theaterhaus<br />
26/3 MÜNCHEN, Theresienhöhe, Alte Kongresshalle<br />
Henry Fool<br />
Men Singing<br />
Das neue Album des Projektes mit Mitgliedern<br />
<br />
Erhältlich ab 15. März<br />
www.kscopemusic.com/henryfool<br />
The Pineapple Thief<br />
Build a World<br />
Die neue EP von TPT, mit drei brandneuen<br />
Studio Tracks<br />
ON TOUR<br />
12/3 KARLSRUHE, Jubez<br />
15/3 OBERHAUSEN, Drucklufthaus<br />
<br />
www.kscopemusic.com/<strong>the</strong>pineapplethief
Werbegeschenke der Plattenindustrie<br />
Hits dank Gimmicks?<br />
Eric-Clap<strong>to</strong>n<br />
Weltatlas, Dire-Straits-<br />
Tageskalender, Talk-Talk-Büro-<br />
Utensilien, Babyface-Kühlbox oder<br />
Zeig mir Wohnung und Kleiderschrank,<br />
dann errate ich deinen men scheuten früher weder Kosten noch Mü-<br />
Snap-Ente und putzt sich die Zähne mit<br />
Beruf!" Bei professionellen hen, um Handels- und Medienpartner auf ihre der Pop-A-Tac-Bürste. In der Küche<br />
„<br />
Musikverkäufern aus Handel Produkte aufmerksam zu machen. Gimmicks hei-<br />
wird zum Tears-For-Fears-Messer rs-Messer<br />
tanzende Kunstblume von Poco: Plattenfir-<br />
flott aus dem Bett, trifft im Bad auf die<br />
und Medien führt diese Behauptung, auch<br />
ohne vorherige Kenntnis ihrer Tätigkeit,<br />
meist auf einen Blick zu einer Trefferquote<br />
von 100 Prozent. Wieso? Ist der Gegenüber<br />
nicht bereits selbst eine wandelnde<br />
Litfaßsäule für die Pop/Rockindustrie, dann<br />
lebt er inmitten einer Promotionartikelwelt,<br />
stapeln sich in seinem<br />
Kleiderschrank T- und<br />
ßen jene Werbegeschenke; sie sollen dafür sorgen,<br />
dass Tonträger durch besondere Originalität oder<br />
spektakuläre Aufmachung aus der Konkurrenzmasse<br />
heraus stechen und bei Entscheidern und/oder Meinungsmachern<br />
Interesse auf sich ziehen. Thomas Hammerl<br />
öffnet seinen in vielen Jahren musikjournalistischer<br />
Arbeit zusammengetragenen reichhaltigen Fundus<br />
an Gimmicks und begehrten raren Promotionexemplaren.<br />
"Tears Roll Down" gegriffen, der<br />
Kaffee aus der INXS-Tasse trunken, dazu gibt's entweder<br />
Schokolade aus der Living In<br />
A Box oder Monster-Twins-<br />
Kekse – an einem mit einer<br />
bunten Simple-Minds-Decke<br />
und dem Kinderspielzeug zur<br />
ge-<br />
Sweat-Shirts<br />
mit Coverabbildungen<br />
Und er recherchierte auch bei den Annie-Lennox-Single "Litt-<br />
oder Logos von Stars und Sternchen<br />
jeglicher Couleur. Die Hemden tragen<br />
mehr oder<br />
weniger dezent platzierte<br />
Namenszüge oder plakative Aufnäher/<br />
Firmen, um Sinn und Zweck solcher Präsente<br />
zu klären. Ein Insiderbericht aus einer<br />
Zeit, als es noch die deutsche Mark<br />
gab und der Tonträgerindustrie<br />
le Bird" geschmückten Tisch.<br />
Beim Anziehen im branchentypischen<br />
Look immer wieder mal<br />
die breiten Hubert-von-Goisern-Hosenträger osenträger berück-<br />
Drucke der Künstler und können – wie etwa<br />
im Fall von Erasure – schon mal von einem<br />
exklusiven Londoner Designer entworfen sein. Auf<br />
gut ging.<br />
sichtigen und die rosafarbene Thele<br />
Specials-Krawatte: Das zeigt den Plattenpromotern,<br />
dass der Träger zu ihrer Ware steht<br />
einer<br />
Boxershorts-Rückseite ist in knalligem Pink „Ramones –<br />
Brain Drain" zu lesen, der Bademantel weist unübersehbar<br />
auf die aktuellen Alben von Billy Squier oder Peter Wolf hin.<br />
und sie brav bewirbt. Von Kopf (mit „Schulz"-Schirmmütze<br />
oder Izzy-Stradlin-Stirnband) bis Fuß (in Mike-Oldfield--<br />
Sportschuhen) ganz auf Produktwerbung eingestellt, geht<br />
es im Jogginganzug mit der Aufschrift „John Parr – Running<br />
Wo immer ein Mensch ist, der etwas mit dem The Endless Mile" und umgehängter The-Fixx-WALKABOUT-T-<br />
<strong>Music</strong>-Biz zu tun hat – die Gimmicks in seinem<br />
S<strong>to</strong>ppuhr sowie geräumiger Eddie-Grant-Tasche zum Frühsport.<br />
Umfeld sind unübersehbar. Findige, kreative,<br />
in Konkurrenz zueinander stehende Marketing- und<br />
Produktmanager sorgen dafür, dass mit ihren Zusatzprodukten<br />
jeder Lebensbereich der einflussreichen<br />
Die Schweißbänder dafür warfen Frankie Goes To Hollywood<br />
und den Frisbee THE RUNNER – Richard T. Bear ins<br />
Rennen. Erfrischende Getränke liegen in der Kühlbox mit dem<br />
aufgeklebten Babyface-Gesicht.<br />
Kandidaten infiltriert wird – am besten 24 Stunden<br />
G täglich, sieben Tage die Woche. So kommt die Zielper-<br />
enug? Noch lange nicht! Im Büro steht dann der Richard-<br />
son<br />
morgens dank des Boy-Meets-Girl-Hahnenwecker Marx-Taschenrechner „Rush Street" ebenso griffbereit wie eine<br />
Seite 16 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
gelbe Kajagoogoo-<br />
Schere WHITE<br />
FEATHERS,<br />
Annette Humpes<br />
Textmarker<br />
(in<br />
Lippenstiftform)<br />
ICH KÜSSE<br />
IHREN MANN, der<br />
stabile CELEBRITY<br />
SKIN-Notizblock<br />
in Silbermetallic von der<br />
Courtney-Love-Band<br />
Hole<br />
und die Talk-<br />
Talk-Pinienholzbox<br />
LAUGHING STOCK samt Lineal, Büroklammern, Reißnägeln, Radiergummi, mi,<br />
Stiften, CD sowie dem Cover als Druck und Aufkleber. Derart bestens ausgeen<br />
rüstet, können etwaige Termine im<br />
ledergebundenen<br />
Dire-Straits-Tageskalender notiert<br />
werden. Vor dem<br />
Abflug zum nächsten Interview, der durch ei-<br />
nen Blick auf ZZ Tops RE-<br />
CYCLER-Wandkalender ge-<br />
klärt wird, lohnt die genaue<br />
Ortsbestimmung im Eric-<br />
Clap<strong>to</strong>n-Weltatlas<br />
JOURNEYMAN.<br />
Der Anhänger von Texas ist<br />
bereits am transparenten<br />
Michael-Jackson-Aktenkoffer<br />
befestigt, der<br />
Mini-Ventila<strong>to</strong>r STURM<br />
von Kalkowski ebenfalls<br />
eingepackt. Nicht zu vergessen: der handliche, lederne Kreditkartenordner HELL<br />
TO PAY der Jeff Healey Band. Aber erst noch kurz den Timer im PC checken,<br />
dessen Maus auf einem Genesis-Pad liegt. Über dem Moni<strong>to</strong>r balanciert auf<br />
einem quer durch den Raum gespannten Seil ein klei-<br />
ner Einradkünstler (anlässlich Supertramps FAMOUS<br />
LAST WORDS), während auf dem Balkon die Sonnenblumensamen<br />
aus Maggie Reillys<br />
dunkelblau-dekorativer, mit Mes-<br />
singsonne verzierter MIDNIGHT<br />
SUN-Schachtel etliche Blüten<br />
hervorgebracht haben. Ebenfalls<br />
ein Hingucker ist der<br />
nummerierte<br />
Kunstdruck<br />
des Covers von Chris Reas<br />
GOD'S GREAT BANANA SKIN (Limited Edition:<br />
500 Stück). Kurz ein Blick auf die UKW-Wanduhr<br />
ALLES KLAR geworfen: Passt, bald ist Abreisezeit!<br />
Zurück vom Promiplausch bleibt nicht viel Zeit,<br />
selbst zu kochen. Darum gibt es zum Abendessen n<br />
das Fertiggericht „Jambalaya Seasoning And Popcorn orn Rice",<br />
eine Empfehlung der Neville Bro<strong>the</strong>rs mit ihrem Album. Wem es angesichts des<br />
geschilderten Präsente-Showdowns inzwischen schwindlig ist, erinnert sich am<br />
besten des „Survival Sets" zum Film „Roadhouse", das neben gerösteten Nüssen,<br />
einem Schnapsglas s und „ernüchternden Tipps"<br />
auch Alka Seltzer enthält. Da betritt bereits die<br />
Freundin die Wohnung jenes – von der trie als meinungsbildender Multiplika<strong>to</strong>r ge-<br />
Indusschätzten<br />
und deshalb hofierten – Journalisten<br />
die<br />
Wohnung.<br />
Zeit, das „Do Not<br />
Disturb – I’m Save<br />
Tonight"-Schild<br />
von<br />
Eagle-Eye<br />
Cherry draußen an<br />
die<br />
Wohnungstür<br />
zu hängen – für<br />
den Fall, dass ein<br />
Kurier plötzlich weitere<br />
Promo-Exemplare<br />
anliefert<br />
... Nachdem mit dem El<strong>to</strong>n-John-&-Cliff-Richard-hard-<br />
Feuerzeug in Mikrofonform die Midnight-Oil-Öllampe<br />
angezündet und die per Knopfdruck Feuer gebende Dio-<br />
Handgranate nicht zu offensichtlich postiert wurde, empfiehlt<br />
es sich, für alle Fälle das Kondom parat zu haben,<br />
das einem Tonträger der Anti-Nowhere League beilag …<br />
All diese Werbegeschenke, von den Plattenfirmen an<br />
ihre Partner im Fach(<strong>to</strong>nträger)-<br />
handel und bei den Medien<br />
frei Haus geliefert, sind also<br />
„Gimmicks". Der Begriff stammt t<br />
aus dem anglo-amerikanischen<br />
Sprachraum, ist ab 1926 schriftlich<br />
belegt und bedeutet soviel<br />
wie Dingsda, Knüller oder Sensationswerbung.<br />
„Gimmicks sollen<br />
einen Erinnerungswert und<br />
ein gewisses Wohl-<br />
wollen<br />
dem<br />
Pro-<br />
dukt gegenüber bezwecken",<br />
erklärt Jürgen Kramar. So hat das seit November<br />
2003 im Unruhestand befindliche A&R-Urgestein (u.a. Ex-<br />
International Consultant Universal, Vice President A&R In-<br />
ternational Koch Records, Manager A&R<br />
International Intercord) etwa für<br />
den von ihm betreuten Musiker,<br />
Songwriter und Produzenten<br />
Babyface eine der<br />
aufwändigsten Aktionen<br />
der damaligen<br />
Intercord in Stuttgart<br />
durchgeführt. Weil,<br />
laut Anschreiben,<br />
„das Babyface-Album<br />
TENDER LOVE<br />
einfach zu heiß ist,<br />
um es auf anderem<br />
Wege zu verschicken", wurde die CD 1100 ausgesuchten Händlern, Großeinkäufern<br />
sowie Medienleuten in Deutschland, Österreich und der Schweiz in<br />
einer großen, weißen Kühlbox zugestellt. „Die Gesamtkosten betrugen rund<br />
50.000 Mark", offenbart Kramar, „bescherten uns zwar verstärkte<br />
Promotion<br />
und guten Willen, brach-<br />
ten aber nicht das, war<br />
wir uns davon<br />
erhofften.<br />
Trotz bester<br />
Kritiken<br />
hat<br />
sich TEN-<br />
DER LOVE<br />
nicht sonderlich<br />
gut<br />
verkauft<br />
und schaffte<br />
auch keine<br />
Hitparadenplatzierung."<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 17
Single-Hit nach Gimmick-Versand<br />
Mehr Erfolg dagegen war Mike Weller, Ex-Vice President<br />
Germany-Switzerland-Austria & Central Europe bei Sony<br />
<strong>Music</strong> Publishing, früher dort A&R Manager sowie schendurch Marketing Direc<strong>to</strong>r Warner <strong>Music</strong>, während<br />
seiner CBS-Zeit beschert. 30.000 Mark wendete er aus sei-<br />
nem Budget dafür auf, je ein Fernglas plus CD von Vision<br />
Fields an 400 potenzielle Interessenten im Handel und dbei<br />
den Medien abzugeben. Die Folge: Mit ihrer dritten Single<br />
"Sad Song" gelang der Band ihr erster Chart-Eintritt ritt<br />
zwi-<br />
bis dahin. „Inwieweit das auf den Gimmick zurückzu-uführen<br />
ist", rätselte Weller, „weiß ich allerdings nicht.<br />
Gimmicks, die etwas<br />
auslösen, sind wirklich<br />
selten. Auch wenn sie den einen n oder anderen<br />
Kontext zu dem Tonträger herzustellen versu-<br />
chen, sagen sie ja nichts über die Musik selbst<br />
aus, sondern sollen nur das Produkt aus der end-<br />
losen Flut an Veröffentlichungen herausheben."<br />
Musikempfindliche Blu-<br />
me zur Poco-LP<br />
Für diese Signalwirkung lassen<br />
sich die Verantwortlichen viel<br />
einfallen. Eine besondere Krea-<br />
tivzelle waren der Marketingdi-<br />
rek<strong>to</strong>r und spätere Geschäftsfüh-<br />
rer Eckhart Gundel sowie Werbeleiter<br />
Jürgen Schwitzkowski während ih-<br />
rer Zeit bei der BMG Ariola in<br />
Hamburg. Sie erfanden die<br />
auf Impulse reagierende, e,<br />
tanzende Plastikblume für Eurythmics<br />
sowie Poco, den krähenden Boy-Meets-<br />
Girl-Wecker, das ROCK OF LIFE-Radio<br />
(Rick Springfield) in Form des legendären<br />
Shure-Mikrofons sowie die Latin-Quarter-Uhr mit der pyramisierten Scheibe,<br />
die im 60-Sekunden-Takt den Albumtitel MODERN TIMES anzeigt. Ebenfalls er-<br />
wähnenswert: der Bonfire-Hot-Pot, auf dem das Bandlogo nur dann auftaucht,<br />
wenn heiße Flüssigkeit in die Tasse gefüllt wird.<br />
In der Regel werden Gimmickideen bei den<br />
Firmen entweder vom Product Manager oder<br />
den A(rtist) & R(eper<strong>to</strong>ire)-Verantwortlichen<br />
in Zusammenarbeit mit der Marketingabteilung<br />
entworfen; manchmal sogar in<br />
Abstimmung mit dem Künstler und dessen<br />
Managements.<br />
„Bei Werbebudgets von 20.000 bis 150.000<br />
Mark pro Künstler und<br />
Produkt muss sich der<br />
Verantwortliche rtliche gut<br />
überlegen, wie er<br />
das Geld<br />
einsetzen<br />
will,<br />
gibt es<br />
doch mit<br />
TV-Spots,<br />
Zeitschrif-<br />
tenwerbung,<br />
Plakatierung und<br />
Gimmicks viele Möglichkeiten", en",<br />
berichtete Monika Bendig als Product Managerin<br />
International während ihrer Chrysalis-Zeit. Für internationale<br />
Acts hat die deutsche Firma bei Neuveröffentlichungen<br />
oft nur in Teilbereichen selbst<br />
aktiv zu werden. „Vielfach wurden uns von den ausländischen<br />
Vertragspartnern die Gimmicks gleich mit dem Dekorationsmaterial<br />
angeboten", bestätigte (der inzwischen vers<strong>to</strong>rbene) Gerd Ludwigs als Marketing-<br />
und A&R-Leiter national sowie international der BMG Ariola München.<br />
„Umsonst bekam man aber in solchen Fällen auch nichts", be<strong>to</strong>nte sein Kollege<br />
Jürgen Kramar von der Intercord.<br />
LP in Stahl geschraubt<br />
Gimmicks müssen nicht immer kostspielig<br />
sein. „Es kann", argumentierte Weller, „ge-<br />
nauso<br />
gut eine besondere Art der Verpa-<br />
ckung<br />
sein." Damit wird ein Gimmickaspekt<br />
angeschnitten – jener der bei Sammlern und<br />
Fans begehrten, oftmals streng limitierten<br />
(im Handel nicht erhältlichen) Promoversionen<br />
(siehe Kasten). Ein Beispiel: Die<br />
Heavy-Metal-Band Karo ließ ihre zweite e<br />
LP<br />
HEAVY BIRTHDAY zwischen zwei<br />
Stahlplatten einschrauben. Weller wiederum<br />
sorgte dafür, dass die Johnny-<br />
Logan-Single "All I Ever Wanted" als<br />
3-Inch-CD<br />
in einer 7-Inch-CD-Verpackung ver-<br />
schickt wurde. In Sachen der erwähnten<br />
Vision Fields hat er ebenfalls eine größere<br />
Aussendung vorgenommen. Dabei han-<br />
delte es sich um einen Stapel Briefum-<br />
schläge plus Grußpostkarten. Wird die<br />
Karte aufgeklappt, ist zwar kein Interpretenname<br />
zu lesen, dafür aber<br />
das Singlemotiv "Missing You"<br />
ersichtlich. „Ob der Gag ankommt",<br />
rätselte Mike Weller,<br />
„weiß ich jedoch nicht. Damals<br />
bei<br />
den Midnight-Oil-Lampen<br />
haben sich unsere Promotionleu-<br />
te kaputtgelacht, doch die Händler<br />
und Journalisten waren davon<br />
begeistert."<br />
Gimmick als Hemmschuh<br />
Gimmicks können allerdings auch nach hinten<br />
losgehen und das genaue Gegenteil von der<br />
beabsichtigten Reaktion bewirken. „Da war<br />
das Feuerzeug, das nicht funktionierte", nierte",<br />
erinnert sich Weller, „oder der Füllfederhalter,<br />
von dem sich die aufgedruckte Gravur<br />
löste." Ähnliche Negativerfahrungen n hatte<br />
auch Gerd Ludwigs beizusteuern. „Ich bekam<br />
einmal unseren Windschutzscheiben-cheibenparavent<br />
re<strong>to</strong>ur, den wir für Eros Ramazzottis<br />
MUSICA E herausgebracht hatten. ten.<br />
Eine erboste Journalistin schrieb<br />
mir dazu einen Brief, dass wir mit<br />
der Riesenverpackung und dem<br />
Kar<strong>to</strong>n<br />
des<br />
Gimmicks nicht<br />
auch noch das Müllproblem unterstützen<br />
müssten. Diese<br />
Reaktion hat mir sehr imponiert."<br />
Die Effektivität von Gimmicks, darin sind sich<br />
alle Gesprächspartner einig, ist nicht messbar.<br />
„Was das bringt", weiß<br />
Weller, „ist genauso<br />
wenig nachvollziehbar<br />
wie<br />
die Wirkung<br />
von<br />
Anzeigen."<br />
Jede Firma<br />
fährt bei<br />
Gimmicks<br />
darum<br />
ihre eigene e<br />
Strategie. e.<br />
Während das Gros der Gimmicks parallel zur<br />
Veröffentlichung eines Produktes bemustert<br />
wurde, ging beispielsweise Chrysalis genau den<br />
konträren Weg. „Wir machten Gimmicks nicht<br />
im Vorfeld, sondern zu jenem Zeitpunkt, als bereits Stück-<br />
Seite 18 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
zahlen verkauft wurden und die reelle Chance<br />
bestand, dass die Platte in die Charts geht", berichtete<br />
Monika Bendig. „Wir wollten mit unseren<br />
Gimmicks vor allem die Tipper im Handel, die jene<br />
für die Charts damals maßgeblichen Verkaufslisten<br />
ausfüllten, an unser Produkt erinnern."<br />
Einen ganz anderen Effekt sollten indes die von<br />
Monika Bendig eingangs erwähnten Ramones-<br />
Boxershorts erzielen: „Mit ihnen haben wir uns bei<br />
500 Leuten im Vertrieb und Verkauf sowie bei 100<br />
Medienpartnern dafür bedankt, dass sie sich für<br />
unser Produkt stark gemacht haben."<br />
An der Grenze zur Bestechung<br />
Gimmicks, bei den Adressaten meist hochwillkom-<br />
men, sind jedoch nicht unumstritten. „Das Ganze ist in gewisser<br />
Weise eine etwas<br />
gefährliche Angelegenheit",<br />
meinte<br />
Jürgen<br />
Kramar,<br />
„da<br />
Gimmicks<br />
auch als Bestechung<br />
aufgefasst<br />
werden können."<br />
Dieser<br />
Feststellung<br />
widersprach<br />
Gerd Ludwigs entschieden.<br />
„Da ist<br />
der Grenzbereich<br />
schon sehr knapp<br />
bemessen,<br />
denn<br />
dann müsste jede<br />
Postwurfsendung<br />
mit einem Pröbchen gleichfalls Bestechung sein. Solange ich<br />
aber niemandem eine echt goldene Uhr schenke, brauche ich auch kein<br />
schlechtes Gewissen zu haben."<br />
Unstrittig ist allerdings die Beobachtung, dass die Gimmickempfän-<br />
ger aufgrund der konstanten Geschenkeflut und eines meist hohen<br />
Qualitätsstandards zunehmend verwöhnt waren. Frische T-Shirts, am<br />
liebsten gleich im Wochenturnus, wurden von zahlreichen Kollegen in<br />
Presse, Funk und Fernsehen bereits als selbstverständlich angesehen.<br />
Manchmal spekulierten die Medienmacher bereits bei Albumankün-<br />
digungen, was ihnen im Zuge der Veröffentlichung ins Haus stehen<br />
könnte.<br />
Auf ein<br />
Wunder warteten sie aber alle bei der <strong>Queen</strong>-Platte MIRAC-<br />
LE (1998) – trotz des für Gimmickkassierer perfekt passenden<br />
Single-Hits "I Want It All" – vergebens. Nicht erfüllt hat sich<br />
auch der<br />
Traum von<br />
der eigenen<br />
Insel anläss-<br />
lich Jethro Tulls<br />
ROCK<br />
ISLAND<br />
oder<br />
einem<br />
Kleinwagen als<br />
Gimmick der<br />
Cars. Bei dem<br />
deutschen Industrial-Klassiker "Haus der<br />
Lüge" dagegen war wohl jeder froh, nicht Eigentümer<br />
einer Immobilie geworden zu sein.<br />
Die Macher dieser Scheibe haben schließlich<br />
einen zu programmatischen Bandnamen:<br />
Einstürzende Neubauten!<br />
Thomas Hammerl<br />
Promo-Exemplare<br />
= Sammlerstücke<br />
Ein Randbereich der Gimmicks sind sogenannte Promos.<br />
Dabei handelt es sich um spezielle, limitierte, bisweilen<br />
sogar nummerierte Ausgaben eines Tonträgers. Die Besonderheit<br />
kann in der Art der Präsentation/Verpackung<br />
liegen, in beigepackten Fo<strong>to</strong>s/Texten, besonders opulenter<br />
Ausstattung oder indem der Vorabversion z.B. eine Interview-CD<br />
oder etwas anderes, mit der normalen Variante<br />
nicht Erhältliches beiliegt. Nachfolgend ein Dutzend<br />
exklusiver Exemplare:<br />
• Die Veröffentlichung des Apple-Label-Kataloges wurde<br />
mit einem Papp-Apfel angekündigt, dessen drei Scheiben<br />
gegenein ander verschiebbar sind und der auf einer Seite einen<br />
Apple-Künstler-Sampler als 4-Songs-EP enthält.<br />
• Die großformatige Iron-Maiden-Box BEST OF THE BEAST (inklusive<br />
Pop-Up-Figuren beim Aufklappen!) hat eine CD (plus<br />
dickes Booklet), Interview-CD und Video im Schuber.<br />
• Tina Turner’s FOREIGN AFFAIR wurde verpackt in einen mehrseitigen<br />
Reisepass im DIN-A5-Format.<br />
• Die Deep-Purple-CD THE BATTLE RAGES ON gab es als Limited<br />
Edition (500 Stück) in einer massiven Naturholzbox. Aufgeklappt<br />
ruhen dort auf Samt das Album und eine Deep-Purple-<br />
Gürtelschnalle.<br />
• ACHTUNG BABY von U2 wurde von einer Box im Langspielplattenformat<br />
flankiert, die An<strong>to</strong>n Corbijns "<br />
Pho<strong>to</strong> Collection" aus<br />
seinen Aufnahmesessions zu dieser CD beinhaltet. Das Album<br />
liegt dieser Special Edition aber nicht bei!<br />
• Auf ELVIS – THE COMPLETE 50’s MASTERS wurde Appetit gemacht<br />
mit einem Folder: vier Fo<strong>to</strong>s, eine Compilation-CD, ein<br />
hochformatiges, seitenstarkes Booklet sowie die relevanten<br />
Albumcover als Briefmarken.<br />
• Bruce Springsteen präsentiert LUCKY TOWN und HUMAN<br />
TOUCH in einer mit Samt ausgeschlagenen, auf 1500 Stück limitierten<br />
Ausgabe, deren edles, geschliffenes Holzkistchen mit<br />
goldenem Verschluss versehen ist.<br />
• Mark Knopflers GOLDEN HEART kam schlicht-schick in einer<br />
Pappschachtel mit Prägedruck. Darin: edles Booklet, Album,<br />
Diskette, Dias, Schwarzweiß-Fo<strong>to</strong>.<br />
• KRYPTOS von Andreas Vollenweider traf samt Video in einem<br />
mit Vorhängeschloss gesicherten, 15 Zentimeter hohen Wellpappe-Zylinder<br />
ein. Auf 1000 Exemplare limitierte Edition.<br />
• Phil Collins stellte BUT SERIOUSLY in einem DIN-A4-Folder<br />
samt Schwarzweiß-Fo<strong>to</strong>, vier Mini-Discs (inklusive Interview)<br />
und Booklet vor.<br />
• Panteras HOSTILE MIXES-CD wurde in einer größeren Blechdose<br />
zugeschickt, deren Inhalt sich erst durch den Einsatz<br />
eines Dosenöffners offenbarte: Album, Single, gedruckte Biografie,<br />
Mini-Boxhandschuh-Anhänger.<br />
• Gigantisch, wie aufwändig und opulent ausgestattet die EAV<br />
ihre CD HIMBEERLAND nahebringen durfte: Eine rosa Megabox<br />
umfasst neben der CD eine kleine Discokugel, Madonna-Kerze,<br />
eine kleine Flasche Tequila, 4711 in Miniatur sowie einen nostalgischen<br />
Spielzeugvogel aus Blech.<br />
Fo<strong>to</strong>s: © Fabian Schreyer<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 19
Zum 80. Geburtstag (*30. April 1933)<br />
Willie Nelson<br />
Willie Nelson hat alle Moden der<br />
amerikanischen Musikszene<br />
überdauert. Jetzt wird die<br />
lebende Legende 80<br />
Jahre alt.<br />
Outlaw unter Denkmalschutz<br />
Seit einem Jahr hat Austin, die Hauptstadt<br />
von Texas, eine Attraktion mehr. Am 20.<br />
April enthüllte der Bürgermeister eine Willie-<br />
Nelson-Statue. Damit erfuhr der texanische Musiker<br />
eine Würdigung, die Louis Armstrong, Elvis Presley,<br />
Buddy Holly und Bob Wills in den USA erst nach<br />
dem Tod zuteil wurde. Im Leben des „Red Headed<br />
Stranger", das vor Widersprüchen nur so strotzt, ist<br />
das eine weitere unerwartete Facette. Willie Hugh<br />
Nelson, der am 30. April 1933 im winzigen Kaff Abbott<br />
120 Meilen nördlich von Austin als Sohn einer<br />
Indianerin und eines Arbeiters geboren wurde, hat in<br />
seiner Laufbahn nie den normalen Weg beschritten.<br />
Das verdeutlicht schon die Schwierigkeit, ihn<br />
musikalisch einzuordnen: In Deutschland gilt er als<br />
Countrymusiker, so wird er zum Beispiel in Kreuzworträtseln<br />
als „US-Country-Ikone" mit sechs Buchstaben<br />
gesucht. Die Amerikaner, die ihre Musiker weniger in<br />
Schubladen stecken, sehen in ihm eher einen Grenzen<br />
überschreitenden Künstler – auch wenn die Bezeichnung<br />
„Outlaw", die sie ihm anheften, nur eines<br />
der üblichen Klischees der Musikindustrie ist. Die<br />
Zeitschrift „The New Yorker" definiert dagegen sein<br />
Image als „St. Willie", ein „Versöhner von Rednecks<br />
und Hippies", dessen Musik immer komplizierter und<br />
urbaner geworden ist. Eine unglaubliche Entwicklung,<br />
die vor 70 Jahren mit dem ersten Auftritt des<br />
gerade mal Zehnjährigen in einer Polka-Band begann.<br />
Der Junge vom Land, der oft Baumwolle pflückte,<br />
statt zur Schule zu gehen, hat es so weit gebracht,<br />
dass er mit Recht singen konnte: ”I’m Sitting<br />
On Top Of The World." Als Jimmy Carter Präsident<br />
war, lud er den Sänger ins Weiße Haus ein, der es<br />
sich prompt nicht nehmen ließ, aufs Dach des Gebäudes<br />
zu klettern und dort einen Joint zu rauchen.<br />
Im Spannungsfeld zwischen Arbeiterherkunft und<br />
Weltruhm fühlt Nelson sich seit Jahren wohl. Sein<br />
Biograf Joe Nick Pa<strong>to</strong>ski bescheinigt dem Golfspieler<br />
denn auch ein „Luxus-Leben mit White-Trash-<br />
Manieren". Der große Erneuerer der Nashville-Szene<br />
hat sich nie wirklich von seinen Wurzeln distanziert.<br />
Geprägt hat ihn die Jugend auf dem Land, im Haus<br />
der Großeltern, bei denen er aufwuchs, weil die Mutter<br />
sich schon bald abgesetzt hatte. Sie schenkten<br />
ihm die erste Gitarre,<br />
bei ihnen hörte<br />
er im Radio die<br />
Musik, die er verinnerlichte.<br />
Natürlich<br />
Bob Wills, Ernest<br />
Tubb, Gene Autry,<br />
die<br />
Western-Stars<br />
seiner Jugend, aber<br />
auch Frank Sinatra,<br />
an dessen Gesangsstil<br />
er sich orientierte. t Musikern, mit denen er in der<br />
Anfangszeit auftrat, hielt er auch später die Treue:<br />
Paul Buskirk, der ihn mit Django Reinhardt vertraut<br />
machte und ihm die ersten Kompositionen für 150<br />
Dollar abkaufte;<br />
Johnny Bush, mit<br />
dessen ”Whiskey<br />
River" er jedes<br />
Konzert beginnt<br />
und den er 2000<br />
wieder ins Studio<br />
holte; seine ältere<br />
Schwester Bobby,<br />
die ihn schon immer<br />
auf dem Klavier<br />
begleitet; Paul English, der seit ewigen Zeiten<br />
sein Drummer ist. English, ein Ex-Häftling und -Zuhälter,<br />
trug bei Gigs immer eine Waffe bei sich, um<br />
seinen Bandleader in brenzligen Situationen zu beschützen.<br />
Ihm widmete Nelson den Song ”Me And<br />
Paul", in dem er die Härten des Tourneelebens beschreibt.<br />
Wochenlang im Bus unterwegs zu sein mit<br />
seiner „Family", wie er die Mitmusiker nennt, das<br />
steht als Leitmotiv über seinem Leben, das er in ”On<br />
The Road Again" besingt.<br />
Der Songschreiber<br />
Schon früh sah sich der kleine Willie als Texter und<br />
Komponist. Mit zwölf stellte er sein erstes Liederbuch<br />
zusammen, auf dessen Titelseite er notierte: „Songs by<br />
Willie Nelson, Waco, Texas". Bei einer Begegnung mit<br />
Mae Boren Axten, die für Elvis ”Heartbreak Hotel" geschrieben<br />
hatte, spielte er ihr sein Stück ”Family Bible"<br />
vor. Sie empfahl ihm, nach Nashville zu gehen. Bevor<br />
er dort nach einer längeren Odyssee als DJ, Bibel- und<br />
Staubsaugervertreter ankam, hatte er bereits ”Crazy",<br />
”Night Life", ”Funny How Time Slips Away", ”The<br />
Party’s Over" und ”I Gotta Get Drunk" komponiert. Sie<br />
gehören heute zum Kanon, der ihn weltberühmt gemacht<br />
hat. Seine eigenen Versionen der Stücke für verschiedene<br />
Plattenfirmen brachten damals keine Resonanz;<br />
und so galt er in Nashville als Songschreiber, der<br />
in Tootsie’s Orchid Lounge mit Kollegen wie Roger Miller,<br />
Harlan Howard und Hank Cochran rumhing. Ernstgenommen<br />
wurde er dort erst, als Faron Young sein<br />
”Hello Walls" zum Hit machte und Patsy Cline und Roy<br />
Orbison mit ”Crazy" sowie ”Pretty Paper" punkteten. Da<br />
konnte er mit seiner jungen Familie aus dem Trailerpark<br />
auf eine Farm außerhalb von Nashville ziehen.<br />
P lattenstar<br />
Nelson war 1961 noch kein Glück mit seinen Aufnahmen<br />
vergönnt. So verdingte er sich als Bassist bei<br />
Seite 20 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
Ray Price. Nach einem Vertrag mit dem kalifornischen<br />
Label Liberty und dem Achtungserfolg ”Touch Me",<br />
darauf einer Stippvisite bei Monument Records, landete<br />
er 1964 bei RCA und Chet Atkins. Der gab sich<br />
alle erdenkliche Mühe, Willie Nelson in die Charts<br />
zu lancieren, aber der Nashville Sound und der Texaner<br />
ließen sich nicht auf einen Nenner bringen.<br />
Wie Waylon Jennings aus Lubbock, Texas, fühlte<br />
sich auch Nelson von Chet Atkins falsch produziert.<br />
Der wiederum hielt nichts von Willies Gitarrenspiel,<br />
und in Nashville<br />
zweifelte man ohnehin<br />
an, dass er<br />
überhaupt<br />
singen<br />
könne. Typischerweise<br />
war der Covertext<br />
einer seiner<br />
RCA-Platten überschrieben<br />
”What’s<br />
a Willie Nelson?"<br />
– sinngemäß: Was<br />
soll man von Willie Nelson halten? Gipfel der Zumutungen:<br />
Für die Hamburger Teldec musste er auf<br />
Deutsch einen ”Whisky Walzer" singen. Das Cover<br />
zeigt ihn mit spießigem Haarschnitt, Schlips und Anzugjacke,<br />
so wie auf einigen seiner RCA-LP-Hüllen.<br />
Ein Album allerdings konnte er selbst gestalten: den<br />
Livemitschnitt eines Auftritts 1966 auf heimischem<br />
Terrain in Fort Worth. In Texas soll er dafür ein paar<br />
Käufer gefunden haben.<br />
Nashville und Nelson, das passte einfach nicht<br />
zusammen. In der Country-Metropole erzählt man<br />
sich, dass er sich nachts betrunken auf den Broadway<br />
gelegt g habe, um sich überfahren zu lassen – aber<br />
in dem Kaff kam<br />
zu später Stunde<br />
kein Au<strong>to</strong> mehr<br />
vorbei ... Als seine<br />
Farm außerhalb der<br />
Stadt, auf der er<br />
so etwas wie eine<br />
Kommune etabliert<br />
hatte, 1970 abbrannte,<br />
brach er<br />
seine Zelte ab und<br />
kehrte zurück nach Texas. 1971<br />
sei sein schlimmstes<br />
Jahr gewesen, erzählte er später. Ein Zwischenspiel<br />
bei Atlantic Records, wo Jerry Wexler mit ihm eine<br />
Country-Abteilung eröffnen wollte, ermöglichte<br />
zwar das hervorragende Konzeptalbum PHASES AND<br />
STAGES, aber mit enttäuschender Reaktion. Erst als<br />
er sich 1975 von allen Zwängen befreite und bei Columbia<br />
(CBS) sein<br />
noch kompromissloseres<br />
Konzeptalbum<br />
RED HEA-<br />
DED STRANGER<br />
ablieferte, kam<br />
der Durchbruch.<br />
Nash villes CBS-<br />
Chef Billy Sherrill,<br />
der die LP als „ein<br />
Stück Scheiße" bezeichnet<br />
hatte, wurde ganz still, als die ausgeklinkte<br />
kt<br />
Single ”Blue Eyes Crying In The Rain" auf Platz 1<br />
landete. Ironie der Geschichte: Das Lied stammte<br />
von 1945, geschrieben von Fred Rose, dem Produzenten<br />
von Hank Williams und Säulenheiligen der<br />
Countryszene.<br />
Live-Willie<br />
Nach seiner Rückkehr hatte Nelson damit begonnen,<br />
zum 4. Juli, dem<br />
amerikanischen<br />
Unabhängigkeitstag,<br />
mit anderen<br />
Musikern Picknick-<br />
Festivals in Texas<br />
zu veranstalten.<br />
Dort zog er ein<br />
Publikum an, das<br />
zwischen Woods<strong>to</strong>ck<br />
und Grand<br />
Ole Opry angesiedelt<br />
war. Mit der<br />
Zeit schlossen sich<br />
ihm immer mehr<br />
namhafte Künstler<br />
an – von Leon Russell<br />
bis Kris Kris<strong>to</strong>fferson,<br />
von Merle<br />
Haggard bis Waylon<br />
Jennings. Der<br />
hatte sich – anders<br />
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als Nelson – nicht von RCA losgesagt, sondern Chet<br />
Atkins größte Freiheiten abgetrotzt. Nachdem Nelson<br />
die Charts anführte, besann man sich in Nashville auf<br />
seine RCA-Aufnahmen und packte ihn mit Waylon<br />
Jennings auf eine<br />
LP, die man reißerisch<br />
WANTED!<br />
THE OUTLAWS<br />
nannte. Das blieb<br />
an ihm und an allen,<br />
die mit ihm<br />
assoziiert wurden,<br />
von Tompall Glaser<br />
bis zu David<br />
Allan Coe, haften.<br />
Bei den Konzerten wurde der Eindruck des Rebellentums<br />
durch das Zusammenspiel von ungekämmten<br />
Musikern auf der Bühne und wildem Volk im Publikum<br />
nur noch unterstützt. Johnny Cash beschrieb<br />
das au<strong>the</strong>ntisch in seinem Song ”A Backstage Pass<br />
To A Willie Nelson Show". Nelson, der sich seit den<br />
60er Jahren unermüdlich durch die Clubs zwischen<br />
Oklahoma und Texas gespielt hatte, eroberte sich live<br />
immer mehr Freiheiten. Nachdem er zunächst eine<br />
elektrische Fender Jazzmaster und dann eine Reihe<br />
von akustischen Gibson-Gitarren ausprobiert hatte,<br />
entschied er sich für eine Martin-Konzertgitarre, in<br />
die er von einem Baldwin-Modell den Tonabnehmer<br />
zur elektrischen Verstärkung einbauen ließ. Mit diesem<br />
Instrument entwickelte er seinen eklektischen,<br />
an Django Reinhardt orientierten<br />
Stil, immer mehr in Richtung Jazz<br />
gehend. Die Gitarre, die er nach<br />
dem Pferd seines Filmhelden Roy<br />
Rogers „Trigger" nannte, zählt<br />
heute neben B.B. Kings „Lucille" zu<br />
den bekanntesten der Musikwelt.<br />
Mit einem über die Jahre immer<br />
größeren Loch im Klangkörper und<br />
dem abgegriffenen Holz ähnelt sie<br />
dem verwitterten Äußeren ihres<br />
Besitzers. Er hat nicht das blendende d Aussehen von<br />
Filmstars, keinen Bodybuilding-Körper, ist nicht der<br />
„amerikanische Held" mit strahlendem Lächeln. Er<br />
gibt sich auch gar nicht erst die Mühe, das Image<br />
eines Rock’n’Roll-Stars abbilden zu wollen.<br />
Willies Wel truhm<br />
Heute bemühen sich die größten Stars um Auftritte<br />
mit Willie. Die fruchtbarste Zusammenarbeit gelang<br />
ihm mit Waylon Jennings, ihre Platten und Duette<br />
sind Legende. Was Gesangsduos angeht, ist Willie<br />
Nelson ohnehin Weltmeister: Ray Charles, B.B.<br />
King, Merle Haggard, Emmylou Harris, George Jones,<br />
Norah Jones, Frank Sinatra, Neil Young – das Spektrum<br />
seiner Partner<br />
ist enorm. Er hat<br />
Platten mit Johnny<br />
Cash, Kris Kris<strong>to</strong>fferson<br />
und Waylon<br />
Jennings als<br />
The Highwaymen<br />
aufgenommen. In<br />
seine Pedernales<br />
Studio lud er Roger<br />
Miller, Faron<br />
Young, Ray Price, Webb Pierce und Hank Snow ein.<br />
Sogar mit Wyn<strong>to</strong>n Marsalis veröffentlichte er eine<br />
Platte. Er hat mit dem Produzenten Booker T. Jones<br />
auf STARDUST Standards des American Songbooks<br />
runderneuert. Don Was brachte mit ihm das Reggae-<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
Album COUNTRYMAN heraus, Daniel Lanois polierte<br />
mit ihm auf TEATRO seine Klassiker für das neue<br />
Jahrhundert auf. Der Frank-<br />
Sinatra- und Dean-Martin-<br />
Produzent Jimmy Bowen<br />
untermalte ihn mit sinfonischer<br />
Begleitung. In manchen<br />
Jahren<br />
erschienen bis<br />
zu drei Nelson-<br />
Alben.<br />
Rund<br />
150 LPs tragen<br />
seinen Namen.<br />
Auch wenn ihm seine Plattenfirma freie<br />
Hand ließ, ihm sogar ein eigenes Label<br />
einrichtete, war er mit dieser Art von<br />
„Über-Darstellung" nicht gut beraten.<br />
Die FAZ brachte es auf den Punkt:<br />
„Willie Nelson braucht Geld und macht zwei Platten<br />
auf einmal." Der Hintergrund war dramatisch:<br />
Bis 1991 hatte er<br />
16,7 Millionen Dollar<br />
Steuerschulden<br />
angehäuft. Jetzt<br />
traf es ihn erneut<br />
heftig, seine Habe<br />
wurde versteigert.<br />
Zur finanziellen Misere<br />
kam der Schicksalsschlag,<br />
dass sein<br />
Sohn sich das Leben<br />
nahm.<br />
Willie Nelsons s<br />
Privatleben steht t<br />
mittlerweile ebenso<br />
im Fokus der Medien<br />
wie seine Musik.<br />
Das Klatschmagazin<br />
„People" hatte te<br />
ihn ebenso auf dem<br />
Titel wie „Life". Dort wurde er mit Frau und Kindern<br />
abgebildet. Diese Ehe ist Vergangenheit wie zwei<br />
weitere und eine vielbeachtete Affäre mit Steven<br />
Spielbergs Ex-Ehefrau Amy Irving, einer Schauspielerin,<br />
die er bei den Dreharbeiten zu „Honeysuckle<br />
Rose" kennen gelernt hatte. Als Schauspieler ist der<br />
schmächtige Nelson so wenig talentiert wie Bob Dylan.<br />
Bis auf „Der elektrische Reiter", zu dem auch er<br />
die Filmmusik lieferte,<br />
hatte er eine unglückliche<br />
Hand bei<br />
der Auswahl der<br />
S<strong>to</strong>ffe. Immerhin<br />
kam er aufs Cover<br />
des „Rolling<br />
S<strong>to</strong>ne" und von<br />
„Vanity Fair". An<br />
Lobpreisungen in<br />
höchsten Tönen<br />
fehlt es nicht: Bester Songwriter der <strong>Music</strong><br />
Row seit Hank Williams, schrieb der „Rolling<br />
S<strong>to</strong>ne". Sein ”Night Life" wurde von 70 Interpreten<br />
aufgenommen und über 30 Millionen Mal verkauft<br />
und er selbst mit Grammys überhäuft. Heute hat er<br />
Weltruhm erreicht. So wird beachtet, wenn er sich<br />
politisch engagiert wie für „Farm Aid", aber auch,<br />
wenn er wegen Marihuana-Besitzes vor Gericht<br />
steht. Das kümmert den Antihelden nicht wirklich.<br />
Nach übermäßigem Whiskeykonsum und<br />
allen möglichen chemischen h Drogen ist er beim<br />
Joint geblieben. Zur Einweihung seines Denkmals in<br />
Austin stand er da mit „Trigger" in der Hand, sein<br />
rotes Haar zu Zöpfen geflochten, einer Indianersquaw<br />
ähnlicher als einem Weltstar, und sang: „Rollt<br />
mich zusammen und raucht mich, wenn ich mal abtrete!"<br />
Rüdiger Bloemeke<br />
Seite 22 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
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THEATER<br />
E S S E N
Arnold Fritzsch (Kreis)<br />
Vom<br />
Disco-Sound<br />
Wagner-<br />
zur<br />
Schwere<br />
Von Jens-Uwe Berndt<br />
Es war die Schönheit des Klangs, die Arnold Fritzsch zur Orchestermusik<br />
führte. „In den 90ern habe ich das Interesse an Popmusik mehr und mehr<br />
verloren", versucht er, seine Entwicklung zu erklären. „Damals wurden Attitüden<br />
immer wichtiger, die Musik spielte eine Nebenrolle. Das war nichts mehr<br />
für mich." In der Freizeit genoss er die großen<br />
Klassiker: Mozart, Tschaikowski, Wagner. Die Festspiele<br />
in Bayreuth wurden fester Bestandteil seines<br />
Terminkalenders. Hinzu kam ein Schlüsselerlebnis<br />
bei einem Konzert seines Idols Paul McCartney.<br />
„Bei der Zugabe spielte er 'Helter Skelter' von den<br />
Beatles", erinnert sich Arnold Fritzsch. „Das war<br />
zu viel für mich. Da bin ich noch vor Ende des<br />
Auftritts nach Hause gegangen." Es war aber nicht<br />
etwa das Lied, das er nicht mochte, denn die Fab<br />
Four sind dem Ost-Berliner heilig. „Ich habe den<br />
Lärm nicht mehr ertragen", sagt er. Der Soundbrei<br />
habe ihn gequält. „Ein philharmonisches Orchester<br />
klingt einfach nur schön, jedes einzelne Instrument<br />
ist zu hören, nichts muss verstärkt werden."<br />
Mit der vor 40 Jahren gegründeten Gruppe Kreis war<br />
er in den 70ern der größte Popstar der DDR. Heute<br />
hält er es mit wagnerscher Dramatik. Arnold Fritzsch ist<br />
ein musikalisches Phänomen. Sein bisher ambitioniertestes<br />
Werk, das Ora<strong>to</strong>rium „Hadubrant", erlebte Anfang März<br />
dieses Jahres seine Uraufführung in Berlin. Er machte sich<br />
als Filmkomponist ebenso einen Namen wie als Erfinder leicht<br />
verdaulicher Schlagermelodien. Und die populäre Unterhaltungsmusik<br />
in den 80er Jahren in Ostdeutschland wäre ohne ihn faktisch<br />
undenkbar.<br />
Ein Trumpf von Kreis:<br />
hübsche junge Menschen in stilvollen Klamotten<br />
Seite 24 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
Und vom Genuss zur schöpferischen Kreativität<br />
ist es bei Arnold Fritzsch seit jeher nur<br />
ein relativ kleiner Schritt. Als er 2010 „Planet der<br />
Drachen" komponiert hatte, ein „Weltraumabenteuer<br />
für Orchester und Erzähler", spürte er, dass<br />
er in der Lage sein könnte, den Menschen Musik<br />
zu hinterlassen, die die Zeit überdauert. Und so<br />
entstand „Hadubrant". Fritzsch sieht das Projekt<br />
von Carl Orffs „Carmina Burana" ebenso beeinflusst<br />
wie vom „neu erwachten Selbstbewusstsein<br />
der Deutschen". Die Geschichte des Vaters,<br />
der seine Familie verlässt, um in den Krieg zu<br />
ziehen, und nach vielen Jahren bei seiner Rückkehr<br />
einem Heer gegenübersteht, das sein Sohn anführt, transportiert für Fritzsch<br />
aber nicht nur His<strong>to</strong>rie. „Die Familiengeschichte, die sich dahinter verbirgt, ist<br />
brandaktuell", sagt er. „Viele Väter gehen weg von ihren Kindern und kommen<br />
erst später zurück. Auch ich habe meinen Sohn verlassen, als er vier war." Dass<br />
„Hadubrant" in Althochdeutsch vorgetragen wird,<br />
stellt für den Komponisten keine Barriere für das<br />
Verständnis dar. „Dass man den Text nicht immer<br />
nachvollziehen kann, ist völlig in Ordnung", meint<br />
der 61-Jährige. „Eigentlich ist das Problem der<br />
deutschen Popmusik ja gerade, dass man jedes<br />
gesungene Wort versteht. Das ist gar nicht nötig,<br />
wenn das Lied gut genug ist." Nicht umsonst sei<br />
die englischsprachige Musik weltweit so populär<br />
–<br />
obwohl die Texte von den meisten Hörern nicht<br />
verstanden werden.<br />
Arnold Fritzsch ist zufrieden mit sich. „Ich fühle<br />
mich derzeit so wohl wie nie zuvor in meinem<br />
Leben", sagt er mit Euphorie in der Stimme. „Das<br />
ist schon merkwürdig. Denn zur Zeit meiner größten<br />
Popularität hatte ich fast nur Depressionen."<br />
Gemeint sind die Jahre mit der Gruppe Kreis, die<br />
die ostdeutsche Rock- und Popszene für einige<br />
Jahre gehörig durcheinanderwirbelte. „Die Bands<br />
in der DDR klangen zu Beginn der 70er alle ziemlich<br />
ähnlich", erzählt Fritzsch. „Electra, Lift, Stern-<br />
Combo Meißen und wie sie alle hießen – das fand<br />
ich alles doof. Ich wollte Musik, die tanzbar ist, in<br />
die Beine geht." Und so wurde 1975 ausgerechnet<br />
die B-Seite der ersten Single, "Doch ich wollt' es<br />
wissen", zu einem Überhit. Der Song erlangte eine<br />
derart große Popularität, dass er ein Jahr später<br />
bei Decca in der Bundesrepublik in zwei verschie-
denen Versionen ebenfalls als 45er erschien. „Wir waren von Knall auf Fall ganz<br />
oben", beschreibt der Komponist des Liedes die Situation von damals. „Überall<br />
wurde man erkannt, die Mädchen standen auf einen –<br />
plötzlich der populärste junge Mann des Landes zu sein,<br />
hat mich völlig entwurzelt." Von Anfang an habe er sich<br />
unter Druck gesetzt, sei er immer bemüht gewesen, den<br />
Erfolg zu wiederholen, was mit der schlicht KREIS betitelten<br />
Debüt-LP 1976 auch gelungen zu sein schien.<br />
250.000 Stück gingen davon über die Laden<strong>the</strong>ken. Die<br />
jungen Leute im Osten hatten ganz offensichtlich genug<br />
von den inhaltsschwangeren Progressiv-Ergüssen<br />
der im Rundfunk hoch- und runtergespielten DDR-Rock-Vertreter. Kreis servierten<br />
pure Disco-Musik, und das auf international allerhöchstem Niveau. Hier war eine<br />
DDR-Band am Start, bei der die Tanzflächen der Disko<strong>the</strong>ken voll blieben, wenn<br />
ihre Songs gespielt wurden. Ob "Wirst du da sein", "Ich will dich", "Philly’s Dance"<br />
oder "Und wir gingen auf uns zu" – Arnold Fritzsch schrieb Songs im Philly Sound,<br />
als hätte er nie etwas anderes getan. „Dabei hatte ich Trompete studiert und sogar<br />
Free Jazz gemacht", erzählt er.<br />
„Spätestens als ich gesehen habe,<br />
wie viel Scharlatanerie da eigentlich<br />
bei ist, habe ich mich ohne<br />
Wenn und Aber zum Pop bekannt."<br />
Das fiel ihm leichter, als es klingt,<br />
war Fritzsch doch ein fanatischer<br />
Beatles-Fan. „Sie waren der Anfang<br />
und das Ende", sagt er konsequent.<br />
„Ich habe die Musik immer<br />
aus dem Blickwinkel eines Beatles-<br />
Anhängers betrachtet." Weshalb<br />
Fritzsch auch grundsätzlich großen<br />
Wert auf das Erscheinungsbild seiner<br />
Band legte. Ihm ist klar, dass<br />
das moderne Styling, die aufeinander<br />
abgestimmten Klamotten einen<br />
nicht unwesentlichen Einfluss auf<br />
die Belieb<strong>the</strong>it unter der Jugend<br />
gehabt haben dürften. Und Eva<br />
natürlich: „Ich wollte immer ein<br />
Mädchen in der Band haben. Das<br />
war es ja, was ich zum Beispiel an<br />
Abba oder Fleetwood Mac so gut<br />
Eva Fritzsch<br />
fand. Sie war ein süßes Mädchen, das kam<br />
gut an." Dass Eva und Arnold verheiratet<br />
waren, tat der Begeisterung der Fans zwar<br />
keinen Abbruch, im Ausland wurden beide<br />
allerdings als Geschwister verkauft. „Man<br />
wollte dort die Sehnsüchte der Teenager<br />
befriedigen", erinnert sich Fritzsch. „Als<br />
Geschwister waren wir ja immerhin noch<br />
zu haben."<br />
Die Kulturverantwortlichen in der DDR machten sich wegen Kreis weniger Gedanken.<br />
Im Gegenteil. Für sie war die Band trotz – oder gerade wegen – ihres<br />
Erfolgs schon nach der ersten LP ein Auslaufmodell. „Die Medien hatten einen<br />
regelrechten Hass auf uns", sagt der einstige Kreis-<br />
Frontmann. „Marianne Oppel vom Jugendradio DT 64<br />
erzählte mir mal, dass in ihrer Sendung bei jedem Kreis-<br />
Titel ein negativer Kommentar hinzugefügt wurde. Und<br />
René Büttner von Amiga raunte mir auf einer damaligen<br />
Party zu: ,Die DDR braucht die Gruppe Kreis nicht.'"<br />
Da war die zweite LP der Band, ALLE MANN AN DECK<br />
(1978), bereits erschienen. Disco-Sound stand noch im<br />
Vordergrund, die Gruppe gab sich streckenweise aber<br />
bereits rockiger. Fritzsch: „Die Platte war lange nicht mehr so erfolgreich wie ihr<br />
Vorgänger. 85.000 Stück wurden verkauft. Sie zeigt eine Band auf der Suche nach<br />
ihrer Richtung." Diese Suche hatte den Sänger und Komponisten sehr stark seinen<br />
Beatles nahegebracht. "Rock’n’Roll Madonna" erinnert im Titel nicht zufällig an<br />
"Lady Madonna", "Alle Mann an Deck" wurde zum "Yellow Submarine" von Kreis<br />
und war bezeichnenderweise auch von Schlagzeuger Uwe Perschke eingesungen<br />
worden. "Ich war der 5. Beatle" muss nicht kommentiert werden, und "Sie ist<br />
immer noch allein" erzählte die Geschichte von "She Loves You". Der Song ist der<br />
genialste im Schaffen der Gruppe, ein Lied für die Ewigkeit. „Das sehe ich auch<br />
so", sagt Fritzsch. „Diese Melodie und dieser Groove, der schon etwas von Rammstein<br />
hatte – das war etwas ganz Besonderes."<br />
Konzerte gab es weiter reichlich. Vor allem die Auslands<strong>to</strong>urneen wurden mehr.<br />
In der CSSR und in Bulgarien war es für Kreis schon nichts Außergewöhnliches<br />
mehr, vor mehreren tausend Fans pro Konzert zu spielen. In Kuba waren es manchmal<br />
bis zu 7000. An Plattenproduktionen war aber nicht<br />
mehr zu denken. Amiga hatte die Türen verschlossen.<br />
Da kam ein Angebot des tschechoslowakischen Labels<br />
Supraphon gerade recht. „Wir waren dort sehr populär",<br />
erinnert sich der Sänger. „Also lag es nahe, eine LP<br />
zu machen. Und sie sollte auf Englisch sein. Das hatte<br />
ich mir schon immer gewünscht." Einziges Manko: Der<br />
Gruppe wurden sowohl ein Fremdkomponist als auch<br />
-texter zur Seite gestellt. „Ich habe zu der LP ein gespaltenes<br />
Verhältnis. Sie ist nicht ganz meins. Es war aber ein Erlebnis, in einem Studio<br />
zu arbeiten, das vollkommen mit<br />
Westtechnik ausgerüstet war. Der<br />
Klang der Scheibe ist daher auch<br />
sehr gut." Die erneut wieder selbst<br />
betitelte LP lief im südlichen Nachbarland<br />
der DDR bestens, zu Hause<br />
bekamen die Fans nicht einmal mit,<br />
dass sie veröffentlicht worden war.<br />
Ebenso die Westplatte KREIS<br />
von 1980. Das bei Rock<strong>to</strong>pus<br />
herausgebrachte Teil wurde wieder<br />
ausschließlich von Fritzsch-Kompositionen<br />
beherrscht. „Wir mussten<br />
zu anderen Labels ausweichen,<br />
denn Amiga wollte mit uns par<strong>to</strong>ut<br />
keine Platten mehr machen", bedauert<br />
der Bandchef die damalige<br />
Situation. „Allerdings ist die LP<br />
– übrigens mit einer völlig neuen<br />
Mannschaft eingespielt – sehr<br />
unentschlossen." Es sei zu spüren<br />
gewesen, dass es für Kreis keine<br />
Zukunft mehr gab. Wenngleich mit<br />
"Nenn mich einfach Robinson" und "Auf Engel schießt man nicht" gerade zwei<br />
potenzielle Hits auf Single erschienen waren. 1982 löste Arnold Fritzsch seine<br />
Band auf. Damit einher ging die Trennung von Eva. „Heute weiß ich, dass ich nie<br />
wieder mit meiner Ehefrau auf die Bühne gehen würde", sagt der Musiker bestimmt.<br />
„Beruf und Ehe sollten immer zwei Paar Schuhe sein. Anders funktioniert<br />
das nicht."<br />
Der notenverliebte Fritzsch entwickelte sich in den 80ern zum Hitlieferanten<br />
Nummer eins. Dort, wo DDR-Künstler die aktuellsten Poptrends bedienten<br />
oder gar Neues vorwegnahmen, hatte der Ausnahmekünstler seine Finger mit im<br />
Spiel. Er schrieb für Olaf Berger, Wolfgang Lippert, Arnulf Wenning und vor allem<br />
für Ines Paulke, die mit Hilfe von Fritzsch-Kompositionen zum weiblichen Top-<br />
Star der End-80er wurde. Nicht zu vergessen das Pop-Projekt, das auf zwei LPs<br />
(1987 und 1990) mit High Energie, HipHop und Elektro Pop durchstartete. Der<br />
Komponist selbst fiel wie eigentlich alle Ost-Stars nach der Wende in ein Loch.<br />
„Ich wurde mit 39 Jahren all meiner Netzwerke beraubt", erklärt er. „Und die<br />
sind für einen Künstler das Wichtigste." Das Solo-Album ICH WILL DICH LIEBEN<br />
(1992) floppte. „Wenn du Geld verdienen willst, musst du Filmmusiken schreiben.<br />
Und so konzentrierte ich mich fortan auf dieses Gebiet." Das hatte er auch in den<br />
80ern schon erfolgreich beackert. Seine Melodien für „Jockei Monika" (1981) und<br />
„Polizeiruf 110" (ab 1984) waren und sind begehrt. Bis 2008 war er an unzähligen<br />
TV-Produktionen beteiligt.<br />
Dass Arnold Fritzsch jetzt bei orchestralen Werken gelandet ist, deckt sich übrigens<br />
einmal mehr mit der Entwicklung seines Vorbilds Paul McCartney. Der<br />
lieferte mit zunehmendem Alter ja ebenfalls Sinfonisches ab. Abgeschaut hat er<br />
sich von dem berühmten Briten allerdings nichts: „Dass ich jetzt so etwas mache<br />
wie das Ora<strong>to</strong>rium, liegt nicht daran, dass ich es so machen wollte wie McCartney.<br />
Ich bin bei der orchestralen Musik angekommen, weil ich so bin, weil es mich<br />
dorthin getrieben hat."<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 25
Von Bernd Ma<strong>the</strong>ja<br />
Potsdam-Babelsberg, Tuchmacherstr. 45: Hier stand die Fertigungsstätte e<br />
n<br />
des VEB Deutsche Schallplatten – bis 1945 genutzt von Tempo Schallplatten<br />
Auferstanden aus Ruinen –<br />
nach der Wende ausverkauft<br />
Vor 60<br />
Jahren wurde die Ost-Berliner<br />
Lied der Zeit Schallplatten GmbH von der<br />
DDR verstaatlicht. Eines der Labels, Amiga, das<br />
ist noch heute – vor allem für einige BRDler – eine<br />
relativ Unbekannte. Wie auf fast jeder anderen Marke<br />
gab es hier Unsägliches, aber auch etliche Veröffentlichungen,<br />
hinter denen Sammler her sind. Ein Info-<br />
Querschnitt (Schwerpunkt: Rock/Pop) durch die<br />
His<strong>to</strong>rie einer Monopolfirma.<br />
AMI<br />
AM<br />
·<br />
AMIGA A<br />
DIE ANFÄNGE<br />
· AMIGA AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA<br />
· AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA<br />
AMIGA<br />
Alles kaputt. Kaum noch etwas ging für die deutsche Schallplattenfertigung<br />
nach Ende des Zweiten Weltkriegs: Fast alle Fabriken und Gerätschaften<br />
zerbombt, Vertriebswege gesprengt, Personal unter der Erde. Der Sänger<br />
und Schauspieler Ernst Busch (1900–1980) – in Spanien 1937/38 gegen die<br />
Faschisten aktiv – erhielt am 12.8.1946 in Berlin von den sowjetischen Besatzern<br />
eine Lizenz zur Plattenherstellung. Er startete am 3.2.1947 die Lied<br />
der Zeit Schallplatten GmbH (Unter den Linden 52) inklusive Musikverlag<br />
(Linienstr. 139–140); Busch fiel später bei den Machthabern als nicht regimekonform<br />
in Ungnade, u.a. wegen seiner Vorliebe für Ami-Jazz und weil er<br />
Buntmetall geklaut haben soll ... Am 1.4.1953 wurde seine Gesellschaft verstaatlicht<br />
und in VEB Lied der Zeit (Taubenstr. 4–6) umbenannt. Der volkseigene<br />
Betrieb hieß ab 18.3.1955 VEB Deutsche Schallplatten Berlin, er unterstand<br />
dem Ministerium für Kultur.<br />
Zum neuen DDR-Monopolunternehmen für Vinyl- und MC-Produktionen, ab<br />
1960 mit Sitz am Ost-Berliner Reichstagufer 4–5, gehörten bis zum Ende<br />
GA<br />
· A<br />
Seite 26 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
des Staates 1990 sechs Labels: Eterna (u.a. Klassik, Oper & Co.), Schola (Schulunterricht),<br />
Nova (neue sinfonische Musik), Litera (Sprechaufnahmen), Aurora<br />
(Busch-Platten, ab 1978) und Amiga (spanisch „Freundin"), u.a. für zeitgenössische<br />
Tanz- und Unterhaltungsmusik, Pop, Rock, Jazz und Blues. Gepresst wurde<br />
in der Tuchmacherstraße 45 in Potsdam-Babelsberg (bis 1938: Nowawes).<br />
Man übernahm die – im Krieg nahezu verschont gebliebenen – Räumlichkeiten<br />
und Fertigungswerkzeuge des seit 1937/38 produzierenden Presswerks der ehemaligen<br />
Tempo Schallplatten GmbH Ot<strong>to</strong> Stahmann (die ihre Produktion nach<br />
Großhesselohe bei München verlagerte). 1962 wurde es technisch aufgepeppt,<br />
um – nach Singles und EPs – auch LPs in die Läden bringen zu können; die<br />
waren bis dahin aus den Maschinen der Prager Supraphon gekommen. Musik-<br />
Cassetten liefen in Berlin-Johannisthal vom Band.<br />
AMIGA<br />
Im VEB-Label-Verbund erwies sich die Amiga-Marke schnell als die <strong>the</strong>matisch<br />
und – mit 50 Prozent des Umsatzes – auch als wirtschaftlich interessanteste,<br />
obwohl ihr Veröffentlichungsanteil hausintern lediglich 26 Prozent betrug.<br />
Hauptsächlich Musik von Unterhaltungsorchestern, anfangs auch Operetten<br />
und bald darauf Schlager,<br />
landeten auf die-<br />
sem Etikett. Dabei lag<br />
der Interpretenschwerpunkt<br />
lange<br />
bei Künstlern<br />
aus der DDR und<br />
aus sozialistischen<br />
Bruderländern, um<br />
Kaufinteressenten vor<br />
dem Klassenfeind abzu-<br />
Label ab 1947 Label ab 1963
schirmen (was das Gegenteil<br />
bewirkte). Mit<br />
dem Aufmarsch von<br />
Rock'n'Roll<br />
und<br />
Beat rückten auch<br />
in der DDR immer<br />
öfter staatlich geprüfte<br />
Bands in den<br />
Fokus: Neben beliebtbiederen<br />
Solisten wie<br />
Label ab 1967 Label ab 1981/82<br />
u.a. Fred Frohberg, Bärbel<br />
Wachholz und Helga Brauer standen jetzt auch die<br />
Theo Schumann Combo, Rote Gitarren, die Sputniks<br />
und Butlers auf den Veröffentlichungslisten – und<br />
sei es auch „nur" auf Singles, Kopplungen und<br />
den beiden sehr gefragten BIG BEAT-LP-Samplern<br />
von 1965. Um die jugendliche Kundschaft<br />
nicht gänzlich zu vergrätzen, entschieden sich<br />
die Verantwortlichen dann für einen Schritt, der<br />
das Amiga-Programm schon bald nachhaltig prägen<br />
sollte: Sie griffen ins Reper<strong>to</strong>ire der Kapitalisten-ten-<br />
n der<br />
Label ab 1984<br />
Konzerne, obwohl zu entrichtende Lizenzgebühren<br />
Ebbe in der Staatskasse nicht eben zuträglich waren.<br />
LIZENZÜBERNAHMEN<br />
Zwei nominelle Kracher blieben in den Sechzigern zwar allein auf weiter LP-<br />
Flur, doch ein Anfang war gemacht: Nach Singles<br />
von 1963/64 mit Polydor-Material aus der Hamburg-<br />
Zeit erschien bereits im April 1965 THE BEATLES (8<br />
50 040), eine Kopplung mit frühen Songs wie u.a.<br />
"She Loves You", "A Hard Day's Night" und "Please,<br />
Mr. Postman". Zwei Jahre später folgte der Mix BOB<br />
DYLAN (8 45 040): Für diese LP-Mega-Rarität in<br />
spe werden heute etwa 500 bis 1000 Euro gezahlt.<br />
Zwischen renommierten Jazzern wie Duke Elling<strong>to</strong>n,<br />
Django Reinhardt, Nat „King" Cole, Count Basie,<br />
Dave Brubeck und anderen standen jedoch nur<br />
die Fab Four und Dylan für den neuen musikalischen<br />
Trend. Und selbst sie wurden fix abgewürgt: Nach<br />
nur zwei LPs zog der Staatsratsvorsitzende, Moskau-<br />
Marionette und Be<strong>to</strong>nkopf Walter Ulbricht, zunächst<br />
den Stecker, um den Nachwuchs vor weiterem West-<br />
Unheil zu bewahren: Erst neun bzw. zwölf Jahre danach<br />
gab es neue Produkte der Stars aus England<br />
und den USA.<br />
Schon um 1963 waren von der DDR pro lizenziertem West-Tonträger zehn<br />
Prozent (und mehr) vom Ost-Verkaufspreis jedes einzelnen Exemplars an die<br />
BRD-Firmen abzuführen. Beim festgesetzten Verkaufspreis von 16,10 Ost-Mark<br />
und einer Beispielauflage von lediglich 10.000 Stück betrug dies bei nur einer<br />
einzigen Langspielplatte bereits 16.100 Mark. Auch so wird die Knappheit verfügbarer<br />
Alben erklärlich. Und das Abspielen von Westmusik in der DDR wurde<br />
ebenfalls nicht nur limitiert, „um Erscheinungen der Dekadenz und des Verfalls<br />
zu bekämpfen", sondern auch, um „unangemessene Devisenverpflichtungen zu<br />
verhindern": Bereits Ende der Fünfziger musste die DDR-Urheberrechtsgesellschaft<br />
Awa (Anstalt zur Wahrung der Aufführungsrechte auf dem Gebiet der<br />
Musik) nach damaligen Ostangaben rund 2,5 Millionen Westmark pro Jahr ins<br />
nicht-sozialistische Ausland überweisen – trotz einer staatlich verfügten „Programmgestaltung<br />
bei Unterhaltungs- und Tanzmusik" (2.1.1958), kurz als<br />
„60/40-Regelung" bezeichnet: Danach durften Radiosendungen und Künstlerreper<strong>to</strong>ires<br />
nur noch 40 Prozent Musikstücke enthalten, für die Tantiemen an den<br />
Klassenfeind zu entrichten waren.<br />
Trotz Lizenz-Veröffentlichungen (jeweils abzusegnen vom Komitee für Unterhaltungskunst,<br />
unterstellt dem DDR-Ministerrat) von z.B. Niemen und SBB<br />
aus Polen und der ungarischen Omega nahm der<br />
Druck auf dem Kessel in den Siebzigern zu. Neue<br />
Schlagerstars (wie Frank Schöbel, Chris Doerk, Dagmar<br />
Frederic, Hauff & Henkler) rückten zwar innerstaatlich<br />
nach, rockten aber in den Amiga-eigenen<br />
Aufnahmestudios u.a. in Ostberlin, Leipzig und<br />
Dresden zwangsläufig weniger vehement. Auch illustre<br />
Auslandsgäste wie Gilbert Becaud, Edith Piaf,<br />
Rita Pavone, Mireille Mathieu und Yves Montand<br />
bedienten eine andere Kundschaft. Neben handfesteren<br />
Inlandsband-Kreationen z.B. von der Klaus<br />
Renft Combo, den Puhdys, Kreis, Lift, Wir, Engerling,<br />
City und Karat konnten international gefragte<br />
Namen nicht länger außen vor gelassen werden. Zu<br />
den wichtigsten West-Jugendverderbern auf dem<br />
staatseigenen Amiga-Label gehören JIMI HENDRIX<br />
(8 55 378; 1974), ABBA (8 55 465; 1975), SANTA-<br />
NA (8 55 519; 1977) und auch DEEP PURPLE (8 55<br />
562; 1977). Dabei waren 1:1-LP-Originalübernahmen aus Kostengründen unmöglich,<br />
der Trend zur Compilation blieb erhalten; folglich lauteten Bandname<br />
und Albumtitel fast immer gleich. Ideologisch willkommener Nebeneffekt<br />
der meist weltweit exklusiven Zusammenstellungen: Auf diese Weise konnten<br />
die Politkontrolleure textlich unliebsame Songs vorab eliminieren.<br />
Auch Longplayer u.a. von den Rubettes, von El<strong>to</strong>n John, Cat Stevens, Smokie,<br />
den Bee Gees, Chicago, Simon & Garfunkel, Cliff Richard, Stevie Wonder<br />
und Fleetwood Mac standen am Ende des Jahrzehnts im Angebot – und die<br />
Fans in langen Schlangen vor den Verkaufsstellen mit so verlockenden Namen<br />
wie Takt und Ton, Melodie und Musik für Dich, wenn neue Ware in nur kleiner<br />
Auflage eingetroffen war. Für nahezu alle Amiga-LPs – rund 40 pro Jahr mit<br />
einem halben Dutzend Neuerscheinungen – waren über die Jahre unverändert<br />
(und subventioniert) 16 DDR-Mark zu berappen,<br />
plus zehn Pfennig „Abgabe für das sozialistische<br />
Kulturleben". Verfügbare Gesamtkataloge waren<br />
spärlich gesät, zeitnahe Reklame entfiel, Mundzu-Mund-Propaganda<br />
genügte.<br />
In den Achtzigern war der Trend nicht mehr zu<br />
s<strong>to</strong>ppen. Das Land rutschte ohnehin immer tiefer<br />
in die roten Zahlen, da machten abzudrückende e<br />
Lizenzen den Kohl auch nicht mehr fett. Von Uriah<br />
Heep, <strong>Queen</strong> und Procol Harum über The Who, Ge-<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 27
nesis, die Kinks bis zu CCR, Cream, Eric Clap<strong>to</strong>n und T.Rex reichten die Amiga-<br />
Veröffentlichungen der Klassenfeinde zwischen 1980 und 1989.<br />
SAMMLER- & FAN-INTERESSE<br />
Die ganz große Rundum-Nachfrage für Amiga-LPs (Eigen- und Lizenzprodukte)<br />
blieb nach der Wende aus bzw. hat sich erheblich abgekühlt; der<br />
Markt wurde – auch mit Restposten und aus Lagerbeständen – regelrecht überschwemmt.<br />
Weite Teile der Reper<strong>to</strong>ire-Palette werden inzwischen in Plattenläden<br />
und bei Internetauktionen für Niedrigpreise verscherbelt. Dennoch sind etliche<br />
Veröffentlichungen gefragt: g frühe Raritäten (Dylan, Beatles, s.o.) sowieso,<br />
aber auch andere.<br />
So versuchen<br />
Reihensammler,<br />
ihre<br />
Kollektionen<br />
mit<br />
AMIGA-<br />
EXPRESS (ab<br />
1963), HAL-<br />
LO (ab 1972),<br />
BOX<br />
(ab<br />
1973) und<br />
KLEEBLATT (1979–1990) 1990) zu vervollständigen; auch die QUARTETT-EPs<br />
(rund 230 verschiedene von 1980 bis 1990, mit vielen UK/US-Stars wie Status<br />
Quo, El<strong>to</strong>n John/John Lennon, Little Steven u.a.) haben Fans.<br />
Hier und bei vielen Alben aus dem Bereich Rock/Pop wecken die DDRexklusiven<br />
Songzusammenstellungen das Interesse. Zweiter „Bringer"<br />
für Amiga-Fans: die Covergestaltung, die es bei vielen Ausgaben weltweit<br />
nur auf diesem Label gab. Die Hüllen, meist (hoch-)glanzlose Stumpf-Pappe,<br />
zeigten ungewohnte Fo<strong>to</strong>s, andere bestanden – Kosten sparend – lediglich<br />
aus biederen Schriftmotiven. Gefertigt wurde ausschließlich im thüringischen<br />
Gotha (Florschützstraße) beim VEB Gotha-Druck, seit 1971 zum VEB Ernst<br />
Thälmann in Saalfeld gehörig. Umschlag und auch Labels mussten (Stichwort:<br />
Planwirtschaft) jeweils schon mehrere Monate im Voraus hergestellt werden,<br />
obwohl oft noch gar keine exakte Auflagenhöhe fixiert war. Folge: entweder<br />
Überbestände oder Unterdeckung und entsprechende Probleme, wenn eine<br />
dem-<br />
Veröffentlichung anstand (oder sie<br />
womöglich ausblieb, weil es Ärger<br />
um Lizenzerteilungen gab).<br />
Zu den echten Amiga-Rock/<br />
Pop-Perlen gehören die<br />
teilweise extrem seltenen<br />
und heute sehr teuren unverkäuflichen<br />
Musterplatten,<br />
die als gestempelte e<br />
Weißmuster (früheste Variante)<br />
oder bereits mit Farb etikett ett<br />
klammheimlich aus dem Presswerk<br />
in Babelsberg entfleuchten.<br />
Wenige landeten bei den SPUs s(„Schall-<br />
ABGESANG<br />
plattenunterhalter" = 1973 per<br />
Gesetzblatt festgezurrte DDR-Bezeichnung<br />
für staatlich geprüfte<br />
[!] DiscJockeys), andere Exemplare<br />
gingen an Werksmitarbeiter. Noch<br />
gesuchter sind Muster für LPs,<br />
die als Devisenbringer lediglich<br />
in den Intershops gegen hartes<br />
Nicht-DDR-Geld verkauft wurden.<br />
Für diese Alben lieferten lizenzgebende<br />
West-Plattenfirmen sehr<br />
häufig die Cover, das Vinyl kam<br />
stets aus Potsdam-Babelsberg.<br />
Der Ausverkauf der DDR bedeutete auch das Ende für Amiga und die zuletzt<br />
noch in Deutsche Schallplatten Berlin GmbH umbenannte Dachfir-<br />
ma. Knapp unter 100 Millionen Platten und MCs waren zwischen 1955 und<br />
1989 im Land gefer-<br />
tigt worden. Das<br />
Archiv<br />
zählt<br />
etwa 2200<br />
LPs (rund<br />
700 aus<br />
dem<br />
Be-<br />
r e i c h<br />
R o c k /<br />
Pop) und<br />
ca. 5000<br />
Singles mit<br />
einem<br />
Gesamtvolumen<br />
von<br />
30.000000 Songs. Bestseller: WEIHNACHTEN<br />
N IN FAMILIE (LP, 1985; Frank Schöbel<br />
& Aurora Lacasa; 1,4 Mio.), ROCK'N'ROLL MUSIC (LP, 1977; Puhdys; 1,1<br />
Mio.) und DER BLAUE PLANET (LP, 1982; Karat; 950.000). CD-Ausgaben<br />
gab es davon damals nicht, in der DDR wurden aus Kostengründen keine<br />
Compact Discs hergestellt; Exemplare, die in den Achtzigern noch ins Land<br />
kamen, hatte – wie bis 1962 die LPs – die tschechische Supraphon p gefertigt.<br />
Michael und Birgit Rauhut haben<br />
den Amiga-Rock/Pop-Auss<strong>to</strong>ß 1999 als<br />
575-Seiten-Buch bei Schwarzkopf &<br />
Schwarzkopf veröffentlicht; es ist seit<br />
ewigen Zeiten vergriffen, wurde leider er<br />
nie neu aufgelegt.<br />
Die Deutsche Schallplatten Berlin<br />
GmbH funktionierte nicht. Anfang<br />
1993 wurde das Eterna-Label an edel<br />
(Hamburg) verkauft. Nach angemeldeter<br />
Insolvenz wanderten im Herbst 1993<br />
die Marken Amiga und Litera zur ehemaligen<br />
BMG Ariola München GmbH,<br />
die längst in Sony <strong>Music</strong> Entertainment<br />
Inc. aufgegangen ist. Der Amiga-<br />
Backkatalog wird damit dort verwaltet,<br />
wo einst alles begann – in Berlin.<br />
Seite 28 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
Albert Hammond<br />
Von Philipp Roser<br />
Alter Mann mit dem<br />
Enthusiasmus eines Jünglings<br />
Der gebürtige Londoner Albert Hammond wuchs in Gibraltar auf, begann seine Karriere<br />
als Profimusiker in Spanien, ehe er mit 18 ins UK zurückkehrte und als Songwriter<br />
Fuß fasste. "Little Arrows" in der Version von Leapy Lee war sein erster Welthit, dem<br />
bis heute zahllose weitere folgten – für die Hollies, Julio Iglesias, Starship und zuletzt<br />
Duffy. Mit "I'm A Train", "It Never Rains In Sou<strong>the</strong>rn California" oder "The Free<br />
Electric Band" gelangen Hammond in den 70er Jahren eigene Erfolge. Nachdem er jahrzehntelang<br />
nicht live zu erleben war, kommt der 68-Jährige mit seinem neuen Album<br />
LEGEND II im April/Mai auf Deutschland-Tour.<br />
Wann warst du hier zuletzt auf Tour, Albert?<br />
Oh, das muss schon ewig lange her sein – es ist meine erste richtige Tour seit 1973<br />
oder 1974, glaube ich. Ich habe 2011 wieder angefangen, live zu spielen.<br />
Was war der Auslöser, wieder auf die Bühne zu gehen?<br />
Ich hatte damals aufgehört zu <strong>to</strong>uren, als mein Sohn Albert jr. zur Welt kam. Ich<br />
war für meine beiden älteren Töchter ein schlechter Vater gewesen, weil ich dauernd<br />
unterwegs war. Ich beschloss, nicht zu <strong>to</strong>uren und nicht mehr aufzunehmen.<br />
Ich produzierte nur noch andere Künstler, darunter so großartige Leuten wie Neil<br />
Diamond, Diana Ross, Whitney Hous<strong>to</strong>n, Willie Nelson, Johnny Cash oder Roy<br />
Orbison. Eines Tages sah ich Albert jr. mit seiner Band The Strokes auf der Bühne<br />
und dachte mir: Sohn, das habe ich für dich aufgegeben, und jetzt stehst du da<br />
oben! Ich beschloss, eine neue Platte mit meinen eigenen Songs zu machen und<br />
die dann auch live zu präsentieren. Ich komme zwar als alter Mann zurück, aber<br />
mit all dem Enthusiasmus eines jungen Burschen!<br />
Auch nach der Veröffentlichung von LEGEND dürfte es schwierig gewesen sein, die Songs für<br />
die neue CD auszuwählen?<br />
Ja, es ist immer schwer, weil man viele weglassen muss. Aber ich denke, mit diesen<br />
beiden LEGEND-Scheiben ist es genug. Ich werde weiter aufnehmen, weil es mir<br />
so viel Spaß macht. Dann aber neue Songs!<br />
Beschäftigt man sich mit deinen Songs, fällt auf, dass du zwar die typischen Themen rund um<br />
die Liebe dabei hast, aber auch oft politische Themen aufgreifst ...<br />
Aber natürlich! Auf REVOLUTION OF THE HEART hatte ich den Song "Not In<br />
My Name”, in dem ich in Richtung der Regierungen sage: Wenn ihr schon andere<br />
Länder bombardiert, dann bitte nicht in meinem Namen! Das Schöne am<br />
Songwriter-Dasein ist doch die Freiheit, sagen und singen zu können, was ich will!<br />
Schließlich leben wir – hoffentlich – in einer freien Gesellschaft.<br />
THE STUDIO ALBUMS<br />
1972-1979<br />
EAGLES // DESPERADO // ON THE BORDER //<br />
ONE OF THESE NIGHTS // HOTEL CALIFORNIA //<br />
THE LONG RUN<br />
Ab Ende März im Handel<br />
FAREWELL I TOUR –<br />
LIVE FROM MELBOURNE<br />
DAS LEGENDÄRE EAGLES-KONZERT<br />
JETZT AUCH ALS BLU-RAY EDITION<br />
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ASYLUM STUDIO<br />
ALBEN<br />
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ZUM<br />
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! REVIEWS<br />
HIGHLIGHTS<br />
CD<br />
In seiner britischen Heimat genießt Paul<br />
Roland, Singer/Songwriter, Au<strong>to</strong>r von<br />
Sachbüchern (Musik, Esoterik, Lebenshilfe),<br />
Journalist und Forscher in Sachen<br />
paranormaler Erscheinungen, geradezu<br />
Kultstatus, auf dem europäischen Festland<br />
hat er ebenfalls eine zwar nicht riesige, aber<br />
umso loyalere Hardcore-Anhängerschar.<br />
So konnte er es sich leisten, neben der regulären<br />
Veröffentlichung seines neuen Albums<br />
BATES MOTEL für seinen Fanclub<br />
(ja, den gibt’s) eine strikt<br />
limitierte (100 Exemplare),<br />
modifizierte Auflage herauszubringen,<br />
deren Wert er mit<br />
vier Bonus-Tracks steigerte.<br />
Die erschöpft sich zwar in<br />
Varianten von Albumtiteln,<br />
doch genau das ist das Futter,<br />
nach dem hartgesottene<br />
Sammler gieren.<br />
1979 veröffentlichte Roland<br />
(mit John Williams)<br />
als Weird Strings seine erste<br />
Single “Oscar Au<strong>to</strong>mobile” im Eigenver-<br />
lag (100 Exemplare) – wie er seine Werke<br />
in der Folge öfter unter Pseudonymen herausbrachte:<br />
Unter Midnights Rags und<br />
Beau Brummel sind frühe Werke bis 1982<br />
zu finden. Über zwei Dutzend LPs und CDs<br />
brachte Roland sei<strong>the</strong>r unters Volk, und das,<br />
obwohl er 1997 seine Musikerlaufbahn für<br />
gut sechs Jahre unterbrach: Mehrere Labels,<br />
mit denen er zusammenarbeitete, meldeten<br />
Konkurs an, außerdem habe er (*6.9.1959<br />
in Kent) sich zu alt für einen Indie-Musiker<br />
gefühlt und wollte seine Söhne aufwachsen<br />
sehen, wie er später verriet. Viele seiner<br />
(Mini-)Alben aus der Vinylzeit sind in den<br />
letzten Jahren auf dem deutschen Label Syborg<br />
<strong>Music</strong> remastert,<br />
mit reichlich Bonus-<br />
Tracks, einigen stark<br />
überarbeiteten<br />
Songs<br />
(komplette Tonspuren<br />
hinzugefügt oder weggelassen),<br />
teilweise<br />
auch als 2-Vinyl-auf-<br />
1-CD<br />
wiederveröffentlicht<br />
worden und<br />
weiterhin<br />
erhältlich.<br />
Von einigen Scheiben<br />
gibt es zudem leicht<br />
differierende Versionen, die exklusiv über<br />
seinen Fanclub oder nur in anderen Ländern<br />
erhältlich waren. Eine seriöse Zählung<br />
seiner „richtigen” Alben ist deshalb nicht<br />
möglich, eine einigermaßen vollständige<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
PAUL ROLAND<br />
BATES MOTEL<br />
Sammlung mit sowohl originalen als auch<br />
alternativen und/oder neuen Versionen umfasst<br />
jedoch mehr als 25 CDs.<br />
Meistens macht Roland eher Gothic Folk<br />
und/oder Folk-Rock, zwischendurch überrascht<br />
er aber immer wieder mit<br />
weitgehend rockigen Alben.<br />
BATES MOTEL gehört zu Letzteren.<br />
Songs wie “Kali”, “Wailing<br />
Well” und “Cain” kommen<br />
dem Stil seiner „anderen” Seite<br />
allerdings nahe. „Bates Motel”<br />
war der Originaltitel des Hitchcock-Klassikers<br />
„Psycho” – Assoziationen<br />
in Richtung “Hotel<br />
California”, speziell zur Textzeile<br />
„You can check-out any time you like, but<br />
you can never leave”, bezeichnete Roland<br />
selbst als durchaus zulässig.<br />
Ausgangsbasis für das Album war eine geplante<br />
Zusammenarbeit mit Velvet Underground:<br />
Als der Musikjournalist Roland 1985<br />
bei einem Interview mit der Kulttruppe diesbezüglich<br />
anfragte, signalisierten Maureen<br />
„Moe” Tucker, Nico und Sterling Morrison<br />
Interesse. Die Planungen liefen an, Roland<br />
nahm erste Backingtracks auf, doch dann gab<br />
es technische Probleme (die Bandmaschinen<br />
waren nicht kompatibel und schließlich ver-<br />
hinderten der Tod von Nico (1988) und Morrison<br />
(1995) eine Realisierung, wie Roland<br />
in den Liner-Notes schreibt. Doch nun stieg<br />
er in sein Archiv, holte die Entwürfe aus der<br />
Schublade, dazu Songs, die er seinerzeit für<br />
eine geplante Re union<br />
von John’s Children<br />
geschrieben hatte.<br />
Diese Vorlagen überarbeitete<br />
er und nahm<br />
sie auf, gemeinsam mit<br />
Sonny Midnight (g),<br />
Tony Jacks (org), Sohn<br />
Joshua Roland (b) und<br />
James Count (dr).<br />
Absolut hörenswert<br />
nicht nur für Fans des 53-Jährigen. Liebhaber<br />
der knackigeren Gangart kommen<br />
bei “I Was A Teenage Zombie”, “How I<br />
Escaped From Devil’s Island” und “Tortured<br />
By The Daughter Of Fu Manchu”<br />
(das erstaunliche Übereinstimmungen mit<br />
Iggy Pops “Real Wild Child” aufweist/<br />
dieses zitiert) auf ihre Kos ten. Textinhalte,<br />
starke Melodien und seine Stimme machen<br />
auch diese Songs wieder zu typischen Roland-Nummern.<br />
(Sireena/Broken Silence, 2013,<br />
12/46:20) pro<br />
lik b ih f F d<br />
DVD<br />
GRATEFUL DEAD<br />
THE GRATEFUL DEAD<br />
MOVIE<br />
BOX<br />
FAMILY<br />
ONCE UPON THE<br />
TIME<br />
„There’s nothing like a Grateful Dead<br />
concert”, lautet ein bekannter Spruch unter<br />
Deadheads, der treuen Fangefolgschaft<br />
der kalifornischen Band. Doch was genau<br />
machte ein Konzert der Westcoast-Legende,<br />
vor allem in den 60ern und 70ern, so<br />
unvergleichbar? Und: Ließ sich diese Magie<br />
auch auf Zelluloid bannen?<br />
Im Ok<strong>to</strong>ber 1974 standen Grateful<br />
Dead in ihrer Heimatstadt<br />
San Francisco fünf Nächte lang<br />
auf der Bühne des Winterland<br />
Ballrooms. Die Konzerte wurden<br />
akustisch und optisch aufwändig<br />
mitgeschnitten – für<br />
das Live-Doppelalbum STEAL<br />
YOUR FACE und den unter<br />
der Regie von Leon Gast<br />
(„When We Were Kings”) und<br />
Dead-Gitarrist/Sänger Jerry Garcia a<br />
entstandenen Film „The Grateful<br />
Dead Movie”. Der schon in der Kinofassung<br />
über zwei Stunden lange<br />
Streifen wurde freilich zu sehr viel<br />
mehr als einem Film, der nur das<br />
Geschehen auf der Bühne zeigte.<br />
Selten hat es wohl einen Konzertmitschnitt<br />
gegeben, der so stark das<br />
Publikum miteinbezieht. Die Dead ließen<br />
intensiv vor, hinter und abseits der Bühne<br />
filmen. Es sind jede Menge enthusiastische<br />
Gesichter zu sehen, viele Tanzende,<br />
es gibt Szenen und Interviews mit Fans<br />
auf der Straße oder am Eingang, man sieht<br />
Hippies zusammen beim Meditieren oder<br />
Kiffen. Als Intro gibt es einen ausreichend<br />
langen, im wahrsten Sinne abgefahrenen,<br />
psychedelischen Animationsfilm, der in<br />
einer äs<strong>the</strong>tischen Mischung aus „Yellow<br />
Submarine” und „Herr Rossi” typische<br />
Elemente aus dem Grateful-Dead-Kosmos<br />
aufgreift, darunter das Uncle-Sam-Skelett<br />
und die AMERICAN BEAU-<br />
TY-Rose.<br />
Gleichwohl steht die Livemusik<br />
stark im Vordergrund: In<br />
allerbester Spiellaune präsentieren<br />
Garcia & Co. Songs wie<br />
“One More Saturday Night”,<br />
“Sugar Magnolia”, “Playing<br />
In The Band”, “Stella Blue”,<br />
“Casey Jones” und “Morning<br />
Dew”. Dazwischen gibt es<br />
Interviews mit Mitgliedern<br />
der Band und der<br />
Roadcrew. Digital remastert<br />
erscheint der Film<br />
nun erstmals auf deutscher<br />
(untertitelter) DVD und<br />
Blu-ray samt einer Zusatzscheibe,<br />
die randvoll steckt<br />
mit Bonus-Material, darun-<br />
ter mehr als 95 Minuten an<br />
bisher unveröffentlichten Konzertausschnitten<br />
sowie mehrerer Making-Of- und<br />
Hintergrund-Dokumentationen. Weitere<br />
Features: einblendbare Songtexte, Multikamera,<br />
Fo<strong>to</strong>galerie.<br />
(Ascot Elite, 1977/2013,<br />
2 DVDs, 132 + 175 Min.) frs<br />
1968 nannte der britische Radio-DJ John Peel<br />
Family „<strong>the</strong> best band in <strong>the</strong> world at <strong>the</strong> moment”.<br />
Fünf Jahre lang, bis 1973, sollte dieser<br />
Moment andauern, und wer ihn miterlebt hat,<br />
der wird ihn nie vergessen. Und auch der Rest<br />
darf sich nun freuen, denn statt einer kümmerlichen<br />
2-CD-Retrospektive geht es für die<br />
Aufarbeitung der Family-<br />
Geschichte mit ONCE<br />
UPON THE TIME in die<br />
Vollen: Strikt auf 2000<br />
Exemplare ist die dicke,<br />
LP-große Box in<br />
schlichtem Schwarz<br />
limitiert – höchst<br />
offiziell dokumentiert<br />
durch Roger<br />
Chapmans Originalunterschrift<br />
auf<br />
jedem Zertifikat! Alle acht Originalalben,<br />
vom 1968er MUSIC IN A DOLL’S HOUSE<br />
bis zu IT’S ONLY A MOVIE aus dem Jahr<br />
1973, finden sich darin als hochwertig gestaltete<br />
Mini-LP-Replicas. Wo es möglich war<br />
– bei sechs von acht CDs –, wurde für das<br />
Remastering auf die Originalbänder zurückgegriffen,<br />
was den Klang zwar lange noch<br />
nicht High-End-tauglich macht, ihn aber im<br />
Vergleich zu den lieblos überspielten, bisher<br />
erhältlichen CDs um Welten verbessert. Über<br />
diese acht CDs, sozusagen über den Kern<br />
dieser Box, erübrigt sich jegliche Diskussion.<br />
Die Musik dieser Alben ist so, sorry, „outstandig”,<br />
so überragend im wahrsten Sinne des<br />
Wortes, dass man sich bis heutzutage schwer<br />
tut, die Musik Familys in Worte zu fassen. Die<br />
britische Wikipedia-Ausgabe versucht es mit:<br />
„Ihr Stil wurde als progressiver Rock charakterisiert,<br />
obwohl ihr Sound oft andere Genres<br />
erforschte und sich dabei bei Stilen wie Folk,<br />
Psychdelic, Acid, Jazz und Rock’n’Roll bedient”<br />
– ja, das kann man so stehenlassen. Natürlich<br />
gehört zu so einer<br />
Box<br />
auch jede Menge<br />
verzierendes Beiwerk:<br />
Neben zwei CDs mit bis-<br />
her<br />
unveröffentlichten<br />
Raritäten – alternativen<br />
Versionen, instrumentalen<br />
Backing-Tracks, Studiogesprächen<br />
und Jamsessions<br />
– gibt es drei<br />
weitere Single-Replica-CDs<br />
mit jeweils<br />
zwei Songs sowie den 2003 veröffentlichten<br />
Livemitschnitt eines 1971er Konzertes in der<br />
Besetzung Roger Chapman (voc), Charlie<br />
Whitney (g), Poli Palmer (keys), John Wet<strong>to</strong>n<br />
(b, voc) und Rob Townsend (dr). Daneben gibt<br />
es noch eine „Sounds”-Sonderausgabe voller<br />
Original-Family-Berichte aus den 70er Jahren<br />
sowie ein 72-seitiges, englischsprachiges<br />
Hardcoverbuch, das mit ausführlicher Bandgeschichte,<br />
Discographie (inkl. zahlreicher<br />
ausländischer Single-Cover-Abbildungen)<br />
und einer Unmenge rarer Fo<strong>to</strong>s der musikalischen<br />
Klasse dieser Box keinen Millimeter<br />
nachsteht. Auch auf die Gefahr hin sich zu<br />
wiederholen: überragend!<br />
(Chappo <strong>Music</strong>/Snapper, 2013, 14 CDs) us<br />
Seite 30 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
TOP 5 – Musikfilme<br />
1. Walk The Line<br />
2. High Fidelity<br />
3. School Of Rock<br />
4. Tommy<br />
5. Ray<br />
Fabian Leibfried<br />
1. Still Crazy<br />
2. Rock’n’Roll High School<br />
3. Detroit Rock City<br />
4. Die Buddy Holly S<strong>to</strong>ry<br />
5. Spinal Tap<br />
Jens-Uwe Berndt<br />
1. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />
2. The Girl Can’t Help It<br />
3. Jailhouse Rock<br />
4. Crazy Heart<br />
5. I Walk The Line<br />
Rüdiger Bloemeke<br />
1. Quadrophenia<br />
2. The Wanderers<br />
3. The Harder They Come<br />
4. High Fidelity<br />
5. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />
Lothar Brandt<br />
1. Control<br />
2. Tommy<br />
3. Big Time<br />
4. The Great Rock’n’Roll Swindle<br />
5. 200 Motels<br />
Michael Fuchs-Gamböck<br />
1. A Hard Day’s Night<br />
2. Walk The Line<br />
3. Ray<br />
4. Help<br />
5. One Plus One<br />
Hans-Jürgen Gün<strong>the</strong>r<br />
1. Fantasia<br />
2. Jesus Christ Superstar<br />
3. Wayne’s World<br />
4. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />
5. Across The Universe<br />
Ralf Gün<strong>the</strong>r<br />
1. Once<br />
2. Mitten ins Herz – ein Song für Dich<br />
3. Help<br />
4. Quadrophenia<br />
5. Rocky Horror Picture Show<br />
Helmut Ölschlegel<br />
1. American Graffi ti<br />
2. Quadrophenia<br />
3. High Fidelity<br />
4. The Wanderers<br />
5. Nashville<br />
Martin Reichold<br />
1. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />
2. Tommy<br />
3. Spinal Tap<br />
4. Rocky Horror Picture Show<br />
5. School Of Rock<br />
Philipp Roser<br />
1. High Fidelity<br />
2. Ray<br />
3. Fleisch ist mein Gemüse<br />
4. Nashville<br />
5. The Commitments<br />
Oliver Schuh<br />
1. Yellow Submarine<br />
2. I’m Not There<br />
3. O Bro<strong>the</strong>r Where Art Thou?<br />
4. Control<br />
5. Spinal Tap<br />
Frank Schuster<br />
1. O Bro<strong>the</strong>r Where Art Thou?<br />
2. Bound For Glory<br />
3. American Graffi ti<br />
4. Saturday Night Fever<br />
5. Dead Man<br />
Ulrich Schwartz<br />
1. The Trip<br />
2. Almost Famous<br />
3. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />
4. School Of Rock<br />
5. Velvet Goldmine<br />
Alan Tepper<br />
Mitarbeiter<br />
1. High Fidelity<br />
2. Control<br />
3. The Commitments<br />
4. The Doors<br />
5. Ray<br />
Christian Hentschel<br />
1. Walk The Line<br />
2. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />
3. <strong>Music</strong> & Lyrics<br />
4. Quadrophenia<br />
5. Jailhouse Rock<br />
Tino Krauter<br />
1. The Commitments<br />
2. Help!<br />
3. My Dinner With Jimi – The Turtles S<strong>to</strong>ry<br />
4. Here We Go Round The Mulberry Bush<br />
5. Nowhere Boy<br />
Uli Twelker<br />
1. Spinal Tap<br />
2. 200 Motels<br />
3. Roadie<br />
4. A Hard Days Night<br />
5. Quadrophenia<br />
Thomas Wachter<br />
1. The Wall<br />
2. Heavy Metal<br />
3. The Doors<br />
4. Help!<br />
5. School Of Rock<br />
Frank Küster<br />
Micky<br />
Moody<br />
(Snakecharmer)<br />
1. Fantasia<br />
2. A Hard Days Night<br />
3. American Graffiti<br />
4. The Last Waltz<br />
5. Paris Texas<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 31<br />
© Pressefo<strong>to</strong>
CD<br />
REVIEWS<br />
RASCAL FLATTS<br />
CHANGED<br />
In zwölf Jahren Bandgeschichte haben es<br />
Rascal Flatts zu amerikanischen Superstars<br />
geschafft. Über 20 Millionen verkaufte Alben,<br />
die fast ausnahmslos an die Spitze der<br />
Country-Charts kamen, sowie zahlreiche<br />
Auszeichnungen – darunter sechs Jahre in<br />
Folge den CMA Award „Vocal Group Of<br />
The Year” – sprechen für sich. Da sich ein<br />
Großteil der amerikanischen Countrymusik<br />
für europäische Ohren viel eher nach Pop<br />
anhört, dürfte die Zielgruppe dieser Band<br />
dann auch weniger bei Fans von Willie<br />
Nelson, Dolly Par<strong>to</strong>n oder Alison Krauss<br />
liegen. Anders gesagt: Wer auf Country-<br />
Popstars wie Keith Urban, Toby Keith oder<br />
die Dixie Chicks steht, der macht mit der<br />
neuen CD von Rascal Flatts nichts falsch.<br />
Mit einer Mischung aus berührenden Balladen,<br />
Roots-rockigen Midtemposongs und<br />
fetzigen Vocalharmonien liefert das Trio<br />
auf CHANGED genau den Sound, mit dem<br />
sie in ihrer Heimat seit Jahren zu den Topacts<br />
gehören.<br />
(Universal, 2013, 15/58:32)<br />
tk<br />
KONSTANTIN WECKER<br />
WUT UND ZÄRTLICHKEIT – LIVE<br />
Mit seinem aktuellen<br />
Liveprogramm zeigt<br />
Konstantin<br />
Wecker<br />
genau die Fähigkeiten,<br />
wegen derer<br />
sein Publikum ihm<br />
seit Jahren treu zur<br />
Seite Sit steht; WUT UND ZÄRTLICHKEIT<br />
heißt sein letztes, im Herbst 2011 veröffentlichtes<br />
Studio-Album, und zwischen<br />
diesen beiden emotionalen Polen pendelt er<br />
auch auf der Bühne. Zeigt er sich bei Liedern<br />
wie “Absurdistan”, “Sage Nein!” oder<br />
“Empört euch” als brodelnder, wütender<br />
Vulkan, beweist mit “Schwanengesang”,<br />
“Ich liebe dich” oder “Bleib nicht liegen”<br />
seine einzigartige Fähigkeit, innige Gefühle<br />
zärtlich und voller au<strong>the</strong>ntischer Liebe auszudrücken.<br />
Er zitiert Brecht, Kästner und<br />
Rilke, verzichtet auch nicht auf spöttische<br />
Untertöne, verschmitzte Alltagsschilderungen<br />
und ironische Zwischenspiele – hervorragend<br />
begleitet von einer klasse Band,<br />
in der neben seinem langjährigen Bühnenpartner<br />
Jo Barnickel auch bekannte Namen<br />
wie Schlagzeuger Tim Neuhaus oder Pedalsteel-Virtuose<br />
Nils Tuxen zu finden sind.<br />
(Sturm & Klang/Alive, 2013, 14/44:57,<br />
13/65:15) us<br />
STEPHANIE NEIGEL<br />
INTRODUCING STEPHANIE<br />
NEIGEL<br />
Natürlich fragt man sich, wo diese stilistische<br />
Weite herkommt, mit der diese<br />
junge Sängerin ihr Debüt ausgestattet hat.<br />
Doch wenn man weiß, dass sie ihrer Familie<br />
schon als 14-Jährige erste, selbst<br />
komponierte Lieder am Piano vorspielte,<br />
dass sie in Mannheim und Weimar Jazzgesang<br />
studiert hat, sie ihr Handwerk bei<br />
renommierten Kollegen wie Jeff Cascaro,<br />
Ann Malcolm oder Michael Schiefel verfeinerte,<br />
sie aktuell Mitglied des A-Capella-Quartetts<br />
Les Brünettes und des Duos<br />
Neigelböh len ist, dann sieht man INTRO-<br />
DUCING STEPHANIE NEIGEL natürlich<br />
aus einem ganz anderen Blickwinkel. Mit<br />
einer jazzigen Begleitband im Rücken hat<br />
sie ihre Musik abwechslungsreich und einfühlsam<br />
arrangiert, zeigt von kraftvollen,<br />
rockigen Stücken über jazzigen Pop bis zu<br />
Ausflügen in Richtung Country und Folk<br />
eine breite Palette ihres Könnens.<br />
(BHM/Zyx, 2013, 11/43:21)<br />
tk<br />
MARIANNE FAITHFULL<br />
BROKEN ENGLISH (DELUXE)<br />
Mit BROKEN ENG-<br />
LISH erlebte Marianne<br />
Faithfull 1979<br />
nach schwerer Drogensucht<br />
ihr Comeback.<br />
Im Vergleich<br />
zu ihrer Karriere als<br />
Pop-Sternchen (“As Tears Go By”) und<br />
S<strong>to</strong>nes-Muse in den Sixties bot das Album,<br />
das vor allem auf dem europäischen Festland<br />
Erfolge feierte (F #3, D #4, UK #57),<br />
ziemlich starken Tobak. Faithfulls Stimme<br />
war vom Drogenkonsum gebrochen, klang<br />
kaputt, viele Songs behandelten kontroverse<br />
Themen wie Terrorismus (“Broken English”),<br />
Katholizismus (“Guilt”) oder sexuellen<br />
Missbrauch (“Why’d Ya Do It”). Statt<br />
von Country und Folk, wie auf den Vorgängerwerken,<br />
waren die Songs nun von New<br />
Wave, Punk und Disco inspiriert. Bis heute<br />
gilt das Album, das die erfolgreiche Single<br />
“The Ballad Of Lucy Jordan” abwarf, als<br />
Faithfulls Meisterwerk. Nun erscheint es in<br />
einer 2-CD-Deluxe-Ausgabe. Neben dem<br />
Originalalbum in einem klanglich guten<br />
neuen Remaster beinhaltet sie unterschiedliche<br />
Versionen von “Broken English”,<br />
einen 12”-Remix von “Why’d Ya Do It”<br />
und als besondere Beigabe ihre 1982 für<br />
das Island-Records-Jubiläum eingespielte<br />
Interpretation des S<strong>to</strong>nes-Klassikers “Sister<br />
Morphine”, dessen Co-Au<strong>to</strong>rin sie ist. Höhepunkt<br />
sind allerdings die Originalsessions<br />
der acht Albumsongs, die bislang in den<br />
Island-Archiven vergraben waren. Produzent<br />
Mark Miller Mundy und Keyboarder<br />
Steve Winwood hatten diese nachträglich<br />
in den Londoner Matrix-Studios mit allerlei<br />
Syn<strong>the</strong>sizer-Effekten aufgepeppt. Die ursprüngliche<br />
Abmischung, die Faithfull bis<br />
heute bevorzugt, ist um einiges rockiger,<br />
gitarrenlastiger und bandorientierter. Vor<br />
allem das rotzige “Why’d Ya Do It”, das<br />
wegen sexuell anzüglicher Textpassagen in<br />
einigen Ländern aus dem Radio verbannt<br />
war, entfaltet so seine volle Wucht. Als weiteres<br />
Sahnestück gibt es den zwölfminütigen<br />
Kurzfilm „Broken English” des Avantgarde-<br />
Regisseurs Derek Jarman („Caravaggio”).<br />
In Punk-Äs<strong>the</strong>tik, mit wackligen, überblendeten,<br />
collagierten Bildern, die u.a. einen<br />
Hexensabbat, Sex, Einsamkeit, Gewalt und<br />
Krieg zeigen, sind die Clips von “Witches’<br />
Song”, “The Ballad Of Lucy Jordan” und<br />
“Broken English” zu sehen.<br />
(Island/Universal, 1979/2013,<br />
8/37:47, 13/64:55) frs<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
PICCADILLY SUNSHINE – PART<br />
ELEVEN – BRITISH POP PSYCH<br />
AND OTHER FLAVOURS<br />
1966–1970<br />
Völlig ungebrochen ist der Eifer, mit dem<br />
Britanniens Spürhunde immer wieder aufs<br />
Neue die Vinyl-Meere früherer Tage nach<br />
längst vergessenen obskuren Aufnahmen<br />
durchpflügen, um dem Sammlervolk Trüffel<br />
& Perlen zu offerieren, die es eigentlich nie<br />
vermisst hat – weil man nur vermissen kann,<br />
was man „irgendwie schon kennt”, bislang<br />
aber nicht im Regal hat. Die CDs der PICA-<br />
DILLY SUNSHINE-Reihe sind von daher<br />
stets wahre Wundertüten. Auch diesmal sind<br />
nur wenige bekannte Namen unter den Interpreten:<br />
Terry Reid & Peter Jay’s Jaywalkers<br />
sind mit dem gemeinsamen Singletrack<br />
“This Time” vertreten, und auch Vanity<br />
Fare (“Betty Carter”), The Koobas (“Gypsy<br />
Fred”) sowie Unit Four Plus Two (“I Was<br />
Only Playing Games”) servieren rare Singles.<br />
Qualitativ mindestens genauso gut sind<br />
auch die Tracks der Unbekannten David<br />
Cumming (“The Parrots Of Simple Street”),<br />
Scott Harris (“Barry Johnson’s Sad Eyes<br />
Inn”), The Gibsons (“Lazy Summer Day”)<br />
oder The Hammers (“Little Butterfly”). Einen<br />
Sonderpreis gewinnen The Keepers mit<br />
ihrer ausgeklinkten Version von Paul Ankas<br />
Hit “Lonely Boy”. Unterm Strich ist dies erneut<br />
eine Freude machende Kollektion von<br />
schönen Flower-Power-Klängen, bittersüßem<br />
Folk-Pop und Baroque-Beat, die man<br />
gern in einem Zug durchhört, während man<br />
im Top-Booklet nach Fakten und Hintergründen<br />
stöbert.<br />
(Particles/Soulfood, 20/49:46) hjg<br />
BILLY BRAGG<br />
TOOTH & NAIL<br />
In modernen Zeiten,<br />
in denen Politik<br />
mehr und mehr an<br />
Unterhaltungswert<br />
gewinnt und diejenigen<br />
Menschen in die<br />
Parlamente gewählt<br />
werden, die Entertainer-Qualitäten t statt<br />
Kompetenz besitzen, mutet eine Singer/<br />
Songwriter-Ikone wie Billy Bragg, mit all<br />
ihren Überzeugungen, mit all ihrem Engagement,<br />
wie ein Relikt aus einer längst<br />
vergangenen (vergessenen?) Ära an. Denn<br />
der Brite, der vor drei Dekaden mit seinen<br />
radikal linken Überzeugungen in Songform<br />
an die Öffentlichkeit trat, hat sich weder<br />
musikalisch noch inhaltlich je verändert:<br />
Blues, Folk und auch mal Pop paaren sich<br />
mit scharfen Analysen einer emotional<br />
immer kälter werdenden Welt in sozialer<br />
Schieflage. An dieser Herangehensweise<br />
hat sich auch auf TOOTH & NAIL nichts<br />
geändert, selbst wenn verstärkt Country-<br />
Elemente zu hören sind, schließlich wurde<br />
das Werk unter den Fittichen von Songwriter-Mythos<br />
Joe Henry aufgenommen. Am<br />
konsequenten politischen Anspruch ändert<br />
die Musik freilich nichts.<br />
(Cooking Vinyl/Indigo, 2013,<br />
12/42:14) mfg<br />
KARL BARTOS<br />
OFF THE RECORD<br />
Kraftwerk treten mittlerweile lieber im Museum<br />
auf, seit 2003 gibt es kein neues Studio-Album.<br />
Fans der Elektro-Pioniere können<br />
sich jedoch freuen: Karl Bar<strong>to</strong>s, der dem<br />
Quartett von 1975 bis 1990 angehörte, legt<br />
nun ein Album voll liegengebliebener Ideen<br />
aus dieser Zeit vor. OFF THE RECORD ist<br />
jedoch mehr als die übliche Sammlung unveröffentlichten<br />
Materials (siehe Interview<br />
in dieser GT-Ausgabe). Nur minimal basieren<br />
die Stücke auf Originalbändern aus den<br />
Pop<br />
70ern bis frühen 90ern. Zum Großteil hat<br />
Bar<strong>to</strong>s die alten Skizzen neu eingespielt, sie<br />
dabei zu Songs gerundet und einer dezenten<br />
Klangmodernisierung unterzogen. Schon<br />
mit dem Opener, dem wuchtigen “A<strong>to</strong>mium”,<br />
ist Bar<strong>to</strong>s ein absolutes Meisterstück<br />
gelungen. Das Stück zeigt in seiner zwischen<br />
Industriewummern und Kristallsounds oszillierenden<br />
Collage, was Elektromusik alles<br />
sein kann: Popsong, Experiment, Tanznummer.<br />
Dagegen sind “Nachtfahrt” und “Without<br />
A Trace Of Emotion” einschmeichelnde<br />
Syntie-Pop-Balladen, auf die OMD neidisch<br />
sein könnten. “<strong>Music</strong>a Ex Machina” und<br />
“Vox Humana” indes sind irrlichternde Experimente.<br />
Ohne Übertreibung: das wohl<br />
beste „Kraftwerk-Album” seit COMPU-<br />
TERWELT!<br />
(Bureau B/Indigo, 2013, 12/39:49) frs<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
DEUTSCHE ELEKTRONISCHE<br />
MUSIK 2<br />
Die Briten sind<br />
krautrockbegeistert.<br />
Bands wie Neu! und<br />
Cluster genießen in<br />
good old England<br />
(übrigens auch in Japan)<br />
Kultstatus. Das<br />
Londoner Label Lbl Soul lJazz<br />
Records legt nun<br />
Teil zwei seiner Reihe DEUTSCHE ELEK-<br />
TRONISCHE MUSIK vor, und wieder<br />
haben die Compiler eine Reihe von Nuggets<br />
aus den Jahren 1971 bis 1983 ausgegraben,<br />
die zeigen, wie innovativ deutsche<br />
Musik in dieser Zeit war. Neben bekannteren<br />
Vertretern wie Can (“Halleluwah”),<br />
Amon Düül II (“A Morning Excuse”) und<br />
Faust (“Krautrock”) gibt es jede Menge<br />
an Wiederentdeckungen zu machen. Die<br />
Anthologie konzentriert sich auf die eher<br />
experimentelle und elektronische Seite, abgesehen<br />
von einigen wenigen Free-Folkern<br />
wie Bröselmaschine und Gila. Mit dabei:<br />
Achim Reichels A.R. & Machines, Popol<br />
Vuh, Agitation Free, You, Neu!, Electric<br />
Sandwich und Niagara (mit Udo Lindenberg<br />
an den Drums), aber auch nahezu in<br />
Vergessenheit geratene Interpreten wie<br />
Wolfgang Riechmann, Sergius Golowin<br />
und Rolf Trostel. Abgerundet wird die hervorragende<br />
Doppel-CD von einem buchdicken<br />
Booklet mit vielen raren Fo<strong>to</strong>s und<br />
informativen Begleittexten aus der Feder<br />
von David Stubbs (Au<strong>to</strong>r von „Krautrock –<br />
Cosmic Rock And Its Legacy”).<br />
(Soul Jazz/Indigo, 2013, 15/75:35,<br />
12/75:27) frs<br />
AARDVARKS<br />
SINKER, LINE AND HOOK:<br />
THE ANTHOLOGY 1987–1999<br />
Wie ihre später wesentlich erfolgreicheren<br />
Kollegen von Kula Shaker ließen sich diese<br />
vier jungen Musiker aus West-London Mitte<br />
der 80er von guter alter Musik aus den<br />
Sixties inspirieren: Mod, Garagen-Rock<br />
und Psychedelia, das war der Sound, mit<br />
dem die Aardvarks 1995 ihr erstes (und einziges)<br />
Album namens BARGAIN bestückten.<br />
Somit ist das Wort „Anthology” im<br />
Titel SINKER, LINE AND HOOK: THE<br />
ANTHOLOGY 1987–1999 natürlich pure<br />
Übertreibung – auch wenn es zu den zwölf<br />
BARGAIN-Titeln noch 13 weitere Songs<br />
zu hören gibt. Sei es wie es will, diese Mu-<br />
Seite 32 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
CD<br />
REVIEWS<br />
sik ist richtig gut, das zusätzliche Material<br />
rekrutiert sich aus Single-A- und<br />
B-Seiten, EP-Stücken und Aufnahmen,<br />
mit denen sie auf unterschiedlichen<br />
Compilations vertreten waren.<br />
Mit dabei auch Paul Wellers “In The<br />
Crowd”, 1997 für einen The-Jam-Tribute-Sampler<br />
eingespielt.<br />
(Cherry Red/Rough Trade,<br />
2013, 25/79:52) us<br />
BAZILIAN & WESTER<br />
WHAT SHALL BECOME OF<br />
THE BABY?<br />
Mit Eric Bazilian<br />
und Mats<br />
Wester<br />
treffen<br />
hier zwei Musiker<br />
aufeinander,<br />
die bei ihren<br />
Bands – den<br />
Hooters bzw. Nordmann – eine tragende<br />
Rolle einnehmen. Die Musik<br />
von WHAT SHALL BECOME OF<br />
THE BABY? ist ein echtes Gemeinschaftsprodukt,<br />
alle Titel haben sie<br />
gemeinsam geschrieben und bis auf die<br />
Drums und das Akkordeon (von Hooters-Kollege<br />
Rob Hyman) auch alles<br />
selbst eingespielt und gesungen. Trotzdem<br />
lässt sich so etwas wie eine Aufgabenteilung<br />
erahnen, klingen viele der<br />
Songs doch auffällig nach dem hymnischen<br />
Folk-Rock der Hooters. Dafür<br />
sorgt Mats Westers Nyckelharpa, ein<br />
skandinavisches Saitenins trument, für<br />
die musikalischen Farbtupfer. Gerade<br />
dieses Aufeinandertreffen zweier so<br />
unterschiedlicher Stile, die Kombination<br />
aus traditionellen, schwedischen<br />
Klängen mit modernem, amerikanisch<br />
geprägtem Rockinstrumentarium ist<br />
alles andere als musikalische Einheitsware,<br />
sorgt für ein ganz besonderes<br />
(Folk-Rock-)Album.<br />
(Membran/Sony <strong>Music</strong>, 2013,<br />
12/48:13) tk<br />
DANDYLION<br />
IMAGES UNDER CON S-<br />
TRUCTION – SELECTIONS<br />
Die Norwegerin Marianne Sveen<br />
vom Erfolgsquartett Katzenjammer<br />
geht als Solistin einen recht ungewöhnlichen<br />
Karriereweg: Sie nennt<br />
sich, unter Einbau eines kreativen<br />
Schreibfehlers, Dandylion – Pusteblume<br />
auf englisch –, weil ihre Musik<br />
Wandlungen unterzogen ist, die<br />
an den Wandel der Namens-Pflanze<br />
vom kräftig-fröhlichen Sonnenschein-Gelb<br />
zur traurig-weißhaarigen<br />
Erscheinung erinnern. Das hat seit<br />
Ende 2011 zur EP-Trilogie IMAGES<br />
UNDER CONSTRUCTION geführt,<br />
deren Teile sehr unterschiedlich klingen.<br />
Während der erste Teil hauptsächlich<br />
auf Sveens beschädigtem<br />
Wohnzimmerklavier – mal episch<br />
und gespenstisch, mal leichtfüßig<br />
– basiert, wurde der zweite Teil mit<br />
komplettem Schlagzeug, Bläsern und<br />
ihrer diesmal dreckig-rauen Stimme<br />
eingespielt; er tönt eher Richtung<br />
Heavy, Funk und Soul und auf nicht<br />
religiöse Art gospeliger als der Vorgänger.<br />
Teil drei hingegen ist elektronisch<br />
und experimenteller gehalten,<br />
allerdings mit starkem Hang zu<br />
attraktiven Melodien, die zwischen<br />
Indie-Feeling und Radiotauglichkeit<br />
angesiedelt sind. Es gibt partiell Parallelen<br />
zu Patti Smith, Martha Davis<br />
(The Motels) und der kanadischen<br />
Gruppe Martha & The Muffins sowie<br />
einigen aktuellen Sängerinnen wie<br />
Kate Nash. Insgesamt ist Dandylions<br />
Musik noch nicht voll ausgereift,<br />
aber es wimmelt nur so vor guten<br />
Ideen.<br />
(Propeller/Soulfood, 2013,<br />
11/37:22) hjg<br />
HAINDLING<br />
IRGENDWIE UND SOWIESO<br />
– ZOUNDS BEST<br />
Es ist nun auch<br />
schon 30 Jahre<br />
her, dass Hans-<br />
Jürgen Buchner<br />
die erste LP<br />
seiner<br />
Band<br />
Haindling veröffentlichte,<br />
welche auch prompt den<br />
Deutschen Schallplattenpreis verliehen<br />
bekam. Mit einer Mischung aus bayerischer<br />
Volksmusik und Pop, gemischt<br />
mit einer Prise Jazz, gewürzt mit exotischen<br />
Instrumenten aus aller Welt,<br />
betrat Buchner Neuland, welche auch<br />
als „Neue Volksmusik” tituliert wurde,<br />
wobei er selbst schlicht von „Weltmusik”<br />
sprach. Auf dieser randvollen CD<br />
präsentiert das Stuttgarter Edellabel<br />
eine kurzweilige Zusammenstellung<br />
mit 24 (!) Songs aus über 20 Jahren<br />
– leider blieben die ersten Jahre ausgespart,<br />
was an rechtlichen Problemen<br />
liegen dürfte –, die einen gelungenen<br />
Einstieg in den einmaligen Musikkosmos<br />
von Haindling ermöglichen. Wie<br />
immer mit einer informativen Biografie<br />
versehen und mit sehr gutem Klang<br />
brillierend, bietet Zounds den erwarteten<br />
Mehrwert. Ein Heidenspaß für<br />
Hörer mit offenen Ohren!<br />
(Zounds, 2013, 24/76:42) rg<br />
JOSH RITTER<br />
THE BEAST IN ITS TRACKS<br />
Wie verarbeitet ein Songwriter am<br />
besten sein Liebesleid? Ganz einfach:<br />
Er schreibt neue Lieder! Nachdem<br />
Josh Ritters Ehe nach nur 18 Monaten<br />
zu Bruch ging, überwand er seinen<br />
Schmerz, indem er neue Songs komponierte.<br />
Im Vergleich zum Vorgänger<br />
SO RUNS THE WORLD AWAY, Ritters<br />
bislang bestverkauftem Album,<br />
das ihn aus dem Stadium eines Geheimtipps<br />
herauskatapultierte, fällt<br />
die neue Scheibe THE BEAST IN ITS<br />
TRACKS viel ruhiger, reduzierter<br />
und persönlicher aus. Viele Stücke<br />
begleitet der in seiner Zunft, etwa von<br />
Joan Baez, sehr geschätzte Singer/<br />
Songwriter (siehe Good Times-Tipp<br />
5/2010) fast nur mit seiner Akustikgitarre;<br />
seine Stimme steht stark<br />
im Vordergrund. Liebhaber großer<br />
amerikanischer Songwriter-Kunst à<br />
la Springsteen, Dylan und Billy Joel<br />
werden ihre Freude haben.<br />
(Yep Roc/Cargo, 2013, 13/43:34) frs<br />
Pop<br />
THE OSMONDS<br />
CAN’T GET THERE<br />
WITHOUT YOU<br />
Hier zu Lande<br />
waren The Osmonds<br />
in den<br />
70er Jahren angesagt<br />
(“Crazy<br />
Horses”),<br />
in<br />
ihrer<br />
US-Heimat<br />
und dim UK sind die Mitglieder<br />
des Familienclans heute noch große<br />
Nummern. Ohne Donny, der meist<br />
mit Schwester Marie aktiv ist, nahmen<br />
Merrill, Jay und Jimmy Osmond<br />
2012 erstmals seit 1984 ein Album<br />
mit neuen Songs auf – Au<strong>to</strong>rennamen<br />
wie Gerry Beckley (Americas “I Need<br />
You”) oder Michael Bol<strong>to</strong>n (“Take<br />
Me Home”) deuten die Richtung an:<br />
Es ist Erwachsenen-Pop, gelegentlich<br />
mit rockigen Anflügen – typisch<br />
amerikanisch (und perfekt) inszeniert.<br />
Die Herren können noch harmonisch<br />
singen, ebenso die Gäste Marie und<br />
Jimmys Tochter Sophia. Sie haben<br />
ihr Händchen für gefühlige Melodien<br />
bewahrt – nicht alles ist gelungen,<br />
aber insgesamt recht ordentlich und<br />
keineswegs nur als Fahrstuhl- und Supermarktberieselung<br />
tauglich.<br />
(Absolute/Soulfood, 2012,<br />
10/34:11) pro<br />
JOHN GRANT<br />
PALE GREEN GHOSTS<br />
Im Interview in dieser Ausgabe beschwert<br />
sich Ex-Kraftwerker Karl<br />
Bar<strong>to</strong>s darüber, dass die heute engen<br />
Genregrenzen verlangten, dass ein<br />
Technokünstler nur Techno und ein<br />
Songwriter nur Songwriter-Musik<br />
macht. Vielleicht sollte er sich mal<br />
PALE GREEN GHOSTS von John<br />
Grant anhören! Der frühere Sänger<br />
der Indie-Band The Czars, sonst eher<br />
für Rock und Folk bekannt, lebt auf<br />
seinem neuen Album auch seine ganz<br />
private Liebe für elektronische Musik<br />
aus. Für den ungewöhnlichen Mix aus<br />
Song und Sound sprangen dem aktuell<br />
in Island lebenden US-Amerikaner<br />
u.a. die Combo Hercules And Love<br />
Affair und als Backgroundsängerin<br />
Sinéad O’Connor zur Seite, die auf ihrem<br />
jüngsten Album Grants Komposition<br />
“<strong>Queen</strong> Of Denmark” coverte.<br />
Bereits in dem wuchtigen Titeltrack<br />
und Opener – der schon jetzt zu den<br />
besten Songs des Jahres gezählt werden<br />
kann – geht diese Gratwanderung<br />
meisterhaft auf: Über pumpenden<br />
Elektro-Patterns und orchestralen<br />
Breitwandflächen singt Grant mit seiner<br />
sonoren Stimme unter die Haut<br />
gehende Melodien.<br />
(Bella Union/Universal, 2013,<br />
11/60:44) frs<br />
FRANCOISE HARDY<br />
FRANCOISE HARDY<br />
1962 verzauberte Francoise Hardy die<br />
Musikwelt mit einem Debütalbum,<br />
dessen entrückter, melancholischer<br />
Dream-Pop bis heute unerreicht ist. Alleine<br />
die Single “Tous Les Garcons Et<br />
Les Filles (All The Boys And Girls)”<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 33
CD<br />
REVIEWS<br />
verkaufte sich in Europa über zwei Millionen<br />
Mal. Keine schlechte Leistung, besonders<br />
wenn man bedenkt, dass die damals 18-Jährige<br />
fast alle Lieder von FRANCOISE HAR-<br />
DY selbst geschrieben hatte. Ihr gehauchter<br />
Gesang und ihr zerbrechliches Äußeres ließen<br />
ihre Musik zu kleinen Fluchten aus der<br />
Alltagswelt werden – herrliche Chansons,<br />
angetrieben durch dezente Bossa-Nova-<br />
Rhythmen, getragen von luftig jazzigen Arrangements.<br />
Neben den zwölf Originaltiteln<br />
enthält diese Wiederveröffentlichung noch<br />
zehn dieser Stücke in italienischer Sprache,<br />
die Francoise Hardy 1962 unter der Regie<br />
von Produzent und Bandleader Ezio Leoni<br />
eingesungen hat.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1962,<br />
22/52:47) us<br />
LLOYD COLE & HANS-<br />
JOACHIM ROEDELIUS<br />
SELECTED STUDIES VOL. 1<br />
„Studien”, also Entwürfe<br />
oder unfertige<br />
Kompositionen,<br />
das<br />
trifft es recht gut. Was<br />
der britische Singer/<br />
Songwriter<br />
Lloyd<br />
Cole, bekannt geworden<br />
in den 80ern mit den Commotions, und<br />
Hans-Joachim Roedelius, Spiritus Rec<strong>to</strong>r<br />
deutscher elektronischer Musik, bei ihrer<br />
überraschenden Kollaboration erarbeitet haben,<br />
erinnert an eine Mischung aus Minimal-<br />
Trance-Musik und Ambient entspannter, aber<br />
keineswegs kitschiger Art. Der Hörer wird<br />
kaum Songstrukturen erkennen, wer an Coles<br />
sonstiges Werk denkt, dürfte überrascht sein,<br />
dass auf Gitarre und Gesang verzichtet wurde.<br />
Die Wenigsten wissen, dass Cole schon<br />
2001 einmal sein übliches Genre verlassen<br />
und mit PLASTIC WOOD ein Elektronikalbum<br />
herausgebracht hatte, das offenbar von<br />
Roedelius’ Cluster-Album SOWIESO beeinflusst<br />
war. Letzterer wiederum war von der<br />
Hommage äußerst angetan, und daraus entstanden<br />
rund zehn Jahre später die nun veröffentlichten<br />
ersten SELECTED STUDIES,<br />
deren Schönheit nach und nach in das musikalische<br />
Bewusstsein des Zuhörers mäandert.<br />
(Bureau B/Indigo 2013, 10/49:17) an<br />
JEFF YOUNG<br />
MORE SONG THAN DANCE<br />
Neben seinem Job als ständiges Mitglied der<br />
Band von Jackson Browne findet Keyboarder<br />
Jeff Young immer wieder Zeit, um mit Kollegen<br />
wie Bruce Springsteen, Tracy Chapman,<br />
Sting, Bonnie Raitt oder Steely Dan ins Studio<br />
oder auf die Bühne zu gehen. Daneben nimmt<br />
sich der gefühlvolle Musiker aber auch Zeit,<br />
selbst Songs zu schreiben, die er dann unter<br />
eigenem Namen veröffentlicht; das soeben<br />
erschienene MORE SONG THAN DANCE<br />
ist bereits sein fünftes Solo-Album. Bei den<br />
Lyrics erhielt er prominenten Beistand von<br />
Michael O’Keefe, Maggie Ryder sowie von<br />
Procol-Harum-Texter Keith Reid. Und bei<br />
der Umsetzung seiner unprätentiösen, dafür<br />
aber umso tiefer gehenden Lieder konnte sich<br />
Jeff Young auf die Unterstützung zahlreicher<br />
Kollegen aus der Studioszene Kaliforniens<br />
verlassen, darunter Vonda Shepard (voc),<br />
Jon Hering<strong>to</strong>n (g), Tim Lefebvre (b), Jimmy<br />
Powers (harp) und Bill Churchville (trumpet,<br />
trombone).<br />
(M2 <strong>Music</strong>/H’Art, 2013, 8/36:53) tk<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
94 BAKER STREET REVISITED<br />
– POPTASTIC SOUNDS FROM<br />
THE APPLE ERA 1967–68<br />
Vor gut zehn Jahren erschien die erste Ausgabe<br />
dieser Rückschau auf die Zeit, als die Beatles<br />
mit ihrem Apple-Label zahlreichen jungen<br />
Bands die Chance zu eigenen Plattenaufnahmen<br />
gaben. Volume 5, mit dem Untertitel<br />
POPTASTIC SOUNDS FROM THE APPLE<br />
ERA 1967–68, geht zurück bis zu den Anfängen<br />
des Labels, konzentriert sich auf Songwriter,<br />
die ihre Popsongs in der Zeit zwischen<br />
Juni 1967 und Juni 1968 aufnahmen. George<br />
Alexander, Buddy Britten oder Timon hießen<br />
diese Herren, Coconut Mushroom, Joker oder<br />
Perishers die Bands. Mit 19 (von 26) bisher<br />
unveröffentlichten Aufnahmen ist es Apple-<br />
Spezialist Stefan Granados gelungen, diese<br />
Zusammenstellung zu einer höchst interessanten<br />
Fundgrube (nicht nur) für Sixties-Pop-<br />
Fans zu machen, besonders seine ausführlichen<br />
(englischen) Booklet-Texte regen dazu<br />
an, sich tiefer und tiefer in diese faszinierende<br />
Musikwelt vorzuarbeiten.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 2013,<br />
22/61:42) us<br />
SILLY<br />
KOPF AN KOPF<br />
Im März 2010 begann<br />
für Silly in der Besetzung<br />
Anna Loos<br />
(voc), Ritchie Bar<strong>to</strong>n<br />
(p, keys), Uwe Hassbecker<br />
(g) und Jäcki<br />
Reznicek (b) mit AL-<br />
LES ROT eine neue Zeitrechnung, so dass<br />
sie das Ende März erscheinende KOPF AN<br />
KOPF nun folgerichtig als ihr „zweites” Album<br />
bezeichnen. Es ist noch ein Stück persönlicher<br />
geworden als sein Vorgänger, vor<br />
allem da Anna Loos einen mutigen Schritt<br />
gewagt und den Großteil der Texte selbst verfasst<br />
hat. Bei vier Songs war Werner Karma<br />
für die Worte zuständig, der Kreis schließt<br />
sich mit dem Lied “Blinder Passagier”, dessen<br />
Zeilen noch aus der Feder von Tamara<br />
Danz stammen – Sängerin der „ersten”<br />
Silly. Auch musikalisch bleibt die Berliner<br />
Band ihrem bewährten Stil treu, eingängigen<br />
Ohrwurm-Melodien, passend eingebettet im<br />
Wechselspiel zwischen ruhigen Strophen und<br />
Power-Refrains. Keine Frage, KOPF AN<br />
KOPF ist ein mehr als würdiger Nachfolger<br />
für ihr 2010er Erfolgsalbum ALLES ROT.<br />
(Island/Universal, 2013, 15/60:15) tk<br />
JOOLS HOLLAND<br />
THE GOLDEN AGE OF SONG<br />
Zum 20. Geburtstag seiner TV-Musikshow<br />
(Later With Jools Holland) hat Gastgeber und<br />
Bandleader Jools Holland mit THE GOL-<br />
DEN AGE OF SONG ein ganz besonderes<br />
Album zusammengestellt: 17 Songklassiker<br />
aus der langen Jazz-, Soul- und Popgeschichte,<br />
neu eingespielt mit zahlreichen aktuellen<br />
Stars. So liefert Paul Weller eine swingende<br />
Version des Filmklassikers “September In<br />
The Rain” ab, Joss S<strong>to</strong>ne interpretiert ein<br />
umwerfendes “Bei mir bist du schön”, Simply-Red-Frontmann<br />
Mick Hucknall croont<br />
den Duke-Elling<strong>to</strong>n-Klassiker “I Got It Bad<br />
(And That Ain’t Good)”, der neue Stern am<br />
Pophimmel, Rumer, stellt sich mit dem 40er-<br />
Jahre-Song “Ac-Cen-Tchu-Ate The Positive”<br />
in eine Reihe mit Bing Crosby und Artie<br />
Shaw. Neben neuen Aufnahmen gibt es auch<br />
einige Titel aus Hollands jährlichen Neujahrsshows<br />
„The Hootenanny” zu hören, wie<br />
“Don’t Go To Strangers”, das spektakuläre<br />
Duett von Amy Winehouse und Paul Weller<br />
aus dem Jahr 2006.<br />
(Rhino/Warner, 2013, 17/58:45) us<br />
MAX MEETS LENNY<br />
EUROPEAN GIRL<br />
Ja ja, das Leben. Manchmal schreibt es die<br />
schönsten Geschichten. Zum Beispiel die von<br />
diesen beiden Musikern, die sich 2009 per<br />
Zufall auf dem Parkplatz vor einem Mannheimer<br />
Musikgeschäft über den Weg laufen.<br />
Die sich auf Anhieb sympathisch sind und<br />
fortan gemeinsam als Akustikduo mit dem<br />
Namen Max Meets Lenny Musik machen.<br />
Zunächst probieren sie ihre Lieder auf kleinen<br />
Bühnen aus, 2010 dann ein erstes Album bei<br />
einem Independent-Label. Jetzt, für EURO-<br />
PEAN GIRL, haben Sänger Max Mury und<br />
Gitarrist Ulf Lenske ihre Band um Bass und<br />
Schlagzeug erweitert. Geblieben ist also die<br />
markante, weiche Gesangsstimme, immer<br />
noch begeistert die überaus virtuose Gitarrenarbeit<br />
– und dennoch klingen die Songs im<br />
Bandverbund erwachsener, reifer, voller, sind<br />
Max Meets Lenny mit diesem Album zu einer<br />
„richtigen” Popband geworden. Gratulation!<br />
(7us <strong>Music</strong>/New <strong>Music</strong> Distribution,<br />
2013, 13/54:25) tk<br />
TALK TALK<br />
NATURAL HISTORY 1982–1988<br />
+ NATURAL ORDER 1982–1991<br />
Nach der Wiederveröffentlichung der ersten<br />
vier Alben im letzten Jahr bringt Talk-<br />
Talk-Frontmann Mark Hollis nun das 1990<br />
erschienene Best-Of-Album NATURAL<br />
HISTORY wieder heraus. Die Auswahl der<br />
vermutlich zwölf bekanntesten, weil erfolgreichsten<br />
Songs ergibt einen schönen Querschnitt<br />
der Wandlung der britischen Band<br />
vom Synthie-Pop hin zu impressionistischer<br />
Avantgarde der Spätphase. Den Kauf rechtfertigt<br />
vor allem die beigefügte DVD mit den<br />
dazugehörigen, zum Teil schrulligen Videos<br />
fast aller Singles, von denen die meisten den<br />
mit „Formel 1” groß gewordenen deutschen<br />
Hörern unbekannt sein dürften. Doch damit<br />
nicht genug, hat sich Hollis in einer weiteren<br />
Neuveröffentlichung namens NATURAL<br />
ORDER B-Seiten wie “John Cope” und “For<br />
What It’s Worth”, frühen Pop-Perlen wie<br />
“Have You Heard The News” und “Renee”,<br />
vor allem aber ungemein stimmungsvollen<br />
Songs der Spätphase wie “Eden”, “After The<br />
Flood” und “Taphead” angenommen. Diese<br />
wurden einem Remastering unterzogen oder<br />
liegen als alternative Version vor. Die Zusammenstellung<br />
verdeutlicht eindrucksvoll,<br />
welch Desiderat durch den Bandsplit 1992<br />
entstanden ist. Fraglich bleibt nur, warum in<br />
Zeiten ansprechend aufbereiteter Mehrfach-<br />
CD-Boxen die beiden Neuerscheinungen<br />
nicht als edles Gesamtpaket veröffentlicht<br />
wurden.<br />
(EMI, 1990, 12/60:07, 12/49:00,<br />
2013, 10/57:07) an<br />
Pop<br />
THE DARK FLOWERS<br />
RADIOLAND<br />
Der kreative Kopf hinter diesen „dunklen<br />
Blumen” ist mit Paul Statham kein Unbekannter.<br />
Als Komponist und Produzent war<br />
er für zahlreiche Künstler von Dido über<br />
Peter Murphy bis zu Simple-Minds-Frontmann<br />
Jim Kerr tätig. Einen Großteil dieser<br />
Musiker hat er jetzt auch für RADIO LAND<br />
ins Aufnahmestudio eingeladen, neben<br />
Kerr und Murphy auch noch Dot Allison<br />
(Massive Attack, Death In Vegas), Shelly<br />
Poole, Helicopter Girl, Ca<strong>the</strong>rine AD und<br />
Kate Havnevik. Und wer Paul Stathams<br />
Kompositionsstil kennt, der weiß, dass<br />
dieser Bandname auch musikalisches Programm<br />
ist, dass es hier zurückgeht in die<br />
80er Jahre, als man so etwas Dark Wave<br />
nannte. Der alten Gefahr, hier schnell eintönig<br />
zu klingen, entgehen die Dark Flowers<br />
geschickt: Wechselnder Leadgesang und<br />
unterschiedliche Arrangements – von gehauchter<br />
Akustikballade bis zu tiefschwarzem<br />
Electro-Gothic – sorgen für genügend<br />
Abwechlsung.<br />
(Lojinx/Alive, 2013, 12/46:47) us<br />
OCEAN COLOUR SCENE<br />
PAINTING<br />
Auch wenn die Veteranen<br />
des Brit-Pop<br />
– immerhin 22 Jahre<br />
nach der Veröffentlichung<br />
ihrer Kult-<br />
Single “Sway” – zwischenzeitlich<br />
etwas<br />
an Sh Schwung verloren haben, beeindrucken<br />
sie immer noch mit ihrem unverwüstlichen<br />
Glauben an die Qualitäten dieses Musikstiles.<br />
So schielen Ocean Colour Scene auch<br />
auf ihrem aktuellen Album unverhohlen in<br />
Richtung Sixties, zurück in die Zeit, als es in<br />
ihrer britischen Heimat kein Vorbeikommen<br />
an Bands wie The Who oder Small Faces<br />
gab. Dabei ist PAINTING aber alles andere<br />
als rückwärtsgerichtet, vielmehr zeigt es<br />
wieder einmal, wie sich (vor allem in Großbritannien)<br />
Musik aus den 60er Jahren in der<br />
aktuellen Musikszene wiederfindet, wie sich<br />
Songwriter wie Simon Fowler und Steve<br />
Cradock noch heute davon inspirieren lassen,<br />
wie wenig sich in dieser langen Zeit die ursprüngliche<br />
Seele dieser Musik verändert hat.<br />
(Cooking Vinyl/Indigo, 2013, 14/38:22) tk<br />
MAREN KROYMANN<br />
IN MY SIXTIES<br />
Die bekannte deutsche Schauspielerin Maren<br />
Kroymann (unter anderem „Ta<strong>to</strong>rt”, „Klimawechsel”)<br />
hat ein Faible für die Musik der<br />
Fifties und Sixties und setzt ihre Vorlieben<br />
mit einer kompetenten Band um, die noch<br />
swingen kann und sich einen organischen<br />
Sound auf die Fahnen geschrieben hat. Mit<br />
dem hochmelodischen “I Only Want To Be<br />
With You” beginnt eine spannende Reise,<br />
die mit der Bacharach-Komposition “I Just<br />
Don’t Know What To Do With Myself” und<br />
mit einer groovigen Version von “The Boy<br />
From New York City” ihren ersten Höhepunkt<br />
erreicht. Eine hervorragende Fassung<br />
von “The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore”,<br />
die Kroymanns Mut belohnt, sich so einen<br />
schwierigen Song vorzunehmen, begeistert,<br />
wohingegen “It’s All Over Now” leider etwas<br />
kraftlos klingt. Aber ein Ausfall unter<br />
den 16 Tracks (und nicht wie auf der Cover-<br />
Seite 34 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
CD<br />
REVIEWS<br />
rückseite angegeben 13 Nummern) ist<br />
nun wirklich zu verkraften. Unerwartet<br />
gut, da die sympathische Dame auch<br />
noch klasse singt!<br />
(Tonträger/edel, 2013, 16/48:15) at<br />
RON SEXSMITH<br />
FOREVER ENDEAVOUR<br />
Wie macht man<br />
es sich mit einer<br />
Flasche<br />
Wein<br />
an dem Platz,<br />
an dem man am<br />
liebsten einsam<br />
ist, am besten<br />
gemütlich? Wie fühlt es sich an, mit<br />
seiner Liebsten im Arm in der Morgensonne<br />
aufzuwachen? Das sind nur zwei<br />
der vielen kleinen Themen, die Ron<br />
Sexsmith auf seinem großen Album<br />
FOREVER ENDEAVOUR besingt.<br />
Nach dem eher schwachen Vorgänger<br />
LONG PLAYER LATE BLOOMER<br />
(2011) legt der 49-jährige kanadische<br />
Sänger/Songschreiber damit endlich<br />
wieder ein Meisterwerk vor, das unter<br />
Beweis stellt, warum Kollegen wie Paul<br />
McCartney, Elvis Costello und Steve<br />
Earle seine Arbeit schätzen. Die Lieder<br />
stecken voller Leichtigkeit und Melodienreichtum.<br />
Den allzu Mainstream-poppigen<br />
Sound von LATE BLOOMER<br />
hat er zugunsten eines mehr unpluggedfolkigen<br />
abgelegt: Jeden Song begleitet<br />
Sexsmith mit der Akustikklampfe, die<br />
Arrangements sind feinveredelt von<br />
Streich- und Blasinstrumenten. Kammermusik-Folk-Pop<br />
für Hör-Gourmets!<br />
(Cooking Vinyl/Indigo, 2013,<br />
14/42:07) frs<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
REASON TO BELIEVE –<br />
THE SONGS OF<br />
TIM HARDIN<br />
Der 1980 infolge jahrelangen Drogenmissbrauchs<br />
im Alter von 39 Jahren<br />
vers<strong>to</strong>rbene Tim Hardin gehört zu den<br />
zu Lebzeiten weitgehend erfolglosen<br />
Songschreibern, deren Lieder von Beginn<br />
an bis in die Gegenwart immer<br />
wieder gern gecovert wurden. Schlichte,<br />
aber nahegehende Kompositionen<br />
wie “Black Sheep Boy”, “How Can<br />
We Hang On To A Dream?” und “If I<br />
Were A Carpenter” ließen genügend<br />
Raum für andere Interpretationen, etwa<br />
von Scott Walker, The Nice und Bobby<br />
Darin. Die Liste ließe sich noch lange<br />
weiterführen und wird jetzt auf REA-<br />
SON TO BELIEVE um 13 neue Cover-<br />
Versionen erweitert, deren bekanntester<br />
Interpret Mark Lanegan, ehemalige<br />
Reibeisenstimme der Screaming Trees,<br />
sein dürfte. Neun der Neuinterpretationen<br />
haben ihren Ursprung in den<br />
ersten beiden Tim-Hardin-Alben, die<br />
restlichen vier beziehen sich auf Hardins<br />
weitgehend unbekanntes, aber<br />
keineswegs schlechtes Folge-Œuv re.<br />
Die Künstler erweisen Hardin ihre stilsichere<br />
Referenz, und es ist – den Herausgebern<br />
der Zusammenstellung folgend<br />
– zu hoffen, dass möglichst viele<br />
Tim Hardin (wieder-)entdecken.<br />
(Full Time Hobby/Rough Trade,<br />
2013, 13/45:27) an<br />
HEINO<br />
MIT FREUNDLICHEN<br />
GRÜSSEN<br />
Wer austeilt, muss auch einstecken<br />
können. Diese Weisheit ist alt. Und zu<br />
Zeiten, als Volksmusik-Barde Heino<br />
noch ein junger Mann war, Bestandteil<br />
eines Ehrenkodex’. Heute fangen die<br />
„Rebellen” mal eben gleich zu plärren<br />
an, wenn ihnen ein über 70-Jähriger im<br />
Vorbeigehen mal auf die blauen Converse<br />
Chucks tritt. Heinos Cover-Album<br />
MIT FREUNDLICHEN GRÜS-<br />
SEN ist nicht nur deshalb eine Wucht,<br />
weil er schmerzlich zutage förderte,<br />
dass die „wilden Buben” – speziell die<br />
Ärzte und Oomph! – zwar über alles<br />
und jeden lästern, tief in ihren Herzen<br />
aber Luschen sind – und zu zetern anfangen,<br />
wenn sich jemand an ihrem<br />
„künstlerisch wertvollen” Liedgut<br />
vergreift. Auch die Tatsache, dass die<br />
„Rocker” lediglich mit viel Strom und<br />
digitaler Studiotechnik getunte Schlager<br />
hervorbringen, ist eine erfrischende<br />
Erkenntnis. Heinos Versionen von Hits<br />
der Genannten sowie von Rammstein,<br />
Nena, Westernhagen, Keimzeit, Clueso,<br />
Absolute Beginner, Sportfreunde Stiller,<br />
Peter Fox, Fantastischen Vier und Stefan<br />
Remmler sind eine runde Sache. Mit<br />
satten Bläsersätzen angereichert, grooven<br />
die Stücke. Und die Texte werden<br />
wie bei “Junge” gar vom Kopf auf die<br />
Füße gestellt. Und was macht Heino bei<br />
all dem Heckmeck? Er lächelt entspannt<br />
und singt seine Lieder.<br />
(Starwatch/Sony <strong>Music</strong>, 2013,<br />
12/44:13) jub<br />
HANS EDLER<br />
SONGS FROM THE SIXTIES<br />
So,<br />
wie<br />
Bert<br />
Kaempfert<br />
der König<br />
der<br />
Easy-<br />
Listening-<br />
Jazzmusik<br />
ist, gebührt Hans Edler dieser Titel im<br />
Bereich Easy-Listening-Rock’n’Roll.<br />
Der schwe di sche Gitarrist begann<br />
seine musikalische Karriere in den<br />
60ern, als er in unterschiedlichen lokalen<br />
Bands Musik im Stile der Ventures<br />
oder der Shadows spielte. In den 70ern<br />
gehörte er in Schweden zu den Pionieren<br />
der elektronischen Musik, konzentrierte<br />
sich aber Ende dieses Jahrzehnts<br />
auf das Covern von Hitparadensongs.<br />
Daneben war er auch als Komponist<br />
für sich und andere tätig, seine im<br />
Rahmen einer Ricky-Nelson-Tour<br />
entstandene Single “Black Fender”<br />
war so populär, dass sie in Schweden<br />
sogar bis auf Platz 1 der Charts kam.<br />
Auf vier CDs hat er sich nun, teilweise<br />
live, teilweise im Studio, der Musik der<br />
60er Jahre verschrieben. Und ähnlich<br />
wie Kaempfert gelingt es Edler, seinen<br />
SONGS FROM THE SIXTIES einen<br />
durchgängigen, ganz eigenen, Gitarren-dominierten<br />
Sound zu verpassen,<br />
der nur noch wenig mit dem Original<br />
zu tun hat, ganz egal ob die Vorlage<br />
“Apache”, “Only Sixteen”, “Save The<br />
Last Dance For Me”, “Runaway”,<br />
Pop<br />
“Please, Please Me”, “Hello Mary<br />
Lou” oder “If I Had A Hammer” heißt.<br />
(7us/New <strong>Music</strong> Distribution, 2013,<br />
16/41:54, 16/41:50, 16/42:49,<br />
16/43:25) us<br />
CHRISTOPHER CROSS<br />
A NIGHT IN PARIS<br />
Lange<br />
Jahre<br />
hatte sich Chris<strong>to</strong>pher<br />
Cross<br />
rar<br />
gemacht,<br />
spielte,<br />
wenn<br />
überhaupt,<br />
in<br />
kleinen<br />
Clubs<br />
jazzige Akustiksets. t Kein Wunder, entwickelte<br />
sich seine letztjährige Europa-Tournee<br />
zur umjubelten Rückkehr.<br />
Mit Andy Suzuki (sax, keys), Chazz<br />
Frichtel (b, voc), Kiki Ebsen (keys,<br />
voc), Richie Gajate Garcia (perc) und<br />
Dave Beyer (dr) begleitete ihn eine<br />
illustre Band, deren Mitglieder auch<br />
ihre individuellen Stärken im rund<br />
90-minütigen Programm nach und<br />
nach zur Schau stellen durften. Gleich<br />
von Beginn an gelang es Chris<strong>to</strong>pher<br />
Cross, eine wunderschön relaxte Stimmung<br />
in das nicht minder schöne Pariser<br />
Theatre Le Trianon zu zaubern, die<br />
im Laufe des Abends der Nährboden<br />
für so herrliche Songs wie “Ride Like<br />
The Wind”, “Sailing” oder “Arthur’s<br />
Theme” war. Unbekannter, aber nicht<br />
weniger hochklassig: neue Titel wie<br />
“Leave It To Me” und “November”.<br />
Oft ja nur eine Dreingabe, hier aber<br />
weitaus mehr ist die beiliegende DVD<br />
des Konzertes, die die einmalige Stimmung<br />
dieses Abends in weichen Farben<br />
und herrlich entspannten Klängen<br />
ins heimische Wohnzimmer transportiert.<br />
(Ear <strong>Music</strong>/edel, 2013, 2 CDs,<br />
DVD 97 Min.)<br />
tk<br />
DIDO<br />
GIRL WHO GOT AWAY<br />
Nach fünf Jahren erscheint Dido, das<br />
„Mädchen, das davonkam” (GIRL<br />
WHO GOT AWAY), wieder auf der<br />
Bildfläche, im Gepäck ein Album,<br />
bei dem sie hörbar auf Nummer Sicher<br />
geht. Namhafte Produzenten<br />
sorgen dafür, dass sich unterschiedliche<br />
Sounds abwechseln, ein breites<br />
Publikum angesprochen wird, und mit<br />
Kendrick Lamar hat sie für “Love To<br />
Blame” den aktuellen Senkrechtstarter<br />
der amerikanischen Rap-Szene als Duettpartner<br />
ins Studio geholt. Natürlich<br />
fällt es Produzenten wie ihrem Bruder<br />
Rollo Armstrong (der gleich seine<br />
Faithless-Partnerin Sister Bliss mitgebracht<br />
hat), Trip-Hop-Mastermind<br />
Greg Kurstin, Rick Nowels (Lana Del<br />
Rey, Lykke Li) oder Altmeister Brian<br />
Eno nicht schwer, Didos wunderschöne,<br />
glasklare Stimme mit flirrenden<br />
oder sanft vor sich hinpluckernden<br />
Elektrobeats zu unterlegen. Oft reichen<br />
schon die ersten Takte eines Songs aus,<br />
um sich sofort wieder an “White Flag”<br />
zu erinnern, mit dem sie vor zehn Jahren,<br />
im Ok<strong>to</strong>ber 2003, an der Spitze der<br />
deutschen Single-Charts stand.<br />
(Sony <strong>Music</strong>, 2013, 11/42:59) tk<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 35
kult!<br />
kult!-Nr. 8<br />
erscheint am<br />
19.4.2013<br />
Alle Hefte zu bestellen<br />
im Shop Seite 65<br />
oder unter:<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
CD<br />
REVIEWS<br />
JACK SAVORETTI<br />
BEFORE THE STORM<br />
Aktuell zusammen auf Tour mit dem Singer/Songwriter-Senkrechtstarter<br />
Jake Bugg<br />
ist dieser junge britische Künstler. Dabei ist<br />
die komplett selbst geschriebene Musik, die<br />
Jack Savoretti auf BEFORE THE STORM<br />
präsentiert, sogar noch ein gutes Stück vielschichtiger<br />
als die seines Kollegen. Produziert<br />
von Martin Terefe (James Morrison,<br />
Leonard Cohen, a-ha), lässt er in einer breiten<br />
Palette an Stilen sein Talent aufblitzen. Er<br />
klingt mal wie ein verträumter Liedermacher<br />
aus dem New Yorker Greenwich-Village der<br />
60er Jahre, mal wie eine junge Ausgabe des<br />
hawaiianischen Meisters des Gute-Laune-<br />
Surf-Pop, Jack Johnson, hat hymnische<br />
(Brit-Pop-)Refrains genauso im Angebot<br />
wie jazzig verspielten Lounge-Pop, kann<br />
es ebenso kernig, wie er seine Lieder voller<br />
Gefühl vortragen kann. Jack Savoretti, ein<br />
Name, den man sich merken sollte.<br />
(Fullfill Records/Alive, 2013, 13/45:37) tk<br />
THE PARTRIDGE<br />
FAMILY<br />
SOUND MAGAZINE / SHOPPING<br />
BAG + THE PARTRIDGE<br />
FAMILY NOTEBOOK /<br />
CROSSWORD PUZZLE<br />
Nach der Europa-Premiere der ersten beiden<br />
Partridge-Family-LPs gibt es nun auch die<br />
nächsten vier Alben der singenden US-Familie<br />
auf zwei CDs. SOUND MAGAZINE und<br />
SHOPPING BAG erschienen 1972, Hauptsänger<br />
waren natürlich wieder Teenie-Star<br />
David Cassidy sowie die <strong>Music</strong>al erprobte<br />
Shirley Jones, zum Studiopersonal gehörte<br />
mit Hal Blaine (dr), Larry Knechtel (keys),<br />
Max Bennett (b) und Louis Shel<strong>to</strong>n (g) eine<br />
exzellente Riege an Musikern, sonst in den<br />
Diensten von Ella Fitzgerald, der Monkees,<br />
Glen Campbell, Simon & Garfunkel oder<br />
Elvis Presley. Mit fast gleicher Besetzung<br />
wurden im Jahr darauf weitere zwei Alben<br />
voller opulent arrangiertem, typisch amerikanischem<br />
70er-Jahre-Pop eingespielt, THE<br />
PARTRIDGE FAMILY NOTEBOOK sowie<br />
CROSSWORD PUZZLE. Auch beim Songwriting<br />
wurden hier keine halben Sachen<br />
gemacht, so gut wie alle Titel stammen von<br />
renommierten Songwriter-Teams, von Wes<br />
Farrell/Danny Janssen/Bobby Hart über Tony<br />
Romeo/Ken Jacobson bis zu Barry Mann/Phil<br />
Spec<strong>to</strong>r/Cynthia Weil.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1972,<br />
22/66:29, 1973, 22/64:10) tk<br />
JUSTIN HAYWARD<br />
SPIRITS OF THE WESTERN SKY<br />
Mit Kompositionen wie “Nights In White<br />
Satin”, “Tuesday Afternoon”, “Your Wildest<br />
Dreams” oder auch “I Know You’re Out There<br />
Somewhere” gehört der Moody-Blues-Gitarrist<br />
und -Sänger Justin Hayward zu den erfolgreichsten<br />
Songwritern der Rock- und Popgeschichte.<br />
Über 15 Jahre ist es her, dass er sein<br />
letztes Solo-Album veröffentlicht hat, so dass<br />
sich nun für SPIRITS OF THE WESTERN<br />
SKY wieder genug neues Material angesammelt<br />
hatte. Natürlich bleibt er sich über weite<br />
Strecken des Albums treu, liefert die von ihm<br />
bekannte Mischung aus melodischen, gefühlvollen<br />
Songs in feinsinnigen, ausgefeilten Poparrangements.<br />
Bei drei Songs, den Countryund<br />
Bluegrass-beeinflussten Stücken “What<br />
Your Resist Persists”, “Broken Dream” und<br />
“It’s Cold Outside Your Heart”, wendet er sich<br />
auch neuen Ausdrucksweisen zu.<br />
(Eagle/edel, 2013, 15/68:19)<br />
tk<br />
EVERLY BROTHERS<br />
ROCK + THE BALLADS OF<br />
Seite 36 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
Pop<br />
Kategorien und kommerziellen Zwängen<br />
anzurichten. Und trotz zahlreicher Helfer an<br />
so unterschiedlichen Instrumenten wie Harmonium,<br />
Lapsteel, Kornett, Flöte, Lap<strong>to</strong>p<br />
oder Cello klingen ihre Lieder nie überladen,<br />
steht neben allem schmückenden Beiwerk<br />
der Kern des Songs im Mittelpunkt. Auch<br />
die Wurzeln dieser Lieder sind schnell ausgemacht,<br />
reichen von perlendem Sixties-Beat<br />
über jazzig verspielte Chansons und sanftem<br />
Folk bis zu himmelhoch aufgetürmten Pop-<br />
Harmonien – immer umspielt von einer Prise<br />
mystischer Unnahbarkeit. Also ganz wie eine<br />
Outer-Space-Version von Belle & Sebastian,<br />
unterstützt von einer jungen Kate Bush ...<br />
(Make My Day Records/Alive,<br />
2013, 10/37:56) us<br />
EDWYN COLLINS<br />
UNDERSTATED<br />
Die Everly Bro<strong>the</strong>rs waren immer beides:<br />
Schmusesänger und Rock’n’Roller. Einem<br />
ruhigen “All I Have To Do Is Dream” (1958,<br />
US #1) gingen Uptempo-Hits wie “Bye Bye<br />
Love” (1957, US #2) und “Wake Up Little<br />
Susie” (1957, US #1) voraus. Gleichwohl<br />
blieben die Brüder Don und Phil im kollektiven<br />
Gedächtnis eher mit ihren zärtlichen<br />
Close-Harmony-Balladen haften, die starken<br />
Einfluss auch auf die Beatles, Simon & Garfunkel<br />
und a-ha ausübten. Von ihrer rockigen<br />
Seite kann man sich nun anhand der Anthologie<br />
THE EVERLY BROTHERS ROCK<br />
überzeugen. In gewohnt guter Bear-Family-<br />
Qualität (hervorragender Klang, informatives<br />
Booklet) versammelt sie neben “Bye Bye<br />
Love” und “Wake Up Little Susie” 28 weitere<br />
Nun ist er aber wirklich<br />
zurück! Als Edwyn<br />
Collins 2010<br />
mit LOSING SLEEP<br />
sein Comeback feierte,<br />
war man in erster<br />
Linie froh, dass<br />
es dem Mann gelungen war, sich nach<br />
zwei Schlaganfällen wieder aufzurappeln.<br />
Ein gutes Album zwar, aber man merkte<br />
ihm doch stark an, dass der Sänger/Songschreiber,<br />
der in den 80ern mit der schottischen<br />
Band Orange Juice Erfolge feierte,<br />
noch etwas geschwächt war. Doch nun,<br />
zwei Jahre später, ist der 53-Jährige mit<br />
seinem achten Solo-Album UNDERSTA-<br />
TED wahrhaft zur Bestform aufgelaufen.<br />
Songs aus den Jahren 1957–62, darunter das Mitmusiker wie Sex-Pis<strong>to</strong>ls-Drummer<br />
knallige “Bird Dog” (1958, US #3) und die<br />
ambitionierte Bing-Crosby-Adaption “Temptation”<br />
(1961). In ihrer Studioband spielten gestandene<br />
Rockabillys wie Chet Atkins (g) und<br />
Floyd Cramer (p). Auch Covers von R&R-<br />
Kollegen sind zu hören, etwa Little Richards<br />
“Lucille” und Gene Vincents “Be-Bop-A-<br />
Lula”. Diese, viel zu zahm, bleiben allerdings<br />
hinter den wilden Originalen zurück. Um kein<br />
falsches Bild der Everlys zu erhalten, bringt<br />
Bear Family zeitgleich THE BALLADS OF<br />
THE EVERLY BROTHERS auf den Markt,<br />
Paul Cook haben ihm geholfen, sein wohl<br />
bestes Werk seit GORGEOUS GEORGE<br />
(1994) und der Erfolgssingle “A Girl<br />
Like You” (UK #4, D #3) zu produzieren.<br />
Mit “Carry On, Carry On” und “Too Bad<br />
(That’s Sad)” gibt es zwei schöne, wunderbar<br />
leichtfüßige Blue-Eyed-Soulnummern,<br />
das beklemmende “Baby Jean” glänzt mit<br />
flirrenden Voodoo-Sounds, und mit den<br />
au<strong>to</strong>biografischen Songs “31 Years” und<br />
“Down The Line” hat Collins zwei seiner<br />
bislang schönsten Balladen geschrieben.<br />
die mit 30 Songs ebenfalls auf die goldenen<br />
Jahre der Everlys von 1957 bis ‘62 fokussiert<br />
– allerdings auf deren ruhige Seite. Neben “All<br />
I Have To Do Is Dream” beinhaltet sie weitere<br />
herzerweichende Popnummern wie “Love<br />
(AED/Rough Trade, 2013, 11/41:16)<br />
1. FUTUROLOGISCHER<br />
CONGRESS<br />
PATCHWORK<br />
frs<br />
Hurts” und “Crying In The Rain” (später von<br />
Nazareth und a-ha gecovert). Der Harmonygesang<br />
der Brüder sorgt heute noch, nach über 50<br />
Jahren, für Gänsehaut. Beide CDs verhalten<br />
sich wie Yin und Yang zueinander und sollten<br />
am besten im Doppelpack erworben werden!<br />
(Bear Family, 2013, 30/65:22 +<br />
Experimentellen elektronischen Pop pflegte<br />
der 1981 gegründete, zeitweise 13-köpfige 1.<br />
Futurologische Congress, bei dem zeitweise<br />
auch FM Einheit (Einstürzende Neubauten)<br />
und Hansi Behrendt (Ideal) mitmischten. Dabei<br />
profitierten die Berliner von der grassierenden<br />
Neuen Deutschen Welle, es gab Vergleiche<br />
30/72:54) frs<br />
mit Spliff oder gar den Talking Heads.<br />
Ab und zu integrierte die Combo um Sänger<br />
MONKEY CUP DRESS<br />
MONKEY CUP DRESS<br />
U.W.A. Heyder auch Funk und Soul, es<br />
groovte bei aller Syn<strong>the</strong>tik durchaus. Die nun<br />
Der betörende Kammerpop dieser beiden<br />
jungen Damen braucht keine große Bühne<br />
um seine Schönheit zu entfalten, ganz in der<br />
langen Poptradition ihrer skandinavischen<br />
Heimat lebt diese Musik vom Kontrast zwischen<br />
kühler Schönheit und warmer Intimität.<br />
Mit Monkey Cup Dress leben Line Felding<br />
(Mitglied der dänischen Folk-Rockband<br />
Cody) und Sidse Holte (begleitet sonst den<br />
Sänger Danjal von den Färöer Inseln) ihren<br />
erstmals vorliegenden, bislang nur als Download<br />
erhältlichen Aufnahmen (CD-Untertitel:<br />
„Studio-Tracks ’83 –’86”) waren als drittes<br />
Album gedacht, über dem sich die Gruppe<br />
zerstritt. Als Bonus gibt es zu den ansonsten<br />
deutsch gesungenen und besprochenen Titeln<br />
drei englischsprachige Tracks. Abwechslungsreich,<br />
eigenwillig, gewöhnungsbedürftig,<br />
nicht jedermanns Geschmack.<br />
(Sireena/Broken Silence, 2013,<br />
Traum aus, Musik frei von Konventionen, 14/53:21) pro
CD<br />
REVIEWS<br />
PRETTY MAIDS<br />
MOTHERLAND<br />
Irgendwie waren die Dänen schon in den<br />
80ern ziemlich geil. Das Melodic-Metal-<br />
Überangebot aus den Staaten gestattete den<br />
Pretty Maids aber nur die berühmten fünf<br />
Minuten des Erfolgs. Beirren ließen sich<br />
die Musiker um die Gründungsmitglieder<br />
Ronnie Atkins (voc) und Ken Hammer (g)<br />
aber nie. So haben wir das Glück, auch anno<br />
2013 mit einem neuen Pretty-Maids-Album<br />
bedacht zu werden. Und MOTHERLAND<br />
ist wie viele Male zuvor eine CD, die randvoll<br />
ist mit eingängigen Melodic-Bangern,<br />
denen man schon nach dem ersten Durchlauf<br />
seine gesamte Sympathie gewährt. Die<br />
Scheibe hat nicht den Hauch von Schwäche<br />
und legt somit die Latte für in diesem<br />
Jahr garantiert noch folgende Veröffentlichungen<br />
aus dem Melodic-Metal-Sek<strong>to</strong>r<br />
verdammt hoch.<br />
(Frontiers/Soulfood, 2013, 13/52:06) jub<br />
WHEELER BROTHERS<br />
PORTRAITS<br />
Relativ neu auf der<br />
Roots-Rock-Landkarte<br />
sind die Wheeler<br />
Bro<strong>the</strong>rs. Zumindest<br />
dann, wenn man<br />
nicht aus Austin,<br />
Texas, stammt, denn<br />
dort gehörten die drei Wheeler-Brüder<br />
Nolan, Tyler und Patrick mit ihren zwei<br />
Freunden Danny Mat<strong>the</strong>ws und A.J. Molyneaux<br />
zu den Abräumern des letztjährigen<br />
SXSW-Festivals, als sie gleich in fünf<br />
Kategorien mit einem Austin <strong>Music</strong> Award<br />
ausgezeichnet wurden. Musikalisch kann<br />
man das Quintett im derzeit so beliebten<br />
Grenzgebiet zwischen Indie-Rock und<br />
Americana einordnen, rockiger als die<br />
Avett Bro<strong>the</strong>rs, geradliniger als My Morning<br />
Jacket, vielschichtiger und bunter als<br />
The Low An<strong>the</strong>m. Denn was letztendlich<br />
zählt – neben allem schmückenden Beiwerk<br />
aus Banjo, Cello, Glockenspiel oder<br />
Akkordeon – sind die Songs, und die sind<br />
den Wheeler Bro<strong>the</strong>rs wirklich hervorragend<br />
gelungen.<br />
(Blue Rose/Soulfood, 2013, 13/53:06) us<br />
ALEXANDER’S TIMELESS<br />
BLOOZBAND<br />
FOR SALE<br />
Prima Idee, diesen Semi-Klassiker endlich<br />
erneut auf CD vorzulegen. Alexander’s<br />
Timeless Bloozband aus San Diego, Kalifornien,<br />
konnte 1968 unter Führung von<br />
Charles Lamont (veröffentlichte 1969 sein<br />
Solo-Album A LEGEND IN HIS OWN<br />
MIND), Carl Lockhart und Larry Marks<br />
nach dem selbst betitelten Debüt 1967 mit<br />
FOR SALE kurzzeitig Ruhm ernten mit<br />
psychedelischem Blues – und mit einem<br />
in Kennerkreisen legendären Super-Cover,<br />
das eine „wonderful sad eyed lady” zeigt.<br />
Der Blues der Gruppe pendelt zwischen gehoben<br />
kraftvoll (“Love So Strong”, “Tight<br />
Rope Walker”) und bläser-swingend (“Horn<br />
Song”). Gehörige Jazzanteile steigern sich<br />
mitunter bis zum Free Jazz (“Life”), die<br />
Gitarre erinnert häufig an Mike Bloomfield,<br />
und der Gesang reicht von normal-garagenrockig<br />
bis wölfisch (“Help Me”). In jedem<br />
Falle klang man unangepasst, widerborstig<br />
und generell wunderbar schräg. Und die<br />
Verwendung der Begriffe „timeless” und<br />
„blooz” ist wohlüberlegt: Der Blues wird<br />
zum „Blooz” verfremdet, und zeitlos ist<br />
die in keine bequeme Schublade passende<br />
Kombination von Garagen-Rock und Jazz<br />
auf jeden Fall. Die stilistisch superambitionierte<br />
Gruppe, die man am besten wohl<br />
als undergroundige Ausgabe der Ides Of<br />
March bezeichnen könnte, hatte innerhalb<br />
ihrer Nische über Jahrzehnte hinweg bis<br />
heute kaum echte Konkurrenz. Auch das<br />
macht sie zu einem kleinen Juwel!<br />
(Kismet/Soulfood, 1968/2013,<br />
11/34:30) hjg<br />
GREAT WHITE<br />
30 YEARS – LIVE FROM THE<br />
SUNSET STRIP<br />
Es ist die alte Streitfrage,<br />
wie „echt”<br />
eine Band noch ist,<br />
wenn eine ihrer tragenden<br />
Stützen nicht<br />
mehr dabei ist. Bei<br />
Great White, die ihr<br />
30-jähriges Bestehen am 22.3.2012 im<br />
Key Club in Los Angeles feierten, gilt dies<br />
für Sänger Jack Russell. Der Konzertmitschnitt<br />
präsentiert erstmals seinen vielseitigen<br />
Nachfolger Terry Ilous live auf CD,<br />
und wie schon auf der 2012er Studioplatte<br />
ELATION kann der frühere XYZ-Frontmann<br />
durchaus überzeugen. Ansonsten<br />
gibt’s Great White, wie man sie kennt und<br />
schätzt: mit straightem Hard Rock, der melodisch<br />
wie zwischendurch auch bluesverwurzelt<br />
daherkommt. Erstaunlich ist schon,<br />
dass kein ELATION-Song dabei ist – aber<br />
immerhin unterscheidet sich das Set von<br />
den zahlreichen bisherigen Livescheiben.<br />
Ordentlich gemacht, aber dennoch bleiben<br />
irgendwie zwiespältige Gefühle ...<br />
(Frontiers/Soulfood, 2013, :11/73:41) pro<br />
JOHNNY MARR<br />
THE MESSENGER<br />
Als Gitarrist von The Smiths stand Johnny<br />
Marr stets im Schatten von Sänger Morrissey.<br />
Gleichwohl war er für den Bandsound<br />
und das Songwriting ungemein wichtig.<br />
Nach dem Combo-Split 1987 war er aufgrund<br />
seiner Gitarrenkünste ein gefragter<br />
Gastmusiker für so unterschiedliche Gruppen<br />
wie die Pretenders, The The, Pet Shop<br />
Boys oder Modest Mouse. 2003 veröffentlichte<br />
er unter dem Namen Johnny Marr<br />
& The Healers sein erstes Solo-Album<br />
BOOMSLANG. Nun, zehn Jahre später,<br />
legt er den grandiosen Nachfolger THE<br />
MESSENGER vor – ein feinziselierter<br />
Ohrenschmaus für alle Fans von gitarrenorientiertem<br />
Indie-Rock und Brit-Pop. Das<br />
Songwriting und die Saitenarbeit bei Songs<br />
wie dem patchworkartigen Titelstück, dem<br />
flockigen “European Me”, dem düsteren<br />
“Say Demesne” oder den vorwärtstreibenden<br />
“The Right Thing Right” und “Generate!<br />
Generate!” sind famos. Man fühlt<br />
sich an die besten Zeiten von The Jam,<br />
Oasis – und freilich den Smiths – erinnert.<br />
(Warner, 2013, 12/48:24)<br />
frs<br />
Rock<br />
DAVID COURTNEY<br />
MIDSUMMER MADNESS /<br />
SHOOTING STAR<br />
Courtney war 1973 in allen Rock-Gazetten,<br />
als er mit Leo Sayer das komplette Solodebüt<br />
des Who-Sängers Roger Daltrey verfasste<br />
– eine Megastimme, kombiniert mit<br />
bestem Songwriter-Talent. Die Einfälle für<br />
Courtneys zweites Solo-Album von 1975,<br />
MIDSUMMER MADNESS, klangen kaum<br />
weniger ideenreich, ausgeführt von Argents<br />
Jim Rodford (b) und Bob Henrit (dr), dem<br />
späteren Kinks-Rhythmusteam, dazu jenem<br />
Phil Kenzie, der das Sax auf Al Stewarts<br />
“Year Of The Cat” spielte. An großartigen<br />
Einspielungen des Argent-Gitarristen John<br />
Verity lag es nicht, dass das Album in den<br />
Archiven verschwand. War es Courtneys<br />
mangelndes Zutrauen an seine Stimme? Sie<br />
ist angenehm, jedoch nicht unverwechselbar.<br />
SHOOTING STAR entstand 1980 in<br />
L.A. und erschien nur in kleiner Auflage,<br />
nachdem Beach Boy Mike Love am liebsten<br />
sämtliche Songs seinen Strandjungs<br />
einverleibt hätte. Hier glänzt neben Courtneys<br />
Stimme & Keyboards Sessiondrummer<br />
Rick Schlosser (Manhattan Transfer,<br />
Art Garfunkel): melodischer Pop-Rock mit<br />
Charakter, dessen Anteil in der Punk/New-<br />
Wave-Ära kleiner wurde, der aber eine<br />
(Wieder-)Entdeckung lohnt.<br />
(Agel Air/Fenn, 1975/1980, 18/78:20) utw<br />
SPOCK’S BEARD<br />
BRIEF NOCTURNES AND<br />
DREAMLESS SLEEP<br />
Seit dem letzten Studio-Album<br />
X (2010)<br />
hat sich einiges getan,<br />
da Sänger/Drummer<br />
Nick D’Virgilio<br />
durch Tourdrummer<br />
Jimmy Keegan und<br />
Enchant-Sänger Ted Leonard ersetzt werden<br />
musste. Gelang Spock’s Beard auf<br />
X die nahezu perfekte Syn<strong>the</strong>se aus dem<br />
Prog-Sound der Neal-Morse-Phase und den<br />
hardrockigeren New-Art-Einflüssen der<br />
Folgewerke, kann die aktuelle Scheibe dieses<br />
hohe Niveau nicht halten. Die Band musiziert<br />
natürlich virtuos, die durchaus gelungene<br />
CD hat viele gute Parts, doch kann<br />
der Vorgänger nicht erreicht werden. Neal<br />
Morse ist bei zwei Stücken komposi<strong>to</strong>risch<br />
beteiligt, was sich durchaus bemerkbar<br />
macht. So folgt mit “Afterthoughts” eine<br />
Fortsetzung des “Thoughts”-Zyklus – natürlich<br />
mit herrlichem a-capella-Chor. Für<br />
Freunde anspruchsvoller Rockmusik ist<br />
Spock’s Beard wie immer ein Tipp!<br />
(InsideOut/EMI, 2013, 7/56:02) rg<br />
DEVON ALLMAN<br />
TURQUOISE<br />
Als essenzielles Mitglied der Royal Sou<strong>the</strong>rn<br />
Bro<strong>the</strong>rhood hat Devon Allman, Sohn<br />
des Allman-Urvaters Gregg, schon deutlich<br />
gemacht, welche Vorteile es hat, mit dem<br />
Musik-Gen auf die Welt gekommen zu sein.<br />
Der knietief im Sou<strong>the</strong>rn Rock verankerte<br />
Junior singt einfach souverän und spielt dazu<br />
eine kraftvolle Gitarre ohne Fehl und Tadel.<br />
Zudem hat er für sein erstes Solo-Album<br />
TURQUOISE, teilweise in Co-Produktion<br />
mit James Zi<strong>to</strong> und Tyler Strokes, ein Bündel<br />
Songs geschrieben, die dem jahrzehntelangen<br />
Niveau der Allman-Familie voll<br />
und ganz entsprechen. Bei der Realisierung<br />
verließ er sich auf die Bro<strong>the</strong>rhood-Kollegen<br />
Myles Weeks (b) und Yonrico Scott (dr) – und<br />
war nicht verlassen. Das Kerntrio weiß sehr<br />
genau, wo der Hammer hängt. Für Spezial-<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 37
CD<br />
REVIEWS<br />
aufgaben standen einige Koryphäen bereit,<br />
so der Sou<strong>the</strong>rn-Halbgott Lu<strong>the</strong>r Dickinson<br />
oder die Sängerin Samantha Fish, mit deren<br />
Duettkraft Devon Allman “S<strong>to</strong>p Draggin’<br />
My Heart Around”, aus Tom Pettys Feder<br />
und die einzige Cover-Version hier, zu einem<br />
Höhepunkt macht. Weitere sind der Eröffner<br />
“When I Left Home”, “Time Machine”<br />
und das ruhige “Yadira’s Lullaby”, ehe das<br />
rundum schöne Album mit dem gleichfalls<br />
trefflichen “Turn Off The World” endet. Allman<br />
bezeichnet seine Musik als „dusty road<br />
driving music” und auch als „tropical getaway<br />
music”. Derlei Definitionen lassen viel<br />
Spielraum für differenzierte Weiterentwicklungen.<br />
Von Devon Allman wird man noch<br />
oft Gutes zu hören bekommen ...<br />
(Ruf/inakustik, 2013, 11/41:56) hjg<br />
VIBRAVOID<br />
DELIRIO DEI SENSI +<br />
THE POLITICS OF ECSTASY<br />
Keine Ki Frage, von welcher Band Vibravoid<br />
id<br />
am stärksten beeinflusst wurden: Pink Floyd,<br />
und zwar die frühe Formation mit Syd Barrett,<br />
standen Pate für den psychedelischen<br />
Rock, dessen Fahne die Düsseldorfer Band<br />
nun schon seit über zehn Jahren in den Wind<br />
hält. Ihr neuestes Werk hat sie an zwei freien<br />
Tagen ihrer Italien-Tour aufgenommen,<br />
so dass nun der Titel DELIRIO DEI SENSI<br />
(Delirium der Sinne) in Italienisch auf dem<br />
Cover prangt. Neben eigenen Stücken haben<br />
sie auch Vorlagen von Serge Gainsbourg<br />
(“Poupée De Cire”), Aphrodite’s Child (“Magic<br />
Mirror”) oder der australischen Underground-Helden<br />
Tyrnaround (“Colour Your<br />
Mind”) im Programm. Wem der Acid-Rock<br />
des neuen Albums nicht genügt, dem sei die<br />
remasterte (und um eine zweite CD ergänzte)<br />
Wiederveröffentlichung ihres 2008er Albums<br />
THE POLITICS OF ECSTASY empfohlen.<br />
In schöner Aufmachung und exzellentem<br />
Vintage-Sound zeigt die Band eindrucksvoll,<br />
dass man auch heute noch mit den psychedelischen<br />
Sounds der Sixties begeistern kann.<br />
(S<strong>to</strong>ned Karma Records/Cargo, 2013,<br />
11/59:58, 2008, 12/56:51, 10/73:56) us<br />
YOUR ARMY<br />
IGNITE<br />
Schnörkellosen Rock, ohne Firlefanz und<br />
mit klassischer R’n’R-Besetzung (Gesang,<br />
Gitarre, Bass, Schlagzeug) vielleicht kann<br />
man es auch Neo-Punk nennen – bieten die<br />
aus Brigh<strong>to</strong>n kommenden Engländer von<br />
Your Army. Aber den machen sie exzellent,<br />
mit dem Ausdruck jugendlicher Energie und<br />
unbändiger Spielfreude. Mitreißend schreit<br />
sich Sängerin Lucy Caffrey die Wut aus dem<br />
Bauch, dass auch der Hörer nicht zur Ruhe<br />
kommt. Lediglich die Ballade “Chase The<br />
World” setzt einen zurückhaltenden Schlusspunkt.<br />
Ansonsten rockt und knallt und fetzt<br />
es, dass es eine wahre Freude ist. Erinnerungen<br />
an US-Gitarrenbands wie The Romantics,<br />
The Shirts und The Knack kommen<br />
auf. Obwohl Your Army bereits seit 2009<br />
aktiv sind, ist IGNITE ihr Debütalbum.<br />
(In<strong>to</strong>no/Rough Trade, 2013, 12/39:50) p<br />
HELIX<br />
BEST OF 1983–2012<br />
Seit 1974 hat die kanadische Band Helix<br />
ihren Hard Rock immer wieder geschickt<br />
dem jeweiligen Zeitgeist angepasst. Was<br />
ihr ein dauerhaftes Bestehen mit genügend<br />
Arbeit bescherte, andererseits – wie<br />
viele Personalwechsel – nicht dazu beitrug,<br />
dass sich die Combo dauerhaft in der Topliga<br />
des melodischen Heavy Rock festsetzen<br />
konnte. Mit der Hymne “Wild In The<br />
Streets” sowie “Rock You” und “Heavy<br />
Metal Love” gelangen ihr in den 80er Jahren<br />
respektable Hits. Zwischen Rock-Pop<br />
(“Gimme, Gimme Good Lovin’”, “Danger<br />
Zone”) und Schmuseballaden (“Deep Cuts<br />
The Knife”), treibenden Stadionrockern<br />
und Bon-Jovi-eskem (“Good To The Last<br />
Drop”) variierten Helix ihren eingängigen<br />
Sound – nachzuhören auf der treffsicher<br />
kompilierten BEST OF. Als Bonus gibt’s<br />
die 2012er Weihnachtsnummer “All I Want<br />
For Christmas”.<br />
(PHD/Soulfood, 2012, 21/77:33) pro<br />
STEVEN WILSON<br />
THE RAVEN THAT REFUSED TO<br />
SING (AND OTHER STORIES)<br />
Das<br />
Remastering<br />
epochaler Klassiker<br />
von King Crimson<br />
oder ELP durch den<br />
Porcupine-Tree-Chef<br />
hat Spuren auf seinem<br />
dritten Solowerk<br />
hinterlassen. Die sechs Songs zwischen<br />
fünf und zwölf Minuten überzeugen<br />
durch abwechslungsreiches Songwriting.<br />
Klassische Prog-Sounds gepaart mit Jazzund<br />
Metaleinflüssen – das Nebeneinander<br />
von zarten Elegien und bombastischen<br />
Soundwänden erinnert immer wieder an<br />
King Crimson – ergeben ein faszinierendes<br />
Album. Theo Travis streut jazzige Saxofon-<br />
und Flötensoli ein, Mike Minnemann<br />
sorgt für druckvolles und raffiniertes Drumming,<br />
mit Guthrie Govan, Adam Holzman<br />
und Nick Beggs sind weitere Virtuosen am<br />
Start, die Technik und Gefühl verbinden<br />
können. Die diesmal gewählte Reduzierung<br />
auf eine CD hat gutgetan, damit liefert<br />
Wilson schon jetzt eines der Prog-Meisterwerke<br />
des Jahres ab!<br />
(Ksope/edel, 2013, 6/54:43)<br />
rg<br />
PANCAKE<br />
NO ILLUSIONS<br />
Pancake aus dem Schwabenländle existierten<br />
zwischen 1974–1981, die Formation war<br />
eine Randerscheinung des Symphonic-Progressive-Rock.<br />
Das Quintett veröffentlichte<br />
drei Studio-Alben, diese wurden in chronologischer<br />
Reihenfolge im Laufe der letzten<br />
Jahre vom Deutschrock-Expertenlabel Garden<br />
Of Delights in akzeptabler Klangqualität<br />
auf CD veröffentlicht. Den Abschluss bildet<br />
das 1979 erschienene NO ILLUSIONS.<br />
Pancake waren von pausenlosen Umbesetzungen<br />
geplagt. Und während man sich<br />
bei den ersten zwei Scheiben stark an ELP<br />
oder Eloy erinnert fühlt, weisen die härteren<br />
Klänge auf NO ILLUSIONS in Richtung<br />
Karthago und vor allem Oc<strong>to</strong>pus. Das liegt<br />
daran, dass bei jener Produktion das erste<br />
und einzige Mal mit Biggi Zmierczak eine<br />
Frau anstatt eines Mannes das Mikro in der<br />
Hand hielt. Ihr Näseln nervt auf Dauer, doch<br />
die Classic Rock-Melodien entwickeln ihren<br />
Reiz. Nur die Bonus-Tracks – rares Studiound<br />
Livematerial – hätten keiner Wiederbelebung<br />
bedurft.<br />
(Garden Of Delights, 1979/2012,<br />
12/61:53) mfg<br />
THE CHOCOLATE<br />
WATCHBAND<br />
REVOLUTIONS REINVENTED<br />
Die<br />
Chocolate<br />
Watchband aus San<br />
José, Kalifornien, gehörte<br />
in den Sixties<br />
zum Kern der westküstlichen<br />
Psyche-<br />
delic-Acid-Garagen-<br />
Punk-Rockszene k und erlangte durch ihre<br />
drei Topalben NO WAY OUT, THE INNER<br />
MYSTIQUE und ONE STEP BEYOND<br />
rasch einen legendären Status, der sie auf<br />
den NUGGETS-Sampler brachte und dafür<br />
sorgte, dass ihre Platten sei<strong>the</strong>r immer wieder<br />
neu aufgelegt wurden. Und das völlig<br />
zu Recht. Denn Dave Aguilar (voc), Dave<br />
„Sean” Tolby (g), Mark Loomis (voc, g),<br />
Bill Flores (b) und Gary Andrijasevich (dr)<br />
schufen mit ihrer Mixtur aus rabaukigem<br />
britischem Rhythm & Blues à la S<strong>to</strong>nes,<br />
Kinks, Pretty Things und Yardbirds sowie<br />
kalifornischem Straßen-Feeling und ungebremster<br />
Experimentierlust einen wundervoll<br />
irren Sound, der zum Aufregendsten<br />
der damaligen Zeit gehörte. Ohne ihre besten<br />
Songs, wie “Let’s Talk About Girls”,<br />
“Don’t Need Your Loving”, “Misty Lane”,<br />
“I Ain’t No Miracle Worker” sowie gehaltvolle<br />
Cover-Versionen (Bob Dylans “It’s<br />
All Over Now, Baby Blue”, Ray Davies’<br />
“I’m Not Like Everybody Else”) wäre der<br />
Rock um einiges ärmer. Trotzdem warf<br />
auch die Watchband 1970 das Handtuch<br />
und erlebte die schon erwähnte zähe Legendenbildung<br />
gewissermaßen im Ruhestand.<br />
Die dann Mitte der 90er Jahre aufflammende<br />
Reunion-Diskussion mündete ab 1999<br />
in neue Konzertaktivitäten, und das Album<br />
GET AWAY, dem 2001 AT THE LOVE-<br />
IN-LIVE folgte. Und nun liegt das extrem<br />
willkommene „endgültige” Comebackalbum<br />
REVOLUTIONS REINVENTED<br />
vor, eingespielt von Aguilar, Flores und<br />
Andrijasevich sowie den neuen Musikern<br />
Alby Cozzetti (g) und Tim Abbott (Multi-<br />
Instrumentalist und zugleich Produzent).<br />
Es enthält eine feine Auswahl der alten<br />
Heldentaten in druck- und eindrucksvollen<br />
Versionen. Natürlich offenbart ein direkter<br />
Vergleich, dass sich die Studio-Sound-<br />
Möglichkeiten etwas in Richtung Feinschliff<br />
verändert haben und die Protagonisten<br />
älter und reifer geworden sind. Aber<br />
an ihrer Garagen-rockigen Spannkraft bestehen<br />
auch 2012 null Zweifel. Pflichtkauf<br />
für alle Watchband-Fans!<br />
(Twenty S<strong>to</strong>ne Blatt/Rough Trade,<br />
2012 13/44:39) hjg<br />
DELTA SPIRIT<br />
DELTA SPIRIT<br />
Aus dem sonnigen Kalifornien kommen<br />
diese fünf jungen Musiker, die zwischenzeitlich<br />
ihre Heimat in Brooklyn, New<br />
York, gefunden haben. Und passend dazu<br />
haben sie auch ihre Musik geändert, starteten<br />
ihre Karriere mit sumpfigem Americana-Folk<br />
und sind jetzt, mit ihrem dritten<br />
Rock<br />
Album, bei vielschichtigem und abwechslungsreichem<br />
Rock’n’Roll gelandet. Doch<br />
keine Angst, wem Delta Spirit bisher gefielen,<br />
der wird auch auf DELTA SPIRIT<br />
genügend altbekannte Zutaten vorfinden.<br />
Dass die Voodoo-Trommeln jetzt in der<br />
Hinterhofgarage erklingen, dass der neue<br />
Gitarrist Will McLaren den Sound um ein<br />
breites Spektrum an rockigen Klängen erweitert,<br />
dass es Sänger Mat<strong>the</strong>w Vasquez<br />
gelingt, den Songs ein raues Livefeeling zu<br />
verpassen: Das alles trägt zu einem starken<br />
Gesamteindruck bei. Und wer sich innerhalb<br />
so kurzer Zeit so nachhaltig verändert,<br />
für den ist die Reise mit diesem Album sicher<br />
noch längst nicht beendet. Mal sehen,<br />
wo sie hinführt ...<br />
(Rounder/Universal, 2013, 11/43:19) us<br />
MOLLY HATCHET<br />
PAYING TRIBUTE<br />
Neuauflage<br />
des<br />
Albums von 2008,<br />
das Molly Hatchet<br />
in bester Spiellaune<br />
und (fast immer)<br />
souveräner<br />
Beherrschung der<br />
ausgesuchten Vorlagen präsentiert. Das erfreulich<br />
weit gespannte Spektrum reicht von<br />
Songs der seelenverwandten Bands ZZ Top<br />
(“Sharp Dressed Man”), Thin Lizzy (“The<br />
Boys Are Back In Town”) und Mountain<br />
(“Mississippi <strong>Queen</strong>”) über blues-rockende<br />
Institutionen wie die Allman Bro<strong>the</strong>rs<br />
(“Dreams I’ll Never See”, “Melissa”) und<br />
George Thorogood (“Bad To The Bone”) bis<br />
hin zu den unvermeidbaren Rolling S<strong>to</strong>nes.<br />
“Tumbling Dice” bieten Molly Hatchet als<br />
Kraftpaket an, wie zu erwarten war. Ihre Version<br />
von “Wild Horses” ist allerdings etwas<br />
zu wenig wild geraten. Weichere Töne kommen<br />
durch die Eagles-Klassiker “Desperado”<br />
und “Tequila Sunrise” ins Spiel. Abgerundet<br />
wird die Sammlung durch drei Livetracks aus<br />
dem bekannten Hatchet-Reper<strong>to</strong>ire. “Whiskey<br />
Man”, “Beatin’ The Odds” und “Flirtin’<br />
With Desaster” bringen keine neuen Erkenntnisse,<br />
stören aber auch nicht.<br />
(Collec<strong>to</strong>rs Dream/Soulfood,<br />
2008/2013, 13/57:41) hjg<br />
VDELLI<br />
NEVER GOING BACK<br />
Wer jahrelang und regelmäßig auf Konzertbühnen<br />
steht und seine Klasse vor<br />
Publikum beweisen muss, merkt ziemlich<br />
schnell, worauf es bei guter Rockmusik<br />
ankommt. Vdelli aus dem australischen<br />
Perth sind das beste Beispiel hierfür. Seit<br />
über zehn Jahren sind sie unterwegs, gehören<br />
mit über 150 Konzerten pro Jahr und<br />
20 Tourneen in Europa zweifellos zu den<br />
fleißigsten Livebands. Auch 2013 besuchen<br />
sie wieder über 30 Städte in Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz, im Gepäck<br />
haben sie mit NEVER GOING BACK ein<br />
nagelneues Album. Eingerahmt von zwei<br />
Akustiknummern geht es dabei ohne langes<br />
Vorgeplänkel ziemlich schnell zur Sache.<br />
Rau, dreckig und voller Energie treiben sie<br />
ihren bluesigen Rock nach vorne, wird Sänger<br />
Michael Vdelli von seinen beiden Mitstreitern<br />
Leigh Miller (b) und Ric Whittle<br />
(dr) zu Höchstleistungen angetrieben. Auch<br />
in der Wahl des Produzenten haben sie alles<br />
richtig gemacht, Kim Goodlet (The Dark-<br />
Seite 38 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
CD<br />
REVIEWS<br />
ness, Coldplay, Arctic Monkeys) sorgt für<br />
brachialen Klang, der aber dennoch genügend<br />
Raum für die eine oder andere Feinheit<br />
lässt.<br />
(Jazzhaus Records/inakustik,<br />
2013, 12/40:30) tk<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
MIXED UP MINDS – OBSCURE<br />
ROCK AND POP FROM THE<br />
BRITISH ISLES 1968–1974<br />
PART FIVE<br />
Obskurität ist keine<br />
Eigenschaft, die bevorzugt<br />
den Erzeugnissen<br />
finanzschwach<br />
rumkrebsender kleiner<br />
Indie-Labels<br />
anhaftet. Von Obskurität<br />
sind idmindestens genauso oft Acts<br />
bedroht, die zwar bei großen Labels unter<br />
Vertrag stehen, aber (nur) Singles veröffentlichen<br />
dürfen, um die sich dann die mit ihren<br />
Stars überlastete Firma nicht auch noch<br />
kümmern kann ... Und so finden sich auf<br />
der neuen Folge der MIXED UP MINDS-<br />
Serie fast nur Interpreten der Majors Polydor,<br />
Pye, EMI, Decca oder Philips. Mit<br />
frühen – oder einzigen – Werken, deren<br />
Rettung vor dem <strong>to</strong>talen Vergessen mehr<br />
als gerechtfertigt ist! Man begegnet dem<br />
Flower-Power-Troubadour Mike Wallace<br />
und seiner Erkenntnis „... <strong>the</strong> best high is a<br />
natural high ...”, seinem überaus talentierten<br />
Kollegen Cliff Augnier (“Good Good”), der<br />
Gruppe The Seychelles, die Brians Pooles<br />
Begleiter nach seinem Ausstieg bei den<br />
Tremeloes waren (“I Will Be There”) und<br />
dem späteren Satiriker und Drehbuchau<strong>to</strong>r<br />
Jonathan Coudrille mit seiner Band Bundle<br />
(“Progressive Underground [Anyway]”).<br />
Ferner dabei: der Thin-Lizzy-Produzent<br />
Nick Tauber mit Ragamuffin (“Fresh As A<br />
Dairy”), Songwriter Richard Kerr, der Hits<br />
für Barry Manilow komponierte, mit Firefly<br />
(“Younger Days”) und die Gruppe Richmond<br />
(“Candy Dora”), deren Steve Hall mit<br />
Starry Eyes And Laughing eine bescheidene<br />
Karriere machte. Sie alle versuchten sich an<br />
Pop, Beat und Rock diverser Spielarten,<br />
mit und ohne Psychedelia-Touch. Geboten<br />
werden mehr als bloße Talentproben, vieles<br />
kann mit den damaligen Charts-Bewohnern<br />
durchaus mithalten.<br />
(Particle/Soulfood, 20/60:49) hjg<br />
ROCKHOUSE HAMBURG<br />
DREAMCATCHER<br />
Ein knackiges, brillant aufgenommenes<br />
Hard-Rock-Mini-Album in bester Hard-<br />
Rock-Tradition: glasklar die Drumsounds<br />
von Claus Graf „Bubi” Reinhold, warme<br />
Gitarrentöne, die beißen, stammen von<br />
„Chucker” Rene Chambalu, sein Solo<br />
auf “Stranger” ist waffenscheinpflichtig.<br />
Die leicht angeraute Stimme von Andreas<br />
Kokott kommt besonders gut auf dem<br />
Midtempo-Slowburner “Dreamcatcher”<br />
zur Geltung, in den Höhen erinnert „Pille”<br />
angenehm an Heeps David Byron, und<br />
alle können sich auf die ausgeschlafenen<br />
Läufe von Jörn „Langer” Rohde verlassen.<br />
“Broken Mind” zitiert gekonnt das Riff von<br />
“Strange Kind Of Woman”, baut aber auf<br />
eigene Melodielinien – die Lyrics zu allen<br />
Cambalu/Kokott-Kompositionen lieferte<br />
kein Geringerer als Pete “White Room”<br />
Brown. Übrigens: Mit der Hochspannungsversion<br />
von “Day Tripper” könnten die vier<br />
Hartgesottenen glatt den Star-Club wiedereröffnen.<br />
„Support your local garage band<br />
Vol. 3”, heißt es auf dem Cover – man sollte<br />
die ersten beiden Folgen gleich mit auschecken.<br />
(MGA <strong>Music</strong>/www.rockhouse-hamburg.de,<br />
2012, 7/ 24:58) utw<br />
THE FLYING BURRITO<br />
BROTHERS<br />
DEVILS IN DISGUISE – 1971<br />
LIVE BROADCAST<br />
Die<br />
Burri<strong>to</strong>s<br />
spielten<br />
dieses<br />
Radiokonzert album<br />
am 22.7.1971 in der<br />
Besetzung<br />
Chris<br />
Hillman,<br />
Bernie<br />
Leadon, Al Perkins,<br />
Michael Clarke und Rick Roberts ein,<br />
auch bekannt als vermutlich zweitbeste<br />
Burri<strong>to</strong>s-Truppe aller Zeiten. Die Richtung<br />
war freilich auch ohne die Gründungsmusiker<br />
Gram Parsons und Sneaky Pete<br />
Kleinow unzweifelhaft: satter, saftiger<br />
Country-Rock der Spitzenklasse, der sich<br />
auf großes instrumentales Können zwischen<br />
rasanter Bluegrass-Twang-Hitze,<br />
butterweichen Steelguitar-Klagen, präzise<br />
kolorierenden Gitarren, robuster, aber<br />
nicht polternder Rhythmusarbeit, markanten<br />
Leadgesang und herrlichste Harmoniestimmen<br />
stützt. Vor allem aber sind<br />
unschlagbare Ohrwurmsongs die Basis,<br />
hier angeboten als Mix aus Liedern der<br />
ersten Burri<strong>to</strong>s-Alben und Tracks, die erst<br />
später auf (Live-)Platten gebannt wurden<br />
bzw. bislang unveröffentlicht waren.<br />
Zur ersten Kategorie zählen Klassiker<br />
wie “Christine’s Tune” “White Line Fever”,<br />
“Tried So Hard” oder “My Uncle”,<br />
zur zweiten Songs wie “Six Days On The<br />
Road”, “Hundred Years From Home”,<br />
“Shenandoah Valley Breakdown”, “Steel<br />
Guitar Rag” und “Wake Up Little Suzie”.<br />
Insgesamt eine schön und abwechslungsreich<br />
kompilierte Sammlung, deren Klangqualität<br />
– im Gegensatz zur musikalischen<br />
Güte – nicht berauschend, aber auch nicht<br />
abtörnend ist. Für echte Burri<strong>to</strong>s-Fans ist<br />
das Album ein Muss.<br />
(Smokin’ Records/Import,<br />
2012, 18/61:13) hjg<br />
JULIAN COPE<br />
SAINT JULIAN<br />
(2 CD EXPANDED EDITION)<br />
Nach der Auflösung von Teardrop Explodes<br />
1983 zog sich deren Frontmann Julian Cope<br />
in die West Midlands zurück. Die beiden<br />
ersten Solo-Alben WORLD SHUT YOUR<br />
MOUTH und FRIED erschienen 1984 erfolglos<br />
bei Mercury Records. So war das<br />
auf Island Records erschienene und jetzt<br />
wiederveröffentlichte Drittwerk SAINT JU-<br />
LIAN fast schon so etwas wie Copes letzte<br />
Chance, und der Plan ging auf: Flankiert von<br />
den eingängigen Singles “World Shut Your<br />
Mouth” und “Trampolene” schrammte das<br />
Album nur knapp an den Top 10 der britischen<br />
LP-Charts vorbei, obgleich die Rezeptur<br />
gar nicht so sehr eine andere gewesen<br />
war als bei den ersten beiden Platten. 80er-<br />
Indie-Pop im Stil von U2 und Simple Minds<br />
traf auf psychedelische Elemente der 60er<br />
Rock<br />
Jahre. Das famose Schlusslied “A Crack<br />
In The Clouds” darf gar als zeitgemäße<br />
Antwort auf The Whos “Love Reign O’er<br />
Me” gelten. Die nun beigepackte zweite CD<br />
besteht aus B-Seiten, Maxi-Versionen und<br />
Live-Aufnahmen, die zur Zeit von SAINT<br />
JULIAN eingespielt und veröffentlicht wurden,<br />
darunter Cover-Versionen von Pere<br />
Ubus “Non Alignment Pact” und 13th Floor<br />
Eleva<strong>to</strong>rs’ “I’ve Got Levitation”, die 1997<br />
allesamt schon mal auf der Compilation<br />
THE FOLLOWERS OF SAINT JULIAN<br />
erschienen sind, damals allerdings mit mehr<br />
Hintergrundinformationen.<br />
(Island Records/Universal 1997,<br />
10/42:10, 14/59:51) an<br />
BLACKMAIL<br />
II<br />
Es gibt Bands, die<br />
lassen einfach nicht<br />
locker. Nach dem<br />
Abgang von Sänger<br />
Aydo Abay durfte<br />
man 2008 skeptisch<br />
sein, ob Blackmail<br />
auch mit einer anderen Stimme funktionieren<br />
würden. Doch mit dem Power-Album<br />
ANIMA NOW! verflüchtigten sich 2011<br />
schnell alle Zweifel, der neue Sänger Mathias<br />
Reetz führte sich erstklassig ein. Mit II<br />
erscheint nun also das zweite Werk in neuer<br />
Besetzung, für das sich die Band um Gitarrist<br />
Kurt Ebelhäuser ungewohnt viel Zeit im Studio<br />
gelassen hat. In drei über das Jahr verteilten<br />
Sessions wurde gemeinsam an den Songs<br />
gearbeitet, geschliffen und gebastelt – eine<br />
Vorgehensweise, die den Blackmail-Sound<br />
noch vielschichtiger, noch abwechslungsreicher<br />
werden ließ. Und trotz aller Reminiszenzen<br />
an 70er-Jahre-Psychedelic-Rock,<br />
trotz gurgelnder Hammond und beatlesesken<br />
Melodien – Lockerlassen gibt’s hier nicht,<br />
am Ende sind es die gewohnt brachialen Gitarrengewitter,<br />
mit denen dieses Album (wieder<br />
einmal) begeistert.<br />
(Unter Schafen/Alive, 2013, 10/37:54) us<br />
THE PLEA<br />
THE DREAMERS STADIUM<br />
Ihre Träume von einer Karriere als Rockstars<br />
entwickelten die vier Musiker von<br />
The Plea im irischen Ballyliffin – und die<br />
beiden Masterminds Denny Doherty (voc,<br />
g, p) und sein Bruder Dermot (g) müssen in<br />
ihrer Jugend viel Simple Minds und U2 gehört<br />
haben. Denn auf ihrem Debütalbum –<br />
eine vor Jahren in den USA eingespielte CD<br />
blieb unveröffentlicht – erinnern sie doch<br />
enorm an diese beiden Vorbilder. Melodienverliebt,<br />
hymnisch, kraftvoll, mit Breitwandsound<br />
kommen The Plea daher, nicken<br />
zwischendurch auch mal in Richtung Oasis.<br />
Das alles gewürzt mit einer Prise Indie-Attitüde<br />
– fertig ist ein durchaus ansprechender<br />
Erstling, bei dem Nummern wie “Oh Ah<br />
Yay” oder “Staggers An<strong>the</strong>m” zum Mitsingen<br />
einladen. Ein guter Anfang ist gemacht,<br />
jetzt muss der flotte Vierer nur noch die eigene<br />
Note stärker herausarbeiten.<br />
(Planet Function/Alive, 2013,<br />
11/54:02) pro<br />
STICK MEN<br />
DEEP<br />
Stick Men, der Name dieses musikalischen<br />
Nebenprojektes, bezieht sich auf ein ziem-<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 39
REVIEWS<br />
CD<br />
REVIEWS<br />
Rock<br />
lich unkonventionelles Musikinstrument.<br />
Sowohl Gitarrist Markus Reuter als auch<br />
Bassist Tony Levin sind bekennende Fans<br />
des Chapman Sticks, grob gesagt einer<br />
Verbindung aus Gitarre und Bass. Wie gut<br />
die beiden dieses Instrument beherrschen,<br />
zeigen sie in den neun größtenteils instrumentalen<br />
Songs, die sie zusammen mit<br />
Schlagzeuger Pat Mastelot<strong>to</strong> geschrieben<br />
und im Laufe des letzten Jahres in mehreren<br />
Sessions eingespielt haben. Natürlich<br />
erinnern diese über weite Strecken<br />
an King Crimson, Levin und Mas<strong>to</strong>let<strong>to</strong><br />
bilden seit 1993 die Rhythmusfraktion<br />
dieser legendären Band, Gitarrist Markus<br />
Reuter ist ein Meisterschüler aus Robert<br />
Fripps Gitarrenschule. Der ungewöhnliche<br />
Klang seiner selbst entwickelten acht- und<br />
zehn-saitigen Gitarren sowie eine Vielzahl<br />
an elektronischen Loops, Samples und<br />
Sound effekten ergänzen diesen außergewöhnlichen<br />
Prog-Rock.<br />
(Unsung/Galileo, 2013, 9/54:17) us<br />
ROBIN TROWER<br />
ROOTS AND BRANCHES<br />
Der 67-Jährige englische<br />
Gitarrist wurde<br />
bekannt durch sein<br />
Mitwirken bei Procol<br />
Harum, wo er den<br />
elegischen<br />
Klassik-<br />
Sound durch sägende<br />
Blues-Rockriffs belebte, bt bevor er 1973 seine<br />
erste Solo-LP veröffentlichte. Bis Anfang<br />
der 80er Jahre war er sehr erfolgreich,<br />
danach musste er kleinere Brötchen backen,<br />
veröffentlichte aber immer wieder Platten,<br />
u.a. mit Jack Bruce. Auf seiner neuen CD<br />
präsentiert Trower Klassiker wie “Hound<br />
Dog”, “The Thrill Is Gone”, “Born Under A<br />
Bad Sign” oder “I Believe To My Soul” in<br />
einem gepflegten blues-rockigen Gewand,<br />
schön unterlegt mit Hammondsounds – leider<br />
nutzt er deren Solomöglichkeiten nicht.<br />
Trowers gefühlvolles Gitarrenspiel steht im<br />
Mittelpunkt und ist über jeden Zweifel erhaben.<br />
Statt auf seine limitierte Stimme zu<br />
vertrauen, hätte er aber besser wie früher<br />
auf profunde Sänger gesetzt. Eine solide<br />
Old-School-Blues-Rockscheibe mit zwei<br />
Harmonika-Gastauftritten von Paul Jones.<br />
(Manha<strong>to</strong>n/Soulfood, 2013,<br />
11/53:35) rg<br />
MARC HOCKLEY<br />
BUILT-IN STORIES<br />
Zarte Pianotupfer scheinen eine Ballade<br />
anzukündigen, aber nein: Sofort geht es<br />
in einen amtlichen Groove für das Chartschmeichelnde<br />
“Everybody Knows”<br />
samt hart rockendem Mittelteil. Nicht die<br />
Dave- Clark-Single, sondern ein starkes<br />
Eigenwerk des jungen West-Londoners,<br />
der neben seinen Tourneen als Robbie-<br />
Double „Robbing Williams” bereits 2003<br />
das Solo-Album OVER TIME vorlegte.<br />
“Sinking Feeling” benutzt ein beatleskes<br />
¾-Taktmus ter und erinnert angenehm an<br />
frühe Squeeze. “If This Ain’t Love” lohnt<br />
schon wegen der Sucht bildenden Bassline,<br />
auf der Hockley sein Liebeslamen<strong>to</strong><br />
ausbreiten kann. Über die Rhythmussektion<br />
nähert man sich auch “Films Of<br />
Yesterday”: Ein entspannt gefegtes Jazzbesen-Pattern<br />
legt die Basis für schöne<br />
Gitarren, klare Klaviereinwürfe und lässt<br />
Hockley und seine Chordamen Kerry Barnard<br />
und Dorie Jackson auf das Innigste<br />
interagieren. Weiterer Anspieltipp eines<br />
Albums ohne Schwächen: “Universal” ist<br />
nicht der Small-Faces-Song, lebt von großem<br />
Gitarren-in-der-Arena-Intro à la “All<br />
Or Nothing”, der originelle Refrain mit<br />
“Whole Lotta Love”-Zitat entwickelt sich<br />
grandios.<br />
(March Productions/www.marchockley.co.uk,<br />
2013, 10/ 39:49) utw<br />
DEEP PURPLE + STATUS<br />
QUO + JETHRO TULL +<br />
THE WHO + THE SHADOWS<br />
LIVE IN CONCERT AT THE<br />
2006 MONTREUX FESTIVAL +<br />
PICTURES + NOTHING IS EASY<br />
+ LIVE AT THE ISLE OF WIGHT<br />
FESTIVAL 1970 + THE FINAL<br />
TOUR<br />
„Sound Vision”<br />
heißt der Untertitel<br />
dieser Serie, für die<br />
berühmte Konzertmitschnitte<br />
verschiedener<br />
Bands – jeweils<br />
als CD/DVD-Digipak – zusammengefasst<br />
wurden. Zum 40. Geburtstag<br />
des Montreux Jazz Festivals kehrten Deep<br />
Purple 2006 an den Genfer See zurück,<br />
dorthin, wo sie im Ok<strong>to</strong>ber 1969 mit MA-<br />
CHINE HEAD eines der legendären Alben<br />
der Rockgeschichte aufgenommen hatten.<br />
Neben Songs aus ihrem damals aktuellen<br />
Album RAPTURE OF THE DEEP hatten<br />
sie ein erstklassiges Best-Of-Programm im<br />
Gepäck, von “Strange Kind Of Woman”<br />
über “Highway Star” bis zu “Smoke On The<br />
Water”. Mit “Hush”, “Too Much Fun” und<br />
“Black Night” enthält die DVD drei Titel<br />
mehr als die CD. Für PICTURES von Status<br />
Quo wurden Aufnahmen aus dem Jahr<br />
2009 verwendet, als die britische Band mit<br />
einem ausführlichen Streifzug durch ihre<br />
lange Karriere in Montreux zu Gast war,<br />
auch hier liefert die DVD einige Titel mehr<br />
als die CD. Weit zurück in die Vergangenheit,<br />
zum legendären Isle Of Wight Festival,<br />
geht es dann mit The Who und Jethro Tull.<br />
Beide Bands traten dort am 30. August 1970<br />
auf, das Konzert der Herren Daltrey, Moon,<br />
Entwistle und Townshend gibt es in voller<br />
Länge auf zwei CDs bzw. einer DVD, vom<br />
Auftritt von Ian Anderson, Martin Barre,<br />
Clive Bunker, Glenn Cornick und John Evan<br />
bietet die DVD neben dem Konzert noch<br />
zusätzliches (Doku-)Material. Aus dem Jahr<br />
2004, als Hank Marvin, Bruce Welch und<br />
Brian Bennett ihre Koffer noch einmal für<br />
THE FINAL TOUR packten, stammen die<br />
Aufnahmen der Shadows. Auf zwei CDs<br />
bzw. einer DVD wird ein <strong>to</strong>lles Instrumental-Programm<br />
mit über 40 Songs präsentiert,<br />
mit unglaublichen 21 (UK-)Top-20-Hits, darunter<br />
fünf Nummer-1-Hits!<br />
(Eagle/edel, 2013)<br />
tk<br />
BOURBON BOYS<br />
SHOTGUNS, TRUCKS & CATTLE<br />
In Rock und Pop hat<br />
man alles schon mal<br />
gehört, gibt es nichts<br />
Neues mehr zu erfinden<br />
– außer die Art<br />
und Weise, wie man<br />
Elemente<br />
diverser<br />
Genres frisch vermengt. Nichts anderes tun<br />
die Bourbon Boys aus dem schwedischen<br />
Nest Haparanda. Das eigentlich vom Industrial<br />
Metal herkommende Quartett hat sich<br />
dabei uramerikanische Musik vorgenommen<br />
und Bestandteile aus dem (Sou<strong>the</strong>rn)<br />
Rock, Country, Rockabilly, Boogie und<br />
Roadhouse-Blues erdig und richtig dreckig<br />
zusammengebaut. Da werden Freude<br />
und Energie spürbar, die die Musiker im<br />
Studio verspürten. Genau das Richtige für<br />
ausgelassene Rockpartys, bei denen auch<br />
der eine oder andere Whiskey fließt – und<br />
das Erstaunliche: Es handelt sich durchweg<br />
um inspirierte Eigenbauten der Schweden,<br />
und es hat sich dabei nicht ein Durchhänger<br />
eingeschlichen. Zugreifen!<br />
(Despotz/Cargo, 2013, 13/43:04) pro<br />
MODDI<br />
SET THE HOUSE ON FIRE<br />
Zwei Jahre nach seinem Debüt FLORIO-<br />
GRAPHY legt der Norweger Pal Moddi<br />
Knutsen das berühmt-schwierige zweite Album<br />
vor. Es ist, mit einem Wort gesagt: gelungen.<br />
Erneut bietet Moddi, der angeblich<br />
„nie vorhatte, eine zweite Platte zu machen”,<br />
was er außergewöhnlich gut kann: die Installation<br />
einer magischen, fast hypnotischen<br />
Stimmung zwischen dahin, gewisperten<br />
Impressionen, federleicht schwebenden Melodien<br />
und relativ wenigen druckvolleren<br />
Sequenzen, die aber noch immer meilenweit<br />
vom normalen Softrock entfernt sind<br />
(“Let The Spider Run Alive”, “The Architect”).<br />
Die skandinavische Einsamkeit, die<br />
zum Grübeln einlädt, findet sich hier ebenso<br />
wieder wie eine rundum wohlige Kaminfeuerstimmung<br />
– korrekt für ein Winteralbum.<br />
Den ersten Song der neuen Kollektion komponierte<br />
Moddi nach eigener Aussage im<br />
Keller seines Studentenwohnheims in einer<br />
Dusche aus Zement „mit einem galaktischen<br />
Sound” (auch mal was Schönes). Das passt<br />
so richtig zum gepflegten Image eines hypersensiblen<br />
„Kienstlers”, der sich seines Status’<br />
als unaufgeregter Geschichtenerzähler voll<br />
bewusst ist. Und der hier nach eigener Einschätzung<br />
ein Album vorlegt, auf dem es „vor<br />
allem darum geht, den Mut zu haben, neue<br />
Wege zu finden”. Bei der Realisierung halfen<br />
Moddi neben seiner uneitel und präzise<br />
aufspielenden Band auch die Gastvokalisten<br />
Kari Kamrud von der Band Farao (“Run To<br />
The Water”) und Einar Stray (“Silhouette”).<br />
(Propeller/Soulfood, 2013, 11/49:06) hjg<br />
SNAKECHARMER<br />
SNAKECHARMER<br />
Nein, da sind nicht – wie so oft – irgendwelche<br />
Veteranen zusammengekommen,<br />
um mit Hilfe der klangvoller Namen früherer<br />
Bands (Whitesnake, Snafu, Ozzy<br />
Osbourne, Heartland, Thunder, Wishbone<br />
Ash, Black Sabbath) auf die Schnelle ein<br />
paar Euro mitzunehmen. Micky Moody<br />
(g), Neil Murray (b), Laurie Wisefield (g),<br />
Adam Wakeman (keys) und Chris Ousey<br />
(voc) haben gemeinsam ein knappes Dutzend<br />
überzeugender Songs verfasst und<br />
aufgenommen, bei denen ihre Vergangenheit<br />
zwar hörbar wird, die aber frisch und<br />
eigenständig klingen. Es ist ein begeisternder<br />
Mix aus Blues- und Melodic Rock/<br />
AOR, der wirklich entsprechend dem Titel<br />
des Openers “A Little Rock’n’Roll” auf<br />
höchst vergnügliche und unterhaltsame<br />
Weise serviert. Für Fans von Bad Company,<br />
Foreigner und der frühen Whitesnake<br />
ein absolutes Muss!<br />
(Frontiers/Soulfood, 2013, 11/55:56) pro<br />
THE FLAMING LIPS<br />
THE TERROR<br />
Als Radiohead mit<br />
“Red Sec<strong>to</strong>r A” den<br />
elektronischen Weg<br />
einschlugen, war das<br />
für viele ihrer Hörer<br />
nur schwer nachvollziehbar,<br />
für die Band<br />
jd jedoch ein schlüssiger, weil bis heute konsequenter<br />
Schritt. Wie müssen sich da Fans<br />
der Flaming Lips fühlen, die über die knapp<br />
30 Jahre ihres Schaffens noch viel konsequentere<br />
Brüche in ihrem Werk aufweisen?<br />
Das neue Album THE TERROR ist keine<br />
Fortsetzung der letzten Aufnahmen, die sich<br />
aufgrund ihrer kompromisslosen Hinführung<br />
zu Space- und Progressive-Rock auch<br />
schon gewaltig von der erfolgreichsten,<br />
weil Mainstream-Phase von 1999 bis 2002<br />
zuvor unterschieden. Auf dem mittlerweile<br />
13. Album treffen ka<strong>the</strong>drale Kopfstimmen<br />
auf rumpelndes Led-Zeppelin-Schlagzeug,<br />
psychedelische Gitarrenschleifen auf<br />
Drum-Computer, programmierten Bass<br />
und repetitiv-depressive Keyboardklänge.<br />
Das ist beim ersten Hören verstörend, für<br />
manchen sicherlich tatsächlich Terror. Spätestens<br />
mit dem vierten Lied, dem 13 Minuten<br />
langen “You Lust”, war der Rezensent<br />
dann jedoch gefangen vom hoffnungslos<br />
depressiven Soundteppich, seitdem läuft<br />
THE TERROR in der Psychoschleife.<br />
(Bella Union/Cooperative <strong>Music</strong>,<br />
2013, 9/55:01) an<br />
TOKYO BLADE<br />
THE FIRST CUT’S THE<br />
DEEPEST<br />
Das englische Heavy-Metal-Quintett,<br />
welches der NWOBHM zugeordnet wurde,<br />
fand 1980 zuerst unter dem Namen Killer<br />
zusammen, nannte sich 1982/83 dann<br />
in Genghis Khan um, bevor man 1983 den<br />
finalen Bandnamen fand, unter dem 1984<br />
das erste vollwertige Album veröffentlicht<br />
wurde. Bis Ende der 80er erschienen regelmäßig<br />
Aufnahmen, auch wenn sich das<br />
Personalkarussell ständig drehte. Danach<br />
wurden die Veröffentlichungen selten, einzige<br />
Original-Bandkonstante blieb Gitarrist<br />
Andy Boul<strong>to</strong>n. Diese Anthology bringt<br />
nun 34 Songs aus den Jahren 1982–1995<br />
zu Gehör. Die Songs gehen meist schnell<br />
ins Ohr, auch wenn den Kompositionen<br />
eine einzigartige Komponente fehlt, was<br />
wohl auch dazu führte, dass die Band niemals<br />
unter den Top-Bands dieses Genres<br />
Seite 40 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
CD<br />
REVIEWS<br />
weilte. Für Heavy-Fans ist die Gruppe<br />
aber durchaus eine Entdeckung<br />
wert, das lesenwerte Booklet erzählt<br />
humorvoll von der wechselvollen<br />
Bandgeschichte.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 2013,<br />
18/77:59, 16/68:14) rg<br />
THE GLASS FAMILY<br />
ELECTRIC BAND<br />
Einziges<br />
Album<br />
(1968) des<br />
leider nur kurzlebigen<br />
kalifornischen<br />
Trios<br />
Glass Family,<br />
bestehend aus<br />
Ralph RlhParrett tt( (voc, g), David Capilou<strong>to</strong><br />
(b, keys) und Garry Green (dr,<br />
perc). Die Gruppe verfügte in Parrett<br />
auch über einen überdurchschnittlichen<br />
Komponisten, der es verstand,<br />
sowohl hübsche Balladen als<br />
auch leicht trippige Pop-Rocksongs<br />
zu schreiben. Einige Lieder gerieten<br />
dabei etwas zu zaghaft, aber “Sometimes<br />
You Wander”, “The Means”,<br />
“Passage # 17” und “Guess I’ll Let<br />
You Go” sind melodische Volltreffer,<br />
wurden mit nicht zu übertrieben<br />
psychedelischen Verzierungen arrangiert<br />
und genügend Druck eingespielt.<br />
Deutlich Acid-geladener<br />
fiel “I Want To See My Baby” aus,<br />
der beste Track hier. Hingegen<br />
bleibt das ambitionierte Instrumental<br />
“Agorn (Elements Of Complex<br />
Variables)” etwas ziellos – und mit<br />
“Born In The U.S.A.” nahmen Glass<br />
Family schon 1969 einen Songtitel<br />
von Boss Springsteen vorweg. Das<br />
Album wurde vom damals schwer<br />
angesagten Richard Podolor (u.a.<br />
Three Dog Night) umsichtig produziert<br />
und jetzt um drei Bonus-Tracks<br />
aufges<strong>to</strong>ckt. Sehr manierliches<br />
Sammlerstück.<br />
(Kismet/Soulfood, 1968,<br />
15/44:12) hjg<br />
MIKA VANDBORG<br />
WALL OF BOOKS<br />
Der dänische Gitarrist, unter anderem<br />
mit der Band The Gnags unterwegs,<br />
hat mit WALL OF BOOKS sein drittes<br />
Solowerk vorgelegt, das von seinem<br />
singend warmen Gitarren<strong>to</strong>n,<br />
Vandborgs sofort einprägsamem Falsettgesang<br />
und ansprechenden Songeinfällen<br />
lebt: Gleich das Titelstück<br />
verbreitet mit Christer Jansson (dr),<br />
Peter Kjøbsted (b) und Mikkel Damgaard<br />
(Hammond) eine träumerisch<br />
intensive Stimmung. Es geht nahtlos<br />
in das ebenfalls Midtempo-gehaltene<br />
“Twelve Keys Of Reprise” über. Bei<br />
“Ocean Boulevard” hatte sich Vandborg<br />
vorgenommen, die entspannte<br />
Stimmung des gleichnamigen, von<br />
ihm geliebten Eric-Clap<strong>to</strong>n-Albums<br />
einzufangen. Dies gelingt in Klang<br />
und Instrumentierung hervorragend,<br />
der Gospel-Soul ist aber 100 Prozent<br />
Vandborg. Der Ohrwurm “Doing<br />
Fine” wird unterlegt vom lockeren<br />
Wyman-Watts-S<strong>to</strong>nes-Funk à la<br />
“Miss You”. “Forever And A Day”<br />
lebt von Morten Lambertsens Streicherarrangement,<br />
und in fünf Songs<br />
fügen sich Posaune, Sax und Flügelhorn<br />
ins Bild, ohne dass die Hauptrolle<br />
von Vandborgs Gitarre geschmälert<br />
wird, mit der er im sensiblen “Blues<br />
For BVS” sein Meisterstück liefert.<br />
(Gateway <strong>Music</strong>/Import, 2013,<br />
9/50:26) utw<br />
WIDOWMAKER<br />
WIDOWMAKER<br />
Was sollte ein<br />
Rock-Riese wie<br />
Spooky Tooths<br />
Lu<strong>the</strong>r Grosvenor<br />
(hier wie<br />
bei Mott The<br />
Hoople<br />
Ariel<br />
Bender genannt) mit Popkönig Steve<br />
Ellis von Love Affair anfangen? Es<br />
war keine Oberklasse garantiert, die<br />
wurde jedoch abgeliefert. Ellis hatte in<br />
seiner gleichnamigen Band mit Zoot<br />
Money Format bewiesen. Begleitet<br />
von Bob Daisley (Chicken Shack,<br />
Mungo Jerry), Lindisfarne-Drummer<br />
Paul Nicholls und Hawkwind-Gitarrist<br />
Huw Lloyd-Lang<strong>to</strong>n, kam heraus:<br />
Männer mit Charisma liefern Songs<br />
mit Charakter. Ex-Small-Faces-Agent<br />
Don Arden hatte seine beste Stimme<br />
seit Marriott, aber sein Jet Records<br />
konnte nicht liefern: Daisleys “Such<br />
A Shame” hätte bei besseren Verkaufszahlen<br />
ein unvergessliches Riff<br />
um die Welt geschickt, Balladen wie<br />
“Pin A Rose On Me” oder “Leave The<br />
Kids Alone” schrien nach Airplay – es<br />
gibt keinen Song auf dem Album, der<br />
nicht rampentauglich ist, von geraden<br />
Rock’n’Rollern wie “On The Road”<br />
und “When I Met You” zu Midtempo-<br />
Krachern, besonders “Shine A Light<br />
On Me” aus dem Spooky-Tooth-<br />
Reper<strong>to</strong>ire. Drei Bonus-Livetitel beweisen:<br />
Diese kurzlebige Combo war<br />
noch lange nicht am Ende.<br />
(Angel Air/Fenn, 1976, 13/53:57) utw<br />
L.A. GUNS<br />
L.A. GUNS + COCKED &<br />
LOADED<br />
Ehe Axl Rose und Izzy Stradlin Guns<br />
‘N Roses starteten, hatten sie mit dem<br />
Gitarristen Tracii Guns zusammengespielt,<br />
der seine eigene Combo L.A.<br />
Guns 1988 mit dem selbst betitelten<br />
Debüt an den Start brachte. Unüberhörbar<br />
vom britischen Glam-Rock<br />
beeinflusst, vermengten sie Hard und<br />
Sleaze-Rock zu einer gehörgängigen<br />
Mischung. Von Sänger Phil Lewis’<br />
früherer Band Girl coverten sie “Hollywood<br />
Teaze”. Dazu entwickelten<br />
sich “Electric Gypsy” und “Sex Action”<br />
zu gefragten Nummern – das<br />
Album schaffte in den USA Gold. Zu<br />
Unrecht wurden sie der Hairspray-<br />
Fraktion zugerechnet, dabei hatten<br />
ihre riff- und melodieschwangeren<br />
Nummern Substanz und Druck. Ähnliches<br />
galt für den Nachfolger CO-<br />
CKED & LOADED, auf dem Ted<br />
Nugent und Rick Nielsen & Robin<br />
Zander (Cheap Trick) mitmischten.<br />
Das UK-Label Rock Candy serviert<br />
Rock<br />
nun beide Alben mit neuem Booklet<br />
und per 24-Bit-Audio-Remastering<br />
klanglich aufgebessert und übertrifft<br />
damit die Mausoleum-Reissues von<br />
2005 klar. COCKED ... enthält mit<br />
“I Wanna Be Your Man” (nicht der<br />
Beatles/S<strong>to</strong>nes-Song!) einen Bonus-<br />
Track.<br />
(Rock Candy/Soulfood, 1988 + 1989,<br />
11/37:08 + 14/54:56) pro<br />
IAN McNABB<br />
HEAD LIKE A ROCK<br />
In den 80ern<br />
wurde<br />
Ian<br />
McNabb<br />
als<br />
Frontmann<br />
von The Icicle<br />
Works bekannt,<br />
seit<br />
den frühen 90ern ist der britische<br />
Sänger und Gitarrist als Solokünstler<br />
unterwegs. Eines seiner besten<br />
Werke war und ist immer noch das<br />
1994 veröffentlichte HEAD LIKE<br />
A ROCK. Der Legende nach wollte<br />
Labelboss Andrew Lauder McNabb<br />
dazu überreden, dieses Album in<br />
Amerika aufzunehmen. Aus Spaß<br />
– und im Wissen, dass dies eigentlich<br />
nicht machbar wäre – verlangte<br />
McNabb Neil Youngs Backingband<br />
Crazy Horse als Studio crew, dann<br />
würde er gehen. Einige Telefonate<br />
später fand sich McNabb tatsächlich<br />
in einem Studio in Los Angeles<br />
wieder – zusammen mit Schlagzeuger<br />
Ralph Molina und Bassist Billy<br />
Talbot! Keine Überraschung, dass<br />
die vier dort gemeinsam entstandenen<br />
Stücke zu den Highlights von<br />
HEAD LIKE A ROCK gehören, wobei<br />
man auch den Rest der Songs,<br />
entstanden unter Mithilfe von<br />
Cracks wie Greg Leisz, Zak Starkey<br />
und Jah Wobble, nicht unterschätzen<br />
darf. Die komplette zweite CD<br />
ist den Bonus-Tracks vorbehalten,<br />
hauptsächlich bestückt mit den Single-B-Seiten.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1994,<br />
10/66:54, 9/38:45) us<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
DOWN UNDER NUGGETS –<br />
ORIGINAL AUSTRALIAN<br />
ARTYFACTS 1965–1967<br />
Wo NUGGETS draufsteht, sind auch<br />
Nuggets drin. Und da in den Midsixties<br />
auch in Australien reichlich Garagen<br />
standen, die enthusiastischem<br />
Jungvolk als Proberäume für die<br />
große Rockkarriere offenstanden,<br />
schwappte die primär in den USA<br />
geborene Idee des – oft, aber nicht<br />
immer – psychedelisierten Garagenrock<br />
auch auf den fünften Kontinent<br />
über und sorgte für eine Fülle explosiver<br />
Klänge auf hohem Qualitätsniveau.<br />
Der vorliegende Sampler<br />
vereint die ruppigen, walzenden, von<br />
dreckigen Stimmen, schneidigen Gitarren<br />
und heulenden Keyboards dominierten<br />
frühen Taten von etlichen<br />
Bands, die alsbald auch international<br />
– zumindest zeitweilig – durchstarten<br />
oder erhöhte Aufmerksamkeit<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 41
CD<br />
REVIEWS<br />
auf sich ziehen konnten: die Bee Gees,<br />
The Easybeats, The Master’s Apprentices,<br />
The Missing Links, The In-Sect und Steve<br />
And The Board sind zu nennen. Aber<br />
ihnen standen weit unbekanntere, obskure<br />
Acts wie The Elois, The Moods, The Cherokees<br />
oder Phil Jones & The Unknown<br />
Blues mit herrlichen „Eintagsfliegen”<br />
nicht nach. Auffällig ist dabei, dass die<br />
Aussies zwar den gleichen Sound idealen<br />
nacheiferten, aber weder britische noch<br />
amerikanische Hitsongs coverten, sondern<br />
sich mit eigenen Ideen versorgten.<br />
Hier sind nur Originale zu hören, was den<br />
Sammlerwert natürlich klar erhöht. Detailauskünfte<br />
über die Down-Under-Helden<br />
finden sich im vorbildlich gestalteten<br />
20-seitigen Booklet.<br />
(Festival/Import 2012, 29/77:41) hjg<br />
DAVID BOWIE<br />
THE NEXT DAY<br />
Als David Bowies<br />
Plattenlabel am 8.<br />
Januar das erste Album<br />
des britischen<br />
Musikers seit zehn<br />
Jahren ankündigte,<br />
war das Medienecho<br />
groß wie schon lange nicht mehr bei einer<br />
Erscheinung des einstigen Chamäleons<br />
intelligenter Pop-Rockmusik. Im<br />
Gegensatz zu früher blieb der Meister<br />
allerdings ruhig und ließ als geschickten<br />
Schachzug Mitstreiter von THE NEXT<br />
DAY wie Produzent Tony Visconti und<br />
Gitarrist Earl Slick häppchenweise Neues<br />
zum Album ankündigen, was den Hype in<br />
den Medien noch geschürt haben dürfte.<br />
Mit Erscheinen des Albums Anfang März<br />
wird deutlich, dass der Hype gerechtfertigt<br />
ist. Nach durchschnittlichen Werken<br />
wie HOURS, HEATHEN und REALITY<br />
legt Bowie nun nach langer Zeit wieder<br />
ein durchweg hörbares Album vor.<br />
Der eine oder andere Song hat sogar das<br />
Hit-Potenzial vergangener Tage, wie an<br />
der Vorab-Single-Auskopplung “Where<br />
Are We Now” festzustellen war, die an<br />
Bowies Berliner Zeit in den 70er Jahren<br />
erinnert. Viele dürften außerdem begrüßen,<br />
dass der frühere Superstar sich von<br />
den elektronischen Experimenten verabschiedet<br />
hat. Klassisches Songwriting<br />
steht wieder im Vordergrund, opulent<br />
produziert mit mehrstimmigen Gesängen,<br />
Bowie-typischen Bläsersätzen, griffigen<br />
Gitarrenriffs und lange vermissten Melodiebögen.<br />
Ein überraschendes Comeback!<br />
(Columbia/Sony <strong>Music</strong>,<br />
2013, 14/53:09) an<br />
MATTHEW E. WHITE<br />
BIG INNER<br />
Wie schön, dass es Domino Records gibt,<br />
die “Fight The Big Bull”-Mastermind<br />
Mat<strong>the</strong>w E. White die Gelegenheit geben,<br />
mit Hilfe von Bläsern, Streichern<br />
und Chor musikalisch tief in den Vintage-<br />
Sound der frühen 70er Jahre zu tauchen<br />
und eine höchs tens an Spiritualized erinnernde<br />
Mischung aus Country, Funk,<br />
Soul und vor allem Gospel einzuspielen.<br />
Das erinnert zuweilen auch an Sly & The<br />
Family S<strong>to</strong>ne, Al Green, Curtis Mayfield<br />
und Dr. John. Die mit wohlig-warmer<br />
Stimme vorgetragenen Songs ziehen den<br />
Hörer zunehmend mehr in den Bann, bis<br />
er Teil des Chors im letzten, knapp zehn<br />
Minuten langen Gospel “Brazos” wird und<br />
die missionarischen Zeilen „Jesus Christ,<br />
He’s Our Lord, Jesus Christ, He Is Your<br />
Friend” mitschmettert. Eines der besten<br />
Alben des frühen neuen Jahres.<br />
(Domino Records 2013, 7/41:03) an<br />
FRANK MARINO &<br />
MAHOGANY RUSH<br />
REAL LIVE! + FULL CIRCLE<br />
In Kanada ein gefeierter Gitarrenheld, konnte<br />
Marino diesen Status anderswo nur bedingt<br />
einnehmen. Wie sein großes Vorbild<br />
Jimi Hendrix versucht Marino, in seinem<br />
Gitarrenstil Einflüsse aus Rock, Funk, Blues<br />
und Rock zu fusionieren, liebt dabei psychedelische<br />
Sounds und in Konzerten lange<br />
Improvisationen. So nähern sich Songs wie<br />
“Poppy” auf der nach längerer Spielpause<br />
im Jahr 2001 mitgeschnittenen, nun wiederveröffentlichten<br />
Live-Doppel-CD REAL<br />
LIVE!, inklusive vieler Songzitate (u.a.<br />
Doors, Allman Bro<strong>the</strong>rs, Cream, Zombies,<br />
Hendrix) auch mal der Halbenstundegrenze.<br />
Für den Gitarristen mit der rauchigen<br />
Kehle spricht, dass er die Zuhörer auch über<br />
diesen Zeitraum fesseln kann. Dass seine<br />
wahre Leidenschaft dem Live-Auftritt gehört,<br />
merkt man auch dem Reissue seiner<br />
ursprünglich 1986 erschienenen Studio-LP<br />
FULL CIRC LE an. Damals hatte er seinen<br />
kreativen Höhepunkt bereits überschritten<br />
und näherte sich zu stark dem Mainstream<br />
an. Durch die Hinzufügung eines Keyboarders<br />
wurden seine Songs mit 80er-Jahre-<br />
Synthie-Sounds unterlegt, was sie beliebig<br />
machte. Daher ist es symp<strong>to</strong>matisch, dass<br />
der interessanteste Titel der seinerzeit nicht<br />
veröffentlichte Bonus-Track “You Got Me<br />
Runnin’” ist, der durch angejazztes Spiel<br />
aufhorchen lässt. Studio-Highlights wie<br />
STRANGE UNIVERSE harren leider wegen<br />
der komplizierten Rechtslage noch einer<br />
adäquaten Wiederveröffentlichung.<br />
(MiG/Intergroove, 2001, 11/77:58,<br />
21/77:58, + 1986, 10/52:46) rg<br />
VERDEN ALLEN’S SOFT<br />
GROUND<br />
LOVE YOU & LEAVE YOU<br />
Bei ALL THE YOUNG DUDES war er<br />
noch dabei, konnte Mott The Hooples Aufstieg<br />
noch gerade mitnehmen – aber was<br />
macht man, wenn man seine Songs nicht<br />
mehr unterbringen kann? Not a lot. Musiker,<br />
denen sich der Hammondprofi anschloss,<br />
gingen zu den Pretenders. Was zählt: Allen<br />
war beim großen Mott-Klassentreffen im<br />
Hammersmith dabei, und seine heutige Band<br />
Soft Ground hat der 68-Jährige im Griff.<br />
Relevante Register der alten Schweine-Orgel<br />
werden gezogen, die Balance zwischen<br />
Prog-Herrlichkeit und lebendigem Hard<br />
Rock bleibt erhalten, man langweilt sich bei<br />
keinem Song. Einzig bei “Find Yourself”<br />
singt der Bandleader etwas angestrengt beim<br />
Überbringen der Identitäts-Message, ansonsten<br />
hat er Spaß. Mit “Wine Ridden Talks”<br />
und “Son Of The Wise Ones” gelingen Nummern,<br />
die auf ein frühes Mott-Album gepasst<br />
hätten. Fein realisiert ist auch eine gewisse<br />
Spooky-Tooth-Schwere im Titelstück “Soft<br />
Ground”. Jamie Thyer versucht, den Chef<br />
nie auszustechen, setzt jedoch scharfe Akzente<br />
– Rob Hankins (b) und Matt Blakout<br />
(dr) sind bestens eingeloggt.<br />
(Angel Air/Fenn, 2013, 13/56:13) utw<br />
KROKUS<br />
DIRTY DYNAMITE<br />
Natürlich ist nicht zu überhören, dass seit<br />
über 40 Jahren AC/DC mit ihrem Riff-<br />
Rock wichtigste Inspirationsquelle für die<br />
Schweizer Veteranencombo Krokus sind.<br />
Aber sie deswegen als Aussie-Klone abzutun,<br />
griffe zu kurz. Denn DIRTY DYNA-<br />
MITE ist eines der stärksten, kraftvollsten<br />
Alben der Alpenrocker seit langem, und die<br />
stilistische Palette reicht über den AC/DC-<br />
Tellerrand hinaus: “Go Baby Go” ist eine<br />
Verbeugung vor Chuck Berry und Status<br />
Quo, der Beatles-Vorlage “Help” haben sie<br />
eine wahrhaft eigene Handschrift verpasst,<br />
der “Rattlesnake Rumble” würde auch gut<br />
ins ZZ-Top-Set passen, während “Hardrocking<br />
Man” Sou<strong>the</strong>rn-Flair versprüht. Krokus<br />
stehen mehr denn je für knackigen Hard<br />
Rock mit hohem Spaßfak<strong>to</strong>r – der Opener<br />
“Hallelujah Rock’n’Roll” bringt es simpel<br />
wie zutreffend auf den Punkt!<br />
(Sony <strong>Music</strong>, 2013, 12/45:00) pro<br />
FLEETWOOD MAC<br />
RUMOURS<br />
Was soll<br />
man über<br />
RUMOURS<br />
R viel<br />
erzählen? Über 40<br />
Millionen verkaufte<br />
Einheiten<br />
weltweit,<br />
in<br />
den<br />
USA #1,<br />
in<br />
Deutsch-<br />
land #6. Zahlreiche<br />
Single-Auskopplungen<br />
charteten:<br />
“Go Your Own Way” (US #10, D<br />
#11), “Dreams” (US #1, D #33), “Don’t<br />
S<strong>to</strong>p” (US #3, D #41), “You Make Lovin’<br />
Fun” (US #9). In vielen Songs arbeitete die<br />
Band ihre reichlich knisternden internen<br />
Beziehungsprobleme musikalisch sehr eingängig<br />
auf, die von Stevie Nicks, Christine<br />
McVie, Lindsey Buckingham, John McVie<br />
und Mick Fleetwood in verschiedenen Konstellationen<br />
verfasst worden waren. 2004 war<br />
das Jahrhundertwerk schon einmal mit 18<br />
Bonus-Tracks neu aufgelegt worden, jetzt<br />
gibt es zum 35-jährigen Veröffentlichungsjubiläum<br />
eine noch mal hörbar remasterte<br />
Neufassung als 3-CD-Box. Ergänzend zum<br />
damaligen Reissue gibt es einen Livemitschnitt<br />
der „Rumours Tour” von 1977 mit<br />
zwölf unveröffentlichten Songs, die die Bühnenqualitäten<br />
der Band demonstrieren. Der<br />
dritte Silberling bietet weitere Outtakes und<br />
Demos, die 2004 nicht dabei waren. Dazu<br />
erzählen die Beteiligten in den Liner-Notes<br />
von den Aufnahmen. Den immer noch fast<br />
unwiderstehlichen Rock-Pop gibt es neben<br />
der Expanded-Version auch noch als Deluxe<br />
Edition mit einer weiteren CD plus DVD und<br />
Vinyl. Wie brachte es die BBC so treffend auf<br />
den Punkt? „RUMOURS will never die!”<br />
(Rhino/Warner, 1977, 3 CDs) pro<br />
Rock<br />
CRIME & THE CITY<br />
SOLUTIONS<br />
AMERICAN TWILIGHT<br />
Die Band um Simon Bonney, der auch den<br />
frühen Nick Cave beeinflusst hatte, war so<br />
etwas wie eine Supergruppe der Londoner<br />
und später Berliner Independent-Szene der<br />
80er Jahre. Bonney gruppierte Musiker von<br />
Birthday Party, Einstürzenden Neubauten,<br />
DAF und Die Haut um sich, und einer ihrer<br />
Höhepunkte war der Auftritt in Wim<br />
Wenders’ Film „Der Himmel über Berlin”.<br />
1992 war Schluss, nach zwei erfolglosen<br />
Solo-Alben verschwand Bonney für rund 20<br />
Jahre von der Bildfläche, um dann plötzlich<br />
mit Alexander Hacke (Neubauten), David<br />
Eugene Edwards (16 Horsepower, Woven<br />
Hand), Jim White (Dirty Three) und anderen<br />
alte und neue Verbündete um sich zu scharen,<br />
die auf AMERICAN TWILIGHT dort<br />
weitermachen, wo Crime & The City Solution<br />
zwei Dekaden zuvor aufgehört hatten.<br />
Das war eindrucksvoll im Ok<strong>to</strong>ber 2012 im<br />
Berliner C-Club zu bestaunen. Ihre Stärken<br />
spielt die achtköpfige Gruppe in den langen,<br />
getragenen Stücken wie “The Colonel<br />
(Doesn’t Call Anymore)” oder “Domina”<br />
aus, wo Bonney durch die Abwechslung von<br />
laut und leise Raum bekommt, seine Texte<br />
im pa<strong>the</strong>tischen Stile des späten Jim Morrison<br />
zu rezitieren. Es ist zu wünschen, dass es<br />
nicht wieder zu einer so langen Sendepause<br />
kommt. Eine Europa<strong>to</strong>ur ist für Frühling/<br />
Frühsommer angekündigt.<br />
(Mute/Good<strong>to</strong>go, 2013, 8/41:07) an<br />
SAXON<br />
SACRIFICE<br />
SACRIFICE ist das<br />
20. Studio-Album der<br />
einstigen Co-Anführer<br />
der New Wave Of<br />
British Heavy Metal,<br />
und es ist schon erstaunlich,<br />
dass Sänger<br />
Biff Byford und seinen Mitstreitern immer<br />
noch Songs einfallen, die sich neu anhören<br />
und dabei zugleich die Stärken der Band bewahren:<br />
griffige, melodische wie kraftvolle<br />
Gitarrenriffs und -läufe, die von Hintergrundkeyboards<br />
allenfalls dezent angereichert<br />
und der Rhythmusabteilung befeuert werden.<br />
“Stand Up And Fight” fasst das Album<br />
stellvertretend zusammen – es geht durchaus<br />
brachial zur Sache, die Band hat aber auch<br />
durchaus Gespür für Zwischentöne und ruhigere<br />
Momente. Und die fünf Songs der<br />
Bonus-CD, darunter “Crusader” orchestriert<br />
und “Requiem”, “Frozen Rainbow” und “Forever<br />
Free” in Akustikversionen, demonstrieren<br />
die breite Palette, die Saxon im 37. Jahr<br />
der Bandgeschichte drauf haben.<br />
(UDR/EMI, 10/39:30, 5/22:50) pro<br />
CHRIS DARROW<br />
ARTIST PROOF<br />
Als Gründungsmitglied der US-Psycho-<br />
Country-Rockband Kaleidoscope gehört der<br />
Saitenfuchs und ordentliche Sänger Chris<br />
Darrow zum erweiterten Kreis (semi-)legendärer<br />
Musiker mit wenig Kassenresonanz,<br />
die aber von Kollegen regelmäßig hoch bewertet<br />
werden. Gemessen am Kaleidoscope-<br />
Ruhm und seinen folgenden großen Taten<br />
bei der Nitty Gritty Dirt Band ist Darrows<br />
Solokarriere leider unspektakulär verlaufen,<br />
kommerziell mehr oder weniger versandet.<br />
Seite 42 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
CD<br />
REVIEWS<br />
Das ändert nichts an der musikalischen<br />
Klasse seines 1978er Albums AR-<br />
TIST PROOF. Das edle Werk bietet<br />
eine Kollektion properer Songs aus<br />
eigener Werkstatt, die eine perfekte<br />
Syn<strong>the</strong>se aus Nashvilles Country-<br />
Errungenschaften und westküstlicher<br />
Pop-Leichtfüßigkeit eingehen. Die<br />
Grundstimmung ist smooth & mellow,<br />
be<strong>to</strong>nt entspannt, aber nie einschläfernd.<br />
Belanglosigkeiten finden sich<br />
hier nicht. Vor allem Freunde komplexer<br />
Saitenarbeit kommen voll auf ihre<br />
Kosten, denn Darrow spielt akustische<br />
und elektrische Gitarre, Mandoline,<br />
Fiddle, Dobro und Steelguitar gleichermaßen<br />
gut und steuert zudem Marimba-,<br />
Kalimba- und Triangel-Töne bei.<br />
Als beste Begleitmusiker empfehlen<br />
sich Ed Black (g), Loren Newkirk<br />
(keys), Arnie Moore (b) und Mickey<br />
McGee (dr) sowie einige punktuelle<br />
Helfer und Background-Vokalisten.<br />
Beste Songs: “Lovers Sleep Abed Tonight”,<br />
“Cocaine Lil” und “Alliga<strong>to</strong>r<br />
Man”. Fünf Bonus-Tracks.<br />
(Drag City/Rough Trade, 2012,<br />
17/46:28) hjg<br />
BLIND GUARDIAN<br />
A TRAVELER’S GUIDE TO<br />
SPACE AND TIME<br />
Himmlisch! Diese 15-CD-Box dürfte<br />
für den Heavy-Metal-Anhänger im Allgemeinen<br />
und den Blind-Guardian-Fan<br />
im Speziellen wie ein in Erfüllung gegangener<br />
Traum erscheinen. Zum ersten<br />
Mal gibt es das Gesamtschaffen der<br />
deutschen Bombast-Metaller nicht nur<br />
auf einen Schlag, sondern in einer überarbeiteten<br />
Klangversion. Zwar achteten<br />
Blind Guardian seit jeher akribisch auf<br />
einen perfekten Sound, allerdings sind<br />
die meisten Alben der Krefelder derart<br />
orchestral angelegt, dass sie vermutlich<br />
auch ein drittes oder viertes Mal<br />
im Bearbeitungslabor Raum für Veränderungen<br />
bieten würden. Und die<br />
noch etwas blauäugig eingehobelten<br />
Speed-Metal-Scheiben BATTALIONS<br />
OF FEAR (1988) und FOLLOW THE<br />
BLIND (1989) konnten eine Klangverbesserung<br />
sowieso gebrauchen.<br />
Blind Guardian, deren Schaffen stark<br />
von <strong>Queen</strong> beeinflusst wurde, kreirten<br />
über die Jahre Klangwelten, die sich<br />
vom Rest der deutschen Metalszene<br />
deutlich unterscheiden. Songs des<br />
Quartetts haben nur selten das typische<br />
Strophe-Refrain-Muster. Meist legen<br />
die Musiker derart viel Kreativität in<br />
ein Stück, wie es Genrekollegen für ein<br />
ganzes Album für ausreichend halten.<br />
Das ufert manchmal aus, führt zu überbordenden<br />
Mini-Sinfonien, denen man<br />
nur schwer folgen kann (NIGHTFALL<br />
IN MIDDLE-EARTH, 1998). Und in<br />
einer Anwandlung von übersteigertem<br />
Selbstbewusstsein nannten Blind Guardian<br />
ihre Veröffentlichung von 2002<br />
gar A NIGHT AT THE OPERA, genau<br />
wie das 75er Erfolgsalbum von <strong>Queen</strong>.<br />
Sänger Hansi Kürsch sagte jüngst in<br />
einem Interview, dass die Arbeit an der<br />
Box dazu geführt habe, dass sich die<br />
Band wieder stärker mit ihren geradlinigen<br />
Wurzeln auseinandergesetzt habe<br />
und dort viel Inspiration entdeckte.<br />
Die CDs der Box enthalten zahlreiche<br />
Bonus-Tracks, Silberling Nummer 15<br />
ist gar eine reine Sammlung seltenen<br />
und unveröffentlichten Materials. Mit<br />
einem nummerierten Kunstdruck,<br />
einem Beglei<strong>the</strong>ft und einem gravierten<br />
Gitarrenplektrum wartet die Schachtel<br />
mit ein paar netten Zugaben auf.<br />
(EMI, 2013, 15 CDs)<br />
jub<br />
THE KYTEMAN<br />
ORCHESTRA<br />
THE KYTEMAN<br />
ORCHESTRA<br />
Ist das Neo-<br />
Klassik? Avantgarde?<br />
Dafür ist<br />
es viel zu einladend,<br />
was der<br />
holländische<br />
Komponist,<br />
Flügelhornist lh und Keyboarder Colin<br />
Benders mit seinem vielköpfigen Ensemble<br />
hier bietet. Wie eine monumentale<br />
Filmmusik treiben Orchester<br />
und Vokalisten seine Kompositionen<br />
durch opulente Bläser-, dezente Perkussions-Landschaften,<br />
Streicher-<br />
Breitseiten, Godley & Creme-hafte<br />
Rockopernangriffe, alles 1:1 genießbar.<br />
Hier wurde nicht der Fehler vieler<br />
Multitrack-Aufnahmen gemacht,<br />
zahlreiche Overdubs zu setzen, um<br />
eine Komposition interessanter zu<br />
gestalten. Doch gibt es auch keinen<br />
Leerlauf – Melodien fließen organisch.<br />
Anforderungen an die stilistische<br />
Offenheit des Hörers steigern<br />
sich allmählich. Eine Art sinfonischen<br />
Jazz-Rap stellt etwa “Truth Or Dare”<br />
dar, bei dem ein Streichquintett zu<br />
Niels Broos’ Rhodes E-Piano passt;<br />
der Walzertrip “The Mushroom<br />
Cloud” klingt wie orchestrierte Crash<br />
Test Dummies. Ein üppiger Stil- und<br />
Soundrausch.<br />
(Ky<strong>to</strong>pia/Rough Trade, 2013,<br />
13/61:53) utw<br />
DAVE EDMUNDS<br />
SUBTLE AS A FLYING<br />
MALLET<br />
Subtil wie ein Holzhammer? Es war<br />
wohl seine Selbstironie, die Dave Edmunds<br />
1975 bei der Wahl des Titels<br />
für seine zweite Solo-LP inspirierte.<br />
Denn es war keineswegs rustikal, wie<br />
er sich Vorlagen der Everly Bro<strong>the</strong>rs<br />
(“When I Will Loved”), Chuck<br />
Berrys (“Let It Rock”, “No Money<br />
Down”), Klassiker wie “Da Doo Ron<br />
Ron”, “Shot Of Rhythm And Blues”,<br />
Kreationen von Ray Charles, Phil<br />
Spec<strong>to</strong>r, Nick Lowe oder Leiber/S<strong>to</strong>ller<br />
vornahm und mit viel Liebe zum<br />
Rock<br />
Detail neu interpretierte und zu Edmunds-Nummern<br />
umfunktionierte.<br />
Dabei saß er in den Sätteln Pop, R&B<br />
oder Country gleichermaßen sicher.<br />
Anders als die 2006er Neuauflage<br />
(zwei Zusatznummern) ist diese Wiederveröffentlichung<br />
(neben starkem<br />
Booklet) mit acht Bonus-Tracks<br />
angereichert. Die meisten stammen<br />
vom „Stardust”-Soundtrack, dazu<br />
gibt es zwei Single-B-Seiten.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1975,<br />
20/60:36) pro<br />
FREE FALL<br />
POWER & VOLUME<br />
Keine<br />
Frage,<br />
dieses<br />
Album<br />
stellt sein Licht<br />
nicht unter den<br />
Scheffel, schon<br />
im Titel PO-<br />
WER & VO-<br />
LUME werden die Dinge beim Namen<br />
genannt, um die es dieser Band<br />
aus Schweden geht. Mit roher Kraft<br />
powern Free Fall ihre Songs nach<br />
vorne, lassen keine Verschnaufpause<br />
zu, und je lauter man sich das Ganze<br />
zu Gemüte führt, umso besser klingt<br />
dieser herrliche Retro-Hard-Rock.<br />
Gitarrist Mattias Bärjed war zuvor<br />
bei The Soundtrack Of Our Lives für<br />
die Riff-Gewitter zuständig, Ludwig<br />
Dahlberg saß bei The International<br />
Noise Conspiracy hinter der Schießbude,<br />
Sänger Kim Fransson scheint<br />
in direkter Linie sowohl von Bon<br />
Scott als auch von Motörheads Lemmy<br />
abzustammen, komplettiert wird<br />
das Quartett von Bassist Jan Martens.<br />
Unter dem Strich ein Album, das man<br />
nicht sofort ins Herz schließt, das<br />
man sich – nicht zuletzt wegen des<br />
vermeintlich dünnen Sounds – erst<br />
warm hören muss. Doch je weiter<br />
man die Regler nach rechts dreht, des<strong>to</strong><br />
besser wird es!<br />
(Nuclear Blast/Warner, 2013,<br />
10/45:58) tk<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
NUGGETS – ANTIPODEAN<br />
INTERPOLATIONS OF THE<br />
FIRST PSYCHEDELIC ERA<br />
Ein Jubiläum ist dazu da, gefeiert<br />
zu werden – 40 Jahre NUGGETS!<br />
Der renommierte Journalist David<br />
Fricke („Rolling S<strong>to</strong>ne”) und Lenny<br />
Kaye, „Mr. Nuggets” persönlich,<br />
steuerten die Liner-Notes zur vorliegenden<br />
Sammlung besonderer<br />
Art bei. Präsentiert werden 18 junge<br />
australische Psycho-Rockbands, die<br />
das Original-Doppelalbum in leicht<br />
abgespeckter Songreihenfolge<br />
nachspielen und so den damaligen<br />
Bewusstseinserweiterungs-Sound<br />
beschwören, ohne in die Imitationsfalle<br />
zu tappen. Kein Act unternimmt<br />
den – sinnlosen – Versuch,<br />
stur genauso zu klingen wie die<br />
Pioniere. Dem uneingeschränkten<br />
Vergnügen, den reanimierten NUG-<br />
GETS-Trip erneut zu erleben, tut<br />
das keinen Abbruch. Natürlich können<br />
nicht alle Youngster die gleiche<br />
Ab sofort im Fachhandel,<br />
bei jpc.de oder amazon.de<br />
Deluxe Edition INAK 2013 DLCD<br />
CD INAK 9119 CD<br />
Jeff Healey<br />
As The Years Go Passing By<br />
Live in Germany 1989 - 1995 - 2000<br />
Bisher unveröffentlichte Aufnahmen<br />
3 Konzerte auf 3 CDs<br />
DELUXE EDITION*: 3 Konzerte auf 3 CDs + 2 DVDs<br />
*Inklusive Booklet mit ausführlichen<br />
Hintergrundinformationen und seltenem Bildmaterial.<br />
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musik@in-akustik.de<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 43
CD<br />
REVIEWS<br />
revolutionäre Magie entfalten wie damals<br />
die Electric Prunes, 13th Floor Eleva<strong>to</strong>rs,<br />
Leaves, Standells oder Chocolate Watchband.<br />
Aber die größten der hier aufspielenden<br />
Talente, wie Velocirap<strong>to</strong>r, The<br />
Laurels, Pond, Davey Lane, Baptism Of<br />
Uzi oder The Murlocs haben durchaus<br />
präzise Vorstellungen, wie die Psycho-<br />
Glocken in den sprichwörtlichen Garagen<br />
heute zu läuten haben. Und auch die übrigen<br />
Bands machen sich keiner Schandtaten<br />
schuldig, gehen mit pfiffigen – und<br />
manchmal verblüffenden – Einfällen ihren<br />
eigenen Weg. Sehr zur Nachahmung<br />
empfohlen!<br />
(Rhino/Import, 2012, 18/60:35) hjg<br />
VELVET UNDERGROUND<br />
SQUEEZE<br />
Die frühen Seventies<br />
waren personell<br />
keine gute Zeit für<br />
Velvet Underground.<br />
Nach und nach verabschiedeten<br />
sich<br />
Sterling<br />
Morrison,<br />
Lou Reed und Maureen Tucker von ihrer<br />
Band und überließen dem Multi-Instrumentalisten<br />
Doug Yule, der schon Mitte 1968<br />
für John Cale gekommen war, das Feld.<br />
Yule heuerte seinen Bruder Billy (dr), Walter<br />
Powers (b) und Willie „Loco” Alexander<br />
(g) an, alles durchaus fähige Musiker,<br />
die mit Können und Engagement zu Werke<br />
gingen. Im Vergleich mit den „Bananen-<br />
Velvets” waren die „Yule-Velvets” freilich<br />
eine Gruppe von Schafen im Wolfspelz.<br />
Auch sorgte der neue Chef – aus naheliegenden<br />
karrieretechnischen Gründen – dafür,<br />
dass der Name Velvet Underground<br />
weiter Bestand hatte, obwohl es musikalisch<br />
doch eher in Richtung Harmlosigkeit<br />
ging, was dieses in England unter Mithilfe<br />
von Deep-Purples Schlagzeuger Ian Paice<br />
eingespielte Album bestens dokumentiert.<br />
SQUEEZE enthält elf von Doug Yule komponierte<br />
Songs, die sich widerstandslos unter<br />
dem Begriff „freundlicher Pop-Rock”<br />
einsortieren lassen. Einige, wie “Dopey<br />
Joe”, “She’ll Make You Cry”, “Friends”<br />
und “Send No Letter”, sind sogar richtig<br />
gut, die übrigen zumindest passabel. Wäre<br />
die Scheibe unter anderem Gruppennamen<br />
oder als Yule-Solo-Album veröffentlicht<br />
worden, ginge der Daumen zweifellos<br />
nach oben. Man kann SQUEEZE reuelos<br />
hören, man darf die Scheibe nur nicht mit<br />
Lou Reeds Meisterwerken vergleichen, das<br />
wäre einfach unfair.<br />
(Kismet/Soulfood, 1973/2012,<br />
11/33:51) hjg<br />
BUCKCHERRY<br />
CONFESSIONS<br />
Mit dem Thema Todsünden und den eigenen<br />
Problemen in der Jugend befassen<br />
sich die kalifornischen Power-Rocker<br />
Buckcherry auf ihrem siebten Album seit<br />
der Gründung durch Sänger Josh Todd und<br />
Gitarrist Keith Nelson. Man kann es als<br />
Orientierungslosigkeit oder Interesse an<br />
musikalischer Vielfalt deuten, wie sich die<br />
Band bemüht, Stadion-Rock, Grunge- und<br />
Punkandeutungen und sogar AOR unter<br />
einen Hut zu bringen. Was ihr meist mehr,<br />
gelegentlich weniger (Schmalz!) gelingt,<br />
insgesamt beschert CONFESSIONS nach<br />
den letzten beiden schwachen Alben eine<br />
wahrnehmungswürdige Rückkehr auf die<br />
vorderen Mittelfeldplätze in der internationalen<br />
Hard-Rockarena. Und das sowohl<br />
mit einigen fetten Partyhymnen wie auch<br />
ein paar nachdenklicheren Nummern,<br />
selbst wenn Balladen nicht unbedingt eine<br />
Stärke von Buckcherry sind.<br />
(Eleven Seven <strong>Music</strong>/EMI, 2013,<br />
13/48:12) pro<br />
LOU REED + YES + R.E.M.<br />
+ 10,000 MANIACS +<br />
SUGAR RAY + RATT +<br />
BLACK OAK ARKANSAS<br />
ORIGINAL ALBUM SERIES<br />
Das Konzept der<br />
ORIGINAL ALBUM<br />
SERIES ist bekannt,<br />
die Künstler und Alben<br />
wechseln sich<br />
ab. Jeweils fünf Originalalben<br />
– einzeln<br />
verpackt wie eine verkleinerte LP – werden<br />
in einem Pappschuber zusammengefasst,<br />
Booklets oder zusätzliche Liner-Notes<br />
Fehlanzeige, dafür stimmt das Preis/Leistungs-Verhältnis.<br />
Die ORIGINAL ALBUM<br />
SERIES von Lou Reed beginnt 1989 mit<br />
dem überragenden NEW YORK, führt<br />
über die starken SONGS FOR DRELLA<br />
(die Hommage an Andy Warhol, entstanden<br />
zusammen mit John Cale) und MAGIC<br />
AND LOSS bis zu den eher verzichtbaren<br />
SET THE TWILIGHT REELING (1996)<br />
und ECSTASY (2000). Die (Album-)Reise<br />
durch einen Karriere-Abschnitt von Yes<br />
beginnt 1977 mit GOING FOR THE ONE,<br />
geht über TORMATO (1978), DRAMA<br />
(1980) und 90125 (1983) bis zu BIG GE-<br />
NERATOR ins Jahr 1987. Zahlreiche Besetzungswechsel<br />
prägten diese Zeit, dementsprechend<br />
wechselvoll – je nachdem, ob<br />
man mehr dem Pop oder progressiver Rockmusik<br />
zugewandt ist – dann auch die musikalische<br />
Qualität. Wenig zu diskutieren gibt<br />
es in dieser Hinsicht bei R.E.M., hier wurden<br />
die letzten fünf Studio-Alben zusammengefasst,<br />
bis auf ACCELERATE (2008,<br />
#2) <strong>to</strong>ppten UP (1998), REVEAL (2001),<br />
AROUND THE SUN (2004) und COL-<br />
LAPSE INTO NOW (2011) die deutschen<br />
Charts. Auch die Auswahl der fünf Alben<br />
der amerikanischen Indie-Folk-Rockband<br />
10.000 Maniacs mit ihrer charismatischen<br />
Sängerin Natalie Merchant ist über jede Kritik<br />
erhaben. Von THE WISHING CHAIR<br />
(1985) geht es in direkter Abfolge bis zu<br />
MTV UNPLUGGED (1993), deckt damit<br />
den erfolgreichsten Abschnitt der Karriere<br />
der 10,000 Maniacs ab. Ebenso verhält es<br />
sich bei den US-College-Rockern von Sugar<br />
Ray und den Glam-Heavy-Metalboys<br />
von Ratt, deren erste fünf – und damit auch<br />
ihre besten – Alben jetzt jeweils gemeinsam<br />
zu haben sind. Auf das 1968er Debüt hat<br />
man bei der ORIGINAL ALBUM SERIES<br />
der Sou<strong>the</strong>rn Rocker Black Oak Arkansas<br />
verzichtet, es beginnt also mit der selbst<br />
betitelten LP aus dem Jahr 1971, führt über<br />
die beiden ein Jahr später veröffentlichten<br />
KEEP THE FAITH und IF AN ANGEL ...<br />
bis zu HIGH ON THE HOG (1973) und<br />
STREET PARTY (1974). Besonders der<br />
letztgenannte Fünferpack könnte zur interessanten<br />
Neu- oder Wiederentdeckung<br />
für so manchen Musikfreund werden, der<br />
Gitarren-dominierte Rock dieser vielköpfigen<br />
Band aus Arkansas mit der kratzigen<br />
Stimme von Jim „Dandy” Mangrum ist bis<br />
heute sträflich unterbewertet.<br />
(Rhino/Warner, 2013, 7x5 CDs) us<br />
FABIAN HARLOFF<br />
NU ABER!<br />
Man kennt den<br />
43-jährigen<br />
Hamburger<br />
als „Ta<strong>to</strong>rt”-,<br />
„Stubbe”- und „Rosa<br />
Roth”-Schauspieler,<br />
„TKKG”-Stimme<br />
und „Bob den Baumeister”.<br />
it ”Sät Spätestens t seit seiner Mitwirkung<br />
im <strong>Music</strong>al „Buddy” (1998–2001) ist klar,<br />
dass er auch als versierter Rocker mit Stimme,<br />
Gitarre und Bass sticht. Beweis: sein<br />
Album NU ABER! Singles nahm er schon<br />
zehn Jahre vor „Buddy” auf. “Liebeslieder”<br />
verbindet Dutzende Romantiktitel von<br />
“Marmor Stein” zu “Major Tom” zu neuem<br />
Text. Dass ihm eigene Lovesongs gelingen,<br />
beweist Harloff mit “Halbes Herz” oder<br />
“Ich fang Dich auf”. “Was wäre wenn” und<br />
“Meine Welt” leben von knackiger Gitarrenarbeit<br />
Milan Polaks. Im Studio standen<br />
dem einfallsreichen Alltags texter außerdem<br />
Pascal und Julien Kravetz sowie Geoff<br />
Peacey zur Verfügung. “Aso TV” rechnet<br />
mit heutigem Primitiv-Fernsehen ab, ist<br />
aber bei gutem Riff textlich zu plakativ.<br />
Amüsant jedoch die selbstironische Botschaft<br />
„Wenn ich ein Mädchen wär, würd’<br />
ich mich in mich verlieben.”<br />
(Hypertension/Soulfood, 2013,<br />
13/44:53) utw<br />
KONTIKI SUITE<br />
ON SUNSET LAKE<br />
„Lob der Provinz”: Ein solches Prädikat<br />
gilt oft Musikern aus Regionen fernab von<br />
L.A., Berlin oder Greater London. Kontiki<br />
Suite kommen vom Lake District; dass<br />
sie sich hörbar den Sixties zwischen Byrds<br />
und Buffalo Springfield widmen, macht<br />
umso neugieriger. Der Fokus liegt auf den<br />
singenden Gitarristen-Brüdern Jonny und<br />
Ben Singh – wobei es Produzent Jonny ist,<br />
der den Kontikis mit Lapsteel-Guitar das<br />
bestechende Klangmerkmal verschafft,<br />
während Benjamin die meisten Songs<br />
schreibt. “Down By The Lake” hat mit<br />
ansteckender Fröhlichkeit Radio-Potenzial.<br />
“See You In The Morning (Elwood’s<br />
Theme)” ist nicht einem Blues Bro<strong>the</strong>r,<br />
sondern Jonny Singhs Junior gewidmet.<br />
Der Song lebt von organischen Rhythmuswechseln<br />
und “Itchycoo-Park”-haftem<br />
Phrasing. Überhaupt macht die Band gern<br />
in Sixties-Manier vom Mellotron Gebrauch,<br />
Cello und Violine kommen ebenfalls<br />
zum Einsatz. Immer wieder glänzen<br />
die High Harmonies, Refrains feinster<br />
Qualität, deren Eingängigkeit über die<br />
Single “Magic Carpet Ride” (warum ein<br />
Titelklau, wenn nicht gecovert wird?) bis<br />
zum Finale “The Painter” gehalten wird.<br />
(Size Records/Import, 2012, 13/49:32) utw<br />
CHRIS STAMEY<br />
LOVESICK BLUES<br />
Auf das Comeback der dB’s folgt ein neues<br />
Solo-Album des Kreativlings Chris Stamey,<br />
sein erstes seit immerhin acht Jahren.<br />
LOVESICK BLUES weist ihn als einen<br />
Rock<br />
King des edlen Pop-Rock aus, dessen Kompositionen<br />
inzwischen die Zeitlos-Marke<br />
erreicht haben. Das Album startet mit zwei<br />
hübschen Aufwärmern, dann folgt die volle<br />
Ladung Pop-Rock mit Top-Songs wie “Astronomy”,<br />
“Anyway” und dem Titeltrack.<br />
Doch damit nicht genug: “I Wrote This<br />
Song For You” und “Wintertime” warten<br />
mit einem klug erhöhten Folkanteil auf; bei<br />
“The Room Above The Books<strong>to</strong>re” und “If<br />
Memory Serves” schleichen sich Barockund<br />
Beatles-Einflüsse ein, und “Occasional<br />
Shivers” ist eine behutsame Ballade ohne<br />
jeden Schnickschnack. Der Klasse der<br />
Songs entspricht glücklicherweise auch ihre<br />
Realisierung. Stamey singt entspannt und<br />
spannend zugleich, eingebettet in die von<br />
den stilsicheren Begleitmusikern Jeff Crawford,<br />
Mitch Easter, Tony Stiglitz und Logan<br />
Ma<strong>the</strong>ny besorgten Wohlklänge aus Saitenund<br />
Keyboardtönen, Bass und Schlagzeug<br />
sowie Streichern, Bläsern und Chören, in<br />
denen sich auch Prominente wie Michael<br />
Stipe und Caitlin Cary tummeln. Auch dank<br />
großartig erdachter Arrangements, die den<br />
Liedern genug Luft zum Atmen lassen, ist<br />
LOVESICK BLUES ein Meisterwerk des<br />
Jahrgangs 2013.<br />
(Yep Roc/Cargo 2013, 11/49:27) hjg<br />
BARCLAY JAMES<br />
HARVEST<br />
EYES OF THE UNIVERSE +<br />
TURN OF THE TIDE<br />
Diese zwei hochwertig gestalteten Wiederveröffentlichungen<br />
zeigen die britische Band<br />
Barclay James Harvest auf dem Weg vom<br />
gemäßigten Prog-Rock zu hymnischem Pop.<br />
1979 erschien EYES OF THE UNIVERSE,<br />
das erste Album, nachdem Keyboarder Wolly<br />
Wolstenholme die Band verlassen hatte.<br />
Ohne ihn verzichteten John Lees, Mel<br />
Pritchard und Les Holroyd auf ausufernde<br />
Instrumentalpassagen, konzentrierten sich<br />
dafür auf kompaktes, Radio-taugliches Material,<br />
bestes Beispiel hierfür ist die in ganz<br />
Europa erfolgreiche Single “Love On The<br />
Line”. Diesen Trend setzte TURN OF THE<br />
TIDE dann 1981 fort, auch hier waren es<br />
Songs wie das hymnische “Life Is For Living”,<br />
die den „neuen” Sound von Barclay<br />
James Harvest prägten. Als Bonus-Tracks<br />
gibt es zwei bzw. vier Singleversionen; neu<br />
gestaltete Booklets mit Texten, Bands<strong>to</strong>ry,<br />
Bildern und Produktionsinfos sind vorbildlich,<br />
lassen in dieser Hinsicht keine Wünsche<br />
offen.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1979, 12/57:29,<br />
1981, 12/56:20) us<br />
THE SHEEPDOGS<br />
THE SHEEPDOGS<br />
Wie Pilze schießen diese Bands seit einiger<br />
Zeit aus dem nordamerikanischen<br />
Boden, angeführt von den Fleet Foxes über<br />
die Alabama Shakes bis zu den Sheepdogs<br />
aus Kanada. Mit drei Junos (= kanadischer<br />
Grammy) für „Group Of The Year”, „Single<br />
Of The Year” und „Rock Album Of<br />
The Year” wurden sie dort zu einer der<br />
Seite 44 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
CD<br />
REVIEWS<br />
erfolgreichsten Bands des letzten Jahres,<br />
kein Wunder, dass sie es jetzt mit THE<br />
SHEEPDOGS auch international wissen<br />
wollen. Black-Keys-Drummer Patrick Carney<br />
packte als Produzent viel von der rohen<br />
Energie, die ihn bekanntermaßen mit seiner<br />
eigenen Musik auszeichnet, in den urwüchsigen<br />
Sound dieses jungen Quartetts. Angeführt<br />
von Frontmann und Songwriter Ewan<br />
Currie, atmet seine Musik den Geist der frühen<br />
70er Jahre, verbindet klassischen Rock<br />
mit Soul, Blues und einer Prise kanadischer<br />
Hemdsärmeligkeit. Klingt also wie eine<br />
runderneuerte Ausgabe jener kanadischamerikanischen<br />
Band, die vor ungefähr 45<br />
Jahren als Begleit-„Band” eines gewissen<br />
Bob Dylan für Aufsehen sorgte ...<br />
(Atlantic/Warner, 2013, 14/14:12) tk<br />
RORY STORM AND THE<br />
HURRICANES<br />
LIVE AT THE JIVE HIVE MARCH<br />
1960<br />
Hat es einen Sinn, 53<br />
Jahre nach ihrer Entstehung<br />
Liveklängen<br />
einer Beatband<br />
zuzuhören? Sicher<br />
nicht in jedem Falle,<br />
in diesem aber<br />
schon. Zwei Gründe sprechen nachhaltig<br />
dafür: Erstens gibt es kaum Studio-<br />
Tondokumente der Gruppe; im Original<br />
heute unbeschaffbare Singles und einige<br />
rare Sampler-Beiträge sind alles. Zweitens<br />
waren die Hurricanes um den durchaus<br />
charismatischen Sänger Rory S<strong>to</strong>rm<br />
(*7.1.1938) und die Zupfer Johnny Guitar<br />
(John Byrne, Rhythmusgitarre) und<br />
Ty Brian (Charles O’Brien, Leadgitarre)<br />
eine verdammt gute Band, die im heimatlichen<br />
Liverpool zu den Lokalmatadoren<br />
gehörte und auch in Hamburg reüssieren<br />
konnte. Sie spielten ein stilistisch breites<br />
Spektrum an guten Cover-Versionen von<br />
“What’d I Say” (Ray Charles) über “Since<br />
You Broke My Heart” (Everly Bro<strong>the</strong>rs)<br />
bis “Honey Don’t” (Carl Perkins) und<br />
“Somethin’ Else” (Eddie Cochran). Doch<br />
der internationale Durchbruch gelang ihnen<br />
nicht. Endgültig vorbei war es mit den<br />
Ruhmesaussichten für Rory S<strong>to</strong>rm, als im<br />
August 1962 die Hurricanes ihren Schlagzeuger<br />
an die Beatles verloren. Sein Name:<br />
Ringo Starr ... Der glücklose Rory S<strong>to</strong>rm<br />
starb am 27. September 1972, vermutlich<br />
an einer Tablettenüberdosis. Zuvor brach<br />
schon 1967 Ty Brian während eines Konzerts<br />
zusammen und starb kurz darauf, nur<br />
26 Jahre alt. Der nun vorliegende Livemitschnitt<br />
kommt klanglich über akzeptable<br />
Bootlegqualität nicht hinaus, ist aber ein<br />
schönes, lebhaftes Beat-Dokument und<br />
deshalb Sammlern zu empfehlen.<br />
(Rockstar Records/Rough Trade,<br />
2012, 21/58;50) hjg<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
FOUR FLAT TIRES ON A MUDDY<br />
ROAD + PRIDE OF THE SOUTH<br />
Zwei neue Tribute-Alben aus der Bluesecke<br />
widmen sich zwei Bands, deren tiefe Spuren<br />
aus der Rockszene schon lange nicht<br />
mehr wegzudenken sind. FOUR FLAT TI-<br />
RES ON A MUDDY ROAD ist der „Little<br />
‘ol Band <strong>from</strong> Texas”, ZZ Top, gewidmet.<br />
Walter Trout (“Gimme All Your Lovin’”),<br />
Rock<br />
Molly Hatchet (“Sharp Dressed Man”),<br />
Black Oak Arkansas (“La Grange”) oder<br />
Mick Moody & Lea Hart (“Tush”) reichern<br />
den staubtrockenen Wüsten-Rock von Billy<br />
Gibbons & Co. mit reichlich Blues- und<br />
Slidegefühl an. PRIDE OF THE SOUTH<br />
liefert, keine Frage bei diesem Titel, die<br />
Songs von Lynyrd Skynyrd. Hier stellen<br />
die Outlaws (“Sweet Home Alabama”),<br />
Canned Heat (“That Smell”), Great White<br />
(“Saturday Night Special”) oder Molly Hatchet<br />
zusammen mit Charlie Daniels (“Free<br />
Bird”) ihre Cover-Versionen vor, ebenso<br />
wie frühere (Ed King, Artimus Pyle) und<br />
aktuelle Mitglieder (Rickey Medlocke) von<br />
Lynyrd Skynyrd der Sou<strong>the</strong>rn-Rockband<br />
die Ehre erweisen. Natürlich dürfen hier<br />
keine musikalischen Neuinterpretationen<br />
erwartet werden, hier steht – deutlich hörbar<br />
– der Spaß im Vordergrund!<br />
(Rokarola Records/H’Art, 2013, 16/59:35<br />
+ 13/64:24) tk<br />
JOHNNY THUNDERS &<br />
THE HEARTBREAKERS<br />
L.A.M.F.<br />
Vor 35 Jahren notierte<br />
der englische<br />
Musik journalist Kris<br />
Needs im führenden<br />
Punk/New-Wave-<br />
Magazin<br />
„Zigzag”:<br />
„I used <strong>to</strong> think, The<br />
New York Dolls were <strong>the</strong> greatest rock<br />
band ever ... until The Heartbreakers came<br />
along ...” So absolut haben die Kauflustigen<br />
das damals nicht gesehen, aber hohe<br />
Aufmerksamkeit konnte die Gruppe der<br />
ehemaligen Dolls Johnny Thunders (g,<br />
voc) und Jerry Nolan (dr) durchaus einheimsen.<br />
Zusammen mit Walter Lure (g,<br />
voc) und Billy Rath (b) machten Johnny<br />
& Jerry eine in Richtung Punk weiterentwickelte<br />
Dolls-Musik ohne Bi-Sex-Image.<br />
Angesagt war pur-harter Rock mit ganz<br />
fantastischem Schlagzeug, dichten, orkanartigen<br />
Gitarren und schön verdrecktem<br />
Gesang. Sehr laut gehört, bläst das Album<br />
einem heute noch die Gehörgänge weg.<br />
Der Sound passte haargenau zum Zeitgeist<br />
der Endsiebziger-Jahre und bot bei aller<br />
Konzentration auf Härtegrade melodisch<br />
durchweg starke Songs und eine Fülle von<br />
sorgfältigen Details. Die Heartbreakers<br />
spielten keine komplizierte Musik, aber<br />
eine sehr differenzierte, was sie eindeutig<br />
zur Top-Band machte. Das galt auch<br />
textlich. Songs wie “Born To Loose”, “It’s<br />
Not Enough”, “Pirate Love” und vor allem<br />
“Chinese Rocks” warten gewiss nicht mit<br />
Kindergarten-Lyrik oder Herz-Schmerz-<br />
Gesäusel auf, dafür aber mit bitterbösen,<br />
wutentbrannten, manchmal <strong>to</strong>dessehnsüchtigen<br />
Botschaften – natürlich eine<br />
Folge des Naschens an mörderischen Substanzen;<br />
nicht umsonst gehörten Thunders<br />
und seine Kumpels zu New Yorks prominentesten<br />
Junkies. Leider blieb L.A.M.F.<br />
(New Yorker Straßen-Slang für „Like a<br />
mo<strong>the</strong>r fucker”) das einzige Album der<br />
Heartbreakers. Im Laufe der Zeit ist der<br />
Rang des Werkes stetig gestiegen; längst<br />
hat es Kultstatus erlangt. Der wird durch<br />
die vorliegende 4-CD-Box bestätigt und<br />
gesteigert. CD 1 enthält die LOST ‘77<br />
Mixes, bestehend aus den zwölf Songs des<br />
Originalalbums plus zwei Bonus-Tracks.<br />
Hans Edler<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Songs <strong>from</strong><br />
Auf 4 CDs!<br />
<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 45
CD<br />
REVIEWS<br />
CD 2 bringt das Album in der klanglich<br />
(nicht gerade himmelstürmend) verbesserten<br />
Version von 1984, die nötig wurde,<br />
weil niemand mit dem Urmix der 77er-LP<br />
zufrieden war. CD 3 enthält DEMO SES-<br />
SIONS, teilweise noch mit Richard Hell,<br />
dem Bassisten der Band-Gründertage. Auf<br />
CD 4 ist eine Kollektion von ALTERNA-<br />
TIVE MIXES versammelt. Für Fans alles<br />
höchst hörenswerter S<strong>to</strong>ff! Fürs Lesen<br />
liegt ein 44-seitiges Booklet bei.<br />
(Jungle Rec./Rough Trade, 2012,<br />
12/33:48, 14/40:01, 13/40:25,<br />
21/62:19) hjg<br />
PAUL RAYMOND PROJECT<br />
TERMS & CONDITIONS APPLY<br />
Im<br />
Rampenlicht<br />
steht Paul Raymond<br />
als<br />
Gitarrist/Keyboarder<br />
von UFO,<br />
doch seit über 20<br />
Jahren ist er daneben,<br />
von der Öffentlichkeit<br />
it weitgehend unbemerkt, solo aktiv.<br />
TERMS & CONDITIONS APPLY ist sein<br />
sechstes Album und bietet unprätentiösen,<br />
handgemachten Classic Rock. Der Opener<br />
“Born & Raised On Rock’n’Roll”<br />
sagt alles und gibt die Richtung vor. Die<br />
Powerballade “We Will Be Strong” rundet<br />
den Spannungsbogen ab, der durch die<br />
Cream-mäßig angelegte Cover-Version<br />
von “If You Gotta Make A Fool Of Somebody”<br />
(James Ray, Freddie & The Dreamers)<br />
sowie die Übernahme des Mo<strong>to</strong>wn-<br />
Klassikers “Reach Out (I’ll Be There)”<br />
gelungene Überraschungen bereithält. Und<br />
dann wären da auch noch die Gastspiele<br />
von Michael Schenker und Reuben Archer<br />
(Stampede). Braucht eigentlich niemand,<br />
und trotzdem kann man die Scheibe nur<br />
empfehlen.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 2013,<br />
14/57/14) pro<br />
YELLOW SUNSHINE<br />
EXPLOSION<br />
YELLOW SUNSHINE<br />
EXPLOSION<br />
Neo-Psychedelic setzte die 1981 in Dortmund<br />
gegründete Combo Yellow Sunshine<br />
Explosion dem damals im Ruhrpott schwer<br />
angesagten Metal als Kontrastprogramm<br />
gegenüber. 1987 veröffentlichten Bert<br />
Schlexer (voc, b), Paul Hardley Langley<br />
(harp, fl, perc), Thomas Hopf (dr, tablas)<br />
und Georg Schulte (g) ihr einziges, selbst<br />
betiteltes Album, das damals wohl am<br />
ehesten bekiffte Späthippies angesprochen<br />
haben dürfte. Anleihen bei den frühen Pink<br />
Floyd (“Ballad Of Dan”), häufige indische<br />
Stimmungen, wie sie Gast Gerd Neumann<br />
per Sitar “Take It Acid Is” verlieh, Sixties-<br />
Beat inspirationen, all das floss damals ein<br />
und klang in den späten 80er Jahren (und<br />
auch heute) irgendwie fremd, um nicht zu<br />
sagen deplatziert. Auch wenn die LP jetzt<br />
erstmals auf CD erhältlich ist, dürfte der<br />
Liebhaberkreis beschränkt bleiben.<br />
(Sireena/Broken Silence, 1987,<br />
10/44:55) pro<br />
THE GODS<br />
GENESIS + TO SAMUEL A SON<br />
Viele Personalwechsel prägten das Schaffen<br />
von The Gods zwischen 1965 bis<br />
1969: Mick Taylor, Greg Lake, Paul New<strong>to</strong>n,<br />
Cliff Bennett, Brian Glascock, Alan<br />
Shacklock mischten zeitweise mit. Es war<br />
allerdings die Hammondorgel Ken Hensleys,<br />
die das Debüt GENESIS 1968 dominant<br />
prägte, das dieser mit seinem späteren<br />
Uriah-Heep-Kollegen Lee Kerslake (dr),<br />
John Glascock (b, voc; Jethro Tull) und<br />
Joe Konas (g, voc) einspielte. Hensley/<br />
Konas lieferten die meisten der schwer<br />
psychedelischen, andeutungsweise Progrockigen<br />
Nummern, die zudem reichlich<br />
damals gängige Pop-Elemente aufwiesen.<br />
GENESIS gibt es nun sowohl im originalen<br />
Stereo- wie im Monomix sowie mit<br />
vier Songs der beiden damaligen Columbia-Singles,<br />
darunter die Beatles-Cover-<br />
Version “Hey Bulldog” als Bonus-Tracks<br />
(wie schon beim Reper<strong>to</strong>ire-Reissue). Und<br />
der Sound wurde nun hörbar nachgebessert!<br />
TO SAMUEL A SON erschien ein<br />
Jahr später posthum, schloss nahtlos an,<br />
fiel aber leichtgewichtiger und dennoch<br />
abwechslungsreicher aus (zwei Bonus-<br />
Tracks).<br />
(Esoteric/Rough Trade, 1968 + 1969,<br />
14/48:44, 10/37:12 + 16/51:09) pro<br />
LITTLE DEVILS<br />
DIAMONDS & POISON<br />
Blues-Rock auf frischen<br />
Pfaden – mit<br />
der<br />
Leadsängerin<br />
und Flötistin Yoka<br />
(The Dutch Diva)<br />
und der singenden<br />
Saxofonistin<br />
Vivienne<br />
Soan sind mal glasklare, mal flehende<br />
oder kreischende Stimmen an Bord der<br />
jungen britischen Band, die sich entschieden<br />
hat, im Booklet keinerlei Angaben<br />
zu Song-Au<strong>to</strong>renschaft, Aufnahme-Ort<br />
(Deptford), Besetzung und Gastmusikern<br />
zu machen – die Flächen unter den anonymen<br />
Fo<strong>to</strong>s bleiben schwarz. Die Musik<br />
jedoch: 1A. Alle Facetten ihres Genres<br />
werden ausgelotet – neben Boogie-Rhythmen<br />
(“Same Old Brand New Good News<br />
Blues ... Again”) und knackigen Bläsersätzen<br />
zeigt “21st Century Blues” beherzte<br />
Gitarrenarbeit. “Black Diamond” beleuchtet<br />
zu dunklen Sounds, wie der Großvater<br />
des Little-Devils-Bassisten Graeme Wheatley<br />
ein Bergwerksunglück in County Durham<br />
überlebte – perfekt für eine Blues-<br />
Ver<strong>to</strong>nung. “Orphans In The S<strong>to</strong>rm” als<br />
Late-Night-12-Bar-Blues wird Zweifler<br />
überzeugen.<br />
(LittleDevil<strong>Music</strong>, 2012, 11/49:17) utw<br />
JIMI HENDRIX<br />
PEOPLE, HELL AND ANGELS<br />
In Internet-Foren wird bereits lebhaft debattiert,<br />
welche Aufnahmen auf dem neuen<br />
Hendrix-Album PEOPLE, HELL AND<br />
ANGELS tatsächlich bislang unveröffentlicht<br />
waren. Die Plattenfirma behauptet:<br />
alle zwölf. Doch Titel wie “Hear My Train<br />
A Comin’”, “Izabella”, “Crash Landing”<br />
oder “Bleeding Heart” kommen einem,<br />
zumindest dem Namen nach, sehr vertraut<br />
vor. Wie auch immer: PEOPLE, HELL<br />
AND ANGELS ist eine großartige, vor<br />
allem auch klanglich überzeugende Zusammenstellung<br />
(Produzent: der für Meilensteine<br />
wie ELECTRIC LADYLAND<br />
zuständige Eddie Kramer). Die Songs sind<br />
allesamt in Hendrix’ letzter Lebensphase<br />
entstanden, als er die Experience bereits<br />
aufgelöst hatte und mit seinen neuen Formationen,<br />
dem Trio Band Of Gypsys und<br />
dem Sextett Gypsy Sun & Rainbows, neue<br />
Wege bestritt. Mit den beiden schwarzen<br />
Musikern Billy Cox (b) und Buddy Miles<br />
(dr) bzw. mit Larry Lee an der Rhythmusgitarre<br />
und zwei Perkussionisten im Rücken<br />
präsentierte sich Hendrix ungleich<br />
funkiger, souliger, ja mitunter jazzig. Zu<br />
den Höhepunkten gehören eine druckvolle,<br />
elektrifizierte Version des Blues “Hear My<br />
Train A Comin’”, die Soul-Kollaboration<br />
“Let Me Love You” mit dem Sänger/<br />
Saxofonisten Lonnie Youngblood sowie<br />
das durch Woods<strong>to</strong>ck bekannt gewordene<br />
“Iza bella”, bei dem man in der nun bestens<br />
abgemischten Studiofassung auch Lees<br />
differenziertes Begleitspiel hören kann.<br />
(Legacy/Sony <strong>Music</strong>, 2013, 12/52:50) frs<br />
VAN HALEN<br />
THE STUDIO ALBUMS<br />
1978–1984<br />
Mit sechs LPs, veröffentlicht<br />
zwischen<br />
1978 und 1984, gelangten<br />
Van Halen<br />
zu Weltruhm. Wa-<br />
rum, das zeigt die<br />
nun<br />
veröffentlichte<br />
Sammelbox THE STUDIO ALBUMS<br />
1978–1984, in der man diese sechs CDs als<br />
Mini-LP-Replicas zusammengefasst hat.<br />
Als Ende der 70er Punk-Rock und erste<br />
New-Wave-Bands die Musikfans mit neuen<br />
Klängen versorgten, gab keiner mehr einen<br />
Pfifferling auf den guten alten Heavy Metal.<br />
Doch als die Brüder Eddie (g) und Alex<br />
(dr) Van Halen dann 1978 zusammen mit<br />
Michael Anthony (b) und David Lee Roth<br />
(voc) ihr Debüt VAN HALEN vorlegten,<br />
kam alles ganz anders. Irre Gitarrenläufe<br />
(“Runnin’ With The Devil”), kompromissloser<br />
Blues-Rock (“Ain’t Talkin’ Bout<br />
Love”), das größenwahnsinnige Cover einer<br />
Kinks-Nummer (“You Really Got Me”)<br />
– dieses Album war so aus der Zeit, dass<br />
es bis heute unsterblich ist. Klar ritten sie<br />
diese (Erfolgs-)Welle auch auf dem Nachfolger<br />
VAN HALEN II, beste Party-Mucke,<br />
die trotz Vollgas auch immer Platz für ein<br />
ironisches Augenzwinkern lässt. Auf dieses<br />
verzichteten sie beim 1980er WOMAN<br />
AND CHILDREN FIRST, einen Tick härter<br />
und ernster gingen sie dabei zur Sache, das<br />
ein Jahr später veröffentlichte FAIR WAR-<br />
NING ging diesen Weg konsequent weiter.<br />
“Where Have All The Good Times Gone”,<br />
fragten sie dann frei nach Ray Davies zu<br />
Beginn von DIVER DOWN, ließen neben<br />
eigenen Stücken, bei denen Sänger Roth<br />
zu früher Macho-Form auflief, ihre Klasse<br />
auch bei Songs wie Roy Orbisons “Pretty<br />
Woman” oder dem Mo<strong>to</strong>wn-Klassiker<br />
“Dancing In The Streets” aufblitzen. Den<br />
(vorläufigen) Schwanengesang – David Lee<br />
Roth verließ kurz darauf wegen seiner Solokarriere<br />
Van Halen – lieferte dann das Album<br />
1984, das einerseits mit seinem grandiosen<br />
Hit “Jump” endgültig den Sprung zum<br />
großen Publikum schaffte, andererseits aber<br />
mit Stücken wie “Panama” und “Hot For<br />
Teacher” immer noch den kompromisslosen<br />
Heavy-Metal-Geist des Debüts in sich trug.<br />
(Rhino/Warner, 2013, 6 CDs) tk<br />
Rock<br />
JACCO GARDNER<br />
CABINET OF CURIOSITIES<br />
Reinkarnation – es gibt sie doch. Die Kampagne<br />
„Ist Jacco Gardner Syd Barrett?”<br />
startet genau hier. Wäre der “See Emily<br />
Play”-Floyd-Frontmann bei Verstand und<br />
länger im Studio und am Leben geblieben.<br />
Er hätte sich angehört wie dieser niederländische<br />
24-jährige Multi-Instrumentalist aus<br />
Zwaag, der momentan die Amerikaner auf<br />
Tournee gewinnt. Gardner setzt auf Mellotron,<br />
Harpsichord und Querflöte, als schrieb<br />
man das Jahr 1967, spielte im Studio auch<br />
noch alle Gitarren und den Bass ein. Am<br />
Schlagzeug fühlt sich Jos van Tol ein – live<br />
helfen ihm außerdem Keez Groenteman<br />
(g) und Jasper Verhulst (b). Mal verträumt<br />
wie in “The One Eyed King”, dann mit<br />
entschiedener Rhythmusbasis wie in “Puppets<br />
Dangling”, scheinen die Melodien<br />
nur so aus Gardner herauszufließen – alles<br />
kurzweilig ohne jede Zap-Gefahr gehalten.<br />
Sollte jemand den Small-Faces-Studio-Einflüsterer<br />
Billy Nicholls hier hören, ein größeres<br />
Kompliment könnte es kaum geben.<br />
Die konsequenteste Psychedelicplatte seit<br />
ODESSEY & ORAC LE von den Zombies.<br />
(Trouble In Mind/Cargo,<br />
2013, 12/41:40) utw<br />
DIVING FOR SUNKEN<br />
TREASURE<br />
MOTHERFUCKER JAZZ BAR<br />
Hat da jemand Santiano<br />
meets Motörhead<br />
gerufen? Ina<br />
Müllers Shantychor<br />
auf Acid mit Chris<br />
Isaak? Tatsache ist:<br />
Die Berliner mit<br />
dem langen Namen setzen Twang-Gitarren<br />
neben das Punkbrett, zerren an den gutturalen<br />
Regionen ihrer Stimmbänder und<br />
schaffen es, ihren Melodienreichtum mit<br />
völliger Ausgelassenheit zu kombinieren.<br />
“Revolver” ist nah am Punk, wonach stetiges<br />
Brett dem Hörer viel abverlangt; man<br />
hätte sich öfter eine luftige Verschnaufpause<br />
wie das folkige “S<strong>to</strong>rmy Sea” mit seiner<br />
Fiddle- und Banjoherrlichkeit gewünscht.<br />
Songnamen wie “City Of Orgies” und<br />
“Self-Made Rocket” machen neugierig,<br />
be<strong>to</strong>nen das Outlaw-Image der Band.<br />
“Albatross” ist nicht der Fleetwood-Mac-<br />
Klassiker – Titelklau greift immer weiter<br />
um sich –, sondern ein schöner Opener im<br />
Rumba-Rhythmus. Dynamik und Energie-<br />
Level sind bei “Around The Bend” perfekt<br />
getroffen, der Harmoniegesang eine reizvolle<br />
Variable.<br />
(Rookie Records/Cargo, 2013,<br />
14/41:27) utw<br />
JIMMY BARNES<br />
JIMMY BARNES<br />
In seiner Heimat Australien veröffentlichte<br />
Cold-Chisel-Sänger Jimmy Barnes<br />
1985 sein zweites Solo-Album FOR THE<br />
WORKING CLASS MAN, das fünf neue<br />
Tracks sowie sieben remixte Stücke seines<br />
1984er Debüts BODYSWERVE enthielt.<br />
In Europa und den USA firmierte es unter<br />
JIMMY BARNES. Die neuen Songs hatte<br />
der Shouter in Los Angeles aufgenommen<br />
(Produzent: Jonathan Cain) – hörbar für<br />
den US-Markt, einige Nummern wären<br />
mit einer anderen Stimme auch als Jour-<br />
Seite 46 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
CD REVIEWS Rock<br />
ney durchgegangen (“American Heartbeat”),<br />
auch wenn sie keineswegs zu<br />
glatt poliert gerieten. Am stärksten wirkt<br />
Barnes’ Reibeisenröhre bei Abgehstücken<br />
(“Paradise”, “Boys Cry Out”) oder dem<br />
Schleicher “Promise You’ll Call”, das<br />
auch gut zu Barnes’ Sandpapierschmirgel-Kollegen<br />
Dan McCafferty und Nazareth<br />
gepasst hätte. Erfreuliche Neuauflage,<br />
ohne Bonus-Material.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1985,<br />
11/41:14) pro<br />
GIRLSCHOOL<br />
THE SINGLES + THE BRONZE<br />
YEARS<br />
Das All-Girl-Quartett AllGilQ ttt<br />
Girlschool l war in<br />
den 80er Jahren das weibliche Aushängeschild<br />
des britischen Hard Rock und<br />
Metal, nicht nur, weil Motörhead die Ladies<br />
auch mit gemeinsamen Aktivitäten<br />
förderten. Kim McAuliffe (g, voc), Kelly<br />
Johnson (g, voc), Enid Williams (b, voc)<br />
und Denise Dufort (dr) spielten Kickass-<br />
Rock’n’Roll, sprich kraftvolle, eingängige<br />
Powernummern, die einem heute allerdings<br />
vielfach milde vorkommen. Für ihre<br />
Singles coverten sie gerne und durchaus<br />
gelungen (T. Rex, Gary Glitter, ZZ Top,<br />
Adrian Gurvitz, Motörhead). Nachzuhören<br />
auf der unverändert neu aufgelegten<br />
Kollektion THE SINGLES, die die Veröffentlichung<br />
der 4-CD-Box THE BRONZE<br />
YEARS begleitet. Die wiederum umfasst<br />
die Alben DEMOLITION (1980, UK #28),<br />
HIT AND RUN (1981, #5), SCREAMING<br />
BLUE MURDER (1982, #27) und PLAY<br />
DIRTY (1983, #66, produziert von Slades<br />
Noddy Holder & Jim Lea). Das Debüt war<br />
noch spürbar vom Punk beeinflusst, tönte<br />
rau und sandpapiermäßig. HIT AND RUN<br />
hingegen war ein wenig mehr poliert, die<br />
Songs gingen aber gut ins Ohr. SCRE-<br />
AMING ... kam deutlich härter daher,<br />
sprang einen geradezu an, während bei<br />
sich PLAY DIRTY leichtes Schielen auf<br />
den amerikanischen Markt samt Anleihen<br />
von dort einschlich. Insgesamt eine gelungene<br />
Werkschau, die an die stärkste Phase<br />
der Band erinnert. Die Mädels widerlegten<br />
männliche Vorbehalte, indem sie richtig<br />
abrock(t)en.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 2007 + 2013,<br />
18/57:42, 19/66:43 + 11/37:42, 16/50:47,<br />
1/34:01, 15/54:11) pro<br />
BERNIE MARSDEN<br />
AND ABOUT TIME TOO + LOOK<br />
AT ME NOW<br />
Nach seiner Aktivität bei Paice Ash<strong>to</strong>n<br />
Lord (1976 –1978) stieg Ex-UFO-Gitarrist<br />
und (Gelegenheits-)Sänger Bernie<br />
Marsden bei Whitesnake ein, zu deren<br />
Sound und Songwriting er maßgeblich<br />
beitrug. Parallel veröffentlichte er 1979<br />
zunächst in Japan sein Solodebüt AND<br />
ABOUT TIME TOO, das er mit Hilfe<br />
von Jon Lord, Jack Bruce, Cozy Powell,<br />
Neil Murray, Simon Phillips, Ian Paice<br />
und Don Airey aufgenommen hatte. Sehr<br />
amerikanisch klangen die Songs, eher<br />
nach To<strong>to</strong> oder auch Doobie Bro<strong>the</strong>rs,<br />
die drei Instrumentals demonstrierten<br />
sein gefühlvoll-melodisches, stellenweise<br />
auch jazz-rockiges Gitarrenspiel.<br />
Letztlich war es aber nur ein mittelmäßiges<br />
Album, auch wenn Marsden ordentliches<br />
Sangestalent an den Tag legte.<br />
LOOK AT ME NOW (mit Lord, Murray,<br />
Paice, Powell, Phillips sowie Doreen<br />
& Irene Chanter) zwei Jahre später fiel<br />
deutlich erdiger aus, klang nicht so poliert.<br />
Die Songs als solche waren einen<br />
Hauch schwächer, sprechen aber durch<br />
die Umsetzung mehr an. Insgesamt ein<br />
ordentliches Hard-Rockalbum, das wie<br />
auch AND ABOUT ... bei dieser Neuauflage<br />
mit einem Bonus-Track sowie einem<br />
neuen Marsden-Interview im Booklet bestückt<br />
ist.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1979 + 1981,<br />
10/41:51 + 10/40:41) pro<br />
MARCOS VALLE<br />
MARCOS VALLE + GARRA +<br />
VENTO SUL + PREVISAO DO<br />
TEMPO<br />
Wie ein südamerikanischer i Bossa-Nova-<br />
Star sah Marcos Valle Anfang der 70er<br />
Jahre definitiv nicht aus, eher schon wie<br />
ein kalifornischer Surfer oder ein Tennisspieler<br />
aus Schweden. Und wer sein<br />
englischsprachiges Album SAMBA ‘68<br />
kennt, darf getrost alles vergessen, was<br />
er darauf gehört hat. Denn jetzt gibt es<br />
mit vier Wiederveröffentlichungen den<br />
„wahren” Marcos Valle zu entdecken,<br />
wie er in einem Zeitraum von nur drei<br />
Jahren so ziemlich alles zusammenfasste,<br />
was brasilianische Musik in dieser<br />
Zeit zu bieten hatte. MARCOS VALLE<br />
(10/35:26) erschien 1970 und zeigt ihn<br />
stark inspiriert von amerikanischen Soulgrößen<br />
wie Stevie Wonder und Marvin<br />
Gaye, als Studioband hört man die legendäre<br />
brasilianische Rockgruppe Som<br />
Imaginário. Ein Jahr später erschien mit<br />
GARRA (11/33:26) ein Album, das mit<br />
seiner Melange aus amerikanischer Black<br />
<strong>Music</strong>, psychedelischen Pop-Grooves<br />
und sonnigen Latin-Rhythmen bis heute<br />
einzigartig ist. VENTO SUL (12/34:56)<br />
erschien 1972, ergänzte den Sound um<br />
lässiges Beach-Feeling, ganz im Kontrast<br />
zu den ernsten Texten, in denen Marcos<br />
Bruder Paulo Sergio sich kritisch mit der<br />
brasilianischen Diktatur auseinandersetzte<br />
– mehr dazu in den Liner-Notes.<br />
1973 kam dann mit PREVISAO DO<br />
TEMPO (12/36:56), und vorangetrieben<br />
durch die Backingband Azimuth (später<br />
erfolgreich als Azymuth), noch eine jazzige<br />
Note dazu, so dass dieses Album die<br />
breiteste Palette an Stilen liefert: Bossa<br />
Nova, Psychedelic, Fusion und verspielter<br />
Pop – magische Musik mit einer<br />
Faszination, der man sich, hat man sich<br />
einmal warmgehört, kaum mehr entziehen<br />
kann. Erwähnens- und lobenswert<br />
auch die wunderschöne Gestaltung dieser<br />
Digipaks, der herrlich warme Klang sowie<br />
die mit Infos (Song-by-song-notes,<br />
alle Texte inkl. englischer Übersetzung,<br />
ausführliche Produktionsdetails) prall gefüllten<br />
Booklets.<br />
(Fire In The Attic/Cargo, 1970–1973,<br />
4 CDs) us<br />
NICK CAVE & THE BAD<br />
SEEDS<br />
PUSH THE SKY AWAY<br />
Nick Cave hat nach<br />
mehreren<br />
Filmmusiken<br />
und einem<br />
Album mit dem<br />
Seitenprojekt Grinderman<br />
wieder seine<br />
The Bad Seeds zusammengerauft,<br />
um nach fünf Jahren Pause<br />
mit PUSH THE SKY AWAY ein neues<br />
Studiowerk einzuspielen. Die Pause hat<br />
sich gelohnt, denn Cave und seine Mitstreiter<br />
legen nach drei eher durchschnittlichen<br />
Alben die hohe Qualität früherer<br />
Tage vor. Das liegt aller Wahrscheinlichkeit<br />
an Warren Ellis, der endlich die Position<br />
einnimmt, die früher Blixa Bargeld<br />
und Mick Harvey innehatten. Die nahezu<br />
durchweg ruhigen Songs sind von den<br />
Arrangements des australischen Multi-<br />
Instrumentalisten geprägt. Gitarren spielen<br />
nur mehr eine untergeordnete, zumeist<br />
perkussive Rolle, im Vordergrund stehen<br />
Geige, Klavier, Fender Rhodes und natürlich<br />
Caves Stimme – alles schön gediegen<br />
und angenehm antiquiert. Caves schon<br />
immer gute Texte bekommen dadurch den<br />
angemessenen Raum, den sie seit THE<br />
BOATMAN’S Call von 1997 nicht mehr<br />
hatten. Zu hören ist das vor allem bei “We<br />
Know Who U R”, “Jubilee Stree” und<br />
“Higgs Boson Blues”.<br />
(Bad Seed Ltd/Rough Trade,<br />
2013, 9/42:40) an<br />
GREG LAKE<br />
SONGS OF A LIFETIME<br />
Zu einem akustischen Spaziergang durch<br />
seine eigene Vergangenheit lädt Greg<br />
Lake mit seiner neuen CD ein. Und diese<br />
His<strong>to</strong>rie ist bewegt, schließlich mischte<br />
der singende Bassist/Gitarrist nicht nur<br />
bei Emerson, Lake & Palmer mit, sondern<br />
auch bei King Crimson (und diversen<br />
weiteren Acts). Deren größte Erfolge<br />
spielte Lake 2012 bei seiner „Songs Of<br />
A Lifetime”-Tour und erzählte launig<br />
die Geschichte hinter den Stücken. Dazu<br />
berichtet er über für ihn wichtige Begegnungen<br />
mit seinen Vorbildern Elvis Presley<br />
und den Beatles – er war mit Ringo<br />
Starr’s All Starrs unterwegs – und spielt<br />
ihre Songs (“Heartbreak Hotel”, “You’ve<br />
Got To Hide Your Love Away”, dazu Curtis<br />
Mayfields “People Get Ready”). Der<br />
Altmeister beschert vergnügliche wie<br />
lehrreiche Unterhaltung in intimer Atmosphäre<br />
– Chapeau, Herr Lake!<br />
(Esoteric/Rough Trade, 2013,<br />
20/74:44) pro<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 47
LP<br />
REVIEWS<br />
OTIS RUSH<br />
RIGHT PLACE, WRONG TIME<br />
Den Titel der LP<br />
nahmen 1971 nur die<br />
depperten Manager<br />
von Capi<strong>to</strong>l ernst,<br />
denn sie ließen dieses<br />
Juwel fünf Jahre<br />
unveröffentlicht.<br />
Heute hört sich ih dieser bläserverstärkte,<br />
knackige Blues zeitlos gut an, sicher eines<br />
der Top-Alben des Genres. Otis Rush singt<br />
beseelt und spielt eine (be-)stechend klare<br />
Gitarre zu unverfälschten Zwölftaktern,<br />
mal langsam wiegend, mal rasant rollend.<br />
Und selbst wo er die reine Lehre wie im<br />
schönen Tony-Joe-White-Cover “Rainy<br />
Night In Georgia” variiert, bleibt er absolut<br />
au<strong>the</strong>ntisch. Kevin Gray remasterte die<br />
erstaunlich klaren und dynamischen Aufnahmen<br />
aus Wally Helder’s Studio in San<br />
Francisco mit einem guten Händchen für<br />
Transparenz ab, nur ab und an verzischeln<br />
die S-Laute etwas. Aber das ist angesichts<br />
der Klassequalität der Scheibe völlig belanglos.<br />
(Pure Pleasure/Speakers Corner,<br />
1971, 10 Tracks) lbr<br />
GENE CLARK<br />
NO OTHER<br />
Kaum einer zweifelt<br />
noch an der herausragenden<br />
Rolle, die<br />
Gründungsmitglied<br />
Gene Clark bei den<br />
Byrds spielte. Bis zu<br />
seinem Ausstieg 1966<br />
prägte ät der Sänger, Gitarrist und Songschreiber<br />
maßgeblich die Band. Nach verschiedenen<br />
Projekten (Dillard And Clark), Solo-<br />
Alben und dem kurzfristigen Wiedereinstieg<br />
bei den Byrds 1973 veröffentlichte er 1974<br />
sein definitives Meisterwerk. NO OTHER<br />
mag von diversen illegalen Substanzen unterwandert<br />
sein, doch der faszinierende Mix<br />
aus Country, Rock, Westcoast, Folk und<br />
Psychedelic funkelt noch heute wie ein perfekt<br />
geschliffenes Juwel. Produzent Thomas<br />
Jefferson Kaye stellte dem tragischen Genie<br />
und späteren Drogen<strong>to</strong>ten (1944 –1991) eine<br />
formidab le Band zur Seite (unter anderem<br />
Gitarrist Danny Kortchmar und Drummer<br />
Russ Kunkel), von der leider nirgends bei<br />
diesem Reissue zu lesen ist. Bis auf den zeittypisch<br />
leicht abgesofteten Drumsound tönt<br />
das 180-Gramm-Vinyl zeitlos gut, verzichtet<br />
aber auf die sieben Bonus-Tracks der 2003er<br />
CD-Ausgabe.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1974, 8 Tracks) lbr<br />
CHI COLTRANE<br />
CHI COLTRANE<br />
Chi Coltrane (nicht<br />
verwandt mit John<br />
Coltrane)<br />
zählte<br />
zu den großen<br />
Hoffungen der aufstrebenden<br />
Singer/<br />
Songwriter-Gilde im<br />
Rockkontext, t denn sie konnte nicht nur<br />
hervorragend singen, sondern auch Klavier<br />
spielen und arrangieren – und klasse<br />
Stücke schreiben. Hier zu Lande begeisterte<br />
sie durch ihren Auftritt im „Musikladen”,<br />
bei dem sie das Rock-orientierte “I<br />
Will Not Dance” aufführte (auch auf dem<br />
Album) und mit ihrer voluminösen Stimme<br />
glänzte. Neben den eher offensiven<br />
Songs wie dem Riesenhit “Thunder And<br />
Lightning” drückt sie sich auch durch beschauliche<br />
Stimmungen aus, wie bei der<br />
Ballade “You Were My Friend” und dem<br />
introspektiven “Turn Me Around”, einer<br />
Nummer, bei der sie sich gesanglich deutlich<br />
introspektiver gibt. Eine lohnenswerte<br />
Entdeckung.<br />
(Speakers Corner/Lotus Records, 1972,<br />
11 Tracks) at<br />
SADE<br />
DIAMOND LIFE<br />
Okay, das Cover<br />
glänzt etwas mehr<br />
als das des Originals.<br />
Doch sonst ist<br />
bei diesem Reissue<br />
von <strong>Music</strong> On Vinyl<br />
leider ein wenig<br />
der Lack ab. Der raffiniert gepflegte Mix<br />
aus Soft-Jazz, Latenight-Pop und Soul,<br />
mit dem die damals wohl schönste Sängerin<br />
des Universums die Welt verzauberte,<br />
war seinerzeit auch klangtechnisch eine<br />
Sensation. Die auch enger als die Epic-<br />
Scheibe gepresste Wiederveröffentlichung<br />
schlägt sich auf die Schattenseite des Remasterings:<br />
eingeebnete Dynamik und<br />
gezähmter Höhenkick, der beispielsweise<br />
den fast scharfen Orgeleinwürfen bei dem<br />
grandiosen Cover “Why Can’t We Live<br />
Toge<strong>the</strong>r” merklich die Spitze nimmt. Erstaunlicherweise<br />
tönt auch die Version von<br />
Audio Fidelity ähnlich abgesoftet, so dass<br />
man in diesem Fall besser beim originalen<br />
Vinyl bleibt. Merke: Analog rund heißt<br />
nicht immer schlapp.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1984,<br />
9 Tracks) lbr<br />
EMERSON, LAKE &<br />
PALMER<br />
TARKUS<br />
Den Backkatalog von<br />
ELP hat MOV bereits<br />
recycelt – jetzt<br />
nochmals das zweite<br />
Opus? Ja – und mit<br />
einem<br />
prächtigen<br />
Goodie: „The Alternate<br />
Tarkus”, also der 2012er (Re-)Mix von<br />
Steven Wilson. Der leitet nicht nur die Prog-<br />
Rocker Porcupine Tree, sondern hat mit Remixen<br />
und Remastern von King Crimson<br />
oder Jethro Tull schon viel Lorbeer auch<br />
unter Alt-Art-Rockern gesammelt. Denn er<br />
vermag, ohne den Ursprungscharakter zu<br />
verhunzen, einfach mehr Klarheit und Offenheit<br />
in den bombastischen Sound der Altvorderen<br />
zu mischen. Als weitere Dreingabe<br />
gibt es hier noch einen einen alternativen<br />
Take von “Mass” aus der siebenteiligen, die<br />
Seite 1 komplett füllenden Suite “Tarkus”.<br />
Den erhabensten Sound des „Originals”<br />
transportiert noch immer die 200-Gramm-<br />
Pressung von MFSL, doch auch die 180er<br />
MOV mit ihren differenzierten Höhen hat<br />
ihre Meriten. Die Musik definierte damals<br />
neu, was im Rock alles möglich war: komplexe<br />
Rhythmen und Takte, auch ungerade<br />
und mehrfach wechselnd innerhalb<br />
eines Stücks, fauchendes Georgel auf der<br />
Hammond-B3, viele Syn<strong>the</strong>sizerspuren<br />
zu gewaltigen Soundungeheuern getürmt,<br />
aber auch purer Rock’n’Roll und magische<br />
Hymnen. Toll war’s – und ist’s noch immer.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1971 /2012,<br />
2 LPs, 7/ 8 Tracks) lbr<br />
EARTH AND FIRE<br />
EARTH AND FIRE<br />
Noch so eine wunderschöne<br />
Wiederveröffentlichung<br />
aus<br />
der Serie „Dutch Vinyl<br />
Masters”, zumal<br />
das Polydor-Original<br />
und erst recht die<br />
UK-Ausgabe (mit Roger-Dean-Cover)<br />
kaum mehr zu greifen sind. <strong>Music</strong> On Vinyl<br />
entschied sich für die kontinentale Version<br />
mit dem wundervollen Klappcover im<br />
Streichholzheftchen-Design, so dass man<br />
dankbar die bei MOV übliche Zellofan-<br />
Schutzhülle nach dem Hören wieder überstreift.<br />
Wobei das rote Vinyl sicher öfter<br />
rotiert bei proggig angehauchten Rockfans<br />
mit einem Faible für starke Frauenstimmen.<br />
Sängern Jerney Kaagman prägte mit ihrer<br />
zwischen Grace Slick und Sonya Kristina<br />
liegenden Powerstimme dieses Debüt, das<br />
noch meilenweit vom späteren Seicht-Pop<br />
der Holländer entfernt war. In dem kompakten<br />
Rock des Albums sorgen Flötentöne<br />
und Avantgarde-Anklänge (“What’s Your<br />
Name”) für Abwechslung.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1970, 9 Tracks) lbr<br />
IRON BUTTERFLY<br />
HEAVY<br />
Schon früh gab es<br />
das Debüt der „Eisernen<br />
Schmetterlinge”,<br />
aufgenommen<br />
Ende 1967 und<br />
Anfang 1968 veröffentlicht,<br />
als Billigpressung.<br />
Im Schatten des überlangen<br />
Megahits “In-A-Gadda-Da-Vida” hatte es<br />
HEAVY schwer, obgleich die Kalifornier,<br />
wenn auch nur unter ferner (Höchstplatzierung<br />
78), damit immerhin fast ein Jahr<br />
in den US-Charts, liefen. Die wuchtige Orgel<br />
sowie der nölend-beseelte Gesang von<br />
Doug Ingle oder die Fuzz-Gitarrentöne gab<br />
es schließlich schon hier zu hören. Zeitgemäß<br />
machten sich auch psychedelische<br />
Sounds und ab und an sogar Klavierklänge<br />
breit – doch ein Hammer wie der Song vom<br />
Lebensgarten hing hier nirgends. MOV<br />
hat die Stereoversion der einzigen Scheibe<br />
mit der Urbesetzung wie gewohnt ordentlich<br />
auf 180 Gramm Vinyl gepresst – von<br />
Ramsch keine Spur.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1968,<br />
10 Tracks) lbr<br />
CUBY (AND THE) +<br />
BLIZZARDS<br />
LIVE<br />
Live-Alben<br />
waren<br />
im<br />
Rockbusiness<br />
anno 1968 weit weniger<br />
üblich und<br />
gut als dann in den<br />
seligen 70ern. In<br />
deutlich mehr als<br />
weniger guter Stereo-Bootlegqualität ließ<br />
die holländische Elektro-Bluestruppe von<br />
Sänger Harry „Cuby” Muskee die Scheibe<br />
„recorded in Concert at <strong>the</strong> Rheinhalle<br />
Vinyl<br />
Dusseldorf” veröffentlichen. Die Jungs mit<br />
dem sehr guten Gitarristen Eelco Gelling<br />
und dem erstaunlich präsenten Pianisten<br />
Herman Brood (später ein Drogenwrack<br />
mit Wild Romance) rissen vier Standards<br />
und zwei eigene Nummern runter: rau,<br />
ungehobelt, spontan. Nicht schlecht, aber<br />
bestimmt nicht besser als die vielen Bluesbands<br />
aus dem UK, denen Liner-Notes-<br />
Au<strong>to</strong>r Alexis Korner gleichfalls Beistand<br />
leistete. Dennoch ein schönes Reissue aus<br />
der verdienten Reihe „Dutch Vinyl Masters”,<br />
die gute 180-Gramm-Pressung auf<br />
rotem Vinyl verpackt im originalgetreuen<br />
Klappcover.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1968, 6 Tracks) lbr<br />
IT’S A BEAUTIFUL DAY<br />
IT’S A BEAUTIFUL DAY<br />
Gibt es eine Platte,<br />
die den „Summer Of<br />
Love” so ausstrahlt<br />
wie das Debüt von<br />
It’s A Beautiful<br />
Day aus San Francisco?<br />
Na ja, man<br />
könnte noch IN SEARCH OF THE LOST<br />
CHORD von den Moody Blues nennen,<br />
aber für die amerikanischen Hippies stand<br />
dieses Album an erster Stelle! Besonders<br />
die kreative Spannung von Linda La-<br />
Flamme und David LaFlamme, der mit<br />
seiner Violine die Zuhörer verzauberte,<br />
trug maßgeblich zum Gelingen bei, da<br />
die beiden sich im Stil der Jefferson Airplane<br />
gesanglich auch noch ergänzten.<br />
Das wunderschön melancholische “White<br />
Bird”, ein atmosphärisches “A Hot Summer<br />
Day” und das orientalisch anmutende<br />
“Bombay Calling” (das sicherlich Deep<br />
Purples “Child In Time” inspirierte) vermitteln<br />
Sanf<strong>the</strong>it und das Gefühl unendlicher<br />
Möglichkeiten. Wenn man sich in<br />
diesem Monat nur ein Album leisten kann,<br />
dann muss es dieses sein!<br />
(Speakers Corner/Lotus Records, 1968,<br />
7 Tracks) at<br />
NINA HAGEN BAND<br />
UNBEHAGEN<br />
Natürlich hätte der<br />
Sammler gerne das<br />
„Rothaar”-Cover statt<br />
des<br />
langweiligeren<br />
„typo”-Covers gesehen,<br />
doch sonst gibt<br />
es an diesem Reissue<br />
auf – immerhin – rotem Vinyl nichts auszusetzen.<br />
Schon heillos zerstritten spielten Nina<br />
und die späteren Spliff-Mucker ihre Parts für<br />
das zweite und letzte gemeinsame Album getrennt<br />
ein. Entgegen Frau Hagens depperten<br />
Beschuldigungen, die Band „hätte sie in den<br />
Hintergrund gemischt”, klingt das trotzdem<br />
wie aus einem Guss. Und Nina dreht mächtig<br />
auf. Sie trällert, gurrt, krächzt, zerrt, jodelt,<br />
rrrollt, bellt und knurrt, dass der überdrehte<br />
Vokalstil heute sogar leichtes UNBEHAGEN<br />
verursachen kann. Damals Ende der 70er<br />
freilich eine Sensation, genau wie die unverblümten<br />
Texte, die Lyrics gibt’s zum Nachlesen<br />
auf einem Beiblatt. Musikalisch passiert<br />
in dem coolen Mix aus Reggae, New Wave<br />
und Klabauterschlager (<strong>to</strong>lle Liveversion von<br />
“Wenn ich ein Junge wär”) so einiges, auf<br />
Seite 2 geht mächtig der Punk ab.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1979, 9 Tracks) lbr<br />
Seite 48 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
LP<br />
REVIEWS<br />
GILLAN<br />
GLORY ROAD<br />
Manchmal trügt die<br />
Erinnerung: Wesentlich<br />
dumpfer, doofer<br />
und dürftiger hatte der<br />
Rezensent das 1980er<br />
Opus des stilprägenden<br />
Deep-Purple-<br />
Sängers in Erinnerung. Beim Wiederhören<br />
der Scheibe (ohne die seinerzeitige Zugabe<br />
“For Gillan Fans Only”) fallen die knackig<br />
abgehenden Eröffnungsstücke jeder Seite so<br />
positiv auf wie der abwechslungsreiche Hard<br />
Rock mit Blueseinlagen. Gitarrist Bernie<br />
Tormé fehlt zwar die melodische Raffinesse<br />
eines Ritchie Blackmore, aber das Manko<br />
teilt er mit den meisten Hard-Rock-Gitarristen.<br />
Produzent John McCoy griff in die damals<br />
übliche Sound-Trickkiste und nahm so<br />
Gillans Organ ein wenig ihres einzigartigen<br />
Charakters. Das vom 2007er CD-Reissue<br />
stammende Remaster mit seiner leicht übertriebenen<br />
Zweikilohertz-Be<strong>to</strong>nung trägt das<br />
Ihre zum etwas aggressiven Klang bei.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1980, 9 Tracks) lbr<br />
MISSUS BEASTLY<br />
SWF-SESSION 1974<br />
Missus Beastly aus<br />
Herford bei Bielefeld<br />
verschlissen<br />
Musiker für viele<br />
schöne<br />
Tabellen:<br />
Bei dieser Ausgabe<br />
war nur noch Originaldrummer<br />
Lutz Oldemeier von der<br />
1968er Urbesetzung dabei: Paul Vincent<br />
spielte bereits bei Hallelujah Babe, danach<br />
bei Lindenberg. Im Fahrwasser von<br />
Jazz-Rockgrößen wie If oder Soft Machine<br />
prägen vor allem die beiden Bläser<br />
die ausgefeilten Stücke und das Soundbild:<br />
Friedemann Josch (Ex-Unterrock)<br />
an der Querflöte und dem Sopransaxofon<br />
sowie Jürgen Benz am Alt-Sax, der ebenfalls<br />
Flöte spielt. Sie werden aber immer<br />
wieder – Beispiel “Talle” – von Embryo-<br />
Pianist Dieter Miekautsch abgelöst, welcher<br />
die meisten der durchweg instrumentalen<br />
Kompositionen zur Radiosession<br />
beiträgt. Oldemeier beweist mit Norbert<br />
Dömling am Bass (der hin und wieder zur<br />
Gitarre wechselt), wie entscheidend und<br />
spannend es für den Zuhörer sein kann,<br />
wenn die Rhythmusleute wirklich konzentriert<br />
aufeinander hören. Auch als CD<br />
erhältlich.<br />
(Malesch Records/Long Hair <strong>Music</strong>,<br />
1974/2012, 11 Tracks) utw<br />
MOUNTAIN<br />
NANTUCKET SLEIGHRIDE<br />
Unter den zahllosen<br />
Blues/Hard-Rockbands<br />
der späten<br />
60er/frühen<br />
70er<br />
ragen Mountain nur<br />
bedingt heraus. Zwar<br />
hatte das Quartett<br />
mit Gitarrist i t und Shouter Leslie West einen<br />
gewichtigen Frontmann, doch die zeitresistenten<br />
Übersongs, die Kompositionen<br />
für die Ewigkeit, fehlten den Jungs. Auch<br />
ihr zweiter, von der Waljagd inspirierter<br />
Longplayer, hat einige Längen. Trotzdem<br />
heißt man dieses Reissue herzlichst will-<br />
kommen, denn <strong>Music</strong> On Vinyl stattete<br />
es mit dem originalen Klappcover, mit<br />
einem 16-seitigen Beiheft und zwei zeitgenössischen<br />
(und etwas unscharf reproduzierten)<br />
Schwarzweiß-Bandfo<strong>to</strong>s aus.<br />
Die Produktion von Band-Bassist Felix<br />
Pappalardi und Bud Prager kommt recht<br />
druckvoll aus der neuen Rille.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1979,<br />
9 Tracks) lbr<br />
SETH LAKEMAN<br />
TALES FROM THE BARREL<br />
HOUSE + LIVE WITH THE BBC<br />
CONCERT ORCHESTRA<br />
Seth Sth Lakeman Lk gehört ebenso wie Kate<br />
Rusby, Kris Drever oder Karine Polwart<br />
zu jener jungen Garde britischer Folkmusiker,<br />
die in den letzten paar Jahren mit<br />
neuen, selbst verfassten Liedern und einer<br />
erfrischenden Herangehensweise alte Traditionen<br />
zu neuen Höhenflügen führten.<br />
Bestes Beispiel hierfür ist das im Frühjahr<br />
2012 veröffentlichte TALES FROM<br />
THE BARREL HOUSE, das seine Klasse<br />
als hochwertige 180g-Vinyl Version auch<br />
klanglich ausspielen kann. Parallel dazu<br />
gibt es eine auf 500 Exemplare limitierte<br />
10”-LP mit dem Titel LIVE WITH THE<br />
BBC CONCERT ORCHESTRA. Darauf<br />
sind fünf Lakeman-Songs zu hören, wie<br />
er sie im März letzten Jahres zusammen<br />
mit dem BBC Concert Orchestra live in<br />
Plymouth aufgeführt hat. Dieser klassische<br />
Background verleiht den Stücken<br />
noch einen Tick mehr Feierlichkeit, zeigt<br />
eindrucksvoll, dass diese Musik nicht nur<br />
mit Gitarre, Fiddle und Banjo funktioniert,<br />
sondern ihre Reize auch mit einem kompletten<br />
Orchester im Rücken ausspielen<br />
kann.<br />
(Honour Oak Records/Rough Trade,<br />
2012 + 2013, 10 Tracks + 5 Tracks) us<br />
GEORGE BENSON<br />
BEYOND THE BLUE HORIZON<br />
George<br />
Benson,<br />
der, wie auch viele<br />
andere, sein Oktav-<br />
Gitarrenspiel<br />
der<br />
Inspiration<br />
durch<br />
Wes Montgomery zu<br />
verdanken hat, hatte<br />
Ende der Sechziger/Anfang hi der Siebziger<br />
seine kreativste Phase, was nicht zuletzt<br />
dem Produzenten Creed Taylor geschuldet<br />
ist. Alben wie SHAPE OF THINGS<br />
TO COME, WHITE RABBIT und dieser<br />
Longplayer manifestierten seinen Ruf lange<br />
vor dem kommerziellen Durchbruch.<br />
Rasanter Jazz-Rock, bei dem sich Benson<br />
einen Wettstreit mit dem Hammond-<br />
Organisten liefert (“So What”), lyrischer<br />
Jazz mit hauchzarten Gitarrenlinien (“The<br />
Gentle Rain”) oder “Somewhere In The<br />
East”, ein experimenteller Song mit einem<br />
leichten Ethno-Touch, stehen für einen<br />
Musiker, der mit ganzem Herzen spielt<br />
und sich noch nicht den Marktgesetzen<br />
unterworfen hat. Das Album erscheint<br />
in einem Klappcover und – wie bei allen<br />
Platten von Speakers Corner üblich – als<br />
180g-Pressung.<br />
(Speakers Corner//Lotus Records,<br />
1971, 5 Tracks) at<br />
THE LOVIN’ SPOONFUL<br />
THE BEST OF<br />
Unter gefühlt Hunderten<br />
von Samplern<br />
und Compilations<br />
der New<br />
Yorker<br />
Sixties-<br />
Helden ist dies der<br />
schönste und beste.<br />
So kurz, so gut. Es ist <strong>Music</strong> On Vinyl<br />
hoch anzurechnen, dass sie das originale<br />
Klappcover und vor allem die beigelegten<br />
vier schönen Farbfo<strong>to</strong>s der Bandmitglieder<br />
(The Beatles grüßen vom WHITE<br />
ALBUM) so gut es ging reproduziert haben.<br />
Die Lovin’ Spoonful waren definitiv<br />
eine Single-Band, deren “Summer In The<br />
City” noch immer zum Soundtrack jeder<br />
heißen Jahreszeit zählt. Zwischen Jug,<br />
Country, Blues und Rock’n’Roll ließen<br />
die Jungs um John Benson Sebastian ihren<br />
Pop während der wenigen Erfolgsjahre<br />
1965–1968 leuchten. Nach dem Ausstieg<br />
von Sebastian kam nix Großes mehr.<br />
Was bleibt, sind coole Songs – und dieser<br />
starke Sampler.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1969,<br />
12 Tracks) lbr<br />
DEAN ALLEN FOYD<br />
ROAD TO ATLAS<br />
Das ist schon sehr<br />
retro! Nicht nur dass<br />
das junge schwedische<br />
Quartett<br />
Dean Allen Foyd<br />
schwer nach Sixties<br />
klingt, es veröffentlicht<br />
sein neues (Mini-)Album ROAD<br />
TO ATLAS auch ausschließlich auf Vinyl.<br />
Das sollte Fans von Psychedelia,<br />
Westcoast- und Blues-Rock jedoch nicht<br />
weiter stören. Da hört man die Hammond<br />
orgeln, Gitarren durch Fuzz- und<br />
Wah-Wah-Geräte gejagt und Ping-Pong-<br />
Stereo-Effekte von links nach rechts bzw.<br />
rechts nach links wandern, dass es eine<br />
wahre Freude ist. Mit ihren Soundanklängen<br />
an Pink Floyd, Jimi Hendrix und Jefferson<br />
Airplane wirken Dean Allen Foyd<br />
wie aus der Zeit gefallen. Und gerade das<br />
macht sie, Retromania hin oder her, in<br />
diesem Fall so sympathisch.<br />
(Crusher/Soulfood, 2013, 5/22:40) frs<br />
Vinyl<br />
SANTANA<br />
ABRAXAS<br />
Von Santanas zweitem<br />
und wohl auf<br />
ewig bestem Album<br />
gibt es so viele Ausgaben<br />
auf Vinyl und<br />
CD wie Sand an<br />
den<br />
kalifornischen<br />
Pazifikstränden. Über den fantastischen<br />
Musikmix von Salsa, Rock, Pop, Jazz<br />
und Blues muss man keine Worte mehr<br />
verlieren – die Scheibe mit dem wunderschönen<br />
Klarwein-Gemälde auf dem<br />
Cover gehört zum Weltkulturerbe. Die<br />
Messlatten bezüglich Sound legten bislang<br />
die teure MFSL-Verison sowie das<br />
1998er Remaster von Vic Anesini. Dieses<br />
sehr schön ausgestattene Reissue –<br />
Hochglanz-Klappcover, mit dem schönen<br />
großen (etwas griseligen) Bandfo<strong>to</strong> als<br />
Poster – lässt zwar viele Nachpressungen<br />
hinter sich, wirkt aber mit angeschärften<br />
S-Lauten oder zischeligeren Becken etwas<br />
aggressiver als die MFSL-Fassung. Die<br />
Remaster-CD liegt gleichauf, verliert in<br />
optischer Hinsicht aber natürlich klar.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1970, 9 Tracks) lbr<br />
THE WHO<br />
WHO’S NEXT<br />
Nicht schlecht für<br />
eine Abraumhalde:<br />
Aus den Resten<br />
des gescheiterten<br />
„Lifehouse”-Projekt<br />
hauten Pete Townshend<br />
und seine Who<br />
mal so eben eines der besten Alben einer<br />
der besten Bands aller Zeiten raus. Gerade<br />
ließ Universal die Vinylbox mit allen<br />
Who-Studio-Alben auf Basis der Jon-<br />
Astley-Remaster raus – und auch sonst<br />
herrscht an schwarzen und silbernen Versionen<br />
des fünften Who-Werks kein Mangel.<br />
MOV stickert zwar mit „exclusively<br />
remastered 180 gram audiophile vinyl<br />
pressing”, doch über den Remaster-Mind<br />
schweigen sich die Reissue-Spezialisten<br />
aus. Obwohl es aufgeräumter und auch<br />
definierter als auf deutschen 70er-Jahre-<br />
Pressungen tönt. Was soll’s. Spätestens<br />
wenn Sänger Roger Daltrey seinen legendären<br />
Urschrei nach dem Synthie-<br />
Mittelteil von „Won’t Get Fooled Again”<br />
rauslässt, ist alles egal. Hier hängt der<br />
Hammer.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo; 1971,<br />
9 Tracks) lbr<br />
GEMMA RAY<br />
DOWN BABY DOWN<br />
Gemma Rays Vorliebe<br />
für Soundtracks<br />
ist ihrer bisherigen<br />
Arbeit deutlich anzuhören.<br />
Aus den<br />
Songs der vorangegangen<br />
vier Alben<br />
klingen mal düstere Spaghetti-Western-<br />
Töne à la Ennio Morricone, mal zittrige<br />
„Pulp Fiction”-Surfgitarren. Auf ihrem<br />
Album IT’S A SHAME ABOUT GEMMA<br />
RAY coverte sie die von Krzysz<strong>to</strong>f Komeda<br />
komponierte Titelmelodie des Polanski-<br />
Thrillers „Rosemary’s Baby”. Auf ihrem<br />
neuen, fünften Album lebt die gebürtige<br />
Britin mit Wahlheimat Berlin nun ihre<br />
Vorliebe für Film-Scores vollends aus.<br />
DOWN BABY DOWN, das nur als Vinyl<br />
(mit beiliegender CD) erscheint, klingt wie<br />
die Tonspur zu einem noch nicht gedrehten<br />
Film. Die zehn kurzen Instrumental-Nummern<br />
– Ray spielt hauptsächlich Gitarre,<br />
ihre Stimme setzt sie nur spärlich ein –<br />
sind atmosphärisch dichte, zwischen Kammer-Jazz<br />
und Gothic-Folk changierende,<br />
suggestive Tongemälde, angereichert mit<br />
vielerlei Klangfarben (Glockenspiel, Melodica,<br />
Dulcimer, Theremin etc.), die beim<br />
Hören innere Bilder geradezu heraufbeschwören.<br />
Film ab!<br />
(Bronze Rat/Soulfood, 2013, 10/27:27) frs<br />
<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 49
LP<br />
REVIEWS<br />
NECRONOMICON<br />
HAIFISCHE<br />
Nicht zu verwechseln<br />
mit der (später entstandenen)<br />
Metal-Thrash-<br />
Formation gleichen<br />
Namens ist diese deutsche<br />
Krautrockband.<br />
1972 veröffentlichten<br />
Necronomicon (der ungewöhnliche Name<br />
ist dem Titel eines fiktiven Buches mit Horror-<br />
und Science-Fiction-Geschichten von<br />
H.P. Lovecraft entliehen) ihre erste LP mit<br />
dem Titel TIPS ZUM SELBSTMORD, heute<br />
ebenso wie die 1990er 4-fach-LP VIER KA-<br />
PITEL gesuchtes Sammlerstück. 2010 fand<br />
die Band sich wieder zusammen, beschloss<br />
einige Songs, die sie bereits 1974 komponiert<br />
hatten, aufzuarbeiten und in einem<br />
professionellen Studio aufzunehmen. Das<br />
Ergebnis heißt HAIFISCHE und liegt jetzt<br />
als wunderschön gestaltete, aufklappbare LP<br />
vor, die CD gibt’s gratis dazu. Dabei punktet<br />
diese Veröffentlichung aber nicht nur mit<br />
<strong>to</strong>ller Optik und fettem Klang, sondern auch<br />
mit klasse Prog-Rock mit deutschen Texten –<br />
wer zu Krautrock-Hochzeiten auf Bands wie<br />
Anyone’s Daughter, Novalis oder Hoelderlin<br />
stand, wird hier bestens bedient.<br />
(www.necronomicon-1972.de, 2012,<br />
4 Tracks) us<br />
SILBERBART<br />
4 TIMES SOUND RAZING<br />
Hajo Teschner, heute<br />
67, Herausgeber der<br />
Gitarrenschule Fridolin<br />
und Ex-Gitarrist<br />
der Hamburger Beatband<br />
The Tonics, sah<br />
seine Mitstreiter zu<br />
James Last und Lucifer’s Friend wechseln.<br />
Lieber leitete er 1969–1971 dieses<br />
progressive Powertrio, das ein Phonogram-<br />
Waschzettel passend beschreibt: „7/8 und<br />
9/8 Takte sind bei uns nichts Ungewöhnliches.<br />
Allerdings müssen wir manchmal<br />
zählen wie die Teufel.” Dazu, so Teschner<br />
heute, „... ich an der Gitarre und mit<br />
ziemlich grausligem Gesang gesegnet”.<br />
Eine ehrliche Skizzierung, welche diese<br />
einzige LP aber nicht weniger spannend<br />
macht. Statt weiterhin Zeppelin und Grand<br />
Funk zu covern, bastelte die Band in ihrer<br />
Kneipe in Dangast am Jadebusen lieber an<br />
recht vertrackten Zappa-esken Langwerken<br />
– holte alles heraus, was Gitarre, Bass und<br />
Schlagzeug an harmonischen sowie dissonanten<br />
Variationsmöglichkeiten zu bieten<br />
haben: Versierter Trommler war der spätere<br />
Trio-Takthalter Peter Behrens. Erscheint<br />
auch als CD.<br />
(Malesch Records/Long Hair <strong>Music</strong>,<br />
1971/2012, 4 Tracks) utw<br />
BILLY JOEL<br />
STREETLIFE SERENADE<br />
Lange wurde das<br />
dritte Studio-Album<br />
von Billy Joel<br />
schwächer bewertet<br />
und verkauft als der<br />
Vorgänger PIANO<br />
MAN. Doch im<br />
Nachhinein ist auch STREETLIFE SERE-<br />
NADE eine grandiose Schöpfung. Mit dem<br />
dynamischen Titelsong, dem bärenstarken<br />
Vinyl<br />
Insturmental “Root Beer Rag” oder dem<br />
rasant-resignierenden “The Entertainer”<br />
sorgte der klavierspielende Singer/Songwriter<br />
für Klasse-Material, und auch der<br />
Rest ist kein Füller, sondern birgt manche<br />
unbekannte Perle wie die Ballade “The<br />
Great Suburbian Showdown”. Das MOV-<br />
Reissue (leider ohne Textblatt) geht klanglich<br />
wohl auf das exzellente Hochbit-Remaster<br />
von Ted Jensen anno 1999 zurück,<br />
dank kurzer Spielzeit (knapp 38 Minuten)<br />
und Verlagerung in die Außenrillen kommt<br />
reichlich Dynamik ohne jede Schärfe rüber.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1974,<br />
10 Tracks) lbr<br />
DULL KNIFE<br />
ELECTRIC INDIAN<br />
Das Philips-Label hatte<br />
etwa durch die Klassik-<br />
Jazz-Rocker Ekseption<br />
satte Verkäufe: Da<br />
konnte man sich experimentellere,<br />
vertracktere<br />
Rockmusik wie die von<br />
Dull Knife mal leisten. Benannt nach dem<br />
Häuptling der nördlichen Cheyenne und mit<br />
brutalem Stumpfmesser-Einstich-Cover verziert,<br />
treiben Komponist/Keyboarder/Sänger<br />
Gottfried Janko und Bassist Martin Hesse<br />
– beide später zu Jane wechselnd – ihre<br />
Mitstreiter durch präzise durcharrangierte<br />
Midtempo-Stücke, bei denen nur Jankos<br />
öfter verzerrter Gesang stört. Allerdings<br />
versöhnt seine stets angenehme Hammondund<br />
Piano-Arbeit. Unterstützt werden Janko<br />
und Hesse durch Gitarrist Christian Holik<br />
und Schlagzeuger Klaus Zaake. Bei dieser<br />
Instrumentierung blieben Anklänge an Deep<br />
Purple und Cactus natürlich nicht aus, die<br />
Band Jane wiederum hat sich an Versatzstücken<br />
von Dull Knife gerne bedient. Ein<br />
reizvolles Mosaikstück des frühen deutschen<br />
Hard Rock.<br />
(Malesch Records/Long Hair <strong>Music</strong>,<br />
1971/2013, 8 Tracks.) utw<br />
RONETTES<br />
PRESENTING THE FABULOUS<br />
RONETTES FEATURING<br />
VERONICA<br />
Es gibt nur wenige<br />
Bands, die mit nur<br />
einer einzigen je<br />
veröffentlichten LP<br />
so bekannt wurden<br />
wie die Ronettes<br />
– umso wichtiger,<br />
diese schwarze Scheibe im heimischen<br />
Plattenschrank zu haben! Die ideale Möglichkeit<br />
hierzu bietet die jetzt erschienene<br />
Wiederveröffentlichung dieses Albums, im<br />
wunderschönen Original-Artwork und in bestechendem<br />
180g-Vinylklang. Neben Arrangeur<br />
Jack Nitzsche war Phil Spec<strong>to</strong>r hier die<br />
Hauptfigur, bewies seine genialen Fähigkeiten<br />
nicht nur als Produzent, sondern auch als<br />
Songau<strong>to</strong>r. Zusammen mit Barry Man, Cynthia<br />
Weil, Vini Poncia oder Ellie Greenwich<br />
schrieb er Veronica (aka Ronnie Bennett),<br />
Estelle Bennett und Nedra Talley soulige<br />
Popnummern wie “Be My Baby”, “Chapel<br />
Of Love”, “Walking In The Rain”, “Baby I<br />
Love You” und “(The Best Part Of) Breakin’<br />
Up” auf den Leib. Himmlisch!<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1964,<br />
12 Tracks) us<br />
CD<br />
REVIEWS<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
STUDIO ONE IRONSIDES<br />
In den 60er und 70er Jahren beherrschte die<br />
Plattenfirma Studio One dermaßen den jamaikanischen<br />
Markt, dass sich Labelchef<br />
Coxsone Dodd, um die Radio- und Club-DJs<br />
nicht zu langweilen, neue Markennamen<br />
einfallen ließ. In die Mitte der Scheiben ließ<br />
er fortan Labels mit fantasievollen Bezeichnungen<br />
wie Bongo Man oder Ironside pappen.<br />
Ob für Letztere die gleichnamige US-<br />
TV-Serie (dt.: „Der Chef”) Pate stand oder<br />
irgendein Wortspiel, ist heute nicht mehr<br />
ganz klar. Klar ist jedoch, dass der Katalog<br />
der in Kings<strong>to</strong>ns Studio Nummer eins produzierten<br />
Reggae-, Ska- und Rocksteady-<br />
Aufnahmen schier unerschöpflich ist. Das<br />
Londoner Label Soul Jazz Records bringt<br />
mit STUDIO ONE IRONSIDES die gefühlte<br />
20. Anthologie heraus. Darauf sind bekanntere<br />
Reggae-Künstler wie Freddie McGregor<br />
(“Come Now Sister”) oder Marcia Griffiths<br />
(“Mark My Word”) zu hören, aber auch erneut<br />
viele Entdeckungen zu machen: Ob die<br />
Skatalites-Nachfolgeband The Soul Bro<strong>the</strong>rs<br />
mit “Soho” eine treibende Instrumental-<br />
Hommage an den Londoner Stadtteil hinlegt<br />
oder die obskure Vokalgruppe The Stingers<br />
mit “Rasta Don’t S<strong>to</strong>p No One” ein entspanntes<br />
Stück Love, Peace & Unity predigt.<br />
(Soul Jazz/Indigo, 2013,18/58:48) frs<br />
BOZ SCAGGS<br />
MEMPHIS<br />
Ende der 60er war<br />
Boz Scaggs Gitarrist<br />
der Steve Miller<br />
Band, seit Anfang der<br />
70er konnte er zahlreiche<br />
Solo-Alben in<br />
den Charts platzieren,<br />
am erfolgreichsten fl iht immer noch das fünffach<br />
Platin-ausgezeichnete SILK DEGREES (US<br />
#2) aus dem Jahr 1976. Mit MEMPHIS veröffentlicht<br />
er nun das erste neue Material seit<br />
zehn Jahren. Eingerahmt von zwei selbst verfassten<br />
Liedern hat er sich starke Songs anderer<br />
für seine relaxten Interpretationen ausgesucht,<br />
beginnend mit Al Greens “So Good<br />
To Be Here” über “Mixed Up, Shook Up<br />
Girl” von Willy DeVille und “Rainy Night In<br />
Georgia” von Tony Joe White geht es bis zu<br />
Jimmy Reeds “You Got Me Cryin’”. Klasse<br />
auch das Traditional “Corinna, Corinna”, und<br />
mit “Cadillac Walk” erweist er dem ewig unterbewerteten<br />
Moon Martin die Ehre. Klasse<br />
Qualitätsware eines Mannes, der schon so<br />
lange im Geschäft ist, dass er genau weiß,<br />
wie man solch hochwertige Vorlagen präsentieren<br />
muss.<br />
(Membran/Sony <strong>Music</strong>, 2013, 12/47:59) us<br />
OTIS TAYLOR<br />
MY WORLD IS GONE<br />
Wie gewohnt zeigt sich Otis Taylors „Trance-Blues”<br />
auch auf seinem neuen Album<br />
äußerst vielschichtig. Neben Jazz, Soul<br />
und Americana geht es auf MY WORLD<br />
IS GONE oft in Richtung Folk, reichen für<br />
viele der Songs sparsame Arrangements<br />
aus Gitarre, Banjo, Fiddle und Drums aus.<br />
Grund hierfür dürfte die Mitwirkung von<br />
Ma<strong>to</strong> Nanji (Indigenous) sein, dessen indianische<br />
Abstammung die gesamte Richtung<br />
des Albums inspiriert und der mit Gesang,<br />
elektrischer und akustischer Gitarre<br />
auch musikalisch Einfluss nimmt. Neben<br />
diesen Ausflügen in die Geschichte Amerikas<br />
singt Taylor aber auch über seine<br />
gewohnten Themen, “Huckleberry Blues”<br />
handelt von einer Stalkerin in der Nachbarschaft,<br />
auf was man bereit ist zu verzichten,<br />
wenn man liebt, wird in “The Wind<br />
Comes In” erzählt. Höchst interessant auch<br />
das Thema von “Girl Friend’s House”, bei<br />
dem hier nicht verraten wird, wie es weitergeht,<br />
als ein Mann seine Frau mit ihrer<br />
Freundin im Ehebett überrascht ...<br />
(Telarc/inakustik, 2013, 13/60:44) tk<br />
JAMES HUNTER SIX<br />
MINUTE BY MINUTE<br />
Bestens<br />
vorbereitet<br />
ist dieses Album,<br />
mit dem James Hunter<br />
nach fünf Jahren<br />
Pause wieder im<br />
Rampenlicht<br />
auftaucht.<br />
Klasse Songs<br />
hat die britische Soul-Bluesröhre – dessen<br />
Stimme immer noch wie ein Mittelding aus<br />
Jackie Wilson und Sam Cooke klingt – für<br />
MINUTE BY MINUTE geschrieben, und<br />
für die Aufnahmen zeigte sich mit Gabriel<br />
Roth ein Produzent verantwortlich, der<br />
nicht nur Gründer des Dap<strong>to</strong>ne Labels ist,<br />
sondern auch für den herrlichen, Grammyausgezeichneten<br />
Vintage-Sound von Amy<br />
Winehouses BACK TO BLACK sorgte.<br />
Dabei glänzen die neuen Stücke auf ganz<br />
unterschiedliche Weise, mal geht es wie<br />
beim Opener “Chicken Switch” in Richtung<br />
Funk, mal lassen die James Hunter Six<br />
“One Way Love” wie einen alten Mo<strong>to</strong>wn-<br />
Hit klingen, mal wird “The Gypsy” als<br />
shuffliger Blues angerichtet, nicht zu vergessen<br />
guter alter Soul wie das emotionale<br />
“Heartbreaks”.<br />
(Concord/Universal, 2013, 12/39:22) tk<br />
BART WALKER<br />
WAITING ON DAYLIGHT<br />
Zweites Album eines außergewöhnlich talentierten<br />
Blues-Rockers aus Nashville, der das<br />
kleine Kunststück fertigbringt, ziemlich exakt<br />
innerhalb eines Dreiecks zu spielen, das von<br />
ZZ Top, den Allman Bro<strong>the</strong>rs und Stevie Ray<br />
Vaughan begrenzt wird. Bart Walker hat (mit<br />
Hilfe einiger Co-Au<strong>to</strong>ren) ein Bündel satt<br />
rockender Sou<strong>the</strong>rn-Bluessongs komponiert,<br />
von denen “Black Clouds” mit seinem brummig<br />
wühlenden Bass, die Ballade “Walking<br />
On Daylight” und das enorm flüssig dahinperlende<br />
“Gotta Be You” die besten Tracks sind.<br />
Sehr geglückt, weil extraflott trabend, kommt<br />
auch J.B. Hut<strong>to</strong>s “Hipshake It” daher, und<br />
eine feine Cover-Version des Allmans-Klassikers<br />
“Whippin’ Post” schließt das kurzweilige<br />
Album würdig ab. Eingespielt wurde es vom<br />
versierten Nashville-Rhythmusgespann Dave<br />
Smith (b) und Steve Potts (dr) sowie bei einigen<br />
Titeln Rick Steff (keys). Bart Walker<br />
hatte als souveräner Saitengreifer den idealen<br />
Rahmen für etliche Gitarrensoli gehobener<br />
Klasse und erweist sich zudem als weit mehr<br />
als nur solider Sänger. Hier reift im Eiltempo<br />
ein Könner heran, von dem noch viel zu hören<br />
sein wird! Walkers Blues muss offensichtlich<br />
auch den erfahrenen Produzenten Jim Gaines<br />
so stark beeindruckt haben, dass er jegliche<br />
Routine beiseite ließ und einen engagierten<br />
Job mit viel Gefühl für delikaten Klangfeinschliff<br />
verrichtete.<br />
(Ruf/inakustik, 2013, 11/47:24) hjg<br />
Seite 50 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>
CD<br />
Blues – R&B – Soul – Funk – Reggae<br />
BEN SIDRAN<br />
DON’T CRY FOR NO<br />
HIPSTER<br />
Mehr als drei Jahre lang hat man nichts<br />
mehr von Ben Sidran gehört. Letztes<br />
Lebenszeichen war sein furioses Bob-<br />
Dylan-Cover-Album DYLAN DIFFE-<br />
RENT. Nun veröffentlicht das 69-jährige<br />
Multitalent (Sänger, Keyboarder,<br />
Buchau<strong>to</strong>r u.a.), das der Anfangsformation<br />
der Steve Miller Band angehörte<br />
und stets gefragter Sessionmusiker war<br />
(Rolling S<strong>to</strong>nes, Eric Clap<strong>to</strong>n, Peter<br />
Framp<strong>to</strong>n etc.), mit DON’T CRY FOR<br />
NO HIPSTER sein 37. Solo-Album.<br />
Und darauf lebt Sidran seine Liebe zur<br />
schwarzen Musik (Jazz, Soul, Funk)<br />
voll und ganz aus. Über coole Akkorde<br />
und groovige Rhythmen, begleitet von<br />
einer punktgenau spielenden Band,<br />
legt er seine smoo<strong>the</strong>n Sprechgesänge.<br />
Man fühlt sich an die Soultalks eines<br />
André Williams, an den frühen Tom<br />
Waits oder auch an Jack Kerouacs Spoken-Word-Jazz-Performances<br />
erinnert.<br />
Cool, groovig, hip!<br />
(Bonsai/Harmonia Mundi, 2013,<br />
14/54:25) frs<br />
FABIAN ANDERHUB<br />
MAKE THE CHANGE<br />
Stetig<br />
bergauf<br />
ging es für diesen<br />
Schweizer<br />
Musiker<br />
im<br />
Laufe der letzten<br />
drei Jahre.<br />
Im<br />
Sommer<br />
gewann Fabian Fbi Anderhub Ad die Swiss<br />
Blues Challenge, was ihn jetzt dazu berechtigt,<br />
sein Heimatland sowohl bei der<br />
International als auch bei der European<br />
Blues Challenge zu vertreten, jetzt zeigt<br />
er seinen musikalischen Konkurrenten<br />
mit MAKE THE CHANGE schon mal,<br />
warum sie sich für beide Wettbewerbe<br />
warm anziehen sollten: Jung, frisch<br />
und unverbraucht rockt er los, hat den<br />
Blues- und Funkanteil signifikant nach<br />
unten gefahren. Dafür hat er Country<br />
(u.a. mit Banjo und Fiddle), eine Akustikballade<br />
sowie eine gehörige Portion<br />
Sou<strong>the</strong>rn Rock mit im Gepäck. Ebenso<br />
abwechslungsreich agiert Anderhub<br />
bei der Song auswahl, neben eigenen<br />
Stücken hat er sich mit zwei Titeln bei<br />
den kanadischen Country-Rockern von<br />
Doc Walker bedient, macht aus Adam<br />
Gregorys Folk-Rocksong “Twister Girl”<br />
bluesigen Hard Rock, beendet das Album<br />
mit einer klasse Version von Freddie<br />
Kings Blues-Rockklassiker aus dem<br />
Jahr 1971, “Palace Of The King”. Stark!<br />
(Big Lake/Rough Trade, 2013,<br />
10/35:11) tk<br />
NINA SIMONE<br />
TO BE FREE: THE NINA<br />
SIMONE STORY<br />
2008 erschien diese Retrospektive<br />
schon einmal als Hochformat-Box, nun<br />
findet man die vier Silberscheiben (drei<br />
CDs, eine DVD) in einem mehrfach<br />
aufklappbaren Digipak. An der Einschätzung<br />
dieser Veröffentlichung hat<br />
sich sei<strong>the</strong>r nichts geändert, immer noch<br />
ist TO BE FREE: THE NINA SIMONE<br />
STORY einer der besten Rückblicke<br />
auf Nina Simones musikalisches Werk.<br />
Chronologisch geht es dabei durch die<br />
Jahre, beginnend mit “Mood Indigo”<br />
aus dem Jahr 1957 bis zu “A Single Woman”,<br />
1993 in Los Angeles aufgenommen.<br />
Neben den Studiotracks sind es<br />
immer wieder die Live-Aufnahmen, bei<br />
denen sie ihr unglaubliches Talent und<br />
ihre geniale Fähigkeit, sich Songs aus<br />
allen Bereichen zu eigen zu machen, beweisen<br />
konnte. Auch das Booklet wurde<br />
(bis auf das halb so große Format) ohne<br />
Änderungen aus der ursprünglichen<br />
Box übernommen, etwas kleiner erhält<br />
man nun ausführliche (englische) Infos<br />
zu jedem Song, herrliche Fo<strong>to</strong>s und Produktionsangaben.<br />
(RCA/Sony <strong>Music</strong>, 2008, 20/77:54,<br />
17/79:02, 14/77:41, DVD 23 Min.) us<br />
ROBBEN FORD<br />
BRINGING IT BACK HOME<br />
Kaum<br />
einer<br />
der<br />
Großen<br />
der Jazz- und<br />
Bluesszene<br />
spielt seine Gitarre<br />
so virtuos<br />
und<br />
zugleich<br />
geschmackvoll wie Robben Ford. Mit<br />
BRINGING IT BACK HOME, seinem<br />
neunten Solowerk, wollte der 61-Jährige<br />
nach eigenem Bekunden seinen<br />
frühen Vorbildern Tribut zollen. Also<br />
hat er Songs aus den 60ern Jahren (Allen<br />
Toussaint, Charlie Pat<strong>to</strong>n, Big Joe Williams,<br />
Bob Dylan) neu interpretiert und<br />