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GoodTimes - Music from the 60s to the 80s Queen (Vorschau)

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Tony Sheridan • Kevin Ayers • Stephen Stills • Justin Hayward • Eric Burdon • Cactus • Albert Hammond<br />

D: € 6,50 • Schweiz CHF 12,00 • A • L • NL • I • B: € 7,00 • Nr. 2/2013 • April/Mai • www.goodtimes-magazin.de<br />

EXTRAS<br />

+++EXTRAS+++<br />

Amiga + Sun Records + Gimmicks<br />

Mord & Totschlag + Die Aussteiger<br />

Jimi Hendrix<br />

Billy Cox & Eddie Kramer:<br />

Auf zu neuen Ufern<br />

Troggs<br />

Reg Presley:<br />

Der ewige Trogg<br />

Manfreds<br />

Zwei Sänger –<br />

viele Erinnerungen<br />

Kreis<br />

Vom Disco-Sound zur<br />

Wagner-Schwere<br />

Willie Nelson<br />

Kraftwerk • Chuck Leavell • Mott The Hoople • Lynsey De Paul • Snakecharmer • Chi Coltrane • Dave Edmunds


INHALT<br />

Ausgabe 123 · April/Mai 2013<br />

10 <strong>Queen</strong><br />

Royale Prozession<br />

14 We Will Rock You<br />

<strong>Music</strong>al in Essen im neuen Gewand<br />

16 Hits dank Gimmicks?<br />

Werbegeschenke der Plattenindustrie<br />

20 Willie Nelson<br />

Outlaw unter Denkmalschutz<br />

24 Kreis<br />

Arnold Fritzsch: Vom Disco-Sound zur Wagner-Schwere<br />

26 Amiga<br />

Auferstanden aus Ruinen – nach der Wende ausverkauft<br />

29 Albert Hammond<br />

Alter Mann mit dem Enthusiasmus eines Jünglings<br />

68 Cactus<br />

Comeback der Rampensäue<br />

69 Petula Clark<br />

Bald erstmals live in Deutschland?<br />

70 Manfreds<br />

Zwei Sänger – viele Erinnerungen<br />

71 Eric Burdon<br />

Erinnerung an Bo<br />

72 Tony Sheridan<br />

Nachruf<br />

76 Reg Presley<br />

Der ewige Trogg<br />

77 Sun Records<br />

Ano<strong>the</strong>r Kind Of Country <strong>Music</strong> ... The Sun Country Box<br />

78 Kevin Ayers<br />

Der Dandy des Pop ist <strong>to</strong>t<br />

79 Lynsey de Paul<br />

Große Künstlerin mit Bühnenangst<br />

81 Chuck Leavell<br />

Verneigung mit Keith<br />

82 Billy Boy Arnold<br />

Bluesporträt No. 39<br />

83 Dave Edmunds<br />

Neue Songs, aber nie mehr live?<br />

84 Kraftwerk<br />

Karl Bar<strong>to</strong>s: Feedback aus der Vergangenheit<br />

86 Live<br />

Jeff Wayne's War Of The Worlds – Rock Meets Classic<br />

87 Stephen Stills<br />

50 Jahre in einer Box<br />

88 Jimi Hendrix<br />

Billy Cox und Eddie Kramer erinnern sich an die Zeit des Umbruchs<br />

90 Green On Red<br />

Helden der Eighties ... und mehr<br />

92 Die Aussteiger<br />

Von Lewis Collins bis Screaming Lord Sutch<br />

95 <strong>GoodTimes</strong>-Newcomer<br />

Allen S<strong>to</strong>ne – Andreas Kümmert – Gary Clark Jr.<br />

96 Justin Hayward<br />

Auch Kitsch ist Kunst<br />

97 Emmylou Harris & Rodney Crowell<br />

Lebenslange Freundschaft<br />

98 Morde & Mörder in der Musikszene<br />

Spiel mir das Lied vom Tod<br />

101 Dave Kelly<br />

Blues mit Kids und Kumpels<br />

102 Snakecharmer<br />

Melodie, AOR plus Blues-Rock<br />

102 Verden Allen<br />

Das Kapitel Mott The Hoople ist vorbei<br />

103 Krokus<br />

Volles Rohr!<br />

104 Es war einmal ...<br />

Ein Blick zurück auf Denkwürdiges<br />

109 Chi Coltrane<br />

Kreuzverhör<br />

110 Skip Bifferty<br />

Band-Archiv<br />

112 Roogala<strong>to</strong>r/Danny Adler<br />

Spurensuche<br />

114 ... zuguterletzt<br />

Richard Thompson – Paul Raymond Project – Devon Allman<br />

<strong>Queen</strong>, S. 10<br />

Manfreds, S. 70<br />

Willie Nelson, S. 20<br />

RUBRIKEN<br />

4 Aktuell – Neues aus der Szene<br />

30 CD/Vinyl-Vorstellungen<br />

61 DVD/Blu-ray-Vorstellungen<br />

63 Buch-Vorstellungen<br />

64 <strong>GoodTimes</strong>-Shop<br />

66 Kleinanzeigen<br />

Edi<strong>to</strong>rial<br />

Reg Presley, S. 76<br />

Kreis, S. 24<br />

Jimi Hendrix, S. 88<br />

67 Abo-Bestellschein<br />

80 Kolumne: Christian Simon<br />

106 Konzertkalender<br />

110 His<strong>to</strong>ry<br />

113 Leserbriefe<br />

114 Impressum<br />

Kaum wurden die anstehenden Deutschland-Shows von Eric<br />

Clap<strong>to</strong>n angekündigt, waren sie auch schon im Handumdrehen<br />

ausverkauft. Der Name des Altmeisters steht dabei stellvertretend<br />

für ein nicht ganz neues Phänomen: Tickets für die ganz Großen<br />

des Musikgeschäfts sind heißbegehrt, egal wie teuer sie auch sein<br />

mögen. Dem steht ein anderes Phänomen gegenüber, das Musikern<br />

wie Veranstaltern zu schaffen macht: Namen der Mittelklasse<br />

ziehen nicht mehr wie gewohnt, selbst etablierte Acts wie<br />

Status Quo, bei denen man weiß, dass man live Gegenwert fürs<br />

Geld bekommt, garantieren nicht mehr für ausverkaufte Hallen.<br />

Und Gruppen oder Interpreten ein, zwei Etagen darunter tun sich schwer, überhaupt Gigs an<br />

Land ziehen zu können – oder müssen auf Abendkasse spielen.<br />

Deutsche Blues-Rocker tun sich schwer, weil das deutsche Publikum offenbar lieber zu (oft<br />

gehypten) vergleichbaren Akteuren aus dem UK oder den USA gehen. Und dass Konzertausrichter<br />

es angesichts sinkender Zuschauerzahlen zunehmend scheuen, ins finanzielle Risiko<br />

zu gehen, ist nachvollziehbar.<br />

Ein Problem ist, dass der Publikumsgeschmack inzwischen absolut unkalkulierbar ist. Große<br />

Veranstaltungen, die einst Kassenschlager waren – wie Jeff Waynes „War Of The Worlds"<br />

oder „Rock Meets Classic" mit klangvollen Namen –, ziehen plötzlich nicht mehr so, obwohl<br />

sie den Besuchern neben Stars auch einen für Rockkonzerte nicht unbedingt üblichen Komfort<br />

in großen Hallen bieten. Doch genau dieser Punkt hat offenbar bei vielen Akteuren, die<br />

in Clubs auftreten, eine wachsende Bedeutung: Die Musikliebhaber werden wie ihre Favoriten<br />

immer älter. Anderthalb Stunden Stehen ist nicht mehr jedermanns Sache, ebenso die<br />

immer noch von vielen Rockern übertriebene Lautstärke. Erschwerend kommen die teilweise<br />

doch deutlich gestiegenen Eintrittspreise hinzu.<br />

Da ist es fast schade, dass es im Musikpublikum – anders als im Fußball – keine Fanzusammenschlüsse<br />

gibt, die mit den Veranstaltern erörtern könnten, woran es im aktuellen Konzertgeschehen<br />

(neben oft schlechter Werbung) krankt. Vielleicht haben Sie, liebe Leserinnen<br />

und Leser, Hinweise und Tipps, was verbessert werden könnte. Und gehen Sie weiter eifrig in<br />

Konzerte – Sie tun damit sich selbst, den Künstlern, die davon leben, aber auch <strong>GoodTimes</strong><br />

als Informationsträger Gutes ...<br />

Fabian Leibfried<br />

-Herausgeber/Chefredakteurkult!<br />

ab 19.4.<br />

No.8 erhältlich!<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 3


Aktuell News Aktuell<br />

Ten Years After treten im ersten Halbjahr<br />

konzerttechnisch ein wenig kürzer,<br />

„weil wir in den letzten Jahren zu viel in<br />

Europa präsent waren", sagte Drummer Ric<br />

Lee <strong>GoodTimes</strong>. „Eine Ausnahme ist unser<br />

Auftritt bei den Ro<strong>the</strong>r Bluestagen, zu dem<br />

wir extra einfliegen." Allerdings wird es laut<br />

Lee „Ende 2013, spätestens Anfang nächsten<br />

Jahres ein neues Album geben, das wir<br />

live auch mit frischen Songs einspielen, weil<br />

es im Studio nicht so recht hinhaut"+++<br />

Das Hannoveraner Label SPV setzt seine<br />

Vinyloffensive fort: Die neue Staffel mit<br />

„schwarzem Gold" aus den 80er Jahren<br />

umfasst GO FOR YOUR LIFE von Mountain<br />

(1985), IN THE CITY OF ANGELS von Sänger<br />

Jon Anderson (Ex-Yes; 1988), Johnny<br />

Winters RAISIN' CAIN (1980), Quiet Riots<br />

selbst betiteltes Opus aus dem Jahr 1988<br />

sowie THUNDER STEEL der Schwermetaller<br />

Riot (1988, Do-LP)+++<br />

Eine Werkschau mit zwei CDs und einer<br />

DVD („Rockpalast") planen der englische<br />

Singer/Songwriter Julian Dawson und<br />

sein deutsches Label Blue Rose für das<br />

kommende Frühjahr. Den Schwerpunkt<br />

sollen dabei vor allem Veröffentlichungen<br />

des fließend deutsch sprechenden einstigen<br />

WDR-Modera<strong>to</strong>rs Dawson (Plainsong)<br />

von seinen Alben der 80er und 90er<br />

Jahre bilden. Zuletzt hatte der 58-Jährige<br />

sein einjähriges Solo-Sabbatical beendet<br />

und war bereits wieder solo live auf deutschen<br />

Bühnen zu erleben+++<br />

Alt-Folkie Gordon Giltrap (g, voc) hat sich<br />

mit Jungrocker Oliver Wakeman (keys;<br />

Yes, Strawbs) zusammengetan, um ein ambitioniertes<br />

Projekt zu realisieren: Eine eigenwillige<br />

Mischung aus Folk und Prog-Rock ist<br />

auf dem Doppelalbum RAVENS AND LULLA-<br />

BIES zu hören, das am 22. März erscheint.<br />

Neben neuen Studio-Aufnahmen des Duos<br />

sind auf einer Bonus-CD Aufnahmen von<br />

seiner 2012er UK-Tour zu hören+++<br />

Für den 26. April ist die Veröffentlichung<br />

des neuen und dann 19. Studioprodukts<br />

von Deep Purple festgesetzt. Es wird<br />

den Titel NOW WHAT?! tragen. Außerdem<br />

wurden erste Konzertdaten von Ian<br />

Gillan, Roger Glover, Ian Paice, Steve<br />

Morse und Don Airey für Deutschland im<br />

Sommer angekündigt+++<br />

STATE ist das neue Studiowerk des experimentierfreudigen<br />

Rock-Altmeisters Todd<br />

Rundgren betitelt, das ab 5. April in den<br />

Plattenläden (und Download-Shops) stehen<br />

wird. Es ist das 24. Solo-Album des einstigen<br />

Nazz- und U<strong>to</strong>pia-Masterminds, das<br />

auch die New York Dolls, Patti Smith, Meat<br />

Loaf, XTC oder Hall & Oates produzierte+++<br />

WROTE A SONG FOR EVERYONE heißt das<br />

neue Album von John Fogerty, das ab<br />

dem 24. Mai erhältlich sein wird. Der einstige<br />

CCR-Frontmann hat dafür zwei neue<br />

Kompositionen eingespielt und ansonsten<br />

Klassiker aus den Zeiten mit Creedence<br />

Clearwater Revival, aber auch seines Soloschaffens<br />

mit namhaften Gästen frisch<br />

aufgenommen. Die Foo Fighters sind mit<br />

dabei, Bob Seger, Allen Toussaint, die<br />

Country-Stars Keith Urban, Brad Paisley<br />

und Alan Jackson, Tom Morello (Rage<br />

Against The Machine), Kid Rock, My Morning<br />

Jacket, Miranda Lambert, Dawes und<br />

die Zac Brown Band. „Musik gemeinsam<br />

mit anderen zusammen zu machen, bereitet<br />

viel mehr Spaß, als allein vor sich hinzududeln",<br />

sagte Fogerty bei einer Vorab-<br />

Listening-Party in Los Angeles+++<br />

Iggy Pop & The S<strong>to</strong>oges haben den<br />

Nachfolger für ihr Album THE WEIRDNESS<br />

von 2007 fertiggestellt. Die beiden überlebenden<br />

Gründungsmitglieder Iggy Pop<br />

(voc) und Scott Ashe<strong>to</strong>n (dr) waren gemeinsam<br />

mit James Williamson (g) und Mike<br />

Watt (b) im Studio, um READY TO DIE einzuspielen.<br />

Als Veröffentlichungsdatum ist<br />

Ende April angekündigt+++<br />

Rock + Pop<br />

Memorabilia<br />

Wall Of Fame • P.O. Box 1950 • 48580 Gronau<br />

Tel.: 0171/7412584 • eMail: info@wall-of-fame.de<br />

Internet: www.wall-of-fame.de<br />

Goldene Schallplatten, Signaturen etc. von Abba<br />

bis Zappa. Das weltweit größte Angebot an Raritä ten<br />

aus dem Bereich Rock+Pop Memorabilia.<br />

Anfragen bitte telefonisch.<br />

Zwei Woods<strong>to</strong>ck-Veteranen sind die Headliner<br />

der 22. Ro<strong>the</strong>r Bluestage (11. bis<br />

21. April): Johnny Winter und Ten Years<br />

After spielen in der Kreisstadt vor den Toren<br />

Nürnbergs auf. Bei der Vorstellung des<br />

Programms kündigte Ferdl Eichner, der den<br />

traditionellen „Bluesbrunch" gemeinsam<br />

mit Partner John Kirkbride musikalisch<br />

umrahmen wird, an, er werde bei der Gelegenheit<br />

seine Harp im Kopfstand spielen.<br />

Deutsche Akteure wie der „Isar-Indianer"<br />

Willy Michl (im Doppelkonzert mit seinem<br />

„echten" US-Indianerpendant Neal Black),<br />

Errorhead oder Jessy Martens dabei, dazu<br />

kommen internationale Gäste wie die Vargas<br />

Blues Band, Giles Robson, Ryan McGarvey,<br />

Morblues, der Österreicher Willi Resetarits<br />

(früher als Ostbahn-Kurti unterwegs),<br />

The Brew UK oder Chicago-Veteran Boo<br />

Boo Davis. Das genau Programm ist unter<br />

www.bluestage.de zu finden+++<br />

Völlig neue musikalische Wege geht seit geraumer<br />

Zeit US-Rockveteran Bobby Whitlock.<br />

Der Keyboarder, der am 18.3. seinen<br />

65. feierte und seine Karriere einst als Mitglied<br />

der Hausband bei Stax Records startete<br />

und mit Eric Clap<strong>to</strong>n bei Derek & The<br />

Dominos ("Layla") dabei war, veröffentlicht<br />

inzwischen gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin<br />

Coco Carmel Meditations- und<br />

New-Age-Alben über die gemeinsame Homepage<br />

www.bobbywhitlockandcococarmel.com+++<br />

THE DIVING BOARD wird das neue Album<br />

von El<strong>to</strong>n John heißen, das bereits Ende<br />

2012 auf den Markt hätte kommen sollen,<br />

nun aber erst im September erhältlich sein<br />

wird. Produziert hat kein Geringerer als T<br />

Bone Burnett, der bereits THE UNION, die<br />

Zusammenarbeit des englischen Sängers/<br />

Pianisten mit Leon Russell 2010, betreut<br />

hatte. Das Resultat soll laut Ohrenzeugen<br />

„El<strong>to</strong>n Johns beste Arbeit seit vielen Jahren"<br />

sein. Die Texte der 13 neuen Lieder<br />

kamen wieder aus Bernie Taupins Feder+++<br />

In einer australischen TV-Show hat Aerosmith-Sänger<br />

Steven Tyler Gerüchte korrigiert,<br />

er habe insgesamt etwa 20 Millionen<br />

Dollar für Drogen verjubelt. Realistischer<br />

seien sechs Millionen, die er in den vergangenen<br />

Jahrzehnten dafür ausgegeben<br />

habe+++<br />

Seite 4 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


News<br />

An den Sendestart der Musikshow Formel<br />

Eins"<br />

"<br />

vor 30 Jahren<br />

erinnert ein<br />

Veröffentlichungspaket<br />

mit einer<br />

3-DVD-Box<br />

und vier Doppel-CDs,<br />

allesamt<br />

mit dem<br />

Titel FORMEL<br />

EINS. Laut<br />

Ankündigung<br />

wird damit ein „wahrer<br />

Lichtblick in der<br />

damals noch relativ<br />

tristen Fernsehwelt"<br />

für die musikbegeisterten<br />

Teenager jener<br />

Jahre zelebriert, der<br />

im dritten Programm<br />

des WDR startete. Die<br />

Dreiviertelstunde Programm<br />

bot Stars und<br />

Videoclips kompakt –<br />

in der Sendung wurde<br />

im Januar 1984 beispielsweise<br />

Michael<br />

Jacksons "Thriller"-<br />

Video in voller Länge<br />

von 14 Minuten<br />

gezeigt. Peter Illman,<br />

Ingolf Lück, Stefanie<br />

Tücking und Kai Bökking<br />

moderierten die<br />

Sendung im Laufe der<br />

Jahre und nutzten sie<br />

als Sprungbrett für ihre eigenen Karrieren.<br />

Eine ausführliche S<strong>to</strong>ry zum Thema „Formel<br />

Eins" wird auch im <strong>GoodTimes</strong>-Schwestermagazin<br />

kult! Nr. 8 erscheinen+++<br />

„The Doors Unhinged – Jim Morrison's Legacy<br />

Goes On Trial” heißt das Buch, das<br />

Doors-Drummer John Densmore geschrieben<br />

hat und im April erscheinen soll. Densmore,<br />

der seit 2002 mit seinen Ex-Kollegen<br />

Robbie Krieger und Ray Manzarek heillos<br />

zerstritten ist und ihnen 2005 gerichtlich<br />

die Verwendung des Namens Doors Of The<br />

21st Century untersagte, kündigte an, er<br />

wolle die alten Streitigkeiten mit dem Duo<br />

aus der Welt schaffen, wenn er seine Lesereise<br />

nach der Buchveröffentlichung abgeschlossen<br />

hat+++<br />

Nur wenige Tage, nachdem sich der 100.<br />

tibetische Mönch aus Protest gegen die<br />

chinesische Herrschaft in seiner Heimat<br />

selbst verbrannt hatte, ging am 21. Februar<br />

in der New Yorker Carnegie Hall ein „Tibet<br />

Benefit Concert" über die Bühne. Headliner<br />

waren Patti Smith und Jim James (My<br />

Morning Jacket)+++<br />

Die Songwriters Hall Of Fame hat<br />

ihre Neuzugänge des Jahres 2013 bekannt<br />

gegeben. Am 13. Juni werden in<br />

New York mit einer feierlichen Zeremonie<br />

aufgenommen: Tony Hatch ("Down<strong>to</strong>wn”),<br />

Steven Tyler & Joe Perry von<br />

Aerosmith, das eins tige Eagles-Mitglied<br />

J.D. Sou<strong>the</strong>r, Mick Jones & Lou Gramm<br />

(Foreigner) und Holly Knight ("Love Is A<br />

Battlefield”)+++<br />

Aktuell<br />

Parallel zur Veröffentlichung des Albums<br />

THE WORLD IS YOURS seiner aktuellen<br />

Hauptband Union hat Thunder-Gitarrist<br />

Luke Morley seine Soloscheibe EL GRIN-<br />

GO RETRO von 2001 wiederveröffentlicht.<br />

Sie enthält eine komplette Bonus-CD mit<br />

unveröffentlichten Livemitschnitten und<br />

Demos+++<br />

Aufnahmen von 1987 bis 2012 aus Lörrach,<br />

der Balver Höhle und vom Finkenbach Festival<br />

sowie das komplette letzte Konzert<br />

mit Peter Panka im Dezember 2006 sind<br />

auf der Doppel-DVD PHOENIX von Peter<br />

Panka's Jane nachzuerleben+++<br />

Heutzutage noch stilistisch Neues und<br />

für die Ohren Überraschendes zu kreieren,<br />

ist schwierig und gelingt eher selten. Die<br />

Hamburger Band Brix<strong>to</strong>nboogie um<br />

Mastermind Krisz Kreuzer (voc, Harp) und<br />

Gitarrist Micky Wolf hatte dies mit ihrem<br />

Album URBAN BLUES geschafft: Sie vereinte<br />

Blues mit HipHop, Electronica, Soul und<br />

Rock. Jetzt steht der Nachfolger CROSSING<br />

BORDERS ins Haus, der ab dem 26.4. aufhorchen<br />

lassen dürfte+++<br />

Bobby Womack hat bekanntgegeben,<br />

dass er an einem Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung<br />

leidet. „Im Augenblick<br />

geht es mir nicht schlecht, aber es wird<br />

schlimmer werden", sagte der 68-Jährige<br />

der BBC. Er habe bereits viele eigene Texte<br />

vergessen, und auf der Bühne komme es<br />

schon mal vor, dass ihm die Namen seiner<br />

Musiker nicht einfielen+++<br />

Der frühere Dr.-Feelgood-Gitarrist Wilko<br />

Johnson hat seine Farewell-Tour mit vier<br />

Gigs im UK für März angekündigt und zugleich<br />

seine Diagnose mit Bauchspeicheldrüsenkrebs<br />

bekanntgegeben, der in den<br />

meisten Fällen tödlich endet. Der 65-jährige<br />

Johnson will sich keiner Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

unterziehen, sondern so lange wie möglich<br />

arbeiten+++<br />

Timothy B. Schmit, Bassist der Eagles,<br />

hat mitgeteilt, er erhole sich bestens von<br />

einem operativen Eingriff gegen eine<br />

Krebserkrankung im Nacken und am Kehlkopf.<br />

„Ich habe ein Problem erkannt und<br />

habe mich darum gekümmert", erklärte<br />

der 65-Jährige lakonisch auf seiner Homepage+++<br />

Trevor Bolder, Bassist von Uriah Heep,<br />

hat sich Anfang Januar ebenfalls einem<br />

operativen Eingriff unterzogen – nicht<br />

wegen eines Herzinfarkts, wie es gerüchteweise<br />

geheißen hatte, sondern wegen einer<br />

Krebserkrankung. Er befinde sich auf dem<br />

Wege der Genesung, ließ Bolder verlauten<br />

und verriet dabei gleich auch, dass es in<br />

diesem Jahr zu einer Reunion der Spiders<br />

From Mars kommen könnte. Während seiner<br />

Rekonvaleszenz hilft JJ Jowitt (IQ, Arena)<br />

bei Uriah Heep am Bass aus+++<br />

Es geht nicht nur um das Aufspüren von<br />

Raritäten, wenn die Mega Record &<br />

CD Fair am 13. und 14. April in Utrecht<br />

ihre Pforten öffnet. Neben diversen Live-<br />

Performances ist auch eine Ausstellung mit<br />

Postern von David Bowie zu besichtigen.<br />

RMN<br />

DAS INTERNETRADIO MIT MUSIK DER 60er, 70er UND 80er JAHRE.<br />

EINE KOOPERATION VON RMNRADIO UND GOODTIMES.<br />

RADIO rund<br />

um die Uhr<br />

Der Empfang funktioniert problemlos.<br />

Erforderlich ist lediglich ein<br />

Internetanschluss.<br />

Nähere Infos hierzu unter:<br />

www.rmngoodtimes.de<br />

Wir lieben Oldies<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 5


Aktuell News Aktuell<br />

Zudem wird an den belgischen Chansonnier<br />

und Gelegenheitsschauspieler Jacques Brel<br />

erinnert: Der Regisseur René Seghers signiert<br />

sein Buch „Jacques Brel – The Definite<br />

Biography" und stellt rare Poster und unbekanntes<br />

Material über den Poeten vor+++<br />

Ein rares Fo<strong>to</strong> von Blueslegende Robert<br />

Johnson (1911–1938) ist nach eingehender,<br />

fünfjähriger forensischer Prüfung<br />

für echt erklärt worden. Bislang hatten<br />

nur zwei Bilder des Musikers vom Mississippi<br />

existiert, den Eric Clap<strong>to</strong>n für den<br />

„wichtigs ten Bluesmusiker, der je gelebt<br />

hat", hält. Das Fo<strong>to</strong> war vor acht Jahren im<br />

Internet aufgetaucht+++<br />

Die ältere Pop- und Rock-Generation unter<br />

den Preisträgern bei der 55. Verleihung der<br />

Grammy Awards waren Paul McCartney<br />

(„Best Traditional Pop Vocal Album”), die<br />

Beach Boys („Best His<strong>to</strong>rical Album”), Dr.<br />

John („Best Blues Album”), Janis Ian („Best<br />

Spoken Word Album” für ihre Au<strong>to</strong>biografie),<br />

der jüngst vers<strong>to</strong>rbene Ravi Shankar<br />

(„Best World <strong>Music</strong> Album”), Jimmy Cliff<br />

(„Best Reggae Album”) und Billy Vera (für<br />

die Liner-Notes einer Ray-Charles-Compilation”)+++<br />

„The Commitments" taucht mehrfach in<br />

den <strong>GoodTimes</strong>-Top-Five der besten Musikfilme<br />

in dieser Ausgabe auf (siehe Seite<br />

31). Eine wichtige Rolle in dem irisch-britischen<br />

Movie (Regie: Alan Parker) spielte<br />

1991 Andrew Strong, der sei<strong>the</strong>r als Sänger<br />

Karriere gemacht hat. Jetzt blickt er per CD<br />

zurück: THE COMMITMENTS YEARS AND<br />

BEYOND ist sein neuer Konzertmitschnitt<br />

vom Juli 2012 betitelt+++<br />

Über das neue Album von Barclay James<br />

Harvest, das im Frühjahr erscheinen soll,<br />

wird Bandleader John Lees in der nächsten<br />

<strong>GoodTimes</strong>-Ausgabe Genaueres erzählen.<br />

Parallel ist Lees mit seiner BJH-Version ab<br />

11. April in Deutschland auf Tour und gibt<br />

neun Konzerte. Ende März gibt es zudem<br />

eine remasterte „Expanded Edition" von<br />

GLASNOST, dem Mitschnitt des BJH-Auftritts<br />

1987 in (Ost-)Berlin. Dokumentiert<br />

ist das komplette Konzert in der damaligen<br />

Songfolge+++<br />

In Friedland bei Göttingen lädt das erste<br />

und einzige deutsche „Marshall Amp<br />

Museum" Musikfans ein, sich an einzigartigen<br />

Vintage-Verstärkern des berühmten<br />

Unternehmens zu delektieren. „Es erwarten<br />

euch Röhrenamps aus den letzten fünf<br />

Jahrzehnten – aber eben nicht in der Vitrine,<br />

sondern als Full Stack oder Half Stack.<br />

Die – nach Absprache – auch bereit sind, zu<br />

zeigen, was sie können", heißt es auf der<br />

Homepage www.marshall-forever.de – verbunden<br />

mit dem Hinweis, dass Jimi Hendrix<br />

einst Verstärker von Marshall spielte+++<br />

Krautrock goes Internet: Das in Berlin<br />

ansässige Musik-Label play loud! hat damit<br />

begonnen, unter dem Titel „(Live) <strong>Music</strong><br />

Series" Konzertmitschnitte von Krautrockbands<br />

als Videostreams zu veröffentlichen.<br />

Den Anfang machen die Berliner Neo-<br />

Krautrocker Camera, die bei einem Auftritt<br />

zusammen mit dem Ex-Kraftwerk/Neu!-<br />

Musiker Michael Ro<strong>the</strong>r und dem Cluster/<br />

Harmonia-Keyboarder Dieter Moebius auf<br />

der Bühne des Berliner HBC gefilmt wurden.<br />

Gigs von Damo Suzuki (Can) und<br />

Faust sollen folgen. Für die Filme zeichnet<br />

Regisseur Dietmar Post verantwortlich,<br />

der für seine Monks-Dokumentation „The<br />

Transatlantic Feedback" den Grimme-Preis<br />

erhielt. Infos unter www.playloud.org/archiveands<strong>to</strong>re/en/+++<br />

Neue Veröffentlichungen über seinen<br />

Labelpartner Frontiers hat Jeff Lynne,<br />

einst Anführer des Electric Light Orchestra,<br />

angekündigt. Das 2001er ELO-Album<br />

ZOOM (mit Gastspielen von George Harrison<br />

und Ringo Starr, sowie Lynnes Solodebüt<br />

ARMCHAIR THEATRE (ebenfalls<br />

mit Harrison) von 1990 und die DVD<br />

ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA LIVE, mitgeschnitten<br />

zu Beginn der „Zoom Tour"<br />

in Los Angeles, werden im April neu aufgelegt.<br />

Alle Tonträger sind mit Bonus-<br />

Tracks angereichert+++<br />

© Pressefo<strong>to</strong><br />

3x DVD-Box, Formel Eins<br />

Die momentan schwer angesagte Teenie-<br />

Popband One Direction hat eine Cover-<br />

Version von Blondies "One Way Or Ano<strong>the</strong>r”<br />

als Benefizsingle zum „Red Nose Day”<br />

veröffentlicht. Der Erlös kommt der britischen<br />

Charity-Organisation Comic Relief<br />

zugute+++<br />

Heftige Proteste hat der Deutschlandfunk<br />

mit seiner Entscheidung hervorge-<br />

Verlosung<br />

<strong>GoodTimes</strong> verlost unter allen Teilnehmern!<br />

Einsendeschluss ist<br />

der 16.05.2013!<br />

Set besteht aus:<br />

T-Shirt+CD+<br />

Au<strong>to</strong>gramm+Plakat<br />

3x 2 Karten Bon Jovi, Stuttgart<br />

1x Blind-Guardian-Set<br />

10x CD Petula Clark<br />

rufen, die seit 1969 bestehende Sendung<br />

„MemoryHits” abzuschaffen. „Am 31. März<br />

2013 laufen ab 4.05 Uhr Doppelfolgen der<br />

Original MemoryHits Show'. Danach wirft<br />

'<br />

der Deutschlandfunk die Sendung aus dem<br />

Programm. Der DLF hat es nicht mehr nötig<br />

und kann auf uns treue Hörer und Gebührenzahler<br />

verzichten. Die älteste, die beste<br />

und wirklich einzigartige, echte' Oldiesendung<br />

im deutschen Rundfunk wird für<br />

'<br />

noch mehr Gequatsche im Radio geopfert",<br />

klagten Anhänger der traditionsreichen<br />

Sendung auf der Website www.memoryhitsfanclub.de+++<br />

In der Reihe SONGS FROM THE ROAD von<br />

Ruf Records kommt in diesen Tagen auch<br />

ein CD+DVD-Paket der Blues'n'Boogie-<br />

Veteranen Savoy Brown in den Handel.<br />

Derzeit arbeitet Bandleader Kim Simmonds<br />

aber auch schon am nächsten Vorhaben<br />

unter dem Veteranennamen: Das folgende<br />

Album wird der Gitarrist/Sänger in Triobesetzung<br />

aufnehmen+++<br />

Auf die Loreley und nach Inzell im Chiemgau<br />

lockt am 1. und 2. Juni das HiRock<br />

Festival 2013 mit einem traumhaften<br />

Open-Air-Progamm: Whitesnake, Journey,<br />

To<strong>to</strong>, Rick Springfield, Europe, Survivor<br />

und die Black Star Riders (= die umbenannten<br />

Thin Lizzy) lassen im Wechsel den 80er-<br />

Jahre-Rock fröhliche Urständ feiern+++<br />

Die Gerüchteküche brodelt wieder zum<br />

Thema Led Zeppelin. Im australischen<br />

Fernsehen hatte Sänger Robert Plant gesagt,<br />

er habe „2014 nichts zu tun". Er wisse nicht,<br />

was Plant damit habe sagen wollen, postete<br />

Drummer Jason Bonham. Plant hatte auch<br />

erklärt, er warte auf ein Signal seiner Kolle-<br />

3x T-Shirt, Größe M<br />

Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz · Fax: 0 70 42/37660-188 · email: goodtimes@nikma.de<br />

Seite 6 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


News<br />

Aktuell<br />

News<br />

gen Jimmy Page und John Paul Jones hinsichtlich<br />

einer Reunion. Doch beide würden<br />

nur schweigen, ließ Plant seinem Frust freien<br />

Lauf. Page ließ sich davon nicht weiter<br />

beeindrucken, schweigt weiter zum Thema<br />

neue Aktivitäten. Er verriet nur, dass er damit<br />

beschäftigt sei, Bonus-Material für jedes<br />

Led-Zep-Album zusammenzustellen – die<br />

sollen offenbar erneut wiederveröffentlicht<br />

werden. Ob Page und Jones mehr rauslassen<br />

werden, wenn sie am 21. März in Berlin den<br />

Echo (= deutscher Grammy) für ihr Lebenswerk<br />

entgegennehmen?+++<br />

Während Robert Plant vorerst ein wenig<br />

chillt, hat sein Kumpel/Gitarrist Buddy<br />

Miller verraten, dass ein Solo-Album des<br />

Sängers mit durchweg neuen Songs so<br />

gut wie fertig ist. „Es fehlen noch ein paar<br />

Backgroundgesänge, und Robert wird wohl<br />

noch ein paar Kleinigkeiten neu machen,<br />

aber ansonsten ist alles im Kasten – jetzt<br />

liegt es an ihm, wann was daraus wird. Er<br />

ist Robert Plant und kann tun und lassen,<br />

was er will", so Miller+++<br />

Beachtliche Erfolge haben die deutschen<br />

Vertreter bei der 29. International Blues<br />

Challenge (IBC) in Memphis gefeiert: In<br />

der Kategorie Band-Contest belegten<br />

Michael van Merwyk & Bluesoul<br />

(Rheda-Wiedenbrück) sensationell Platz<br />

2! Damit sind sie der erste europäische<br />

Act, der diesen Erfolg in der 29-jährigen<br />

IBC-Geschichte schaffte. In der Kategorie<br />

Solo/Duo schafften es Altmeister Abi<br />

Wallenstein & Martin Röttger immerhin<br />

bis ins Halbfinale. Nach Memphis<br />

hatten es van Merwyk als Gewinner der<br />

German Blues Challenge 2011 und Wallenstein<br />

& Röttger bei den German Blues<br />

Awards 2012 geschafft. Beim internationalen<br />

Finale starteten 80 Solo/Duo-Acts<br />

und 124 Bands aus 16 Ländern+++<br />

Auf eigene Faust auf dem Online-Weg hat<br />

Blues-Altmeister John Mayall die CD-Serie<br />

HISTORIC LIVE SHOWS VOLUMES 1, 2<br />

& 3 auf den Weg gebracht. Die Konzertmitschnitte<br />

enthalten Aufnahmen Mayalls und<br />

diverser Inkarnationen seiner Band von den<br />

70er bis 90er Jahren – „handverlesen von<br />

John Mayall persönlich", heißt es auf seiner<br />

Homepage. Infos unter www.johnmayall.<br />

com/merch.html+++<br />

Statt bei den Brit Awards sein Gesicht in alle<br />

möglichen Kameras zu recken, zog es Rolling<br />

S<strong>to</strong>ne Ronnie Wood am 20. Februar<br />

vor, einen Überraschungsgig in einer Lehranstalt<br />

im nordenglischen Northamp<strong>to</strong>n zu<br />

spielen. Geschlagene drei Stunden spielte er<br />

in der Malcolm Arnold Academy Songs auf<br />

seiner Akustikgitarre und beantwortete Fragen<br />

der wissbegierigen Studenten+++<br />

Die 70er-Jahre-Disco-Ikonen KC & The<br />

Sunshine Band feiern 2013 ihr 40-jähriges<br />

Bestehen mit einer ausgedehnten<br />

Welt<strong>to</strong>ur. Bandgründer Harry Wayne Casey<br />

versprach dazu auch neue Musik: „Ich<br />

stecke mitten in der Arbeit an einem neuen<br />

Album, das aus einer Doppel-CD bestehen<br />

wird: Eine Hälfte bilden Klassiker der 60er<br />

Jahre, die andere Hälfte klingt zeitgenössischer<br />

– beides ist aber unverkennbar KC &<br />

The Sunshine Band", sagte Casey. Die Zeit<br />

bis zur Veröffentlichung im Sommer soll<br />

die neue Single "I Can't Get You Out Of My<br />

Mind" demnächst überbrücken+++<br />

In einem Interview mit Fox News hat Stevie<br />

Nicks erklärt, es hänge maßgeblich von der<br />

Reaktion des Publikums auf die drei neuen<br />

Songs ab, die die Band bei der anstehenden<br />

Fleetwood Mac-Tour spielen werde,<br />

ob es noch einmal ein neues Studio-Album<br />

von den Veteranen geben wird. „Wenn die<br />

Leute positiv darauf reagieren, werden wir<br />

mehr machen", versprach die FM-Frontfrau+++<br />

Der Frust bei Alice Cooper sitzt tief:<br />

Die für Ende Ok<strong>to</strong>ber geplante fünftägige<br />

„Ship Of Fear Cruise” von Miami zu den<br />

Bahamas musste bereits im Februar frühzeitig<br />

abgeblasen werden. Grund waren die<br />

kümmerlichen Ticketverkaufszahlen, die die<br />

Organisa<strong>to</strong>ren als „mangelnde Konsumentennachfrage"<br />

bezeichneten+++<br />

Vorab war DELTA MACHINE, das neue<br />

Album von Depeche Mode, nicht zu<br />

hören, auch nicht zu Reviewzwecken.<br />

Das 13. Studiowerk der Synthie-Popband<br />

kommt am 22. März heraus und wird in<br />

der nächsten Ausgabe besprochen. Neben<br />

der Normalversion mit 13 Songs gibt es<br />

eine Deluxe Edition mit vier zusätzlichen<br />

Stücken auf einer Bonus-CD und einem<br />

28-seitigen Hardcover-Buch mit Fo<strong>to</strong>s ihres<br />

langjährigen künstlerischen Partners An<strong>to</strong>n<br />

Corbijn+++<br />

Einen Parforceritt zu zweit unter dem<br />

Mot<strong>to</strong> „Mike Oldfield's Tubular Bells For<br />

Two" bieten die beiden Australier Daniel<br />

Holdsworth und Aidan Roberts. Die Multi-Instrumentalisten<br />

haben das Meisterwerk,<br />

das heuer sein 40-Jähriges feiert, so<br />

arrangiert, dass sie es in voller Länge live<br />

bieten können. Mit ihrem „Kraftakt akrobatischer<br />

Musikalität" geben sie ab dem<br />

6. Mai elf Konzerte in Deutschland. Ihre<br />

Landsleute The Australian Pink Floyd<br />

Show sind bereits ab 12. April hier zu<br />

Lande unter dem Mot<strong>to</strong> „Eclipsed By The<br />

Moon" unterwegs+++<br />

Insgesamt drei Shows spielen die US-Intelligenz-Rocker<br />

<strong>Queen</strong>sryche im April<br />

in Deutschland, um ihren neuen Sänger<br />

und Geoff-Tate-Nachfolger Todd LaTorre<br />

live vorzustellen. Auf dem Spielplan stehen<br />

Duisburg (20.), Ludwigsburg (21.) und<br />

München (24.)+++<br />

Die US-Post hat angekündigt, dass eine der<br />

drei anstehenden Würdigungen von „Musik-Ikonen"<br />

auf neuen Briefmarken Johnny<br />

Cash gewidmet sein wird. Wer die beiden<br />

anderen Geehrten sein werden, wurde<br />

ebenso wenig mitgeteilt wie der Zeitpunkt<br />

des Erscheinens der Postwertzeichen+++<br />

Oldie-Gipfeltreffen der Originale im<br />

Schwabenländle: Suzi Quatro, die Hollies,<br />

The Sweet, dazu die Disco-Könige<br />

Boney M. und US-Schmachtsouler<br />

George Mc-<br />

Crae geben<br />

sich am 4. Mai<br />

ein Stelldichein<br />

im Sindelfinger<br />

Glas palast. Unter<br />

dem Mot<strong>to</strong><br />

„Top Of The<br />

Pops" reichen<br />

sich die einstigen<br />

Chart-<br />

Stürmer, die<br />

alle immer gut in Form sind, im Rahmen<br />

eines stilistisch wahrlich bunten Reigens<br />

das Mikro in die Hand. Moderieren wird<br />

der den <strong>GoodTimes</strong>-Lesern bestens bekannte<br />

Christian Simon+++<br />

Tina Turner hat neben ihrer US-Staatsbürgerschaft<br />

jetzt auch einen Schweizer Pass.<br />

Die Sängerin lebt seit fast 20 Jahren mit ihrem<br />

deutschen Lebensgefährten in Zürich.<br />

„Ich fühle mich hier zu Hause und könnte<br />

mir keinen schöneren Ort zum Leben vorstellen",<br />

kommentierte Turner die „offizielle<br />

Aufnahme" in ihrer Wahlheimat+++<br />

MADE IN JAPAN wird die 2-CD/DVD umfassende<br />

Deluxe Edition der nächsten<br />

Whitesnake-Veröffentlichung heißen.<br />

Dabei handelt es sich um den Mitschnitt<br />

eines Konzerts am 15. Ok<strong>to</strong>ber 2011 beim<br />

Loud Park Festival während der „Forevermore<br />

World Tour". Erhältlich sein soll das<br />

auch als Blu-ray und Einzel-DVD verfügbare<br />

Teil Ende April. Außerdem kündigte<br />

Bandleader David Coverdale an, dass wenig<br />

später eine zweite Liveveröffentlichung folgen<br />

soll: „Die wird MADE IN BRITAIN heißen,<br />

es handelt sich um eine Doppel-CD,<br />

die im Juli kommt und ebenfalls 2011 im<br />

UK dokumentiert wurde”+++<br />

Sein 14. Solo-Album hat der frühere Killing-Floor-Gitarrist<br />

Mick Clarke Mitte<br />

März am Start. Er hat alle Instrumente für<br />

RAMDANGO selbst eingespielt+++<br />

Der renommierte Internet-Radiosender<br />

Planet Rock hat seine Hörer befragt,<br />

und die haben darüber abgestimmt, wer<br />

denn die einflussreichste Rockband aller<br />

Zeiten sei. Das Ergebnis überrascht wenig:<br />

Gesiegt haben (natürlich) Led Zeppelin.<br />

Ebenfalls auf das Podest geschafft haben<br />

es <strong>Queen</strong> (2.) und Black Sabbath (3.). Auf<br />

den weiteren-Top-Ten-Plätzen rangieren in<br />

dieser Reihenfolge Pink Floyd, Deep Purple,<br />

Jimi Hendrix, die Rolling S<strong>to</strong>nes, The Who,<br />

AC/DC und David Bowie+++<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 7


Vers<strong>to</strong>rben<br />

Sammy Johns (*7.2.1946) gelang 1975<br />

mit "Chevy Van” ein US-#5-Hit, nachdem<br />

er seine Karriere 1962 mit The Devilles gestartet<br />

hatte. Schrieb später für Kollegen<br />

wie Waylon Jennings, Conway Twitty und<br />

Fu Manchu, bekämpfte seine Dämonen<br />

Alkohol und Drogen bis zum 4.1., als er<br />

in einem Krankenhaus in North Carolina<br />

verstarb.<br />

Lou Wilson (alias Sweet Lou) gelangte<br />

mit den Afro-Funkern Mandrill in den 70er<br />

Jahren zu Soul-Erfolgsehren. Der Sänger<br />

trommelte auch und spielte Trompete und<br />

Flügelhorn und arbeitete mit Mandrill an<br />

einem neuen Album, als ihn am 7.1. ein<br />

Herzstillstand 71-jährig das Leben kostete.<br />

Kent Abbott (*1981) spielte Gitarre in<br />

den kanadischen Punk- und Rockbands<br />

Grade, Somehow Hollow und 45 Goodbye.<br />

Verließ den Planeten am 7.1.<br />

Liz Lands (*1939) nahm für Mo<strong>to</strong>wn auf<br />

und war 1964 gemeinsam mit den Temptations<br />

auf ”Midnight Johnny” zu hören.<br />

Verschwand Mitte der 60er Jahre von der<br />

Bildfläche, arbeitete später mit Hamil<strong>to</strong>n<br />

Bohannon, versuchte in den ausklingenden<br />

90ern ein Comeback. Starb am 7.1.<br />

Sam Pace (*22.9.1944) gehörte als Sänger<br />

ab den 60er Jahren der R&B-Truppe<br />

The Esquires ("Get On Up”, 1967 #3) an<br />

und trat bis 2007 mit ihr auf. Starb am 7.1.<br />

Tandyn Almer (*30.7.1942) schrieb neben<br />

seinen eigenen Musikeraktivitäten<br />

Songs für Kollegen (für The Association<br />

"Along Comes Mary", mit Brian Wilson<br />

"Sail On Sailor" für die Beach Boys). Erlag<br />

am 8.1. einem Herzleiden.<br />

Werner Krabbe (*20.2.1944), Berliner<br />

Semi-Rocklegende, galt als exquisiter R&B-<br />

Henning Tögel (*14.12.1954) war Gründer<br />

und Leiter der Konzertagentur Moderne<br />

Welt, mit der er Tourneen von Joan<br />

Baez, Emmylou<br />

Harris, Crosby,<br />

Stills & Nash, Paul<br />

Anka, Kris Kris<strong>to</strong>fferson<br />

und vielen<br />

anderen Größen<br />

in Deutschland<br />

ausrichtete. Er<br />

starb am 9.1.<br />

Trevor Gordon (*5.5.1948) war als Sänger<br />

und Gitarrist bei The Blue Sect aktiv,<br />

aus denen das Duo The Marbles hervorging,<br />

das aus Gordon und seinem Cousin<br />

Graham Bonnett bestand und den Hit<br />

"Only One Woman" landete. Arbeitete mit<br />

den Bee Gees, ging am 10.1. für immer.<br />

Claude Nobs (*4.2.1936) wurde von Deep<br />

Purple in "Smoke On The Water” als „Funky<br />

Claude" verewigt – eine Verbeugung vor<br />

dem Gründer und langjährigen Leiter des<br />

legendären Montreux Jazz Festivals. Nobs<br />

war vor Ort, als 1971 während des Konzerts<br />

von Frank Zappa im Montreux Casino Feuer<br />

ausbrach. Er erlag am 10.1. den Folgen<br />

eines Sturzes beim Skifahren.<br />

George Gruntz (*24.6.1932) war ein gefragter<br />

Keyboarder, der mit Jazzgrößen wie<br />

Don Cherry, Chet Baker, Art Farmer, Charlie<br />

Mariano, Wolfgang Dauner arbeitete, seine<br />

eigene Bigband leitete, mehrere Bühnenwerke<br />

und Ora<strong>to</strong>rien komponierte und als<br />

künstlerischer Leiter des JazzFest Berlin<br />

amtierte. Der Schweizer starb am 10.1.<br />

Bryan Gregory (*20.2.1951), Gitarrist der<br />

einflussreichen Psychobilly-Undergroundband<br />

The Cramps, spielte nach seinem Ausstieg<br />

bei The Beast, zog später nach Florida<br />

und betrieb einen Buchladen, ehe er in Los<br />

Angeles mit The Dials und Shiver wieder<br />

musikalisch aktiv wurde. Multiples Organversagen<br />

stand am 10.1. in seinem Totenschein.<br />

John Wilkinson (*1945) gehörte als<br />

Rhythmusgitarrist der TCB Band an, die Elvis<br />

Presley begleitete, später auch dem Kings<strong>to</strong>n<br />

Trio und den The New Christy Minstrels.<br />

Nach einem bereits 1989 erlittenen Schlaganfall<br />

endete seine Karriere jetzt am 11.1.<br />

Jimmy O'Neill (*8.1.1940) moderierte<br />

zwischen 1964 und 1966 mit „Shindig” eine<br />

der ersten amerikanischen TV-Musikshows<br />

mit Gästen wie Leon Russell, Jerry Lee Lewis,<br />

Sam Cooke, Chuck Berry, Tina Turner,<br />

den Everly Bro<strong>the</strong>rs, Beatles, Beach Boys,<br />

Yardbirds, Rolling S<strong>to</strong>nes oder Donovan.<br />

War Besitzer des Clubs Pandora's Box am<br />

Sunset Strip in Hollywood, starb am 11.1.<br />

Precious Bryant (*4.1.1942, geborene<br />

Bussey) sang und spielte Gitarre bei den<br />

Bussey Sisters; die charismatische Blueserin<br />

war dann solo unterwegs, veröffentlichte<br />

aber erst 2002 ihr erstes Album FOOL ME<br />

GOOD. Diabetes-bedingtes Herzversagen<br />

kostete sie am 12.1. das Leben.<br />

Jiri Popper (*22.5.1930) stammte aus<br />

Prag, arbeitete als Sänger und moderierte in<br />

den 60er Jahren allmonatlich im DDR-Radio<br />

„Ein Koffer voll Musik". Verabschiedete sich<br />

am 13.1. für immer.<br />

Morten Molster (*31.3.1962), der Gitarrist<br />

der ab 1977 aktiven norwegischen Band The<br />

September When überlebte am 14.1. einen<br />

Herzstillstand nicht.<br />

Nic Potter (*18.10.1951) war als Bassist,<br />

Songschmied und Maler aktiv, unter anderem<br />

bei The Misunders<strong>to</strong>od und Van der<br />

Graaf Genera<strong>to</strong>r, spielte mit Jeff Beck, Cuck<br />

Berry, Rare Bird und Peter Hammill, ehe er<br />

seine Gerätschaften am 17.1. für immer aus<br />

der Hand legte.<br />

Steve Knight (*12.5.1935) griff für Mountain<br />

auch beim Woods<strong>to</strong>ck Festival in die<br />

Keyboardtasten, verlegte sich ab 1972 auf<br />

Jazz und gehörte 2000 bis 2007 dem Stadtrat<br />

von Woods<strong>to</strong>ck an. Ging am 19.1. für<br />

immer.<br />

Gregory Carroll (*19.12.1929) sang in<br />

Doo-Wop-Gruppen wie The Four Buddies,<br />

The Orioles, war Co-Au<strong>to</strong>r und Produzent<br />

von Doris Troys 1963er Hit "Just One Look”,<br />

den auch Linda Ronstadt und Anne Murray<br />

aufnahmen. Ein Aneurysma kostete ihn am<br />

25.1. das Leben.<br />

Shouter, sang bei den Beat- und Rockbands<br />

The Hound Dogs und The Boots, stand<br />

2010 mit den Berlin Beat Allstars auf der<br />

Bühne, erlag am 25.1. einem Herzinfarkt.<br />

Leroy "<br />

Sugarfoot" Bonner (*14.3.1943)<br />

gehörte als singender Funkgitarrist den<br />

Ohio Players an ("Skin Tight", "Funky<br />

Worm", " Love Rollercoaster"), mit denen er<br />

bis zu seinem Tod am 26.1. unterwegs war.<br />

Bobby Sharp (*24.11.1924) hatte Musik<br />

studiert und wurde berühmt als Au<strong>to</strong>r<br />

von "Unchain My Heart" (Ray Charles, Joe<br />

Cocker), dessen Urheberrechte er für 50<br />

Dollar verkaufte, um damit Drogen zu erwerben.<br />

Schrieb für Sarah Vaughan, Sammy<br />

Davis Jr., beriet später Drogenabhängige in<br />

einem Gesundheitszentrum, starb am 29.1.<br />

Patty Andrews (*16.2.1918) war die<br />

jüngste der legendären Andrew Sisters, die<br />

sich mit dem Tod<br />

von LaVerne Andrews<br />

1967 auflösten<br />

(Maxine<br />

starb 1995). Patty<br />

Andrews sang für<br />

Bing Crosby und<br />

Glenn Miller, verstummte<br />

am 30.1.<br />

für immer.<br />

Cecil Womack (*25.9.1947) sang, spielte<br />

Gitarre und Piano, gehörte The Valentinos<br />

an, war mit Mary Wells verheiratet, dann<br />

mit Sam Cookes Tochter Linda, mit der<br />

er das Duo Womack & Womack gründete<br />

(Hit:"Teardrops"). Lebte seit den 90er Jahren<br />

in Nigeria, wo er am 1.2. starb.<br />

Darlene McCrea sang ab 1954 bei The<br />

Cookies und dann ab 1958 bei Ray Charles'<br />

The Raelettes. Veröffentlichte auch solo,<br />

erlag 83-jährig am 4.2. einem Krebsleiden.<br />

Donald Byrd (*9.12.1932) blies seine<br />

Trompete für The Blackbyrds und diverse<br />

eigene Bands, arbeitete mit fast allen Jazzgrößen<br />

und verstummte am 4.2. für immer.<br />

Alva "<br />

Reggie" Lewis griff Ende der Sixties<br />

für The Hippy Boys in die Gitarrensaiten,<br />

später auch für Lee Scratch Perry & The<br />

Upsetters, Max Romeo, Bob Marley und Pat<br />

Kelly – wurde bis zum 4.2. nur 63.<br />

Rick Huxley (*5.8.1940) wurde als Bassist<br />

der Dave Clarke Five berühmt und in die<br />

Rock'n'Roll Hall Of Fame aufgenommen,<br />

war auch mit den Riverside Blues Boys und<br />

The Spon Valley S<strong>to</strong>mpers aktiv, verabschiedete<br />

sich am 11.2. ins Jenseits.<br />

Mark Kamins (*13.4.1955) produzierte<br />

Madonnas erste Single "Everybody", betreute<br />

im Studio auch David Byrne, Ofra Haza,<br />

UB40, Sinead O'Connor und die Beastie<br />

Boys – seine Produzentenmission endete<br />

am 14.2.<br />

George "<br />

Shadow" Mor<strong>to</strong>n (*3.9.1940)<br />

war Mitglied der Marquees, schrieb "Remember<br />

(Walking In The Sand)” und "Leader<br />

Of The Pack” für die Shangri-Las, arbeitete<br />

im Studio mit Janis Ian, Vanilla Fudge,<br />

Iron Butterfly, Jimi Hendrix, The Who und<br />

Mott The Hoople. Krebs kostete ihn am<br />

14.2. das Leben.<br />

Stanley Knight (*12.2.1949) spielte Gitarre<br />

bei Black Oak Arkansas, starb am 17.2.<br />

Mindy McCready (*20.11.1975) ließ ihre<br />

Country-Songs nur bis zum 17.2. ertönen,<br />

als sie sich in ihrem Heim in Heber Springs,<br />

Arkansas, selbst erschoss.<br />

Damon Harris (*17.7.1950), der Vokalist<br />

mit der samtseidenen Stimme, stieß<br />

1971 zu den<br />

Temptations<br />

(bis 1975)<br />

und ersetzte<br />

Eddie Kendricks.<br />

Er war<br />

später mit<br />

Impact und<br />

The Young Temps aktiv, dazu im Duo mit<br />

dem Ex-Kollegen Richard Street, ehe er am<br />

18.2. den Kampf gegen den Prostatakrebs<br />

verlor.<br />

Magic Slim (*7.8.1937 als Morris Holt)<br />

kam 1955 nach Chicago, nahm 1965 erstmals<br />

auf ("Scufflin'"); der singende Gitarrist<br />

gründete 1970 seine Band Teardrops,<br />

gewann mehrfach den W.C. Handy Award<br />

und veröffentlichte 2012 sein letztes Album<br />

BAD BOY. Starb nach Herzproblemen<br />

am 21.2. in einem Krankenhaus in Philadelphia.<br />

Cleotha Staples war als ältestes Kind<br />

von Roebuck „Pops" Staples 1948 Gründungsmitglied<br />

der bis 1994 aktiven R&B/<br />

Gospelgruppe The Staple Singers, die auch<br />

als „Gottes größte Hitmacher" galten,<br />

zahlreiche Erfolge sangen und 1999 in<br />

die Rock'n'Roll Hall Of Fame aufgenommen<br />

wurden. Litt an Alzheimer und starb<br />

78-jährig am 21.2.<br />

Diane Lampert (*25.9.1924) profilierte<br />

sich in den 50er und 60er Jahren als<br />

Songwriterin und Texterin, bei der sich<br />

Brenda Lee, Tommy Sands, Steve Lawrence,<br />

Red Foley, The Lettermen und die<br />

Beatles ["Nothin' Shakin' (But The Leaves<br />

On The Trees)" wurde erst 1994 veröffentlicht]<br />

bedienten. Herzversagen beendete<br />

am 22.2. ihr Erdendasein.<br />

Virgil Johnson (*29.12.1935) war Leadsänger<br />

der Velvets, denen Roy Orbison einen<br />

Plattenvertrag bei Monument Records<br />

verschaffte und Songs auf die Stimmbänder<br />

schrieb. Johnson arbeitete später als<br />

Lehrer, verstarb am 24.2.<br />

"<br />

Dangerous" Dan Toler (*1948) saß zuletzt<br />

krankheitsbedingt im Rollstuhl, hatte<br />

davor für Dickey Betts & Great Sou<strong>the</strong>rn,<br />

die Allman Bro<strong>the</strong>rs und eigene Aktivitäten<br />

in die Gitarrensaiten gegriffen. Wurde am<br />

25.2. von allen Leiden erlöst.<br />

Richard Street (*5.10.1942) ersetzte<br />

1971 Paul Williams bei den Temptations,<br />

denen er bis 1993 angehörte. War danach<br />

solo und im Duo mit Damon Harris aktiv.<br />

Er war dabei, ein Buch über seine Zeit<br />

bei den Temptations zu schreiben, als ihn<br />

eine Lungenembolie am 27.2. dahinraffte.<br />

Seite 8 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


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Lost In You<br />

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Stephen Stills<br />

Carry On<br />

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Emmylou Harris &<br />

Rodney Crowell<br />

Old Yellow Moon<br />

CD 237 53 53<br />

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kulminieren. <strong>Queen</strong> begannen<br />

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r 40 Jahren mit der Veröf-<br />

fentlichung ihrer erstenen Single<br />

"Keep Yourse<br />

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Fo<strong>to</strong>: © Zill/Bildarchiv Hallhuber<br />

Vor 40 Jahren: das<br />

-Debüt<br />

Royale Prozession<br />

Zeit lässt sich nicht allein in Zahlen messen. In den zurückliegenden<br />

vier Jahrzehnten ist viel geschehen. Über <strong>Queen</strong> sind tausende Artikel<br />

geschrieben worden, sind Platten erschienen, Filme wurden gedreht,<br />

Tourneen führten die Band um die ganze Welt – und jeder der vier Musiker gewährte<br />

von Zeit zu Zeit einen mehr oder weniger großen Einblick in sein Leben.<br />

Wenn man heute versucht, sich daran zu erinnern, was wirklich geschah, als das<br />

Album QUEEN herauskam, die ersten Songs des britischen<br />

Quartetts im Radio zu hören waren, kommen viele der hoch. Jedoch sind Erinnerungen trügerisch. Es<br />

Billiegt<br />

nun mal dieser Ereignispuffer von 40 Jahren<br />

dazwischen. Und der macht aus dem Film im Kopf<br />

einen kaum zu entwirrenden Mix aus Erlebtem,<br />

Wünschen und Suggestionen.<br />

Eines ist jedenfalls nicht zu verklären: QUEEN<br />

schlug nicht etwa ein wie die sprichwörtliche<br />

Bombe. Um das Album wahrzunehmen, musste der<br />

Rockfan schon sehr aufmerksam sein. Denn auch<br />

wenn für das Jahr 1973 heute nur noch eine Handvoll<br />

Gruppen steht, war der Musikmarkt damals schon schwemmt von Pop- und Rockinterpreten, die allwöchentlich um die besten<br />

über-<br />

Platzierungen in den Charts konkurrierten. Und selbst wenn die Hitparaden von<br />

einst noch voll waren mit zum Teil qualitativ Hochwertigem, ließen sich damals<br />

schon doch außerhalb der Ranglisten die interessantesten Bands entdecken.<br />

Bei <strong>Queen</strong> reagierten anfangs ausschließlich Heavy-Rockanhänger. Und unter<br />

denen waren es garantiert nicht die Mitläufer, die irgendwann in der Schule<br />

angeberisch deklarierten, sie seien <strong>Queen</strong>-Fans. Freddie Mercury, Brian May, Roger<br />

Taylor und John Deacon machten Musik für Egozentriker. Mädchen fanden<br />

gar keinen Zugang zu dem ruppigen Zeug mit diesen Arrangements, die schon<br />

auf QUEEN etwas von einer höfischen Prozession hatten. "Keep Yourself Alive"<br />

– Debütsingle und Albumopener – gab zwar noch vor, eine Haudrauf-Nummer<br />

zu sein, enthielt aber im letzten Drittel mit Drumsolo und Vokalparts für Taylor<br />

und May bereits zwei Brüche. Die 45er startete als klassischer Rohrkrepierer.<br />

Lediglich Radio Luxemburg erbarmte sich und spielte sie. Erst als die BBC-TV-<br />

Sendung „The Old Grey Whistle Test" die Nummer anonym zu einem einstigen<br />

Roosevelt-Wahlkampf-Filmchen ablaufen ließ, kamen erste Räder ins Rollen.<br />

Vor allem nahm die Musikpresse Notiz von der Single: Positive Rezensionen<br />

hielten sich mit Verrissen die Waage.<br />

Die B-Seite "Son And Daughter", ein bleischwerer, an Black Sabbath<br />

orientierter Heavy-Metalsong und später in der zweiten LP-Hälfte<br />

einsortiert, hatte kaum das Zeug, die Journaille zu beeindrucken. Erst in<br />

der<br />

Rückschau wird deutlich, dass <strong>Queen</strong> mit der pumpenden Gitarrenwalze<br />

breitbeinig das selbst gewählte Snob-Image durchkreuzten.<br />

Oder "Doing Alright": Beginnend als Piano-unterlegte Ballade, s<strong>to</strong>lpert der Song<br />

über eine angejazzte Bridge, in der Mercury Sopranhöhen ins Visier nimmt, in<br />

einen Gitarrenorkan. Mit dem Wissen um spätere Großtaten der Band dürfte<br />

dieses fast ein wenig unbeholfen zusammengezimmerte Stück als einer der frühen<br />

"Bohemian Rhapsody"-Testläufe erscheinen.<br />

"Great King Rat" will zwischen straightem Geholze und epischer Klangwucht<br />

pendeln, wird aber durch die in so gut wie allen Belangen eingeschränkte Produktion<br />

gebremst. Nicht nur dieser Song des LP-Debüts hätte später einmal<br />

Seite 10<br />

■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


eine Wiederverwertung ertung unter den<br />

Verhältnissen eines es großen Budgets<br />

verdient gehabt. "My Fairy<br />

King" sowieso. <strong>Queen</strong>s Flirt mit<br />

opernhaften Dramen tritt auf<br />

dem Erstling in diesem Song am<br />

deutlichsten zutage – inklusive<br />

der „singenden" n" Red Special<br />

Brain Mays und eines Freddie<br />

Mercury, der seine Stimmbänder<br />

derart strapaziert, dass zumindest<br />

Weingläser zu zerspringen<br />

drohen.<br />

" Liar" – Eröffnung der B-Seite<br />

– bringt in seiner kompromisslos<br />

gegen gängige Rockklischees<br />

gebürsteten Art den<br />

extrovertierten <strong>Queen</strong>-Stil der<br />

Frühzeit am besten rüber. Später<br />

wurde häufig darüber diskutiert,<br />

ob dieser brettharte, mit zahlreichen<br />

Brüchen versehene Song<br />

als erste Single-Auskopplung die<br />

bessere Wahl gewesen wäre. Dass<br />

diese Debatten unnütz waren,<br />

belegt allerdings die Tatsache, dass eine klanglich aufpolierte Version der Nummer<br />

im Februar 1974 als 7-Inch-Vinyl in den USA ebenso scheiterte wie zuvor<br />

"Keep Yourself Alive" in Großbritannien.<br />

Hätte "The Nights Come Down" nicht dieses hektische Intro und Outro –<br />

es wäre lediglich eine etwas zu lässig heruntergespielte Halbballade, die am<br />

Ende nur aufgenommen wurde, um den Boden für den Speed-Kracher "Modern<br />

Times Rock’n’Roll" zu bereiten. Der rast dann auch durch zwei atemberaubende<br />

Minuten und präsentiert die an Rod Stewart erinnernde Stimme Roger<br />

Taylors erstmals über die gesamte – wenn auch kurze – Zeit eines Songs.<br />

Und schließlich "Jesus". So hingebungsvoll wandte sich Freddie Mercury der<br />

christlichen Religion später nur noch ganz selten zu. Sein Verhältnis zum Christentum<br />

war das eines zweifelnden Abkömmlings, der vertrauen will, der widersprüchlichen<br />

Wirklichkeit aber nicht zu entrinnen vermag. Das Stück hat etwas<br />

von einem Kirchenchoral, der am Ende eilig von ein paar Heavy-Metal-Kids zum<br />

Rock-Statement umgezimmert wird.<br />

"Seven Seas Of Rhye" bleibt am LP-Schluss nur ein instrumentales Fragment.<br />

Ein wenig beängstigend erschien<br />

dieser klangliche Nachhall spätestens<br />

in dem Moment, als der<br />

mit Lyrics versehene Song am 23.<br />

Februar 1974 in der englischen<br />

Hitparade die Top 10 knackte.<br />

Was dem Quartett damals<br />

mächtig im Magen lag, ist<br />

heute eine charmante Fußnote,<br />

die QUEEN unter den Fans einen<br />

wohlwollenden Sonderstatus<br />

garantiert: der Sound. Hier ein<br />

bisschen Hall, da ein paar Stereospielereien<br />

– und das war's. Ansonsten<br />

ist vor allem Brian Mays<br />

Gitarrenklang hörbar in ein Korsett<br />

gezwängt. Und dort, wo in den<br />

hochmütigen Momenten orchestrale<br />

Übermacht den jeweiligen<br />

Song in Sphären der Erhabenheit<br />

gehoben hätte, blieben <strong>Queen</strong> ungewollt bodenständig. Derart auf die Möglichkeiten<br />

einer vierköpfigen Rockband reduziert, klang das Quartett nie wieder.<br />

Während die Songs der LP zum Teil bis zu drei Jahre Zeit gehabt hatten, im<br />

Proberaum und auf kleinen Clubbühnen zu reifen, war die Scheibe selbst über<br />

Nacht entstanden: Ihr Label Trident überließ der Band nämlich immer dann das<br />

hauseigene Studio, wenn gerade niemand dort aufnahm. Also enterten die vier<br />

eigenwilligen Typen die noch nach Schweiß, Qualm, Bier und Ausdünstungen<br />

stinkenden Produktionsräume nachts oder an den Wochenenden. Vor allem<br />

Fo<strong>to</strong>: © Universal<br />

Mercury fühlte sich ob dieser Situation<br />

ziemlich angepisst, verwandelte seinen<br />

Unmut jedoch in pure Energie und lieferte<br />

begnadete Gesangsleistungen ab.<br />

Es macht Spaß, auf QUEEN die vor<br />

allem durch Arbeit gekennzeichnete<br />

Studio-Atmosphäre zu erlauschen.<br />

Manchmal meint man, hinter der Glaswand<br />

im Aufnahmeraum zu sitzen und<br />

die Band bei ihrem konzentrierten Zusammenspiel<br />

zu beobachten. Die Gruppe<br />

kam danach nie wieder in die Situation,<br />

lediglich damit abgespeist zu werden, was jene, die bereits aufgegessen hatten,<br />

am Tellerrand übrigließen. Bereits mit dem Album QUEEN II, am 8. März 1974<br />

veröffentlicht, marschierte der Vierer schnurstracks ins erste Glied.<br />

An Daten orientierte Bandbiografien<br />

gibt es reichlich.<br />

Auch die Alben erfuhren unzählige<br />

Betrachtungen und erhielten<br />

erst 2011, im 40. Jahr des Bestehens<br />

der Band, umfassende Würdigungen<br />

(<strong>GoodTimes</strong> 3/2011).<br />

Dass <strong>Queen</strong> aber nicht nur musikalisch<br />

außergewöhnlich und<br />

kommerziell eminent erfolgreich<br />

waren, sondern zu den bizarrsten<br />

Musikergemeinschaften der<br />

gesamten Rockgeschichte gehören,<br />

bleibt häufig auf der Strecke.<br />

Während andere Giganten den<br />

Ruhm vor allem fast ausschließlich<br />

mit sexuellen Eskapaden und Drogenexzessen<br />

auslebten, ist das Anekdotenbuch<br />

von Freddie, Brian,<br />

John und Roger voll mit Hintersinnigem.<br />

Wer den Eindruck gewinnt, dass <strong>Queen</strong> nichts dem Zufall überließen,<br />

liegt definitiv nicht falsch.<br />

Kein Wunder. Bei den vier neuen Stars am Rock’n’Roll-Firmament handelte es<br />

sich 1973 um angehende oder ausgebildete Akademiker. Brian May saß über<br />

seiner Dok<strong>to</strong>rarbeit in Astrophysik, Roger Taylor hatte nach einem Abstecher<br />

ins Medizinfach Biologie studiert, Freddie Mercury hatte längst sein Diplom in<br />

Grafik, Kunst und Design in der Tasche, und John Deacon strebte nach einem<br />

Uni-Abschluss in Elektronik und Physik. Das war damals eine ungewöhnliche<br />

© Pressefo<strong>to</strong><br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 11


Konstellation. Heavy- und Hard Rocker entstammten dann doch eher dem Arbeitermilieu,<br />

weshalb sich intellektuell wähnende Musikjournalisten der Stilrichtung<br />

wenig Inhalt zugestanden und ihr schnell der Ruf stumpfsinniger Aggressivität<br />

anhaftete.<br />

Durch die Brille eines Spätgeborenen betrachtet, könnte die Bedeutung verwundern,<br />

die damals den unterschiedlichen Bildungsschichten beigemessen<br />

wurde. Allerdings handelte es sich bei Unis in den 60er und 70er Jahren<br />

tatsächlich noch um die berühmten Eliteschmieden. Wer studierte, war überdurchschnittlich<br />

begabt und gebildet. Hochschulen und Universitäten waren die<br />

Böden, auf denen Kreativität, Freigeist und Rebellion gediehen. Und heute?<br />

Nicht umsonst gibt es den Begriff Studenten-Rock, der sinnfreien Singer/Songwriter-Einheitsbrei<br />

beschreibt.<br />

<strong>Queen</strong> hatten ein Konzept. Nicht sofort, was ihre Happenings mit in Schokosoße<br />

getauchtes Popcorn bei frühen Konzerten belegen. Es ist jedoch<br />

kein Zufall, dass das royale <strong>Queen</strong>-Emblem noch vor der ersten LP entstand.<br />

Obwohl die Verantwortlichen bei Trident zweifelnd die Köpfe wiegten, schuf<br />

sich die Band ein aris<strong>to</strong>kratisches Image, das zu keiner der gerade grassierenden<br />

Wellen zu passen schien. Wozu auch? <strong>Queen</strong> hatten nie vor, Erwartungshaltungen<br />

zu bedienen. Sie verwoben Progressive Rock mit Glam, brachten Heavy<br />

Metal mit Oper zusammen. Das war bescheuert. Zumindest sahen das die<br />

Kritiker so, die besonders in <strong>Queen</strong>s Heimatland mit der Band eigentlich nie<br />

warm wurden. Und so hatten diese „arroganten Typen" von Anfang an Hürden<br />

zu nehmen, Mauern zu brechen, was sie zu allem Ärger ihrer Gegner affektiert<br />

s<strong>to</strong>lzierend taten.<br />

Das Spiel mit dem Königlichen hatte besonders für Mercury zwei Seiten.<br />

Zum einen schuf sich die Band einen Sonderstatus, der sie aus der Masse<br />

der Mitbewerber nicht nur heraushob, sondern geradezu isolierte. Niemand<br />

war wie <strong>Queen</strong>. Und <strong>Queen</strong> wollten auch nirgends dazugehören. Zum anderen<br />

transportierte das Image im England der Früh-70er, als noch keine Lady Di die<br />

Royals zu profanen Nachbarn herabgewürdigt hatte, die pure Provokation. Als<br />

die Popularität der Band zunahm, forderten konservative, königstreue Kreise in<br />

Petitionen gar, die Band möge sich umbenennen. Wenig erfolgreich, wie man<br />

weiß. Vielmehr sorgte der Gegenwind für nur noch mehr Lust anzuecken. So<br />

sollen <strong>Queen</strong> zum Beispiel in einer ihrer ersten Anzeigen als Au<strong>to</strong>grammadresse<br />

die Anschrift des Buckingham Palace veröffentlicht haben. Ob die echte <strong>Queen</strong><br />

sich danach vor Post nicht mehr retten konnte, ist das Geheimnis der Royals<br />

geblieben.<br />

© Pressefo<strong>to</strong><br />

Beinahe noch besser als Werbung funktionierte die Auszeichnung der Band<br />

mit einer silbernen Scheibe für QUEEN II. In der deutschen „Bravo" war<br />

dazu im Ok<strong>to</strong>ber 1974 zu lesen: „Die vier Boys der Gruppe bekamen ihre Edelmetallscheiben<br />

im Londoner Café Royale überreicht – aus den Händen von<br />

<strong>Queen</strong> Elisabeth: allerdings nicht von der echten Königin, sondern von deren<br />

Doppelgängerin, einer Hausfrau namens Jeanette Charles aus Birmingham.<br />

Trotzdem – die verblüfften Gäste staunten anfangs nicht schlecht über den<br />

,hohen Besuch'."<br />

Live erlebte die Band in diesen Jahren des mühseligen Aufstiegs wahre Odysseen.<br />

Ihr erster Australienabstecher im Januar 1974 blieb als Desaster in Erinnerung.<br />

Sie waren bei einem Festival als Headliner gebucht worden und hatten somit auf<br />

einen Schlag sämtliche einheimischen Bands und Crewmitglieder gegen sich. In<br />

einer Atmosphäre wutschnaubender Abneigung fuhren die Bandmitglieder auch<br />

noch einzeln in großen weißen Limousinen vor, was das Fass überlaufen ließ<br />

und den für die Moderation zuständigen DJ dazu veranlasste, dem bereits gegen<br />

die Band in Stimmung gebrachten Publikum <strong>Queen</strong> als<br />

„aufgeblasene Wichser" anzukündigen.<br />

Heiß her ging es wenig später auch an der Universität<br />

Sterling (Schottland), als die Fans selbst nach der<br />

vierten Zugabe nicht akzeptieren wollten, dass die Band<br />

das Konzert beendete, und völlig ausrasteten. Es kam<br />

zu brutalen Schlägereien, in deren Folge zwei Gäste der<br />

Show niederges<strong>to</strong>chen wurden.<br />

Während die verhinderten Rockstars in den Redaktionen<br />

der englischen Musikmagazine von jeher mit<br />

nationalen Bands recht rüde umgingen, wurden <strong>Queen</strong><br />

sogar zum erklärten Kritiker-Hassobjekt. Wenn sich mal<br />

wieder ein Musikjournalist mit einer bissigen Schmähtirade<br />

ins Gerede bringen wollte, stürzte er sich auf die<br />

so schwer zu fassenden „Königinnen". Eine scheinbar<br />

sachliche Analyse des „leblosen Sounds" war da dann<br />

meist das kleinere Übel. Spott war an der Tagesordnung,<br />

der sich oft in Regionen bewegte, in denen versucht<br />

wurde, die Band der Lächerlichkeit preiszugeben.<br />

Selbstverständlich ging das nicht spurlos an den Musikern<br />

vorbei. Und natürlich war es der sensible Mercury,<br />

der besonders unter den öffentlichen Beleidigungen litt.<br />

<strong>Queen</strong>s Antwort auf die Anfeindungen war ein Rückzug.<br />

Das Quartett gab kaum Interviews, ließ Journalisten an<br />

der Entwicklung der Band nur als Zaungäste teilhaben.<br />

Dieser Selbstschutz hatte zur Folge, dass die schreibende<br />

Zunft Freddie & Co. der Arroganz bezichtigte, was die schrillen Figuren schließlich<br />

für die Fans noch interessanter machte. Das Verhältnis zur britischen Presse<br />

erholte sich nie mehr. Spätestens seit "Bohemian Rhapsody" (1975) interessierte<br />

<strong>Queen</strong> dies aber nicht mehr.<br />

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Bis heute wird über Inhalt und Hintergrund dieser Jahrhundert-Single gerätselt.<br />

Den Text erklärte Mercury eigentlich nie. Und auch die Frage, ob<br />

es sich bei der musikalischen Umsetzung um einen frühen Crossover-Versuch<br />

oder doch eher um eine Opern-Parodie handelte, blieb lange Gegenstand von<br />

Spekulationen. Roger Taylor und Brian May sind in den zurückliegenden 20<br />

Jahren seit Mercurys Tod immer wieder bemüht gewesen, offen jene Fragen<br />

zu beantworten, die vorher zum Erhalt des Mythos <strong>Queen</strong> beredtes Schweigen<br />

ernteten. Allerdings ist ein zwei Jahrzehnte lang be<strong>to</strong>niertes Monument nicht<br />

mit ein paar wortreichen Interviews aufzuweichen.<br />

Es ist kurios, dass die Kohle erst richtig zu fließen begann,<br />

als "Bohemian Rhapsody" in die Charts kam und das<br />

mittlerweile vierte Album erschien, A NIGHT AT THE OPE-<br />

RA (1975). Ursache für die bis dahin leeren Kassen waren<br />

Knebelverträge mit Trident, aus denen sich die Band<br />

rauskaufen musste. Und während die anderen Gruppenmitglieder<br />

tatsächlich recht vernünftige Sachen mit den<br />

plötzlichen Riesensummen anstellten, flippte Mercury erst<br />

mal aus. Das „Freizeit Magazin" schrieb dazu 1978: „…<br />

kaufte sich Freddie lieber gleich eine neunsitzige Limousine<br />

mit Chauffeur … Mercury: ,Ich habe so viel sinnloses<br />

Zeug gekauft und hinterher weggeworfen, dass ich mich<br />

manchmal dabei über mich selbst gewundert habe.'"<br />

Wenn auch keiner der vier Musiker irgendetwas mit Drogen<br />

am Hut hatte und selbst Alkohol nie zu einem ernsthaften<br />

Problem wurde, gestalteten sich die unvermeidlichen<br />

After-Show-Partys äußerst exzessiv. Brian May beschrieb das mal als eine Art<br />

Ventil, das es ermöglichte, überschüssiges Adrenalin aus dem zuvor bestrittenen<br />

Auftritt abzubauen. Aus seinem Mund klingt das fast wie ein ironischer Scherz,<br />

wirkte der Gitarrist doch live eher zurückhaltend. Bei einem Angus Young<br />

(AC/DC) hätte man sofort gewusst, was er meinte – aber Brian May? Und doch –<br />

bei aller Konzentration aufs Spiel der nicht gerade unkomplizierten Songstrukturen<br />

explodierte der Klampfer allabendlich, was durchaus an seine Substanz<br />

ging. Vermutlich reagierte sein Körper auch wegen der Dauerbelastung 1974<br />

mit zwei schweren Infektionen. Erst entzündete sich sein Arm, beim zweiten<br />

Mal wurde May von einer Gelbsucht ausgehebelt, die sich nicht nur über Monate<br />

hinzog, sondern ihn zeitweise an die Schwelle des Todes brachte. Es war<br />

aber ausgerechnet diese erzwungene Auszeit, die dem Gitarristen in Momenten<br />

der Ruhe und Genesung die Möglichkeit gab, neue Songs zu schreiben.<br />

Bei <strong>Queen</strong> drehte sich alles um das Prinzip „schneller, höher, weiter". So<br />

strebten sie auch live nach immer wieder neuen Großtaten, die der Welt<br />

Fo<strong>to</strong>: © Universal<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 13<br />

den Atem rauben sollten. Bühnen-Extravaganz bei den Klamotten und der<br />

Lichtshow, Nebelschwaden, Bomben und Firlefanz, der in beachtlichen Größenordnungen<br />

als Unterhaltungseffekt im Publikum landete (massenhaft von<br />

Dornen befreite Rosen zum Beispiel) – und Zuschauerrekorde. So knackten sie<br />

am 18. September 1974 mit einem Gratis-Konzert im Londoner Hyde Park die<br />

150.000er-Grenze. Da ohne Ticketverkäufe keine genauen Zahlen vorlagen, bewegten<br />

sich einige Schätzungen sogar bei rund 200.000 Menschen. Mehr ging<br />

nicht. <strong>Queen</strong> waren dort angekommen, wo Mercury vom ersten Moment an<br />

hin wollte. Nichts hatte er dem Zufall überlassen. Er war einer jener Musiker,<br />

die zwar leidenschaftlich ans Werk gingen, Gefühlsregungen aber grundsätzlich<br />

noch einmal akribisch analysierten. Das galt fürs Image genauso wie für die Musik.<br />

Wer in "Bohemian Rhapsody" einen aus dem Bauch gespielten Rock’n’Roller<br />

sieht, ist definitiv besoffen. Selbst so simple Sachen wie "Crazy Little Thing Called<br />

Love" (THE GAME, 1980) oder "We Will Rock You" (NEWS OF THE WORLD,<br />

1977) waren exzellent durchdacht und im Studio zigmal diskutiert worden. Der<br />

Blues-Rocker "Sleeping On The Sidewalk" (NEWS OF THE WORLD), der in einem<br />

Take aufgenommen wurde, weil die Bandmaschine mitlief, blieb die Ausnahme.<br />

Mit der Popularität ging die Jagd der Journalisten nach immer neuen Informationen<br />

über die einzelnen Bandmitglieder einher. John Deacon eignete<br />

sich in seiner introvertierten Art nur schlecht für reißerische Geschichten. An<br />

Brian May hatte man sich schnell abgearbeitet, weil bei ihm außer dem Thema<br />

Musik nicht viel zu holen war. Anders Mercury und Taylor. Letzterer war ein<br />

Hansdampf in allen Gassen. Die Frauen liebten ihn – und er liebte die Frauen.<br />

Und Au<strong>to</strong>s: "I’m In Love With My Car" vom Album A NIGHT AT THE OPERA war<br />

ernstgemeint. Sportwagen, Luxusschlitten, Spezialausführungen – alles probierte<br />

er aus. Bis er 1980 bei einem Unfall in Deutschland in seinem Au<strong>to</strong> fast<br />

verbrannt wäre. In letzter Sekunde hatte er sich aus dem Wrack befreien können,<br />

bevor es in die Luft ging.<br />

Mercury war tatsächlich jene Diva, für die ihn alle hielten. Normal lief sein Leben<br />

eigentlich nur, wenn er schlief. Und hätte er die Journaille auch nur einen halben<br />

Meter näher an sich herangelassen, wären bereits in den ersten Jahren des Erfolgs<br />

über seine Eskapaden die Boulevard-Gazetten voll gewesen. So blieb es viele Jahre<br />

jedoch in erster Linie bei Spekulationen und Halbwahrheiten. Für den charismatischen<br />

Sänger nur weitere Gründe, sich medial äußerst rar zu machen.<br />

Freddie Mercury war durch und durch ein Künstler. Alles an ihm, jede<br />

Handlung hatte etwas mit Kreativität zu tun. Platz für anderes gab<br />

es nicht. So hielt der Frontmann zum Beispiel überhaupt nichts von<br />

Benefiz- oder sozialem Engagement, was seinen Bandkollegen<br />

ganz offensichtlich entgegenkam. Aber auch <strong>Queen</strong> spendeten:<br />

zum Beispiel den Reinerlös ihres Konzerts von 7.<br />

Juni 1977 im Earl’s Court an den Fonds zum 25. Thronjubiläum<br />

von Königin Elisabeth. Wie wenig das Quartett<br />

von politischen Statements hielt, belegt die anfängliche<br />

Weigerung der Band, 1985 am „Live Aid"-Spektakel teilzunehmen.<br />

Bob Geldof gestand später in Interviews, dass<br />

er Mercury nur über seine Eitelkeit zu einem Auftritt bei<br />

dem Festival habe überreden können: Ohne ihn ginge es<br />

nicht, die ganze Welt schaue zu und so weiter. Manch<br />

selbst ernannter Weltretter schluckte, als die Gruppe die<br />

Bühne betrat. Hatte Mercury mit seinen Kollegen nicht erst<br />

ein knappes Jahr zuvor den Kulturboykott der Vereinten<br />

Nationen gebrochen und im südafrikanischen Las Vegas,<br />

Sun City, Konzerte gegeben? <strong>Queen</strong> hatten! „Wir haben durchaus über den<br />

moralischen Aspekt nachgedacht, uns aber am Ende entschlossen, es zu tun",<br />

sagte Brian May seinerzeit dem „Guardian". „Wir sind keine politische Band,<br />

und deshalb spielen wir für jeden, der zu uns kommt und zuhört." Und John<br />

Deacon meinte: „Wir haben Freude daran, zu neuen Orten zu gehen. Wir haben<br />

Amerika und Europa so viele Male bereist, dass es Zeit war, mal irgendwo anders<br />

hinzugehen ... Ich weiß, dass es deshalb ein wenig Aufregung gegeben hat, aber<br />

offensichtlich sind wir da unten sehr populär ... Und grundsätzlich wollen wir<br />

spielen, wo auch immer Anhänger uns sehen wollen." Die Entrüstung kannte<br />

keine Grenzen. Diese Haltung passte ja so gut zu der „unerträglichen Arroganz"<br />

(„Guardian") der Gruppe.<br />

Dieselbe Zeitung fragte im Mai 2008, wie May und Taylor den Nerv haben<br />

konnten, an einem Festival im Hyde Park zum 90. Geburtstag Nelson Mandelas<br />

teilnehmen zu wollen. „Kalkül" und „kaltschnäuzig" hieß es da. May und Taylor<br />

beantworten solche Attacken mit einem Schulterzucken. Nur, dass es im Vergleich<br />

zu damals weitaus freundlicher ausfällt.<br />

Jens-Uwe Berndt


<strong>Music</strong>al in Essen<br />

im neuen Gewand<br />

Gemessen an ihrem Hang zum Gigantismus und zur Perfektion war<br />

es in der Epoche der <strong>Music</strong>als nur eine Frage der Zeit, bis auch<br />

<strong>Queen</strong> eine Show für die Theater anbieten würden. Und bei allem<br />

Wohlwollen: Der enorme Erfolg der Produktion „We Will Rock<br />

You“ schien anfangs keineswegs selbstverständlich. Mittlerweile<br />

haben seit der Uraufführung 2002 rund 14 Millionen Menschen<br />

das Spektakel gesehen, sechs Millionen allein im Dominion Theater<br />

im Londoner West End, zwei Millionen Zuschauer machten die<br />

Show von 2004 bis 2008 in Köln zum bisher erfolgreichsten <strong>Music</strong>al<br />

in Nordrhein-Westfalen. In Essen geht es ab April weiter.<br />

Wie <strong>Queen</strong>-Gitarrist Brian May versichert,<br />

erwartet das Publikum nicht etwa nur<br />

eine identische Aufführung an einem<br />

anderen Standort. „Wir sind überglücklich, dass wir<br />

,We Will Rock You' in dieser aktuellsten und technisch<br />

neuesten Überarbeitung erstmals für Deutschland<br />

in Essen präsentieren können", sagt May. „Wir<br />

sind sehr s<strong>to</strong>lz auf diese deutsche Produktion. Sie<br />

ist mit keiner anderen weltweit zu vergleichen. Das<br />

Ensemble und die Band haben ihren ganz eigenen<br />

Stil. Aber was am allerwichtigsten ist: Die Show ist<br />

live, sie ist gefährlich, und mehr als alles andere:<br />

Sie rockt!"<br />

Vom 11. April bis 30. Juni wollen im Essener Colloseum<br />

Theater jeden Abend 76 Ensemble- und<br />

Crewmitglieder für die perfekte Illusion einer <strong>to</strong>talitären<br />

Science-Fiction-Welt sorgen, in der eine<br />

kleine Gruppe ausgeflippter Rebellen die Rockmusik<br />

dem Bann einer dikta<strong>to</strong>rischen Herrscher-Kaste entreißen<br />

will. Das klingt bedeutungsschwanger und ist<br />

von der S<strong>to</strong>ry des Konzeptwerks KILROY WAS HERE<br />

der Gruppe Styx (1983) gar nicht so weit entfernt.<br />

Dort war es einst ein gewisser Robert Orin Charles<br />

Kilroy, der als eingekerkerter Rock’n’Roll-Star die<br />

verbotene Rockmusik wieder ins Bewusstsein der<br />

Menschen zurückbringen wollte.<br />

Die Handlung bei „We Will Rock You" ist opulenter.<br />

Nicht nur der Kampf zwischen Gut und Böse – verkörpert<br />

durch die Rockfans auf der einen und die<br />

Herrscherin Killer <strong>Queen</strong> (Brigitte Oelke) auf der anderen<br />

Seite – machen die Handlung aus. Dazu gibt<br />

es eine facettenreiche Love-S<strong>to</strong>ry mit Galileo (Chris<strong>to</strong>pher<br />

Brose) und Scaramouche (Jeannine Michele<br />

Wacker). Selbst Nebenfiguren wie Bap (Léon van<br />

Leeuwenberg), Brit (Markus Neugebauer) und Dieter<br />

(Martin Werth) sind mit Liebe zum Detail ausgearbeitet<br />

und treiben die Geschichte unentwegt<br />

vorwärts.<br />

Ein wesentliches Element des <strong>Music</strong>als ist der Humor.<br />

Vor allem witzige Bezüge zum <strong>Queen</strong>-Schaffen und<br />

Anspielungen auf die aktuelle Rock- und Popszene<br />

sorgen für Lacher. Und es ist den<br />

Machern der deutschen Version von<br />

„We Will Rock You" hervorragend gelungen, die den<br />

Fluss unterstützenden Wortspiele, die sich aus englischsprachigen<br />

Songs ergeben, mit nicht weniger<br />

heiteren Bezügen zu deutschen Liedern zu ersetzen.<br />

Der <strong>Queen</strong>-Fan kommt schon aus musikalischer<br />

Sicht voll auf seine Kosten. Neben einer gigantischen<br />

Version von "Bohemian Rhapsody", des<br />

visuell traumhaft umgesetzten "Radio Ga Ga" und<br />

dem machtvollen "Killer <strong>Queen</strong>" kommen Titel wie<br />

"Headlong", "These Are The Days Of Our Lives" und<br />

"Tie Your Mo<strong>the</strong>r Down" zur Aufführung.<br />

Jens-Uwe Berndt<br />

Fo<strong>to</strong>: © Hardy Müller<br />

Fo<strong>to</strong>: © Nilz Böhme<br />

Fo<strong>to</strong>: © Nilz Böhme<br />

Seite 14<br />

■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


Steven Wilson<br />

The Raven That Refused<br />

To Sing (And O<strong>the</strong>r S<strong>to</strong>ries)<br />

Das neue Album des Grammy nominierten Songschreibers,<br />

Produzenten und Porcupine Tree Gründungsmitglieds.<br />

Engineered von Alan Parsons.<br />

<br />

<br />

ECLIPSED – ALBUM DES MONATS<br />

ROCK HARD 9/10 (Michael Rensen):<br />

“Ein heißer Anwärter auf den Titel „Platte des Jahres“!<br />

VISIONS (Dennis Plauk):<br />

“Steven Wilson ist das größte Prog-Genie seiner Zeit.”<br />

Jezt Erhältlich<br />

www.kscopemusic.com/stevenwilson<br />

www.stevenwilsonhq.com<br />

Amplifier<br />

Echo Street<br />

<br />

<br />

Erhältlich ab 15. März<br />

www.kscopemusic.com/amplifier<br />

ON TOUR<br />

20/4 OSNABRUCK - Kleine Freiheit<br />

21/4 HAMBURG - Knust<br />

22/4 DRESDEN - Beatpol<br />

24/4 MUNICH - Hansa 39<br />

25/4 WURZBURG - Cairo<br />

26/4 ERFURT - HSD Gewerkschaftshaus<br />

27/4 COLOGNE -Luxor<br />

28/4 SAARBRUCKEN - Garage<br />

29/4 WEINHEIM - Cafe Central<br />

30/4 KARLSRUHE - Substage<br />

ON TOUR<br />

10/3 KÖLN, Live <strong>Music</strong> Hall<br />

14/3 HAMBURG, CCH Saal 2<br />

21/3 BERLIN, Hasenheide, Huxley’s<br />

22/3 ESSEN, Altendorfer Straße, Colosseum<br />

23/3 FRANKFURT, Neu-Isenburg, Hugenottenhalle<br />

25/3 STUTTGART, Siemensstraße, Theaterhaus<br />

26/3 MÜNCHEN, Theresienhöhe, Alte Kongresshalle<br />

Henry Fool<br />

Men Singing<br />

Das neue Album des Projektes mit Mitgliedern<br />

<br />

Erhältlich ab 15. März<br />

www.kscopemusic.com/henryfool<br />

The Pineapple Thief<br />

Build a World<br />

Die neue EP von TPT, mit drei brandneuen<br />

Studio Tracks<br />

ON TOUR<br />

12/3 KARLSRUHE, Jubez<br />

15/3 OBERHAUSEN, Drucklufthaus<br />

<br />

www.kscopemusic.com/<strong>the</strong>pineapplethief


Werbegeschenke der Plattenindustrie<br />

Hits dank Gimmicks?<br />

Eric-Clap<strong>to</strong>n<br />

Weltatlas, Dire-Straits-<br />

Tageskalender, Talk-Talk-Büro-<br />

Utensilien, Babyface-Kühlbox oder<br />

Zeig mir Wohnung und Kleiderschrank,<br />

dann errate ich deinen men scheuten früher weder Kosten noch Mü-<br />

Snap-Ente und putzt sich die Zähne mit<br />

Beruf!" Bei professionellen hen, um Handels- und Medienpartner auf ihre der Pop-A-Tac-Bürste. In der Küche<br />

„<br />

Musikverkäufern aus Handel Produkte aufmerksam zu machen. Gimmicks hei-<br />

wird zum Tears-For-Fears-Messer rs-Messer<br />

tanzende Kunstblume von Poco: Plattenfir-<br />

flott aus dem Bett, trifft im Bad auf die<br />

und Medien führt diese Behauptung, auch<br />

ohne vorherige Kenntnis ihrer Tätigkeit,<br />

meist auf einen Blick zu einer Trefferquote<br />

von 100 Prozent. Wieso? Ist der Gegenüber<br />

nicht bereits selbst eine wandelnde<br />

Litfaßsäule für die Pop/Rockindustrie, dann<br />

lebt er inmitten einer Promotionartikelwelt,<br />

stapeln sich in seinem<br />

Kleiderschrank T- und<br />

ßen jene Werbegeschenke; sie sollen dafür sorgen,<br />

dass Tonträger durch besondere Originalität oder<br />

spektakuläre Aufmachung aus der Konkurrenzmasse<br />

heraus stechen und bei Entscheidern und/oder Meinungsmachern<br />

Interesse auf sich ziehen. Thomas Hammerl<br />

öffnet seinen in vielen Jahren musikjournalistischer<br />

Arbeit zusammengetragenen reichhaltigen Fundus<br />

an Gimmicks und begehrten raren Promotionexemplaren.<br />

"Tears Roll Down" gegriffen, der<br />

Kaffee aus der INXS-Tasse trunken, dazu gibt's entweder<br />

Schokolade aus der Living In<br />

A Box oder Monster-Twins-<br />

Kekse – an einem mit einer<br />

bunten Simple-Minds-Decke<br />

und dem Kinderspielzeug zur<br />

ge-<br />

Sweat-Shirts<br />

mit Coverabbildungen<br />

Und er recherchierte auch bei den Annie-Lennox-Single "Litt-<br />

oder Logos von Stars und Sternchen<br />

jeglicher Couleur. Die Hemden tragen<br />

mehr oder<br />

weniger dezent platzierte<br />

Namenszüge oder plakative Aufnäher/<br />

Firmen, um Sinn und Zweck solcher Präsente<br />

zu klären. Ein Insiderbericht aus einer<br />

Zeit, als es noch die deutsche Mark<br />

gab und der Tonträgerindustrie<br />

le Bird" geschmückten Tisch.<br />

Beim Anziehen im branchentypischen<br />

Look immer wieder mal<br />

die breiten Hubert-von-Goisern-Hosenträger osenträger berück-<br />

Drucke der Künstler und können – wie etwa<br />

im Fall von Erasure – schon mal von einem<br />

exklusiven Londoner Designer entworfen sein. Auf<br />

gut ging.<br />

sichtigen und die rosafarbene Thele<br />

Specials-Krawatte: Das zeigt den Plattenpromotern,<br />

dass der Träger zu ihrer Ware steht<br />

einer<br />

Boxershorts-Rückseite ist in knalligem Pink „Ramones –<br />

Brain Drain" zu lesen, der Bademantel weist unübersehbar<br />

auf die aktuellen Alben von Billy Squier oder Peter Wolf hin.<br />

und sie brav bewirbt. Von Kopf (mit „Schulz"-Schirmmütze<br />

oder Izzy-Stradlin-Stirnband) bis Fuß (in Mike-Oldfield--<br />

Sportschuhen) ganz auf Produktwerbung eingestellt, geht<br />

es im Jogginganzug mit der Aufschrift „John Parr – Running<br />

Wo immer ein Mensch ist, der etwas mit dem The Endless Mile" und umgehängter The-Fixx-WALKABOUT-T-<br />

<strong>Music</strong>-Biz zu tun hat – die Gimmicks in seinem<br />

S<strong>to</strong>ppuhr sowie geräumiger Eddie-Grant-Tasche zum Frühsport.<br />

Umfeld sind unübersehbar. Findige, kreative,<br />

in Konkurrenz zueinander stehende Marketing- und<br />

Produktmanager sorgen dafür, dass mit ihren Zusatzprodukten<br />

jeder Lebensbereich der einflussreichen<br />

Die Schweißbänder dafür warfen Frankie Goes To Hollywood<br />

und den Frisbee THE RUNNER – Richard T. Bear ins<br />

Rennen. Erfrischende Getränke liegen in der Kühlbox mit dem<br />

aufgeklebten Babyface-Gesicht.<br />

Kandidaten infiltriert wird – am besten 24 Stunden<br />

G täglich, sieben Tage die Woche. So kommt die Zielper-<br />

enug? Noch lange nicht! Im Büro steht dann der Richard-<br />

son<br />

morgens dank des Boy-Meets-Girl-Hahnenwecker Marx-Taschenrechner „Rush Street" ebenso griffbereit wie eine<br />

Seite 16 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


gelbe Kajagoogoo-<br />

Schere WHITE<br />

FEATHERS,<br />

Annette Humpes<br />

Textmarker<br />

(in<br />

Lippenstiftform)<br />

ICH KÜSSE<br />

IHREN MANN, der<br />

stabile CELEBRITY<br />

SKIN-Notizblock<br />

in Silbermetallic von der<br />

Courtney-Love-Band<br />

Hole<br />

und die Talk-<br />

Talk-Pinienholzbox<br />

LAUGHING STOCK samt Lineal, Büroklammern, Reißnägeln, Radiergummi, mi,<br />

Stiften, CD sowie dem Cover als Druck und Aufkleber. Derart bestens ausgeen<br />

rüstet, können etwaige Termine im<br />

ledergebundenen<br />

Dire-Straits-Tageskalender notiert<br />

werden. Vor dem<br />

Abflug zum nächsten Interview, der durch ei-<br />

nen Blick auf ZZ Tops RE-<br />

CYCLER-Wandkalender ge-<br />

klärt wird, lohnt die genaue<br />

Ortsbestimmung im Eric-<br />

Clap<strong>to</strong>n-Weltatlas<br />

JOURNEYMAN.<br />

Der Anhänger von Texas ist<br />

bereits am transparenten<br />

Michael-Jackson-Aktenkoffer<br />

befestigt, der<br />

Mini-Ventila<strong>to</strong>r STURM<br />

von Kalkowski ebenfalls<br />

eingepackt. Nicht zu vergessen: der handliche, lederne Kreditkartenordner HELL<br />

TO PAY der Jeff Healey Band. Aber erst noch kurz den Timer im PC checken,<br />

dessen Maus auf einem Genesis-Pad liegt. Über dem Moni<strong>to</strong>r balanciert auf<br />

einem quer durch den Raum gespannten Seil ein klei-<br />

ner Einradkünstler (anlässlich Supertramps FAMOUS<br />

LAST WORDS), während auf dem Balkon die Sonnenblumensamen<br />

aus Maggie Reillys<br />

dunkelblau-dekorativer, mit Mes-<br />

singsonne verzierter MIDNIGHT<br />

SUN-Schachtel etliche Blüten<br />

hervorgebracht haben. Ebenfalls<br />

ein Hingucker ist der<br />

nummerierte<br />

Kunstdruck<br />

des Covers von Chris Reas<br />

GOD'S GREAT BANANA SKIN (Limited Edition:<br />

500 Stück). Kurz ein Blick auf die UKW-Wanduhr<br />

ALLES KLAR geworfen: Passt, bald ist Abreisezeit!<br />

Zurück vom Promiplausch bleibt nicht viel Zeit,<br />

selbst zu kochen. Darum gibt es zum Abendessen n<br />

das Fertiggericht „Jambalaya Seasoning And Popcorn orn Rice",<br />

eine Empfehlung der Neville Bro<strong>the</strong>rs mit ihrem Album. Wem es angesichts des<br />

geschilderten Präsente-Showdowns inzwischen schwindlig ist, erinnert sich am<br />

besten des „Survival Sets" zum Film „Roadhouse", das neben gerösteten Nüssen,<br />

einem Schnapsglas s und „ernüchternden Tipps"<br />

auch Alka Seltzer enthält. Da betritt bereits die<br />

Freundin die Wohnung jenes – von der trie als meinungsbildender Multiplika<strong>to</strong>r ge-<br />

Indusschätzten<br />

und deshalb hofierten – Journalisten<br />

die<br />

Wohnung.<br />

Zeit, das „Do Not<br />

Disturb – I’m Save<br />

Tonight"-Schild<br />

von<br />

Eagle-Eye<br />

Cherry draußen an<br />

die<br />

Wohnungstür<br />

zu hängen – für<br />

den Fall, dass ein<br />

Kurier plötzlich weitere<br />

Promo-Exemplare<br />

anliefert<br />

... Nachdem mit dem El<strong>to</strong>n-John-&-Cliff-Richard-hard-<br />

Feuerzeug in Mikrofonform die Midnight-Oil-Öllampe<br />

angezündet und die per Knopfdruck Feuer gebende Dio-<br />

Handgranate nicht zu offensichtlich postiert wurde, empfiehlt<br />

es sich, für alle Fälle das Kondom parat zu haben,<br />

das einem Tonträger der Anti-Nowhere League beilag …<br />

All diese Werbegeschenke, von den Plattenfirmen an<br />

ihre Partner im Fach(<strong>to</strong>nträger)-<br />

handel und bei den Medien<br />

frei Haus geliefert, sind also<br />

„Gimmicks". Der Begriff stammt t<br />

aus dem anglo-amerikanischen<br />

Sprachraum, ist ab 1926 schriftlich<br />

belegt und bedeutet soviel<br />

wie Dingsda, Knüller oder Sensationswerbung.<br />

„Gimmicks sollen<br />

einen Erinnerungswert und<br />

ein gewisses Wohl-<br />

wollen<br />

dem<br />

Pro-<br />

dukt gegenüber bezwecken",<br />

erklärt Jürgen Kramar. So hat das seit November<br />

2003 im Unruhestand befindliche A&R-Urgestein (u.a. Ex-<br />

International Consultant Universal, Vice President A&R In-<br />

ternational Koch Records, Manager A&R<br />

International Intercord) etwa für<br />

den von ihm betreuten Musiker,<br />

Songwriter und Produzenten<br />

Babyface eine der<br />

aufwändigsten Aktionen<br />

der damaligen<br />

Intercord in Stuttgart<br />

durchgeführt. Weil,<br />

laut Anschreiben,<br />

„das Babyface-Album<br />

TENDER LOVE<br />

einfach zu heiß ist,<br />

um es auf anderem<br />

Wege zu verschicken", wurde die CD 1100 ausgesuchten Händlern, Großeinkäufern<br />

sowie Medienleuten in Deutschland, Österreich und der Schweiz in<br />

einer großen, weißen Kühlbox zugestellt. „Die Gesamtkosten betrugen rund<br />

50.000 Mark", offenbart Kramar, „bescherten uns zwar verstärkte<br />

Promotion<br />

und guten Willen, brach-<br />

ten aber nicht das, war<br />

wir uns davon<br />

erhofften.<br />

Trotz bester<br />

Kritiken<br />

hat<br />

sich TEN-<br />

DER LOVE<br />

nicht sonderlich<br />

gut<br />

verkauft<br />

und schaffte<br />

auch keine<br />

Hitparadenplatzierung."<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 17


Single-Hit nach Gimmick-Versand<br />

Mehr Erfolg dagegen war Mike Weller, Ex-Vice President<br />

Germany-Switzerland-Austria & Central Europe bei Sony<br />

<strong>Music</strong> Publishing, früher dort A&R Manager sowie schendurch Marketing Direc<strong>to</strong>r Warner <strong>Music</strong>, während<br />

seiner CBS-Zeit beschert. 30.000 Mark wendete er aus sei-<br />

nem Budget dafür auf, je ein Fernglas plus CD von Vision<br />

Fields an 400 potenzielle Interessenten im Handel und dbei<br />

den Medien abzugeben. Die Folge: Mit ihrer dritten Single<br />

"Sad Song" gelang der Band ihr erster Chart-Eintritt ritt<br />

zwi-<br />

bis dahin. „Inwieweit das auf den Gimmick zurückzu-uführen<br />

ist", rätselte Weller, „weiß ich allerdings nicht.<br />

Gimmicks, die etwas<br />

auslösen, sind wirklich<br />

selten. Auch wenn sie den einen n oder anderen<br />

Kontext zu dem Tonträger herzustellen versu-<br />

chen, sagen sie ja nichts über die Musik selbst<br />

aus, sondern sollen nur das Produkt aus der end-<br />

losen Flut an Veröffentlichungen herausheben."<br />

Musikempfindliche Blu-<br />

me zur Poco-LP<br />

Für diese Signalwirkung lassen<br />

sich die Verantwortlichen viel<br />

einfallen. Eine besondere Krea-<br />

tivzelle waren der Marketingdi-<br />

rek<strong>to</strong>r und spätere Geschäftsfüh-<br />

rer Eckhart Gundel sowie Werbeleiter<br />

Jürgen Schwitzkowski während ih-<br />

rer Zeit bei der BMG Ariola in<br />

Hamburg. Sie erfanden die<br />

auf Impulse reagierende, e,<br />

tanzende Plastikblume für Eurythmics<br />

sowie Poco, den krähenden Boy-Meets-<br />

Girl-Wecker, das ROCK OF LIFE-Radio<br />

(Rick Springfield) in Form des legendären<br />

Shure-Mikrofons sowie die Latin-Quarter-Uhr mit der pyramisierten Scheibe,<br />

die im 60-Sekunden-Takt den Albumtitel MODERN TIMES anzeigt. Ebenfalls er-<br />

wähnenswert: der Bonfire-Hot-Pot, auf dem das Bandlogo nur dann auftaucht,<br />

wenn heiße Flüssigkeit in die Tasse gefüllt wird.<br />

In der Regel werden Gimmickideen bei den<br />

Firmen entweder vom Product Manager oder<br />

den A(rtist) & R(eper<strong>to</strong>ire)-Verantwortlichen<br />

in Zusammenarbeit mit der Marketingabteilung<br />

entworfen; manchmal sogar in<br />

Abstimmung mit dem Künstler und dessen<br />

Managements.<br />

„Bei Werbebudgets von 20.000 bis 150.000<br />

Mark pro Künstler und<br />

Produkt muss sich der<br />

Verantwortliche rtliche gut<br />

überlegen, wie er<br />

das Geld<br />

einsetzen<br />

will,<br />

gibt es<br />

doch mit<br />

TV-Spots,<br />

Zeitschrif-<br />

tenwerbung,<br />

Plakatierung und<br />

Gimmicks viele Möglichkeiten", en",<br />

berichtete Monika Bendig als Product Managerin<br />

International während ihrer Chrysalis-Zeit. Für internationale<br />

Acts hat die deutsche Firma bei Neuveröffentlichungen<br />

oft nur in Teilbereichen selbst<br />

aktiv zu werden. „Vielfach wurden uns von den ausländischen<br />

Vertragspartnern die Gimmicks gleich mit dem Dekorationsmaterial<br />

angeboten", bestätigte (der inzwischen vers<strong>to</strong>rbene) Gerd Ludwigs als Marketing-<br />

und A&R-Leiter national sowie international der BMG Ariola München.<br />

„Umsonst bekam man aber in solchen Fällen auch nichts", be<strong>to</strong>nte sein Kollege<br />

Jürgen Kramar von der Intercord.<br />

LP in Stahl geschraubt<br />

Gimmicks müssen nicht immer kostspielig<br />

sein. „Es kann", argumentierte Weller, „ge-<br />

nauso<br />

gut eine besondere Art der Verpa-<br />

ckung<br />

sein." Damit wird ein Gimmickaspekt<br />

angeschnitten – jener der bei Sammlern und<br />

Fans begehrten, oftmals streng limitierten<br />

(im Handel nicht erhältlichen) Promoversionen<br />

(siehe Kasten). Ein Beispiel: Die<br />

Heavy-Metal-Band Karo ließ ihre zweite e<br />

LP<br />

HEAVY BIRTHDAY zwischen zwei<br />

Stahlplatten einschrauben. Weller wiederum<br />

sorgte dafür, dass die Johnny-<br />

Logan-Single "All I Ever Wanted" als<br />

3-Inch-CD<br />

in einer 7-Inch-CD-Verpackung ver-<br />

schickt wurde. In Sachen der erwähnten<br />

Vision Fields hat er ebenfalls eine größere<br />

Aussendung vorgenommen. Dabei han-<br />

delte es sich um einen Stapel Briefum-<br />

schläge plus Grußpostkarten. Wird die<br />

Karte aufgeklappt, ist zwar kein Interpretenname<br />

zu lesen, dafür aber<br />

das Singlemotiv "Missing You"<br />

ersichtlich. „Ob der Gag ankommt",<br />

rätselte Mike Weller,<br />

„weiß ich jedoch nicht. Damals<br />

bei<br />

den Midnight-Oil-Lampen<br />

haben sich unsere Promotionleu-<br />

te kaputtgelacht, doch die Händler<br />

und Journalisten waren davon<br />

begeistert."<br />

Gimmick als Hemmschuh<br />

Gimmicks können allerdings auch nach hinten<br />

losgehen und das genaue Gegenteil von der<br />

beabsichtigten Reaktion bewirken. „Da war<br />

das Feuerzeug, das nicht funktionierte", nierte",<br />

erinnert sich Weller, „oder der Füllfederhalter,<br />

von dem sich die aufgedruckte Gravur<br />

löste." Ähnliche Negativerfahrungen n hatte<br />

auch Gerd Ludwigs beizusteuern. „Ich bekam<br />

einmal unseren Windschutzscheiben-cheibenparavent<br />

re<strong>to</strong>ur, den wir für Eros Ramazzottis<br />

MUSICA E herausgebracht hatten. ten.<br />

Eine erboste Journalistin schrieb<br />

mir dazu einen Brief, dass wir mit<br />

der Riesenverpackung und dem<br />

Kar<strong>to</strong>n<br />

des<br />

Gimmicks nicht<br />

auch noch das Müllproblem unterstützen<br />

müssten. Diese<br />

Reaktion hat mir sehr imponiert."<br />

Die Effektivität von Gimmicks, darin sind sich<br />

alle Gesprächspartner einig, ist nicht messbar.<br />

„Was das bringt", weiß<br />

Weller, „ist genauso<br />

wenig nachvollziehbar<br />

wie<br />

die Wirkung<br />

von<br />

Anzeigen."<br />

Jede Firma<br />

fährt bei<br />

Gimmicks<br />

darum<br />

ihre eigene e<br />

Strategie. e.<br />

Während das Gros der Gimmicks parallel zur<br />

Veröffentlichung eines Produktes bemustert<br />

wurde, ging beispielsweise Chrysalis genau den<br />

konträren Weg. „Wir machten Gimmicks nicht<br />

im Vorfeld, sondern zu jenem Zeitpunkt, als bereits Stück-<br />

Seite 18 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


zahlen verkauft wurden und die reelle Chance<br />

bestand, dass die Platte in die Charts geht", berichtete<br />

Monika Bendig. „Wir wollten mit unseren<br />

Gimmicks vor allem die Tipper im Handel, die jene<br />

für die Charts damals maßgeblichen Verkaufslisten<br />

ausfüllten, an unser Produkt erinnern."<br />

Einen ganz anderen Effekt sollten indes die von<br />

Monika Bendig eingangs erwähnten Ramones-<br />

Boxershorts erzielen: „Mit ihnen haben wir uns bei<br />

500 Leuten im Vertrieb und Verkauf sowie bei 100<br />

Medienpartnern dafür bedankt, dass sie sich für<br />

unser Produkt stark gemacht haben."<br />

An der Grenze zur Bestechung<br />

Gimmicks, bei den Adressaten meist hochwillkom-<br />

men, sind jedoch nicht unumstritten. „Das Ganze ist in gewisser<br />

Weise eine etwas<br />

gefährliche Angelegenheit",<br />

meinte<br />

Jürgen<br />

Kramar,<br />

„da<br />

Gimmicks<br />

auch als Bestechung<br />

aufgefasst<br />

werden können."<br />

Dieser<br />

Feststellung<br />

widersprach<br />

Gerd Ludwigs entschieden.<br />

„Da ist<br />

der Grenzbereich<br />

schon sehr knapp<br />

bemessen,<br />

denn<br />

dann müsste jede<br />

Postwurfsendung<br />

mit einem Pröbchen gleichfalls Bestechung sein. Solange ich<br />

aber niemandem eine echt goldene Uhr schenke, brauche ich auch kein<br />

schlechtes Gewissen zu haben."<br />

Unstrittig ist allerdings die Beobachtung, dass die Gimmickempfän-<br />

ger aufgrund der konstanten Geschenkeflut und eines meist hohen<br />

Qualitätsstandards zunehmend verwöhnt waren. Frische T-Shirts, am<br />

liebsten gleich im Wochenturnus, wurden von zahlreichen Kollegen in<br />

Presse, Funk und Fernsehen bereits als selbstverständlich angesehen.<br />

Manchmal spekulierten die Medienmacher bereits bei Albumankün-<br />

digungen, was ihnen im Zuge der Veröffentlichung ins Haus stehen<br />

könnte.<br />

Auf ein<br />

Wunder warteten sie aber alle bei der <strong>Queen</strong>-Platte MIRAC-<br />

LE (1998) – trotz des für Gimmickkassierer perfekt passenden<br />

Single-Hits "I Want It All" – vergebens. Nicht erfüllt hat sich<br />

auch der<br />

Traum von<br />

der eigenen<br />

Insel anläss-<br />

lich Jethro Tulls<br />

ROCK<br />

ISLAND<br />

oder<br />

einem<br />

Kleinwagen als<br />

Gimmick der<br />

Cars. Bei dem<br />

deutschen Industrial-Klassiker "Haus der<br />

Lüge" dagegen war wohl jeder froh, nicht Eigentümer<br />

einer Immobilie geworden zu sein.<br />

Die Macher dieser Scheibe haben schließlich<br />

einen zu programmatischen Bandnamen:<br />

Einstürzende Neubauten!<br />

Thomas Hammerl<br />

Promo-Exemplare<br />

= Sammlerstücke<br />

Ein Randbereich der Gimmicks sind sogenannte Promos.<br />

Dabei handelt es sich um spezielle, limitierte, bisweilen<br />

sogar nummerierte Ausgaben eines Tonträgers. Die Besonderheit<br />

kann in der Art der Präsentation/Verpackung<br />

liegen, in beigepackten Fo<strong>to</strong>s/Texten, besonders opulenter<br />

Ausstattung oder indem der Vorabversion z.B. eine Interview-CD<br />

oder etwas anderes, mit der normalen Variante<br />

nicht Erhältliches beiliegt. Nachfolgend ein Dutzend<br />

exklusiver Exemplare:<br />

• Die Veröffentlichung des Apple-Label-Kataloges wurde<br />

mit einem Papp-Apfel angekündigt, dessen drei Scheiben<br />

gegenein ander verschiebbar sind und der auf einer Seite einen<br />

Apple-Künstler-Sampler als 4-Songs-EP enthält.<br />

• Die großformatige Iron-Maiden-Box BEST OF THE BEAST (inklusive<br />

Pop-Up-Figuren beim Aufklappen!) hat eine CD (plus<br />

dickes Booklet), Interview-CD und Video im Schuber.<br />

• Tina Turner’s FOREIGN AFFAIR wurde verpackt in einen mehrseitigen<br />

Reisepass im DIN-A5-Format.<br />

• Die Deep-Purple-CD THE BATTLE RAGES ON gab es als Limited<br />

Edition (500 Stück) in einer massiven Naturholzbox. Aufgeklappt<br />

ruhen dort auf Samt das Album und eine Deep-Purple-<br />

Gürtelschnalle.<br />

• ACHTUNG BABY von U2 wurde von einer Box im Langspielplattenformat<br />

flankiert, die An<strong>to</strong>n Corbijns "<br />

Pho<strong>to</strong> Collection" aus<br />

seinen Aufnahmesessions zu dieser CD beinhaltet. Das Album<br />

liegt dieser Special Edition aber nicht bei!<br />

• Auf ELVIS – THE COMPLETE 50’s MASTERS wurde Appetit gemacht<br />

mit einem Folder: vier Fo<strong>to</strong>s, eine Compilation-CD, ein<br />

hochformatiges, seitenstarkes Booklet sowie die relevanten<br />

Albumcover als Briefmarken.<br />

• Bruce Springsteen präsentiert LUCKY TOWN und HUMAN<br />

TOUCH in einer mit Samt ausgeschlagenen, auf 1500 Stück limitierten<br />

Ausgabe, deren edles, geschliffenes Holzkistchen mit<br />

goldenem Verschluss versehen ist.<br />

• Mark Knopflers GOLDEN HEART kam schlicht-schick in einer<br />

Pappschachtel mit Prägedruck. Darin: edles Booklet, Album,<br />

Diskette, Dias, Schwarzweiß-Fo<strong>to</strong>.<br />

• KRYPTOS von Andreas Vollenweider traf samt Video in einem<br />

mit Vorhängeschloss gesicherten, 15 Zentimeter hohen Wellpappe-Zylinder<br />

ein. Auf 1000 Exemplare limitierte Edition.<br />

• Phil Collins stellte BUT SERIOUSLY in einem DIN-A4-Folder<br />

samt Schwarzweiß-Fo<strong>to</strong>, vier Mini-Discs (inklusive Interview)<br />

und Booklet vor.<br />

• Panteras HOSTILE MIXES-CD wurde in einer größeren Blechdose<br />

zugeschickt, deren Inhalt sich erst durch den Einsatz<br />

eines Dosenöffners offenbarte: Album, Single, gedruckte Biografie,<br />

Mini-Boxhandschuh-Anhänger.<br />

• Gigantisch, wie aufwändig und opulent ausgestattet die EAV<br />

ihre CD HIMBEERLAND nahebringen durfte: Eine rosa Megabox<br />

umfasst neben der CD eine kleine Discokugel, Madonna-Kerze,<br />

eine kleine Flasche Tequila, 4711 in Miniatur sowie einen nostalgischen<br />

Spielzeugvogel aus Blech.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Fabian Schreyer<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 19


Zum 80. Geburtstag (*30. April 1933)<br />

Willie Nelson<br />

Willie Nelson hat alle Moden der<br />

amerikanischen Musikszene<br />

überdauert. Jetzt wird die<br />

lebende Legende 80<br />

Jahre alt.<br />

Outlaw unter Denkmalschutz<br />

Seit einem Jahr hat Austin, die Hauptstadt<br />

von Texas, eine Attraktion mehr. Am 20.<br />

April enthüllte der Bürgermeister eine Willie-<br />

Nelson-Statue. Damit erfuhr der texanische Musiker<br />

eine Würdigung, die Louis Armstrong, Elvis Presley,<br />

Buddy Holly und Bob Wills in den USA erst nach<br />

dem Tod zuteil wurde. Im Leben des „Red Headed<br />

Stranger", das vor Widersprüchen nur so strotzt, ist<br />

das eine weitere unerwartete Facette. Willie Hugh<br />

Nelson, der am 30. April 1933 im winzigen Kaff Abbott<br />

120 Meilen nördlich von Austin als Sohn einer<br />

Indianerin und eines Arbeiters geboren wurde, hat in<br />

seiner Laufbahn nie den normalen Weg beschritten.<br />

Das verdeutlicht schon die Schwierigkeit, ihn<br />

musikalisch einzuordnen: In Deutschland gilt er als<br />

Countrymusiker, so wird er zum Beispiel in Kreuzworträtseln<br />

als „US-Country-Ikone" mit sechs Buchstaben<br />

gesucht. Die Amerikaner, die ihre Musiker weniger in<br />

Schubladen stecken, sehen in ihm eher einen Grenzen<br />

überschreitenden Künstler – auch wenn die Bezeichnung<br />

„Outlaw", die sie ihm anheften, nur eines<br />

der üblichen Klischees der Musikindustrie ist. Die<br />

Zeitschrift „The New Yorker" definiert dagegen sein<br />

Image als „St. Willie", ein „Versöhner von Rednecks<br />

und Hippies", dessen Musik immer komplizierter und<br />

urbaner geworden ist. Eine unglaubliche Entwicklung,<br />

die vor 70 Jahren mit dem ersten Auftritt des<br />

gerade mal Zehnjährigen in einer Polka-Band begann.<br />

Der Junge vom Land, der oft Baumwolle pflückte,<br />

statt zur Schule zu gehen, hat es so weit gebracht,<br />

dass er mit Recht singen konnte: ”I’m Sitting<br />

On Top Of The World." Als Jimmy Carter Präsident<br />

war, lud er den Sänger ins Weiße Haus ein, der es<br />

sich prompt nicht nehmen ließ, aufs Dach des Gebäudes<br />

zu klettern und dort einen Joint zu rauchen.<br />

Im Spannungsfeld zwischen Arbeiterherkunft und<br />

Weltruhm fühlt Nelson sich seit Jahren wohl. Sein<br />

Biograf Joe Nick Pa<strong>to</strong>ski bescheinigt dem Golfspieler<br />

denn auch ein „Luxus-Leben mit White-Trash-<br />

Manieren". Der große Erneuerer der Nashville-Szene<br />

hat sich nie wirklich von seinen Wurzeln distanziert.<br />

Geprägt hat ihn die Jugend auf dem Land, im Haus<br />

der Großeltern, bei denen er aufwuchs, weil die Mutter<br />

sich schon bald abgesetzt hatte. Sie schenkten<br />

ihm die erste Gitarre,<br />

bei ihnen hörte<br />

er im Radio die<br />

Musik, die er verinnerlichte.<br />

Natürlich<br />

Bob Wills, Ernest<br />

Tubb, Gene Autry,<br />

die<br />

Western-Stars<br />

seiner Jugend, aber<br />

auch Frank Sinatra,<br />

an dessen Gesangsstil<br />

er sich orientierte. t Musikern, mit denen er in der<br />

Anfangszeit auftrat, hielt er auch später die Treue:<br />

Paul Buskirk, der ihn mit Django Reinhardt vertraut<br />

machte und ihm die ersten Kompositionen für 150<br />

Dollar abkaufte;<br />

Johnny Bush, mit<br />

dessen ”Whiskey<br />

River" er jedes<br />

Konzert beginnt<br />

und den er 2000<br />

wieder ins Studio<br />

holte; seine ältere<br />

Schwester Bobby,<br />

die ihn schon immer<br />

auf dem Klavier<br />

begleitet; Paul English, der seit ewigen Zeiten<br />

sein Drummer ist. English, ein Ex-Häftling und -Zuhälter,<br />

trug bei Gigs immer eine Waffe bei sich, um<br />

seinen Bandleader in brenzligen Situationen zu beschützen.<br />

Ihm widmete Nelson den Song ”Me And<br />

Paul", in dem er die Härten des Tourneelebens beschreibt.<br />

Wochenlang im Bus unterwegs zu sein mit<br />

seiner „Family", wie er die Mitmusiker nennt, das<br />

steht als Leitmotiv über seinem Leben, das er in ”On<br />

The Road Again" besingt.<br />

Der Songschreiber<br />

Schon früh sah sich der kleine Willie als Texter und<br />

Komponist. Mit zwölf stellte er sein erstes Liederbuch<br />

zusammen, auf dessen Titelseite er notierte: „Songs by<br />

Willie Nelson, Waco, Texas". Bei einer Begegnung mit<br />

Mae Boren Axten, die für Elvis ”Heartbreak Hotel" geschrieben<br />

hatte, spielte er ihr sein Stück ”Family Bible"<br />

vor. Sie empfahl ihm, nach Nashville zu gehen. Bevor<br />

er dort nach einer längeren Odyssee als DJ, Bibel- und<br />

Staubsaugervertreter ankam, hatte er bereits ”Crazy",<br />

”Night Life", ”Funny How Time Slips Away", ”The<br />

Party’s Over" und ”I Gotta Get Drunk" komponiert. Sie<br />

gehören heute zum Kanon, der ihn weltberühmt gemacht<br />

hat. Seine eigenen Versionen der Stücke für verschiedene<br />

Plattenfirmen brachten damals keine Resonanz;<br />

und so galt er in Nashville als Songschreiber, der<br />

in Tootsie’s Orchid Lounge mit Kollegen wie Roger Miller,<br />

Harlan Howard und Hank Cochran rumhing. Ernstgenommen<br />

wurde er dort erst, als Faron Young sein<br />

”Hello Walls" zum Hit machte und Patsy Cline und Roy<br />

Orbison mit ”Crazy" sowie ”Pretty Paper" punkteten. Da<br />

konnte er mit seiner jungen Familie aus dem Trailerpark<br />

auf eine Farm außerhalb von Nashville ziehen.<br />

P lattenstar<br />

Nelson war 1961 noch kein Glück mit seinen Aufnahmen<br />

vergönnt. So verdingte er sich als Bassist bei<br />

Seite 20 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


Ray Price. Nach einem Vertrag mit dem kalifornischen<br />

Label Liberty und dem Achtungserfolg ”Touch Me",<br />

darauf einer Stippvisite bei Monument Records, landete<br />

er 1964 bei RCA und Chet Atkins. Der gab sich<br />

alle erdenkliche Mühe, Willie Nelson in die Charts<br />

zu lancieren, aber der Nashville Sound und der Texaner<br />

ließen sich nicht auf einen Nenner bringen.<br />

Wie Waylon Jennings aus Lubbock, Texas, fühlte<br />

sich auch Nelson von Chet Atkins falsch produziert.<br />

Der wiederum hielt nichts von Willies Gitarrenspiel,<br />

und in Nashville<br />

zweifelte man ohnehin<br />

an, dass er<br />

überhaupt<br />

singen<br />

könne. Typischerweise<br />

war der Covertext<br />

einer seiner<br />

RCA-Platten überschrieben<br />

”What’s<br />

a Willie Nelson?"<br />

– sinngemäß: Was<br />

soll man von Willie Nelson halten? Gipfel der Zumutungen:<br />

Für die Hamburger Teldec musste er auf<br />

Deutsch einen ”Whisky Walzer" singen. Das Cover<br />

zeigt ihn mit spießigem Haarschnitt, Schlips und Anzugjacke,<br />

so wie auf einigen seiner RCA-LP-Hüllen.<br />

Ein Album allerdings konnte er selbst gestalten: den<br />

Livemitschnitt eines Auftritts 1966 auf heimischem<br />

Terrain in Fort Worth. In Texas soll er dafür ein paar<br />

Käufer gefunden haben.<br />

Nashville und Nelson, das passte einfach nicht<br />

zusammen. In der Country-Metropole erzählt man<br />

sich, dass er sich nachts betrunken auf den Broadway<br />

gelegt g habe, um sich überfahren zu lassen – aber<br />

in dem Kaff kam<br />

zu später Stunde<br />

kein Au<strong>to</strong> mehr<br />

vorbei ... Als seine<br />

Farm außerhalb der<br />

Stadt, auf der er<br />

so etwas wie eine<br />

Kommune etabliert<br />

hatte, 1970 abbrannte,<br />

brach er<br />

seine Zelte ab und<br />

kehrte zurück nach Texas. 1971<br />

sei sein schlimmstes<br />

Jahr gewesen, erzählte er später. Ein Zwischenspiel<br />

bei Atlantic Records, wo Jerry Wexler mit ihm eine<br />

Country-Abteilung eröffnen wollte, ermöglichte<br />

zwar das hervorragende Konzeptalbum PHASES AND<br />

STAGES, aber mit enttäuschender Reaktion. Erst als<br />

er sich 1975 von allen Zwängen befreite und bei Columbia<br />

(CBS) sein<br />

noch kompromissloseres<br />

Konzeptalbum<br />

RED HEA-<br />

DED STRANGER<br />

ablieferte, kam<br />

der Durchbruch.<br />

Nash villes CBS-<br />

Chef Billy Sherrill,<br />

der die LP als „ein<br />

Stück Scheiße" bezeichnet<br />

hatte, wurde ganz still, als die ausgeklinkte<br />

kt<br />

Single ”Blue Eyes Crying In The Rain" auf Platz 1<br />

landete. Ironie der Geschichte: Das Lied stammte<br />

von 1945, geschrieben von Fred Rose, dem Produzenten<br />

von Hank Williams und Säulenheiligen der<br />

Countryszene.<br />

Live-Willie<br />

Nach seiner Rückkehr hatte Nelson damit begonnen,<br />

zum 4. Juli, dem<br />

amerikanischen<br />

Unabhängigkeitstag,<br />

mit anderen<br />

Musikern Picknick-<br />

Festivals in Texas<br />

zu veranstalten.<br />

Dort zog er ein<br />

Publikum an, das<br />

zwischen Woods<strong>to</strong>ck<br />

und Grand<br />

Ole Opry angesiedelt<br />

war. Mit der<br />

Zeit schlossen sich<br />

ihm immer mehr<br />

namhafte Künstler<br />

an – von Leon Russell<br />

bis Kris Kris<strong>to</strong>fferson,<br />

von Merle<br />

Haggard bis Waylon<br />

Jennings. Der<br />

hatte sich – anders<br />

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als Nelson – nicht von RCA losgesagt, sondern Chet<br />

Atkins größte Freiheiten abgetrotzt. Nachdem Nelson<br />

die Charts anführte, besann man sich in Nashville auf<br />

seine RCA-Aufnahmen und packte ihn mit Waylon<br />

Jennings auf eine<br />

LP, die man reißerisch<br />

WANTED!<br />

THE OUTLAWS<br />

nannte. Das blieb<br />

an ihm und an allen,<br />

die mit ihm<br />

assoziiert wurden,<br />

von Tompall Glaser<br />

bis zu David<br />

Allan Coe, haften.<br />

Bei den Konzerten wurde der Eindruck des Rebellentums<br />

durch das Zusammenspiel von ungekämmten<br />

Musikern auf der Bühne und wildem Volk im Publikum<br />

nur noch unterstützt. Johnny Cash beschrieb<br />

das au<strong>the</strong>ntisch in seinem Song ”A Backstage Pass<br />

To A Willie Nelson Show". Nelson, der sich seit den<br />

60er Jahren unermüdlich durch die Clubs zwischen<br />

Oklahoma und Texas gespielt hatte, eroberte sich live<br />

immer mehr Freiheiten. Nachdem er zunächst eine<br />

elektrische Fender Jazzmaster und dann eine Reihe<br />

von akustischen Gibson-Gitarren ausprobiert hatte,<br />

entschied er sich für eine Martin-Konzertgitarre, in<br />

die er von einem Baldwin-Modell den Tonabnehmer<br />

zur elektrischen Verstärkung einbauen ließ. Mit diesem<br />

Instrument entwickelte er seinen eklektischen,<br />

an Django Reinhardt orientierten<br />

Stil, immer mehr in Richtung Jazz<br />

gehend. Die Gitarre, die er nach<br />

dem Pferd seines Filmhelden Roy<br />

Rogers „Trigger" nannte, zählt<br />

heute neben B.B. Kings „Lucille" zu<br />

den bekanntesten der Musikwelt.<br />

Mit einem über die Jahre immer<br />

größeren Loch im Klangkörper und<br />

dem abgegriffenen Holz ähnelt sie<br />

dem verwitterten Äußeren ihres<br />

Besitzers. Er hat nicht das blendende d Aussehen von<br />

Filmstars, keinen Bodybuilding-Körper, ist nicht der<br />

„amerikanische Held" mit strahlendem Lächeln. Er<br />

gibt sich auch gar nicht erst die Mühe, das Image<br />

eines Rock’n’Roll-Stars abbilden zu wollen.<br />

Willies Wel truhm<br />

Heute bemühen sich die größten Stars um Auftritte<br />

mit Willie. Die fruchtbarste Zusammenarbeit gelang<br />

ihm mit Waylon Jennings, ihre Platten und Duette<br />

sind Legende. Was Gesangsduos angeht, ist Willie<br />

Nelson ohnehin Weltmeister: Ray Charles, B.B.<br />

King, Merle Haggard, Emmylou Harris, George Jones,<br />

Norah Jones, Frank Sinatra, Neil Young – das Spektrum<br />

seiner Partner<br />

ist enorm. Er hat<br />

Platten mit Johnny<br />

Cash, Kris Kris<strong>to</strong>fferson<br />

und Waylon<br />

Jennings als<br />

The Highwaymen<br />

aufgenommen. In<br />

seine Pedernales<br />

Studio lud er Roger<br />

Miller, Faron<br />

Young, Ray Price, Webb Pierce und Hank Snow ein.<br />

Sogar mit Wyn<strong>to</strong>n Marsalis veröffentlichte er eine<br />

Platte. Er hat mit dem Produzenten Booker T. Jones<br />

auf STARDUST Standards des American Songbooks<br />

runderneuert. Don Was brachte mit ihm das Reggae-<br />

© Pressefo<strong>to</strong><br />

Album COUNTRYMAN heraus, Daniel Lanois polierte<br />

mit ihm auf TEATRO seine Klassiker für das neue<br />

Jahrhundert auf. Der Frank-<br />

Sinatra- und Dean-Martin-<br />

Produzent Jimmy Bowen<br />

untermalte ihn mit sinfonischer<br />

Begleitung. In manchen<br />

Jahren<br />

erschienen bis<br />

zu drei Nelson-<br />

Alben.<br />

Rund<br />

150 LPs tragen<br />

seinen Namen.<br />

Auch wenn ihm seine Plattenfirma freie<br />

Hand ließ, ihm sogar ein eigenes Label<br />

einrichtete, war er mit dieser Art von<br />

„Über-Darstellung" nicht gut beraten.<br />

Die FAZ brachte es auf den Punkt:<br />

„Willie Nelson braucht Geld und macht zwei Platten<br />

auf einmal." Der Hintergrund war dramatisch:<br />

Bis 1991 hatte er<br />

16,7 Millionen Dollar<br />

Steuerschulden<br />

angehäuft. Jetzt<br />

traf es ihn erneut<br />

heftig, seine Habe<br />

wurde versteigert.<br />

Zur finanziellen Misere<br />

kam der Schicksalsschlag,<br />

dass sein<br />

Sohn sich das Leben<br />

nahm.<br />

Willie Nelsons s<br />

Privatleben steht t<br />

mittlerweile ebenso<br />

im Fokus der Medien<br />

wie seine Musik.<br />

Das Klatschmagazin<br />

„People" hatte te<br />

ihn ebenso auf dem<br />

Titel wie „Life". Dort wurde er mit Frau und Kindern<br />

abgebildet. Diese Ehe ist Vergangenheit wie zwei<br />

weitere und eine vielbeachtete Affäre mit Steven<br />

Spielbergs Ex-Ehefrau Amy Irving, einer Schauspielerin,<br />

die er bei den Dreharbeiten zu „Honeysuckle<br />

Rose" kennen gelernt hatte. Als Schauspieler ist der<br />

schmächtige Nelson so wenig talentiert wie Bob Dylan.<br />

Bis auf „Der elektrische Reiter", zu dem auch er<br />

die Filmmusik lieferte,<br />

hatte er eine unglückliche<br />

Hand bei<br />

der Auswahl der<br />

S<strong>to</strong>ffe. Immerhin<br />

kam er aufs Cover<br />

des „Rolling<br />

S<strong>to</strong>ne" und von<br />

„Vanity Fair". An<br />

Lobpreisungen in<br />

höchsten Tönen<br />

fehlt es nicht: Bester Songwriter der <strong>Music</strong><br />

Row seit Hank Williams, schrieb der „Rolling<br />

S<strong>to</strong>ne". Sein ”Night Life" wurde von 70 Interpreten<br />

aufgenommen und über 30 Millionen Mal verkauft<br />

und er selbst mit Grammys überhäuft. Heute hat er<br />

Weltruhm erreicht. So wird beachtet, wenn er sich<br />

politisch engagiert wie für „Farm Aid", aber auch,<br />

wenn er wegen Marihuana-Besitzes vor Gericht<br />

steht. Das kümmert den Antihelden nicht wirklich.<br />

Nach übermäßigem Whiskeykonsum und<br />

allen möglichen chemischen h Drogen ist er beim<br />

Joint geblieben. Zur Einweihung seines Denkmals in<br />

Austin stand er da mit „Trigger" in der Hand, sein<br />

rotes Haar zu Zöpfen geflochten, einer Indianersquaw<br />

ähnlicher als einem Weltstar, und sang: „Rollt<br />

mich zusammen und raucht mich, wenn ich mal abtrete!"<br />

Rüdiger Bloemeke<br />

Seite 22 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


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E S S E N


Arnold Fritzsch (Kreis)<br />

Vom<br />

Disco-Sound<br />

Wagner-<br />

zur<br />

Schwere<br />

Von Jens-Uwe Berndt<br />

Es war die Schönheit des Klangs, die Arnold Fritzsch zur Orchestermusik<br />

führte. „In den 90ern habe ich das Interesse an Popmusik mehr und mehr<br />

verloren", versucht er, seine Entwicklung zu erklären. „Damals wurden Attitüden<br />

immer wichtiger, die Musik spielte eine Nebenrolle. Das war nichts mehr<br />

für mich." In der Freizeit genoss er die großen<br />

Klassiker: Mozart, Tschaikowski, Wagner. Die Festspiele<br />

in Bayreuth wurden fester Bestandteil seines<br />

Terminkalenders. Hinzu kam ein Schlüsselerlebnis<br />

bei einem Konzert seines Idols Paul McCartney.<br />

„Bei der Zugabe spielte er 'Helter Skelter' von den<br />

Beatles", erinnert sich Arnold Fritzsch. „Das war<br />

zu viel für mich. Da bin ich noch vor Ende des<br />

Auftritts nach Hause gegangen." Es war aber nicht<br />

etwa das Lied, das er nicht mochte, denn die Fab<br />

Four sind dem Ost-Berliner heilig. „Ich habe den<br />

Lärm nicht mehr ertragen", sagt er. Der Soundbrei<br />

habe ihn gequält. „Ein philharmonisches Orchester<br />

klingt einfach nur schön, jedes einzelne Instrument<br />

ist zu hören, nichts muss verstärkt werden."<br />

Mit der vor 40 Jahren gegründeten Gruppe Kreis war<br />

er in den 70ern der größte Popstar der DDR. Heute<br />

hält er es mit wagnerscher Dramatik. Arnold Fritzsch ist<br />

ein musikalisches Phänomen. Sein bisher ambitioniertestes<br />

Werk, das Ora<strong>to</strong>rium „Hadubrant", erlebte Anfang März<br />

dieses Jahres seine Uraufführung in Berlin. Er machte sich<br />

als Filmkomponist ebenso einen Namen wie als Erfinder leicht<br />

verdaulicher Schlagermelodien. Und die populäre Unterhaltungsmusik<br />

in den 80er Jahren in Ostdeutschland wäre ohne ihn faktisch<br />

undenkbar.<br />

Ein Trumpf von Kreis:<br />

hübsche junge Menschen in stilvollen Klamotten<br />

Seite 24 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />

Und vom Genuss zur schöpferischen Kreativität<br />

ist es bei Arnold Fritzsch seit jeher nur<br />

ein relativ kleiner Schritt. Als er 2010 „Planet der<br />

Drachen" komponiert hatte, ein „Weltraumabenteuer<br />

für Orchester und Erzähler", spürte er, dass<br />

er in der Lage sein könnte, den Menschen Musik<br />

zu hinterlassen, die die Zeit überdauert. Und so<br />

entstand „Hadubrant". Fritzsch sieht das Projekt<br />

von Carl Orffs „Carmina Burana" ebenso beeinflusst<br />

wie vom „neu erwachten Selbstbewusstsein<br />

der Deutschen". Die Geschichte des Vaters,<br />

der seine Familie verlässt, um in den Krieg zu<br />

ziehen, und nach vielen Jahren bei seiner Rückkehr<br />

einem Heer gegenübersteht, das sein Sohn anführt, transportiert für Fritzsch<br />

aber nicht nur His<strong>to</strong>rie. „Die Familiengeschichte, die sich dahinter verbirgt, ist<br />

brandaktuell", sagt er. „Viele Väter gehen weg von ihren Kindern und kommen<br />

erst später zurück. Auch ich habe meinen Sohn verlassen, als er vier war." Dass<br />

„Hadubrant" in Althochdeutsch vorgetragen wird,<br />

stellt für den Komponisten keine Barriere für das<br />

Verständnis dar. „Dass man den Text nicht immer<br />

nachvollziehen kann, ist völlig in Ordnung", meint<br />

der 61-Jährige. „Eigentlich ist das Problem der<br />

deutschen Popmusik ja gerade, dass man jedes<br />

gesungene Wort versteht. Das ist gar nicht nötig,<br />

wenn das Lied gut genug ist." Nicht umsonst sei<br />

die englischsprachige Musik weltweit so populär<br />

–<br />

obwohl die Texte von den meisten Hörern nicht<br />

verstanden werden.<br />

Arnold Fritzsch ist zufrieden mit sich. „Ich fühle<br />

mich derzeit so wohl wie nie zuvor in meinem<br />

Leben", sagt er mit Euphorie in der Stimme. „Das<br />

ist schon merkwürdig. Denn zur Zeit meiner größten<br />

Popularität hatte ich fast nur Depressionen."<br />

Gemeint sind die Jahre mit der Gruppe Kreis, die<br />

die ostdeutsche Rock- und Popszene für einige<br />

Jahre gehörig durcheinanderwirbelte. „Die Bands<br />

in der DDR klangen zu Beginn der 70er alle ziemlich<br />

ähnlich", erzählt Fritzsch. „Electra, Lift, Stern-<br />

Combo Meißen und wie sie alle hießen – das fand<br />

ich alles doof. Ich wollte Musik, die tanzbar ist, in<br />

die Beine geht." Und so wurde 1975 ausgerechnet<br />

die B-Seite der ersten Single, "Doch ich wollt' es<br />

wissen", zu einem Überhit. Der Song erlangte eine<br />

derart große Popularität, dass er ein Jahr später<br />

bei Decca in der Bundesrepublik in zwei verschie-


denen Versionen ebenfalls als 45er erschien. „Wir waren von Knall auf Fall ganz<br />

oben", beschreibt der Komponist des Liedes die Situation von damals. „Überall<br />

wurde man erkannt, die Mädchen standen auf einen –<br />

plötzlich der populärste junge Mann des Landes zu sein,<br />

hat mich völlig entwurzelt." Von Anfang an habe er sich<br />

unter Druck gesetzt, sei er immer bemüht gewesen, den<br />

Erfolg zu wiederholen, was mit der schlicht KREIS betitelten<br />

Debüt-LP 1976 auch gelungen zu sein schien.<br />

250.000 Stück gingen davon über die Laden<strong>the</strong>ken. Die<br />

jungen Leute im Osten hatten ganz offensichtlich genug<br />

von den inhaltsschwangeren Progressiv-Ergüssen<br />

der im Rundfunk hoch- und runtergespielten DDR-Rock-Vertreter. Kreis servierten<br />

pure Disco-Musik, und das auf international allerhöchstem Niveau. Hier war eine<br />

DDR-Band am Start, bei der die Tanzflächen der Disko<strong>the</strong>ken voll blieben, wenn<br />

ihre Songs gespielt wurden. Ob "Wirst du da sein", "Ich will dich", "Philly’s Dance"<br />

oder "Und wir gingen auf uns zu" – Arnold Fritzsch schrieb Songs im Philly Sound,<br />

als hätte er nie etwas anderes getan. „Dabei hatte ich Trompete studiert und sogar<br />

Free Jazz gemacht", erzählt er.<br />

„Spätestens als ich gesehen habe,<br />

wie viel Scharlatanerie da eigentlich<br />

bei ist, habe ich mich ohne<br />

Wenn und Aber zum Pop bekannt."<br />

Das fiel ihm leichter, als es klingt,<br />

war Fritzsch doch ein fanatischer<br />

Beatles-Fan. „Sie waren der Anfang<br />

und das Ende", sagt er konsequent.<br />

„Ich habe die Musik immer<br />

aus dem Blickwinkel eines Beatles-<br />

Anhängers betrachtet." Weshalb<br />

Fritzsch auch grundsätzlich großen<br />

Wert auf das Erscheinungsbild seiner<br />

Band legte. Ihm ist klar, dass<br />

das moderne Styling, die aufeinander<br />

abgestimmten Klamotten einen<br />

nicht unwesentlichen Einfluss auf<br />

die Belieb<strong>the</strong>it unter der Jugend<br />

gehabt haben dürften. Und Eva<br />

natürlich: „Ich wollte immer ein<br />

Mädchen in der Band haben. Das<br />

war es ja, was ich zum Beispiel an<br />

Abba oder Fleetwood Mac so gut<br />

Eva Fritzsch<br />

fand. Sie war ein süßes Mädchen, das kam<br />

gut an." Dass Eva und Arnold verheiratet<br />

waren, tat der Begeisterung der Fans zwar<br />

keinen Abbruch, im Ausland wurden beide<br />

allerdings als Geschwister verkauft. „Man<br />

wollte dort die Sehnsüchte der Teenager<br />

befriedigen", erinnert sich Fritzsch. „Als<br />

Geschwister waren wir ja immerhin noch<br />

zu haben."<br />

Die Kulturverantwortlichen in der DDR machten sich wegen Kreis weniger Gedanken.<br />

Im Gegenteil. Für sie war die Band trotz – oder gerade wegen – ihres<br />

Erfolgs schon nach der ersten LP ein Auslaufmodell. „Die Medien hatten einen<br />

regelrechten Hass auf uns", sagt der einstige Kreis-<br />

Frontmann. „Marianne Oppel vom Jugendradio DT 64<br />

erzählte mir mal, dass in ihrer Sendung bei jedem Kreis-<br />

Titel ein negativer Kommentar hinzugefügt wurde. Und<br />

René Büttner von Amiga raunte mir auf einer damaligen<br />

Party zu: ,Die DDR braucht die Gruppe Kreis nicht.'"<br />

Da war die zweite LP der Band, ALLE MANN AN DECK<br />

(1978), bereits erschienen. Disco-Sound stand noch im<br />

Vordergrund, die Gruppe gab sich streckenweise aber<br />

bereits rockiger. Fritzsch: „Die Platte war lange nicht mehr so erfolgreich wie ihr<br />

Vorgänger. 85.000 Stück wurden verkauft. Sie zeigt eine Band auf der Suche nach<br />

ihrer Richtung." Diese Suche hatte den Sänger und Komponisten sehr stark seinen<br />

Beatles nahegebracht. "Rock’n’Roll Madonna" erinnert im Titel nicht zufällig an<br />

"Lady Madonna", "Alle Mann an Deck" wurde zum "Yellow Submarine" von Kreis<br />

und war bezeichnenderweise auch von Schlagzeuger Uwe Perschke eingesungen<br />

worden. "Ich war der 5. Beatle" muss nicht kommentiert werden, und "Sie ist<br />

immer noch allein" erzählte die Geschichte von "She Loves You". Der Song ist der<br />

genialste im Schaffen der Gruppe, ein Lied für die Ewigkeit. „Das sehe ich auch<br />

so", sagt Fritzsch. „Diese Melodie und dieser Groove, der schon etwas von Rammstein<br />

hatte – das war etwas ganz Besonderes."<br />

Konzerte gab es weiter reichlich. Vor allem die Auslands<strong>to</strong>urneen wurden mehr.<br />

In der CSSR und in Bulgarien war es für Kreis schon nichts Außergewöhnliches<br />

mehr, vor mehreren tausend Fans pro Konzert zu spielen. In Kuba waren es manchmal<br />

bis zu 7000. An Plattenproduktionen war aber nicht<br />

mehr zu denken. Amiga hatte die Türen verschlossen.<br />

Da kam ein Angebot des tschechoslowakischen Labels<br />

Supraphon gerade recht. „Wir waren dort sehr populär",<br />

erinnert sich der Sänger. „Also lag es nahe, eine LP<br />

zu machen. Und sie sollte auf Englisch sein. Das hatte<br />

ich mir schon immer gewünscht." Einziges Manko: Der<br />

Gruppe wurden sowohl ein Fremdkomponist als auch<br />

-texter zur Seite gestellt. „Ich habe zu der LP ein gespaltenes<br />

Verhältnis. Sie ist nicht ganz meins. Es war aber ein Erlebnis, in einem Studio<br />

zu arbeiten, das vollkommen mit<br />

Westtechnik ausgerüstet war. Der<br />

Klang der Scheibe ist daher auch<br />

sehr gut." Die erneut wieder selbst<br />

betitelte LP lief im südlichen Nachbarland<br />

der DDR bestens, zu Hause<br />

bekamen die Fans nicht einmal mit,<br />

dass sie veröffentlicht worden war.<br />

Ebenso die Westplatte KREIS<br />

von 1980. Das bei Rock<strong>to</strong>pus<br />

herausgebrachte Teil wurde wieder<br />

ausschließlich von Fritzsch-Kompositionen<br />

beherrscht. „Wir mussten<br />

zu anderen Labels ausweichen,<br />

denn Amiga wollte mit uns par<strong>to</strong>ut<br />

keine Platten mehr machen", bedauert<br />

der Bandchef die damalige<br />

Situation. „Allerdings ist die LP<br />

– übrigens mit einer völlig neuen<br />

Mannschaft eingespielt – sehr<br />

unentschlossen." Es sei zu spüren<br />

gewesen, dass es für Kreis keine<br />

Zukunft mehr gab. Wenngleich mit<br />

"Nenn mich einfach Robinson" und "Auf Engel schießt man nicht" gerade zwei<br />

potenzielle Hits auf Single erschienen waren. 1982 löste Arnold Fritzsch seine<br />

Band auf. Damit einher ging die Trennung von Eva. „Heute weiß ich, dass ich nie<br />

wieder mit meiner Ehefrau auf die Bühne gehen würde", sagt der Musiker bestimmt.<br />

„Beruf und Ehe sollten immer zwei Paar Schuhe sein. Anders funktioniert<br />

das nicht."<br />

Der notenverliebte Fritzsch entwickelte sich in den 80ern zum Hitlieferanten<br />

Nummer eins. Dort, wo DDR-Künstler die aktuellsten Poptrends bedienten<br />

oder gar Neues vorwegnahmen, hatte der Ausnahmekünstler seine Finger mit im<br />

Spiel. Er schrieb für Olaf Berger, Wolfgang Lippert, Arnulf Wenning und vor allem<br />

für Ines Paulke, die mit Hilfe von Fritzsch-Kompositionen zum weiblichen Top-<br />

Star der End-80er wurde. Nicht zu vergessen das Pop-Projekt, das auf zwei LPs<br />

(1987 und 1990) mit High Energie, HipHop und Elektro Pop durchstartete. Der<br />

Komponist selbst fiel wie eigentlich alle Ost-Stars nach der Wende in ein Loch.<br />

„Ich wurde mit 39 Jahren all meiner Netzwerke beraubt", erklärt er. „Und die<br />

sind für einen Künstler das Wichtigste." Das Solo-Album ICH WILL DICH LIEBEN<br />

(1992) floppte. „Wenn du Geld verdienen willst, musst du Filmmusiken schreiben.<br />

Und so konzentrierte ich mich fortan auf dieses Gebiet." Das hatte er auch in den<br />

80ern schon erfolgreich beackert. Seine Melodien für „Jockei Monika" (1981) und<br />

„Polizeiruf 110" (ab 1984) waren und sind begehrt. Bis 2008 war er an unzähligen<br />

TV-Produktionen beteiligt.<br />

Dass Arnold Fritzsch jetzt bei orchestralen Werken gelandet ist, deckt sich übrigens<br />

einmal mehr mit der Entwicklung seines Vorbilds Paul McCartney. Der<br />

lieferte mit zunehmendem Alter ja ebenfalls Sinfonisches ab. Abgeschaut hat er<br />

sich von dem berühmten Briten allerdings nichts: „Dass ich jetzt so etwas mache<br />

wie das Ora<strong>to</strong>rium, liegt nicht daran, dass ich es so machen wollte wie McCartney.<br />

Ich bin bei der orchestralen Musik angekommen, weil ich so bin, weil es mich<br />

dorthin getrieben hat."<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 25


Von Bernd Ma<strong>the</strong>ja<br />

Potsdam-Babelsberg, Tuchmacherstr. 45: Hier stand die Fertigungsstätte e<br />

n<br />

des VEB Deutsche Schallplatten – bis 1945 genutzt von Tempo Schallplatten<br />

Auferstanden aus Ruinen –<br />

nach der Wende ausverkauft<br />

Vor 60<br />

Jahren wurde die Ost-Berliner<br />

Lied der Zeit Schallplatten GmbH von der<br />

DDR verstaatlicht. Eines der Labels, Amiga, das<br />

ist noch heute – vor allem für einige BRDler – eine<br />

relativ Unbekannte. Wie auf fast jeder anderen Marke<br />

gab es hier Unsägliches, aber auch etliche Veröffentlichungen,<br />

hinter denen Sammler her sind. Ein Info-<br />

Querschnitt (Schwerpunkt: Rock/Pop) durch die<br />

His<strong>to</strong>rie einer Monopolfirma.<br />

AMI<br />

AM<br />

·<br />

AMIGA A<br />

DIE ANFÄNGE<br />

· AMIGA AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA<br />

· AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA · AMIGA<br />

AMIGA<br />

Alles kaputt. Kaum noch etwas ging für die deutsche Schallplattenfertigung<br />

nach Ende des Zweiten Weltkriegs: Fast alle Fabriken und Gerätschaften<br />

zerbombt, Vertriebswege gesprengt, Personal unter der Erde. Der Sänger<br />

und Schauspieler Ernst Busch (1900–1980) – in Spanien 1937/38 gegen die<br />

Faschisten aktiv – erhielt am 12.8.1946 in Berlin von den sowjetischen Besatzern<br />

eine Lizenz zur Plattenherstellung. Er startete am 3.2.1947 die Lied<br />

der Zeit Schallplatten GmbH (Unter den Linden 52) inklusive Musikverlag<br />

(Linienstr. 139–140); Busch fiel später bei den Machthabern als nicht regimekonform<br />

in Ungnade, u.a. wegen seiner Vorliebe für Ami-Jazz und weil er<br />

Buntmetall geklaut haben soll ... Am 1.4.1953 wurde seine Gesellschaft verstaatlicht<br />

und in VEB Lied der Zeit (Taubenstr. 4–6) umbenannt. Der volkseigene<br />

Betrieb hieß ab 18.3.1955 VEB Deutsche Schallplatten Berlin, er unterstand<br />

dem Ministerium für Kultur.<br />

Zum neuen DDR-Monopolunternehmen für Vinyl- und MC-Produktionen, ab<br />

1960 mit Sitz am Ost-Berliner Reichstagufer 4–5, gehörten bis zum Ende<br />

GA<br />

· A<br />

Seite 26 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />

des Staates 1990 sechs Labels: Eterna (u.a. Klassik, Oper & Co.), Schola (Schulunterricht),<br />

Nova (neue sinfonische Musik), Litera (Sprechaufnahmen), Aurora<br />

(Busch-Platten, ab 1978) und Amiga (spanisch „Freundin"), u.a. für zeitgenössische<br />

Tanz- und Unterhaltungsmusik, Pop, Rock, Jazz und Blues. Gepresst wurde<br />

in der Tuchmacherstraße 45 in Potsdam-Babelsberg (bis 1938: Nowawes).<br />

Man übernahm die – im Krieg nahezu verschont gebliebenen – Räumlichkeiten<br />

und Fertigungswerkzeuge des seit 1937/38 produzierenden Presswerks der ehemaligen<br />

Tempo Schallplatten GmbH Ot<strong>to</strong> Stahmann (die ihre Produktion nach<br />

Großhesselohe bei München verlagerte). 1962 wurde es technisch aufgepeppt,<br />

um – nach Singles und EPs – auch LPs in die Läden bringen zu können; die<br />

waren bis dahin aus den Maschinen der Prager Supraphon gekommen. Musik-<br />

Cassetten liefen in Berlin-Johannisthal vom Band.<br />

AMIGA<br />

Im VEB-Label-Verbund erwies sich die Amiga-Marke schnell als die <strong>the</strong>matisch<br />

und – mit 50 Prozent des Umsatzes – auch als wirtschaftlich interessanteste,<br />

obwohl ihr Veröffentlichungsanteil hausintern lediglich 26 Prozent betrug.<br />

Hauptsächlich Musik von Unterhaltungsorchestern, anfangs auch Operetten<br />

und bald darauf Schlager,<br />

landeten auf die-<br />

sem Etikett. Dabei lag<br />

der Interpretenschwerpunkt<br />

lange<br />

bei Künstlern<br />

aus der DDR und<br />

aus sozialistischen<br />

Bruderländern, um<br />

Kaufinteressenten vor<br />

dem Klassenfeind abzu-<br />

Label ab 1947 Label ab 1963


schirmen (was das Gegenteil<br />

bewirkte). Mit<br />

dem Aufmarsch von<br />

Rock'n'Roll<br />

und<br />

Beat rückten auch<br />

in der DDR immer<br />

öfter staatlich geprüfte<br />

Bands in den<br />

Fokus: Neben beliebtbiederen<br />

Solisten wie<br />

Label ab 1967 Label ab 1981/82<br />

u.a. Fred Frohberg, Bärbel<br />

Wachholz und Helga Brauer standen jetzt auch die<br />

Theo Schumann Combo, Rote Gitarren, die Sputniks<br />

und Butlers auf den Veröffentlichungslisten – und<br />

sei es auch „nur" auf Singles, Kopplungen und<br />

den beiden sehr gefragten BIG BEAT-LP-Samplern<br />

von 1965. Um die jugendliche Kundschaft<br />

nicht gänzlich zu vergrätzen, entschieden sich<br />

die Verantwortlichen dann für einen Schritt, der<br />

das Amiga-Programm schon bald nachhaltig prägen<br />

sollte: Sie griffen ins Reper<strong>to</strong>ire der Kapitalisten-ten-<br />

n der<br />

Label ab 1984<br />

Konzerne, obwohl zu entrichtende Lizenzgebühren<br />

Ebbe in der Staatskasse nicht eben zuträglich waren.<br />

LIZENZÜBERNAHMEN<br />

Zwei nominelle Kracher blieben in den Sechzigern zwar allein auf weiter LP-<br />

Flur, doch ein Anfang war gemacht: Nach Singles<br />

von 1963/64 mit Polydor-Material aus der Hamburg-<br />

Zeit erschien bereits im April 1965 THE BEATLES (8<br />

50 040), eine Kopplung mit frühen Songs wie u.a.<br />

"She Loves You", "A Hard Day's Night" und "Please,<br />

Mr. Postman". Zwei Jahre später folgte der Mix BOB<br />

DYLAN (8 45 040): Für diese LP-Mega-Rarität in<br />

spe werden heute etwa 500 bis 1000 Euro gezahlt.<br />

Zwischen renommierten Jazzern wie Duke Elling<strong>to</strong>n,<br />

Django Reinhardt, Nat „King" Cole, Count Basie,<br />

Dave Brubeck und anderen standen jedoch nur<br />

die Fab Four und Dylan für den neuen musikalischen<br />

Trend. Und selbst sie wurden fix abgewürgt: Nach<br />

nur zwei LPs zog der Staatsratsvorsitzende, Moskau-<br />

Marionette und Be<strong>to</strong>nkopf Walter Ulbricht, zunächst<br />

den Stecker, um den Nachwuchs vor weiterem West-<br />

Unheil zu bewahren: Erst neun bzw. zwölf Jahre danach<br />

gab es neue Produkte der Stars aus England<br />

und den USA.<br />

Schon um 1963 waren von der DDR pro lizenziertem West-Tonträger zehn<br />

Prozent (und mehr) vom Ost-Verkaufspreis jedes einzelnen Exemplars an die<br />

BRD-Firmen abzuführen. Beim festgesetzten Verkaufspreis von 16,10 Ost-Mark<br />

und einer Beispielauflage von lediglich 10.000 Stück betrug dies bei nur einer<br />

einzigen Langspielplatte bereits 16.100 Mark. Auch so wird die Knappheit verfügbarer<br />

Alben erklärlich. Und das Abspielen von Westmusik in der DDR wurde<br />

ebenfalls nicht nur limitiert, „um Erscheinungen der Dekadenz und des Verfalls<br />

zu bekämpfen", sondern auch, um „unangemessene Devisenverpflichtungen zu<br />

verhindern": Bereits Ende der Fünfziger musste die DDR-Urheberrechtsgesellschaft<br />

Awa (Anstalt zur Wahrung der Aufführungsrechte auf dem Gebiet der<br />

Musik) nach damaligen Ostangaben rund 2,5 Millionen Westmark pro Jahr ins<br />

nicht-sozialistische Ausland überweisen – trotz einer staatlich verfügten „Programmgestaltung<br />

bei Unterhaltungs- und Tanzmusik" (2.1.1958), kurz als<br />

„60/40-Regelung" bezeichnet: Danach durften Radiosendungen und Künstlerreper<strong>to</strong>ires<br />

nur noch 40 Prozent Musikstücke enthalten, für die Tantiemen an den<br />

Klassenfeind zu entrichten waren.<br />

Trotz Lizenz-Veröffentlichungen (jeweils abzusegnen vom Komitee für Unterhaltungskunst,<br />

unterstellt dem DDR-Ministerrat) von z.B. Niemen und SBB<br />

aus Polen und der ungarischen Omega nahm der<br />

Druck auf dem Kessel in den Siebzigern zu. Neue<br />

Schlagerstars (wie Frank Schöbel, Chris Doerk, Dagmar<br />

Frederic, Hauff & Henkler) rückten zwar innerstaatlich<br />

nach, rockten aber in den Amiga-eigenen<br />

Aufnahmestudios u.a. in Ostberlin, Leipzig und<br />

Dresden zwangsläufig weniger vehement. Auch illustre<br />

Auslandsgäste wie Gilbert Becaud, Edith Piaf,<br />

Rita Pavone, Mireille Mathieu und Yves Montand<br />

bedienten eine andere Kundschaft. Neben handfesteren<br />

Inlandsband-Kreationen z.B. von der Klaus<br />

Renft Combo, den Puhdys, Kreis, Lift, Wir, Engerling,<br />

City und Karat konnten international gefragte<br />

Namen nicht länger außen vor gelassen werden. Zu<br />

den wichtigsten West-Jugendverderbern auf dem<br />

staatseigenen Amiga-Label gehören JIMI HENDRIX<br />

(8 55 378; 1974), ABBA (8 55 465; 1975), SANTA-<br />

NA (8 55 519; 1977) und auch DEEP PURPLE (8 55<br />

562; 1977). Dabei waren 1:1-LP-Originalübernahmen aus Kostengründen unmöglich,<br />

der Trend zur Compilation blieb erhalten; folglich lauteten Bandname<br />

und Albumtitel fast immer gleich. Ideologisch willkommener Nebeneffekt<br />

der meist weltweit exklusiven Zusammenstellungen: Auf diese Weise konnten<br />

die Politkontrolleure textlich unliebsame Songs vorab eliminieren.<br />

Auch Longplayer u.a. von den Rubettes, von El<strong>to</strong>n John, Cat Stevens, Smokie,<br />

den Bee Gees, Chicago, Simon & Garfunkel, Cliff Richard, Stevie Wonder<br />

und Fleetwood Mac standen am Ende des Jahrzehnts im Angebot – und die<br />

Fans in langen Schlangen vor den Verkaufsstellen mit so verlockenden Namen<br />

wie Takt und Ton, Melodie und Musik für Dich, wenn neue Ware in nur kleiner<br />

Auflage eingetroffen war. Für nahezu alle Amiga-LPs – rund 40 pro Jahr mit<br />

einem halben Dutzend Neuerscheinungen – waren über die Jahre unverändert<br />

(und subventioniert) 16 DDR-Mark zu berappen,<br />

plus zehn Pfennig „Abgabe für das sozialistische<br />

Kulturleben". Verfügbare Gesamtkataloge waren<br />

spärlich gesät, zeitnahe Reklame entfiel, Mundzu-Mund-Propaganda<br />

genügte.<br />

In den Achtzigern war der Trend nicht mehr zu<br />

s<strong>to</strong>ppen. Das Land rutschte ohnehin immer tiefer<br />

in die roten Zahlen, da machten abzudrückende e<br />

Lizenzen den Kohl auch nicht mehr fett. Von Uriah<br />

Heep, <strong>Queen</strong> und Procol Harum über The Who, Ge-<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 27


nesis, die Kinks bis zu CCR, Cream, Eric Clap<strong>to</strong>n und T.Rex reichten die Amiga-<br />

Veröffentlichungen der Klassenfeinde zwischen 1980 und 1989.<br />

SAMMLER- & FAN-INTERESSE<br />

Die ganz große Rundum-Nachfrage für Amiga-LPs (Eigen- und Lizenzprodukte)<br />

blieb nach der Wende aus bzw. hat sich erheblich abgekühlt; der<br />

Markt wurde – auch mit Restposten und aus Lagerbeständen – regelrecht überschwemmt.<br />

Weite Teile der Reper<strong>to</strong>ire-Palette werden inzwischen in Plattenläden<br />

und bei Internetauktionen für Niedrigpreise verscherbelt. Dennoch sind etliche<br />

Veröffentlichungen gefragt: g frühe Raritäten (Dylan, Beatles, s.o.) sowieso,<br />

aber auch andere.<br />

So versuchen<br />

Reihensammler,<br />

ihre<br />

Kollektionen<br />

mit<br />

AMIGA-<br />

EXPRESS (ab<br />

1963), HAL-<br />

LO (ab 1972),<br />

BOX<br />

(ab<br />

1973) und<br />

KLEEBLATT (1979–1990) 1990) zu vervollständigen; auch die QUARTETT-EPs<br />

(rund 230 verschiedene von 1980 bis 1990, mit vielen UK/US-Stars wie Status<br />

Quo, El<strong>to</strong>n John/John Lennon, Little Steven u.a.) haben Fans.<br />

Hier und bei vielen Alben aus dem Bereich Rock/Pop wecken die DDRexklusiven<br />

Songzusammenstellungen das Interesse. Zweiter „Bringer"<br />

für Amiga-Fans: die Covergestaltung, die es bei vielen Ausgaben weltweit<br />

nur auf diesem Label gab. Die Hüllen, meist (hoch-)glanzlose Stumpf-Pappe,<br />

zeigten ungewohnte Fo<strong>to</strong>s, andere bestanden – Kosten sparend – lediglich<br />

aus biederen Schriftmotiven. Gefertigt wurde ausschließlich im thüringischen<br />

Gotha (Florschützstraße) beim VEB Gotha-Druck, seit 1971 zum VEB Ernst<br />

Thälmann in Saalfeld gehörig. Umschlag und auch Labels mussten (Stichwort:<br />

Planwirtschaft) jeweils schon mehrere Monate im Voraus hergestellt werden,<br />

obwohl oft noch gar keine exakte Auflagenhöhe fixiert war. Folge: entweder<br />

Überbestände oder Unterdeckung und entsprechende Probleme, wenn eine<br />

dem-<br />

Veröffentlichung anstand (oder sie<br />

womöglich ausblieb, weil es Ärger<br />

um Lizenzerteilungen gab).<br />

Zu den echten Amiga-Rock/<br />

Pop-Perlen gehören die<br />

teilweise extrem seltenen<br />

und heute sehr teuren unverkäuflichen<br />

Musterplatten,<br />

die als gestempelte e<br />

Weißmuster (früheste Variante)<br />

oder bereits mit Farb etikett ett<br />

klammheimlich aus dem Presswerk<br />

in Babelsberg entfleuchten.<br />

Wenige landeten bei den SPUs s(„Schall-<br />

ABGESANG<br />

plattenunterhalter" = 1973 per<br />

Gesetzblatt festgezurrte DDR-Bezeichnung<br />

für staatlich geprüfte<br />

[!] DiscJockeys), andere Exemplare<br />

gingen an Werksmitarbeiter. Noch<br />

gesuchter sind Muster für LPs,<br />

die als Devisenbringer lediglich<br />

in den Intershops gegen hartes<br />

Nicht-DDR-Geld verkauft wurden.<br />

Für diese Alben lieferten lizenzgebende<br />

West-Plattenfirmen sehr<br />

häufig die Cover, das Vinyl kam<br />

stets aus Potsdam-Babelsberg.<br />

Der Ausverkauf der DDR bedeutete auch das Ende für Amiga und die zuletzt<br />

noch in Deutsche Schallplatten Berlin GmbH umbenannte Dachfir-<br />

ma. Knapp unter 100 Millionen Platten und MCs waren zwischen 1955 und<br />

1989 im Land gefer-<br />

tigt worden. Das<br />

Archiv<br />

zählt<br />

etwa 2200<br />

LPs (rund<br />

700 aus<br />

dem<br />

Be-<br />

r e i c h<br />

R o c k /<br />

Pop) und<br />

ca. 5000<br />

Singles mit<br />

einem<br />

Gesamtvolumen<br />

von<br />

30.000000 Songs. Bestseller: WEIHNACHTEN<br />

N IN FAMILIE (LP, 1985; Frank Schöbel<br />

& Aurora Lacasa; 1,4 Mio.), ROCK'N'ROLL MUSIC (LP, 1977; Puhdys; 1,1<br />

Mio.) und DER BLAUE PLANET (LP, 1982; Karat; 950.000). CD-Ausgaben<br />

gab es davon damals nicht, in der DDR wurden aus Kostengründen keine<br />

Compact Discs hergestellt; Exemplare, die in den Achtzigern noch ins Land<br />

kamen, hatte – wie bis 1962 die LPs – die tschechische Supraphon p gefertigt.<br />

Michael und Birgit Rauhut haben<br />

den Amiga-Rock/Pop-Auss<strong>to</strong>ß 1999 als<br />

575-Seiten-Buch bei Schwarzkopf &<br />

Schwarzkopf veröffentlicht; es ist seit<br />

ewigen Zeiten vergriffen, wurde leider er<br />

nie neu aufgelegt.<br />

Die Deutsche Schallplatten Berlin<br />

GmbH funktionierte nicht. Anfang<br />

1993 wurde das Eterna-Label an edel<br />

(Hamburg) verkauft. Nach angemeldeter<br />

Insolvenz wanderten im Herbst 1993<br />

die Marken Amiga und Litera zur ehemaligen<br />

BMG Ariola München GmbH,<br />

die längst in Sony <strong>Music</strong> Entertainment<br />

Inc. aufgegangen ist. Der Amiga-<br />

Backkatalog wird damit dort verwaltet,<br />

wo einst alles begann – in Berlin.<br />

Seite 28 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


Albert Hammond<br />

Von Philipp Roser<br />

Alter Mann mit dem<br />

Enthusiasmus eines Jünglings<br />

Der gebürtige Londoner Albert Hammond wuchs in Gibraltar auf, begann seine Karriere<br />

als Profimusiker in Spanien, ehe er mit 18 ins UK zurückkehrte und als Songwriter<br />

Fuß fasste. "Little Arrows" in der Version von Leapy Lee war sein erster Welthit, dem<br />

bis heute zahllose weitere folgten – für die Hollies, Julio Iglesias, Starship und zuletzt<br />

Duffy. Mit "I'm A Train", "It Never Rains In Sou<strong>the</strong>rn California" oder "The Free<br />

Electric Band" gelangen Hammond in den 70er Jahren eigene Erfolge. Nachdem er jahrzehntelang<br />

nicht live zu erleben war, kommt der 68-Jährige mit seinem neuen Album<br />

LEGEND II im April/Mai auf Deutschland-Tour.<br />

Wann warst du hier zuletzt auf Tour, Albert?<br />

Oh, das muss schon ewig lange her sein – es ist meine erste richtige Tour seit 1973<br />

oder 1974, glaube ich. Ich habe 2011 wieder angefangen, live zu spielen.<br />

Was war der Auslöser, wieder auf die Bühne zu gehen?<br />

Ich hatte damals aufgehört zu <strong>to</strong>uren, als mein Sohn Albert jr. zur Welt kam. Ich<br />

war für meine beiden älteren Töchter ein schlechter Vater gewesen, weil ich dauernd<br />

unterwegs war. Ich beschloss, nicht zu <strong>to</strong>uren und nicht mehr aufzunehmen.<br />

Ich produzierte nur noch andere Künstler, darunter so großartige Leuten wie Neil<br />

Diamond, Diana Ross, Whitney Hous<strong>to</strong>n, Willie Nelson, Johnny Cash oder Roy<br />

Orbison. Eines Tages sah ich Albert jr. mit seiner Band The Strokes auf der Bühne<br />

und dachte mir: Sohn, das habe ich für dich aufgegeben, und jetzt stehst du da<br />

oben! Ich beschloss, eine neue Platte mit meinen eigenen Songs zu machen und<br />

die dann auch live zu präsentieren. Ich komme zwar als alter Mann zurück, aber<br />

mit all dem Enthusiasmus eines jungen Burschen!<br />

Auch nach der Veröffentlichung von LEGEND dürfte es schwierig gewesen sein, die Songs für<br />

die neue CD auszuwählen?<br />

Ja, es ist immer schwer, weil man viele weglassen muss. Aber ich denke, mit diesen<br />

beiden LEGEND-Scheiben ist es genug. Ich werde weiter aufnehmen, weil es mir<br />

so viel Spaß macht. Dann aber neue Songs!<br />

Beschäftigt man sich mit deinen Songs, fällt auf, dass du zwar die typischen Themen rund um<br />

die Liebe dabei hast, aber auch oft politische Themen aufgreifst ...<br />

Aber natürlich! Auf REVOLUTION OF THE HEART hatte ich den Song "Not In<br />

My Name”, in dem ich in Richtung der Regierungen sage: Wenn ihr schon andere<br />

Länder bombardiert, dann bitte nicht in meinem Namen! Das Schöne am<br />

Songwriter-Dasein ist doch die Freiheit, sagen und singen zu können, was ich will!<br />

Schließlich leben wir – hoffentlich – in einer freien Gesellschaft.<br />

THE STUDIO ALBUMS<br />

1972-1979<br />

EAGLES // DESPERADO // ON THE BORDER //<br />

ONE OF THESE NIGHTS // HOTEL CALIFORNIA //<br />

THE LONG RUN<br />

Ab Ende März im Handel<br />

FAREWELL I TOUR –<br />

LIVE FROM MELBOURNE<br />

DAS LEGENDÄRE EAGLES-KONZERT<br />

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ALBEN<br />

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! REVIEWS<br />

HIGHLIGHTS<br />

CD<br />

In seiner britischen Heimat genießt Paul<br />

Roland, Singer/Songwriter, Au<strong>to</strong>r von<br />

Sachbüchern (Musik, Esoterik, Lebenshilfe),<br />

Journalist und Forscher in Sachen<br />

paranormaler Erscheinungen, geradezu<br />

Kultstatus, auf dem europäischen Festland<br />

hat er ebenfalls eine zwar nicht riesige, aber<br />

umso loyalere Hardcore-Anhängerschar.<br />

So konnte er es sich leisten, neben der regulären<br />

Veröffentlichung seines neuen Albums<br />

BATES MOTEL für seinen Fanclub<br />

(ja, den gibt’s) eine strikt<br />

limitierte (100 Exemplare),<br />

modifizierte Auflage herauszubringen,<br />

deren Wert er mit<br />

vier Bonus-Tracks steigerte.<br />

Die erschöpft sich zwar in<br />

Varianten von Albumtiteln,<br />

doch genau das ist das Futter,<br />

nach dem hartgesottene<br />

Sammler gieren.<br />

1979 veröffentlichte Roland<br />

(mit John Williams)<br />

als Weird Strings seine erste<br />

Single “Oscar Au<strong>to</strong>mobile” im Eigenver-<br />

lag (100 Exemplare) – wie er seine Werke<br />

in der Folge öfter unter Pseudonymen herausbrachte:<br />

Unter Midnights Rags und<br />

Beau Brummel sind frühe Werke bis 1982<br />

zu finden. Über zwei Dutzend LPs und CDs<br />

brachte Roland sei<strong>the</strong>r unters Volk, und das,<br />

obwohl er 1997 seine Musikerlaufbahn für<br />

gut sechs Jahre unterbrach: Mehrere Labels,<br />

mit denen er zusammenarbeitete, meldeten<br />

Konkurs an, außerdem habe er (*6.9.1959<br />

in Kent) sich zu alt für einen Indie-Musiker<br />

gefühlt und wollte seine Söhne aufwachsen<br />

sehen, wie er später verriet. Viele seiner<br />

(Mini-)Alben aus der Vinylzeit sind in den<br />

letzten Jahren auf dem deutschen Label Syborg<br />

<strong>Music</strong> remastert,<br />

mit reichlich Bonus-<br />

Tracks, einigen stark<br />

überarbeiteten<br />

Songs<br />

(komplette Tonspuren<br />

hinzugefügt oder weggelassen),<br />

teilweise<br />

auch als 2-Vinyl-auf-<br />

1-CD<br />

wiederveröffentlicht<br />

worden und<br />

weiterhin<br />

erhältlich.<br />

Von einigen Scheiben<br />

gibt es zudem leicht<br />

differierende Versionen, die exklusiv über<br />

seinen Fanclub oder nur in anderen Ländern<br />

erhältlich waren. Eine seriöse Zählung<br />

seiner „richtigen” Alben ist deshalb nicht<br />

möglich, eine einigermaßen vollständige<br />

© Pressefo<strong>to</strong><br />

PAUL ROLAND<br />

BATES MOTEL<br />

Sammlung mit sowohl originalen als auch<br />

alternativen und/oder neuen Versionen umfasst<br />

jedoch mehr als 25 CDs.<br />

Meistens macht Roland eher Gothic Folk<br />

und/oder Folk-Rock, zwischendurch überrascht<br />

er aber immer wieder mit<br />

weitgehend rockigen Alben.<br />

BATES MOTEL gehört zu Letzteren.<br />

Songs wie “Kali”, “Wailing<br />

Well” und “Cain” kommen<br />

dem Stil seiner „anderen” Seite<br />

allerdings nahe. „Bates Motel”<br />

war der Originaltitel des Hitchcock-Klassikers<br />

„Psycho” – Assoziationen<br />

in Richtung “Hotel<br />

California”, speziell zur Textzeile<br />

„You can check-out any time you like, but<br />

you can never leave”, bezeichnete Roland<br />

selbst als durchaus zulässig.<br />

Ausgangsbasis für das Album war eine geplante<br />

Zusammenarbeit mit Velvet Underground:<br />

Als der Musikjournalist Roland 1985<br />

bei einem Interview mit der Kulttruppe diesbezüglich<br />

anfragte, signalisierten Maureen<br />

„Moe” Tucker, Nico und Sterling Morrison<br />

Interesse. Die Planungen liefen an, Roland<br />

nahm erste Backingtracks auf, doch dann gab<br />

es technische Probleme (die Bandmaschinen<br />

waren nicht kompatibel und schließlich ver-<br />

hinderten der Tod von Nico (1988) und Morrison<br />

(1995) eine Realisierung, wie Roland<br />

in den Liner-Notes schreibt. Doch nun stieg<br />

er in sein Archiv, holte die Entwürfe aus der<br />

Schublade, dazu Songs, die er seinerzeit für<br />

eine geplante Re union<br />

von John’s Children<br />

geschrieben hatte.<br />

Diese Vorlagen überarbeitete<br />

er und nahm<br />

sie auf, gemeinsam mit<br />

Sonny Midnight (g),<br />

Tony Jacks (org), Sohn<br />

Joshua Roland (b) und<br />

James Count (dr).<br />

Absolut hörenswert<br />

nicht nur für Fans des 53-Jährigen. Liebhaber<br />

der knackigeren Gangart kommen<br />

bei “I Was A Teenage Zombie”, “How I<br />

Escaped From Devil’s Island” und “Tortured<br />

By The Daughter Of Fu Manchu”<br />

(das erstaunliche Übereinstimmungen mit<br />

Iggy Pops “Real Wild Child” aufweist/<br />

dieses zitiert) auf ihre Kos ten. Textinhalte,<br />

starke Melodien und seine Stimme machen<br />

auch diese Songs wieder zu typischen Roland-Nummern.<br />

(Sireena/Broken Silence, 2013,<br />

12/46:20) pro<br />

lik b ih f F d<br />

DVD<br />

GRATEFUL DEAD<br />

THE GRATEFUL DEAD<br />

MOVIE<br />

BOX<br />

FAMILY<br />

ONCE UPON THE<br />

TIME<br />

„There’s nothing like a Grateful Dead<br />

concert”, lautet ein bekannter Spruch unter<br />

Deadheads, der treuen Fangefolgschaft<br />

der kalifornischen Band. Doch was genau<br />

machte ein Konzert der Westcoast-Legende,<br />

vor allem in den 60ern und 70ern, so<br />

unvergleichbar? Und: Ließ sich diese Magie<br />

auch auf Zelluloid bannen?<br />

Im Ok<strong>to</strong>ber 1974 standen Grateful<br />

Dead in ihrer Heimatstadt<br />

San Francisco fünf Nächte lang<br />

auf der Bühne des Winterland<br />

Ballrooms. Die Konzerte wurden<br />

akustisch und optisch aufwändig<br />

mitgeschnitten – für<br />

das Live-Doppelalbum STEAL<br />

YOUR FACE und den unter<br />

der Regie von Leon Gast<br />

(„When We Were Kings”) und<br />

Dead-Gitarrist/Sänger Jerry Garcia a<br />

entstandenen Film „The Grateful<br />

Dead Movie”. Der schon in der Kinofassung<br />

über zwei Stunden lange<br />

Streifen wurde freilich zu sehr viel<br />

mehr als einem Film, der nur das<br />

Geschehen auf der Bühne zeigte.<br />

Selten hat es wohl einen Konzertmitschnitt<br />

gegeben, der so stark das<br />

Publikum miteinbezieht. Die Dead ließen<br />

intensiv vor, hinter und abseits der Bühne<br />

filmen. Es sind jede Menge enthusiastische<br />

Gesichter zu sehen, viele Tanzende,<br />

es gibt Szenen und Interviews mit Fans<br />

auf der Straße oder am Eingang, man sieht<br />

Hippies zusammen beim Meditieren oder<br />

Kiffen. Als Intro gibt es einen ausreichend<br />

langen, im wahrsten Sinne abgefahrenen,<br />

psychedelischen Animationsfilm, der in<br />

einer äs<strong>the</strong>tischen Mischung aus „Yellow<br />

Submarine” und „Herr Rossi” typische<br />

Elemente aus dem Grateful-Dead-Kosmos<br />

aufgreift, darunter das Uncle-Sam-Skelett<br />

und die AMERICAN BEAU-<br />

TY-Rose.<br />

Gleichwohl steht die Livemusik<br />

stark im Vordergrund: In<br />

allerbester Spiellaune präsentieren<br />

Garcia & Co. Songs wie<br />

“One More Saturday Night”,<br />

“Sugar Magnolia”, “Playing<br />

In The Band”, “Stella Blue”,<br />

“Casey Jones” und “Morning<br />

Dew”. Dazwischen gibt es<br />

Interviews mit Mitgliedern<br />

der Band und der<br />

Roadcrew. Digital remastert<br />

erscheint der Film<br />

nun erstmals auf deutscher<br />

(untertitelter) DVD und<br />

Blu-ray samt einer Zusatzscheibe,<br />

die randvoll steckt<br />

mit Bonus-Material, darun-<br />

ter mehr als 95 Minuten an<br />

bisher unveröffentlichten Konzertausschnitten<br />

sowie mehrerer Making-Of- und<br />

Hintergrund-Dokumentationen. Weitere<br />

Features: einblendbare Songtexte, Multikamera,<br />

Fo<strong>to</strong>galerie.<br />

(Ascot Elite, 1977/2013,<br />

2 DVDs, 132 + 175 Min.) frs<br />

1968 nannte der britische Radio-DJ John Peel<br />

Family „<strong>the</strong> best band in <strong>the</strong> world at <strong>the</strong> moment”.<br />

Fünf Jahre lang, bis 1973, sollte dieser<br />

Moment andauern, und wer ihn miterlebt hat,<br />

der wird ihn nie vergessen. Und auch der Rest<br />

darf sich nun freuen, denn statt einer kümmerlichen<br />

2-CD-Retrospektive geht es für die<br />

Aufarbeitung der Family-<br />

Geschichte mit ONCE<br />

UPON THE TIME in die<br />

Vollen: Strikt auf 2000<br />

Exemplare ist die dicke,<br />

LP-große Box in<br />

schlichtem Schwarz<br />

limitiert – höchst<br />

offiziell dokumentiert<br />

durch Roger<br />

Chapmans Originalunterschrift<br />

auf<br />

jedem Zertifikat! Alle acht Originalalben,<br />

vom 1968er MUSIC IN A DOLL’S HOUSE<br />

bis zu IT’S ONLY A MOVIE aus dem Jahr<br />

1973, finden sich darin als hochwertig gestaltete<br />

Mini-LP-Replicas. Wo es möglich war<br />

– bei sechs von acht CDs –, wurde für das<br />

Remastering auf die Originalbänder zurückgegriffen,<br />

was den Klang zwar lange noch<br />

nicht High-End-tauglich macht, ihn aber im<br />

Vergleich zu den lieblos überspielten, bisher<br />

erhältlichen CDs um Welten verbessert. Über<br />

diese acht CDs, sozusagen über den Kern<br />

dieser Box, erübrigt sich jegliche Diskussion.<br />

Die Musik dieser Alben ist so, sorry, „outstandig”,<br />

so überragend im wahrsten Sinne des<br />

Wortes, dass man sich bis heutzutage schwer<br />

tut, die Musik Familys in Worte zu fassen. Die<br />

britische Wikipedia-Ausgabe versucht es mit:<br />

„Ihr Stil wurde als progressiver Rock charakterisiert,<br />

obwohl ihr Sound oft andere Genres<br />

erforschte und sich dabei bei Stilen wie Folk,<br />

Psychdelic, Acid, Jazz und Rock’n’Roll bedient”<br />

– ja, das kann man so stehenlassen. Natürlich<br />

gehört zu so einer<br />

Box<br />

auch jede Menge<br />

verzierendes Beiwerk:<br />

Neben zwei CDs mit bis-<br />

her<br />

unveröffentlichten<br />

Raritäten – alternativen<br />

Versionen, instrumentalen<br />

Backing-Tracks, Studiogesprächen<br />

und Jamsessions<br />

– gibt es drei<br />

weitere Single-Replica-CDs<br />

mit jeweils<br />

zwei Songs sowie den 2003 veröffentlichten<br />

Livemitschnitt eines 1971er Konzertes in der<br />

Besetzung Roger Chapman (voc), Charlie<br />

Whitney (g), Poli Palmer (keys), John Wet<strong>to</strong>n<br />

(b, voc) und Rob Townsend (dr). Daneben gibt<br />

es noch eine „Sounds”-Sonderausgabe voller<br />

Original-Family-Berichte aus den 70er Jahren<br />

sowie ein 72-seitiges, englischsprachiges<br />

Hardcoverbuch, das mit ausführlicher Bandgeschichte,<br />

Discographie (inkl. zahlreicher<br />

ausländischer Single-Cover-Abbildungen)<br />

und einer Unmenge rarer Fo<strong>to</strong>s der musikalischen<br />

Klasse dieser Box keinen Millimeter<br />

nachsteht. Auch auf die Gefahr hin sich zu<br />

wiederholen: überragend!<br />

(Chappo <strong>Music</strong>/Snapper, 2013, 14 CDs) us<br />

Seite 30 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


TOP 5 – Musikfilme<br />

1. Walk The Line<br />

2. High Fidelity<br />

3. School Of Rock<br />

4. Tommy<br />

5. Ray<br />

Fabian Leibfried<br />

1. Still Crazy<br />

2. Rock’n’Roll High School<br />

3. Detroit Rock City<br />

4. Die Buddy Holly S<strong>to</strong>ry<br />

5. Spinal Tap<br />

Jens-Uwe Berndt<br />

1. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />

2. The Girl Can’t Help It<br />

3. Jailhouse Rock<br />

4. Crazy Heart<br />

5. I Walk The Line<br />

Rüdiger Bloemeke<br />

1. Quadrophenia<br />

2. The Wanderers<br />

3. The Harder They Come<br />

4. High Fidelity<br />

5. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />

Lothar Brandt<br />

1. Control<br />

2. Tommy<br />

3. Big Time<br />

4. The Great Rock’n’Roll Swindle<br />

5. 200 Motels<br />

Michael Fuchs-Gamböck<br />

1. A Hard Day’s Night<br />

2. Walk The Line<br />

3. Ray<br />

4. Help<br />

5. One Plus One<br />

Hans-Jürgen Gün<strong>the</strong>r<br />

1. Fantasia<br />

2. Jesus Christ Superstar<br />

3. Wayne’s World<br />

4. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />

5. Across The Universe<br />

Ralf Gün<strong>the</strong>r<br />

1. Once<br />

2. Mitten ins Herz – ein Song für Dich<br />

3. Help<br />

4. Quadrophenia<br />

5. Rocky Horror Picture Show<br />

Helmut Ölschlegel<br />

1. American Graffi ti<br />

2. Quadrophenia<br />

3. High Fidelity<br />

4. The Wanderers<br />

5. Nashville<br />

Martin Reichold<br />

1. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />

2. Tommy<br />

3. Spinal Tap<br />

4. Rocky Horror Picture Show<br />

5. School Of Rock<br />

Philipp Roser<br />

1. High Fidelity<br />

2. Ray<br />

3. Fleisch ist mein Gemüse<br />

4. Nashville<br />

5. The Commitments<br />

Oliver Schuh<br />

1. Yellow Submarine<br />

2. I’m Not There<br />

3. O Bro<strong>the</strong>r Where Art Thou?<br />

4. Control<br />

5. Spinal Tap<br />

Frank Schuster<br />

1. O Bro<strong>the</strong>r Where Art Thou?<br />

2. Bound For Glory<br />

3. American Graffi ti<br />

4. Saturday Night Fever<br />

5. Dead Man<br />

Ulrich Schwartz<br />

1. The Trip<br />

2. Almost Famous<br />

3. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />

4. School Of Rock<br />

5. Velvet Goldmine<br />

Alan Tepper<br />

Mitarbeiter<br />

1. High Fidelity<br />

2. Control<br />

3. The Commitments<br />

4. The Doors<br />

5. Ray<br />

Christian Hentschel<br />

1. Walk The Line<br />

2. The Blues Bro<strong>the</strong>rs<br />

3. <strong>Music</strong> & Lyrics<br />

4. Quadrophenia<br />

5. Jailhouse Rock<br />

Tino Krauter<br />

1. The Commitments<br />

2. Help!<br />

3. My Dinner With Jimi – The Turtles S<strong>to</strong>ry<br />

4. Here We Go Round The Mulberry Bush<br />

5. Nowhere Boy<br />

Uli Twelker<br />

1. Spinal Tap<br />

2. 200 Motels<br />

3. Roadie<br />

4. A Hard Days Night<br />

5. Quadrophenia<br />

Thomas Wachter<br />

1. The Wall<br />

2. Heavy Metal<br />

3. The Doors<br />

4. Help!<br />

5. School Of Rock<br />

Frank Küster<br />

Micky<br />

Moody<br />

(Snakecharmer)<br />

1. Fantasia<br />

2. A Hard Days Night<br />

3. American Graffiti<br />

4. The Last Waltz<br />

5. Paris Texas<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 31<br />

© Pressefo<strong>to</strong>


CD<br />

REVIEWS<br />

RASCAL FLATTS<br />

CHANGED<br />

In zwölf Jahren Bandgeschichte haben es<br />

Rascal Flatts zu amerikanischen Superstars<br />

geschafft. Über 20 Millionen verkaufte Alben,<br />

die fast ausnahmslos an die Spitze der<br />

Country-Charts kamen, sowie zahlreiche<br />

Auszeichnungen – darunter sechs Jahre in<br />

Folge den CMA Award „Vocal Group Of<br />

The Year” – sprechen für sich. Da sich ein<br />

Großteil der amerikanischen Countrymusik<br />

für europäische Ohren viel eher nach Pop<br />

anhört, dürfte die Zielgruppe dieser Band<br />

dann auch weniger bei Fans von Willie<br />

Nelson, Dolly Par<strong>to</strong>n oder Alison Krauss<br />

liegen. Anders gesagt: Wer auf Country-<br />

Popstars wie Keith Urban, Toby Keith oder<br />

die Dixie Chicks steht, der macht mit der<br />

neuen CD von Rascal Flatts nichts falsch.<br />

Mit einer Mischung aus berührenden Balladen,<br />

Roots-rockigen Midtemposongs und<br />

fetzigen Vocalharmonien liefert das Trio<br />

auf CHANGED genau den Sound, mit dem<br />

sie in ihrer Heimat seit Jahren zu den Topacts<br />

gehören.<br />

(Universal, 2013, 15/58:32)<br />

tk<br />

KONSTANTIN WECKER<br />

WUT UND ZÄRTLICHKEIT – LIVE<br />

Mit seinem aktuellen<br />

Liveprogramm zeigt<br />

Konstantin<br />

Wecker<br />

genau die Fähigkeiten,<br />

wegen derer<br />

sein Publikum ihm<br />

seit Jahren treu zur<br />

Seite Sit steht; WUT UND ZÄRTLICHKEIT<br />

heißt sein letztes, im Herbst 2011 veröffentlichtes<br />

Studio-Album, und zwischen<br />

diesen beiden emotionalen Polen pendelt er<br />

auch auf der Bühne. Zeigt er sich bei Liedern<br />

wie “Absurdistan”, “Sage Nein!” oder<br />

“Empört euch” als brodelnder, wütender<br />

Vulkan, beweist mit “Schwanengesang”,<br />

“Ich liebe dich” oder “Bleib nicht liegen”<br />

seine einzigartige Fähigkeit, innige Gefühle<br />

zärtlich und voller au<strong>the</strong>ntischer Liebe auszudrücken.<br />

Er zitiert Brecht, Kästner und<br />

Rilke, verzichtet auch nicht auf spöttische<br />

Untertöne, verschmitzte Alltagsschilderungen<br />

und ironische Zwischenspiele – hervorragend<br />

begleitet von einer klasse Band,<br />

in der neben seinem langjährigen Bühnenpartner<br />

Jo Barnickel auch bekannte Namen<br />

wie Schlagzeuger Tim Neuhaus oder Pedalsteel-Virtuose<br />

Nils Tuxen zu finden sind.<br />

(Sturm & Klang/Alive, 2013, 14/44:57,<br />

13/65:15) us<br />

STEPHANIE NEIGEL<br />

INTRODUCING STEPHANIE<br />

NEIGEL<br />

Natürlich fragt man sich, wo diese stilistische<br />

Weite herkommt, mit der diese<br />

junge Sängerin ihr Debüt ausgestattet hat.<br />

Doch wenn man weiß, dass sie ihrer Familie<br />

schon als 14-Jährige erste, selbst<br />

komponierte Lieder am Piano vorspielte,<br />

dass sie in Mannheim und Weimar Jazzgesang<br />

studiert hat, sie ihr Handwerk bei<br />

renommierten Kollegen wie Jeff Cascaro,<br />

Ann Malcolm oder Michael Schiefel verfeinerte,<br />

sie aktuell Mitglied des A-Capella-Quartetts<br />

Les Brünettes und des Duos<br />

Neigelböh len ist, dann sieht man INTRO-<br />

DUCING STEPHANIE NEIGEL natürlich<br />

aus einem ganz anderen Blickwinkel. Mit<br />

einer jazzigen Begleitband im Rücken hat<br />

sie ihre Musik abwechslungsreich und einfühlsam<br />

arrangiert, zeigt von kraftvollen,<br />

rockigen Stücken über jazzigen Pop bis zu<br />

Ausflügen in Richtung Country und Folk<br />

eine breite Palette ihres Könnens.<br />

(BHM/Zyx, 2013, 11/43:21)<br />

tk<br />

MARIANNE FAITHFULL<br />

BROKEN ENGLISH (DELUXE)<br />

Mit BROKEN ENG-<br />

LISH erlebte Marianne<br />

Faithfull 1979<br />

nach schwerer Drogensucht<br />

ihr Comeback.<br />

Im Vergleich<br />

zu ihrer Karriere als<br />

Pop-Sternchen (“As Tears Go By”) und<br />

S<strong>to</strong>nes-Muse in den Sixties bot das Album,<br />

das vor allem auf dem europäischen Festland<br />

Erfolge feierte (F #3, D #4, UK #57),<br />

ziemlich starken Tobak. Faithfulls Stimme<br />

war vom Drogenkonsum gebrochen, klang<br />

kaputt, viele Songs behandelten kontroverse<br />

Themen wie Terrorismus (“Broken English”),<br />

Katholizismus (“Guilt”) oder sexuellen<br />

Missbrauch (“Why’d Ya Do It”). Statt<br />

von Country und Folk, wie auf den Vorgängerwerken,<br />

waren die Songs nun von New<br />

Wave, Punk und Disco inspiriert. Bis heute<br />

gilt das Album, das die erfolgreiche Single<br />

“The Ballad Of Lucy Jordan” abwarf, als<br />

Faithfulls Meisterwerk. Nun erscheint es in<br />

einer 2-CD-Deluxe-Ausgabe. Neben dem<br />

Originalalbum in einem klanglich guten<br />

neuen Remaster beinhaltet sie unterschiedliche<br />

Versionen von “Broken English”,<br />

einen 12”-Remix von “Why’d Ya Do It”<br />

und als besondere Beigabe ihre 1982 für<br />

das Island-Records-Jubiläum eingespielte<br />

Interpretation des S<strong>to</strong>nes-Klassikers “Sister<br />

Morphine”, dessen Co-Au<strong>to</strong>rin sie ist. Höhepunkt<br />

sind allerdings die Originalsessions<br />

der acht Albumsongs, die bislang in den<br />

Island-Archiven vergraben waren. Produzent<br />

Mark Miller Mundy und Keyboarder<br />

Steve Winwood hatten diese nachträglich<br />

in den Londoner Matrix-Studios mit allerlei<br />

Syn<strong>the</strong>sizer-Effekten aufgepeppt. Die ursprüngliche<br />

Abmischung, die Faithfull bis<br />

heute bevorzugt, ist um einiges rockiger,<br />

gitarrenlastiger und bandorientierter. Vor<br />

allem das rotzige “Why’d Ya Do It”, das<br />

wegen sexuell anzüglicher Textpassagen in<br />

einigen Ländern aus dem Radio verbannt<br />

war, entfaltet so seine volle Wucht. Als weiteres<br />

Sahnestück gibt es den zwölfminütigen<br />

Kurzfilm „Broken English” des Avantgarde-<br />

Regisseurs Derek Jarman („Caravaggio”).<br />

In Punk-Äs<strong>the</strong>tik, mit wackligen, überblendeten,<br />

collagierten Bildern, die u.a. einen<br />

Hexensabbat, Sex, Einsamkeit, Gewalt und<br />

Krieg zeigen, sind die Clips von “Witches’<br />

Song”, “The Ballad Of Lucy Jordan” und<br />

“Broken English” zu sehen.<br />

(Island/Universal, 1979/2013,<br />

8/37:47, 13/64:55) frs<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

PICCADILLY SUNSHINE – PART<br />

ELEVEN – BRITISH POP PSYCH<br />

AND OTHER FLAVOURS<br />

1966–1970<br />

Völlig ungebrochen ist der Eifer, mit dem<br />

Britanniens Spürhunde immer wieder aufs<br />

Neue die Vinyl-Meere früherer Tage nach<br />

längst vergessenen obskuren Aufnahmen<br />

durchpflügen, um dem Sammlervolk Trüffel<br />

& Perlen zu offerieren, die es eigentlich nie<br />

vermisst hat – weil man nur vermissen kann,<br />

was man „irgendwie schon kennt”, bislang<br />

aber nicht im Regal hat. Die CDs der PICA-<br />

DILLY SUNSHINE-Reihe sind von daher<br />

stets wahre Wundertüten. Auch diesmal sind<br />

nur wenige bekannte Namen unter den Interpreten:<br />

Terry Reid & Peter Jay’s Jaywalkers<br />

sind mit dem gemeinsamen Singletrack<br />

“This Time” vertreten, und auch Vanity<br />

Fare (“Betty Carter”), The Koobas (“Gypsy<br />

Fred”) sowie Unit Four Plus Two (“I Was<br />

Only Playing Games”) servieren rare Singles.<br />

Qualitativ mindestens genauso gut sind<br />

auch die Tracks der Unbekannten David<br />

Cumming (“The Parrots Of Simple Street”),<br />

Scott Harris (“Barry Johnson’s Sad Eyes<br />

Inn”), The Gibsons (“Lazy Summer Day”)<br />

oder The Hammers (“Little Butterfly”). Einen<br />

Sonderpreis gewinnen The Keepers mit<br />

ihrer ausgeklinkten Version von Paul Ankas<br />

Hit “Lonely Boy”. Unterm Strich ist dies erneut<br />

eine Freude machende Kollektion von<br />

schönen Flower-Power-Klängen, bittersüßem<br />

Folk-Pop und Baroque-Beat, die man<br />

gern in einem Zug durchhört, während man<br />

im Top-Booklet nach Fakten und Hintergründen<br />

stöbert.<br />

(Particles/Soulfood, 20/49:46) hjg<br />

BILLY BRAGG<br />

TOOTH & NAIL<br />

In modernen Zeiten,<br />

in denen Politik<br />

mehr und mehr an<br />

Unterhaltungswert<br />

gewinnt und diejenigen<br />

Menschen in die<br />

Parlamente gewählt<br />

werden, die Entertainer-Qualitäten t statt<br />

Kompetenz besitzen, mutet eine Singer/<br />

Songwriter-Ikone wie Billy Bragg, mit all<br />

ihren Überzeugungen, mit all ihrem Engagement,<br />

wie ein Relikt aus einer längst<br />

vergangenen (vergessenen?) Ära an. Denn<br />

der Brite, der vor drei Dekaden mit seinen<br />

radikal linken Überzeugungen in Songform<br />

an die Öffentlichkeit trat, hat sich weder<br />

musikalisch noch inhaltlich je verändert:<br />

Blues, Folk und auch mal Pop paaren sich<br />

mit scharfen Analysen einer emotional<br />

immer kälter werdenden Welt in sozialer<br />

Schieflage. An dieser Herangehensweise<br />

hat sich auch auf TOOTH & NAIL nichts<br />

geändert, selbst wenn verstärkt Country-<br />

Elemente zu hören sind, schließlich wurde<br />

das Werk unter den Fittichen von Songwriter-Mythos<br />

Joe Henry aufgenommen. Am<br />

konsequenten politischen Anspruch ändert<br />

die Musik freilich nichts.<br />

(Cooking Vinyl/Indigo, 2013,<br />

12/42:14) mfg<br />

KARL BARTOS<br />

OFF THE RECORD<br />

Kraftwerk treten mittlerweile lieber im Museum<br />

auf, seit 2003 gibt es kein neues Studio-Album.<br />

Fans der Elektro-Pioniere können<br />

sich jedoch freuen: Karl Bar<strong>to</strong>s, der dem<br />

Quartett von 1975 bis 1990 angehörte, legt<br />

nun ein Album voll liegengebliebener Ideen<br />

aus dieser Zeit vor. OFF THE RECORD ist<br />

jedoch mehr als die übliche Sammlung unveröffentlichten<br />

Materials (siehe Interview<br />

in dieser GT-Ausgabe). Nur minimal basieren<br />

die Stücke auf Originalbändern aus den<br />

Pop<br />

70ern bis frühen 90ern. Zum Großteil hat<br />

Bar<strong>to</strong>s die alten Skizzen neu eingespielt, sie<br />

dabei zu Songs gerundet und einer dezenten<br />

Klangmodernisierung unterzogen. Schon<br />

mit dem Opener, dem wuchtigen “A<strong>to</strong>mium”,<br />

ist Bar<strong>to</strong>s ein absolutes Meisterstück<br />

gelungen. Das Stück zeigt in seiner zwischen<br />

Industriewummern und Kristallsounds oszillierenden<br />

Collage, was Elektromusik alles<br />

sein kann: Popsong, Experiment, Tanznummer.<br />

Dagegen sind “Nachtfahrt” und “Without<br />

A Trace Of Emotion” einschmeichelnde<br />

Syntie-Pop-Balladen, auf die OMD neidisch<br />

sein könnten. “<strong>Music</strong>a Ex Machina” und<br />

“Vox Humana” indes sind irrlichternde Experimente.<br />

Ohne Übertreibung: das wohl<br />

beste „Kraftwerk-Album” seit COMPU-<br />

TERWELT!<br />

(Bureau B/Indigo, 2013, 12/39:49) frs<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

DEUTSCHE ELEKTRONISCHE<br />

MUSIK 2<br />

Die Briten sind<br />

krautrockbegeistert.<br />

Bands wie Neu! und<br />

Cluster genießen in<br />

good old England<br />

(übrigens auch in Japan)<br />

Kultstatus. Das<br />

Londoner Label Lbl Soul lJazz<br />

Records legt nun<br />

Teil zwei seiner Reihe DEUTSCHE ELEK-<br />

TRONISCHE MUSIK vor, und wieder<br />

haben die Compiler eine Reihe von Nuggets<br />

aus den Jahren 1971 bis 1983 ausgegraben,<br />

die zeigen, wie innovativ deutsche<br />

Musik in dieser Zeit war. Neben bekannteren<br />

Vertretern wie Can (“Halleluwah”),<br />

Amon Düül II (“A Morning Excuse”) und<br />

Faust (“Krautrock”) gibt es jede Menge<br />

an Wiederentdeckungen zu machen. Die<br />

Anthologie konzentriert sich auf die eher<br />

experimentelle und elektronische Seite, abgesehen<br />

von einigen wenigen Free-Folkern<br />

wie Bröselmaschine und Gila. Mit dabei:<br />

Achim Reichels A.R. & Machines, Popol<br />

Vuh, Agitation Free, You, Neu!, Electric<br />

Sandwich und Niagara (mit Udo Lindenberg<br />

an den Drums), aber auch nahezu in<br />

Vergessenheit geratene Interpreten wie<br />

Wolfgang Riechmann, Sergius Golowin<br />

und Rolf Trostel. Abgerundet wird die hervorragende<br />

Doppel-CD von einem buchdicken<br />

Booklet mit vielen raren Fo<strong>to</strong>s und<br />

informativen Begleittexten aus der Feder<br />

von David Stubbs (Au<strong>to</strong>r von „Krautrock –<br />

Cosmic Rock And Its Legacy”).<br />

(Soul Jazz/Indigo, 2013, 15/75:35,<br />

12/75:27) frs<br />

AARDVARKS<br />

SINKER, LINE AND HOOK:<br />

THE ANTHOLOGY 1987–1999<br />

Wie ihre später wesentlich erfolgreicheren<br />

Kollegen von Kula Shaker ließen sich diese<br />

vier jungen Musiker aus West-London Mitte<br />

der 80er von guter alter Musik aus den<br />

Sixties inspirieren: Mod, Garagen-Rock<br />

und Psychedelia, das war der Sound, mit<br />

dem die Aardvarks 1995 ihr erstes (und einziges)<br />

Album namens BARGAIN bestückten.<br />

Somit ist das Wort „Anthology” im<br />

Titel SINKER, LINE AND HOOK: THE<br />

ANTHOLOGY 1987–1999 natürlich pure<br />

Übertreibung – auch wenn es zu den zwölf<br />

BARGAIN-Titeln noch 13 weitere Songs<br />

zu hören gibt. Sei es wie es will, diese Mu-<br />

Seite 32 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


CD<br />

REVIEWS<br />

sik ist richtig gut, das zusätzliche Material<br />

rekrutiert sich aus Single-A- und<br />

B-Seiten, EP-Stücken und Aufnahmen,<br />

mit denen sie auf unterschiedlichen<br />

Compilations vertreten waren.<br />

Mit dabei auch Paul Wellers “In The<br />

Crowd”, 1997 für einen The-Jam-Tribute-Sampler<br />

eingespielt.<br />

(Cherry Red/Rough Trade,<br />

2013, 25/79:52) us<br />

BAZILIAN & WESTER<br />

WHAT SHALL BECOME OF<br />

THE BABY?<br />

Mit Eric Bazilian<br />

und Mats<br />

Wester<br />

treffen<br />

hier zwei Musiker<br />

aufeinander,<br />

die bei ihren<br />

Bands – den<br />

Hooters bzw. Nordmann – eine tragende<br />

Rolle einnehmen. Die Musik<br />

von WHAT SHALL BECOME OF<br />

THE BABY? ist ein echtes Gemeinschaftsprodukt,<br />

alle Titel haben sie<br />

gemeinsam geschrieben und bis auf die<br />

Drums und das Akkordeon (von Hooters-Kollege<br />

Rob Hyman) auch alles<br />

selbst eingespielt und gesungen. Trotzdem<br />

lässt sich so etwas wie eine Aufgabenteilung<br />

erahnen, klingen viele der<br />

Songs doch auffällig nach dem hymnischen<br />

Folk-Rock der Hooters. Dafür<br />

sorgt Mats Westers Nyckelharpa, ein<br />

skandinavisches Saitenins trument, für<br />

die musikalischen Farbtupfer. Gerade<br />

dieses Aufeinandertreffen zweier so<br />

unterschiedlicher Stile, die Kombination<br />

aus traditionellen, schwedischen<br />

Klängen mit modernem, amerikanisch<br />

geprägtem Rockinstrumentarium ist<br />

alles andere als musikalische Einheitsware,<br />

sorgt für ein ganz besonderes<br />

(Folk-Rock-)Album.<br />

(Membran/Sony <strong>Music</strong>, 2013,<br />

12/48:13) tk<br />

DANDYLION<br />

IMAGES UNDER CON S-<br />

TRUCTION – SELECTIONS<br />

Die Norwegerin Marianne Sveen<br />

vom Erfolgsquartett Katzenjammer<br />

geht als Solistin einen recht ungewöhnlichen<br />

Karriereweg: Sie nennt<br />

sich, unter Einbau eines kreativen<br />

Schreibfehlers, Dandylion – Pusteblume<br />

auf englisch –, weil ihre Musik<br />

Wandlungen unterzogen ist, die<br />

an den Wandel der Namens-Pflanze<br />

vom kräftig-fröhlichen Sonnenschein-Gelb<br />

zur traurig-weißhaarigen<br />

Erscheinung erinnern. Das hat seit<br />

Ende 2011 zur EP-Trilogie IMAGES<br />

UNDER CONSTRUCTION geführt,<br />

deren Teile sehr unterschiedlich klingen.<br />

Während der erste Teil hauptsächlich<br />

auf Sveens beschädigtem<br />

Wohnzimmerklavier – mal episch<br />

und gespenstisch, mal leichtfüßig<br />

– basiert, wurde der zweite Teil mit<br />

komplettem Schlagzeug, Bläsern und<br />

ihrer diesmal dreckig-rauen Stimme<br />

eingespielt; er tönt eher Richtung<br />

Heavy, Funk und Soul und auf nicht<br />

religiöse Art gospeliger als der Vorgänger.<br />

Teil drei hingegen ist elektronisch<br />

und experimenteller gehalten,<br />

allerdings mit starkem Hang zu<br />

attraktiven Melodien, die zwischen<br />

Indie-Feeling und Radiotauglichkeit<br />

angesiedelt sind. Es gibt partiell Parallelen<br />

zu Patti Smith, Martha Davis<br />

(The Motels) und der kanadischen<br />

Gruppe Martha & The Muffins sowie<br />

einigen aktuellen Sängerinnen wie<br />

Kate Nash. Insgesamt ist Dandylions<br />

Musik noch nicht voll ausgereift,<br />

aber es wimmelt nur so vor guten<br />

Ideen.<br />

(Propeller/Soulfood, 2013,<br />

11/37:22) hjg<br />

HAINDLING<br />

IRGENDWIE UND SOWIESO<br />

– ZOUNDS BEST<br />

Es ist nun auch<br />

schon 30 Jahre<br />

her, dass Hans-<br />

Jürgen Buchner<br />

die erste LP<br />

seiner<br />

Band<br />

Haindling veröffentlichte,<br />

welche auch prompt den<br />

Deutschen Schallplattenpreis verliehen<br />

bekam. Mit einer Mischung aus bayerischer<br />

Volksmusik und Pop, gemischt<br />

mit einer Prise Jazz, gewürzt mit exotischen<br />

Instrumenten aus aller Welt,<br />

betrat Buchner Neuland, welche auch<br />

als „Neue Volksmusik” tituliert wurde,<br />

wobei er selbst schlicht von „Weltmusik”<br />

sprach. Auf dieser randvollen CD<br />

präsentiert das Stuttgarter Edellabel<br />

eine kurzweilige Zusammenstellung<br />

mit 24 (!) Songs aus über 20 Jahren<br />

– leider blieben die ersten Jahre ausgespart,<br />

was an rechtlichen Problemen<br />

liegen dürfte –, die einen gelungenen<br />

Einstieg in den einmaligen Musikkosmos<br />

von Haindling ermöglichen. Wie<br />

immer mit einer informativen Biografie<br />

versehen und mit sehr gutem Klang<br />

brillierend, bietet Zounds den erwarteten<br />

Mehrwert. Ein Heidenspaß für<br />

Hörer mit offenen Ohren!<br />

(Zounds, 2013, 24/76:42) rg<br />

JOSH RITTER<br />

THE BEAST IN ITS TRACKS<br />

Wie verarbeitet ein Songwriter am<br />

besten sein Liebesleid? Ganz einfach:<br />

Er schreibt neue Lieder! Nachdem<br />

Josh Ritters Ehe nach nur 18 Monaten<br />

zu Bruch ging, überwand er seinen<br />

Schmerz, indem er neue Songs komponierte.<br />

Im Vergleich zum Vorgänger<br />

SO RUNS THE WORLD AWAY, Ritters<br />

bislang bestverkauftem Album,<br />

das ihn aus dem Stadium eines Geheimtipps<br />

herauskatapultierte, fällt<br />

die neue Scheibe THE BEAST IN ITS<br />

TRACKS viel ruhiger, reduzierter<br />

und persönlicher aus. Viele Stücke<br />

begleitet der in seiner Zunft, etwa von<br />

Joan Baez, sehr geschätzte Singer/<br />

Songwriter (siehe Good Times-Tipp<br />

5/2010) fast nur mit seiner Akustikgitarre;<br />

seine Stimme steht stark<br />

im Vordergrund. Liebhaber großer<br />

amerikanischer Songwriter-Kunst à<br />

la Springsteen, Dylan und Billy Joel<br />

werden ihre Freude haben.<br />

(Yep Roc/Cargo, 2013, 13/43:34) frs<br />

Pop<br />

THE OSMONDS<br />

CAN’T GET THERE<br />

WITHOUT YOU<br />

Hier zu Lande<br />

waren The Osmonds<br />

in den<br />

70er Jahren angesagt<br />

(“Crazy<br />

Horses”),<br />

in<br />

ihrer<br />

US-Heimat<br />

und dim UK sind die Mitglieder<br />

des Familienclans heute noch große<br />

Nummern. Ohne Donny, der meist<br />

mit Schwester Marie aktiv ist, nahmen<br />

Merrill, Jay und Jimmy Osmond<br />

2012 erstmals seit 1984 ein Album<br />

mit neuen Songs auf – Au<strong>to</strong>rennamen<br />

wie Gerry Beckley (Americas “I Need<br />

You”) oder Michael Bol<strong>to</strong>n (“Take<br />

Me Home”) deuten die Richtung an:<br />

Es ist Erwachsenen-Pop, gelegentlich<br />

mit rockigen Anflügen – typisch<br />

amerikanisch (und perfekt) inszeniert.<br />

Die Herren können noch harmonisch<br />

singen, ebenso die Gäste Marie und<br />

Jimmys Tochter Sophia. Sie haben<br />

ihr Händchen für gefühlige Melodien<br />

bewahrt – nicht alles ist gelungen,<br />

aber insgesamt recht ordentlich und<br />

keineswegs nur als Fahrstuhl- und Supermarktberieselung<br />

tauglich.<br />

(Absolute/Soulfood, 2012,<br />

10/34:11) pro<br />

JOHN GRANT<br />

PALE GREEN GHOSTS<br />

Im Interview in dieser Ausgabe beschwert<br />

sich Ex-Kraftwerker Karl<br />

Bar<strong>to</strong>s darüber, dass die heute engen<br />

Genregrenzen verlangten, dass ein<br />

Technokünstler nur Techno und ein<br />

Songwriter nur Songwriter-Musik<br />

macht. Vielleicht sollte er sich mal<br />

PALE GREEN GHOSTS von John<br />

Grant anhören! Der frühere Sänger<br />

der Indie-Band The Czars, sonst eher<br />

für Rock und Folk bekannt, lebt auf<br />

seinem neuen Album auch seine ganz<br />

private Liebe für elektronische Musik<br />

aus. Für den ungewöhnlichen Mix aus<br />

Song und Sound sprangen dem aktuell<br />

in Island lebenden US-Amerikaner<br />

u.a. die Combo Hercules And Love<br />

Affair und als Backgroundsängerin<br />

Sinéad O’Connor zur Seite, die auf ihrem<br />

jüngsten Album Grants Komposition<br />

“<strong>Queen</strong> Of Denmark” coverte.<br />

Bereits in dem wuchtigen Titeltrack<br />

und Opener – der schon jetzt zu den<br />

besten Songs des Jahres gezählt werden<br />

kann – geht diese Gratwanderung<br />

meisterhaft auf: Über pumpenden<br />

Elektro-Patterns und orchestralen<br />

Breitwandflächen singt Grant mit seiner<br />

sonoren Stimme unter die Haut<br />

gehende Melodien.<br />

(Bella Union/Universal, 2013,<br />

11/60:44) frs<br />

FRANCOISE HARDY<br />

FRANCOISE HARDY<br />

1962 verzauberte Francoise Hardy die<br />

Musikwelt mit einem Debütalbum,<br />

dessen entrückter, melancholischer<br />

Dream-Pop bis heute unerreicht ist. Alleine<br />

die Single “Tous Les Garcons Et<br />

Les Filles (All The Boys And Girls)”<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 33


CD<br />

REVIEWS<br />

verkaufte sich in Europa über zwei Millionen<br />

Mal. Keine schlechte Leistung, besonders<br />

wenn man bedenkt, dass die damals 18-Jährige<br />

fast alle Lieder von FRANCOISE HAR-<br />

DY selbst geschrieben hatte. Ihr gehauchter<br />

Gesang und ihr zerbrechliches Äußeres ließen<br />

ihre Musik zu kleinen Fluchten aus der<br />

Alltagswelt werden – herrliche Chansons,<br />

angetrieben durch dezente Bossa-Nova-<br />

Rhythmen, getragen von luftig jazzigen Arrangements.<br />

Neben den zwölf Originaltiteln<br />

enthält diese Wiederveröffentlichung noch<br />

zehn dieser Stücke in italienischer Sprache,<br />

die Francoise Hardy 1962 unter der Regie<br />

von Produzent und Bandleader Ezio Leoni<br />

eingesungen hat.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 1962,<br />

22/52:47) us<br />

LLOYD COLE & HANS-<br />

JOACHIM ROEDELIUS<br />

SELECTED STUDIES VOL. 1<br />

„Studien”, also Entwürfe<br />

oder unfertige<br />

Kompositionen,<br />

das<br />

trifft es recht gut. Was<br />

der britische Singer/<br />

Songwriter<br />

Lloyd<br />

Cole, bekannt geworden<br />

in den 80ern mit den Commotions, und<br />

Hans-Joachim Roedelius, Spiritus Rec<strong>to</strong>r<br />

deutscher elektronischer Musik, bei ihrer<br />

überraschenden Kollaboration erarbeitet haben,<br />

erinnert an eine Mischung aus Minimal-<br />

Trance-Musik und Ambient entspannter, aber<br />

keineswegs kitschiger Art. Der Hörer wird<br />

kaum Songstrukturen erkennen, wer an Coles<br />

sonstiges Werk denkt, dürfte überrascht sein,<br />

dass auf Gitarre und Gesang verzichtet wurde.<br />

Die Wenigsten wissen, dass Cole schon<br />

2001 einmal sein übliches Genre verlassen<br />

und mit PLASTIC WOOD ein Elektronikalbum<br />

herausgebracht hatte, das offenbar von<br />

Roedelius’ Cluster-Album SOWIESO beeinflusst<br />

war. Letzterer wiederum war von der<br />

Hommage äußerst angetan, und daraus entstanden<br />

rund zehn Jahre später die nun veröffentlichten<br />

ersten SELECTED STUDIES,<br />

deren Schönheit nach und nach in das musikalische<br />

Bewusstsein des Zuhörers mäandert.<br />

(Bureau B/Indigo 2013, 10/49:17) an<br />

JEFF YOUNG<br />

MORE SONG THAN DANCE<br />

Neben seinem Job als ständiges Mitglied der<br />

Band von Jackson Browne findet Keyboarder<br />

Jeff Young immer wieder Zeit, um mit Kollegen<br />

wie Bruce Springsteen, Tracy Chapman,<br />

Sting, Bonnie Raitt oder Steely Dan ins Studio<br />

oder auf die Bühne zu gehen. Daneben nimmt<br />

sich der gefühlvolle Musiker aber auch Zeit,<br />

selbst Songs zu schreiben, die er dann unter<br />

eigenem Namen veröffentlicht; das soeben<br />

erschienene MORE SONG THAN DANCE<br />

ist bereits sein fünftes Solo-Album. Bei den<br />

Lyrics erhielt er prominenten Beistand von<br />

Michael O’Keefe, Maggie Ryder sowie von<br />

Procol-Harum-Texter Keith Reid. Und bei<br />

der Umsetzung seiner unprätentiösen, dafür<br />

aber umso tiefer gehenden Lieder konnte sich<br />

Jeff Young auf die Unterstützung zahlreicher<br />

Kollegen aus der Studioszene Kaliforniens<br />

verlassen, darunter Vonda Shepard (voc),<br />

Jon Hering<strong>to</strong>n (g), Tim Lefebvre (b), Jimmy<br />

Powers (harp) und Bill Churchville (trumpet,<br />

trombone).<br />

(M2 <strong>Music</strong>/H’Art, 2013, 8/36:53) tk<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

94 BAKER STREET REVISITED<br />

– POPTASTIC SOUNDS FROM<br />

THE APPLE ERA 1967–68<br />

Vor gut zehn Jahren erschien die erste Ausgabe<br />

dieser Rückschau auf die Zeit, als die Beatles<br />

mit ihrem Apple-Label zahlreichen jungen<br />

Bands die Chance zu eigenen Plattenaufnahmen<br />

gaben. Volume 5, mit dem Untertitel<br />

POPTASTIC SOUNDS FROM THE APPLE<br />

ERA 1967–68, geht zurück bis zu den Anfängen<br />

des Labels, konzentriert sich auf Songwriter,<br />

die ihre Popsongs in der Zeit zwischen<br />

Juni 1967 und Juni 1968 aufnahmen. George<br />

Alexander, Buddy Britten oder Timon hießen<br />

diese Herren, Coconut Mushroom, Joker oder<br />

Perishers die Bands. Mit 19 (von 26) bisher<br />

unveröffentlichten Aufnahmen ist es Apple-<br />

Spezialist Stefan Granados gelungen, diese<br />

Zusammenstellung zu einer höchst interessanten<br />

Fundgrube (nicht nur) für Sixties-Pop-<br />

Fans zu machen, besonders seine ausführlichen<br />

(englischen) Booklet-Texte regen dazu<br />

an, sich tiefer und tiefer in diese faszinierende<br />

Musikwelt vorzuarbeiten.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 2013,<br />

22/61:42) us<br />

SILLY<br />

KOPF AN KOPF<br />

Im März 2010 begann<br />

für Silly in der Besetzung<br />

Anna Loos<br />

(voc), Ritchie Bar<strong>to</strong>n<br />

(p, keys), Uwe Hassbecker<br />

(g) und Jäcki<br />

Reznicek (b) mit AL-<br />

LES ROT eine neue Zeitrechnung, so dass<br />

sie das Ende März erscheinende KOPF AN<br />

KOPF nun folgerichtig als ihr „zweites” Album<br />

bezeichnen. Es ist noch ein Stück persönlicher<br />

geworden als sein Vorgänger, vor<br />

allem da Anna Loos einen mutigen Schritt<br />

gewagt und den Großteil der Texte selbst verfasst<br />

hat. Bei vier Songs war Werner Karma<br />

für die Worte zuständig, der Kreis schließt<br />

sich mit dem Lied “Blinder Passagier”, dessen<br />

Zeilen noch aus der Feder von Tamara<br />

Danz stammen – Sängerin der „ersten”<br />

Silly. Auch musikalisch bleibt die Berliner<br />

Band ihrem bewährten Stil treu, eingängigen<br />

Ohrwurm-Melodien, passend eingebettet im<br />

Wechselspiel zwischen ruhigen Strophen und<br />

Power-Refrains. Keine Frage, KOPF AN<br />

KOPF ist ein mehr als würdiger Nachfolger<br />

für ihr 2010er Erfolgsalbum ALLES ROT.<br />

(Island/Universal, 2013, 15/60:15) tk<br />

JOOLS HOLLAND<br />

THE GOLDEN AGE OF SONG<br />

Zum 20. Geburtstag seiner TV-Musikshow<br />

(Later With Jools Holland) hat Gastgeber und<br />

Bandleader Jools Holland mit THE GOL-<br />

DEN AGE OF SONG ein ganz besonderes<br />

Album zusammengestellt: 17 Songklassiker<br />

aus der langen Jazz-, Soul- und Popgeschichte,<br />

neu eingespielt mit zahlreichen aktuellen<br />

Stars. So liefert Paul Weller eine swingende<br />

Version des Filmklassikers “September In<br />

The Rain” ab, Joss S<strong>to</strong>ne interpretiert ein<br />

umwerfendes “Bei mir bist du schön”, Simply-Red-Frontmann<br />

Mick Hucknall croont<br />

den Duke-Elling<strong>to</strong>n-Klassiker “I Got It Bad<br />

(And That Ain’t Good)”, der neue Stern am<br />

Pophimmel, Rumer, stellt sich mit dem 40er-<br />

Jahre-Song “Ac-Cen-Tchu-Ate The Positive”<br />

in eine Reihe mit Bing Crosby und Artie<br />

Shaw. Neben neuen Aufnahmen gibt es auch<br />

einige Titel aus Hollands jährlichen Neujahrsshows<br />

„The Hootenanny” zu hören, wie<br />

“Don’t Go To Strangers”, das spektakuläre<br />

Duett von Amy Winehouse und Paul Weller<br />

aus dem Jahr 2006.<br />

(Rhino/Warner, 2013, 17/58:45) us<br />

MAX MEETS LENNY<br />

EUROPEAN GIRL<br />

Ja ja, das Leben. Manchmal schreibt es die<br />

schönsten Geschichten. Zum Beispiel die von<br />

diesen beiden Musikern, die sich 2009 per<br />

Zufall auf dem Parkplatz vor einem Mannheimer<br />

Musikgeschäft über den Weg laufen.<br />

Die sich auf Anhieb sympathisch sind und<br />

fortan gemeinsam als Akustikduo mit dem<br />

Namen Max Meets Lenny Musik machen.<br />

Zunächst probieren sie ihre Lieder auf kleinen<br />

Bühnen aus, 2010 dann ein erstes Album bei<br />

einem Independent-Label. Jetzt, für EURO-<br />

PEAN GIRL, haben Sänger Max Mury und<br />

Gitarrist Ulf Lenske ihre Band um Bass und<br />

Schlagzeug erweitert. Geblieben ist also die<br />

markante, weiche Gesangsstimme, immer<br />

noch begeistert die überaus virtuose Gitarrenarbeit<br />

– und dennoch klingen die Songs im<br />

Bandverbund erwachsener, reifer, voller, sind<br />

Max Meets Lenny mit diesem Album zu einer<br />

„richtigen” Popband geworden. Gratulation!<br />

(7us <strong>Music</strong>/New <strong>Music</strong> Distribution,<br />

2013, 13/54:25) tk<br />

TALK TALK<br />

NATURAL HISTORY 1982–1988<br />

+ NATURAL ORDER 1982–1991<br />

Nach der Wiederveröffentlichung der ersten<br />

vier Alben im letzten Jahr bringt Talk-<br />

Talk-Frontmann Mark Hollis nun das 1990<br />

erschienene Best-Of-Album NATURAL<br />

HISTORY wieder heraus. Die Auswahl der<br />

vermutlich zwölf bekanntesten, weil erfolgreichsten<br />

Songs ergibt einen schönen Querschnitt<br />

der Wandlung der britischen Band<br />

vom Synthie-Pop hin zu impressionistischer<br />

Avantgarde der Spätphase. Den Kauf rechtfertigt<br />

vor allem die beigefügte DVD mit den<br />

dazugehörigen, zum Teil schrulligen Videos<br />

fast aller Singles, von denen die meisten den<br />

mit „Formel 1” groß gewordenen deutschen<br />

Hörern unbekannt sein dürften. Doch damit<br />

nicht genug, hat sich Hollis in einer weiteren<br />

Neuveröffentlichung namens NATURAL<br />

ORDER B-Seiten wie “John Cope” und “For<br />

What It’s Worth”, frühen Pop-Perlen wie<br />

“Have You Heard The News” und “Renee”,<br />

vor allem aber ungemein stimmungsvollen<br />

Songs der Spätphase wie “Eden”, “After The<br />

Flood” und “Taphead” angenommen. Diese<br />

wurden einem Remastering unterzogen oder<br />

liegen als alternative Version vor. Die Zusammenstellung<br />

verdeutlicht eindrucksvoll,<br />

welch Desiderat durch den Bandsplit 1992<br />

entstanden ist. Fraglich bleibt nur, warum in<br />

Zeiten ansprechend aufbereiteter Mehrfach-<br />

CD-Boxen die beiden Neuerscheinungen<br />

nicht als edles Gesamtpaket veröffentlicht<br />

wurden.<br />

(EMI, 1990, 12/60:07, 12/49:00,<br />

2013, 10/57:07) an<br />

Pop<br />

THE DARK FLOWERS<br />

RADIOLAND<br />

Der kreative Kopf hinter diesen „dunklen<br />

Blumen” ist mit Paul Statham kein Unbekannter.<br />

Als Komponist und Produzent war<br />

er für zahlreiche Künstler von Dido über<br />

Peter Murphy bis zu Simple-Minds-Frontmann<br />

Jim Kerr tätig. Einen Großteil dieser<br />

Musiker hat er jetzt auch für RADIO LAND<br />

ins Aufnahmestudio eingeladen, neben<br />

Kerr und Murphy auch noch Dot Allison<br />

(Massive Attack, Death In Vegas), Shelly<br />

Poole, Helicopter Girl, Ca<strong>the</strong>rine AD und<br />

Kate Havnevik. Und wer Paul Stathams<br />

Kompositionsstil kennt, der weiß, dass<br />

dieser Bandname auch musikalisches Programm<br />

ist, dass es hier zurückgeht in die<br />

80er Jahre, als man so etwas Dark Wave<br />

nannte. Der alten Gefahr, hier schnell eintönig<br />

zu klingen, entgehen die Dark Flowers<br />

geschickt: Wechselnder Leadgesang und<br />

unterschiedliche Arrangements – von gehauchter<br />

Akustikballade bis zu tiefschwarzem<br />

Electro-Gothic – sorgen für genügend<br />

Abwechlsung.<br />

(Lojinx/Alive, 2013, 12/46:47) us<br />

OCEAN COLOUR SCENE<br />

PAINTING<br />

Auch wenn die Veteranen<br />

des Brit-Pop<br />

– immerhin 22 Jahre<br />

nach der Veröffentlichung<br />

ihrer Kult-<br />

Single “Sway” – zwischenzeitlich<br />

etwas<br />

an Sh Schwung verloren haben, beeindrucken<br />

sie immer noch mit ihrem unverwüstlichen<br />

Glauben an die Qualitäten dieses Musikstiles.<br />

So schielen Ocean Colour Scene auch<br />

auf ihrem aktuellen Album unverhohlen in<br />

Richtung Sixties, zurück in die Zeit, als es in<br />

ihrer britischen Heimat kein Vorbeikommen<br />

an Bands wie The Who oder Small Faces<br />

gab. Dabei ist PAINTING aber alles andere<br />

als rückwärtsgerichtet, vielmehr zeigt es<br />

wieder einmal, wie sich (vor allem in Großbritannien)<br />

Musik aus den 60er Jahren in der<br />

aktuellen Musikszene wiederfindet, wie sich<br />

Songwriter wie Simon Fowler und Steve<br />

Cradock noch heute davon inspirieren lassen,<br />

wie wenig sich in dieser langen Zeit die ursprüngliche<br />

Seele dieser Musik verändert hat.<br />

(Cooking Vinyl/Indigo, 2013, 14/38:22) tk<br />

MAREN KROYMANN<br />

IN MY SIXTIES<br />

Die bekannte deutsche Schauspielerin Maren<br />

Kroymann (unter anderem „Ta<strong>to</strong>rt”, „Klimawechsel”)<br />

hat ein Faible für die Musik der<br />

Fifties und Sixties und setzt ihre Vorlieben<br />

mit einer kompetenten Band um, die noch<br />

swingen kann und sich einen organischen<br />

Sound auf die Fahnen geschrieben hat. Mit<br />

dem hochmelodischen “I Only Want To Be<br />

With You” beginnt eine spannende Reise,<br />

die mit der Bacharach-Komposition “I Just<br />

Don’t Know What To Do With Myself” und<br />

mit einer groovigen Version von “The Boy<br />

From New York City” ihren ersten Höhepunkt<br />

erreicht. Eine hervorragende Fassung<br />

von “The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore”,<br />

die Kroymanns Mut belohnt, sich so einen<br />

schwierigen Song vorzunehmen, begeistert,<br />

wohingegen “It’s All Over Now” leider etwas<br />

kraftlos klingt. Aber ein Ausfall unter<br />

den 16 Tracks (und nicht wie auf der Cover-<br />

Seite 34 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


CD<br />

REVIEWS<br />

rückseite angegeben 13 Nummern) ist<br />

nun wirklich zu verkraften. Unerwartet<br />

gut, da die sympathische Dame auch<br />

noch klasse singt!<br />

(Tonträger/edel, 2013, 16/48:15) at<br />

RON SEXSMITH<br />

FOREVER ENDEAVOUR<br />

Wie macht man<br />

es sich mit einer<br />

Flasche<br />

Wein<br />

an dem Platz,<br />

an dem man am<br />

liebsten einsam<br />

ist, am besten<br />

gemütlich? Wie fühlt es sich an, mit<br />

seiner Liebsten im Arm in der Morgensonne<br />

aufzuwachen? Das sind nur zwei<br />

der vielen kleinen Themen, die Ron<br />

Sexsmith auf seinem großen Album<br />

FOREVER ENDEAVOUR besingt.<br />

Nach dem eher schwachen Vorgänger<br />

LONG PLAYER LATE BLOOMER<br />

(2011) legt der 49-jährige kanadische<br />

Sänger/Songschreiber damit endlich<br />

wieder ein Meisterwerk vor, das unter<br />

Beweis stellt, warum Kollegen wie Paul<br />

McCartney, Elvis Costello und Steve<br />

Earle seine Arbeit schätzen. Die Lieder<br />

stecken voller Leichtigkeit und Melodienreichtum.<br />

Den allzu Mainstream-poppigen<br />

Sound von LATE BLOOMER<br />

hat er zugunsten eines mehr unpluggedfolkigen<br />

abgelegt: Jeden Song begleitet<br />

Sexsmith mit der Akustikklampfe, die<br />

Arrangements sind feinveredelt von<br />

Streich- und Blasinstrumenten. Kammermusik-Folk-Pop<br />

für Hör-Gourmets!<br />

(Cooking Vinyl/Indigo, 2013,<br />

14/42:07) frs<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

REASON TO BELIEVE –<br />

THE SONGS OF<br />

TIM HARDIN<br />

Der 1980 infolge jahrelangen Drogenmissbrauchs<br />

im Alter von 39 Jahren<br />

vers<strong>to</strong>rbene Tim Hardin gehört zu den<br />

zu Lebzeiten weitgehend erfolglosen<br />

Songschreibern, deren Lieder von Beginn<br />

an bis in die Gegenwart immer<br />

wieder gern gecovert wurden. Schlichte,<br />

aber nahegehende Kompositionen<br />

wie “Black Sheep Boy”, “How Can<br />

We Hang On To A Dream?” und “If I<br />

Were A Carpenter” ließen genügend<br />

Raum für andere Interpretationen, etwa<br />

von Scott Walker, The Nice und Bobby<br />

Darin. Die Liste ließe sich noch lange<br />

weiterführen und wird jetzt auf REA-<br />

SON TO BELIEVE um 13 neue Cover-<br />

Versionen erweitert, deren bekanntester<br />

Interpret Mark Lanegan, ehemalige<br />

Reibeisenstimme der Screaming Trees,<br />

sein dürfte. Neun der Neuinterpretationen<br />

haben ihren Ursprung in den<br />

ersten beiden Tim-Hardin-Alben, die<br />

restlichen vier beziehen sich auf Hardins<br />

weitgehend unbekanntes, aber<br />

keineswegs schlechtes Folge-Œuv re.<br />

Die Künstler erweisen Hardin ihre stilsichere<br />

Referenz, und es ist – den Herausgebern<br />

der Zusammenstellung folgend<br />

– zu hoffen, dass möglichst viele<br />

Tim Hardin (wieder-)entdecken.<br />

(Full Time Hobby/Rough Trade,<br />

2013, 13/45:27) an<br />

HEINO<br />

MIT FREUNDLICHEN<br />

GRÜSSEN<br />

Wer austeilt, muss auch einstecken<br />

können. Diese Weisheit ist alt. Und zu<br />

Zeiten, als Volksmusik-Barde Heino<br />

noch ein junger Mann war, Bestandteil<br />

eines Ehrenkodex’. Heute fangen die<br />

„Rebellen” mal eben gleich zu plärren<br />

an, wenn ihnen ein über 70-Jähriger im<br />

Vorbeigehen mal auf die blauen Converse<br />

Chucks tritt. Heinos Cover-Album<br />

MIT FREUNDLICHEN GRÜS-<br />

SEN ist nicht nur deshalb eine Wucht,<br />

weil er schmerzlich zutage förderte,<br />

dass die „wilden Buben” – speziell die<br />

Ärzte und Oomph! – zwar über alles<br />

und jeden lästern, tief in ihren Herzen<br />

aber Luschen sind – und zu zetern anfangen,<br />

wenn sich jemand an ihrem<br />

„künstlerisch wertvollen” Liedgut<br />

vergreift. Auch die Tatsache, dass die<br />

„Rocker” lediglich mit viel Strom und<br />

digitaler Studiotechnik getunte Schlager<br />

hervorbringen, ist eine erfrischende<br />

Erkenntnis. Heinos Versionen von Hits<br />

der Genannten sowie von Rammstein,<br />

Nena, Westernhagen, Keimzeit, Clueso,<br />

Absolute Beginner, Sportfreunde Stiller,<br />

Peter Fox, Fantastischen Vier und Stefan<br />

Remmler sind eine runde Sache. Mit<br />

satten Bläsersätzen angereichert, grooven<br />

die Stücke. Und die Texte werden<br />

wie bei “Junge” gar vom Kopf auf die<br />

Füße gestellt. Und was macht Heino bei<br />

all dem Heckmeck? Er lächelt entspannt<br />

und singt seine Lieder.<br />

(Starwatch/Sony <strong>Music</strong>, 2013,<br />

12/44:13) jub<br />

HANS EDLER<br />

SONGS FROM THE SIXTIES<br />

So,<br />

wie<br />

Bert<br />

Kaempfert<br />

der König<br />

der<br />

Easy-<br />

Listening-<br />

Jazzmusik<br />

ist, gebührt Hans Edler dieser Titel im<br />

Bereich Easy-Listening-Rock’n’Roll.<br />

Der schwe di sche Gitarrist begann<br />

seine musikalische Karriere in den<br />

60ern, als er in unterschiedlichen lokalen<br />

Bands Musik im Stile der Ventures<br />

oder der Shadows spielte. In den 70ern<br />

gehörte er in Schweden zu den Pionieren<br />

der elektronischen Musik, konzentrierte<br />

sich aber Ende dieses Jahrzehnts<br />

auf das Covern von Hitparadensongs.<br />

Daneben war er auch als Komponist<br />

für sich und andere tätig, seine im<br />

Rahmen einer Ricky-Nelson-Tour<br />

entstandene Single “Black Fender”<br />

war so populär, dass sie in Schweden<br />

sogar bis auf Platz 1 der Charts kam.<br />

Auf vier CDs hat er sich nun, teilweise<br />

live, teilweise im Studio, der Musik der<br />

60er Jahre verschrieben. Und ähnlich<br />

wie Kaempfert gelingt es Edler, seinen<br />

SONGS FROM THE SIXTIES einen<br />

durchgängigen, ganz eigenen, Gitarren-dominierten<br />

Sound zu verpassen,<br />

der nur noch wenig mit dem Original<br />

zu tun hat, ganz egal ob die Vorlage<br />

“Apache”, “Only Sixteen”, “Save The<br />

Last Dance For Me”, “Runaway”,<br />

Pop<br />

“Please, Please Me”, “Hello Mary<br />

Lou” oder “If I Had A Hammer” heißt.<br />

(7us/New <strong>Music</strong> Distribution, 2013,<br />

16/41:54, 16/41:50, 16/42:49,<br />

16/43:25) us<br />

CHRISTOPHER CROSS<br />

A NIGHT IN PARIS<br />

Lange<br />

Jahre<br />

hatte sich Chris<strong>to</strong>pher<br />

Cross<br />

rar<br />

gemacht,<br />

spielte,<br />

wenn<br />

überhaupt,<br />

in<br />

kleinen<br />

Clubs<br />

jazzige Akustiksets. t Kein Wunder, entwickelte<br />

sich seine letztjährige Europa-Tournee<br />

zur umjubelten Rückkehr.<br />

Mit Andy Suzuki (sax, keys), Chazz<br />

Frichtel (b, voc), Kiki Ebsen (keys,<br />

voc), Richie Gajate Garcia (perc) und<br />

Dave Beyer (dr) begleitete ihn eine<br />

illustre Band, deren Mitglieder auch<br />

ihre individuellen Stärken im rund<br />

90-minütigen Programm nach und<br />

nach zur Schau stellen durften. Gleich<br />

von Beginn an gelang es Chris<strong>to</strong>pher<br />

Cross, eine wunderschön relaxte Stimmung<br />

in das nicht minder schöne Pariser<br />

Theatre Le Trianon zu zaubern, die<br />

im Laufe des Abends der Nährboden<br />

für so herrliche Songs wie “Ride Like<br />

The Wind”, “Sailing” oder “Arthur’s<br />

Theme” war. Unbekannter, aber nicht<br />

weniger hochklassig: neue Titel wie<br />

“Leave It To Me” und “November”.<br />

Oft ja nur eine Dreingabe, hier aber<br />

weitaus mehr ist die beiliegende DVD<br />

des Konzertes, die die einmalige Stimmung<br />

dieses Abends in weichen Farben<br />

und herrlich entspannten Klängen<br />

ins heimische Wohnzimmer transportiert.<br />

(Ear <strong>Music</strong>/edel, 2013, 2 CDs,<br />

DVD 97 Min.)<br />

tk<br />

DIDO<br />

GIRL WHO GOT AWAY<br />

Nach fünf Jahren erscheint Dido, das<br />

„Mädchen, das davonkam” (GIRL<br />

WHO GOT AWAY), wieder auf der<br />

Bildfläche, im Gepäck ein Album,<br />

bei dem sie hörbar auf Nummer Sicher<br />

geht. Namhafte Produzenten<br />

sorgen dafür, dass sich unterschiedliche<br />

Sounds abwechseln, ein breites<br />

Publikum angesprochen wird, und mit<br />

Kendrick Lamar hat sie für “Love To<br />

Blame” den aktuellen Senkrechtstarter<br />

der amerikanischen Rap-Szene als Duettpartner<br />

ins Studio geholt. Natürlich<br />

fällt es Produzenten wie ihrem Bruder<br />

Rollo Armstrong (der gleich seine<br />

Faithless-Partnerin Sister Bliss mitgebracht<br />

hat), Trip-Hop-Mastermind<br />

Greg Kurstin, Rick Nowels (Lana Del<br />

Rey, Lykke Li) oder Altmeister Brian<br />

Eno nicht schwer, Didos wunderschöne,<br />

glasklare Stimme mit flirrenden<br />

oder sanft vor sich hinpluckernden<br />

Elektrobeats zu unterlegen. Oft reichen<br />

schon die ersten Takte eines Songs aus,<br />

um sich sofort wieder an “White Flag”<br />

zu erinnern, mit dem sie vor zehn Jahren,<br />

im Ok<strong>to</strong>ber 2003, an der Spitze der<br />

deutschen Single-Charts stand.<br />

(Sony <strong>Music</strong>, 2013, 11/42:59) tk<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 35


kult!<br />

kult!-Nr. 8<br />

erscheint am<br />

19.4.2013<br />

Alle Hefte zu bestellen<br />

im Shop Seite 65<br />

oder unter:<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

CD<br />

REVIEWS<br />

JACK SAVORETTI<br />

BEFORE THE STORM<br />

Aktuell zusammen auf Tour mit dem Singer/Songwriter-Senkrechtstarter<br />

Jake Bugg<br />

ist dieser junge britische Künstler. Dabei ist<br />

die komplett selbst geschriebene Musik, die<br />

Jack Savoretti auf BEFORE THE STORM<br />

präsentiert, sogar noch ein gutes Stück vielschichtiger<br />

als die seines Kollegen. Produziert<br />

von Martin Terefe (James Morrison,<br />

Leonard Cohen, a-ha), lässt er in einer breiten<br />

Palette an Stilen sein Talent aufblitzen. Er<br />

klingt mal wie ein verträumter Liedermacher<br />

aus dem New Yorker Greenwich-Village der<br />

60er Jahre, mal wie eine junge Ausgabe des<br />

hawaiianischen Meisters des Gute-Laune-<br />

Surf-Pop, Jack Johnson, hat hymnische<br />

(Brit-Pop-)Refrains genauso im Angebot<br />

wie jazzig verspielten Lounge-Pop, kann<br />

es ebenso kernig, wie er seine Lieder voller<br />

Gefühl vortragen kann. Jack Savoretti, ein<br />

Name, den man sich merken sollte.<br />

(Fullfill Records/Alive, 2013, 13/45:37) tk<br />

THE PARTRIDGE<br />

FAMILY<br />

SOUND MAGAZINE / SHOPPING<br />

BAG + THE PARTRIDGE<br />

FAMILY NOTEBOOK /<br />

CROSSWORD PUZZLE<br />

Nach der Europa-Premiere der ersten beiden<br />

Partridge-Family-LPs gibt es nun auch die<br />

nächsten vier Alben der singenden US-Familie<br />

auf zwei CDs. SOUND MAGAZINE und<br />

SHOPPING BAG erschienen 1972, Hauptsänger<br />

waren natürlich wieder Teenie-Star<br />

David Cassidy sowie die <strong>Music</strong>al erprobte<br />

Shirley Jones, zum Studiopersonal gehörte<br />

mit Hal Blaine (dr), Larry Knechtel (keys),<br />

Max Bennett (b) und Louis Shel<strong>to</strong>n (g) eine<br />

exzellente Riege an Musikern, sonst in den<br />

Diensten von Ella Fitzgerald, der Monkees,<br />

Glen Campbell, Simon & Garfunkel oder<br />

Elvis Presley. Mit fast gleicher Besetzung<br />

wurden im Jahr darauf weitere zwei Alben<br />

voller opulent arrangiertem, typisch amerikanischem<br />

70er-Jahre-Pop eingespielt, THE<br />

PARTRIDGE FAMILY NOTEBOOK sowie<br />

CROSSWORD PUZZLE. Auch beim Songwriting<br />

wurden hier keine halben Sachen<br />

gemacht, so gut wie alle Titel stammen von<br />

renommierten Songwriter-Teams, von Wes<br />

Farrell/Danny Janssen/Bobby Hart über Tony<br />

Romeo/Ken Jacobson bis zu Barry Mann/Phil<br />

Spec<strong>to</strong>r/Cynthia Weil.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 1972,<br />

22/66:29, 1973, 22/64:10) tk<br />

JUSTIN HAYWARD<br />

SPIRITS OF THE WESTERN SKY<br />

Mit Kompositionen wie “Nights In White<br />

Satin”, “Tuesday Afternoon”, “Your Wildest<br />

Dreams” oder auch “I Know You’re Out There<br />

Somewhere” gehört der Moody-Blues-Gitarrist<br />

und -Sänger Justin Hayward zu den erfolgreichsten<br />

Songwritern der Rock- und Popgeschichte.<br />

Über 15 Jahre ist es her, dass er sein<br />

letztes Solo-Album veröffentlicht hat, so dass<br />

sich nun für SPIRITS OF THE WESTERN<br />

SKY wieder genug neues Material angesammelt<br />

hatte. Natürlich bleibt er sich über weite<br />

Strecken des Albums treu, liefert die von ihm<br />

bekannte Mischung aus melodischen, gefühlvollen<br />

Songs in feinsinnigen, ausgefeilten Poparrangements.<br />

Bei drei Songs, den Countryund<br />

Bluegrass-beeinflussten Stücken “What<br />

Your Resist Persists”, “Broken Dream” und<br />

“It’s Cold Outside Your Heart”, wendet er sich<br />

auch neuen Ausdrucksweisen zu.<br />

(Eagle/edel, 2013, 15/68:19)<br />

tk<br />

EVERLY BROTHERS<br />

ROCK + THE BALLADS OF<br />

Seite 36 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />

Pop<br />

Kategorien und kommerziellen Zwängen<br />

anzurichten. Und trotz zahlreicher Helfer an<br />

so unterschiedlichen Instrumenten wie Harmonium,<br />

Lapsteel, Kornett, Flöte, Lap<strong>to</strong>p<br />

oder Cello klingen ihre Lieder nie überladen,<br />

steht neben allem schmückenden Beiwerk<br />

der Kern des Songs im Mittelpunkt. Auch<br />

die Wurzeln dieser Lieder sind schnell ausgemacht,<br />

reichen von perlendem Sixties-Beat<br />

über jazzig verspielte Chansons und sanftem<br />

Folk bis zu himmelhoch aufgetürmten Pop-<br />

Harmonien – immer umspielt von einer Prise<br />

mystischer Unnahbarkeit. Also ganz wie eine<br />

Outer-Space-Version von Belle & Sebastian,<br />

unterstützt von einer jungen Kate Bush ...<br />

(Make My Day Records/Alive,<br />

2013, 10/37:56) us<br />

EDWYN COLLINS<br />

UNDERSTATED<br />

Die Everly Bro<strong>the</strong>rs waren immer beides:<br />

Schmusesänger und Rock’n’Roller. Einem<br />

ruhigen “All I Have To Do Is Dream” (1958,<br />

US #1) gingen Uptempo-Hits wie “Bye Bye<br />

Love” (1957, US #2) und “Wake Up Little<br />

Susie” (1957, US #1) voraus. Gleichwohl<br />

blieben die Brüder Don und Phil im kollektiven<br />

Gedächtnis eher mit ihren zärtlichen<br />

Close-Harmony-Balladen haften, die starken<br />

Einfluss auch auf die Beatles, Simon & Garfunkel<br />

und a-ha ausübten. Von ihrer rockigen<br />

Seite kann man sich nun anhand der Anthologie<br />

THE EVERLY BROTHERS ROCK<br />

überzeugen. In gewohnt guter Bear-Family-<br />

Qualität (hervorragender Klang, informatives<br />

Booklet) versammelt sie neben “Bye Bye<br />

Love” und “Wake Up Little Susie” 28 weitere<br />

Nun ist er aber wirklich<br />

zurück! Als Edwyn<br />

Collins 2010<br />

mit LOSING SLEEP<br />

sein Comeback feierte,<br />

war man in erster<br />

Linie froh, dass<br />

es dem Mann gelungen war, sich nach<br />

zwei Schlaganfällen wieder aufzurappeln.<br />

Ein gutes Album zwar, aber man merkte<br />

ihm doch stark an, dass der Sänger/Songschreiber,<br />

der in den 80ern mit der schottischen<br />

Band Orange Juice Erfolge feierte,<br />

noch etwas geschwächt war. Doch nun,<br />

zwei Jahre später, ist der 53-Jährige mit<br />

seinem achten Solo-Album UNDERSTA-<br />

TED wahrhaft zur Bestform aufgelaufen.<br />

Songs aus den Jahren 1957–62, darunter das Mitmusiker wie Sex-Pis<strong>to</strong>ls-Drummer<br />

knallige “Bird Dog” (1958, US #3) und die<br />

ambitionierte Bing-Crosby-Adaption “Temptation”<br />

(1961). In ihrer Studioband spielten gestandene<br />

Rockabillys wie Chet Atkins (g) und<br />

Floyd Cramer (p). Auch Covers von R&R-<br />

Kollegen sind zu hören, etwa Little Richards<br />

“Lucille” und Gene Vincents “Be-Bop-A-<br />

Lula”. Diese, viel zu zahm, bleiben allerdings<br />

hinter den wilden Originalen zurück. Um kein<br />

falsches Bild der Everlys zu erhalten, bringt<br />

Bear Family zeitgleich THE BALLADS OF<br />

THE EVERLY BROTHERS auf den Markt,<br />

Paul Cook haben ihm geholfen, sein wohl<br />

bestes Werk seit GORGEOUS GEORGE<br />

(1994) und der Erfolgssingle “A Girl<br />

Like You” (UK #4, D #3) zu produzieren.<br />

Mit “Carry On, Carry On” und “Too Bad<br />

(That’s Sad)” gibt es zwei schöne, wunderbar<br />

leichtfüßige Blue-Eyed-Soulnummern,<br />

das beklemmende “Baby Jean” glänzt mit<br />

flirrenden Voodoo-Sounds, und mit den<br />

au<strong>to</strong>biografischen Songs “31 Years” und<br />

“Down The Line” hat Collins zwei seiner<br />

bislang schönsten Balladen geschrieben.<br />

die mit 30 Songs ebenfalls auf die goldenen<br />

Jahre der Everlys von 1957 bis ‘62 fokussiert<br />

– allerdings auf deren ruhige Seite. Neben “All<br />

I Have To Do Is Dream” beinhaltet sie weitere<br />

herzerweichende Popnummern wie “Love<br />

(AED/Rough Trade, 2013, 11/41:16)<br />

1. FUTUROLOGISCHER<br />

CONGRESS<br />

PATCHWORK<br />

frs<br />

Hurts” und “Crying In The Rain” (später von<br />

Nazareth und a-ha gecovert). Der Harmonygesang<br />

der Brüder sorgt heute noch, nach über 50<br />

Jahren, für Gänsehaut. Beide CDs verhalten<br />

sich wie Yin und Yang zueinander und sollten<br />

am besten im Doppelpack erworben werden!<br />

(Bear Family, 2013, 30/65:22 +<br />

Experimentellen elektronischen Pop pflegte<br />

der 1981 gegründete, zeitweise 13-köpfige 1.<br />

Futurologische Congress, bei dem zeitweise<br />

auch FM Einheit (Einstürzende Neubauten)<br />

und Hansi Behrendt (Ideal) mitmischten. Dabei<br />

profitierten die Berliner von der grassierenden<br />

Neuen Deutschen Welle, es gab Vergleiche<br />

30/72:54) frs<br />

mit Spliff oder gar den Talking Heads.<br />

Ab und zu integrierte die Combo um Sänger<br />

MONKEY CUP DRESS<br />

MONKEY CUP DRESS<br />

U.W.A. Heyder auch Funk und Soul, es<br />

groovte bei aller Syn<strong>the</strong>tik durchaus. Die nun<br />

Der betörende Kammerpop dieser beiden<br />

jungen Damen braucht keine große Bühne<br />

um seine Schönheit zu entfalten, ganz in der<br />

langen Poptradition ihrer skandinavischen<br />

Heimat lebt diese Musik vom Kontrast zwischen<br />

kühler Schönheit und warmer Intimität.<br />

Mit Monkey Cup Dress leben Line Felding<br />

(Mitglied der dänischen Folk-Rockband<br />

Cody) und Sidse Holte (begleitet sonst den<br />

Sänger Danjal von den Färöer Inseln) ihren<br />

erstmals vorliegenden, bislang nur als Download<br />

erhältlichen Aufnahmen (CD-Untertitel:<br />

„Studio-Tracks ’83 –’86”) waren als drittes<br />

Album gedacht, über dem sich die Gruppe<br />

zerstritt. Als Bonus gibt es zu den ansonsten<br />

deutsch gesungenen und besprochenen Titeln<br />

drei englischsprachige Tracks. Abwechslungsreich,<br />

eigenwillig, gewöhnungsbedürftig,<br />

nicht jedermanns Geschmack.<br />

(Sireena/Broken Silence, 2013,<br />

Traum aus, Musik frei von Konventionen, 14/53:21) pro


CD<br />

REVIEWS<br />

PRETTY MAIDS<br />

MOTHERLAND<br />

Irgendwie waren die Dänen schon in den<br />

80ern ziemlich geil. Das Melodic-Metal-<br />

Überangebot aus den Staaten gestattete den<br />

Pretty Maids aber nur die berühmten fünf<br />

Minuten des Erfolgs. Beirren ließen sich<br />

die Musiker um die Gründungsmitglieder<br />

Ronnie Atkins (voc) und Ken Hammer (g)<br />

aber nie. So haben wir das Glück, auch anno<br />

2013 mit einem neuen Pretty-Maids-Album<br />

bedacht zu werden. Und MOTHERLAND<br />

ist wie viele Male zuvor eine CD, die randvoll<br />

ist mit eingängigen Melodic-Bangern,<br />

denen man schon nach dem ersten Durchlauf<br />

seine gesamte Sympathie gewährt. Die<br />

Scheibe hat nicht den Hauch von Schwäche<br />

und legt somit die Latte für in diesem<br />

Jahr garantiert noch folgende Veröffentlichungen<br />

aus dem Melodic-Metal-Sek<strong>to</strong>r<br />

verdammt hoch.<br />

(Frontiers/Soulfood, 2013, 13/52:06) jub<br />

WHEELER BROTHERS<br />

PORTRAITS<br />

Relativ neu auf der<br />

Roots-Rock-Landkarte<br />

sind die Wheeler<br />

Bro<strong>the</strong>rs. Zumindest<br />

dann, wenn man<br />

nicht aus Austin,<br />

Texas, stammt, denn<br />

dort gehörten die drei Wheeler-Brüder<br />

Nolan, Tyler und Patrick mit ihren zwei<br />

Freunden Danny Mat<strong>the</strong>ws und A.J. Molyneaux<br />

zu den Abräumern des letztjährigen<br />

SXSW-Festivals, als sie gleich in fünf<br />

Kategorien mit einem Austin <strong>Music</strong> Award<br />

ausgezeichnet wurden. Musikalisch kann<br />

man das Quintett im derzeit so beliebten<br />

Grenzgebiet zwischen Indie-Rock und<br />

Americana einordnen, rockiger als die<br />

Avett Bro<strong>the</strong>rs, geradliniger als My Morning<br />

Jacket, vielschichtiger und bunter als<br />

The Low An<strong>the</strong>m. Denn was letztendlich<br />

zählt – neben allem schmückenden Beiwerk<br />

aus Banjo, Cello, Glockenspiel oder<br />

Akkordeon – sind die Songs, und die sind<br />

den Wheeler Bro<strong>the</strong>rs wirklich hervorragend<br />

gelungen.<br />

(Blue Rose/Soulfood, 2013, 13/53:06) us<br />

ALEXANDER’S TIMELESS<br />

BLOOZBAND<br />

FOR SALE<br />

Prima Idee, diesen Semi-Klassiker endlich<br />

erneut auf CD vorzulegen. Alexander’s<br />

Timeless Bloozband aus San Diego, Kalifornien,<br />

konnte 1968 unter Führung von<br />

Charles Lamont (veröffentlichte 1969 sein<br />

Solo-Album A LEGEND IN HIS OWN<br />

MIND), Carl Lockhart und Larry Marks<br />

nach dem selbst betitelten Debüt 1967 mit<br />

FOR SALE kurzzeitig Ruhm ernten mit<br />

psychedelischem Blues – und mit einem<br />

in Kennerkreisen legendären Super-Cover,<br />

das eine „wonderful sad eyed lady” zeigt.<br />

Der Blues der Gruppe pendelt zwischen gehoben<br />

kraftvoll (“Love So Strong”, “Tight<br />

Rope Walker”) und bläser-swingend (“Horn<br />

Song”). Gehörige Jazzanteile steigern sich<br />

mitunter bis zum Free Jazz (“Life”), die<br />

Gitarre erinnert häufig an Mike Bloomfield,<br />

und der Gesang reicht von normal-garagenrockig<br />

bis wölfisch (“Help Me”). In jedem<br />

Falle klang man unangepasst, widerborstig<br />

und generell wunderbar schräg. Und die<br />

Verwendung der Begriffe „timeless” und<br />

„blooz” ist wohlüberlegt: Der Blues wird<br />

zum „Blooz” verfremdet, und zeitlos ist<br />

die in keine bequeme Schublade passende<br />

Kombination von Garagen-Rock und Jazz<br />

auf jeden Fall. Die stilistisch superambitionierte<br />

Gruppe, die man am besten wohl<br />

als undergroundige Ausgabe der Ides Of<br />

March bezeichnen könnte, hatte innerhalb<br />

ihrer Nische über Jahrzehnte hinweg bis<br />

heute kaum echte Konkurrenz. Auch das<br />

macht sie zu einem kleinen Juwel!<br />

(Kismet/Soulfood, 1968/2013,<br />

11/34:30) hjg<br />

GREAT WHITE<br />

30 YEARS – LIVE FROM THE<br />

SUNSET STRIP<br />

Es ist die alte Streitfrage,<br />

wie „echt”<br />

eine Band noch ist,<br />

wenn eine ihrer tragenden<br />

Stützen nicht<br />

mehr dabei ist. Bei<br />

Great White, die ihr<br />

30-jähriges Bestehen am 22.3.2012 im<br />

Key Club in Los Angeles feierten, gilt dies<br />

für Sänger Jack Russell. Der Konzertmitschnitt<br />

präsentiert erstmals seinen vielseitigen<br />

Nachfolger Terry Ilous live auf CD,<br />

und wie schon auf der 2012er Studioplatte<br />

ELATION kann der frühere XYZ-Frontmann<br />

durchaus überzeugen. Ansonsten<br />

gibt’s Great White, wie man sie kennt und<br />

schätzt: mit straightem Hard Rock, der melodisch<br />

wie zwischendurch auch bluesverwurzelt<br />

daherkommt. Erstaunlich ist schon,<br />

dass kein ELATION-Song dabei ist – aber<br />

immerhin unterscheidet sich das Set von<br />

den zahlreichen bisherigen Livescheiben.<br />

Ordentlich gemacht, aber dennoch bleiben<br />

irgendwie zwiespältige Gefühle ...<br />

(Frontiers/Soulfood, 2013, :11/73:41) pro<br />

JOHNNY MARR<br />

THE MESSENGER<br />

Als Gitarrist von The Smiths stand Johnny<br />

Marr stets im Schatten von Sänger Morrissey.<br />

Gleichwohl war er für den Bandsound<br />

und das Songwriting ungemein wichtig.<br />

Nach dem Combo-Split 1987 war er aufgrund<br />

seiner Gitarrenkünste ein gefragter<br />

Gastmusiker für so unterschiedliche Gruppen<br />

wie die Pretenders, The The, Pet Shop<br />

Boys oder Modest Mouse. 2003 veröffentlichte<br />

er unter dem Namen Johnny Marr<br />

& The Healers sein erstes Solo-Album<br />

BOOMSLANG. Nun, zehn Jahre später,<br />

legt er den grandiosen Nachfolger THE<br />

MESSENGER vor – ein feinziselierter<br />

Ohrenschmaus für alle Fans von gitarrenorientiertem<br />

Indie-Rock und Brit-Pop. Das<br />

Songwriting und die Saitenarbeit bei Songs<br />

wie dem patchworkartigen Titelstück, dem<br />

flockigen “European Me”, dem düsteren<br />

“Say Demesne” oder den vorwärtstreibenden<br />

“The Right Thing Right” und “Generate!<br />

Generate!” sind famos. Man fühlt<br />

sich an die besten Zeiten von The Jam,<br />

Oasis – und freilich den Smiths – erinnert.<br />

(Warner, 2013, 12/48:24)<br />

frs<br />

Rock<br />

DAVID COURTNEY<br />

MIDSUMMER MADNESS /<br />

SHOOTING STAR<br />

Courtney war 1973 in allen Rock-Gazetten,<br />

als er mit Leo Sayer das komplette Solodebüt<br />

des Who-Sängers Roger Daltrey verfasste<br />

– eine Megastimme, kombiniert mit<br />

bestem Songwriter-Talent. Die Einfälle für<br />

Courtneys zweites Solo-Album von 1975,<br />

MIDSUMMER MADNESS, klangen kaum<br />

weniger ideenreich, ausgeführt von Argents<br />

Jim Rodford (b) und Bob Henrit (dr), dem<br />

späteren Kinks-Rhythmusteam, dazu jenem<br />

Phil Kenzie, der das Sax auf Al Stewarts<br />

“Year Of The Cat” spielte. An großartigen<br />

Einspielungen des Argent-Gitarristen John<br />

Verity lag es nicht, dass das Album in den<br />

Archiven verschwand. War es Courtneys<br />

mangelndes Zutrauen an seine Stimme? Sie<br />

ist angenehm, jedoch nicht unverwechselbar.<br />

SHOOTING STAR entstand 1980 in<br />

L.A. und erschien nur in kleiner Auflage,<br />

nachdem Beach Boy Mike Love am liebsten<br />

sämtliche Songs seinen Strandjungs<br />

einverleibt hätte. Hier glänzt neben Courtneys<br />

Stimme & Keyboards Sessiondrummer<br />

Rick Schlosser (Manhattan Transfer,<br />

Art Garfunkel): melodischer Pop-Rock mit<br />

Charakter, dessen Anteil in der Punk/New-<br />

Wave-Ära kleiner wurde, der aber eine<br />

(Wieder-)Entdeckung lohnt.<br />

(Agel Air/Fenn, 1975/1980, 18/78:20) utw<br />

SPOCK’S BEARD<br />

BRIEF NOCTURNES AND<br />

DREAMLESS SLEEP<br />

Seit dem letzten Studio-Album<br />

X (2010)<br />

hat sich einiges getan,<br />

da Sänger/Drummer<br />

Nick D’Virgilio<br />

durch Tourdrummer<br />

Jimmy Keegan und<br />

Enchant-Sänger Ted Leonard ersetzt werden<br />

musste. Gelang Spock’s Beard auf<br />

X die nahezu perfekte Syn<strong>the</strong>se aus dem<br />

Prog-Sound der Neal-Morse-Phase und den<br />

hardrockigeren New-Art-Einflüssen der<br />

Folgewerke, kann die aktuelle Scheibe dieses<br />

hohe Niveau nicht halten. Die Band musiziert<br />

natürlich virtuos, die durchaus gelungene<br />

CD hat viele gute Parts, doch kann<br />

der Vorgänger nicht erreicht werden. Neal<br />

Morse ist bei zwei Stücken komposi<strong>to</strong>risch<br />

beteiligt, was sich durchaus bemerkbar<br />

macht. So folgt mit “Afterthoughts” eine<br />

Fortsetzung des “Thoughts”-Zyklus – natürlich<br />

mit herrlichem a-capella-Chor. Für<br />

Freunde anspruchsvoller Rockmusik ist<br />

Spock’s Beard wie immer ein Tipp!<br />

(InsideOut/EMI, 2013, 7/56:02) rg<br />

DEVON ALLMAN<br />

TURQUOISE<br />

Als essenzielles Mitglied der Royal Sou<strong>the</strong>rn<br />

Bro<strong>the</strong>rhood hat Devon Allman, Sohn<br />

des Allman-Urvaters Gregg, schon deutlich<br />

gemacht, welche Vorteile es hat, mit dem<br />

Musik-Gen auf die Welt gekommen zu sein.<br />

Der knietief im Sou<strong>the</strong>rn Rock verankerte<br />

Junior singt einfach souverän und spielt dazu<br />

eine kraftvolle Gitarre ohne Fehl und Tadel.<br />

Zudem hat er für sein erstes Solo-Album<br />

TURQUOISE, teilweise in Co-Produktion<br />

mit James Zi<strong>to</strong> und Tyler Strokes, ein Bündel<br />

Songs geschrieben, die dem jahrzehntelangen<br />

Niveau der Allman-Familie voll<br />

und ganz entsprechen. Bei der Realisierung<br />

verließ er sich auf die Bro<strong>the</strong>rhood-Kollegen<br />

Myles Weeks (b) und Yonrico Scott (dr) – und<br />

war nicht verlassen. Das Kerntrio weiß sehr<br />

genau, wo der Hammer hängt. Für Spezial-<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 37


CD<br />

REVIEWS<br />

aufgaben standen einige Koryphäen bereit,<br />

so der Sou<strong>the</strong>rn-Halbgott Lu<strong>the</strong>r Dickinson<br />

oder die Sängerin Samantha Fish, mit deren<br />

Duettkraft Devon Allman “S<strong>to</strong>p Draggin’<br />

My Heart Around”, aus Tom Pettys Feder<br />

und die einzige Cover-Version hier, zu einem<br />

Höhepunkt macht. Weitere sind der Eröffner<br />

“When I Left Home”, “Time Machine”<br />

und das ruhige “Yadira’s Lullaby”, ehe das<br />

rundum schöne Album mit dem gleichfalls<br />

trefflichen “Turn Off The World” endet. Allman<br />

bezeichnet seine Musik als „dusty road<br />

driving music” und auch als „tropical getaway<br />

music”. Derlei Definitionen lassen viel<br />

Spielraum für differenzierte Weiterentwicklungen.<br />

Von Devon Allman wird man noch<br />

oft Gutes zu hören bekommen ...<br />

(Ruf/inakustik, 2013, 11/41:56) hjg<br />

VIBRAVOID<br />

DELIRIO DEI SENSI +<br />

THE POLITICS OF ECSTASY<br />

Keine Ki Frage, von welcher Band Vibravoid<br />

id<br />

am stärksten beeinflusst wurden: Pink Floyd,<br />

und zwar die frühe Formation mit Syd Barrett,<br />

standen Pate für den psychedelischen<br />

Rock, dessen Fahne die Düsseldorfer Band<br />

nun schon seit über zehn Jahren in den Wind<br />

hält. Ihr neuestes Werk hat sie an zwei freien<br />

Tagen ihrer Italien-Tour aufgenommen,<br />

so dass nun der Titel DELIRIO DEI SENSI<br />

(Delirium der Sinne) in Italienisch auf dem<br />

Cover prangt. Neben eigenen Stücken haben<br />

sie auch Vorlagen von Serge Gainsbourg<br />

(“Poupée De Cire”), Aphrodite’s Child (“Magic<br />

Mirror”) oder der australischen Underground-Helden<br />

Tyrnaround (“Colour Your<br />

Mind”) im Programm. Wem der Acid-Rock<br />

des neuen Albums nicht genügt, dem sei die<br />

remasterte (und um eine zweite CD ergänzte)<br />

Wiederveröffentlichung ihres 2008er Albums<br />

THE POLITICS OF ECSTASY empfohlen.<br />

In schöner Aufmachung und exzellentem<br />

Vintage-Sound zeigt die Band eindrucksvoll,<br />

dass man auch heute noch mit den psychedelischen<br />

Sounds der Sixties begeistern kann.<br />

(S<strong>to</strong>ned Karma Records/Cargo, 2013,<br />

11/59:58, 2008, 12/56:51, 10/73:56) us<br />

YOUR ARMY<br />

IGNITE<br />

Schnörkellosen Rock, ohne Firlefanz und<br />

mit klassischer R’n’R-Besetzung (Gesang,<br />

Gitarre, Bass, Schlagzeug) vielleicht kann<br />

man es auch Neo-Punk nennen – bieten die<br />

aus Brigh<strong>to</strong>n kommenden Engländer von<br />

Your Army. Aber den machen sie exzellent,<br />

mit dem Ausdruck jugendlicher Energie und<br />

unbändiger Spielfreude. Mitreißend schreit<br />

sich Sängerin Lucy Caffrey die Wut aus dem<br />

Bauch, dass auch der Hörer nicht zur Ruhe<br />

kommt. Lediglich die Ballade “Chase The<br />

World” setzt einen zurückhaltenden Schlusspunkt.<br />

Ansonsten rockt und knallt und fetzt<br />

es, dass es eine wahre Freude ist. Erinnerungen<br />

an US-Gitarrenbands wie The Romantics,<br />

The Shirts und The Knack kommen<br />

auf. Obwohl Your Army bereits seit 2009<br />

aktiv sind, ist IGNITE ihr Debütalbum.<br />

(In<strong>to</strong>no/Rough Trade, 2013, 12/39:50) p<br />

HELIX<br />

BEST OF 1983–2012<br />

Seit 1974 hat die kanadische Band Helix<br />

ihren Hard Rock immer wieder geschickt<br />

dem jeweiligen Zeitgeist angepasst. Was<br />

ihr ein dauerhaftes Bestehen mit genügend<br />

Arbeit bescherte, andererseits – wie<br />

viele Personalwechsel – nicht dazu beitrug,<br />

dass sich die Combo dauerhaft in der Topliga<br />

des melodischen Heavy Rock festsetzen<br />

konnte. Mit der Hymne “Wild In The<br />

Streets” sowie “Rock You” und “Heavy<br />

Metal Love” gelangen ihr in den 80er Jahren<br />

respektable Hits. Zwischen Rock-Pop<br />

(“Gimme, Gimme Good Lovin’”, “Danger<br />

Zone”) und Schmuseballaden (“Deep Cuts<br />

The Knife”), treibenden Stadionrockern<br />

und Bon-Jovi-eskem (“Good To The Last<br />

Drop”) variierten Helix ihren eingängigen<br />

Sound – nachzuhören auf der treffsicher<br />

kompilierten BEST OF. Als Bonus gibt’s<br />

die 2012er Weihnachtsnummer “All I Want<br />

For Christmas”.<br />

(PHD/Soulfood, 2012, 21/77:33) pro<br />

STEVEN WILSON<br />

THE RAVEN THAT REFUSED TO<br />

SING (AND OTHER STORIES)<br />

Das<br />

Remastering<br />

epochaler Klassiker<br />

von King Crimson<br />

oder ELP durch den<br />

Porcupine-Tree-Chef<br />

hat Spuren auf seinem<br />

dritten Solowerk<br />

hinterlassen. Die sechs Songs zwischen<br />

fünf und zwölf Minuten überzeugen<br />

durch abwechslungsreiches Songwriting.<br />

Klassische Prog-Sounds gepaart mit Jazzund<br />

Metaleinflüssen – das Nebeneinander<br />

von zarten Elegien und bombastischen<br />

Soundwänden erinnert immer wieder an<br />

King Crimson – ergeben ein faszinierendes<br />

Album. Theo Travis streut jazzige Saxofon-<br />

und Flötensoli ein, Mike Minnemann<br />

sorgt für druckvolles und raffiniertes Drumming,<br />

mit Guthrie Govan, Adam Holzman<br />

und Nick Beggs sind weitere Virtuosen am<br />

Start, die Technik und Gefühl verbinden<br />

können. Die diesmal gewählte Reduzierung<br />

auf eine CD hat gutgetan, damit liefert<br />

Wilson schon jetzt eines der Prog-Meisterwerke<br />

des Jahres ab!<br />

(Ksope/edel, 2013, 6/54:43)<br />

rg<br />

PANCAKE<br />

NO ILLUSIONS<br />

Pancake aus dem Schwabenländle existierten<br />

zwischen 1974–1981, die Formation war<br />

eine Randerscheinung des Symphonic-Progressive-Rock.<br />

Das Quintett veröffentlichte<br />

drei Studio-Alben, diese wurden in chronologischer<br />

Reihenfolge im Laufe der letzten<br />

Jahre vom Deutschrock-Expertenlabel Garden<br />

Of Delights in akzeptabler Klangqualität<br />

auf CD veröffentlicht. Den Abschluss bildet<br />

das 1979 erschienene NO ILLUSIONS.<br />

Pancake waren von pausenlosen Umbesetzungen<br />

geplagt. Und während man sich<br />

bei den ersten zwei Scheiben stark an ELP<br />

oder Eloy erinnert fühlt, weisen die härteren<br />

Klänge auf NO ILLUSIONS in Richtung<br />

Karthago und vor allem Oc<strong>to</strong>pus. Das liegt<br />

daran, dass bei jener Produktion das erste<br />

und einzige Mal mit Biggi Zmierczak eine<br />

Frau anstatt eines Mannes das Mikro in der<br />

Hand hielt. Ihr Näseln nervt auf Dauer, doch<br />

die Classic Rock-Melodien entwickeln ihren<br />

Reiz. Nur die Bonus-Tracks – rares Studiound<br />

Livematerial – hätten keiner Wiederbelebung<br />

bedurft.<br />

(Garden Of Delights, 1979/2012,<br />

12/61:53) mfg<br />

THE CHOCOLATE<br />

WATCHBAND<br />

REVOLUTIONS REINVENTED<br />

Die<br />

Chocolate<br />

Watchband aus San<br />

José, Kalifornien, gehörte<br />

in den Sixties<br />

zum Kern der westküstlichen<br />

Psyche-<br />

delic-Acid-Garagen-<br />

Punk-Rockszene k und erlangte durch ihre<br />

drei Topalben NO WAY OUT, THE INNER<br />

MYSTIQUE und ONE STEP BEYOND<br />

rasch einen legendären Status, der sie auf<br />

den NUGGETS-Sampler brachte und dafür<br />

sorgte, dass ihre Platten sei<strong>the</strong>r immer wieder<br />

neu aufgelegt wurden. Und das völlig<br />

zu Recht. Denn Dave Aguilar (voc), Dave<br />

„Sean” Tolby (g), Mark Loomis (voc, g),<br />

Bill Flores (b) und Gary Andrijasevich (dr)<br />

schufen mit ihrer Mixtur aus rabaukigem<br />

britischem Rhythm & Blues à la S<strong>to</strong>nes,<br />

Kinks, Pretty Things und Yardbirds sowie<br />

kalifornischem Straßen-Feeling und ungebremster<br />

Experimentierlust einen wundervoll<br />

irren Sound, der zum Aufregendsten<br />

der damaligen Zeit gehörte. Ohne ihre besten<br />

Songs, wie “Let’s Talk About Girls”,<br />

“Don’t Need Your Loving”, “Misty Lane”,<br />

“I Ain’t No Miracle Worker” sowie gehaltvolle<br />

Cover-Versionen (Bob Dylans “It’s<br />

All Over Now, Baby Blue”, Ray Davies’<br />

“I’m Not Like Everybody Else”) wäre der<br />

Rock um einiges ärmer. Trotzdem warf<br />

auch die Watchband 1970 das Handtuch<br />

und erlebte die schon erwähnte zähe Legendenbildung<br />

gewissermaßen im Ruhestand.<br />

Die dann Mitte der 90er Jahre aufflammende<br />

Reunion-Diskussion mündete ab 1999<br />

in neue Konzertaktivitäten, und das Album<br />

GET AWAY, dem 2001 AT THE LOVE-<br />

IN-LIVE folgte. Und nun liegt das extrem<br />

willkommene „endgültige” Comebackalbum<br />

REVOLUTIONS REINVENTED<br />

vor, eingespielt von Aguilar, Flores und<br />

Andrijasevich sowie den neuen Musikern<br />

Alby Cozzetti (g) und Tim Abbott (Multi-<br />

Instrumentalist und zugleich Produzent).<br />

Es enthält eine feine Auswahl der alten<br />

Heldentaten in druck- und eindrucksvollen<br />

Versionen. Natürlich offenbart ein direkter<br />

Vergleich, dass sich die Studio-Sound-<br />

Möglichkeiten etwas in Richtung Feinschliff<br />

verändert haben und die Protagonisten<br />

älter und reifer geworden sind. Aber<br />

an ihrer Garagen-rockigen Spannkraft bestehen<br />

auch 2012 null Zweifel. Pflichtkauf<br />

für alle Watchband-Fans!<br />

(Twenty S<strong>to</strong>ne Blatt/Rough Trade,<br />

2012 13/44:39) hjg<br />

DELTA SPIRIT<br />

DELTA SPIRIT<br />

Aus dem sonnigen Kalifornien kommen<br />

diese fünf jungen Musiker, die zwischenzeitlich<br />

ihre Heimat in Brooklyn, New<br />

York, gefunden haben. Und passend dazu<br />

haben sie auch ihre Musik geändert, starteten<br />

ihre Karriere mit sumpfigem Americana-Folk<br />

und sind jetzt, mit ihrem dritten<br />

Rock<br />

Album, bei vielschichtigem und abwechslungsreichem<br />

Rock’n’Roll gelandet. Doch<br />

keine Angst, wem Delta Spirit bisher gefielen,<br />

der wird auch auf DELTA SPIRIT<br />

genügend altbekannte Zutaten vorfinden.<br />

Dass die Voodoo-Trommeln jetzt in der<br />

Hinterhofgarage erklingen, dass der neue<br />

Gitarrist Will McLaren den Sound um ein<br />

breites Spektrum an rockigen Klängen erweitert,<br />

dass es Sänger Mat<strong>the</strong>w Vasquez<br />

gelingt, den Songs ein raues Livefeeling zu<br />

verpassen: Das alles trägt zu einem starken<br />

Gesamteindruck bei. Und wer sich innerhalb<br />

so kurzer Zeit so nachhaltig verändert,<br />

für den ist die Reise mit diesem Album sicher<br />

noch längst nicht beendet. Mal sehen,<br />

wo sie hinführt ...<br />

(Rounder/Universal, 2013, 11/43:19) us<br />

MOLLY HATCHET<br />

PAYING TRIBUTE<br />

Neuauflage<br />

des<br />

Albums von 2008,<br />

das Molly Hatchet<br />

in bester Spiellaune<br />

und (fast immer)<br />

souveräner<br />

Beherrschung der<br />

ausgesuchten Vorlagen präsentiert. Das erfreulich<br />

weit gespannte Spektrum reicht von<br />

Songs der seelenverwandten Bands ZZ Top<br />

(“Sharp Dressed Man”), Thin Lizzy (“The<br />

Boys Are Back In Town”) und Mountain<br />

(“Mississippi <strong>Queen</strong>”) über blues-rockende<br />

Institutionen wie die Allman Bro<strong>the</strong>rs<br />

(“Dreams I’ll Never See”, “Melissa”) und<br />

George Thorogood (“Bad To The Bone”) bis<br />

hin zu den unvermeidbaren Rolling S<strong>to</strong>nes.<br />

“Tumbling Dice” bieten Molly Hatchet als<br />

Kraftpaket an, wie zu erwarten war. Ihre Version<br />

von “Wild Horses” ist allerdings etwas<br />

zu wenig wild geraten. Weichere Töne kommen<br />

durch die Eagles-Klassiker “Desperado”<br />

und “Tequila Sunrise” ins Spiel. Abgerundet<br />

wird die Sammlung durch drei Livetracks aus<br />

dem bekannten Hatchet-Reper<strong>to</strong>ire. “Whiskey<br />

Man”, “Beatin’ The Odds” und “Flirtin’<br />

With Desaster” bringen keine neuen Erkenntnisse,<br />

stören aber auch nicht.<br />

(Collec<strong>to</strong>rs Dream/Soulfood,<br />

2008/2013, 13/57:41) hjg<br />

VDELLI<br />

NEVER GOING BACK<br />

Wer jahrelang und regelmäßig auf Konzertbühnen<br />

steht und seine Klasse vor<br />

Publikum beweisen muss, merkt ziemlich<br />

schnell, worauf es bei guter Rockmusik<br />

ankommt. Vdelli aus dem australischen<br />

Perth sind das beste Beispiel hierfür. Seit<br />

über zehn Jahren sind sie unterwegs, gehören<br />

mit über 150 Konzerten pro Jahr und<br />

20 Tourneen in Europa zweifellos zu den<br />

fleißigsten Livebands. Auch 2013 besuchen<br />

sie wieder über 30 Städte in Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz, im Gepäck<br />

haben sie mit NEVER GOING BACK ein<br />

nagelneues Album. Eingerahmt von zwei<br />

Akustiknummern geht es dabei ohne langes<br />

Vorgeplänkel ziemlich schnell zur Sache.<br />

Rau, dreckig und voller Energie treiben sie<br />

ihren bluesigen Rock nach vorne, wird Sänger<br />

Michael Vdelli von seinen beiden Mitstreitern<br />

Leigh Miller (b) und Ric Whittle<br />

(dr) zu Höchstleistungen angetrieben. Auch<br />

in der Wahl des Produzenten haben sie alles<br />

richtig gemacht, Kim Goodlet (The Dark-<br />

Seite 38 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


CD<br />

REVIEWS<br />

ness, Coldplay, Arctic Monkeys) sorgt für<br />

brachialen Klang, der aber dennoch genügend<br />

Raum für die eine oder andere Feinheit<br />

lässt.<br />

(Jazzhaus Records/inakustik,<br />

2013, 12/40:30) tk<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

MIXED UP MINDS – OBSCURE<br />

ROCK AND POP FROM THE<br />

BRITISH ISLES 1968–1974<br />

PART FIVE<br />

Obskurität ist keine<br />

Eigenschaft, die bevorzugt<br />

den Erzeugnissen<br />

finanzschwach<br />

rumkrebsender kleiner<br />

Indie-Labels<br />

anhaftet. Von Obskurität<br />

sind idmindestens genauso oft Acts<br />

bedroht, die zwar bei großen Labels unter<br />

Vertrag stehen, aber (nur) Singles veröffentlichen<br />

dürfen, um die sich dann die mit ihren<br />

Stars überlastete Firma nicht auch noch<br />

kümmern kann ... Und so finden sich auf<br />

der neuen Folge der MIXED UP MINDS-<br />

Serie fast nur Interpreten der Majors Polydor,<br />

Pye, EMI, Decca oder Philips. Mit<br />

frühen – oder einzigen – Werken, deren<br />

Rettung vor dem <strong>to</strong>talen Vergessen mehr<br />

als gerechtfertigt ist! Man begegnet dem<br />

Flower-Power-Troubadour Mike Wallace<br />

und seiner Erkenntnis „... <strong>the</strong> best high is a<br />

natural high ...”, seinem überaus talentierten<br />

Kollegen Cliff Augnier (“Good Good”), der<br />

Gruppe The Seychelles, die Brians Pooles<br />

Begleiter nach seinem Ausstieg bei den<br />

Tremeloes waren (“I Will Be There”) und<br />

dem späteren Satiriker und Drehbuchau<strong>to</strong>r<br />

Jonathan Coudrille mit seiner Band Bundle<br />

(“Progressive Underground [Anyway]”).<br />

Ferner dabei: der Thin-Lizzy-Produzent<br />

Nick Tauber mit Ragamuffin (“Fresh As A<br />

Dairy”), Songwriter Richard Kerr, der Hits<br />

für Barry Manilow komponierte, mit Firefly<br />

(“Younger Days”) und die Gruppe Richmond<br />

(“Candy Dora”), deren Steve Hall mit<br />

Starry Eyes And Laughing eine bescheidene<br />

Karriere machte. Sie alle versuchten sich an<br />

Pop, Beat und Rock diverser Spielarten,<br />

mit und ohne Psychedelia-Touch. Geboten<br />

werden mehr als bloße Talentproben, vieles<br />

kann mit den damaligen Charts-Bewohnern<br />

durchaus mithalten.<br />

(Particle/Soulfood, 20/60:49) hjg<br />

ROCKHOUSE HAMBURG<br />

DREAMCATCHER<br />

Ein knackiges, brillant aufgenommenes<br />

Hard-Rock-Mini-Album in bester Hard-<br />

Rock-Tradition: glasklar die Drumsounds<br />

von Claus Graf „Bubi” Reinhold, warme<br />

Gitarrentöne, die beißen, stammen von<br />

„Chucker” Rene Chambalu, sein Solo<br />

auf “Stranger” ist waffenscheinpflichtig.<br />

Die leicht angeraute Stimme von Andreas<br />

Kokott kommt besonders gut auf dem<br />

Midtempo-Slowburner “Dreamcatcher”<br />

zur Geltung, in den Höhen erinnert „Pille”<br />

angenehm an Heeps David Byron, und<br />

alle können sich auf die ausgeschlafenen<br />

Läufe von Jörn „Langer” Rohde verlassen.<br />

“Broken Mind” zitiert gekonnt das Riff von<br />

“Strange Kind Of Woman”, baut aber auf<br />

eigene Melodielinien – die Lyrics zu allen<br />

Cambalu/Kokott-Kompositionen lieferte<br />

kein Geringerer als Pete “White Room”<br />

Brown. Übrigens: Mit der Hochspannungsversion<br />

von “Day Tripper” könnten die vier<br />

Hartgesottenen glatt den Star-Club wiedereröffnen.<br />

„Support your local garage band<br />

Vol. 3”, heißt es auf dem Cover – man sollte<br />

die ersten beiden Folgen gleich mit auschecken.<br />

(MGA <strong>Music</strong>/www.rockhouse-hamburg.de,<br />

2012, 7/ 24:58) utw<br />

THE FLYING BURRITO<br />

BROTHERS<br />

DEVILS IN DISGUISE – 1971<br />

LIVE BROADCAST<br />

Die<br />

Burri<strong>to</strong>s<br />

spielten<br />

dieses<br />

Radiokonzert album<br />

am 22.7.1971 in der<br />

Besetzung<br />

Chris<br />

Hillman,<br />

Bernie<br />

Leadon, Al Perkins,<br />

Michael Clarke und Rick Roberts ein,<br />

auch bekannt als vermutlich zweitbeste<br />

Burri<strong>to</strong>s-Truppe aller Zeiten. Die Richtung<br />

war freilich auch ohne die Gründungsmusiker<br />

Gram Parsons und Sneaky Pete<br />

Kleinow unzweifelhaft: satter, saftiger<br />

Country-Rock der Spitzenklasse, der sich<br />

auf großes instrumentales Können zwischen<br />

rasanter Bluegrass-Twang-Hitze,<br />

butterweichen Steelguitar-Klagen, präzise<br />

kolorierenden Gitarren, robuster, aber<br />

nicht polternder Rhythmusarbeit, markanten<br />

Leadgesang und herrlichste Harmoniestimmen<br />

stützt. Vor allem aber sind<br />

unschlagbare Ohrwurmsongs die Basis,<br />

hier angeboten als Mix aus Liedern der<br />

ersten Burri<strong>to</strong>s-Alben und Tracks, die erst<br />

später auf (Live-)Platten gebannt wurden<br />

bzw. bislang unveröffentlicht waren.<br />

Zur ersten Kategorie zählen Klassiker<br />

wie “Christine’s Tune” “White Line Fever”,<br />

“Tried So Hard” oder “My Uncle”,<br />

zur zweiten Songs wie “Six Days On The<br />

Road”, “Hundred Years From Home”,<br />

“Shenandoah Valley Breakdown”, “Steel<br />

Guitar Rag” und “Wake Up Little Suzie”.<br />

Insgesamt eine schön und abwechslungsreich<br />

kompilierte Sammlung, deren Klangqualität<br />

– im Gegensatz zur musikalischen<br />

Güte – nicht berauschend, aber auch nicht<br />

abtörnend ist. Für echte Burri<strong>to</strong>s-Fans ist<br />

das Album ein Muss.<br />

(Smokin’ Records/Import,<br />

2012, 18/61:13) hjg<br />

JULIAN COPE<br />

SAINT JULIAN<br />

(2 CD EXPANDED EDITION)<br />

Nach der Auflösung von Teardrop Explodes<br />

1983 zog sich deren Frontmann Julian Cope<br />

in die West Midlands zurück. Die beiden<br />

ersten Solo-Alben WORLD SHUT YOUR<br />

MOUTH und FRIED erschienen 1984 erfolglos<br />

bei Mercury Records. So war das<br />

auf Island Records erschienene und jetzt<br />

wiederveröffentlichte Drittwerk SAINT JU-<br />

LIAN fast schon so etwas wie Copes letzte<br />

Chance, und der Plan ging auf: Flankiert von<br />

den eingängigen Singles “World Shut Your<br />

Mouth” und “Trampolene” schrammte das<br />

Album nur knapp an den Top 10 der britischen<br />

LP-Charts vorbei, obgleich die Rezeptur<br />

gar nicht so sehr eine andere gewesen<br />

war als bei den ersten beiden Platten. 80er-<br />

Indie-Pop im Stil von U2 und Simple Minds<br />

traf auf psychedelische Elemente der 60er<br />

Rock<br />

Jahre. Das famose Schlusslied “A Crack<br />

In The Clouds” darf gar als zeitgemäße<br />

Antwort auf The Whos “Love Reign O’er<br />

Me” gelten. Die nun beigepackte zweite CD<br />

besteht aus B-Seiten, Maxi-Versionen und<br />

Live-Aufnahmen, die zur Zeit von SAINT<br />

JULIAN eingespielt und veröffentlicht wurden,<br />

darunter Cover-Versionen von Pere<br />

Ubus “Non Alignment Pact” und 13th Floor<br />

Eleva<strong>to</strong>rs’ “I’ve Got Levitation”, die 1997<br />

allesamt schon mal auf der Compilation<br />

THE FOLLOWERS OF SAINT JULIAN<br />

erschienen sind, damals allerdings mit mehr<br />

Hintergrundinformationen.<br />

(Island Records/Universal 1997,<br />

10/42:10, 14/59:51) an<br />

BLACKMAIL<br />

II<br />

Es gibt Bands, die<br />

lassen einfach nicht<br />

locker. Nach dem<br />

Abgang von Sänger<br />

Aydo Abay durfte<br />

man 2008 skeptisch<br />

sein, ob Blackmail<br />

auch mit einer anderen Stimme funktionieren<br />

würden. Doch mit dem Power-Album<br />

ANIMA NOW! verflüchtigten sich 2011<br />

schnell alle Zweifel, der neue Sänger Mathias<br />

Reetz führte sich erstklassig ein. Mit II<br />

erscheint nun also das zweite Werk in neuer<br />

Besetzung, für das sich die Band um Gitarrist<br />

Kurt Ebelhäuser ungewohnt viel Zeit im Studio<br />

gelassen hat. In drei über das Jahr verteilten<br />

Sessions wurde gemeinsam an den Songs<br />

gearbeitet, geschliffen und gebastelt – eine<br />

Vorgehensweise, die den Blackmail-Sound<br />

noch vielschichtiger, noch abwechslungsreicher<br />

werden ließ. Und trotz aller Reminiszenzen<br />

an 70er-Jahre-Psychedelic-Rock,<br />

trotz gurgelnder Hammond und beatlesesken<br />

Melodien – Lockerlassen gibt’s hier nicht,<br />

am Ende sind es die gewohnt brachialen Gitarrengewitter,<br />

mit denen dieses Album (wieder<br />

einmal) begeistert.<br />

(Unter Schafen/Alive, 2013, 10/37:54) us<br />

THE PLEA<br />

THE DREAMERS STADIUM<br />

Ihre Träume von einer Karriere als Rockstars<br />

entwickelten die vier Musiker von<br />

The Plea im irischen Ballyliffin – und die<br />

beiden Masterminds Denny Doherty (voc,<br />

g, p) und sein Bruder Dermot (g) müssen in<br />

ihrer Jugend viel Simple Minds und U2 gehört<br />

haben. Denn auf ihrem Debütalbum –<br />

eine vor Jahren in den USA eingespielte CD<br />

blieb unveröffentlicht – erinnern sie doch<br />

enorm an diese beiden Vorbilder. Melodienverliebt,<br />

hymnisch, kraftvoll, mit Breitwandsound<br />

kommen The Plea daher, nicken<br />

zwischendurch auch mal in Richtung Oasis.<br />

Das alles gewürzt mit einer Prise Indie-Attitüde<br />

– fertig ist ein durchaus ansprechender<br />

Erstling, bei dem Nummern wie “Oh Ah<br />

Yay” oder “Staggers An<strong>the</strong>m” zum Mitsingen<br />

einladen. Ein guter Anfang ist gemacht,<br />

jetzt muss der flotte Vierer nur noch die eigene<br />

Note stärker herausarbeiten.<br />

(Planet Function/Alive, 2013,<br />

11/54:02) pro<br />

STICK MEN<br />

DEEP<br />

Stick Men, der Name dieses musikalischen<br />

Nebenprojektes, bezieht sich auf ein ziem-<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 39


REVIEWS<br />

CD<br />

REVIEWS<br />

Rock<br />

lich unkonventionelles Musikinstrument.<br />

Sowohl Gitarrist Markus Reuter als auch<br />

Bassist Tony Levin sind bekennende Fans<br />

des Chapman Sticks, grob gesagt einer<br />

Verbindung aus Gitarre und Bass. Wie gut<br />

die beiden dieses Instrument beherrschen,<br />

zeigen sie in den neun größtenteils instrumentalen<br />

Songs, die sie zusammen mit<br />

Schlagzeuger Pat Mastelot<strong>to</strong> geschrieben<br />

und im Laufe des letzten Jahres in mehreren<br />

Sessions eingespielt haben. Natürlich<br />

erinnern diese über weite Strecken<br />

an King Crimson, Levin und Mas<strong>to</strong>let<strong>to</strong><br />

bilden seit 1993 die Rhythmusfraktion<br />

dieser legendären Band, Gitarrist Markus<br />

Reuter ist ein Meisterschüler aus Robert<br />

Fripps Gitarrenschule. Der ungewöhnliche<br />

Klang seiner selbst entwickelten acht- und<br />

zehn-saitigen Gitarren sowie eine Vielzahl<br />

an elektronischen Loops, Samples und<br />

Sound effekten ergänzen diesen außergewöhnlichen<br />

Prog-Rock.<br />

(Unsung/Galileo, 2013, 9/54:17) us<br />

ROBIN TROWER<br />

ROOTS AND BRANCHES<br />

Der 67-Jährige englische<br />

Gitarrist wurde<br />

bekannt durch sein<br />

Mitwirken bei Procol<br />

Harum, wo er den<br />

elegischen<br />

Klassik-<br />

Sound durch sägende<br />

Blues-Rockriffs belebte, bt bevor er 1973 seine<br />

erste Solo-LP veröffentlichte. Bis Anfang<br />

der 80er Jahre war er sehr erfolgreich,<br />

danach musste er kleinere Brötchen backen,<br />

veröffentlichte aber immer wieder Platten,<br />

u.a. mit Jack Bruce. Auf seiner neuen CD<br />

präsentiert Trower Klassiker wie “Hound<br />

Dog”, “The Thrill Is Gone”, “Born Under A<br />

Bad Sign” oder “I Believe To My Soul” in<br />

einem gepflegten blues-rockigen Gewand,<br />

schön unterlegt mit Hammondsounds – leider<br />

nutzt er deren Solomöglichkeiten nicht.<br />

Trowers gefühlvolles Gitarrenspiel steht im<br />

Mittelpunkt und ist über jeden Zweifel erhaben.<br />

Statt auf seine limitierte Stimme zu<br />

vertrauen, hätte er aber besser wie früher<br />

auf profunde Sänger gesetzt. Eine solide<br />

Old-School-Blues-Rockscheibe mit zwei<br />

Harmonika-Gastauftritten von Paul Jones.<br />

(Manha<strong>to</strong>n/Soulfood, 2013,<br />

11/53:35) rg<br />

MARC HOCKLEY<br />

BUILT-IN STORIES<br />

Zarte Pianotupfer scheinen eine Ballade<br />

anzukündigen, aber nein: Sofort geht es<br />

in einen amtlichen Groove für das Chartschmeichelnde<br />

“Everybody Knows”<br />

samt hart rockendem Mittelteil. Nicht die<br />

Dave- Clark-Single, sondern ein starkes<br />

Eigenwerk des jungen West-Londoners,<br />

der neben seinen Tourneen als Robbie-<br />

Double „Robbing Williams” bereits 2003<br />

das Solo-Album OVER TIME vorlegte.<br />

“Sinking Feeling” benutzt ein beatleskes<br />

¾-Taktmus ter und erinnert angenehm an<br />

frühe Squeeze. “If This Ain’t Love” lohnt<br />

schon wegen der Sucht bildenden Bassline,<br />

auf der Hockley sein Liebeslamen<strong>to</strong><br />

ausbreiten kann. Über die Rhythmussektion<br />

nähert man sich auch “Films Of<br />

Yesterday”: Ein entspannt gefegtes Jazzbesen-Pattern<br />

legt die Basis für schöne<br />

Gitarren, klare Klaviereinwürfe und lässt<br />

Hockley und seine Chordamen Kerry Barnard<br />

und Dorie Jackson auf das Innigste<br />

interagieren. Weiterer Anspieltipp eines<br />

Albums ohne Schwächen: “Universal” ist<br />

nicht der Small-Faces-Song, lebt von großem<br />

Gitarren-in-der-Arena-Intro à la “All<br />

Or Nothing”, der originelle Refrain mit<br />

“Whole Lotta Love”-Zitat entwickelt sich<br />

grandios.<br />

(March Productions/www.marchockley.co.uk,<br />

2013, 10/ 39:49) utw<br />

DEEP PURPLE + STATUS<br />

QUO + JETHRO TULL +<br />

THE WHO + THE SHADOWS<br />

LIVE IN CONCERT AT THE<br />

2006 MONTREUX FESTIVAL +<br />

PICTURES + NOTHING IS EASY<br />

+ LIVE AT THE ISLE OF WIGHT<br />

FESTIVAL 1970 + THE FINAL<br />

TOUR<br />

„Sound Vision”<br />

heißt der Untertitel<br />

dieser Serie, für die<br />

berühmte Konzertmitschnitte<br />

verschiedener<br />

Bands – jeweils<br />

als CD/DVD-Digipak – zusammengefasst<br />

wurden. Zum 40. Geburtstag<br />

des Montreux Jazz Festivals kehrten Deep<br />

Purple 2006 an den Genfer See zurück,<br />

dorthin, wo sie im Ok<strong>to</strong>ber 1969 mit MA-<br />

CHINE HEAD eines der legendären Alben<br />

der Rockgeschichte aufgenommen hatten.<br />

Neben Songs aus ihrem damals aktuellen<br />

Album RAPTURE OF THE DEEP hatten<br />

sie ein erstklassiges Best-Of-Programm im<br />

Gepäck, von “Strange Kind Of Woman”<br />

über “Highway Star” bis zu “Smoke On The<br />

Water”. Mit “Hush”, “Too Much Fun” und<br />

“Black Night” enthält die DVD drei Titel<br />

mehr als die CD. Für PICTURES von Status<br />

Quo wurden Aufnahmen aus dem Jahr<br />

2009 verwendet, als die britische Band mit<br />

einem ausführlichen Streifzug durch ihre<br />

lange Karriere in Montreux zu Gast war,<br />

auch hier liefert die DVD einige Titel mehr<br />

als die CD. Weit zurück in die Vergangenheit,<br />

zum legendären Isle Of Wight Festival,<br />

geht es dann mit The Who und Jethro Tull.<br />

Beide Bands traten dort am 30. August 1970<br />

auf, das Konzert der Herren Daltrey, Moon,<br />

Entwistle und Townshend gibt es in voller<br />

Länge auf zwei CDs bzw. einer DVD, vom<br />

Auftritt von Ian Anderson, Martin Barre,<br />

Clive Bunker, Glenn Cornick und John Evan<br />

bietet die DVD neben dem Konzert noch<br />

zusätzliches (Doku-)Material. Aus dem Jahr<br />

2004, als Hank Marvin, Bruce Welch und<br />

Brian Bennett ihre Koffer noch einmal für<br />

THE FINAL TOUR packten, stammen die<br />

Aufnahmen der Shadows. Auf zwei CDs<br />

bzw. einer DVD wird ein <strong>to</strong>lles Instrumental-Programm<br />

mit über 40 Songs präsentiert,<br />

mit unglaublichen 21 (UK-)Top-20-Hits, darunter<br />

fünf Nummer-1-Hits!<br />

(Eagle/edel, 2013)<br />

tk<br />

BOURBON BOYS<br />

SHOTGUNS, TRUCKS & CATTLE<br />

In Rock und Pop hat<br />

man alles schon mal<br />

gehört, gibt es nichts<br />

Neues mehr zu erfinden<br />

– außer die Art<br />

und Weise, wie man<br />

Elemente<br />

diverser<br />

Genres frisch vermengt. Nichts anderes tun<br />

die Bourbon Boys aus dem schwedischen<br />

Nest Haparanda. Das eigentlich vom Industrial<br />

Metal herkommende Quartett hat sich<br />

dabei uramerikanische Musik vorgenommen<br />

und Bestandteile aus dem (Sou<strong>the</strong>rn)<br />

Rock, Country, Rockabilly, Boogie und<br />

Roadhouse-Blues erdig und richtig dreckig<br />

zusammengebaut. Da werden Freude<br />

und Energie spürbar, die die Musiker im<br />

Studio verspürten. Genau das Richtige für<br />

ausgelassene Rockpartys, bei denen auch<br />

der eine oder andere Whiskey fließt – und<br />

das Erstaunliche: Es handelt sich durchweg<br />

um inspirierte Eigenbauten der Schweden,<br />

und es hat sich dabei nicht ein Durchhänger<br />

eingeschlichen. Zugreifen!<br />

(Despotz/Cargo, 2013, 13/43:04) pro<br />

MODDI<br />

SET THE HOUSE ON FIRE<br />

Zwei Jahre nach seinem Debüt FLORIO-<br />

GRAPHY legt der Norweger Pal Moddi<br />

Knutsen das berühmt-schwierige zweite Album<br />

vor. Es ist, mit einem Wort gesagt: gelungen.<br />

Erneut bietet Moddi, der angeblich<br />

„nie vorhatte, eine zweite Platte zu machen”,<br />

was er außergewöhnlich gut kann: die Installation<br />

einer magischen, fast hypnotischen<br />

Stimmung zwischen dahin, gewisperten<br />

Impressionen, federleicht schwebenden Melodien<br />

und relativ wenigen druckvolleren<br />

Sequenzen, die aber noch immer meilenweit<br />

vom normalen Softrock entfernt sind<br />

(“Let The Spider Run Alive”, “The Architect”).<br />

Die skandinavische Einsamkeit, die<br />

zum Grübeln einlädt, findet sich hier ebenso<br />

wieder wie eine rundum wohlige Kaminfeuerstimmung<br />

– korrekt für ein Winteralbum.<br />

Den ersten Song der neuen Kollektion komponierte<br />

Moddi nach eigener Aussage im<br />

Keller seines Studentenwohnheims in einer<br />

Dusche aus Zement „mit einem galaktischen<br />

Sound” (auch mal was Schönes). Das passt<br />

so richtig zum gepflegten Image eines hypersensiblen<br />

„Kienstlers”, der sich seines Status’<br />

als unaufgeregter Geschichtenerzähler voll<br />

bewusst ist. Und der hier nach eigener Einschätzung<br />

ein Album vorlegt, auf dem es „vor<br />

allem darum geht, den Mut zu haben, neue<br />

Wege zu finden”. Bei der Realisierung halfen<br />

Moddi neben seiner uneitel und präzise<br />

aufspielenden Band auch die Gastvokalisten<br />

Kari Kamrud von der Band Farao (“Run To<br />

The Water”) und Einar Stray (“Silhouette”).<br />

(Propeller/Soulfood, 2013, 11/49:06) hjg<br />

SNAKECHARMER<br />

SNAKECHARMER<br />

Nein, da sind nicht – wie so oft – irgendwelche<br />

Veteranen zusammengekommen,<br />

um mit Hilfe der klangvoller Namen früherer<br />

Bands (Whitesnake, Snafu, Ozzy<br />

Osbourne, Heartland, Thunder, Wishbone<br />

Ash, Black Sabbath) auf die Schnelle ein<br />

paar Euro mitzunehmen. Micky Moody<br />

(g), Neil Murray (b), Laurie Wisefield (g),<br />

Adam Wakeman (keys) und Chris Ousey<br />

(voc) haben gemeinsam ein knappes Dutzend<br />

überzeugender Songs verfasst und<br />

aufgenommen, bei denen ihre Vergangenheit<br />

zwar hörbar wird, die aber frisch und<br />

eigenständig klingen. Es ist ein begeisternder<br />

Mix aus Blues- und Melodic Rock/<br />

AOR, der wirklich entsprechend dem Titel<br />

des Openers “A Little Rock’n’Roll” auf<br />

höchst vergnügliche und unterhaltsame<br />

Weise serviert. Für Fans von Bad Company,<br />

Foreigner und der frühen Whitesnake<br />

ein absolutes Muss!<br />

(Frontiers/Soulfood, 2013, 11/55:56) pro<br />

THE FLAMING LIPS<br />

THE TERROR<br />

Als Radiohead mit<br />

“Red Sec<strong>to</strong>r A” den<br />

elektronischen Weg<br />

einschlugen, war das<br />

für viele ihrer Hörer<br />

nur schwer nachvollziehbar,<br />

für die Band<br />

jd jedoch ein schlüssiger, weil bis heute konsequenter<br />

Schritt. Wie müssen sich da Fans<br />

der Flaming Lips fühlen, die über die knapp<br />

30 Jahre ihres Schaffens noch viel konsequentere<br />

Brüche in ihrem Werk aufweisen?<br />

Das neue Album THE TERROR ist keine<br />

Fortsetzung der letzten Aufnahmen, die sich<br />

aufgrund ihrer kompromisslosen Hinführung<br />

zu Space- und Progressive-Rock auch<br />

schon gewaltig von der erfolgreichsten,<br />

weil Mainstream-Phase von 1999 bis 2002<br />

zuvor unterschieden. Auf dem mittlerweile<br />

13. Album treffen ka<strong>the</strong>drale Kopfstimmen<br />

auf rumpelndes Led-Zeppelin-Schlagzeug,<br />

psychedelische Gitarrenschleifen auf<br />

Drum-Computer, programmierten Bass<br />

und repetitiv-depressive Keyboardklänge.<br />

Das ist beim ersten Hören verstörend, für<br />

manchen sicherlich tatsächlich Terror. Spätestens<br />

mit dem vierten Lied, dem 13 Minuten<br />

langen “You Lust”, war der Rezensent<br />

dann jedoch gefangen vom hoffnungslos<br />

depressiven Soundteppich, seitdem läuft<br />

THE TERROR in der Psychoschleife.<br />

(Bella Union/Cooperative <strong>Music</strong>,<br />

2013, 9/55:01) an<br />

TOKYO BLADE<br />

THE FIRST CUT’S THE<br />

DEEPEST<br />

Das englische Heavy-Metal-Quintett,<br />

welches der NWOBHM zugeordnet wurde,<br />

fand 1980 zuerst unter dem Namen Killer<br />

zusammen, nannte sich 1982/83 dann<br />

in Genghis Khan um, bevor man 1983 den<br />

finalen Bandnamen fand, unter dem 1984<br />

das erste vollwertige Album veröffentlicht<br />

wurde. Bis Ende der 80er erschienen regelmäßig<br />

Aufnahmen, auch wenn sich das<br />

Personalkarussell ständig drehte. Danach<br />

wurden die Veröffentlichungen selten, einzige<br />

Original-Bandkonstante blieb Gitarrist<br />

Andy Boul<strong>to</strong>n. Diese Anthology bringt<br />

nun 34 Songs aus den Jahren 1982–1995<br />

zu Gehör. Die Songs gehen meist schnell<br />

ins Ohr, auch wenn den Kompositionen<br />

eine einzigartige Komponente fehlt, was<br />

wohl auch dazu führte, dass die Band niemals<br />

unter den Top-Bands dieses Genres<br />

Seite 40 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


CD<br />

REVIEWS<br />

weilte. Für Heavy-Fans ist die Gruppe<br />

aber durchaus eine Entdeckung<br />

wert, das lesenwerte Booklet erzählt<br />

humorvoll von der wechselvollen<br />

Bandgeschichte.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 2013,<br />

18/77:59, 16/68:14) rg<br />

THE GLASS FAMILY<br />

ELECTRIC BAND<br />

Einziges<br />

Album<br />

(1968) des<br />

leider nur kurzlebigen<br />

kalifornischen<br />

Trios<br />

Glass Family,<br />

bestehend aus<br />

Ralph RlhParrett tt( (voc, g), David Capilou<strong>to</strong><br />

(b, keys) und Garry Green (dr,<br />

perc). Die Gruppe verfügte in Parrett<br />

auch über einen überdurchschnittlichen<br />

Komponisten, der es verstand,<br />

sowohl hübsche Balladen als<br />

auch leicht trippige Pop-Rocksongs<br />

zu schreiben. Einige Lieder gerieten<br />

dabei etwas zu zaghaft, aber “Sometimes<br />

You Wander”, “The Means”,<br />

“Passage # 17” und “Guess I’ll Let<br />

You Go” sind melodische Volltreffer,<br />

wurden mit nicht zu übertrieben<br />

psychedelischen Verzierungen arrangiert<br />

und genügend Druck eingespielt.<br />

Deutlich Acid-geladener<br />

fiel “I Want To See My Baby” aus,<br />

der beste Track hier. Hingegen<br />

bleibt das ambitionierte Instrumental<br />

“Agorn (Elements Of Complex<br />

Variables)” etwas ziellos – und mit<br />

“Born In The U.S.A.” nahmen Glass<br />

Family schon 1969 einen Songtitel<br />

von Boss Springsteen vorweg. Das<br />

Album wurde vom damals schwer<br />

angesagten Richard Podolor (u.a.<br />

Three Dog Night) umsichtig produziert<br />

und jetzt um drei Bonus-Tracks<br />

aufges<strong>to</strong>ckt. Sehr manierliches<br />

Sammlerstück.<br />

(Kismet/Soulfood, 1968,<br />

15/44:12) hjg<br />

MIKA VANDBORG<br />

WALL OF BOOKS<br />

Der dänische Gitarrist, unter anderem<br />

mit der Band The Gnags unterwegs,<br />

hat mit WALL OF BOOKS sein drittes<br />

Solowerk vorgelegt, das von seinem<br />

singend warmen Gitarren<strong>to</strong>n,<br />

Vandborgs sofort einprägsamem Falsettgesang<br />

und ansprechenden Songeinfällen<br />

lebt: Gleich das Titelstück<br />

verbreitet mit Christer Jansson (dr),<br />

Peter Kjøbsted (b) und Mikkel Damgaard<br />

(Hammond) eine träumerisch<br />

intensive Stimmung. Es geht nahtlos<br />

in das ebenfalls Midtempo-gehaltene<br />

“Twelve Keys Of Reprise” über. Bei<br />

“Ocean Boulevard” hatte sich Vandborg<br />

vorgenommen, die entspannte<br />

Stimmung des gleichnamigen, von<br />

ihm geliebten Eric-Clap<strong>to</strong>n-Albums<br />

einzufangen. Dies gelingt in Klang<br />

und Instrumentierung hervorragend,<br />

der Gospel-Soul ist aber 100 Prozent<br />

Vandborg. Der Ohrwurm “Doing<br />

Fine” wird unterlegt vom lockeren<br />

Wyman-Watts-S<strong>to</strong>nes-Funk à la<br />

“Miss You”. “Forever And A Day”<br />

lebt von Morten Lambertsens Streicherarrangement,<br />

und in fünf Songs<br />

fügen sich Posaune, Sax und Flügelhorn<br />

ins Bild, ohne dass die Hauptrolle<br />

von Vandborgs Gitarre geschmälert<br />

wird, mit der er im sensiblen “Blues<br />

For BVS” sein Meisterstück liefert.<br />

(Gateway <strong>Music</strong>/Import, 2013,<br />

9/50:26) utw<br />

WIDOWMAKER<br />

WIDOWMAKER<br />

Was sollte ein<br />

Rock-Riese wie<br />

Spooky Tooths<br />

Lu<strong>the</strong>r Grosvenor<br />

(hier wie<br />

bei Mott The<br />

Hoople<br />

Ariel<br />

Bender genannt) mit Popkönig Steve<br />

Ellis von Love Affair anfangen? Es<br />

war keine Oberklasse garantiert, die<br />

wurde jedoch abgeliefert. Ellis hatte in<br />

seiner gleichnamigen Band mit Zoot<br />

Money Format bewiesen. Begleitet<br />

von Bob Daisley (Chicken Shack,<br />

Mungo Jerry), Lindisfarne-Drummer<br />

Paul Nicholls und Hawkwind-Gitarrist<br />

Huw Lloyd-Lang<strong>to</strong>n, kam heraus:<br />

Männer mit Charisma liefern Songs<br />

mit Charakter. Ex-Small-Faces-Agent<br />

Don Arden hatte seine beste Stimme<br />

seit Marriott, aber sein Jet Records<br />

konnte nicht liefern: Daisleys “Such<br />

A Shame” hätte bei besseren Verkaufszahlen<br />

ein unvergessliches Riff<br />

um die Welt geschickt, Balladen wie<br />

“Pin A Rose On Me” oder “Leave The<br />

Kids Alone” schrien nach Airplay – es<br />

gibt keinen Song auf dem Album, der<br />

nicht rampentauglich ist, von geraden<br />

Rock’n’Rollern wie “On The Road”<br />

und “When I Met You” zu Midtempo-<br />

Krachern, besonders “Shine A Light<br />

On Me” aus dem Spooky-Tooth-<br />

Reper<strong>to</strong>ire. Drei Bonus-Livetitel beweisen:<br />

Diese kurzlebige Combo war<br />

noch lange nicht am Ende.<br />

(Angel Air/Fenn, 1976, 13/53:57) utw<br />

L.A. GUNS<br />

L.A. GUNS + COCKED &<br />

LOADED<br />

Ehe Axl Rose und Izzy Stradlin Guns<br />

‘N Roses starteten, hatten sie mit dem<br />

Gitarristen Tracii Guns zusammengespielt,<br />

der seine eigene Combo L.A.<br />

Guns 1988 mit dem selbst betitelten<br />

Debüt an den Start brachte. Unüberhörbar<br />

vom britischen Glam-Rock<br />

beeinflusst, vermengten sie Hard und<br />

Sleaze-Rock zu einer gehörgängigen<br />

Mischung. Von Sänger Phil Lewis’<br />

früherer Band Girl coverten sie “Hollywood<br />

Teaze”. Dazu entwickelten<br />

sich “Electric Gypsy” und “Sex Action”<br />

zu gefragten Nummern – das<br />

Album schaffte in den USA Gold. Zu<br />

Unrecht wurden sie der Hairspray-<br />

Fraktion zugerechnet, dabei hatten<br />

ihre riff- und melodieschwangeren<br />

Nummern Substanz und Druck. Ähnliches<br />

galt für den Nachfolger CO-<br />

CKED & LOADED, auf dem Ted<br />

Nugent und Rick Nielsen & Robin<br />

Zander (Cheap Trick) mitmischten.<br />

Das UK-Label Rock Candy serviert<br />

Rock<br />

nun beide Alben mit neuem Booklet<br />

und per 24-Bit-Audio-Remastering<br />

klanglich aufgebessert und übertrifft<br />

damit die Mausoleum-Reissues von<br />

2005 klar. COCKED ... enthält mit<br />

“I Wanna Be Your Man” (nicht der<br />

Beatles/S<strong>to</strong>nes-Song!) einen Bonus-<br />

Track.<br />

(Rock Candy/Soulfood, 1988 + 1989,<br />

11/37:08 + 14/54:56) pro<br />

IAN McNABB<br />

HEAD LIKE A ROCK<br />

In den 80ern<br />

wurde<br />

Ian<br />

McNabb<br />

als<br />

Frontmann<br />

von The Icicle<br />

Works bekannt,<br />

seit<br />

den frühen 90ern ist der britische<br />

Sänger und Gitarrist als Solokünstler<br />

unterwegs. Eines seiner besten<br />

Werke war und ist immer noch das<br />

1994 veröffentlichte HEAD LIKE<br />

A ROCK. Der Legende nach wollte<br />

Labelboss Andrew Lauder McNabb<br />

dazu überreden, dieses Album in<br />

Amerika aufzunehmen. Aus Spaß<br />

– und im Wissen, dass dies eigentlich<br />

nicht machbar wäre – verlangte<br />

McNabb Neil Youngs Backingband<br />

Crazy Horse als Studio crew, dann<br />

würde er gehen. Einige Telefonate<br />

später fand sich McNabb tatsächlich<br />

in einem Studio in Los Angeles<br />

wieder – zusammen mit Schlagzeuger<br />

Ralph Molina und Bassist Billy<br />

Talbot! Keine Überraschung, dass<br />

die vier dort gemeinsam entstandenen<br />

Stücke zu den Highlights von<br />

HEAD LIKE A ROCK gehören, wobei<br />

man auch den Rest der Songs,<br />

entstanden unter Mithilfe von<br />

Cracks wie Greg Leisz, Zak Starkey<br />

und Jah Wobble, nicht unterschätzen<br />

darf. Die komplette zweite CD<br />

ist den Bonus-Tracks vorbehalten,<br />

hauptsächlich bestückt mit den Single-B-Seiten.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 1994,<br />

10/66:54, 9/38:45) us<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

DOWN UNDER NUGGETS –<br />

ORIGINAL AUSTRALIAN<br />

ARTYFACTS 1965–1967<br />

Wo NUGGETS draufsteht, sind auch<br />

Nuggets drin. Und da in den Midsixties<br />

auch in Australien reichlich Garagen<br />

standen, die enthusiastischem<br />

Jungvolk als Proberäume für die<br />

große Rockkarriere offenstanden,<br />

schwappte die primär in den USA<br />

geborene Idee des – oft, aber nicht<br />

immer – psychedelisierten Garagenrock<br />

auch auf den fünften Kontinent<br />

über und sorgte für eine Fülle explosiver<br />

Klänge auf hohem Qualitätsniveau.<br />

Der vorliegende Sampler<br />

vereint die ruppigen, walzenden, von<br />

dreckigen Stimmen, schneidigen Gitarren<br />

und heulenden Keyboards dominierten<br />

frühen Taten von etlichen<br />

Bands, die alsbald auch international<br />

– zumindest zeitweilig – durchstarten<br />

oder erhöhte Aufmerksamkeit<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 41


CD<br />

REVIEWS<br />

auf sich ziehen konnten: die Bee Gees,<br />

The Easybeats, The Master’s Apprentices,<br />

The Missing Links, The In-Sect und Steve<br />

And The Board sind zu nennen. Aber<br />

ihnen standen weit unbekanntere, obskure<br />

Acts wie The Elois, The Moods, The Cherokees<br />

oder Phil Jones & The Unknown<br />

Blues mit herrlichen „Eintagsfliegen”<br />

nicht nach. Auffällig ist dabei, dass die<br />

Aussies zwar den gleichen Sound idealen<br />

nacheiferten, aber weder britische noch<br />

amerikanische Hitsongs coverten, sondern<br />

sich mit eigenen Ideen versorgten.<br />

Hier sind nur Originale zu hören, was den<br />

Sammlerwert natürlich klar erhöht. Detailauskünfte<br />

über die Down-Under-Helden<br />

finden sich im vorbildlich gestalteten<br />

20-seitigen Booklet.<br />

(Festival/Import 2012, 29/77:41) hjg<br />

DAVID BOWIE<br />

THE NEXT DAY<br />

Als David Bowies<br />

Plattenlabel am 8.<br />

Januar das erste Album<br />

des britischen<br />

Musikers seit zehn<br />

Jahren ankündigte,<br />

war das Medienecho<br />

groß wie schon lange nicht mehr bei einer<br />

Erscheinung des einstigen Chamäleons<br />

intelligenter Pop-Rockmusik. Im<br />

Gegensatz zu früher blieb der Meister<br />

allerdings ruhig und ließ als geschickten<br />

Schachzug Mitstreiter von THE NEXT<br />

DAY wie Produzent Tony Visconti und<br />

Gitarrist Earl Slick häppchenweise Neues<br />

zum Album ankündigen, was den Hype in<br />

den Medien noch geschürt haben dürfte.<br />

Mit Erscheinen des Albums Anfang März<br />

wird deutlich, dass der Hype gerechtfertigt<br />

ist. Nach durchschnittlichen Werken<br />

wie HOURS, HEATHEN und REALITY<br />

legt Bowie nun nach langer Zeit wieder<br />

ein durchweg hörbares Album vor.<br />

Der eine oder andere Song hat sogar das<br />

Hit-Potenzial vergangener Tage, wie an<br />

der Vorab-Single-Auskopplung “Where<br />

Are We Now” festzustellen war, die an<br />

Bowies Berliner Zeit in den 70er Jahren<br />

erinnert. Viele dürften außerdem begrüßen,<br />

dass der frühere Superstar sich von<br />

den elektronischen Experimenten verabschiedet<br />

hat. Klassisches Songwriting<br />

steht wieder im Vordergrund, opulent<br />

produziert mit mehrstimmigen Gesängen,<br />

Bowie-typischen Bläsersätzen, griffigen<br />

Gitarrenriffs und lange vermissten Melodiebögen.<br />

Ein überraschendes Comeback!<br />

(Columbia/Sony <strong>Music</strong>,<br />

2013, 14/53:09) an<br />

MATTHEW E. WHITE<br />

BIG INNER<br />

Wie schön, dass es Domino Records gibt,<br />

die “Fight The Big Bull”-Mastermind<br />

Mat<strong>the</strong>w E. White die Gelegenheit geben,<br />

mit Hilfe von Bläsern, Streichern<br />

und Chor musikalisch tief in den Vintage-<br />

Sound der frühen 70er Jahre zu tauchen<br />

und eine höchs tens an Spiritualized erinnernde<br />

Mischung aus Country, Funk,<br />

Soul und vor allem Gospel einzuspielen.<br />

Das erinnert zuweilen auch an Sly & The<br />

Family S<strong>to</strong>ne, Al Green, Curtis Mayfield<br />

und Dr. John. Die mit wohlig-warmer<br />

Stimme vorgetragenen Songs ziehen den<br />

Hörer zunehmend mehr in den Bann, bis<br />

er Teil des Chors im letzten, knapp zehn<br />

Minuten langen Gospel “Brazos” wird und<br />

die missionarischen Zeilen „Jesus Christ,<br />

He’s Our Lord, Jesus Christ, He Is Your<br />

Friend” mitschmettert. Eines der besten<br />

Alben des frühen neuen Jahres.<br />

(Domino Records 2013, 7/41:03) an<br />

FRANK MARINO &<br />

MAHOGANY RUSH<br />

REAL LIVE! + FULL CIRCLE<br />

In Kanada ein gefeierter Gitarrenheld, konnte<br />

Marino diesen Status anderswo nur bedingt<br />

einnehmen. Wie sein großes Vorbild<br />

Jimi Hendrix versucht Marino, in seinem<br />

Gitarrenstil Einflüsse aus Rock, Funk, Blues<br />

und Rock zu fusionieren, liebt dabei psychedelische<br />

Sounds und in Konzerten lange<br />

Improvisationen. So nähern sich Songs wie<br />

“Poppy” auf der nach längerer Spielpause<br />

im Jahr 2001 mitgeschnittenen, nun wiederveröffentlichten<br />

Live-Doppel-CD REAL<br />

LIVE!, inklusive vieler Songzitate (u.a.<br />

Doors, Allman Bro<strong>the</strong>rs, Cream, Zombies,<br />

Hendrix) auch mal der Halbenstundegrenze.<br />

Für den Gitarristen mit der rauchigen<br />

Kehle spricht, dass er die Zuhörer auch über<br />

diesen Zeitraum fesseln kann. Dass seine<br />

wahre Leidenschaft dem Live-Auftritt gehört,<br />

merkt man auch dem Reissue seiner<br />

ursprünglich 1986 erschienenen Studio-LP<br />

FULL CIRC LE an. Damals hatte er seinen<br />

kreativen Höhepunkt bereits überschritten<br />

und näherte sich zu stark dem Mainstream<br />

an. Durch die Hinzufügung eines Keyboarders<br />

wurden seine Songs mit 80er-Jahre-<br />

Synthie-Sounds unterlegt, was sie beliebig<br />

machte. Daher ist es symp<strong>to</strong>matisch, dass<br />

der interessanteste Titel der seinerzeit nicht<br />

veröffentlichte Bonus-Track “You Got Me<br />

Runnin’” ist, der durch angejazztes Spiel<br />

aufhorchen lässt. Studio-Highlights wie<br />

STRANGE UNIVERSE harren leider wegen<br />

der komplizierten Rechtslage noch einer<br />

adäquaten Wiederveröffentlichung.<br />

(MiG/Intergroove, 2001, 11/77:58,<br />

21/77:58, + 1986, 10/52:46) rg<br />

VERDEN ALLEN’S SOFT<br />

GROUND<br />

LOVE YOU & LEAVE YOU<br />

Bei ALL THE YOUNG DUDES war er<br />

noch dabei, konnte Mott The Hooples Aufstieg<br />

noch gerade mitnehmen – aber was<br />

macht man, wenn man seine Songs nicht<br />

mehr unterbringen kann? Not a lot. Musiker,<br />

denen sich der Hammondprofi anschloss,<br />

gingen zu den Pretenders. Was zählt: Allen<br />

war beim großen Mott-Klassentreffen im<br />

Hammersmith dabei, und seine heutige Band<br />

Soft Ground hat der 68-Jährige im Griff.<br />

Relevante Register der alten Schweine-Orgel<br />

werden gezogen, die Balance zwischen<br />

Prog-Herrlichkeit und lebendigem Hard<br />

Rock bleibt erhalten, man langweilt sich bei<br />

keinem Song. Einzig bei “Find Yourself”<br />

singt der Bandleader etwas angestrengt beim<br />

Überbringen der Identitäts-Message, ansonsten<br />

hat er Spaß. Mit “Wine Ridden Talks”<br />

und “Son Of The Wise Ones” gelingen Nummern,<br />

die auf ein frühes Mott-Album gepasst<br />

hätten. Fein realisiert ist auch eine gewisse<br />

Spooky-Tooth-Schwere im Titelstück “Soft<br />

Ground”. Jamie Thyer versucht, den Chef<br />

nie auszustechen, setzt jedoch scharfe Akzente<br />

– Rob Hankins (b) und Matt Blakout<br />

(dr) sind bestens eingeloggt.<br />

(Angel Air/Fenn, 2013, 13/56:13) utw<br />

KROKUS<br />

DIRTY DYNAMITE<br />

Natürlich ist nicht zu überhören, dass seit<br />

über 40 Jahren AC/DC mit ihrem Riff-<br />

Rock wichtigste Inspirationsquelle für die<br />

Schweizer Veteranencombo Krokus sind.<br />

Aber sie deswegen als Aussie-Klone abzutun,<br />

griffe zu kurz. Denn DIRTY DYNA-<br />

MITE ist eines der stärksten, kraftvollsten<br />

Alben der Alpenrocker seit langem, und die<br />

stilistische Palette reicht über den AC/DC-<br />

Tellerrand hinaus: “Go Baby Go” ist eine<br />

Verbeugung vor Chuck Berry und Status<br />

Quo, der Beatles-Vorlage “Help” haben sie<br />

eine wahrhaft eigene Handschrift verpasst,<br />

der “Rattlesnake Rumble” würde auch gut<br />

ins ZZ-Top-Set passen, während “Hardrocking<br />

Man” Sou<strong>the</strong>rn-Flair versprüht. Krokus<br />

stehen mehr denn je für knackigen Hard<br />

Rock mit hohem Spaßfak<strong>to</strong>r – der Opener<br />

“Hallelujah Rock’n’Roll” bringt es simpel<br />

wie zutreffend auf den Punkt!<br />

(Sony <strong>Music</strong>, 2013, 12/45:00) pro<br />

FLEETWOOD MAC<br />

RUMOURS<br />

Was soll<br />

man über<br />

RUMOURS<br />

R viel<br />

erzählen? Über 40<br />

Millionen verkaufte<br />

Einheiten<br />

weltweit,<br />

in<br />

den<br />

USA #1,<br />

in<br />

Deutsch-<br />

land #6. Zahlreiche<br />

Single-Auskopplungen<br />

charteten:<br />

“Go Your Own Way” (US #10, D<br />

#11), “Dreams” (US #1, D #33), “Don’t<br />

S<strong>to</strong>p” (US #3, D #41), “You Make Lovin’<br />

Fun” (US #9). In vielen Songs arbeitete die<br />

Band ihre reichlich knisternden internen<br />

Beziehungsprobleme musikalisch sehr eingängig<br />

auf, die von Stevie Nicks, Christine<br />

McVie, Lindsey Buckingham, John McVie<br />

und Mick Fleetwood in verschiedenen Konstellationen<br />

verfasst worden waren. 2004 war<br />

das Jahrhundertwerk schon einmal mit 18<br />

Bonus-Tracks neu aufgelegt worden, jetzt<br />

gibt es zum 35-jährigen Veröffentlichungsjubiläum<br />

eine noch mal hörbar remasterte<br />

Neufassung als 3-CD-Box. Ergänzend zum<br />

damaligen Reissue gibt es einen Livemitschnitt<br />

der „Rumours Tour” von 1977 mit<br />

zwölf unveröffentlichten Songs, die die Bühnenqualitäten<br />

der Band demonstrieren. Der<br />

dritte Silberling bietet weitere Outtakes und<br />

Demos, die 2004 nicht dabei waren. Dazu<br />

erzählen die Beteiligten in den Liner-Notes<br />

von den Aufnahmen. Den immer noch fast<br />

unwiderstehlichen Rock-Pop gibt es neben<br />

der Expanded-Version auch noch als Deluxe<br />

Edition mit einer weiteren CD plus DVD und<br />

Vinyl. Wie brachte es die BBC so treffend auf<br />

den Punkt? „RUMOURS will never die!”<br />

(Rhino/Warner, 1977, 3 CDs) pro<br />

Rock<br />

CRIME & THE CITY<br />

SOLUTIONS<br />

AMERICAN TWILIGHT<br />

Die Band um Simon Bonney, der auch den<br />

frühen Nick Cave beeinflusst hatte, war so<br />

etwas wie eine Supergruppe der Londoner<br />

und später Berliner Independent-Szene der<br />

80er Jahre. Bonney gruppierte Musiker von<br />

Birthday Party, Einstürzenden Neubauten,<br />

DAF und Die Haut um sich, und einer ihrer<br />

Höhepunkte war der Auftritt in Wim<br />

Wenders’ Film „Der Himmel über Berlin”.<br />

1992 war Schluss, nach zwei erfolglosen<br />

Solo-Alben verschwand Bonney für rund 20<br />

Jahre von der Bildfläche, um dann plötzlich<br />

mit Alexander Hacke (Neubauten), David<br />

Eugene Edwards (16 Horsepower, Woven<br />

Hand), Jim White (Dirty Three) und anderen<br />

alte und neue Verbündete um sich zu scharen,<br />

die auf AMERICAN TWILIGHT dort<br />

weitermachen, wo Crime & The City Solution<br />

zwei Dekaden zuvor aufgehört hatten.<br />

Das war eindrucksvoll im Ok<strong>to</strong>ber 2012 im<br />

Berliner C-Club zu bestaunen. Ihre Stärken<br />

spielt die achtköpfige Gruppe in den langen,<br />

getragenen Stücken wie “The Colonel<br />

(Doesn’t Call Anymore)” oder “Domina”<br />

aus, wo Bonney durch die Abwechslung von<br />

laut und leise Raum bekommt, seine Texte<br />

im pa<strong>the</strong>tischen Stile des späten Jim Morrison<br />

zu rezitieren. Es ist zu wünschen, dass es<br />

nicht wieder zu einer so langen Sendepause<br />

kommt. Eine Europa<strong>to</strong>ur ist für Frühling/<br />

Frühsommer angekündigt.<br />

(Mute/Good<strong>to</strong>go, 2013, 8/41:07) an<br />

SAXON<br />

SACRIFICE<br />

SACRIFICE ist das<br />

20. Studio-Album der<br />

einstigen Co-Anführer<br />

der New Wave Of<br />

British Heavy Metal,<br />

und es ist schon erstaunlich,<br />

dass Sänger<br />

Biff Byford und seinen Mitstreitern immer<br />

noch Songs einfallen, die sich neu anhören<br />

und dabei zugleich die Stärken der Band bewahren:<br />

griffige, melodische wie kraftvolle<br />

Gitarrenriffs und -läufe, die von Hintergrundkeyboards<br />

allenfalls dezent angereichert<br />

und der Rhythmusabteilung befeuert werden.<br />

“Stand Up And Fight” fasst das Album<br />

stellvertretend zusammen – es geht durchaus<br />

brachial zur Sache, die Band hat aber auch<br />

durchaus Gespür für Zwischentöne und ruhigere<br />

Momente. Und die fünf Songs der<br />

Bonus-CD, darunter “Crusader” orchestriert<br />

und “Requiem”, “Frozen Rainbow” und “Forever<br />

Free” in Akustikversionen, demonstrieren<br />

die breite Palette, die Saxon im 37. Jahr<br />

der Bandgeschichte drauf haben.<br />

(UDR/EMI, 10/39:30, 5/22:50) pro<br />

CHRIS DARROW<br />

ARTIST PROOF<br />

Als Gründungsmitglied der US-Psycho-<br />

Country-Rockband Kaleidoscope gehört der<br />

Saitenfuchs und ordentliche Sänger Chris<br />

Darrow zum erweiterten Kreis (semi-)legendärer<br />

Musiker mit wenig Kassenresonanz,<br />

die aber von Kollegen regelmäßig hoch bewertet<br />

werden. Gemessen am Kaleidoscope-<br />

Ruhm und seinen folgenden großen Taten<br />

bei der Nitty Gritty Dirt Band ist Darrows<br />

Solokarriere leider unspektakulär verlaufen,<br />

kommerziell mehr oder weniger versandet.<br />

Seite 42 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


CD<br />

REVIEWS<br />

Das ändert nichts an der musikalischen<br />

Klasse seines 1978er Albums AR-<br />

TIST PROOF. Das edle Werk bietet<br />

eine Kollektion properer Songs aus<br />

eigener Werkstatt, die eine perfekte<br />

Syn<strong>the</strong>se aus Nashvilles Country-<br />

Errungenschaften und westküstlicher<br />

Pop-Leichtfüßigkeit eingehen. Die<br />

Grundstimmung ist smooth & mellow,<br />

be<strong>to</strong>nt entspannt, aber nie einschläfernd.<br />

Belanglosigkeiten finden sich<br />

hier nicht. Vor allem Freunde komplexer<br />

Saitenarbeit kommen voll auf ihre<br />

Kosten, denn Darrow spielt akustische<br />

und elektrische Gitarre, Mandoline,<br />

Fiddle, Dobro und Steelguitar gleichermaßen<br />

gut und steuert zudem Marimba-,<br />

Kalimba- und Triangel-Töne bei.<br />

Als beste Begleitmusiker empfehlen<br />

sich Ed Black (g), Loren Newkirk<br />

(keys), Arnie Moore (b) und Mickey<br />

McGee (dr) sowie einige punktuelle<br />

Helfer und Background-Vokalisten.<br />

Beste Songs: “Lovers Sleep Abed Tonight”,<br />

“Cocaine Lil” und “Alliga<strong>to</strong>r<br />

Man”. Fünf Bonus-Tracks.<br />

(Drag City/Rough Trade, 2012,<br />

17/46:28) hjg<br />

BLIND GUARDIAN<br />

A TRAVELER’S GUIDE TO<br />

SPACE AND TIME<br />

Himmlisch! Diese 15-CD-Box dürfte<br />

für den Heavy-Metal-Anhänger im Allgemeinen<br />

und den Blind-Guardian-Fan<br />

im Speziellen wie ein in Erfüllung gegangener<br />

Traum erscheinen. Zum ersten<br />

Mal gibt es das Gesamtschaffen der<br />

deutschen Bombast-Metaller nicht nur<br />

auf einen Schlag, sondern in einer überarbeiteten<br />

Klangversion. Zwar achteten<br />

Blind Guardian seit jeher akribisch auf<br />

einen perfekten Sound, allerdings sind<br />

die meisten Alben der Krefelder derart<br />

orchestral angelegt, dass sie vermutlich<br />

auch ein drittes oder viertes Mal<br />

im Bearbeitungslabor Raum für Veränderungen<br />

bieten würden. Und die<br />

noch etwas blauäugig eingehobelten<br />

Speed-Metal-Scheiben BATTALIONS<br />

OF FEAR (1988) und FOLLOW THE<br />

BLIND (1989) konnten eine Klangverbesserung<br />

sowieso gebrauchen.<br />

Blind Guardian, deren Schaffen stark<br />

von <strong>Queen</strong> beeinflusst wurde, kreirten<br />

über die Jahre Klangwelten, die sich<br />

vom Rest der deutschen Metalszene<br />

deutlich unterscheiden. Songs des<br />

Quartetts haben nur selten das typische<br />

Strophe-Refrain-Muster. Meist legen<br />

die Musiker derart viel Kreativität in<br />

ein Stück, wie es Genrekollegen für ein<br />

ganzes Album für ausreichend halten.<br />

Das ufert manchmal aus, führt zu überbordenden<br />

Mini-Sinfonien, denen man<br />

nur schwer folgen kann (NIGHTFALL<br />

IN MIDDLE-EARTH, 1998). Und in<br />

einer Anwandlung von übersteigertem<br />

Selbstbewusstsein nannten Blind Guardian<br />

ihre Veröffentlichung von 2002<br />

gar A NIGHT AT THE OPERA, genau<br />

wie das 75er Erfolgsalbum von <strong>Queen</strong>.<br />

Sänger Hansi Kürsch sagte jüngst in<br />

einem Interview, dass die Arbeit an der<br />

Box dazu geführt habe, dass sich die<br />

Band wieder stärker mit ihren geradlinigen<br />

Wurzeln auseinandergesetzt habe<br />

und dort viel Inspiration entdeckte.<br />

Die CDs der Box enthalten zahlreiche<br />

Bonus-Tracks, Silberling Nummer 15<br />

ist gar eine reine Sammlung seltenen<br />

und unveröffentlichten Materials. Mit<br />

einem nummerierten Kunstdruck,<br />

einem Beglei<strong>the</strong>ft und einem gravierten<br />

Gitarrenplektrum wartet die Schachtel<br />

mit ein paar netten Zugaben auf.<br />

(EMI, 2013, 15 CDs)<br />

jub<br />

THE KYTEMAN<br />

ORCHESTRA<br />

THE KYTEMAN<br />

ORCHESTRA<br />

Ist das Neo-<br />

Klassik? Avantgarde?<br />

Dafür ist<br />

es viel zu einladend,<br />

was der<br />

holländische<br />

Komponist,<br />

Flügelhornist lh und Keyboarder Colin<br />

Benders mit seinem vielköpfigen Ensemble<br />

hier bietet. Wie eine monumentale<br />

Filmmusik treiben Orchester<br />

und Vokalisten seine Kompositionen<br />

durch opulente Bläser-, dezente Perkussions-Landschaften,<br />

Streicher-<br />

Breitseiten, Godley & Creme-hafte<br />

Rockopernangriffe, alles 1:1 genießbar.<br />

Hier wurde nicht der Fehler vieler<br />

Multitrack-Aufnahmen gemacht,<br />

zahlreiche Overdubs zu setzen, um<br />

eine Komposition interessanter zu<br />

gestalten. Doch gibt es auch keinen<br />

Leerlauf – Melodien fließen organisch.<br />

Anforderungen an die stilistische<br />

Offenheit des Hörers steigern<br />

sich allmählich. Eine Art sinfonischen<br />

Jazz-Rap stellt etwa “Truth Or Dare”<br />

dar, bei dem ein Streichquintett zu<br />

Niels Broos’ Rhodes E-Piano passt;<br />

der Walzertrip “The Mushroom<br />

Cloud” klingt wie orchestrierte Crash<br />

Test Dummies. Ein üppiger Stil- und<br />

Soundrausch.<br />

(Ky<strong>to</strong>pia/Rough Trade, 2013,<br />

13/61:53) utw<br />

DAVE EDMUNDS<br />

SUBTLE AS A FLYING<br />

MALLET<br />

Subtil wie ein Holzhammer? Es war<br />

wohl seine Selbstironie, die Dave Edmunds<br />

1975 bei der Wahl des Titels<br />

für seine zweite Solo-LP inspirierte.<br />

Denn es war keineswegs rustikal, wie<br />

er sich Vorlagen der Everly Bro<strong>the</strong>rs<br />

(“When I Will Loved”), Chuck<br />

Berrys (“Let It Rock”, “No Money<br />

Down”), Klassiker wie “Da Doo Ron<br />

Ron”, “Shot Of Rhythm And Blues”,<br />

Kreationen von Ray Charles, Phil<br />

Spec<strong>to</strong>r, Nick Lowe oder Leiber/S<strong>to</strong>ller<br />

vornahm und mit viel Liebe zum<br />

Rock<br />

Detail neu interpretierte und zu Edmunds-Nummern<br />

umfunktionierte.<br />

Dabei saß er in den Sätteln Pop, R&B<br />

oder Country gleichermaßen sicher.<br />

Anders als die 2006er Neuauflage<br />

(zwei Zusatznummern) ist diese Wiederveröffentlichung<br />

(neben starkem<br />

Booklet) mit acht Bonus-Tracks<br />

angereichert. Die meisten stammen<br />

vom „Stardust”-Soundtrack, dazu<br />

gibt es zwei Single-B-Seiten.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 1975,<br />

20/60:36) pro<br />

FREE FALL<br />

POWER & VOLUME<br />

Keine<br />

Frage,<br />

dieses<br />

Album<br />

stellt sein Licht<br />

nicht unter den<br />

Scheffel, schon<br />

im Titel PO-<br />

WER & VO-<br />

LUME werden die Dinge beim Namen<br />

genannt, um die es dieser Band<br />

aus Schweden geht. Mit roher Kraft<br />

powern Free Fall ihre Songs nach<br />

vorne, lassen keine Verschnaufpause<br />

zu, und je lauter man sich das Ganze<br />

zu Gemüte führt, umso besser klingt<br />

dieser herrliche Retro-Hard-Rock.<br />

Gitarrist Mattias Bärjed war zuvor<br />

bei The Soundtrack Of Our Lives für<br />

die Riff-Gewitter zuständig, Ludwig<br />

Dahlberg saß bei The International<br />

Noise Conspiracy hinter der Schießbude,<br />

Sänger Kim Fransson scheint<br />

in direkter Linie sowohl von Bon<br />

Scott als auch von Motörheads Lemmy<br />

abzustammen, komplettiert wird<br />

das Quartett von Bassist Jan Martens.<br />

Unter dem Strich ein Album, das man<br />

nicht sofort ins Herz schließt, das<br />

man sich – nicht zuletzt wegen des<br />

vermeintlich dünnen Sounds – erst<br />

warm hören muss. Doch je weiter<br />

man die Regler nach rechts dreht, des<strong>to</strong><br />

besser wird es!<br />

(Nuclear Blast/Warner, 2013,<br />

10/45:58) tk<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

NUGGETS – ANTIPODEAN<br />

INTERPOLATIONS OF THE<br />

FIRST PSYCHEDELIC ERA<br />

Ein Jubiläum ist dazu da, gefeiert<br />

zu werden – 40 Jahre NUGGETS!<br />

Der renommierte Journalist David<br />

Fricke („Rolling S<strong>to</strong>ne”) und Lenny<br />

Kaye, „Mr. Nuggets” persönlich,<br />

steuerten die Liner-Notes zur vorliegenden<br />

Sammlung besonderer<br />

Art bei. Präsentiert werden 18 junge<br />

australische Psycho-Rockbands, die<br />

das Original-Doppelalbum in leicht<br />

abgespeckter Songreihenfolge<br />

nachspielen und so den damaligen<br />

Bewusstseinserweiterungs-Sound<br />

beschwören, ohne in die Imitationsfalle<br />

zu tappen. Kein Act unternimmt<br />

den – sinnlosen – Versuch,<br />

stur genauso zu klingen wie die<br />

Pioniere. Dem uneingeschränkten<br />

Vergnügen, den reanimierten NUG-<br />

GETS-Trip erneut zu erleben, tut<br />

das keinen Abbruch. Natürlich können<br />

nicht alle Youngster die gleiche<br />

Ab sofort im Fachhandel,<br />

bei jpc.de oder amazon.de<br />

Deluxe Edition INAK 2013 DLCD<br />

CD INAK 9119 CD<br />

Jeff Healey<br />

As The Years Go Passing By<br />

Live in Germany 1989 - 1995 - 2000<br />

Bisher unveröffentlichte Aufnahmen<br />

3 Konzerte auf 3 CDs<br />

DELUXE EDITION*: 3 Konzerte auf 3 CDs + 2 DVDs<br />

*Inklusive Booklet mit ausführlichen<br />

Hintergrundinformationen und seltenem Bildmaterial.<br />

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musik@in-akustik.de<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 43


CD<br />

REVIEWS<br />

revolutionäre Magie entfalten wie damals<br />

die Electric Prunes, 13th Floor Eleva<strong>to</strong>rs,<br />

Leaves, Standells oder Chocolate Watchband.<br />

Aber die größten der hier aufspielenden<br />

Talente, wie Velocirap<strong>to</strong>r, The<br />

Laurels, Pond, Davey Lane, Baptism Of<br />

Uzi oder The Murlocs haben durchaus<br />

präzise Vorstellungen, wie die Psycho-<br />

Glocken in den sprichwörtlichen Garagen<br />

heute zu läuten haben. Und auch die übrigen<br />

Bands machen sich keiner Schandtaten<br />

schuldig, gehen mit pfiffigen – und<br />

manchmal verblüffenden – Einfällen ihren<br />

eigenen Weg. Sehr zur Nachahmung<br />

empfohlen!<br />

(Rhino/Import, 2012, 18/60:35) hjg<br />

VELVET UNDERGROUND<br />

SQUEEZE<br />

Die frühen Seventies<br />

waren personell<br />

keine gute Zeit für<br />

Velvet Underground.<br />

Nach und nach verabschiedeten<br />

sich<br />

Sterling<br />

Morrison,<br />

Lou Reed und Maureen Tucker von ihrer<br />

Band und überließen dem Multi-Instrumentalisten<br />

Doug Yule, der schon Mitte 1968<br />

für John Cale gekommen war, das Feld.<br />

Yule heuerte seinen Bruder Billy (dr), Walter<br />

Powers (b) und Willie „Loco” Alexander<br />

(g) an, alles durchaus fähige Musiker,<br />

die mit Können und Engagement zu Werke<br />

gingen. Im Vergleich mit den „Bananen-<br />

Velvets” waren die „Yule-Velvets” freilich<br />

eine Gruppe von Schafen im Wolfspelz.<br />

Auch sorgte der neue Chef – aus naheliegenden<br />

karrieretechnischen Gründen – dafür,<br />

dass der Name Velvet Underground<br />

weiter Bestand hatte, obwohl es musikalisch<br />

doch eher in Richtung Harmlosigkeit<br />

ging, was dieses in England unter Mithilfe<br />

von Deep-Purples Schlagzeuger Ian Paice<br />

eingespielte Album bestens dokumentiert.<br />

SQUEEZE enthält elf von Doug Yule komponierte<br />

Songs, die sich widerstandslos unter<br />

dem Begriff „freundlicher Pop-Rock”<br />

einsortieren lassen. Einige, wie “Dopey<br />

Joe”, “She’ll Make You Cry”, “Friends”<br />

und “Send No Letter”, sind sogar richtig<br />

gut, die übrigen zumindest passabel. Wäre<br />

die Scheibe unter anderem Gruppennamen<br />

oder als Yule-Solo-Album veröffentlicht<br />

worden, ginge der Daumen zweifellos<br />

nach oben. Man kann SQUEEZE reuelos<br />

hören, man darf die Scheibe nur nicht mit<br />

Lou Reeds Meisterwerken vergleichen, das<br />

wäre einfach unfair.<br />

(Kismet/Soulfood, 1973/2012,<br />

11/33:51) hjg<br />

BUCKCHERRY<br />

CONFESSIONS<br />

Mit dem Thema Todsünden und den eigenen<br />

Problemen in der Jugend befassen<br />

sich die kalifornischen Power-Rocker<br />

Buckcherry auf ihrem siebten Album seit<br />

der Gründung durch Sänger Josh Todd und<br />

Gitarrist Keith Nelson. Man kann es als<br />

Orientierungslosigkeit oder Interesse an<br />

musikalischer Vielfalt deuten, wie sich die<br />

Band bemüht, Stadion-Rock, Grunge- und<br />

Punkandeutungen und sogar AOR unter<br />

einen Hut zu bringen. Was ihr meist mehr,<br />

gelegentlich weniger (Schmalz!) gelingt,<br />

insgesamt beschert CONFESSIONS nach<br />

den letzten beiden schwachen Alben eine<br />

wahrnehmungswürdige Rückkehr auf die<br />

vorderen Mittelfeldplätze in der internationalen<br />

Hard-Rockarena. Und das sowohl<br />

mit einigen fetten Partyhymnen wie auch<br />

ein paar nachdenklicheren Nummern,<br />

selbst wenn Balladen nicht unbedingt eine<br />

Stärke von Buckcherry sind.<br />

(Eleven Seven <strong>Music</strong>/EMI, 2013,<br />

13/48:12) pro<br />

LOU REED + YES + R.E.M.<br />

+ 10,000 MANIACS +<br />

SUGAR RAY + RATT +<br />

BLACK OAK ARKANSAS<br />

ORIGINAL ALBUM SERIES<br />

Das Konzept der<br />

ORIGINAL ALBUM<br />

SERIES ist bekannt,<br />

die Künstler und Alben<br />

wechseln sich<br />

ab. Jeweils fünf Originalalben<br />

– einzeln<br />

verpackt wie eine verkleinerte LP – werden<br />

in einem Pappschuber zusammengefasst,<br />

Booklets oder zusätzliche Liner-Notes<br />

Fehlanzeige, dafür stimmt das Preis/Leistungs-Verhältnis.<br />

Die ORIGINAL ALBUM<br />

SERIES von Lou Reed beginnt 1989 mit<br />

dem überragenden NEW YORK, führt<br />

über die starken SONGS FOR DRELLA<br />

(die Hommage an Andy Warhol, entstanden<br />

zusammen mit John Cale) und MAGIC<br />

AND LOSS bis zu den eher verzichtbaren<br />

SET THE TWILIGHT REELING (1996)<br />

und ECSTASY (2000). Die (Album-)Reise<br />

durch einen Karriere-Abschnitt von Yes<br />

beginnt 1977 mit GOING FOR THE ONE,<br />

geht über TORMATO (1978), DRAMA<br />

(1980) und 90125 (1983) bis zu BIG GE-<br />

NERATOR ins Jahr 1987. Zahlreiche Besetzungswechsel<br />

prägten diese Zeit, dementsprechend<br />

wechselvoll – je nachdem, ob<br />

man mehr dem Pop oder progressiver Rockmusik<br />

zugewandt ist – dann auch die musikalische<br />

Qualität. Wenig zu diskutieren gibt<br />

es in dieser Hinsicht bei R.E.M., hier wurden<br />

die letzten fünf Studio-Alben zusammengefasst,<br />

bis auf ACCELERATE (2008,<br />

#2) <strong>to</strong>ppten UP (1998), REVEAL (2001),<br />

AROUND THE SUN (2004) und COL-<br />

LAPSE INTO NOW (2011) die deutschen<br />

Charts. Auch die Auswahl der fünf Alben<br />

der amerikanischen Indie-Folk-Rockband<br />

10.000 Maniacs mit ihrer charismatischen<br />

Sängerin Natalie Merchant ist über jede Kritik<br />

erhaben. Von THE WISHING CHAIR<br />

(1985) geht es in direkter Abfolge bis zu<br />

MTV UNPLUGGED (1993), deckt damit<br />

den erfolgreichsten Abschnitt der Karriere<br />

der 10,000 Maniacs ab. Ebenso verhält es<br />

sich bei den US-College-Rockern von Sugar<br />

Ray und den Glam-Heavy-Metalboys<br />

von Ratt, deren erste fünf – und damit auch<br />

ihre besten – Alben jetzt jeweils gemeinsam<br />

zu haben sind. Auf das 1968er Debüt hat<br />

man bei der ORIGINAL ALBUM SERIES<br />

der Sou<strong>the</strong>rn Rocker Black Oak Arkansas<br />

verzichtet, es beginnt also mit der selbst<br />

betitelten LP aus dem Jahr 1971, führt über<br />

die beiden ein Jahr später veröffentlichten<br />

KEEP THE FAITH und IF AN ANGEL ...<br />

bis zu HIGH ON THE HOG (1973) und<br />

STREET PARTY (1974). Besonders der<br />

letztgenannte Fünferpack könnte zur interessanten<br />

Neu- oder Wiederentdeckung<br />

für so manchen Musikfreund werden, der<br />

Gitarren-dominierte Rock dieser vielköpfigen<br />

Band aus Arkansas mit der kratzigen<br />

Stimme von Jim „Dandy” Mangrum ist bis<br />

heute sträflich unterbewertet.<br />

(Rhino/Warner, 2013, 7x5 CDs) us<br />

FABIAN HARLOFF<br />

NU ABER!<br />

Man kennt den<br />

43-jährigen<br />

Hamburger<br />

als „Ta<strong>to</strong>rt”-,<br />

„Stubbe”- und „Rosa<br />

Roth”-Schauspieler,<br />

„TKKG”-Stimme<br />

und „Bob den Baumeister”.<br />

it ”Sät Spätestens t seit seiner Mitwirkung<br />

im <strong>Music</strong>al „Buddy” (1998–2001) ist klar,<br />

dass er auch als versierter Rocker mit Stimme,<br />

Gitarre und Bass sticht. Beweis: sein<br />

Album NU ABER! Singles nahm er schon<br />

zehn Jahre vor „Buddy” auf. “Liebeslieder”<br />

verbindet Dutzende Romantiktitel von<br />

“Marmor Stein” zu “Major Tom” zu neuem<br />

Text. Dass ihm eigene Lovesongs gelingen,<br />

beweist Harloff mit “Halbes Herz” oder<br />

“Ich fang Dich auf”. “Was wäre wenn” und<br />

“Meine Welt” leben von knackiger Gitarrenarbeit<br />

Milan Polaks. Im Studio standen<br />

dem einfallsreichen Alltags texter außerdem<br />

Pascal und Julien Kravetz sowie Geoff<br />

Peacey zur Verfügung. “Aso TV” rechnet<br />

mit heutigem Primitiv-Fernsehen ab, ist<br />

aber bei gutem Riff textlich zu plakativ.<br />

Amüsant jedoch die selbstironische Botschaft<br />

„Wenn ich ein Mädchen wär, würd’<br />

ich mich in mich verlieben.”<br />

(Hypertension/Soulfood, 2013,<br />

13/44:53) utw<br />

KONTIKI SUITE<br />

ON SUNSET LAKE<br />

„Lob der Provinz”: Ein solches Prädikat<br />

gilt oft Musikern aus Regionen fernab von<br />

L.A., Berlin oder Greater London. Kontiki<br />

Suite kommen vom Lake District; dass<br />

sie sich hörbar den Sixties zwischen Byrds<br />

und Buffalo Springfield widmen, macht<br />

umso neugieriger. Der Fokus liegt auf den<br />

singenden Gitarristen-Brüdern Jonny und<br />

Ben Singh – wobei es Produzent Jonny ist,<br />

der den Kontikis mit Lapsteel-Guitar das<br />

bestechende Klangmerkmal verschafft,<br />

während Benjamin die meisten Songs<br />

schreibt. “Down By The Lake” hat mit<br />

ansteckender Fröhlichkeit Radio-Potenzial.<br />

“See You In The Morning (Elwood’s<br />

Theme)” ist nicht einem Blues Bro<strong>the</strong>r,<br />

sondern Jonny Singhs Junior gewidmet.<br />

Der Song lebt von organischen Rhythmuswechseln<br />

und “Itchycoo-Park”-haftem<br />

Phrasing. Überhaupt macht die Band gern<br />

in Sixties-Manier vom Mellotron Gebrauch,<br />

Cello und Violine kommen ebenfalls<br />

zum Einsatz. Immer wieder glänzen<br />

die High Harmonies, Refrains feinster<br />

Qualität, deren Eingängigkeit über die<br />

Single “Magic Carpet Ride” (warum ein<br />

Titelklau, wenn nicht gecovert wird?) bis<br />

zum Finale “The Painter” gehalten wird.<br />

(Size Records/Import, 2012, 13/49:32) utw<br />

CHRIS STAMEY<br />

LOVESICK BLUES<br />

Auf das Comeback der dB’s folgt ein neues<br />

Solo-Album des Kreativlings Chris Stamey,<br />

sein erstes seit immerhin acht Jahren.<br />

LOVESICK BLUES weist ihn als einen<br />

Rock<br />

King des edlen Pop-Rock aus, dessen Kompositionen<br />

inzwischen die Zeitlos-Marke<br />

erreicht haben. Das Album startet mit zwei<br />

hübschen Aufwärmern, dann folgt die volle<br />

Ladung Pop-Rock mit Top-Songs wie “Astronomy”,<br />

“Anyway” und dem Titeltrack.<br />

Doch damit nicht genug: “I Wrote This<br />

Song For You” und “Wintertime” warten<br />

mit einem klug erhöhten Folkanteil auf; bei<br />

“The Room Above The Books<strong>to</strong>re” und “If<br />

Memory Serves” schleichen sich Barockund<br />

Beatles-Einflüsse ein, und “Occasional<br />

Shivers” ist eine behutsame Ballade ohne<br />

jeden Schnickschnack. Der Klasse der<br />

Songs entspricht glücklicherweise auch ihre<br />

Realisierung. Stamey singt entspannt und<br />

spannend zugleich, eingebettet in die von<br />

den stilsicheren Begleitmusikern Jeff Crawford,<br />

Mitch Easter, Tony Stiglitz und Logan<br />

Ma<strong>the</strong>ny besorgten Wohlklänge aus Saitenund<br />

Keyboardtönen, Bass und Schlagzeug<br />

sowie Streichern, Bläsern und Chören, in<br />

denen sich auch Prominente wie Michael<br />

Stipe und Caitlin Cary tummeln. Auch dank<br />

großartig erdachter Arrangements, die den<br />

Liedern genug Luft zum Atmen lassen, ist<br />

LOVESICK BLUES ein Meisterwerk des<br />

Jahrgangs 2013.<br />

(Yep Roc/Cargo 2013, 11/49:27) hjg<br />

BARCLAY JAMES<br />

HARVEST<br />

EYES OF THE UNIVERSE +<br />

TURN OF THE TIDE<br />

Diese zwei hochwertig gestalteten Wiederveröffentlichungen<br />

zeigen die britische Band<br />

Barclay James Harvest auf dem Weg vom<br />

gemäßigten Prog-Rock zu hymnischem Pop.<br />

1979 erschien EYES OF THE UNIVERSE,<br />

das erste Album, nachdem Keyboarder Wolly<br />

Wolstenholme die Band verlassen hatte.<br />

Ohne ihn verzichteten John Lees, Mel<br />

Pritchard und Les Holroyd auf ausufernde<br />

Instrumentalpassagen, konzentrierten sich<br />

dafür auf kompaktes, Radio-taugliches Material,<br />

bestes Beispiel hierfür ist die in ganz<br />

Europa erfolgreiche Single “Love On The<br />

Line”. Diesen Trend setzte TURN OF THE<br />

TIDE dann 1981 fort, auch hier waren es<br />

Songs wie das hymnische “Life Is For Living”,<br />

die den „neuen” Sound von Barclay<br />

James Harvest prägten. Als Bonus-Tracks<br />

gibt es zwei bzw. vier Singleversionen; neu<br />

gestaltete Booklets mit Texten, Bands<strong>to</strong>ry,<br />

Bildern und Produktionsinfos sind vorbildlich,<br />

lassen in dieser Hinsicht keine Wünsche<br />

offen.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 1979, 12/57:29,<br />

1981, 12/56:20) us<br />

THE SHEEPDOGS<br />

THE SHEEPDOGS<br />

Wie Pilze schießen diese Bands seit einiger<br />

Zeit aus dem nordamerikanischen<br />

Boden, angeführt von den Fleet Foxes über<br />

die Alabama Shakes bis zu den Sheepdogs<br />

aus Kanada. Mit drei Junos (= kanadischer<br />

Grammy) für „Group Of The Year”, „Single<br />

Of The Year” und „Rock Album Of<br />

The Year” wurden sie dort zu einer der<br />

Seite 44 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


CD<br />

REVIEWS<br />

erfolgreichsten Bands des letzten Jahres,<br />

kein Wunder, dass sie es jetzt mit THE<br />

SHEEPDOGS auch international wissen<br />

wollen. Black-Keys-Drummer Patrick Carney<br />

packte als Produzent viel von der rohen<br />

Energie, die ihn bekanntermaßen mit seiner<br />

eigenen Musik auszeichnet, in den urwüchsigen<br />

Sound dieses jungen Quartetts. Angeführt<br />

von Frontmann und Songwriter Ewan<br />

Currie, atmet seine Musik den Geist der frühen<br />

70er Jahre, verbindet klassischen Rock<br />

mit Soul, Blues und einer Prise kanadischer<br />

Hemdsärmeligkeit. Klingt also wie eine<br />

runderneuerte Ausgabe jener kanadischamerikanischen<br />

Band, die vor ungefähr 45<br />

Jahren als Begleit-„Band” eines gewissen<br />

Bob Dylan für Aufsehen sorgte ...<br />

(Atlantic/Warner, 2013, 14/14:12) tk<br />

RORY STORM AND THE<br />

HURRICANES<br />

LIVE AT THE JIVE HIVE MARCH<br />

1960<br />

Hat es einen Sinn, 53<br />

Jahre nach ihrer Entstehung<br />

Liveklängen<br />

einer Beatband<br />

zuzuhören? Sicher<br />

nicht in jedem Falle,<br />

in diesem aber<br />

schon. Zwei Gründe sprechen nachhaltig<br />

dafür: Erstens gibt es kaum Studio-<br />

Tondokumente der Gruppe; im Original<br />

heute unbeschaffbare Singles und einige<br />

rare Sampler-Beiträge sind alles. Zweitens<br />

waren die Hurricanes um den durchaus<br />

charismatischen Sänger Rory S<strong>to</strong>rm<br />

(*7.1.1938) und die Zupfer Johnny Guitar<br />

(John Byrne, Rhythmusgitarre) und<br />

Ty Brian (Charles O’Brien, Leadgitarre)<br />

eine verdammt gute Band, die im heimatlichen<br />

Liverpool zu den Lokalmatadoren<br />

gehörte und auch in Hamburg reüssieren<br />

konnte. Sie spielten ein stilistisch breites<br />

Spektrum an guten Cover-Versionen von<br />

“What’d I Say” (Ray Charles) über “Since<br />

You Broke My Heart” (Everly Bro<strong>the</strong>rs)<br />

bis “Honey Don’t” (Carl Perkins) und<br />

“Somethin’ Else” (Eddie Cochran). Doch<br />

der internationale Durchbruch gelang ihnen<br />

nicht. Endgültig vorbei war es mit den<br />

Ruhmesaussichten für Rory S<strong>to</strong>rm, als im<br />

August 1962 die Hurricanes ihren Schlagzeuger<br />

an die Beatles verloren. Sein Name:<br />

Ringo Starr ... Der glücklose Rory S<strong>to</strong>rm<br />

starb am 27. September 1972, vermutlich<br />

an einer Tablettenüberdosis. Zuvor brach<br />

schon 1967 Ty Brian während eines Konzerts<br />

zusammen und starb kurz darauf, nur<br />

26 Jahre alt. Der nun vorliegende Livemitschnitt<br />

kommt klanglich über akzeptable<br />

Bootlegqualität nicht hinaus, ist aber ein<br />

schönes, lebhaftes Beat-Dokument und<br />

deshalb Sammlern zu empfehlen.<br />

(Rockstar Records/Rough Trade,<br />

2012, 21/58;50) hjg<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

FOUR FLAT TIRES ON A MUDDY<br />

ROAD + PRIDE OF THE SOUTH<br />

Zwei neue Tribute-Alben aus der Bluesecke<br />

widmen sich zwei Bands, deren tiefe Spuren<br />

aus der Rockszene schon lange nicht<br />

mehr wegzudenken sind. FOUR FLAT TI-<br />

RES ON A MUDDY ROAD ist der „Little<br />

‘ol Band <strong>from</strong> Texas”, ZZ Top, gewidmet.<br />

Walter Trout (“Gimme All Your Lovin’”),<br />

Rock<br />

Molly Hatchet (“Sharp Dressed Man”),<br />

Black Oak Arkansas (“La Grange”) oder<br />

Mick Moody & Lea Hart (“Tush”) reichern<br />

den staubtrockenen Wüsten-Rock von Billy<br />

Gibbons & Co. mit reichlich Blues- und<br />

Slidegefühl an. PRIDE OF THE SOUTH<br />

liefert, keine Frage bei diesem Titel, die<br />

Songs von Lynyrd Skynyrd. Hier stellen<br />

die Outlaws (“Sweet Home Alabama”),<br />

Canned Heat (“That Smell”), Great White<br />

(“Saturday Night Special”) oder Molly Hatchet<br />

zusammen mit Charlie Daniels (“Free<br />

Bird”) ihre Cover-Versionen vor, ebenso<br />

wie frühere (Ed King, Artimus Pyle) und<br />

aktuelle Mitglieder (Rickey Medlocke) von<br />

Lynyrd Skynyrd der Sou<strong>the</strong>rn-Rockband<br />

die Ehre erweisen. Natürlich dürfen hier<br />

keine musikalischen Neuinterpretationen<br />

erwartet werden, hier steht – deutlich hörbar<br />

– der Spaß im Vordergrund!<br />

(Rokarola Records/H’Art, 2013, 16/59:35<br />

+ 13/64:24) tk<br />

JOHNNY THUNDERS &<br />

THE HEARTBREAKERS<br />

L.A.M.F.<br />

Vor 35 Jahren notierte<br />

der englische<br />

Musik journalist Kris<br />

Needs im führenden<br />

Punk/New-Wave-<br />

Magazin<br />

„Zigzag”:<br />

„I used <strong>to</strong> think, The<br />

New York Dolls were <strong>the</strong> greatest rock<br />

band ever ... until The Heartbreakers came<br />

along ...” So absolut haben die Kauflustigen<br />

das damals nicht gesehen, aber hohe<br />

Aufmerksamkeit konnte die Gruppe der<br />

ehemaligen Dolls Johnny Thunders (g,<br />

voc) und Jerry Nolan (dr) durchaus einheimsen.<br />

Zusammen mit Walter Lure (g,<br />

voc) und Billy Rath (b) machten Johnny<br />

& Jerry eine in Richtung Punk weiterentwickelte<br />

Dolls-Musik ohne Bi-Sex-Image.<br />

Angesagt war pur-harter Rock mit ganz<br />

fantastischem Schlagzeug, dichten, orkanartigen<br />

Gitarren und schön verdrecktem<br />

Gesang. Sehr laut gehört, bläst das Album<br />

einem heute noch die Gehörgänge weg.<br />

Der Sound passte haargenau zum Zeitgeist<br />

der Endsiebziger-Jahre und bot bei aller<br />

Konzentration auf Härtegrade melodisch<br />

durchweg starke Songs und eine Fülle von<br />

sorgfältigen Details. Die Heartbreakers<br />

spielten keine komplizierte Musik, aber<br />

eine sehr differenzierte, was sie eindeutig<br />

zur Top-Band machte. Das galt auch<br />

textlich. Songs wie “Born To Loose”, “It’s<br />

Not Enough”, “Pirate Love” und vor allem<br />

“Chinese Rocks” warten gewiss nicht mit<br />

Kindergarten-Lyrik oder Herz-Schmerz-<br />

Gesäusel auf, dafür aber mit bitterbösen,<br />

wutentbrannten, manchmal <strong>to</strong>dessehnsüchtigen<br />

Botschaften – natürlich eine<br />

Folge des Naschens an mörderischen Substanzen;<br />

nicht umsonst gehörten Thunders<br />

und seine Kumpels zu New Yorks prominentesten<br />

Junkies. Leider blieb L.A.M.F.<br />

(New Yorker Straßen-Slang für „Like a<br />

mo<strong>the</strong>r fucker”) das einzige Album der<br />

Heartbreakers. Im Laufe der Zeit ist der<br />

Rang des Werkes stetig gestiegen; längst<br />

hat es Kultstatus erlangt. Der wird durch<br />

die vorliegende 4-CD-Box bestätigt und<br />

gesteigert. CD 1 enthält die LOST ‘77<br />

Mixes, bestehend aus den zwölf Songs des<br />

Originalalbums plus zwei Bonus-Tracks.<br />

Hans Edler<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Songs <strong>from</strong><br />

Auf 4 CDs!<br />

<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 45


CD<br />

REVIEWS<br />

CD 2 bringt das Album in der klanglich<br />

(nicht gerade himmelstürmend) verbesserten<br />

Version von 1984, die nötig wurde,<br />

weil niemand mit dem Urmix der 77er-LP<br />

zufrieden war. CD 3 enthält DEMO SES-<br />

SIONS, teilweise noch mit Richard Hell,<br />

dem Bassisten der Band-Gründertage. Auf<br />

CD 4 ist eine Kollektion von ALTERNA-<br />

TIVE MIXES versammelt. Für Fans alles<br />

höchst hörenswerter S<strong>to</strong>ff! Fürs Lesen<br />

liegt ein 44-seitiges Booklet bei.<br />

(Jungle Rec./Rough Trade, 2012,<br />

12/33:48, 14/40:01, 13/40:25,<br />

21/62:19) hjg<br />

PAUL RAYMOND PROJECT<br />

TERMS & CONDITIONS APPLY<br />

Im<br />

Rampenlicht<br />

steht Paul Raymond<br />

als<br />

Gitarrist/Keyboarder<br />

von UFO,<br />

doch seit über 20<br />

Jahren ist er daneben,<br />

von der Öffentlichkeit<br />

it weitgehend unbemerkt, solo aktiv.<br />

TERMS & CONDITIONS APPLY ist sein<br />

sechstes Album und bietet unprätentiösen,<br />

handgemachten Classic Rock. Der Opener<br />

“Born & Raised On Rock’n’Roll”<br />

sagt alles und gibt die Richtung vor. Die<br />

Powerballade “We Will Be Strong” rundet<br />

den Spannungsbogen ab, der durch die<br />

Cream-mäßig angelegte Cover-Version<br />

von “If You Gotta Make A Fool Of Somebody”<br />

(James Ray, Freddie & The Dreamers)<br />

sowie die Übernahme des Mo<strong>to</strong>wn-<br />

Klassikers “Reach Out (I’ll Be There)”<br />

gelungene Überraschungen bereithält. Und<br />

dann wären da auch noch die Gastspiele<br />

von Michael Schenker und Reuben Archer<br />

(Stampede). Braucht eigentlich niemand,<br />

und trotzdem kann man die Scheibe nur<br />

empfehlen.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 2013,<br />

14/57/14) pro<br />

YELLOW SUNSHINE<br />

EXPLOSION<br />

YELLOW SUNSHINE<br />

EXPLOSION<br />

Neo-Psychedelic setzte die 1981 in Dortmund<br />

gegründete Combo Yellow Sunshine<br />

Explosion dem damals im Ruhrpott schwer<br />

angesagten Metal als Kontrastprogramm<br />

gegenüber. 1987 veröffentlichten Bert<br />

Schlexer (voc, b), Paul Hardley Langley<br />

(harp, fl, perc), Thomas Hopf (dr, tablas)<br />

und Georg Schulte (g) ihr einziges, selbst<br />

betiteltes Album, das damals wohl am<br />

ehesten bekiffte Späthippies angesprochen<br />

haben dürfte. Anleihen bei den frühen Pink<br />

Floyd (“Ballad Of Dan”), häufige indische<br />

Stimmungen, wie sie Gast Gerd Neumann<br />

per Sitar “Take It Acid Is” verlieh, Sixties-<br />

Beat inspirationen, all das floss damals ein<br />

und klang in den späten 80er Jahren (und<br />

auch heute) irgendwie fremd, um nicht zu<br />

sagen deplatziert. Auch wenn die LP jetzt<br />

erstmals auf CD erhältlich ist, dürfte der<br />

Liebhaberkreis beschränkt bleiben.<br />

(Sireena/Broken Silence, 1987,<br />

10/44:55) pro<br />

THE GODS<br />

GENESIS + TO SAMUEL A SON<br />

Viele Personalwechsel prägten das Schaffen<br />

von The Gods zwischen 1965 bis<br />

1969: Mick Taylor, Greg Lake, Paul New<strong>to</strong>n,<br />

Cliff Bennett, Brian Glascock, Alan<br />

Shacklock mischten zeitweise mit. Es war<br />

allerdings die Hammondorgel Ken Hensleys,<br />

die das Debüt GENESIS 1968 dominant<br />

prägte, das dieser mit seinem späteren<br />

Uriah-Heep-Kollegen Lee Kerslake (dr),<br />

John Glascock (b, voc; Jethro Tull) und<br />

Joe Konas (g, voc) einspielte. Hensley/<br />

Konas lieferten die meisten der schwer<br />

psychedelischen, andeutungsweise Progrockigen<br />

Nummern, die zudem reichlich<br />

damals gängige Pop-Elemente aufwiesen.<br />

GENESIS gibt es nun sowohl im originalen<br />

Stereo- wie im Monomix sowie mit<br />

vier Songs der beiden damaligen Columbia-Singles,<br />

darunter die Beatles-Cover-<br />

Version “Hey Bulldog” als Bonus-Tracks<br />

(wie schon beim Reper<strong>to</strong>ire-Reissue). Und<br />

der Sound wurde nun hörbar nachgebessert!<br />

TO SAMUEL A SON erschien ein<br />

Jahr später posthum, schloss nahtlos an,<br />

fiel aber leichtgewichtiger und dennoch<br />

abwechslungsreicher aus (zwei Bonus-<br />

Tracks).<br />

(Esoteric/Rough Trade, 1968 + 1969,<br />

14/48:44, 10/37:12 + 16/51:09) pro<br />

LITTLE DEVILS<br />

DIAMONDS & POISON<br />

Blues-Rock auf frischen<br />

Pfaden – mit<br />

der<br />

Leadsängerin<br />

und Flötistin Yoka<br />

(The Dutch Diva)<br />

und der singenden<br />

Saxofonistin<br />

Vivienne<br />

Soan sind mal glasklare, mal flehende<br />

oder kreischende Stimmen an Bord der<br />

jungen britischen Band, die sich entschieden<br />

hat, im Booklet keinerlei Angaben<br />

zu Song-Au<strong>to</strong>renschaft, Aufnahme-Ort<br />

(Deptford), Besetzung und Gastmusikern<br />

zu machen – die Flächen unter den anonymen<br />

Fo<strong>to</strong>s bleiben schwarz. Die Musik<br />

jedoch: 1A. Alle Facetten ihres Genres<br />

werden ausgelotet – neben Boogie-Rhythmen<br />

(“Same Old Brand New Good News<br />

Blues ... Again”) und knackigen Bläsersätzen<br />

zeigt “21st Century Blues” beherzte<br />

Gitarrenarbeit. “Black Diamond” beleuchtet<br />

zu dunklen Sounds, wie der Großvater<br />

des Little-Devils-Bassisten Graeme Wheatley<br />

ein Bergwerksunglück in County Durham<br />

überlebte – perfekt für eine Blues-<br />

Ver<strong>to</strong>nung. “Orphans In The S<strong>to</strong>rm” als<br />

Late-Night-12-Bar-Blues wird Zweifler<br />

überzeugen.<br />

(LittleDevil<strong>Music</strong>, 2012, 11/49:17) utw<br />

JIMI HENDRIX<br />

PEOPLE, HELL AND ANGELS<br />

In Internet-Foren wird bereits lebhaft debattiert,<br />

welche Aufnahmen auf dem neuen<br />

Hendrix-Album PEOPLE, HELL AND<br />

ANGELS tatsächlich bislang unveröffentlicht<br />

waren. Die Plattenfirma behauptet:<br />

alle zwölf. Doch Titel wie “Hear My Train<br />

A Comin’”, “Izabella”, “Crash Landing”<br />

oder “Bleeding Heart” kommen einem,<br />

zumindest dem Namen nach, sehr vertraut<br />

vor. Wie auch immer: PEOPLE, HELL<br />

AND ANGELS ist eine großartige, vor<br />

allem auch klanglich überzeugende Zusammenstellung<br />

(Produzent: der für Meilensteine<br />

wie ELECTRIC LADYLAND<br />

zuständige Eddie Kramer). Die Songs sind<br />

allesamt in Hendrix’ letzter Lebensphase<br />

entstanden, als er die Experience bereits<br />

aufgelöst hatte und mit seinen neuen Formationen,<br />

dem Trio Band Of Gypsys und<br />

dem Sextett Gypsy Sun & Rainbows, neue<br />

Wege bestritt. Mit den beiden schwarzen<br />

Musikern Billy Cox (b) und Buddy Miles<br />

(dr) bzw. mit Larry Lee an der Rhythmusgitarre<br />

und zwei Perkussionisten im Rücken<br />

präsentierte sich Hendrix ungleich<br />

funkiger, souliger, ja mitunter jazzig. Zu<br />

den Höhepunkten gehören eine druckvolle,<br />

elektrifizierte Version des Blues “Hear My<br />

Train A Comin’”, die Soul-Kollaboration<br />

“Let Me Love You” mit dem Sänger/<br />

Saxofonisten Lonnie Youngblood sowie<br />

das durch Woods<strong>to</strong>ck bekannt gewordene<br />

“Iza bella”, bei dem man in der nun bestens<br />

abgemischten Studiofassung auch Lees<br />

differenziertes Begleitspiel hören kann.<br />

(Legacy/Sony <strong>Music</strong>, 2013, 12/52:50) frs<br />

VAN HALEN<br />

THE STUDIO ALBUMS<br />

1978–1984<br />

Mit sechs LPs, veröffentlicht<br />

zwischen<br />

1978 und 1984, gelangten<br />

Van Halen<br />

zu Weltruhm. Wa-<br />

rum, das zeigt die<br />

nun<br />

veröffentlichte<br />

Sammelbox THE STUDIO ALBUMS<br />

1978–1984, in der man diese sechs CDs als<br />

Mini-LP-Replicas zusammengefasst hat.<br />

Als Ende der 70er Punk-Rock und erste<br />

New-Wave-Bands die Musikfans mit neuen<br />

Klängen versorgten, gab keiner mehr einen<br />

Pfifferling auf den guten alten Heavy Metal.<br />

Doch als die Brüder Eddie (g) und Alex<br />

(dr) Van Halen dann 1978 zusammen mit<br />

Michael Anthony (b) und David Lee Roth<br />

(voc) ihr Debüt VAN HALEN vorlegten,<br />

kam alles ganz anders. Irre Gitarrenläufe<br />

(“Runnin’ With The Devil”), kompromissloser<br />

Blues-Rock (“Ain’t Talkin’ Bout<br />

Love”), das größenwahnsinnige Cover einer<br />

Kinks-Nummer (“You Really Got Me”)<br />

– dieses Album war so aus der Zeit, dass<br />

es bis heute unsterblich ist. Klar ritten sie<br />

diese (Erfolgs-)Welle auch auf dem Nachfolger<br />

VAN HALEN II, beste Party-Mucke,<br />

die trotz Vollgas auch immer Platz für ein<br />

ironisches Augenzwinkern lässt. Auf dieses<br />

verzichteten sie beim 1980er WOMAN<br />

AND CHILDREN FIRST, einen Tick härter<br />

und ernster gingen sie dabei zur Sache, das<br />

ein Jahr später veröffentlichte FAIR WAR-<br />

NING ging diesen Weg konsequent weiter.<br />

“Where Have All The Good Times Gone”,<br />

fragten sie dann frei nach Ray Davies zu<br />

Beginn von DIVER DOWN, ließen neben<br />

eigenen Stücken, bei denen Sänger Roth<br />

zu früher Macho-Form auflief, ihre Klasse<br />

auch bei Songs wie Roy Orbisons “Pretty<br />

Woman” oder dem Mo<strong>to</strong>wn-Klassiker<br />

“Dancing In The Streets” aufblitzen. Den<br />

(vorläufigen) Schwanengesang – David Lee<br />

Roth verließ kurz darauf wegen seiner Solokarriere<br />

Van Halen – lieferte dann das Album<br />

1984, das einerseits mit seinem grandiosen<br />

Hit “Jump” endgültig den Sprung zum<br />

großen Publikum schaffte, andererseits aber<br />

mit Stücken wie “Panama” und “Hot For<br />

Teacher” immer noch den kompromisslosen<br />

Heavy-Metal-Geist des Debüts in sich trug.<br />

(Rhino/Warner, 2013, 6 CDs) tk<br />

Rock<br />

JACCO GARDNER<br />

CABINET OF CURIOSITIES<br />

Reinkarnation – es gibt sie doch. Die Kampagne<br />

„Ist Jacco Gardner Syd Barrett?”<br />

startet genau hier. Wäre der “See Emily<br />

Play”-Floyd-Frontmann bei Verstand und<br />

länger im Studio und am Leben geblieben.<br />

Er hätte sich angehört wie dieser niederländische<br />

24-jährige Multi-Instrumentalist aus<br />

Zwaag, der momentan die Amerikaner auf<br />

Tournee gewinnt. Gardner setzt auf Mellotron,<br />

Harpsichord und Querflöte, als schrieb<br />

man das Jahr 1967, spielte im Studio auch<br />

noch alle Gitarren und den Bass ein. Am<br />

Schlagzeug fühlt sich Jos van Tol ein – live<br />

helfen ihm außerdem Keez Groenteman<br />

(g) und Jasper Verhulst (b). Mal verträumt<br />

wie in “The One Eyed King”, dann mit<br />

entschiedener Rhythmusbasis wie in “Puppets<br />

Dangling”, scheinen die Melodien<br />

nur so aus Gardner herauszufließen – alles<br />

kurzweilig ohne jede Zap-Gefahr gehalten.<br />

Sollte jemand den Small-Faces-Studio-Einflüsterer<br />

Billy Nicholls hier hören, ein größeres<br />

Kompliment könnte es kaum geben.<br />

Die konsequenteste Psychedelicplatte seit<br />

ODESSEY & ORAC LE von den Zombies.<br />

(Trouble In Mind/Cargo,<br />

2013, 12/41:40) utw<br />

DIVING FOR SUNKEN<br />

TREASURE<br />

MOTHERFUCKER JAZZ BAR<br />

Hat da jemand Santiano<br />

meets Motörhead<br />

gerufen? Ina<br />

Müllers Shantychor<br />

auf Acid mit Chris<br />

Isaak? Tatsache ist:<br />

Die Berliner mit<br />

dem langen Namen setzen Twang-Gitarren<br />

neben das Punkbrett, zerren an den gutturalen<br />

Regionen ihrer Stimmbänder und<br />

schaffen es, ihren Melodienreichtum mit<br />

völliger Ausgelassenheit zu kombinieren.<br />

“Revolver” ist nah am Punk, wonach stetiges<br />

Brett dem Hörer viel abverlangt; man<br />

hätte sich öfter eine luftige Verschnaufpause<br />

wie das folkige “S<strong>to</strong>rmy Sea” mit seiner<br />

Fiddle- und Banjoherrlichkeit gewünscht.<br />

Songnamen wie “City Of Orgies” und<br />

“Self-Made Rocket” machen neugierig,<br />

be<strong>to</strong>nen das Outlaw-Image der Band.<br />

“Albatross” ist nicht der Fleetwood-Mac-<br />

Klassiker – Titelklau greift immer weiter<br />

um sich –, sondern ein schöner Opener im<br />

Rumba-Rhythmus. Dynamik und Energie-<br />

Level sind bei “Around The Bend” perfekt<br />

getroffen, der Harmoniegesang eine reizvolle<br />

Variable.<br />

(Rookie Records/Cargo, 2013,<br />

14/41:27) utw<br />

JIMMY BARNES<br />

JIMMY BARNES<br />

In seiner Heimat Australien veröffentlichte<br />

Cold-Chisel-Sänger Jimmy Barnes<br />

1985 sein zweites Solo-Album FOR THE<br />

WORKING CLASS MAN, das fünf neue<br />

Tracks sowie sieben remixte Stücke seines<br />

1984er Debüts BODYSWERVE enthielt.<br />

In Europa und den USA firmierte es unter<br />

JIMMY BARNES. Die neuen Songs hatte<br />

der Shouter in Los Angeles aufgenommen<br />

(Produzent: Jonathan Cain) – hörbar für<br />

den US-Markt, einige Nummern wären<br />

mit einer anderen Stimme auch als Jour-<br />

Seite 46 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


CD REVIEWS Rock<br />

ney durchgegangen (“American Heartbeat”),<br />

auch wenn sie keineswegs zu<br />

glatt poliert gerieten. Am stärksten wirkt<br />

Barnes’ Reibeisenröhre bei Abgehstücken<br />

(“Paradise”, “Boys Cry Out”) oder dem<br />

Schleicher “Promise You’ll Call”, das<br />

auch gut zu Barnes’ Sandpapierschmirgel-Kollegen<br />

Dan McCafferty und Nazareth<br />

gepasst hätte. Erfreuliche Neuauflage,<br />

ohne Bonus-Material.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 1985,<br />

11/41:14) pro<br />

GIRLSCHOOL<br />

THE SINGLES + THE BRONZE<br />

YEARS<br />

Das All-Girl-Quartett AllGilQ ttt<br />

Girlschool l war in<br />

den 80er Jahren das weibliche Aushängeschild<br />

des britischen Hard Rock und<br />

Metal, nicht nur, weil Motörhead die Ladies<br />

auch mit gemeinsamen Aktivitäten<br />

förderten. Kim McAuliffe (g, voc), Kelly<br />

Johnson (g, voc), Enid Williams (b, voc)<br />

und Denise Dufort (dr) spielten Kickass-<br />

Rock’n’Roll, sprich kraftvolle, eingängige<br />

Powernummern, die einem heute allerdings<br />

vielfach milde vorkommen. Für ihre<br />

Singles coverten sie gerne und durchaus<br />

gelungen (T. Rex, Gary Glitter, ZZ Top,<br />

Adrian Gurvitz, Motörhead). Nachzuhören<br />

auf der unverändert neu aufgelegten<br />

Kollektion THE SINGLES, die die Veröffentlichung<br />

der 4-CD-Box THE BRONZE<br />

YEARS begleitet. Die wiederum umfasst<br />

die Alben DEMOLITION (1980, UK #28),<br />

HIT AND RUN (1981, #5), SCREAMING<br />

BLUE MURDER (1982, #27) und PLAY<br />

DIRTY (1983, #66, produziert von Slades<br />

Noddy Holder & Jim Lea). Das Debüt war<br />

noch spürbar vom Punk beeinflusst, tönte<br />

rau und sandpapiermäßig. HIT AND RUN<br />

hingegen war ein wenig mehr poliert, die<br />

Songs gingen aber gut ins Ohr. SCRE-<br />

AMING ... kam deutlich härter daher,<br />

sprang einen geradezu an, während bei<br />

sich PLAY DIRTY leichtes Schielen auf<br />

den amerikanischen Markt samt Anleihen<br />

von dort einschlich. Insgesamt eine gelungene<br />

Werkschau, die an die stärkste Phase<br />

der Band erinnert. Die Mädels widerlegten<br />

männliche Vorbehalte, indem sie richtig<br />

abrock(t)en.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 2007 + 2013,<br />

18/57:42, 19/66:43 + 11/37:42, 16/50:47,<br />

1/34:01, 15/54:11) pro<br />

BERNIE MARSDEN<br />

AND ABOUT TIME TOO + LOOK<br />

AT ME NOW<br />

Nach seiner Aktivität bei Paice Ash<strong>to</strong>n<br />

Lord (1976 –1978) stieg Ex-UFO-Gitarrist<br />

und (Gelegenheits-)Sänger Bernie<br />

Marsden bei Whitesnake ein, zu deren<br />

Sound und Songwriting er maßgeblich<br />

beitrug. Parallel veröffentlichte er 1979<br />

zunächst in Japan sein Solodebüt AND<br />

ABOUT TIME TOO, das er mit Hilfe<br />

von Jon Lord, Jack Bruce, Cozy Powell,<br />

Neil Murray, Simon Phillips, Ian Paice<br />

und Don Airey aufgenommen hatte. Sehr<br />

amerikanisch klangen die Songs, eher<br />

nach To<strong>to</strong> oder auch Doobie Bro<strong>the</strong>rs,<br />

die drei Instrumentals demonstrierten<br />

sein gefühlvoll-melodisches, stellenweise<br />

auch jazz-rockiges Gitarrenspiel.<br />

Letztlich war es aber nur ein mittelmäßiges<br />

Album, auch wenn Marsden ordentliches<br />

Sangestalent an den Tag legte.<br />

LOOK AT ME NOW (mit Lord, Murray,<br />

Paice, Powell, Phillips sowie Doreen<br />

& Irene Chanter) zwei Jahre später fiel<br />

deutlich erdiger aus, klang nicht so poliert.<br />

Die Songs als solche waren einen<br />

Hauch schwächer, sprechen aber durch<br />

die Umsetzung mehr an. Insgesamt ein<br />

ordentliches Hard-Rockalbum, das wie<br />

auch AND ABOUT ... bei dieser Neuauflage<br />

mit einem Bonus-Track sowie einem<br />

neuen Marsden-Interview im Booklet bestückt<br />

ist.<br />

(Cherry Red/Rough Trade, 1979 + 1981,<br />

10/41:51 + 10/40:41) pro<br />

MARCOS VALLE<br />

MARCOS VALLE + GARRA +<br />

VENTO SUL + PREVISAO DO<br />

TEMPO<br />

Wie ein südamerikanischer i Bossa-Nova-<br />

Star sah Marcos Valle Anfang der 70er<br />

Jahre definitiv nicht aus, eher schon wie<br />

ein kalifornischer Surfer oder ein Tennisspieler<br />

aus Schweden. Und wer sein<br />

englischsprachiges Album SAMBA ‘68<br />

kennt, darf getrost alles vergessen, was<br />

er darauf gehört hat. Denn jetzt gibt es<br />

mit vier Wiederveröffentlichungen den<br />

„wahren” Marcos Valle zu entdecken,<br />

wie er in einem Zeitraum von nur drei<br />

Jahren so ziemlich alles zusammenfasste,<br />

was brasilianische Musik in dieser<br />

Zeit zu bieten hatte. MARCOS VALLE<br />

(10/35:26) erschien 1970 und zeigt ihn<br />

stark inspiriert von amerikanischen Soulgrößen<br />

wie Stevie Wonder und Marvin<br />

Gaye, als Studioband hört man die legendäre<br />

brasilianische Rockgruppe Som<br />

Imaginário. Ein Jahr später erschien mit<br />

GARRA (11/33:26) ein Album, das mit<br />

seiner Melange aus amerikanischer Black<br />

<strong>Music</strong>, psychedelischen Pop-Grooves<br />

und sonnigen Latin-Rhythmen bis heute<br />

einzigartig ist. VENTO SUL (12/34:56)<br />

erschien 1972, ergänzte den Sound um<br />

lässiges Beach-Feeling, ganz im Kontrast<br />

zu den ernsten Texten, in denen Marcos<br />

Bruder Paulo Sergio sich kritisch mit der<br />

brasilianischen Diktatur auseinandersetzte<br />

– mehr dazu in den Liner-Notes.<br />

1973 kam dann mit PREVISAO DO<br />

TEMPO (12/36:56), und vorangetrieben<br />

durch die Backingband Azimuth (später<br />

erfolgreich als Azymuth), noch eine jazzige<br />

Note dazu, so dass dieses Album die<br />

breiteste Palette an Stilen liefert: Bossa<br />

Nova, Psychedelic, Fusion und verspielter<br />

Pop – magische Musik mit einer<br />

Faszination, der man sich, hat man sich<br />

einmal warmgehört, kaum mehr entziehen<br />

kann. Erwähnens- und lobenswert<br />

auch die wunderschöne Gestaltung dieser<br />

Digipaks, der herrlich warme Klang sowie<br />

die mit Infos (Song-by-song-notes,<br />

alle Texte inkl. englischer Übersetzung,<br />

ausführliche Produktionsdetails) prall gefüllten<br />

Booklets.<br />

(Fire In The Attic/Cargo, 1970–1973,<br />

4 CDs) us<br />

NICK CAVE & THE BAD<br />

SEEDS<br />

PUSH THE SKY AWAY<br />

Nick Cave hat nach<br />

mehreren<br />

Filmmusiken<br />

und einem<br />

Album mit dem<br />

Seitenprojekt Grinderman<br />

wieder seine<br />

The Bad Seeds zusammengerauft,<br />

um nach fünf Jahren Pause<br />

mit PUSH THE SKY AWAY ein neues<br />

Studiowerk einzuspielen. Die Pause hat<br />

sich gelohnt, denn Cave und seine Mitstreiter<br />

legen nach drei eher durchschnittlichen<br />

Alben die hohe Qualität früherer<br />

Tage vor. Das liegt aller Wahrscheinlichkeit<br />

an Warren Ellis, der endlich die Position<br />

einnimmt, die früher Blixa Bargeld<br />

und Mick Harvey innehatten. Die nahezu<br />

durchweg ruhigen Songs sind von den<br />

Arrangements des australischen Multi-<br />

Instrumentalisten geprägt. Gitarren spielen<br />

nur mehr eine untergeordnete, zumeist<br />

perkussive Rolle, im Vordergrund stehen<br />

Geige, Klavier, Fender Rhodes und natürlich<br />

Caves Stimme – alles schön gediegen<br />

und angenehm antiquiert. Caves schon<br />

immer gute Texte bekommen dadurch den<br />

angemessenen Raum, den sie seit THE<br />

BOATMAN’S Call von 1997 nicht mehr<br />

hatten. Zu hören ist das vor allem bei “We<br />

Know Who U R”, “Jubilee Stree” und<br />

“Higgs Boson Blues”.<br />

(Bad Seed Ltd/Rough Trade,<br />

2013, 9/42:40) an<br />

GREG LAKE<br />

SONGS OF A LIFETIME<br />

Zu einem akustischen Spaziergang durch<br />

seine eigene Vergangenheit lädt Greg<br />

Lake mit seiner neuen CD ein. Und diese<br />

His<strong>to</strong>rie ist bewegt, schließlich mischte<br />

der singende Bassist/Gitarrist nicht nur<br />

bei Emerson, Lake & Palmer mit, sondern<br />

auch bei King Crimson (und diversen<br />

weiteren Acts). Deren größte Erfolge<br />

spielte Lake 2012 bei seiner „Songs Of<br />

A Lifetime”-Tour und erzählte launig<br />

die Geschichte hinter den Stücken. Dazu<br />

berichtet er über für ihn wichtige Begegnungen<br />

mit seinen Vorbildern Elvis Presley<br />

und den Beatles – er war mit Ringo<br />

Starr’s All Starrs unterwegs – und spielt<br />

ihre Songs (“Heartbreak Hotel”, “You’ve<br />

Got To Hide Your Love Away”, dazu Curtis<br />

Mayfields “People Get Ready”). Der<br />

Altmeister beschert vergnügliche wie<br />

lehrreiche Unterhaltung in intimer Atmosphäre<br />

– Chapeau, Herr Lake!<br />

(Esoteric/Rough Trade, 2013,<br />

20/74:44) pro<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 47


LP<br />

REVIEWS<br />

OTIS RUSH<br />

RIGHT PLACE, WRONG TIME<br />

Den Titel der LP<br />

nahmen 1971 nur die<br />

depperten Manager<br />

von Capi<strong>to</strong>l ernst,<br />

denn sie ließen dieses<br />

Juwel fünf Jahre<br />

unveröffentlicht.<br />

Heute hört sich ih dieser bläserverstärkte,<br />

knackige Blues zeitlos gut an, sicher eines<br />

der Top-Alben des Genres. Otis Rush singt<br />

beseelt und spielt eine (be-)stechend klare<br />

Gitarre zu unverfälschten Zwölftaktern,<br />

mal langsam wiegend, mal rasant rollend.<br />

Und selbst wo er die reine Lehre wie im<br />

schönen Tony-Joe-White-Cover “Rainy<br />

Night In Georgia” variiert, bleibt er absolut<br />

au<strong>the</strong>ntisch. Kevin Gray remasterte die<br />

erstaunlich klaren und dynamischen Aufnahmen<br />

aus Wally Helder’s Studio in San<br />

Francisco mit einem guten Händchen für<br />

Transparenz ab, nur ab und an verzischeln<br />

die S-Laute etwas. Aber das ist angesichts<br />

der Klassequalität der Scheibe völlig belanglos.<br />

(Pure Pleasure/Speakers Corner,<br />

1971, 10 Tracks) lbr<br />

GENE CLARK<br />

NO OTHER<br />

Kaum einer zweifelt<br />

noch an der herausragenden<br />

Rolle, die<br />

Gründungsmitglied<br />

Gene Clark bei den<br />

Byrds spielte. Bis zu<br />

seinem Ausstieg 1966<br />

prägte ät der Sänger, Gitarrist und Songschreiber<br />

maßgeblich die Band. Nach verschiedenen<br />

Projekten (Dillard And Clark), Solo-<br />

Alben und dem kurzfristigen Wiedereinstieg<br />

bei den Byrds 1973 veröffentlichte er 1974<br />

sein definitives Meisterwerk. NO OTHER<br />

mag von diversen illegalen Substanzen unterwandert<br />

sein, doch der faszinierende Mix<br />

aus Country, Rock, Westcoast, Folk und<br />

Psychedelic funkelt noch heute wie ein perfekt<br />

geschliffenes Juwel. Produzent Thomas<br />

Jefferson Kaye stellte dem tragischen Genie<br />

und späteren Drogen<strong>to</strong>ten (1944 –1991) eine<br />

formidab le Band zur Seite (unter anderem<br />

Gitarrist Danny Kortchmar und Drummer<br />

Russ Kunkel), von der leider nirgends bei<br />

diesem Reissue zu lesen ist. Bis auf den zeittypisch<br />

leicht abgesofteten Drumsound tönt<br />

das 180-Gramm-Vinyl zeitlos gut, verzichtet<br />

aber auf die sieben Bonus-Tracks der 2003er<br />

CD-Ausgabe.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1974, 8 Tracks) lbr<br />

CHI COLTRANE<br />

CHI COLTRANE<br />

Chi Coltrane (nicht<br />

verwandt mit John<br />

Coltrane)<br />

zählte<br />

zu den großen<br />

Hoffungen der aufstrebenden<br />

Singer/<br />

Songwriter-Gilde im<br />

Rockkontext, t denn sie konnte nicht nur<br />

hervorragend singen, sondern auch Klavier<br />

spielen und arrangieren – und klasse<br />

Stücke schreiben. Hier zu Lande begeisterte<br />

sie durch ihren Auftritt im „Musikladen”,<br />

bei dem sie das Rock-orientierte “I<br />

Will Not Dance” aufführte (auch auf dem<br />

Album) und mit ihrer voluminösen Stimme<br />

glänzte. Neben den eher offensiven<br />

Songs wie dem Riesenhit “Thunder And<br />

Lightning” drückt sie sich auch durch beschauliche<br />

Stimmungen aus, wie bei der<br />

Ballade “You Were My Friend” und dem<br />

introspektiven “Turn Me Around”, einer<br />

Nummer, bei der sie sich gesanglich deutlich<br />

introspektiver gibt. Eine lohnenswerte<br />

Entdeckung.<br />

(Speakers Corner/Lotus Records, 1972,<br />

11 Tracks) at<br />

SADE<br />

DIAMOND LIFE<br />

Okay, das Cover<br />

glänzt etwas mehr<br />

als das des Originals.<br />

Doch sonst ist<br />

bei diesem Reissue<br />

von <strong>Music</strong> On Vinyl<br />

leider ein wenig<br />

der Lack ab. Der raffiniert gepflegte Mix<br />

aus Soft-Jazz, Latenight-Pop und Soul,<br />

mit dem die damals wohl schönste Sängerin<br />

des Universums die Welt verzauberte,<br />

war seinerzeit auch klangtechnisch eine<br />

Sensation. Die auch enger als die Epic-<br />

Scheibe gepresste Wiederveröffentlichung<br />

schlägt sich auf die Schattenseite des Remasterings:<br />

eingeebnete Dynamik und<br />

gezähmter Höhenkick, der beispielsweise<br />

den fast scharfen Orgeleinwürfen bei dem<br />

grandiosen Cover “Why Can’t We Live<br />

Toge<strong>the</strong>r” merklich die Spitze nimmt. Erstaunlicherweise<br />

tönt auch die Version von<br />

Audio Fidelity ähnlich abgesoftet, so dass<br />

man in diesem Fall besser beim originalen<br />

Vinyl bleibt. Merke: Analog rund heißt<br />

nicht immer schlapp.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1984,<br />

9 Tracks) lbr<br />

EMERSON, LAKE &<br />

PALMER<br />

TARKUS<br />

Den Backkatalog von<br />

ELP hat MOV bereits<br />

recycelt – jetzt<br />

nochmals das zweite<br />

Opus? Ja – und mit<br />

einem<br />

prächtigen<br />

Goodie: „The Alternate<br />

Tarkus”, also der 2012er (Re-)Mix von<br />

Steven Wilson. Der leitet nicht nur die Prog-<br />

Rocker Porcupine Tree, sondern hat mit Remixen<br />

und Remastern von King Crimson<br />

oder Jethro Tull schon viel Lorbeer auch<br />

unter Alt-Art-Rockern gesammelt. Denn er<br />

vermag, ohne den Ursprungscharakter zu<br />

verhunzen, einfach mehr Klarheit und Offenheit<br />

in den bombastischen Sound der Altvorderen<br />

zu mischen. Als weitere Dreingabe<br />

gibt es hier noch einen einen alternativen<br />

Take von “Mass” aus der siebenteiligen, die<br />

Seite 1 komplett füllenden Suite “Tarkus”.<br />

Den erhabensten Sound des „Originals”<br />

transportiert noch immer die 200-Gramm-<br />

Pressung von MFSL, doch auch die 180er<br />

MOV mit ihren differenzierten Höhen hat<br />

ihre Meriten. Die Musik definierte damals<br />

neu, was im Rock alles möglich war: komplexe<br />

Rhythmen und Takte, auch ungerade<br />

und mehrfach wechselnd innerhalb<br />

eines Stücks, fauchendes Georgel auf der<br />

Hammond-B3, viele Syn<strong>the</strong>sizerspuren<br />

zu gewaltigen Soundungeheuern getürmt,<br />

aber auch purer Rock’n’Roll und magische<br />

Hymnen. Toll war’s – und ist’s noch immer.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1971 /2012,<br />

2 LPs, 7/ 8 Tracks) lbr<br />

EARTH AND FIRE<br />

EARTH AND FIRE<br />

Noch so eine wunderschöne<br />

Wiederveröffentlichung<br />

aus<br />

der Serie „Dutch Vinyl<br />

Masters”, zumal<br />

das Polydor-Original<br />

und erst recht die<br />

UK-Ausgabe (mit Roger-Dean-Cover)<br />

kaum mehr zu greifen sind. <strong>Music</strong> On Vinyl<br />

entschied sich für die kontinentale Version<br />

mit dem wundervollen Klappcover im<br />

Streichholzheftchen-Design, so dass man<br />

dankbar die bei MOV übliche Zellofan-<br />

Schutzhülle nach dem Hören wieder überstreift.<br />

Wobei das rote Vinyl sicher öfter<br />

rotiert bei proggig angehauchten Rockfans<br />

mit einem Faible für starke Frauenstimmen.<br />

Sängern Jerney Kaagman prägte mit ihrer<br />

zwischen Grace Slick und Sonya Kristina<br />

liegenden Powerstimme dieses Debüt, das<br />

noch meilenweit vom späteren Seicht-Pop<br />

der Holländer entfernt war. In dem kompakten<br />

Rock des Albums sorgen Flötentöne<br />

und Avantgarde-Anklänge (“What’s Your<br />

Name”) für Abwechslung.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1970, 9 Tracks) lbr<br />

IRON BUTTERFLY<br />

HEAVY<br />

Schon früh gab es<br />

das Debüt der „Eisernen<br />

Schmetterlinge”,<br />

aufgenommen<br />

Ende 1967 und<br />

Anfang 1968 veröffentlicht,<br />

als Billigpressung.<br />

Im Schatten des überlangen<br />

Megahits “In-A-Gadda-Da-Vida” hatte es<br />

HEAVY schwer, obgleich die Kalifornier,<br />

wenn auch nur unter ferner (Höchstplatzierung<br />

78), damit immerhin fast ein Jahr<br />

in den US-Charts, liefen. Die wuchtige Orgel<br />

sowie der nölend-beseelte Gesang von<br />

Doug Ingle oder die Fuzz-Gitarrentöne gab<br />

es schließlich schon hier zu hören. Zeitgemäß<br />

machten sich auch psychedelische<br />

Sounds und ab und an sogar Klavierklänge<br />

breit – doch ein Hammer wie der Song vom<br />

Lebensgarten hing hier nirgends. MOV<br />

hat die Stereoversion der einzigen Scheibe<br />

mit der Urbesetzung wie gewohnt ordentlich<br />

auf 180 Gramm Vinyl gepresst – von<br />

Ramsch keine Spur.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1968,<br />

10 Tracks) lbr<br />

CUBY (AND THE) +<br />

BLIZZARDS<br />

LIVE<br />

Live-Alben<br />

waren<br />

im<br />

Rockbusiness<br />

anno 1968 weit weniger<br />

üblich und<br />

gut als dann in den<br />

seligen 70ern. In<br />

deutlich mehr als<br />

weniger guter Stereo-Bootlegqualität ließ<br />

die holländische Elektro-Bluestruppe von<br />

Sänger Harry „Cuby” Muskee die Scheibe<br />

„recorded in Concert at <strong>the</strong> Rheinhalle<br />

Vinyl<br />

Dusseldorf” veröffentlichen. Die Jungs mit<br />

dem sehr guten Gitarristen Eelco Gelling<br />

und dem erstaunlich präsenten Pianisten<br />

Herman Brood (später ein Drogenwrack<br />

mit Wild Romance) rissen vier Standards<br />

und zwei eigene Nummern runter: rau,<br />

ungehobelt, spontan. Nicht schlecht, aber<br />

bestimmt nicht besser als die vielen Bluesbands<br />

aus dem UK, denen Liner-Notes-<br />

Au<strong>to</strong>r Alexis Korner gleichfalls Beistand<br />

leistete. Dennoch ein schönes Reissue aus<br />

der verdienten Reihe „Dutch Vinyl Masters”,<br />

die gute 180-Gramm-Pressung auf<br />

rotem Vinyl verpackt im originalgetreuen<br />

Klappcover.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1968, 6 Tracks) lbr<br />

IT’S A BEAUTIFUL DAY<br />

IT’S A BEAUTIFUL DAY<br />

Gibt es eine Platte,<br />

die den „Summer Of<br />

Love” so ausstrahlt<br />

wie das Debüt von<br />

It’s A Beautiful<br />

Day aus San Francisco?<br />

Na ja, man<br />

könnte noch IN SEARCH OF THE LOST<br />

CHORD von den Moody Blues nennen,<br />

aber für die amerikanischen Hippies stand<br />

dieses Album an erster Stelle! Besonders<br />

die kreative Spannung von Linda La-<br />

Flamme und David LaFlamme, der mit<br />

seiner Violine die Zuhörer verzauberte,<br />

trug maßgeblich zum Gelingen bei, da<br />

die beiden sich im Stil der Jefferson Airplane<br />

gesanglich auch noch ergänzten.<br />

Das wunderschön melancholische “White<br />

Bird”, ein atmosphärisches “A Hot Summer<br />

Day” und das orientalisch anmutende<br />

“Bombay Calling” (das sicherlich Deep<br />

Purples “Child In Time” inspirierte) vermitteln<br />

Sanf<strong>the</strong>it und das Gefühl unendlicher<br />

Möglichkeiten. Wenn man sich in<br />

diesem Monat nur ein Album leisten kann,<br />

dann muss es dieses sein!<br />

(Speakers Corner/Lotus Records, 1968,<br />

7 Tracks) at<br />

NINA HAGEN BAND<br />

UNBEHAGEN<br />

Natürlich hätte der<br />

Sammler gerne das<br />

„Rothaar”-Cover statt<br />

des<br />

langweiligeren<br />

„typo”-Covers gesehen,<br />

doch sonst gibt<br />

es an diesem Reissue<br />

auf – immerhin – rotem Vinyl nichts auszusetzen.<br />

Schon heillos zerstritten spielten Nina<br />

und die späteren Spliff-Mucker ihre Parts für<br />

das zweite und letzte gemeinsame Album getrennt<br />

ein. Entgegen Frau Hagens depperten<br />

Beschuldigungen, die Band „hätte sie in den<br />

Hintergrund gemischt”, klingt das trotzdem<br />

wie aus einem Guss. Und Nina dreht mächtig<br />

auf. Sie trällert, gurrt, krächzt, zerrt, jodelt,<br />

rrrollt, bellt und knurrt, dass der überdrehte<br />

Vokalstil heute sogar leichtes UNBEHAGEN<br />

verursachen kann. Damals Ende der 70er<br />

freilich eine Sensation, genau wie die unverblümten<br />

Texte, die Lyrics gibt’s zum Nachlesen<br />

auf einem Beiblatt. Musikalisch passiert<br />

in dem coolen Mix aus Reggae, New Wave<br />

und Klabauterschlager (<strong>to</strong>lle Liveversion von<br />

“Wenn ich ein Junge wär”) so einiges, auf<br />

Seite 2 geht mächtig der Punk ab.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1979, 9 Tracks) lbr<br />

Seite 48 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


LP<br />

REVIEWS<br />

GILLAN<br />

GLORY ROAD<br />

Manchmal trügt die<br />

Erinnerung: Wesentlich<br />

dumpfer, doofer<br />

und dürftiger hatte der<br />

Rezensent das 1980er<br />

Opus des stilprägenden<br />

Deep-Purple-<br />

Sängers in Erinnerung. Beim Wiederhören<br />

der Scheibe (ohne die seinerzeitige Zugabe<br />

“For Gillan Fans Only”) fallen die knackig<br />

abgehenden Eröffnungsstücke jeder Seite so<br />

positiv auf wie der abwechslungsreiche Hard<br />

Rock mit Blueseinlagen. Gitarrist Bernie<br />

Tormé fehlt zwar die melodische Raffinesse<br />

eines Ritchie Blackmore, aber das Manko<br />

teilt er mit den meisten Hard-Rock-Gitarristen.<br />

Produzent John McCoy griff in die damals<br />

übliche Sound-Trickkiste und nahm so<br />

Gillans Organ ein wenig ihres einzigartigen<br />

Charakters. Das vom 2007er CD-Reissue<br />

stammende Remaster mit seiner leicht übertriebenen<br />

Zweikilohertz-Be<strong>to</strong>nung trägt das<br />

Ihre zum etwas aggressiven Klang bei.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1980, 9 Tracks) lbr<br />

MISSUS BEASTLY<br />

SWF-SESSION 1974<br />

Missus Beastly aus<br />

Herford bei Bielefeld<br />

verschlissen<br />

Musiker für viele<br />

schöne<br />

Tabellen:<br />

Bei dieser Ausgabe<br />

war nur noch Originaldrummer<br />

Lutz Oldemeier von der<br />

1968er Urbesetzung dabei: Paul Vincent<br />

spielte bereits bei Hallelujah Babe, danach<br />

bei Lindenberg. Im Fahrwasser von<br />

Jazz-Rockgrößen wie If oder Soft Machine<br />

prägen vor allem die beiden Bläser<br />

die ausgefeilten Stücke und das Soundbild:<br />

Friedemann Josch (Ex-Unterrock)<br />

an der Querflöte und dem Sopransaxofon<br />

sowie Jürgen Benz am Alt-Sax, der ebenfalls<br />

Flöte spielt. Sie werden aber immer<br />

wieder – Beispiel “Talle” – von Embryo-<br />

Pianist Dieter Miekautsch abgelöst, welcher<br />

die meisten der durchweg instrumentalen<br />

Kompositionen zur Radiosession<br />

beiträgt. Oldemeier beweist mit Norbert<br />

Dömling am Bass (der hin und wieder zur<br />

Gitarre wechselt), wie entscheidend und<br />

spannend es für den Zuhörer sein kann,<br />

wenn die Rhythmusleute wirklich konzentriert<br />

aufeinander hören. Auch als CD<br />

erhältlich.<br />

(Malesch Records/Long Hair <strong>Music</strong>,<br />

1974/2012, 11 Tracks) utw<br />

MOUNTAIN<br />

NANTUCKET SLEIGHRIDE<br />

Unter den zahllosen<br />

Blues/Hard-Rockbands<br />

der späten<br />

60er/frühen<br />

70er<br />

ragen Mountain nur<br />

bedingt heraus. Zwar<br />

hatte das Quartett<br />

mit Gitarrist i t und Shouter Leslie West einen<br />

gewichtigen Frontmann, doch die zeitresistenten<br />

Übersongs, die Kompositionen<br />

für die Ewigkeit, fehlten den Jungs. Auch<br />

ihr zweiter, von der Waljagd inspirierter<br />

Longplayer, hat einige Längen. Trotzdem<br />

heißt man dieses Reissue herzlichst will-<br />

kommen, denn <strong>Music</strong> On Vinyl stattete<br />

es mit dem originalen Klappcover, mit<br />

einem 16-seitigen Beiheft und zwei zeitgenössischen<br />

(und etwas unscharf reproduzierten)<br />

Schwarzweiß-Bandfo<strong>to</strong>s aus.<br />

Die Produktion von Band-Bassist Felix<br />

Pappalardi und Bud Prager kommt recht<br />

druckvoll aus der neuen Rille.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1979,<br />

9 Tracks) lbr<br />

SETH LAKEMAN<br />

TALES FROM THE BARREL<br />

HOUSE + LIVE WITH THE BBC<br />

CONCERT ORCHESTRA<br />

Seth Sth Lakeman Lk gehört ebenso wie Kate<br />

Rusby, Kris Drever oder Karine Polwart<br />

zu jener jungen Garde britischer Folkmusiker,<br />

die in den letzten paar Jahren mit<br />

neuen, selbst verfassten Liedern und einer<br />

erfrischenden Herangehensweise alte Traditionen<br />

zu neuen Höhenflügen führten.<br />

Bestes Beispiel hierfür ist das im Frühjahr<br />

2012 veröffentlichte TALES FROM<br />

THE BARREL HOUSE, das seine Klasse<br />

als hochwertige 180g-Vinyl Version auch<br />

klanglich ausspielen kann. Parallel dazu<br />

gibt es eine auf 500 Exemplare limitierte<br />

10”-LP mit dem Titel LIVE WITH THE<br />

BBC CONCERT ORCHESTRA. Darauf<br />

sind fünf Lakeman-Songs zu hören, wie<br />

er sie im März letzten Jahres zusammen<br />

mit dem BBC Concert Orchestra live in<br />

Plymouth aufgeführt hat. Dieser klassische<br />

Background verleiht den Stücken<br />

noch einen Tick mehr Feierlichkeit, zeigt<br />

eindrucksvoll, dass diese Musik nicht nur<br />

mit Gitarre, Fiddle und Banjo funktioniert,<br />

sondern ihre Reize auch mit einem kompletten<br />

Orchester im Rücken ausspielen<br />

kann.<br />

(Honour Oak Records/Rough Trade,<br />

2012 + 2013, 10 Tracks + 5 Tracks) us<br />

GEORGE BENSON<br />

BEYOND THE BLUE HORIZON<br />

George<br />

Benson,<br />

der, wie auch viele<br />

andere, sein Oktav-<br />

Gitarrenspiel<br />

der<br />

Inspiration<br />

durch<br />

Wes Montgomery zu<br />

verdanken hat, hatte<br />

Ende der Sechziger/Anfang hi der Siebziger<br />

seine kreativste Phase, was nicht zuletzt<br />

dem Produzenten Creed Taylor geschuldet<br />

ist. Alben wie SHAPE OF THINGS<br />

TO COME, WHITE RABBIT und dieser<br />

Longplayer manifestierten seinen Ruf lange<br />

vor dem kommerziellen Durchbruch.<br />

Rasanter Jazz-Rock, bei dem sich Benson<br />

einen Wettstreit mit dem Hammond-<br />

Organisten liefert (“So What”), lyrischer<br />

Jazz mit hauchzarten Gitarrenlinien (“The<br />

Gentle Rain”) oder “Somewhere In The<br />

East”, ein experimenteller Song mit einem<br />

leichten Ethno-Touch, stehen für einen<br />

Musiker, der mit ganzem Herzen spielt<br />

und sich noch nicht den Marktgesetzen<br />

unterworfen hat. Das Album erscheint<br />

in einem Klappcover und – wie bei allen<br />

Platten von Speakers Corner üblich – als<br />

180g-Pressung.<br />

(Speakers Corner//Lotus Records,<br />

1971, 5 Tracks) at<br />

THE LOVIN’ SPOONFUL<br />

THE BEST OF<br />

Unter gefühlt Hunderten<br />

von Samplern<br />

und Compilations<br />

der New<br />

Yorker<br />

Sixties-<br />

Helden ist dies der<br />

schönste und beste.<br />

So kurz, so gut. Es ist <strong>Music</strong> On Vinyl<br />

hoch anzurechnen, dass sie das originale<br />

Klappcover und vor allem die beigelegten<br />

vier schönen Farbfo<strong>to</strong>s der Bandmitglieder<br />

(The Beatles grüßen vom WHITE<br />

ALBUM) so gut es ging reproduziert haben.<br />

Die Lovin’ Spoonful waren definitiv<br />

eine Single-Band, deren “Summer In The<br />

City” noch immer zum Soundtrack jeder<br />

heißen Jahreszeit zählt. Zwischen Jug,<br />

Country, Blues und Rock’n’Roll ließen<br />

die Jungs um John Benson Sebastian ihren<br />

Pop während der wenigen Erfolgsjahre<br />

1965–1968 leuchten. Nach dem Ausstieg<br />

von Sebastian kam nix Großes mehr.<br />

Was bleibt, sind coole Songs – und dieser<br />

starke Sampler.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1969,<br />

12 Tracks) lbr<br />

DEAN ALLEN FOYD<br />

ROAD TO ATLAS<br />

Das ist schon sehr<br />

retro! Nicht nur dass<br />

das junge schwedische<br />

Quartett<br />

Dean Allen Foyd<br />

schwer nach Sixties<br />

klingt, es veröffentlicht<br />

sein neues (Mini-)Album ROAD<br />

TO ATLAS auch ausschließlich auf Vinyl.<br />

Das sollte Fans von Psychedelia,<br />

Westcoast- und Blues-Rock jedoch nicht<br />

weiter stören. Da hört man die Hammond<br />

orgeln, Gitarren durch Fuzz- und<br />

Wah-Wah-Geräte gejagt und Ping-Pong-<br />

Stereo-Effekte von links nach rechts bzw.<br />

rechts nach links wandern, dass es eine<br />

wahre Freude ist. Mit ihren Soundanklängen<br />

an Pink Floyd, Jimi Hendrix und Jefferson<br />

Airplane wirken Dean Allen Foyd<br />

wie aus der Zeit gefallen. Und gerade das<br />

macht sie, Retromania hin oder her, in<br />

diesem Fall so sympathisch.<br />

(Crusher/Soulfood, 2013, 5/22:40) frs<br />

Vinyl<br />

SANTANA<br />

ABRAXAS<br />

Von Santanas zweitem<br />

und wohl auf<br />

ewig bestem Album<br />

gibt es so viele Ausgaben<br />

auf Vinyl und<br />

CD wie Sand an<br />

den<br />

kalifornischen<br />

Pazifikstränden. Über den fantastischen<br />

Musikmix von Salsa, Rock, Pop, Jazz<br />

und Blues muss man keine Worte mehr<br />

verlieren – die Scheibe mit dem wunderschönen<br />

Klarwein-Gemälde auf dem<br />

Cover gehört zum Weltkulturerbe. Die<br />

Messlatten bezüglich Sound legten bislang<br />

die teure MFSL-Verison sowie das<br />

1998er Remaster von Vic Anesini. Dieses<br />

sehr schön ausgestattene Reissue –<br />

Hochglanz-Klappcover, mit dem schönen<br />

großen (etwas griseligen) Bandfo<strong>to</strong> als<br />

Poster – lässt zwar viele Nachpressungen<br />

hinter sich, wirkt aber mit angeschärften<br />

S-Lauten oder zischeligeren Becken etwas<br />

aggressiver als die MFSL-Fassung. Die<br />

Remaster-CD liegt gleichauf, verliert in<br />

optischer Hinsicht aber natürlich klar.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1970, 9 Tracks) lbr<br />

THE WHO<br />

WHO’S NEXT<br />

Nicht schlecht für<br />

eine Abraumhalde:<br />

Aus den Resten<br />

des gescheiterten<br />

„Lifehouse”-Projekt<br />

hauten Pete Townshend<br />

und seine Who<br />

mal so eben eines der besten Alben einer<br />

der besten Bands aller Zeiten raus. Gerade<br />

ließ Universal die Vinylbox mit allen<br />

Who-Studio-Alben auf Basis der Jon-<br />

Astley-Remaster raus – und auch sonst<br />

herrscht an schwarzen und silbernen Versionen<br />

des fünften Who-Werks kein Mangel.<br />

MOV stickert zwar mit „exclusively<br />

remastered 180 gram audiophile vinyl<br />

pressing”, doch über den Remaster-Mind<br />

schweigen sich die Reissue-Spezialisten<br />

aus. Obwohl es aufgeräumter und auch<br />

definierter als auf deutschen 70er-Jahre-<br />

Pressungen tönt. Was soll’s. Spätestens<br />

wenn Sänger Roger Daltrey seinen legendären<br />

Urschrei nach dem Synthie-<br />

Mittelteil von „Won’t Get Fooled Again”<br />

rauslässt, ist alles egal. Hier hängt der<br />

Hammer.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo; 1971,<br />

9 Tracks) lbr<br />

GEMMA RAY<br />

DOWN BABY DOWN<br />

Gemma Rays Vorliebe<br />

für Soundtracks<br />

ist ihrer bisherigen<br />

Arbeit deutlich anzuhören.<br />

Aus den<br />

Songs der vorangegangen<br />

vier Alben<br />

klingen mal düstere Spaghetti-Western-<br />

Töne à la Ennio Morricone, mal zittrige<br />

„Pulp Fiction”-Surfgitarren. Auf ihrem<br />

Album IT’S A SHAME ABOUT GEMMA<br />

RAY coverte sie die von Krzysz<strong>to</strong>f Komeda<br />

komponierte Titelmelodie des Polanski-<br />

Thrillers „Rosemary’s Baby”. Auf ihrem<br />

neuen, fünften Album lebt die gebürtige<br />

Britin mit Wahlheimat Berlin nun ihre<br />

Vorliebe für Film-Scores vollends aus.<br />

DOWN BABY DOWN, das nur als Vinyl<br />

(mit beiliegender CD) erscheint, klingt wie<br />

die Tonspur zu einem noch nicht gedrehten<br />

Film. Die zehn kurzen Instrumental-Nummern<br />

– Ray spielt hauptsächlich Gitarre,<br />

ihre Stimme setzt sie nur spärlich ein –<br />

sind atmosphärisch dichte, zwischen Kammer-Jazz<br />

und Gothic-Folk changierende,<br />

suggestive Tongemälde, angereichert mit<br />

vielerlei Klangfarben (Glockenspiel, Melodica,<br />

Dulcimer, Theremin etc.), die beim<br />

Hören innere Bilder geradezu heraufbeschwören.<br />

Film ab!<br />

(Bronze Rat/Soulfood, 2013, 10/27:27) frs<br />

<strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 49


LP<br />

REVIEWS<br />

NECRONOMICON<br />

HAIFISCHE<br />

Nicht zu verwechseln<br />

mit der (später entstandenen)<br />

Metal-Thrash-<br />

Formation gleichen<br />

Namens ist diese deutsche<br />

Krautrockband.<br />

1972 veröffentlichten<br />

Necronomicon (der ungewöhnliche Name<br />

ist dem Titel eines fiktiven Buches mit Horror-<br />

und Science-Fiction-Geschichten von<br />

H.P. Lovecraft entliehen) ihre erste LP mit<br />

dem Titel TIPS ZUM SELBSTMORD, heute<br />

ebenso wie die 1990er 4-fach-LP VIER KA-<br />

PITEL gesuchtes Sammlerstück. 2010 fand<br />

die Band sich wieder zusammen, beschloss<br />

einige Songs, die sie bereits 1974 komponiert<br />

hatten, aufzuarbeiten und in einem<br />

professionellen Studio aufzunehmen. Das<br />

Ergebnis heißt HAIFISCHE und liegt jetzt<br />

als wunderschön gestaltete, aufklappbare LP<br />

vor, die CD gibt’s gratis dazu. Dabei punktet<br />

diese Veröffentlichung aber nicht nur mit<br />

<strong>to</strong>ller Optik und fettem Klang, sondern auch<br />

mit klasse Prog-Rock mit deutschen Texten –<br />

wer zu Krautrock-Hochzeiten auf Bands wie<br />

Anyone’s Daughter, Novalis oder Hoelderlin<br />

stand, wird hier bestens bedient.<br />

(www.necronomicon-1972.de, 2012,<br />

4 Tracks) us<br />

SILBERBART<br />

4 TIMES SOUND RAZING<br />

Hajo Teschner, heute<br />

67, Herausgeber der<br />

Gitarrenschule Fridolin<br />

und Ex-Gitarrist<br />

der Hamburger Beatband<br />

The Tonics, sah<br />

seine Mitstreiter zu<br />

James Last und Lucifer’s Friend wechseln.<br />

Lieber leitete er 1969–1971 dieses<br />

progressive Powertrio, das ein Phonogram-<br />

Waschzettel passend beschreibt: „7/8 und<br />

9/8 Takte sind bei uns nichts Ungewöhnliches.<br />

Allerdings müssen wir manchmal<br />

zählen wie die Teufel.” Dazu, so Teschner<br />

heute, „... ich an der Gitarre und mit<br />

ziemlich grausligem Gesang gesegnet”.<br />

Eine ehrliche Skizzierung, welche diese<br />

einzige LP aber nicht weniger spannend<br />

macht. Statt weiterhin Zeppelin und Grand<br />

Funk zu covern, bastelte die Band in ihrer<br />

Kneipe in Dangast am Jadebusen lieber an<br />

recht vertrackten Zappa-esken Langwerken<br />

– holte alles heraus, was Gitarre, Bass und<br />

Schlagzeug an harmonischen sowie dissonanten<br />

Variationsmöglichkeiten zu bieten<br />

haben: Versierter Trommler war der spätere<br />

Trio-Takthalter Peter Behrens. Erscheint<br />

auch als CD.<br />

(Malesch Records/Long Hair <strong>Music</strong>,<br />

1971/2012, 4 Tracks) utw<br />

BILLY JOEL<br />

STREETLIFE SERENADE<br />

Lange wurde das<br />

dritte Studio-Album<br />

von Billy Joel<br />

schwächer bewertet<br />

und verkauft als der<br />

Vorgänger PIANO<br />

MAN. Doch im<br />

Nachhinein ist auch STREETLIFE SERE-<br />

NADE eine grandiose Schöpfung. Mit dem<br />

dynamischen Titelsong, dem bärenstarken<br />

Vinyl<br />

Insturmental “Root Beer Rag” oder dem<br />

rasant-resignierenden “The Entertainer”<br />

sorgte der klavierspielende Singer/Songwriter<br />

für Klasse-Material, und auch der<br />

Rest ist kein Füller, sondern birgt manche<br />

unbekannte Perle wie die Ballade “The<br />

Great Suburbian Showdown”. Das MOV-<br />

Reissue (leider ohne Textblatt) geht klanglich<br />

wohl auf das exzellente Hochbit-Remaster<br />

von Ted Jensen anno 1999 zurück,<br />

dank kurzer Spielzeit (knapp 38 Minuten)<br />

und Verlagerung in die Außenrillen kommt<br />

reichlich Dynamik ohne jede Schärfe rüber.<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1974,<br />

10 Tracks) lbr<br />

DULL KNIFE<br />

ELECTRIC INDIAN<br />

Das Philips-Label hatte<br />

etwa durch die Klassik-<br />

Jazz-Rocker Ekseption<br />

satte Verkäufe: Da<br />

konnte man sich experimentellere,<br />

vertracktere<br />

Rockmusik wie die von<br />

Dull Knife mal leisten. Benannt nach dem<br />

Häuptling der nördlichen Cheyenne und mit<br />

brutalem Stumpfmesser-Einstich-Cover verziert,<br />

treiben Komponist/Keyboarder/Sänger<br />

Gottfried Janko und Bassist Martin Hesse<br />

– beide später zu Jane wechselnd – ihre<br />

Mitstreiter durch präzise durcharrangierte<br />

Midtempo-Stücke, bei denen nur Jankos<br />

öfter verzerrter Gesang stört. Allerdings<br />

versöhnt seine stets angenehme Hammondund<br />

Piano-Arbeit. Unterstützt werden Janko<br />

und Hesse durch Gitarrist Christian Holik<br />

und Schlagzeuger Klaus Zaake. Bei dieser<br />

Instrumentierung blieben Anklänge an Deep<br />

Purple und Cactus natürlich nicht aus, die<br />

Band Jane wiederum hat sich an Versatzstücken<br />

von Dull Knife gerne bedient. Ein<br />

reizvolles Mosaikstück des frühen deutschen<br />

Hard Rock.<br />

(Malesch Records/Long Hair <strong>Music</strong>,<br />

1971/2013, 8 Tracks.) utw<br />

RONETTES<br />

PRESENTING THE FABULOUS<br />

RONETTES FEATURING<br />

VERONICA<br />

Es gibt nur wenige<br />

Bands, die mit nur<br />

einer einzigen je<br />

veröffentlichten LP<br />

so bekannt wurden<br />

wie die Ronettes<br />

– umso wichtiger,<br />

diese schwarze Scheibe im heimischen<br />

Plattenschrank zu haben! Die ideale Möglichkeit<br />

hierzu bietet die jetzt erschienene<br />

Wiederveröffentlichung dieses Albums, im<br />

wunderschönen Original-Artwork und in bestechendem<br />

180g-Vinylklang. Neben Arrangeur<br />

Jack Nitzsche war Phil Spec<strong>to</strong>r hier die<br />

Hauptfigur, bewies seine genialen Fähigkeiten<br />

nicht nur als Produzent, sondern auch als<br />

Songau<strong>to</strong>r. Zusammen mit Barry Man, Cynthia<br />

Weil, Vini Poncia oder Ellie Greenwich<br />

schrieb er Veronica (aka Ronnie Bennett),<br />

Estelle Bennett und Nedra Talley soulige<br />

Popnummern wie “Be My Baby”, “Chapel<br />

Of Love”, “Walking In The Rain”, “Baby I<br />

Love You” und “(The Best Part Of) Breakin’<br />

Up” auf den Leib. Himmlisch!<br />

(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1964,<br />

12 Tracks) us<br />

CD<br />

REVIEWS<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

STUDIO ONE IRONSIDES<br />

In den 60er und 70er Jahren beherrschte die<br />

Plattenfirma Studio One dermaßen den jamaikanischen<br />

Markt, dass sich Labelchef<br />

Coxsone Dodd, um die Radio- und Club-DJs<br />

nicht zu langweilen, neue Markennamen<br />

einfallen ließ. In die Mitte der Scheiben ließ<br />

er fortan Labels mit fantasievollen Bezeichnungen<br />

wie Bongo Man oder Ironside pappen.<br />

Ob für Letztere die gleichnamige US-<br />

TV-Serie (dt.: „Der Chef”) Pate stand oder<br />

irgendein Wortspiel, ist heute nicht mehr<br />

ganz klar. Klar ist jedoch, dass der Katalog<br />

der in Kings<strong>to</strong>ns Studio Nummer eins produzierten<br />

Reggae-, Ska- und Rocksteady-<br />

Aufnahmen schier unerschöpflich ist. Das<br />

Londoner Label Soul Jazz Records bringt<br />

mit STUDIO ONE IRONSIDES die gefühlte<br />

20. Anthologie heraus. Darauf sind bekanntere<br />

Reggae-Künstler wie Freddie McGregor<br />

(“Come Now Sister”) oder Marcia Griffiths<br />

(“Mark My Word”) zu hören, aber auch erneut<br />

viele Entdeckungen zu machen: Ob die<br />

Skatalites-Nachfolgeband The Soul Bro<strong>the</strong>rs<br />

mit “Soho” eine treibende Instrumental-<br />

Hommage an den Londoner Stadtteil hinlegt<br />

oder die obskure Vokalgruppe The Stingers<br />

mit “Rasta Don’t S<strong>to</strong>p No One” ein entspanntes<br />

Stück Love, Peace & Unity predigt.<br />

(Soul Jazz/Indigo, 2013,18/58:48) frs<br />

BOZ SCAGGS<br />

MEMPHIS<br />

Ende der 60er war<br />

Boz Scaggs Gitarrist<br />

der Steve Miller<br />

Band, seit Anfang der<br />

70er konnte er zahlreiche<br />

Solo-Alben in<br />

den Charts platzieren,<br />

am erfolgreichsten fl iht immer noch das fünffach<br />

Platin-ausgezeichnete SILK DEGREES (US<br />

#2) aus dem Jahr 1976. Mit MEMPHIS veröffentlicht<br />

er nun das erste neue Material seit<br />

zehn Jahren. Eingerahmt von zwei selbst verfassten<br />

Liedern hat er sich starke Songs anderer<br />

für seine relaxten Interpretationen ausgesucht,<br />

beginnend mit Al Greens “So Good<br />

To Be Here” über “Mixed Up, Shook Up<br />

Girl” von Willy DeVille und “Rainy Night In<br />

Georgia” von Tony Joe White geht es bis zu<br />

Jimmy Reeds “You Got Me Cryin’”. Klasse<br />

auch das Traditional “Corinna, Corinna”, und<br />

mit “Cadillac Walk” erweist er dem ewig unterbewerteten<br />

Moon Martin die Ehre. Klasse<br />

Qualitätsware eines Mannes, der schon so<br />

lange im Geschäft ist, dass er genau weiß,<br />

wie man solch hochwertige Vorlagen präsentieren<br />

muss.<br />

(Membran/Sony <strong>Music</strong>, 2013, 12/47:59) us<br />

OTIS TAYLOR<br />

MY WORLD IS GONE<br />

Wie gewohnt zeigt sich Otis Taylors „Trance-Blues”<br />

auch auf seinem neuen Album<br />

äußerst vielschichtig. Neben Jazz, Soul<br />

und Americana geht es auf MY WORLD<br />

IS GONE oft in Richtung Folk, reichen für<br />

viele der Songs sparsame Arrangements<br />

aus Gitarre, Banjo, Fiddle und Drums aus.<br />

Grund hierfür dürfte die Mitwirkung von<br />

Ma<strong>to</strong> Nanji (Indigenous) sein, dessen indianische<br />

Abstammung die gesamte Richtung<br />

des Albums inspiriert und der mit Gesang,<br />

elektrischer und akustischer Gitarre<br />

auch musikalisch Einfluss nimmt. Neben<br />

diesen Ausflügen in die Geschichte Amerikas<br />

singt Taylor aber auch über seine<br />

gewohnten Themen, “Huckleberry Blues”<br />

handelt von einer Stalkerin in der Nachbarschaft,<br />

auf was man bereit ist zu verzichten,<br />

wenn man liebt, wird in “The Wind<br />

Comes In” erzählt. Höchst interessant auch<br />

das Thema von “Girl Friend’s House”, bei<br />

dem hier nicht verraten wird, wie es weitergeht,<br />

als ein Mann seine Frau mit ihrer<br />

Freundin im Ehebett überrascht ...<br />

(Telarc/inakustik, 2013, 13/60:44) tk<br />

JAMES HUNTER SIX<br />

MINUTE BY MINUTE<br />

Bestens<br />

vorbereitet<br />

ist dieses Album,<br />

mit dem James Hunter<br />

nach fünf Jahren<br />

Pause wieder im<br />

Rampenlicht<br />

auftaucht.<br />

Klasse Songs<br />

hat die britische Soul-Bluesröhre – dessen<br />

Stimme immer noch wie ein Mittelding aus<br />

Jackie Wilson und Sam Cooke klingt – für<br />

MINUTE BY MINUTE geschrieben, und<br />

für die Aufnahmen zeigte sich mit Gabriel<br />

Roth ein Produzent verantwortlich, der<br />

nicht nur Gründer des Dap<strong>to</strong>ne Labels ist,<br />

sondern auch für den herrlichen, Grammyausgezeichneten<br />

Vintage-Sound von Amy<br />

Winehouses BACK TO BLACK sorgte.<br />

Dabei glänzen die neuen Stücke auf ganz<br />

unterschiedliche Weise, mal geht es wie<br />

beim Opener “Chicken Switch” in Richtung<br />

Funk, mal lassen die James Hunter Six<br />

“One Way Love” wie einen alten Mo<strong>to</strong>wn-<br />

Hit klingen, mal wird “The Gypsy” als<br />

shuffliger Blues angerichtet, nicht zu vergessen<br />

guter alter Soul wie das emotionale<br />

“Heartbreaks”.<br />

(Concord/Universal, 2013, 12/39:22) tk<br />

BART WALKER<br />

WAITING ON DAYLIGHT<br />

Zweites Album eines außergewöhnlich talentierten<br />

Blues-Rockers aus Nashville, der das<br />

kleine Kunststück fertigbringt, ziemlich exakt<br />

innerhalb eines Dreiecks zu spielen, das von<br />

ZZ Top, den Allman Bro<strong>the</strong>rs und Stevie Ray<br />

Vaughan begrenzt wird. Bart Walker hat (mit<br />

Hilfe einiger Co-Au<strong>to</strong>ren) ein Bündel satt<br />

rockender Sou<strong>the</strong>rn-Bluessongs komponiert,<br />

von denen “Black Clouds” mit seinem brummig<br />

wühlenden Bass, die Ballade “Walking<br />

On Daylight” und das enorm flüssig dahinperlende<br />

“Gotta Be You” die besten Tracks sind.<br />

Sehr geglückt, weil extraflott trabend, kommt<br />

auch J.B. Hut<strong>to</strong>s “Hipshake It” daher, und<br />

eine feine Cover-Version des Allmans-Klassikers<br />

“Whippin’ Post” schließt das kurzweilige<br />

Album würdig ab. Eingespielt wurde es vom<br />

versierten Nashville-Rhythmusgespann Dave<br />

Smith (b) und Steve Potts (dr) sowie bei einigen<br />

Titeln Rick Steff (keys). Bart Walker<br />

hatte als souveräner Saitengreifer den idealen<br />

Rahmen für etliche Gitarrensoli gehobener<br />

Klasse und erweist sich zudem als weit mehr<br />

als nur solider Sänger. Hier reift im Eiltempo<br />

ein Könner heran, von dem noch viel zu hören<br />

sein wird! Walkers Blues muss offensichtlich<br />

auch den erfahrenen Produzenten Jim Gaines<br />

so stark beeindruckt haben, dass er jegliche<br />

Routine beiseite ließ und einen engagierten<br />

Job mit viel Gefühl für delikaten Klangfeinschliff<br />

verrichtete.<br />

(Ruf/inakustik, 2013, 11/47:24) hjg<br />

Seite 50 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>


CD<br />

Blues – R&B – Soul – Funk – Reggae<br />

BEN SIDRAN<br />

DON’T CRY FOR NO<br />

HIPSTER<br />

Mehr als drei Jahre lang hat man nichts<br />

mehr von Ben Sidran gehört. Letztes<br />

Lebenszeichen war sein furioses Bob-<br />

Dylan-Cover-Album DYLAN DIFFE-<br />

RENT. Nun veröffentlicht das 69-jährige<br />

Multitalent (Sänger, Keyboarder,<br />

Buchau<strong>to</strong>r u.a.), das der Anfangsformation<br />

der Steve Miller Band angehörte<br />

und stets gefragter Sessionmusiker war<br />

(Rolling S<strong>to</strong>nes, Eric Clap<strong>to</strong>n, Peter<br />

Framp<strong>to</strong>n etc.), mit DON’T CRY FOR<br />

NO HIPSTER sein 37. Solo-Album.<br />

Und darauf lebt Sidran seine Liebe zur<br />

schwarzen Musik (Jazz, Soul, Funk)<br />

voll und ganz aus. Über coole Akkorde<br />

und groovige Rhythmen, begleitet von<br />

einer punktgenau spielenden Band,<br />

legt er seine smoo<strong>the</strong>n Sprechgesänge.<br />

Man fühlt sich an die Soultalks eines<br />

André Williams, an den frühen Tom<br />

Waits oder auch an Jack Kerouacs Spoken-Word-Jazz-Performances<br />

erinnert.<br />

Cool, groovig, hip!<br />

(Bonsai/Harmonia Mundi, 2013,<br />

14/54:25) frs<br />

FABIAN ANDERHUB<br />

MAKE THE CHANGE<br />

Stetig<br />

bergauf<br />

ging es für diesen<br />

Schweizer<br />

Musiker<br />

im<br />

Laufe der letzten<br />

drei Jahre.<br />

Im<br />

Sommer<br />

gewann Fabian Fbi Anderhub Ad die Swiss<br />

Blues Challenge, was ihn jetzt dazu berechtigt,<br />

sein Heimatland sowohl bei der<br />

International als auch bei der European<br />

Blues Challenge zu vertreten, jetzt zeigt<br />

er seinen musikalischen Konkurrenten<br />

mit MAKE THE CHANGE schon mal,<br />

warum sie sich für beide Wettbewerbe<br />

warm anziehen sollten: Jung, frisch<br />

und unverbraucht rockt er los, hat den<br />

Blues- und Funkanteil signifikant nach<br />

unten gefahren. Dafür hat er Country<br />

(u.a. mit Banjo und Fiddle), eine Akustikballade<br />

sowie eine gehörige Portion<br />

Sou<strong>the</strong>rn Rock mit im Gepäck. Ebenso<br />

abwechslungsreich agiert Anderhub<br />

bei der Song auswahl, neben eigenen<br />

Stücken hat er sich mit zwei Titeln bei<br />

den kanadischen Country-Rockern von<br />

Doc Walker bedient, macht aus Adam<br />

Gregorys Folk-Rocksong “Twister Girl”<br />

bluesigen Hard Rock, beendet das Album<br />

mit einer klasse Version von Freddie<br />

Kings Blues-Rockklassiker aus dem<br />

Jahr 1971, “Palace Of The King”. Stark!<br />

(Big Lake/Rough Trade, 2013,<br />

10/35:11) tk<br />

NINA SIMONE<br />

TO BE FREE: THE NINA<br />

SIMONE STORY<br />

2008 erschien diese Retrospektive<br />

schon einmal als Hochformat-Box, nun<br />

findet man die vier Silberscheiben (drei<br />

CDs, eine DVD) in einem mehrfach<br />

aufklappbaren Digipak. An der Einschätzung<br />

dieser Veröffentlichung hat<br />

sich sei<strong>the</strong>r nichts geändert, immer noch<br />

ist TO BE FREE: THE NINA SIMONE<br />

STORY einer der besten Rückblicke<br />

auf Nina Simones musikalisches Werk.<br />

Chronologisch geht es dabei durch die<br />

Jahre, beginnend mit “Mood Indigo”<br />

aus dem Jahr 1957 bis zu “A Single Woman”,<br />

1993 in Los Angeles aufgenommen.<br />

Neben den Studiotracks sind es<br />

immer wieder die Live-Aufnahmen, bei<br />

denen sie ihr unglaubliches Talent und<br />

ihre geniale Fähigkeit, sich Songs aus<br />

allen Bereichen zu eigen zu machen, beweisen<br />

konnte. Auch das Booklet wurde<br />

(bis auf das halb so große Format) ohne<br />

Änderungen aus der ursprünglichen<br />

Box übernommen, etwas kleiner erhält<br />

man nun ausführliche (englische) Infos<br />

zu jedem Song, herrliche Fo<strong>to</strong>s und Produktionsangaben.<br />

(RCA/Sony <strong>Music</strong>, 2008, 20/77:54,<br />

17/79:02, 14/77:41, DVD 23 Min.) us<br />

ROBBEN FORD<br />

BRINGING IT BACK HOME<br />

Kaum<br />

einer<br />

der<br />

Großen<br />

der Jazz- und<br />

Bluesszene<br />

spielt seine Gitarre<br />

so virtuos<br />

und<br />

zugleich<br />

geschmackvoll wie Robben Ford. Mit<br />

BRINGING IT BACK HOME, seinem<br />

neunten Solowerk, wollte der 61-Jährige<br />

nach eigenem Bekunden seinen<br />

frühen Vorbildern Tribut zollen. Also<br />

hat er Songs aus den 60ern Jahren (Allen<br />

Toussaint, Charlie Pat<strong>to</strong>n, Big Joe Williams,<br />

Bob Dylan) neu interpretiert und<br />