Nr. 34 (SS 13) - Neue Deutsche Burschenschaft
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30<br />
Turnen zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts<br />
Berufliche Laufbahn<br />
Sein Medizinstudium absolvierte Schreber<br />
in den Jahren 1826 bis 1833 in Leipzig,<br />
danach war er einige Jahre Leibarzt<br />
eines russischen Adligen und begleitete<br />
diesen auf Reisen durch mehrere<br />
Länder Europas. Anschließend wurde<br />
er Privatdozent in Leipzig und gründete<br />
später eine Privatklinik. Schreber<br />
heiratete dann die Tochter eines Medizinprofessors,<br />
die Eheleute bekamen<br />
danach zwei Söhne und drei Töchter.<br />
Und Schreber gehörte zu den angesehenen<br />
Ärzten seiner Geburtsstadt.<br />
Seinem vielfältigen Wirken wurde jedoch<br />
bereits 1861 ein plötzliches Ende<br />
gesetzt, als Schreber an einer akuten<br />
Blinddarmentzündung starb. Sein<br />
Einsatz für die Volksgesundheit wirkt<br />
jedoch nach – bis heute.<br />
Gründung des Leipziger<br />
Turnvereins<br />
Schreber war in seiner Kindheit oft<br />
kränklich, gleichzeitig hatte er am eigenen<br />
Leibe erfahren, wie gut körperliche<br />
Übungen seiner Gesundheit taten.<br />
Da er seiner Turnbegeisterung auch<br />
später treu geblieben war, ist es nicht<br />
verwunderlich, dass er 1845 zu den<br />
academicus 1/20<strong>13</strong><br />
Mitgründern des Leipziger Turnvereins<br />
zählte, einer der ersten Turnvereine in<br />
Deutschland. Hier konnten unter Schrebers<br />
Anleitung Erwachsene – Beamte,<br />
Lehrer, Rechtsanwälte, ja sogar Professoren<br />
– ihre Körperkräfte entwickeln.<br />
Wohl im Zusammenhang damit widmete<br />
Schreber sich in seiner Klinik<br />
vor allem den Haltungsschäden von<br />
Kindern. Durchdrungen von der Überzeugung,<br />
dass Kinder in körperlicher<br />
wie geistiger Hinsicht unbegrenzt bildungsfähig<br />
seien, entwickelte Schreber<br />
vielerlei Methoden zur Korrektur<br />
solcher Fehlhaltungen, wobei er auch<br />
vor rigiden Maßnahmen – Festbinden<br />
am Bett, Apparate zur Verbesserung<br />
der Körperhaltung und dergleichen –<br />
nicht zurückschreckte. Diese aus heutiger<br />
Sicht manchmal absonderlichen<br />
Vorkehrungen galten zu seiner Zeit als<br />
fortschrittlich. Fortschrittlich war jedenfalls<br />
tatsächlich, dass Schreber die<br />
Prügelstrafe ablehnte und durch eigene<br />
Eintragungen der Kinder auf einer<br />
Tafel ersetzte; diese wurden einmal im<br />
Monat durch Schreber in großer<br />
Runde besprochen. Seine<br />
Behandlung erreichte hohes<br />
Ansehen unter wohlhabenden<br />
Eltern aus ganz Europa.<br />
1851 hatte Schreber selbst einen<br />
Unfall im Turnsaal seiner<br />
Klinik, der seine schon vorher<br />
auftretenden Kopfschmerzen derart<br />
verschlimmerte, dass er sich aus allen<br />
Ämtern zurückzog und die Leitung der<br />
Klinik weitgehend seiner Frau überließ.<br />
Als Zusammenfassung seiner Erfahrungen<br />
und Maßnahmen veröffentlichte<br />
Schreber unter Aufbietung all seiner<br />
Kräfte 1858 sein wissenschaftliches<br />
Hauptwerk „Kallipädie oder Erziehung<br />
zur Schönheit durch naturgetreue und<br />
gleichmäßige Förderung normaler<br />
Körperbildung, lebenstüchtiger Gesundheit<br />
und geistiger Veredelung“.<br />
Dieses Werk, das mehrmals aufgelegt<br />
wurde, war vor allem für Eltern bestimmt,<br />
enthielt aber auch Anregungen<br />
für Lehrer. Eine gekürzte Volksausgabe,<br />
der „Hausfreund“, erschienen in<br />
Schrebers Todesjahr 1861, fand jedoch<br />
nicht das vom Verfasser erhoffte Echo.<br />
Begründer der „Schwarzen<br />
Pädagogik“?<br />
Umstritten sind heute Schrebers pädagogische<br />
Anschauungen. Dabei geht<br />
es insbesondere um die Erziehung<br />
seiner eigenen Kinder, an denen er<br />
seine Erziehungsmethoden und Korrekturapparate<br />
zunächst erprobte, so<br />
wie auch seine Frau und er selbst ihre<br />
Körper durch tägliche gymnastische<br />
Übungen trainierten. Vor allem das<br />
Lebensschicksal seiner Söhne fand in<br />
den vergangenen Jahrzehnten Beachtung:<br />
Der ältere, Gustav, promovierter<br />
Jurist, brachte sich 1877 selbst ums<br />
Leben. Sein zweiter Sohn, Daniel Paul,<br />
brachte es zum Senatspräsidenten am<br />
Oberlandesgericht Dresden, wurde<br />
jedoch nervenkrank und starb nach<br />
mehreren Krankheitsschüben 1911<br />
in einer Leipziger Nervenheilanstalt.<br />
Kein Geringerer als Sigmund Freud<br />
„<br />
Schreber forderte<br />
ein Gleichgewicht<br />
von Genuss und<br />
Entbehrung in der<br />
Kindeserziehung.“