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Leseprobe - Alpmann Schmidt

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FallSkript<br />

ALPMANN SCHMIDT<br />

Sachenrecht 1<br />

2. Auflage<br />

2013


FallSkript<br />

Sachenrecht 1<br />

2013<br />

Oliver Strauch<br />

Rechtsanwalt und Repetitor<br />

ALPMANN UND SCHMIDT Juristische Lehrgänge Verlagsges. mbH & Co. KG<br />

48143 Münster, Alter Fischmarkt 8, 48001 Postfach 1169, Telefon (0251) 98109-0<br />

AS-Online: www.alpmann-schmidt.de


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Ihr AS-Autorenteam<br />

Strauch, Oliver<br />

FallSkript<br />

Sachenrecht 1<br />

2. Auflage 2013<br />

ISBN: 978-3-86752-216-8<br />

Verlag <strong>Alpmann</strong> und <strong>Schmidt</strong> Juristische Lehrgänge<br />

Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Münster<br />

Die Vervielfältigung, insbesondere das Fotokopieren,<br />

ist nicht gestattet (§§ 53, 54 UrhG) und strafbar (§ 106 UrhG).<br />

Im Fall der Zuwiderhandlung wird Strafantrag gestellt.


Klausurtechnik u. -taktik<br />

A. Oberste Klausurregel<br />

Klausurtechnik und -taktik<br />

„Ruhe bewahren – andere kochen auch nur mit Wasser.“<br />

B. Technischer Ablauf:<br />

Der technische Ablauf einer Klausur stellt prinzipiell einen „Vierakter“ dar;<br />

optimal mit folgendem Ablauf:<br />

1. Akt: Vollständiges Erfassen des Sachverhalts<br />

2. Akt: Erstellen einer vollständigen Lösungsskizze (Gliederung)<br />

3. Akt: Niederschrift des Gutachtens<br />

4. Akt: Durchlesen der eigenen Lösung und „Feilen“ an der Lösung<br />

C. Die sieben Regeln für eine erfolgreiche Klausurbearbeitung:<br />

I. Sachverhaltsaufbereitung<br />

• Der Sachverhalt sollte sorgfältig mindestens zwei- bis dreimal vollständig<br />

gelesen werden.<br />

• Danach sollte man eine Sachverhaltsskizze und/oder Zeitstrahl erstellen,<br />

in der man die Beteiligten zueinander bereits in das richtige „rechtliche<br />

Verhältnis“ setzt<br />

• Dabei können auf einem gesondertem Blatt die ersten Ideen („§§ ..., konkludente<br />

Anfechtung, leichte Fahrlässigkeit“ etc.) notiert werden.<br />

Klausurtipp: Die ersten Ideen sind häufig die besten!<br />

II. Fragestellung erarbeiten<br />

Fragestellung genau herausarbeiten und auch beachten; dabei<br />

• Aufgliederung nach Sachverhaltsteilen, Personen und erfragten Rechtsfolgen.<br />

• Interessengegensätze herausfinden; d.h.: „Worum geht es in dem Fall bzw.<br />

zwischen den Parteien?“<br />

• Dabei die W-Fragen beachten: Wer-will-was-von wem-woraus?<br />

III. Rechtliches Durchdringen des Falles<br />

Die rechtliche Durchdringung des Falles und die Erstellung der Lösungsskizze<br />

vollzieht sich in zwei Phasen:<br />

1. Brainstorming (Kreative Phase):<br />

• Auffinden und Ordnen der fallverdächtigen Rechtsnormen.<br />

• Alle Gesetze – auch wenn hinlänglich bekannt – lesen, um nichts zu<br />

vergessen.<br />

Klausurtipp: Auch immer „zwei §§ davor und zwei dahinter prüfen“!!!<br />

2. Disziplinierte Prüfung (Arbeitsphase)<br />

• Akribische Prüfung der für lösungsrelevant erkannten Rechtsnormen.<br />

IV. Der Sachverhalt ist mitteilsam und heilig!!!<br />

1. Eine Klausurlösung muss sich ergeben wie eine „Klickerbahn“: Ein Teil<br />

muss sich aus dem anderen ergeben; wenn es bei der Lösung nicht richtig<br />

weitergeht, darf nicht der Sachverhalt dem gewollten Ergebnis angepasst<br />

werden, sondern der eigene Lösungsansatz muss überprüft werden.<br />

2. Ausnahmen:<br />

• Im Sachverhalt nicht genannte Formalien dürfen als gegeben<br />

angenommen werden (z.B. formgerechte Klageerhebung).<br />

• Bei Lücken im Sachverhalt immer lebensnahe Auslegung; aber nur,<br />

wenn sie für die Lösung auch wirklich erforderlich ist.<br />

• An Rechtsansichten der Beteiligten ist man nicht gebunden, vielmehr<br />

können sie ein Tipp des Klausurstellers, aber auch eine Falle sein!


Klausurtechnik u. -taktik<br />

Merke:<br />

Immer kritikfähig in Bezug<br />

auf die eigene Lösung<br />

bleiben !<br />

V. Schwerpunktbildung<br />

1. Bereits bei der Erstellung der Gliederung problemorientiert prüfen,<br />

Schwerpunkte bilden und in der Lösungsskizze kennzeichnen (z.B. durch<br />

eine andere Farbe oder mit einem „P“).<br />

2. Als abwegig Erkanntes aussortieren!<br />

VI. Prüfungsreihenfolge vom Speziellen zum Besonderen<br />

1. Prüfungsreihenfolge im Zivilrecht (sofern nicht durch Fragestellung eingeengt)<br />

• Primäranspruch vor Sekundäranspruch<br />

• Vertragliche immer vor gesetzlichen Ansprüchen etc.<br />

2. Spezialnormen vor Generalnormen (Gewährleistungsrecht ist bei Sachoder<br />

Rechtsmängeln spezieller und verdrängt den Generaltatbestand des<br />

§ 280 Abs. 1 BGB.)<br />

3. Logische Vorränge beachten<br />

• Verfahrensrechtliche Vorränge beachten (Zulässigkeit vor Begründetheit<br />

einer Klage)<br />

• §§ 987 ff. BGB schließen §§ 812 ff., §§ 823 ff. bzgl. der Herausgabe von<br />

Nutzungen und bzgl. Schadensersatz nach § 993 Abs. 1, 2. Halbs. BGB<br />

(Sperrwirkung der EBV) aus.<br />

4. Konkrete Prüfungsaufhänger suchen<br />

Keine abstrakten Erörterungen, sondern Probleme stets konkret am Tatbestandsmerkmal<br />

erörtern.<br />

VII. Handwerkliches Können bei der Erstellung der Lösung<br />

1. Bei der Subsumtion immer den Pendelblick bewahren zwischen der zu<br />

prüfenden Norm, der Fragestellung, dem Sachverhalt und dem Gesetzestext.<br />

2. Gesetzesnorm genau bezeichnen (nicht „§ 812 BGB“, sondern „§ 812<br />

Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB“) und vollständig prüfen.<br />

3. Reihenfolge: Definition, dann Subsumtion, dann (Zwischen-)Ergebnis<br />

(„Somit besteht der Anspruch aus ...“).<br />

Nicht Ergebnis voranstellen, da Urteilsstil („Der Anspruch besteht, denn<br />

...“)!<br />

4. Klare und geraffte Argumentationen („dafür/dagegen; zu folgen ist“)<br />

5. Meinungsstreite nur nach vorheriger Herleitung und nur, wenn es für die<br />

Falllösung darauf ankommt. Nach der Darstellung der einzelnen Meinung<br />

Ergebnis zum konkreten Fall. Bei verschiedenen Ergebnissen: Stellungnahme<br />

nicht vergessen!<br />

6. Tatbestandsmerkmale können offen gelassen werden, wenn ihr Vorliegen<br />

problematisch ist und die Norm wegen eines anderen, gleichrangigen<br />

Tatbestandsmerkmals nicht vorliegt.<br />

7. Wichtig: Gliederungspunkte verwenden, da nur so dem Prüfer klar wird,<br />

dass man die Systematik (z.B. Obervoraussetzung, Untervoraussetzung;<br />

Anwendbarkeit – Voraussetzungsseite – Rechtsfolge) beherrscht. Also<br />

nicht in „einer Soße“ runterschreiben! Hingegen sind Überschriften, z.B.<br />

„Tatbestand“, „Rechtswidrigkeit“ entbehrlich.<br />

8. Bilden Sie Schwerpunkte. D.h. ausführliche Argumentation an den<br />

„Knackpunkten“ des Falles, hingegen Unproblematisches kurz erörtern.<br />

(Ausführlich zum Gutachtenstil s. AS-Skript „Methodik der Fallbearbeitung“.)


Inhalt<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

1. Teil: Grundprinzipien des Sachenrecht ................................................................. 1<br />

Fall 1: Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip ...................................................... 1<br />

Fall 2: Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz ......................................... 6<br />

2. Teil: Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums an<br />

beweglichen Sachen durch den Berechtigten, §§ 929 ff. .................. 9<br />

• Übersicht: Relevanz und Inhalt des Besitzes ............................................................ 9<br />

• Prüfschema: Eigentumserwerb an beweglichen Sachen<br />

vom Berechtigten, §§ 929 ff. ........................................................................................10<br />

Fall 3: Die Bindungswirkung der dinglichen Einigung im Zeitpunkt<br />

der Vollendung des Rechtserwerbs ...............................................................13<br />

Fall 4: Die Übereignung beweglicher Sachen durch den verfügungsbefugten<br />

Eigentümer im Falle der Stellvertretung ..................................16<br />

Fall 5: Die Übergabe nach § 929 S. 1 ..........................................................................19<br />

Fall 6: Der Geheißerwerb (Streckengeschäft) .........................................................21<br />

Fall 7: Der Wechsel des unmittelbaren Besitzes bei der Übergabe<br />

nach § 929 S. 1 .......................................................................................................25<br />

Fall 8: Die Übereignung beweglicher Sachen durch den nicht<br />

verfügungsbefugten (insolventen) Eigentümer .......................................28<br />

Fall 9: Die Übereignung kurzer Hand nach § 929 S. 2 ..........................................31<br />

Fall 10: Das Übergabesurrogat durch Besitzkonstitut nach § 930<br />

(Grundfall) ...............................................................................................................34<br />

Fall 11: Das Übergabesurrogat durch Besitzkonstitut nach § 930<br />

beim gesetzlichen Besitzmittlungsverhältnis ............................................36<br />

Fall 12: Das Übergabesurrogat durch Abtretung des Herausgabeanspruchs<br />

nach § 931 (Grundfall) ...................................................................38<br />

3. Teil: Der Erwerb vom Nichtberechtigten sowie<br />

der lastenfreie Erwerb .......................................................................................40<br />

• Prüfschema: Eigentumserwerb an beweglichen Sachen<br />

vom Nichtberechtigten, §§ 932 ff. .............................................................................40<br />

Fall 13: Die Übereignung beweglicher Sachen durch den<br />

Nichtberechtigten (Grundfall) .........................................................................43<br />

Fall 14: Die Übereignung beweglicher Sachen durch den Nichtberechtigten<br />

im Falle der Stellvertretung ...................................................45<br />

Fall 15: Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrgeschäfts ....................................48<br />

Fall 16: Der gutgläubiger Scheingeheißerwerb nach §§ 929 S. 1,<br />

932 Abs. 1 S. 1 ........................................................................................................51<br />

Fall 17: Der gutgläubige Erwerb bei Vereinbarung eines Übergabesurrogats<br />

nach §§ 929 S. 1, 930, 933 und nach §§ 929 S. 1,<br />

931, 934 (Der Fräsmaschinenfall) ....................................................................56<br />

Fall 18: Der gutgläubige Erwerb mittels Erbscheins, §§ 929 ff., 2366 ...............59<br />

Fall 19: Gutgläubigkeit gemäß § 932 Abs. 2 ..............................................................62<br />

Fall 20: Das Abhandenkommen, § 935 ........................................................................65<br />

I


Inhalt<br />

Fall 21: Der erweiterte Gutglaubenserwerb nach § 366 HGB ............................. 68<br />

Fall 22: Das Eigentum an Pfandflaschen ..................................................................... 70<br />

4. Teil: Das Anwartschaftsrecht an beweglichen Sachen ............................... 73<br />

• Prüfschema: Anwartschaftsrecht ............................................................................... 73<br />

Fall 23: Die Schutzwirkungen des Anwartschaftsrechts, § 161 .......................... 75<br />

Fall 24: Der Ersterwerb des Anwartschaftsrechts .................................................... 78<br />

Fall 25: Das Anwartschaftsrecht in der Insolvenz .................................................... 83<br />

Fall 26: Der gutgläubige Ersterwerb des Anwartschaftsrechts vom<br />

Nichtberechtigten ............................................................................................... 85<br />

Fall 27: Konkurrenz von Sicherungseigentum und Vermieterpfandrecht ..... 87<br />

5. Teil: Der Eigentumserwerb kraft Gesetzes bzw.<br />

kraft Hoheitsaktes .............................................................................................. 92<br />

• Prüfschema: Eigentumserwerb kraft Gesetzes/Hoheitsakts ............................ 92<br />

Fall 28: Grundstücksverbindung gemäß § 946 ........................................................ 95<br />

Fall 29: Fahrnisverbindung gemäß § 947 ................................................................... 99<br />

Fall 30: Vermischung und Vermengung beweglicher Sachen<br />

gemäß § 948 ........................................................................................................101<br />

Fall 31: Verarbeitung gemäß § 950 .............................................................................103<br />

Fall 32: Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen<br />

gemäß §§ 953 ff. .................................................................................................106<br />

6. Teil: Eigentümer-Besitzer-Verhältnis; §§ 987 ff. ..........................................109<br />

• Übersicht: Vindikationslage und EBV .....................................................................109<br />

Fall 33: Haftung des unrechtmäßigen Besitzers auf Schadensersatz ............110<br />

Fall 34: Zurechnung der Bösgläubigkeit Dritter;<br />

Vorenthaltungsschaden ..................................................................................113<br />

Fall 35: Haftung des „nicht-so-berechtigten“ Besitzers /<br />

Fremdbesitzerexzess ........................................................................................120<br />

Fall 36: Haftung des „noch-berechtigten“ Besitzers .............................................124<br />

Fall 37: Die Privilegierung nach § 991 .......................................................................127<br />

Fall 38: Rechtsgrundloser Erwerb, § 988 analog ....................................................129<br />

Fall 39: Verwendungsersatz; Sperrwirkung der §§ 994 ff. ..................................132<br />

• Prüfschema: Vertragliches (§§ 1204 ff.) und gesetzliches (§ 1257)<br />

Pfandrecht an beweglichen Sachen .......................................................................136<br />

Stichwortverzeichnis ........................................................................................................138<br />

II


Grundprinzipien des Sachenrechts<br />

1. Teil<br />

1. Teil: Grundprinzipien des Sachenrechts<br />

Fall 1: Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip<br />

E ist Eigentümer eines echten Bildes von Wilhelm Maria Hubertus Leibl,<br />

das er fälschlicherweise für eine gelungene Kopie hält. Da E nur an echten<br />

Kunstwerken interessiert ist, verkauft und übereignet er mit dieser<br />

Vorstellung das Bild für 5.000 € an K, der das Bild ebenfalls für eine Kopie<br />

hält. Als K wenig später das Bild gutachterlich untersuchen lässt, stellt<br />

sich die Echtheit des Bildes heraus. Das Bild ist über 1.000.000 € wert.<br />

Nachdem auch E von der Echtheit des Bildes erfahren hat, ficht er alle<br />

Rechtsgeschäfte mit K unverzüglich an und verlangt die Herausgabe<br />

des Bildes. Zu Recht?<br />

A. Anspruch aus § 985<br />

E könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Bildes aus § 985 haben.<br />

I. Eigentümerstellung des E<br />

Dazu müsste E als Anspruchssteller zunächst gemäß § 985 Eigentümer des<br />

Bildes sein.<br />

1. Ursprünglich war E Eigentümer des Bildes.<br />

2. E könnte sein Eigentum am Bild gemäß § 929 S. 1 an K verloren haben.<br />

a) Einigung i.S.d. § 929 S. 1<br />

Dazu müssten sich E und K zunächst über den Eigentumsübergang am Bild<br />

i.S.d. § 929 S. 1 geeinigt haben.<br />

Indem E das Bild an K übereignet, haben sich beide über den Eigentumsübergang,<br />

also den Eigentumswechsel von E auf K, nach § 929 S. 1 geeinigt.<br />

b) Wirksamkeit der Einigung<br />

Ferner müsste die Einigung i.S.d. § 929 S. 1 zwischen E und K wirksam sein.<br />

E könnte seine im Rahmen der dinglichen Einigung i.S.d. § 929 S. 1 abgegebene<br />

Willenserklärung gemäß § 142 Abs. 1 wirksam angefochten haben,<br />

sodass seine Willenserklärung, und damit die ganze Einigung von Anfang<br />

an (ex tunc) nichtig ist.<br />

aa) Eine ausdrückliche Anfechtungserklärung des E gegenüber dem richtigen<br />

Anfechtungsgegner K nach § 143 Abs. 1 liegt vor.<br />

bb) Ferner müsste auch ein Anfechtungsgrund des E bestehen.<br />

Als Anfechtungsgrund kommt vorliegend ein Eigenschaftsirrtum des E<br />

i.S.d. § 119 Abs. 2 in Betracht. Ob jedoch ein Irrtum über eine verkehrswesentliche<br />

Eigenschaft i.S.d. § 119 Abs. 2 nur das Verpflichtungsgeschäft betreffen<br />

kann oder ob daneben auch das Verfügungsgeschäft angefochten<br />

werden kann, ist umstritten.<br />

(1) Nach einer Ansicht ist eine Anfechtung des Verfügungsgeschäfts nach<br />

§ 119 Abs. 2 nicht möglich. 1 Man müsse schließlich den Inhalt eines Verfü-<br />

Merke:<br />

Für die Formulierung des<br />

Obersatzes einer rechtsgeschäftlichen<br />

Übereignung<br />

von Sachen ist entscheidend,<br />

wer an wen<br />

nach welcher Vorschrift<br />

sein Eigentum verloren<br />

haben könnte. Warum<br />

oder wodurch dies geschehen<br />

ist, ist hierfür<br />

nicht maßgeblich!<br />

Umstritten ist, ob ein Verfügungsgeschäft<br />

nach<br />

§ 119 Abs. 2 wegen eines<br />

Irrtums über eine verkehrswesentliche<br />

Eigenschaft<br />

überhaupt anfechtbar<br />

ist.<br />

1 Grigoleit AcP 199, 379, 396 ff.; Haferkamp Jura 1998, 511, 513.<br />

1


1. Teil<br />

Grundprinzipien des Sachenrechts<br />

gungsgeschäfts darauf beschränken, die neue Rechtszuordnung herbeizuführen<br />

und den Verfügungsgegenstand und die an der Verfügung beteiligten<br />

Personen zu bestimmen, sodass Eigenschaften grundsätzlich für die<br />

Verfügungserklärung nicht verkehrswesentlich seien. Dies liege am Abstraktionsprinzip,<br />

sodass ein Irrtum nach § 119 Abs. 2 BGB nur im Rahmen<br />

des Verpflichtungsgeschäfts, i.d.R. aber nicht beim Verfügungsgeschäft,<br />

vorliege.<br />

Hiernach wäre eine Anfechtung der im Rahmen der dinglichen Einigung<br />

von E abgegebenen Willenserklärung wegen Eigenschaftsirrtums nach<br />

§ 119 Abs. 2 nicht möglich.<br />

(2) Nach anderer Ansicht ist dagegen auch das Verfügungsgeschäft nach<br />

§ 119 Abs. 2 anfechtbar. 2 Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass sich<br />

der Eigenschaftsirrtum bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts auch auf<br />

das Verfügungsgeschäft erstrecken werde. Meist werde sogar der Abschluss<br />

beider Rechtsgeschäfte in einem Willensakt zusammenfallen, sodass<br />

es nicht vorstellbar sei, dass im Rahmen der dinglichen Erklärung der<br />

zuvor angenommene Irrtum keine Rolle gespielt habe. Wenn der Irrtum<br />

über eine verkehrswesentliche Eigenschaft sowohl beim Verpflichtungsgeschäft<br />

als auch beim Verfügungsgeschäft gegeben sei, handele es sich um<br />

einen Fall der Fehleridentität. Bei Vorliegen einer derartigen Fehleridentität<br />

stelle eine Anfechtungsmöglichkeit auch des Verfügungsgeschäfts keine<br />

Missachtung des Abstraktionsprinzips dar.<br />

Dieser Ansicht nach wäre daher eine Anfechtung der im Rahmen der dinglichen<br />

Einigung von E abgegebenen Willenserklärung wegen Eigenschaftsirrtums<br />

nach § 119 Abs. 2 möglich.<br />

(3) Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist eine<br />

Streitentscheidung erforderlich. Der zweiten Ansicht ist zu folgen.<br />

Denn falls die mit einer Verfügung gewollte Erfüllung des Kausalgeschäftes<br />

sich auf die geschuldete Leistung bezieht (§ 362 Abs. 1 BGB), bestimmt im<br />

Fall eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Verpflichtungs- und<br />

Verfügungsgeschäft der Irrtum über die verkehrswesentlichen Eigenschaften<br />

beim Kausalgeschäft auch die nachfolgende Erklärung im Rahmen des<br />

Erfüllungsgeschäfts. Das bedeutet, die dingliche Verfügung vollzieht (nur)<br />

die gewollte Erfüllung des Kaufvertrages und stellt damit letztlich „die geschuldete<br />

Leistung“ i.S.d. § 362 Abs. 1 dar.<br />

Hier ging E sowohl bei Abschluss des Kaufvertrages als auch bei der sich anschließenden<br />

Übereignung fälschlicherweise davon aus, dass das Bild eine<br />

Kopie ist. Mithin irrte er noch bei Abgabe der dinglichen Willenserklärung<br />

i.S.d. § 929 S. 1 über die Urheberschaft des Bildes. Selbst wenn die Urheberschaft<br />

des Bildes einen wertbildenden Faktor und damit eine verkehrswesentliche<br />

Eigenschaft i.S.d. § 119 Abs. 2 (nur) im Rahmen des Verpflichtungsgeschäftes,<br />

also im Rahmen des Kaufvertrages nach § 433, darstellen<br />

sollte, wirkt der Irrtum aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhang zwischen<br />

Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft (Fehleridentität) auch<br />

noch beim Verfügungsgeschäft fort.<br />

2 Palandt/Ellenberger Überbl vor § 104 Rdnr. 23; Staudinger/Wiegand, § 929 Rdnr. 2, 19; Brox, BGB<br />

AT, Rdnr. 440, 442; Grundmann JA 1985, 80, 83 ff.<br />

2


Fall 1: Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip<br />

Somit liegt ein Anfechtungsgrund in Form eines Eigenschaftsirrtums des E<br />

i.S.d. § 119 Abs. 2 vor.<br />

cc) Des Weiteren ist durch die unverzügliche Anfechtung des E auch die<br />

Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 eingehalten.<br />

dd) Zudem liegt mangels Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäftes<br />

auch kein Ausschluss der Anfechtung gemäß § 144 vor.<br />

ee) Folglich ist E gemäß § 142 Abs. 1 aufgrund der wirksamen Anfechtung<br />

der dinglichen Willenserklärung rückwirkend wieder Eigentümer des Bildes<br />

geworden.<br />

II. Besitzerstellung des K<br />

Ferner müsste K als Anspruchsgegner gemäß § 985 der Besitzer des Bildes<br />

sein.<br />

K übt die unmittelbare Sachherrschaft über das Bild aus und ist damit unmittelbarer<br />

Besitzer des Bildes i.S.d. § 854 Abs. 1.<br />

III. Kein Recht des K zum Besitz<br />

Des Weiteren dürfte dem Anspruchsgegner K kein Recht zum Besitz i.S.d.<br />

§ 986 zustehen.<br />

In Betracht kommt der Kaufvertrag zwischen E und K als ein relatives (= obligatorisches)<br />

Recht zum Besitz, das nur zwischen den Parteien (inter partes)<br />

wirkt und den Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 1 gegenüber dem Käufer zur<br />

Übergabe und Übereignung verpflichtet.<br />

Allerdings könnte sich K hier nicht auf den Kaufvertrag als relatives Rechts<br />

zum Besitz gegenüber K berufen, wenn E seine im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses<br />

abgegebene Willenserklärung rückwirkend nach § 142<br />

Abs. 1 angefochten und damit das Verpflichtungsgeschäft beseitigt hat.<br />

1. Dazu müsste zunächst die Anfechtung gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner<br />

i.S.d. § 143 Abs. 1 erklärt worden sein.<br />

Zwar hat E die Anfechtung gemäß § 143 Abs. 1 gegenüber K erklärt, aber<br />

fraglich ist, ob sich diese Erklärung auch auf die im Rahmen des Kaufvertragsabschluss<br />

abgegebene Willenserklärung erstreckt.<br />

Aufgrund des Abstraktionsprinzips ist grundsätzlich zwischen dinglichen<br />

und schuldrechtlichen Willenserklärungen und damit Rechtsgeschäften zu<br />

unterscheiden. Die Anfechtung des einen Rechtsgeschäfts hat daher nicht<br />

notwendigerweise auch die Anfechtung des anderen Rechtsgeschäfts zur<br />

Folge. Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass von einem Rechtsunkundigen<br />

die Vornahme einer genauen Differenzierung nicht erwartet werden<br />

kann. Vielmehr gebietet eine normative Auslegung, dass im Zweifel alle<br />

Rechtsgeschäfte angefochten werden sollen, die zur Erreichung des verfolgten<br />

Ziels, hier die Herausgabe des Bildes, angefochten werden müssen.<br />

Eine wirksame Anfechtungserklärung des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes<br />

gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner liegt demnach<br />

vor.<br />

2. Zudem müsste ein Anfechtungsgrund vorliegen.<br />

Auch im Zeitpunkt der Abgabe der schuldrechtlichen Willenserklärung hat<br />

sich E über die Urheberschaft des Bildes und damit über eine verkehrswesentliche<br />

Eigenschaft i.S.d. § 119 Abs. 2 geirrt.<br />

1. Teil<br />

Durch die Anfechtung<br />

des Verfügungsgeschäfts<br />

fällt das Eigentum an den<br />

Veräußerer zurück, ohne<br />

dass es einer Rückübertragung<br />

bedarf.<br />

3


1. Teil<br />

Hinsichtlich der Anwendbarkeit<br />

der Anfechtungsregeln<br />

muss bei Vorliegen<br />

eines Anfechtungsgrundes<br />

gemäß § 119<br />

Abs. 2 die Konkurrenz zu<br />

anderen Rechtsinstituten<br />

beachtet werden.<br />

Grundprinzipien des Sachenrechts<br />

Somit liegt ein Anfechtungsgrund i.S.d. § 119 Abs. 2 vor.<br />

3. Zudem ist die Anfechtung auch unverzüglich und somit innerhalb der<br />

Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 erklärt worden.<br />

4. Kein Ausschluss<br />

Ferner dürfte die Anfechtung nicht ausgeschlossen sein.<br />

a) Die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 könnte hier durch den Vorrang der<br />

Mängelgewährleistungsvorschriften des Kaufrechts gemäß §§ 434 ff.<br />

verdrängt werden.<br />

Dies ist dann der Fall, wenn die Mängelgewährleistungsrechte tatbestandlich<br />

einschlägig sind und sich der Irrtum des Anfechtenden auf mängelrelevante<br />

Umstände bezieht. Dies ergibt sich bei systematischer Auslegung<br />

des Gesetzes. Würde man in diesem Fall ein Anfechtungsrecht gemäß<br />

§ 119 Abs. 2 BGB gewähren, würden damit die gesetzlichen Besonderheiten<br />

des Gewährleistungsrechts unterlaufen.<br />

Allerdings regeln die §§ 434 ff. lediglich Rechte des Käufers, sodass eine<br />

Konkurrenz zum Anfechtungsrecht des E als Verkäufer nicht in Betracht<br />

kommt und damit dessen Anfechtungsrecht auch nicht verdrängen kann.<br />

b) Auch ein Ausschluss der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 aus dem Gesichtspunkt<br />

der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 scheidet<br />

vorliegend aus.<br />

Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn sich der Verkäufer durch eine<br />

Anfechtung des Kaufvertrages nach § 119 Abs. 2 etwaigen Gewährleistungsrechten<br />

des Käufers entziehen könnte. 3 Die Geltendmachung von<br />

Gewährleistungsrechten seitens des K ist hier aber nicht zu erwarten.<br />

c) Die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 könnte aber wegen des Vorrangs der<br />

Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 ausgeschlossen<br />

sein.<br />

Ob bei einem Doppelirrtum – wie hier – ausnahmsweise nach § 313 zu behandeln<br />

ist und damit die Anwendung des § 119 Abs. 2 ausgeschlossen ist,<br />

ist umstritten.<br />

aa) Einer Ansicht nach ist der Doppelirrtum vorrangig nach den Grundsätzen<br />

der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313) zu behandeln. Denn sonst<br />

hänge es allein vom Zufall ab, wer die Anfechtung zuerst erkläre und sich<br />

somit über § 122 Abs. 1 schadensersatzpflichtig mache. 4<br />

bb) Einer anderen Ansicht nach schließt ein Doppelirrtum das Anfechtungsrecht<br />

nach § 119 Abs. 2 nicht aus. Bei der Irrtumsanfechtung durch eine<br />

Partei sei es bedeutungslos, ob auch der Vertragspartner dem gleichen<br />

Irrtum unterlegen sei. 5<br />

cc) Die Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass eine<br />

Stellungnahme erforderlich ist. Der zweiten Ansicht zu folgen. Denn auch<br />

beim Doppelirrtum wird grundsätzlich nur die Partei ihre Willenserklärung<br />

3 BGH NJW 1988, 2597.<br />

4 BGH NJW 1986, 1348, 1349; BGH, Urt. v. 11.10.2000 – VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226; Palandt/<br />

Ellenberger § 119 Rdnr. 30.<br />

5 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 162; Wieling Jura 2001, 577, 585; Flume JZ 1991, 633, 634.<br />

4


Fall 1: Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip<br />

1. Teil<br />

wegen Irrtums anfechten, die sich davon einen Vorteil verspricht. Dann ist<br />

es aber auch nicht unbillig, wenn dieser mit der Schadensersatzpflicht nach<br />

§ 122 Abs. 1 belastet wird.<br />

Ein Ausschluss des § 119 Abs. 2 wegen Vorrangs der Grundsätze über die<br />

Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 liegt daher ebenfalls nicht vor.<br />

5. Zwischenergebnis<br />

Folglich ist der Kaufvertrag rückwirkend durch die Anfechtung der im Rahmen<br />

des Kaufvertragsabschlusses von E abgegebenen Willenserklärung<br />

nach § 142 Abs. 1 beseitigt worden.<br />

Mithin kann daraus kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 begründet bzw. abgeleitet<br />

werden kann, sodass E gegenüber K einen Anspruch auf Herausgabe<br />

des Bildes aus § 985 hat.<br />

B. Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var.<br />

E könnte jedoch gegenüber K einen Anspruch auf Herausgabe des Bildes<br />

aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. haben.<br />

Dazu müsste K etwas durch Leistung des F ohne rechtlichen Grund erlangt<br />

haben.<br />

I. Unter „etwas“ ist jeder vermögenswerte (rechtliche) Vorteil zu verstehen.<br />

K hat als vermögenswerten (rechtlichen) Vorteil den unmittelbaren<br />

Besitz am Bild und damit „etwas“ i.S.d. § 812 Abs. 1 erlangt.<br />

II. Ferner müsste K diesen Vermögensvorteil auch durch Leistung des Anspruchstellers<br />

E erlangt haben.<br />

Unter einer Leistung ist bei der Kondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. jede<br />

bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zur Erfüllung<br />

einer, wenn auch nur vermeintlich bestehenden, Verbindlichkeit zu<br />

verstehen. Hier mehrt E bewusst und zweckgerichtet das Vermögen des K<br />

zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Übergabe und Übereignung aus<br />

§ 433 Abs. 1 S. 1, sodass eine Leistung des E vorliegt.<br />

III. Zudem müsste K den unmittelbaren Besitz am Bild auch ohne rechtlichen<br />

Grund erlangt haben.<br />

Das ist der Fall, wenn der mit der Leistung des E bezweckte Erfolg verfehlt<br />

worden ist. Dies wiederum ist jedenfalls dann der Fall, wenn das der Leistung<br />

zugrunde liegende Vertragsverhältnis nicht besteht.<br />

Hier hat E den Kaufvertrag durch die wirksame Anfechtung seiner im Rahmen<br />

des Kaufvertragsabschlusses abgegebenen Willenserklärung gemäß<br />

§ 142 Abs. 1 rückwirkend beseitigt. Mithin gab es auch keine Verbindlichkeit<br />

aus diesem Vertrag zu erfüllen, sodass der verfolgte Erfüllungszweck<br />

verfehlt worden ist. Somit hat K den unmittelbaren Besitz am Bild auch ohne<br />

rechtlichen Grund erlangt.<br />

Mithin hat E gegenüber K einen Anspruch auf Herausgabe des Bildes aus<br />

§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var.<br />

5


Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen<br />

2. Teil<br />

2. Teil: Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums an beweglichen<br />

Sachen durch den Berechtigten, §§ 929 ff.<br />

Relevanz und Inhalb des Besitzes<br />

Besitzschutz<br />

Eigentumsvermutung<br />

Publizitätsfunktion<br />

Sicherungswirkung<br />

Ersitzungswirkung<br />

Dient dem<br />

Rechtsfrieden<br />

§§ 861, 862 BGB<br />

Vermutungswirkung<br />

des Besitzes<br />

für das Eigentum,<br />

§ 1006<br />

BGB<br />

Übereignung<br />

einer beweglichen<br />

Sache muss<br />

grds. durch Besitzübertragung<br />

offenkundig gemacht<br />

werden<br />

Anknüpfungspunkt<br />

für gutgl.<br />

Erwerb, §§ 932 ff.<br />

BGB<br />

Bei unfreiwilligem<br />

Besitzverlust<br />

wird der<br />

Eigentümer vor<br />

einem Eigentumsverlust<br />

geschützt,<br />

§ 935<br />

BGB<br />

Gutgläubiger<br />

Eigenbesitzer<br />

erwirbt nach<br />

10 Jahren<br />

(§ 937 BGB) bzw.<br />

30 Jahren (§ 927<br />

BGB) das Eigentum<br />

Gegenstand des Besitzes<br />

tatsächliche Beziehung einer Person zu einer Sache<br />

abhängig von der Intensität der Beziehung zur Sache<br />

ist weiter zu differenzieren:<br />

getragen von einem Besitzwillen<br />

abhängig von der Willensrichtung<br />

ist weiter zu differenzieren:<br />

unmittelbarer Besitz mittelbarer Besitz Eigenbesitz Fremdbesitz<br />

faktisches „Haben“ der Sache<br />

§ 854 Abs. 1<br />

allein mit mehreren<br />

§ 866<br />

an der ganzen Sache oder an<br />

Teil der Sache (§ 865)<br />

nicht: Besitzdiener (§ 855), nur<br />

Werkzeug des Besitzers, wenn:<br />

soziales Abhängigkeitsverhältnis<br />

Weisungsgebundenheit<br />

der unmittelb. Besitzer vermittelt<br />

einer anderen Person den<br />

Besitz, sodass auch dieser (mittelb.)<br />

Besitzer der Sache ist,<br />

gem. § 868, wenn:<br />

1. Vorliegen eines konkreten<br />

Rechtsverhältnisses i.S.d.<br />

§ 868<br />

– rechtsgeschäftlich<br />

– gesetzlich, z.B. §§ 1353;<br />

1626<br />

2. daraus Besitzberechtigung<br />

auf Zeit und daher Herausgabeanspruch<br />

des mittel -<br />

baren gegen den un mit tel -<br />

baren Besitzer bei Ablauf der<br />

Besitzzeit<br />

3. Fremdbesitzerwille des unmittelbaren<br />

Besitzers erforderlich;<br />

er muss also mit tel -<br />

baren Besitzer als „Oberbesitzer“<br />

anerkennen<br />

(§ 872) Besitzer besitzt die<br />

Sache für einen<br />

anderen (nicht:<br />

§ 855, da Besitzdiener<br />

überhaupt kein<br />

Besitzer)<br />

9


2. Teil<br />

Prüfschema: Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Berechtigten, §§ 929 ff.<br />

Beachte: Oft wird der<br />

fehlende Widerruf der Einigung<br />

als gesonderter<br />

Prüfungspunkt „Einigsein<br />

im Zeitpunkt der<br />

Vollendung des Rechtserwerbs“<br />

verstanden.<br />

Eine solche Prüfung wirkt<br />

aber in Fällen, in denen<br />

keine Anhaltspunkte für<br />

einen Widerruf bestehen,<br />

gekünstelt. Daher wird<br />

in der Falllösung i.d.R.<br />

darauf verzichtet (vgl.<br />

AS-Skript Sachenrecht 1,<br />

18. Aufl. 2013, Rdnr. 117 ff.).<br />

Prüfschema: Eigentumserwerb an beweglichen Sachen<br />

vom Berechtigten, §§ 929 ff.<br />

I. Einigung, § 929 S. 1<br />

1. Einigung über den Eigentumswechsel<br />

a) Einigung unmittelbar zwischen Veräußerer und Erwerber<br />

b) Einigung unter Einschaltung von Organen oder Vertretern<br />

Beachte: Vertretung nur möglich im Rahmen der rechtsgeschäftlichen<br />

Einigung, nicht bei der tatsächlichen Übergabe<br />

• mittelbare Stellvertretung<br />

• Geschäft für den, den es angeht (Direkterwerb)<br />

• Insichgeschäft (Durchgangserwerb)<br />

c) Konkludente Einigung<br />

• durch Übergabe der Sache<br />

• bereits bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts (antizipierte Einigung)<br />

• durch Abnahme einer tatsächlich angebotenen Sache (z.B. in Automaten)<br />

2. Inhalt der Einigung<br />

a) Wahrung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes<br />

b) Bedingung oder Befristung der Einigung (Hauptanwendungsfall<br />

Eigentumsvorbehalt, § 449 Abs. 1)<br />

3. Keine Unwirksamkeits- bzw. Nichtigkeitsgründe<br />

a) Mangelnde Geschäftsfähigkeit, §§ 104 ff.<br />

b) Geheimer Vorbehalt, Scheingeschäft, Scherzgeschäft, §§ 116 ff.<br />

c) Form, § 125<br />

d) Verstoß gegen ein Verbotsgesetz, § 134<br />

e) Sittenwidrigkeit, Wucher, § 138<br />

f) Anfechtung, § 142<br />

g) Vertrag über künftiges Vermögen oder Nachlass, § 311 b Abs. 2, 4<br />

4. Kein Widerruf der Einigung bis zur Vollendung des Rechtserwerbs<br />

5. Eine antizipierte Einigung kann bis zur Übergabe widerrufen werden;<br />

arg. ex §§ 873 Abs. 2, 956 Abs. 1 (str.).<br />

Beachte: Durchbrechung des Grundsatzes, dass Willenserklärungen gemäß<br />

§ 130 Abs. 1 S. 2 nur vor oder gleichzeitig mit Zugang widerruflich<br />

sind.<br />

6. Wirksamkeit von Einigungserklärungen bei Tod oder Geschäftsunfähigkeit<br />

nach Abgabe nicht berührt, §§ 130 Abs. 2, 153<br />

Beachte: Allerdings können die Erben bzw. gesetzlichen Vertreter widerrufen,<br />

solange der Rechtserwerb noch nicht vollendet ist.<br />

II. Übergabe oder Übergabesurrogat<br />

1. Übergabe gemäß § 929 S. 1<br />

a) Besitzerwerb auf Erwerberseite<br />

• Erwerber wird selbst unmittelbarer Besitzer durch Erlangung der<br />

Sachherrschaft, § 854 Abs. 1<br />

10


Prüfschema: Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Berechtigten, §§ 929 ff.<br />

2. Teil<br />

• Erwerber wird selbst unmittelbarer Besitzer durch Vereinbarung,<br />

§854 Abs. 2<br />

• Erwerber wird mittelbarer Besitzer durch Vereinbarung eines Besitzkonstitutes,<br />

§ 868<br />

Beachte: Das Besitzkonstitut muss zwischen Erwerber und einem<br />

Dritten bestehen. Bei Vereinbarung eines Besitzkonstitutes zwischen<br />

Erwerber und Veräußerer kommt nur eine Veräußerung nach<br />

§§ 929, 930 in Betracht.<br />

• Rechtsverhältnis/Besitzmittlungsverhältnis i.S.v. § 868<br />

• Herausgabeanspruch des mittelbaren gegen den unmittelbaren<br />

Besitzer (mindestens aus § 985 oder § 812)<br />

• Fremdbesitzerwille des unmittelbaren Besitzers<br />

• Besitzdiener des Erwerbers (§ 855) erlangt tatsächliche Sachherrschaft<br />

– dann wird der Erwerber unmittelbarer Besitzer<br />

• Besitz wird auf Geheiß des Erwerbers auf einen Dritten (Geheißperson<br />

des Erwerbers) übertragen<br />

b) auf Veranlassung des Veräußerers zum Zwecke der Eigentumsübertragung<br />

• Keine Anwendbarkeit der §§ 164 ff.<br />

• Veranlassung liegt vor, wenn auf Weisung des Veräußerers sein Besitzdiener,<br />

Besitzmittler oder seine Geheißperson den Besitz überträgt<br />

• Wegnahmeermächtigung (soweit bei Besitzergreifung Einverständnis<br />

noch vorliegt)<br />

c) Vollständiger Besitzverlust auf Veräußererseite<br />

• Veräußerer gibt eigene Sachherrschaft auf<br />

• Besitzdiener des Veräußerers gibt Sachherrschaft mit dessen Einverständnis<br />

auf<br />

• Besitzmittler des Veräußerers überträgt den Besitz<br />

• Besitzmittler schließt mit Erwerber neues Besitzmittlungsverhältnis<br />

d) Wechsel des unmittelbaren Besitzers (nach h.M. nicht erforderlich)<br />

2. Übereignung „kurzer Hand“ gemäß § 929 S. 2<br />

a) Erwerber ist bereits Besitzer<br />

• Erwerber ist selbst unmittelbarer Besitzer, weil er die Sachherrschaft<br />

ausüben kann, § 854 Abs. 1 (von wem der Besitz erlangt wurde, ist<br />

unerheblich, d.h. keine „Veranlassung“ erforderlich)<br />

• Erwerber ist mittelbarer Besitzer, § 868<br />

• Besitzdiener des Erwerbers (§ 855) hat tatsächliche Sachherrschaft<br />

b) Vollständiger Besitzverlust auf Veräußererseite<br />

• Ist Veräußerer mittelbarer Besitzer und der Erwerber unmittelbarer<br />

Fremdbesitzer, muss er den Besitz in Eigenbesitz umwandeln.<br />

• Bleibt Veräußerer Besitzer (auch nur Mitbesitzer, § 866), greift § 929<br />

S. 2 nicht ein.<br />

11


2. Teil<br />

Prüfschema: Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Berechtigten, §§ 929 ff.<br />

3. Vereinbarung eines Besitzkonstitutes, § 930<br />

a) Veräußerer muss Besitzer sein<br />

• Unmittelbarer Besitzer<br />

• Mittelbarer Besitzer<br />

• Mitbesitzer<br />

b) Bestehen eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen Veräußerer und<br />

Erwerber<br />

• Rechtsgeschäftliches Besitzmittlungsverhältnis<br />

• Rechtsverhältnis i.S.v. § 868 (auch antizipiert vereinbart)<br />

• Wirksamer Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers<br />

(mindestens aus § 985 oder § 812)<br />

• Fremdbesitzerwille des unmittelbaren Besitzers<br />

• Besitzmittlungsverhältnis aufgrund ehelicher Lebensgemeinschaft,<br />

§ 1353<br />

• Besitzmittlungsverhältnis durch elterliche Vermögenssorge, § 1626<br />

4. Abtretung des Herausgabeanspruchs, § 931<br />

a) Veräußerer ist mittelbarer Besitzer<br />

b) Dritter ist mittelbarer oder unmittelbarer Besitzer<br />

c) Abtretung des Herausgabeanspruchs gemäß § 870<br />

III. Berechtigung des Veräußerers<br />

1. Verfügungsbefugter Eigentümer<br />

Der Eigentümer ist nicht befugt bei<br />

• behördlichem oder gesetzlichem Verfügungsverbot (§§ 135, 136)<br />

• Bedingungseintritt bei Verfügungen<br />

in der Schwebezeit, § 161 Abs. 1<br />

• Eintritt des Nacherbfalls, § 2113 Abs. 1<br />

• Insolvenzverwaltung, § 81 Abs. 1 InsO<br />

• Ehegatten bei Verfügungen über das Vermögen im Ganzen oder Haushaltsgegenständen,<br />

§§ 1365, 1369/Lebenspartner, § 6 S. 2 LPartG<br />

• Nachlassverwaltung, § 1984 Abs. 1<br />

• Testamentsvollstreckung, § 2211<br />

2. Kraft Gesetzes verfügungsbefugter Nichteigentümer<br />

• Insolvenzverwalter, § 80 Abs. 1 InsO<br />

• Pfandverwertung, § 1204 Abs. 1 i.V.m. § 1228 Abs. 2<br />

• Nachlassverwalter, § 1985 Abs. 1<br />

⎫ Bis zum Eintritt der Bedingung<br />

⎬ oder des Nacherbenfalls verfügt<br />

der Eigentümer als Berechtigter.<br />

⎭<br />

• Testamentsvollstrecker, § 2205<br />

3. Kraft Einwilligung verfügungsbefugter Nichteigentümer<br />

Gemäß § 185 Abs. 1 zur Verfügung Ermächtigter (nur bei vorheriger Einwilligung,<br />

nicht bei nachträglicher Genehmigung, § 185 Abs. 2)<br />

Beachte: Die Unterscheidung ist für die Anwendbarkeit des § 816 Abs. 1<br />

– Verfügung eines Nichtberechtigten – sehr wichtig.<br />

12


Stichworte<br />

Abhandenkommen........................................................ 65<br />

Absolutes Verfügungsverbot ..................................... 29<br />

Abstraktionsprinizp...................................................... 1, 3<br />

Abtretung des Herausgabeanspruchs .................... 38<br />

Anfechtung ..................................................................... 1, 3<br />

Antizipierte Einigung..................................................... 21<br />

Berechtigung....................................................................... 8<br />

Besitzkonstitut .......................................................... 34, 36<br />

Besitzmittlungsverhältnis ............................................ 36<br />

Besitzverschaffungsmacht .......................................... 52<br />

Bestandteile .................................................................... 106<br />

Bestimmtheitsgrundsatz............................................ 6, 7<br />

Bindungswirkung ........................................................... 13<br />

Bösgläubigkeit ............................................ 111, 114, 116<br />

Bösgläubigkeit Dritter ................................................. 113<br />

Deliktischer Besitzer..................................................... 111<br />

Doppelirrtum....................................................................... 4<br />

Drittwiderspruchsklage ................................................ 36<br />

Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) ................... 110<br />

Einheitsflasche ................................................................. 70<br />

Einigung ........................................................................... 1, 7<br />

Enger Verwendungsbegriff....................................... 133<br />

Erbschein ........................................................................... 59<br />

Erlösansprüche .............................................................. 118<br />

Ersterwerb des Anwartschaftsrechts ................ 78, 85<br />

Erweiterter Gutglaubenserwerb................................ 69<br />

Erzeugnisse ..................................................................... 106<br />

Fahrnisverbindung......................................................... 99<br />

Fehleridentität .................................................................... 2<br />

Fräsmaschinenfall........................................................... 56<br />

Fremdbesitzerexzess ................................................... 120<br />

Geheißerwerb ........................................................... 21, 22<br />

Geheißperson............................................................ 22, 52<br />

Geschäft für den, den es angeht ............................... 17<br />

Gutgläubigkeit.......................................................... 62, 68<br />

Hersteller.......................................................................... 104<br />

In fremden Namen ......................................................... 17<br />

Insolvenzverfahren......................................................... 28<br />

Insolvenzverwalter .................................................. 28, 83<br />

Klage auf vorzugsweise Befriedigung..................... 87<br />

Leistungskondiktion ..................................................... 55<br />

Mängelgewährleistung ................................................... 4<br />

Mehrwegflasche.............................................................. 71<br />

Mittelbarer Besitz............................................................ 17<br />

Nebenbesitzer.................................................................. 58<br />

Nichtleistungskondiktion ........................................... 55<br />

Notwendige Verwendungen.................................... 134<br />

Nützliche Verwendungen.......................................... 134<br />

Nutzungsherausgabe.................................................. 127<br />

Offenkundigkeitsprinzip .............................................. 17<br />

Pfandflasche ..................................................................... 70<br />

Pfandrecht......................................................................... 87<br />

Recht zum Besitz.................................................... 79, 121<br />

Rechtsgeschäft................................................................. 48<br />

Rechtsgrundloser Besitzerwerb............................... 130<br />

Rechtsgrundloser Erwerb .......................................... 129<br />

Rechtsgrundverweis ...................................................... 96<br />

Rechtshängigkeit .......................................................... 112<br />

Recht-zum-Behalten .................................................... 125<br />

Recht-zum-Haben......................................................... 125<br />

Sachenrechtlicher Publizitätsgrundsatz................. 22<br />

Scheingeheißerwerb ..................................................... 51<br />

Scheingeheißperson...................................................... 53<br />

Sicherungseigentum ..................................................... 87<br />

Sicherungsvertrag .......................................................... 56<br />

Sperrwirkung............................................... 111, 117, 132<br />

Stellvertretung................................................................ 45<br />

Stellvertretung beim Eigentumserwerb................. 16<br />

Streckengeschäft ............................................................ 21<br />

Trennungsprinzip .............................................................. 1<br />

Übereignung kurzer Hand........................................... 31<br />

Übergabe ......................................................... 7, 14, 19, 25<br />

Übergabesurrogat ........................................ 7, 34, 36, 56<br />

Unentgeltlicher Besitzerwerb................................... 130<br />

Unmittelbarer Besitz...................................................... 14<br />

Unmittelbarer Besitzer..................................................... 3<br />

Unmöglichkeit ................................................................. 25<br />

Verarbeitung .................................................................. 103<br />

Verarbeitungswert........................................................ 103<br />

Verbindung ....................................................................... 95<br />

Verfügung............................................................................. 6<br />

Verfügungsgeschäft .................................................... 1, 2<br />

Verkehrsgeschäft ............................................................ 49<br />

Verlängerter Eigentumsvorbehalt............................ 79<br />

Vermengung................................................................... 101<br />

Vermieterpfandrecht..................................................... 87<br />

Vermischung .................................................................. 101<br />

Verpflichtungsgeschäft .............................................. 1, 2<br />

Verwendungsersatz ..................................................... 132<br />

Vindikationslage............................................................ 110<br />

Vorenthaltungsschaden............................................. 113<br />

Weisung ............................................................................. 22<br />

Weiter Verwendungsbegriff ..................................... 133<br />

Zurechnung .................................................................... 114<br />

Zurückbehaltungsrecht.............................................. 132<br />

Zweiterwerb des Anwartschaftsrecht ..................... 89<br />

138

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