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der geschmack von apfelkernen - Babylon Kino

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GEDANKEN VON HILDEGARD SCHMAHL (Bertha)<br />

Eine junge Frau steht in diesem Haus und damit ihrer Geschichte gegenüber, die sie<br />

kaum aushalten kann. Was für eine Leistung sie damit vollbringt, das aufzuarbeiten<br />

und Erlösung zu finden – für ihr Herz, ihren Verstand und die Liebe zu einem Mann -,<br />

das hat mich sehr berührt. Bei unserer ersten Leseprobe war ich beeindruckt <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

wilden, ungezügelten Kraft dieser jungen Mädchen, mit <strong>der</strong> sie ins Leben<br />

hineinschießen, aber auch, was passieren kann, wenn niemand an ihrer Seite ist, <strong>der</strong><br />

auf sie aufpasst. Ich bin ganz verliebt in diese jungen Mädchen, in ihre Stärke und<br />

Power.<br />

In dieser Geschichte dominieren die Frauen. Sie machen mit den Männern, was sie<br />

wollen – so scheint es zumindest. Aber <strong>der</strong> Hauptspielleiter ist dann doch die Liebe.<br />

Der Tod ihrer Schwester Anna hat Bertha geprägt. Die Erkenntnis, dass eine Liebe<br />

mit dem Tod enden kann, dass Liebe und Tod vielleicht untrennbar miteinan<strong>der</strong><br />

verbunden sind – das hat in ihr großen Schrecken und Sprachlosigkeit ausgelöst.<br />

Das führt dazu, dass sie es später, nachdem sie mit Carsten Lexow geschlafen hat,<br />

einfach nicht fertigbringt, mit ihrem Mann und mit ihrer Tochter Inga darüber zu<br />

sprechen. Als sie aus dem Leben geht, nimmt sie das Geheimnis mit. Ich habe<br />

versucht, mir vorzustellen, wie sich diese Familie fühlen muss. Denn ich glaube, dass<br />

alle immer alles wissen – und wenn es nur unbewusst ist.<br />

Meine Generation ist mit Schweigen aufgewachsen, weil unsere Eltern o<strong>der</strong><br />

Großeltern im Dritten Reich Unaussprechliches getan o<strong>der</strong> erlebt haben. Die Dinge<br />

auszusprechen, haben wir nicht gelernt. Ich habe erst später in meinem Leben<br />

begriffen, dass es möglich und heilsam ist, auch über das zu sprechen, wofür man<br />

sich schämt o<strong>der</strong> wo<strong>von</strong> man meint, dass man es besser für sich behalten sollte.<br />

Manchmal denke ich, dass Alzheimer vielleicht eine Folge da<strong>von</strong> ist: Dass viele<br />

Menschen nicht in <strong>der</strong> Lage sind zu kommunizieren und in ihrem Schweigen erstarrt<br />

sind. Diese Krankheit macht Angst. Aber mit zunehmendem Alter kann ich sogar<br />

dem Gedanken, dass es auch mich selbst treffen könnte, ruhiger und gelassener<br />

entgegensehen. Das Thema geht mir zwar sehr nah, aber es wi<strong>der</strong>strebt mir nicht,<br />

mich damit zu beschäftigen. Man weiß inzwischen so viel über Alzheimer, es gibt<br />

gute Bücher und schöne Filme darüber, so dass man sich damit vertraut machen und<br />

vielleicht sogar fast Frieden schließen kann.<br />

Zur Vorbereitung auf meine Rolle habe ich mit Ärzten und betroffenen Freunden<br />

gesprochen, dann aber festgestellt, wie intensiv und umfassend Katharina Hagena<br />

recherchiert hat: Alles, was ich brauchte, steht in ihrem Roman. Berthas Zustand ist<br />

im Buch genau beschrieben, und nur daran habe ich mich gehalten. Mein einziges<br />

Nachschlagewerk war „Der Geschmack <strong>von</strong> Apfelkernen“.<br />

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