Menschen werden Spieler - Burgtheater
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Es ist vielleicht kein Fehler, das, was Dostojewski vor 140 Jahren gegen das mathematische<br />
Vorteilsdenken Tschernykowskis geäußert hat, angesichts der neuen Entwicklungen wieder zur<br />
Kenntnis zu nehmen. Vielleicht formulierte Dostojewski als erster (noch vor Nietzsche und<br />
Bataille), welche Art von Widerstand solche hypertrophen Optimierungsstrategien mit einer<br />
gewissen Zwangsläufigkeit hervorrufen:<br />
„<strong>Menschen</strong> können nur beweisen, dass sie keine Drehorgelstifte sind, wenn sie nicht tun, was<br />
man von ihnen erwartet, sondern etwas Unsinniges. Darin besteht ihre ganze Kraft...“<br />
„Nach unserem eigenen uneingeschränkten und freien Wollen, nach unserer<br />
allerausgefallensten Laune zu leben – die zuweilen bis zur Verrücktheit verschroben sein mag?<br />
Das, gerade das ist ja jener übersehene allervorteilhafteste Vorteil, der sich nicht klassifizieren<br />
läßt, und durch den alle Systeme und Theorien fortwährend zum Teufel gehen.“<br />
Dostojewski verweigert sich hier dem Optimierungsdenken und fordert, stattdessen das<br />
Unsinnige, das Verrückte zu tun. Das Unwahrscheinliche, das sich jeder Berechnung entzieht.<br />
Das, was Dostojewski gegen die wissenschaftlichen Strategien fordert, ist der Sache nach<br />
Aufgabe der Kunst...<br />
Kunst definiert sich durch die Unwahrscheinlichkeit ihres Entstehens (Luhmann.)<br />
Das scheinbar Unsinnige, das sich jedem vertrauten Zweckdenken entzieht, ist eine Bedingung<br />
jeder Kunstpraxis. Was durchsichtig ist und vollständig in unseren bestehenden Regelsystemen<br />
aufgeht, ist keine Kunst, höchstens Kunstgewerbe, Sozialarbeit, Volksaufklärung... Teil des<br />
normalen Verwertungsprozesses und keine Heterotopie. Wenn Kunst im Dienst einer Sache<br />
(wie edel auch immer) steht, wird sie instrumentell. Ein Mittel - und dann ist sie keine Kunst<br />
mehr.<br />
Anders als die mathematische Entscheidungstheorie, die klare Gewinndefinitionen verlangt, ist<br />
Kunstproduktion nicht zielorientiert, der „Künstler kann das Nichtkönnen“ sagt Christoph<br />
Menke mit Nietzsche, die Kunst entzieht sich rationaler Bewertung, weil sie sich keinen<br />
vorgängigen Bewertungskriterien unterwirft – das sollte sie gegen Algorithmen, die nach dem<br />
Willen der Datensammler und Spione unser Leben bestimmen sollen, resistent machen.<br />
Der Unsinn, das Nutzlose als Bollwerk gegen die Berechenbarkeit des <strong>Menschen</strong> – das ist eine<br />
Seite des künstlerischen Prozesses, die heute vielleicht lebenswichtig ist.<br />
Aber Tragödie? Warum sollen wir das Scheitern feiern und die Ausweglosigkeit, die<br />
vollständige Niederlage, die Tragik, die jedem Versuch, dem Unheil zu entkommen, attestiert,<br />
dass er es gleichzeitig herbeiführt?<br />
Wie man diese Frage beantwortet, hängt davon ab, welches Bild man vom Theater und der<br />
Kunst hat, sieht man das Theater als einen gewöhnlichen Teil der ausdifferenzierten<br />
Gesellschaft, dann ist es den gleichen Gesetzen und Kalkülen unterworfen wie der Rest der<br />
Gesellschaft, dann gilt auch im Theater die Nutzensmaximierung und Erfolgsorientierung und<br />
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