PDF 118 KB - Evangelisch-Theologische Fakultät
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Immanent betrachtet ist die Situation des Zweiflers hoffnungslos: Die Rettung kommt von<br />
außen, d.h. durch Jesus (der ihn zu sich zieht: Mt 14,31).<br />
An allem zu zweifeln, kann mich in einen "gurges profundus" (tiefen Strudel) ziehen, in dem<br />
es keinen Halt mehr gibt (Descartes 1641). Die existentielle Form der Vertiefung des Zweifels<br />
ist die "Verzweiflung" (Kierkegaard, 1843: Was der Zweifel auf der Ebene des Denkens ist,<br />
das ist die Verzweiflung auf der Ebene der Persönlichkeit) - psychologisch gesprochen: die<br />
Depression.<br />
27.) Zweifel am lebendigen Jesus (an/nach Ostern, Joh 20,24ff; Lk 24,16.31)<br />
Der Auferstandene motiviert die Skepsis des ungläubigen, oder genauer: des zweifelnden<br />
Thomas (Joh 20,24-29), weshalb dieser die Realität und Identität (die Nagelwundmale) des<br />
auferstandenen Gekreuzigten prüfen will. Jesus bietet ihm die Verifikation mit seinen eigenen<br />
Händen an. Der Zweifel scheint aber bereits früher (aufgrund von V.26 Ende) behoben:<br />
Thomas zweifelt nicht mehr, da sich für ihn die Verifikation anders als geplant vollzogen hat.<br />
Jesus preist daraufhin die selig, "die nicht sehen und doch glauben" (Joh 20,29), die also ihre<br />
Glaubensgewißheit nicht auf äußere und äußerlich nachvollziehbare Evidenz gründen.<br />
28.) Jesus und Pilatus vor der Wahrheitsfrage (Joh 18,33-38)<br />
Jesus verkündet die Wahrheit und stellt sie selbst dar. Am Ende seines Lebens kommt es (im<br />
Prozeß) zur Konfrontation mit dem römischen Präfekten Pontius Pilatus. Als Jesus ihm sagt,<br />
er bezeuge die Wahrheit, fragt Pilatus: "Was ist Wahrheit?" (Joh 18,38)<br />
Diese Skepsis ist keine philosophische, sondern setzt die unbedingte Selbstgewißheit des<br />
Mächtigen voraus: Was ist schon Wahrheit? Gleich wirst Du am Kreuz hängen. Die Macht<br />
(des Kaisers und des Imperium Romanum, das ich repräsentiere) zählt - sonst nichts. Du<br />
redest Nonsens, und zugleich: Du redest dich um Kopf und Kragen.<br />
Parallelen: Kallikles, Gorgias, Thrasymachos (Sophisten); Nietzsche (der Wille zur Macht).<br />
29.) Nach Luther lebt Theologie und Kirche von den "assertiones" (festen Behauptungen), die<br />
sich klar (= evident) von der Heiligen Schrift (ihrer Mitte: Christus) her erschließen.<br />
Die reformatorische Form der Orientierungshilfe ist daher die schriftorientierte Reflexion auf<br />
die assertiones (= festen Behauptungen) der Schrift, die sie den vermeintlich angesagten<br />
Optionen des Zeitgeistes oder dem subjektiv-egoistischen Selbstverwirklichungsstreben des<br />
Einzelnen entgegensetzt.<br />
30.) Dabei ist die Wahrheitsorientierung des Glaubens nicht abzuschotten und abzugrenzen<br />
auf ein subjektives Fürwahrhalten. Deshalb muß gerade auch die Theologie / Kirche am<br />
Bedürfnis eines einheitlichen Wirklichkeits- und Wahrheitsverständnis festhalten (die<br />
Lebenswirklichkeit darf nicht "gesplittet" werden!); Religion ist für Luther keine subjektive<br />
Privatsache. Gestritten und gerungen wird um den christlichen Wahrheitsanspruch öffentlich.<br />
31.) Die Öffnung der christlichen Wahrheitserkenntnis im Blick auf andere Wissenschaften<br />
(Humanwissenschaften wie z.B. Psychologie oder Soziologie, Biologie, usw.) darf sich<br />
jedoch nicht so vollziehen, daß Theologie und Kirche sich dazu nur responsorisch-defensiv<br />
oder unkritisch aneignend verhalten sollte. Es geht nicht um eine Affirmation