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Vom Wirken des Salzes (Vom Salz)

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Gt 08020 / p. 214 / 28.9.2007<br />

<strong>Vom</strong> <strong>Wirken</strong> <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> (<strong>Vom</strong> <strong>Salz</strong>)<br />

Q 14,34f. (Mk 9,49f. / Mt 5,13 / Lk 14,34f.)<br />

(34) Gut ist das <strong>Salz</strong>.<br />

Wenn aber das <strong>Salz</strong> dumm wird, womit wird man würzen? (35) Es ist weder<br />

für die Erde noch für den Kompost nütze, man wirft es hinaus.<br />

Sprachlich-narrative Analyse (Bildlichkeit)<br />

Das Wort vom <strong>Salz</strong> steht in der Logienquelle Q nach der Parabel vom großen Festmahl<br />

(Q 14,16-24) in einem Komplex von Sprüchen über die Bedingungen der Nachfolge:<br />

Hass der Familie (14,26), Tragen <strong>des</strong> Kreuzes (14,27) und das Finden oder Verlieren <strong>des</strong><br />

eigenen Lebens. Damit befindet es sich im allgemeinen Kontext der Konsequenzen der<br />

Jüngerschaft.<br />

Die Parabel beginnt mit einem Nominalsatz, der die Güte <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> betont. Auf<br />

diese Zustandsbeschreibung folgt ein Konditionalsatz, der den Gegensatz dazu, das<br />

›Dummwerden <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong>‹, einführt. Er mündet im Nachsatz in eine rhetorische Frage,<br />

die eine negative Antwort voraussetzt (Bovon 1996, 54): Womit kann man würzen, wenn<br />

das <strong>Salz</strong> seine Wirksamkeit verliert? Die implizierte Antwort, dass das <strong>Salz</strong> so nicht würzen<br />

kann und dass nichts das <strong>Salz</strong> ersetzen kann, bleibt unausgesprochen. Der Text<br />

schließt mit zwei Hauptsätzen, die sich dem Schicksal <strong>des</strong> unwirksamen <strong><strong>Salz</strong>es</strong> zuwenden.<br />

Der erste antwortet indirekt auf die rhetorische Frage, indem er in steigernder Überbietung<br />

die völlige Nutzlosigkeit <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> betont, und der zweite beschreibt das Schicksal<br />

<strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong>: Es wird weggeworfen. So besteht die logische Struktur der Passage aus dem<br />

Kontrast der zwei Teile: 1. Beschreibung eines Zustands – das Sein <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong>; 2. Sequenz,<br />

die den gegenteiligen Zustand – das <strong>Salz</strong> entspricht diesem Sein nicht – und die Folgen<br />

untersucht.<br />

Auch wenn auf den ersten Blick keine Geschichte erzählt wird, finden sich in der<br />

zweiten Hälfte narrative Elemente in der zeitlichen Aufteilung von vor dem ›Dummwerden‹<br />

<strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> und danach und der Ausgestaltung <strong>des</strong> Schicksals <strong>des</strong> ›dummen <strong><strong>Salz</strong>es</strong>‹.<br />

Es gibt zwar kein ausdrücklich genanntes handeln<strong>des</strong> Subjekt. Durch die rhetorische Frage<br />

öffnet sich jedoch eine Miniatur-Erzählung, in der die Hörer die Rolle der Hausfrau<br />

übernehmen, die sich in der misslichen Lage findet, für die Essenszubereitung nur verdorbenes<br />

<strong>Salz</strong> zu haben, und die nun entscheiden muss, was mit diesem <strong>Salz</strong> geschehen<br />

soll. Die Parabel selbst lässt keinen Zweifel über den Ausgang zu: Das <strong>Salz</strong> hat keinerlei<br />

Nutzen und wird weggeworfen.<br />

Die Deutung der Parabel dreht sich um zwei Pole: 1. die Bedeutung <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong>; und<br />

2. den Verlust seiner Eigenschaften. Zu beiden Polen gibt es Deutungshilfen: So wird im<br />

ersten Satz durch die betonte Stellung <strong>des</strong> Adjektivs »gut« am Anfang der Grundzustand<br />

mit einem positiven Vorzeichen versehen. Im zweiten Satz wird durch das Verb mwrafflnesqai<br />

(mōrainesthai – dumm werden) das Bild auf den Menschen hin gedeutet: Im<br />

allgemeinen griechischen Wortgebrauch bezieht es sich nicht auf den sinnlichen Geschmack,<br />

sondern auf die menschliche Dummheit. So entsteht eine semantische Span-<br />

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Gt 08020 / p. 215 / 28.9.2007<br />

nung, die beim Lesen aufhorchen lässt: Wie kann <strong>Salz</strong> dumm geworden sein? Dennoch<br />

wird mwrƒ@ (mōros – dumm) gelegentlich auch für ungewürzte Speisen im Sinn von<br />

»fad« gebraucht (Bertram 1942, 837). So ist die Metapher zwar ungewöhnlich, aber nicht<br />

einzigartig. Ihre genauere Bestimmung erfolgt durch den historischen Kontext.<br />

SozialgeschichtlicheAnalyse(Bildspendender Bereich)<br />

<strong>Vom</strong> <strong>Wirken</strong><strong>des</strong><strong><strong>Salz</strong>es</strong> Q 14,34f.<br />

<strong>Salz</strong> ist für den Menschen lebenswichtig. Von Anbeginn der Zeiten ist es als Nahrungszusatz<br />

bekannt. In der griechisch-römischen Antike wurde <strong>Salz</strong> über die Ernährung hinaus<br />

zur Bearbeitung von Häuten, zur Herstellung von Metallen, Farben, bei der Konservierung<br />

von Nahrungsmitteln und Salben und in der Medizin verwendet (Daschner<br />

1999, 1051; Blümner 1920, 2088-2094). <strong>Salz</strong>tafeln wurden auch als Katalysatoren für<br />

Öfen eingesetzt. Mit der Zeit waren sie aufgebraucht, verloren ihre Wirkung und mussten<br />

weggeworfen werden (Bovon 1996, 546).<br />

Auch im Alten Testament ist <strong>Salz</strong> als Würze von Bedeutung (Sir 20,19; Hi 6,6).<br />

Opfer müssen gesalzen werden (Lev 2,13), so dass <strong>Salz</strong> im Tempel in großen Mengen<br />

gelagert wurde (Esr 4,14; 6,9; 7,21f.). <strong>Salz</strong>handel und -steuern werden auch erwähnt<br />

(1Makk 10,29; 11,35). Neugeborene wurden mit <strong>Salz</strong> eingerieben (Ez 16,4), wohl als<br />

medizinische Behandlung (Daschner 1999, 1051; Zwickel 2005, 73 f.).<br />

Aufgrund seines vielseitigen Gebrauchs stand <strong>Salz</strong> bei allen Kulturnationen in hohem<br />

Ansehen und war ein wichtiges Handelsgut. Man unterschied <strong>Salz</strong> verschiedener<br />

Herkunft und unterschiedlicher Güte (Daschner 1999, 1051). Schon in der Antike gab<br />

es neben dem Aufsammeln von <strong>Salz</strong>, das sich durch Verdunstung angesammelt hatte, den<br />

Abbau von »Steinsalz« aus Bergwerken, wie auch die Herstellung von <strong>Salz</strong> aus dem Meer<br />

oder aus <strong>Salz</strong>seen, indem <strong>Salz</strong>wasser in Formen getrocknet wurde (Blümner 1920, 2075-<br />

2088).<br />

In biblischen Zeiten bezog Palästina wahrscheinlich sein <strong>Salz</strong> hauptsächlich aus<br />

dem Toten Meer (Ross 1962, 167). Jedoch erst in römischer Zeit wurde das <strong>Salz</strong> dort<br />

intensiv abgebaut, was unter anderem zu dem Anwachsen der Fischpökelindustrie am<br />

See Gennesaret beitrug (Zwickel 2005, 75). Das <strong>Salz</strong> aus dem Toten Meer ist nicht rein,<br />

selbst wenn es durch Sieden oder Verdunsten gewonnen ist. Es besteht nur zu einem<br />

Drittel aus Kochsalz (Luz 5 2002, 298 f.). Dementsprechend löste es sich bei feuchter Lagerung<br />

nicht restlos auf, sondern das <strong>Salz</strong> wurde ausgespült, während andere Substanzen<br />

übrig blieben (Klein 2006, 517). Im Gegensatz zu anderen Küchenabfällen brachte dieser<br />

Rest dem Haushalt jedoch nicht einmal indirekt als Kompost für Garten und Feld einen<br />

Nutzen. Der Umgang mit unreinem <strong>Salz</strong> und das Wegwerfen der Reste wird auch in<br />

rabbinischen Texten bestätigt: In Chul 113 a wird erzählt, dass um 320 n. Chr. Rab Dimi<br />

das Fleisch mit Steinsalz salzte und es dann abschüttelte (Billerbeck I 2 1926, 233).<br />

Für die Auslegung der Parabel ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Wenn<br />

das »fad Werden« eine reale Möglichkeit bezeichnet, bezieht sich der Spruch auf das unreine<br />

<strong>Salz</strong>, z. B. vom Toten Meer, aus dem sich nach einer Zeit das Kochsalz herauslöste.<br />

Die Betonung der Güte <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> am Anfang deutet jedoch darauf hin, dass mit dem Satz<br />

»Gut ist das <strong>Salz</strong>« pures <strong>Salz</strong> gemeint ist, da auch in der Antike reines <strong>Salz</strong> bekannt war.<br />

So wird die prinzipielle Unmöglichkeit der Entwicklung herausgestellt: Das <strong>Salz</strong> kann<br />

seinen Geschmack nicht verlieren (Bovon 1996, 546).<br />

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Gt 08020 / p. 216 / 28.9.2007<br />

ParabelninderLogienquelleQ<br />

Analyse<strong>des</strong> Bedeutungshintergrunds(Bildfeldtradition)<br />

Im Neuen Testament erscheint das <strong>Salz</strong> nur in den synoptischen Ausprägungen <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong><br />

vom <strong>Wirken</strong> <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong>. Die Auslegung ist somit ausschließlich auf den praktischen Gebrauch<br />

und die existierenden Deutungen <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> angewiesen.<br />

<strong>Salz</strong> hatte ein breites Bedeutungsfeld. Ausgehend von seiner Bedeutung als Nahrungsmittel<br />

war <strong>Salz</strong> ein Symbol der Gastlichkeit und Freundschaft (Blümner 1920,<br />

2089), im übertragenen Sinn bezeichnete ein Verweis auf <strong>Salz</strong> eine bissige Rede (Blümner<br />

1920, 2091). In kultischem Kontext rühmte man es wegen seiner reinigenden Kraft<br />

(Blümner 1920, 2088–2094). Der Zusammenhang von <strong>Salz</strong> und Reinigung führte wohl<br />

zu dem im Alten Testament bezeugten Brauch, das Land besiegter Völker durch Bestreuen<br />

mit <strong>Salz</strong> unfruchtbar zu machen (Ri 9,45; Dtn 29,22f. etc.), was die Bedeutung von<br />

<strong>Salz</strong> mit Gericht und völliger Vernichtung verband (Gen 19,26; Ri 9,25; Ps 107,33f.; Jer<br />

17,6), wie auch mit der Ferne von Gott (Hi 39,6; Zeph 2,9). Doch galt <strong>Salz</strong> auch aufgrund<br />

seiner reinigenden Wirkung als Bild der Haltbarkeit und Dauer – auch der eines<br />

Bun<strong>des</strong> – (2Kön 2,19-22; Num 18,19; 2Chron 13,5) (Ross 1962, 167; Daschner 1999,<br />

1051; Zwickel 2005, 73 f.).<br />

Diese Bedeutungsbreite findet sich auch im Judentum. So erwähnt Philo das <strong>Salz</strong><br />

häufig im Zusammenhang der Gastfreundschaft (Philo somn. II 210; Jos 196,210). Er<br />

betont auch die Bedeutung <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> als Symbol der Dauerhaftigkeit (Philo spec. I 175;<br />

Lattke 1984, 56 f.). Dass das <strong>Salz</strong> »dumm wird« findet sich in Bekh 8b, einer Episode über<br />

Jehoshua ben Chananja (um 90 n. Chr.). In einer Diskussion im Athenäum in Rom wird als<br />

Beispiel für eine erfundene Geschichte eine Mauleselin genannt, die ein Junges bekommt.<br />

Darauf wird Jehoshua gefragt, womit man <strong>Salz</strong> salzen soll, »wenn das <strong>Salz</strong> dumm wird«. Er<br />

antwortet: »Mit der Nachgeburt einer Mauleselin« (Billerbeck I 2 1926, 236). Der Kontext<br />

macht Bezüge auf christliche Traditionen unwahrscheinlich. Dagegen scheint das Sprichwort<br />

von der trächtigen Mauleselin, wie auch das von <strong>Salz</strong>, das »dumm wird«, Teil einer<br />

Bilderwelt zu sein, die einen gänzlich undenkbaren Fall ausdrückt (Luz 5 2002, 298). In<br />

dem rabbinischen Kontext liegt die Aussagerichtung nicht auf der Frage, was an Stelle <strong>des</strong><br />

<strong><strong>Salz</strong>es</strong> zum Würzen genommen, sondern womit das <strong>Salz</strong> wieder würzig gemacht werden<br />

kann.<br />

Die Rede vom »Hinauswerfen« <strong>des</strong> unbrauchbaren <strong><strong>Salz</strong>es</strong> nimmt Gerichtssprache<br />

auf. Das wird durch den Vergleich mit dem Bild vom unfruchtbaren Baum (Mt 3,10;<br />

7,19; Lk 3,9) oder den Körperteilen, die Ärgernis erregen (Mt 5,29; 18,8), deutlich, in<br />

denen es auch darum geht, etwas, das nicht seinen Zweck erfüllt, wegzuwerfen, ehe man<br />

selbst ins Feuer oder in die Hölle geworfen wird.<br />

Zusammenfassende Auslegung(Deutungshorizonte)<br />

<strong>Salz</strong> hat die grundlegende Bedeutung, dass es das Essen schmackhaft macht (Pesch 4 1991,<br />

116). Es muss sich jedoch auflösen, um zu würzen, um seine Funktion zu erfüllen (Drewermann<br />

1992, 429). Grundsätzlich zeigt also die Parabel, dass jemand, der sich dagegen<br />

sträubt, in seiner Bestimmung aufzugehen, dem <strong>Salz</strong> gleicht, das sich nicht auflöst, das<br />

nicht würzt und daher weggeworfen werden muss (Drewermann 1992, 431). Es geht also<br />

nicht um das <strong>Salz</strong> als Würze, sondern um das würzende <strong>Wirken</strong> <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong>.<br />

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Auch wenn man berücksichtigt, dass <strong>Salz</strong> in der Opferzubereitung ein wesentlicher<br />

Bestandteil war, beschreibt das <strong>Salz</strong> in der Parabel keine bestimmte Eigenschaft derer, die<br />

Jesus nachfolgen, sondern ihre Funktion, ihr <strong>Wirken</strong> in der Welt. Durch ihre Gegenwart<br />

bereiten sie die Welt zum Opfer für Gott (Beutler 1994, 93). Tun sie das nicht, dann sind<br />

sie schlimmer als nutzlos. Die Opferdeutung bleibt jedoch im Hintergrund, da der Tempel<br />

nicht in der Parabel erwähnt wird. Dagegen lenkt sie den Blick durch die Erwähnung<br />

<strong>des</strong> Komposts auf den einfachen Hausgebrauch. Die Parabel selbst legt nicht fest, was das<br />

<strong>Salz</strong>-Sein, das <strong>Wirken</strong> der Hörenden, ausmacht, ob etwa auf eine reinigende oder konservierende<br />

Funktion <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> angespielt wird. Darin liegt die Offenheit <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong>, die<br />

durch den jeweiligen Kontext eine bestimmte Deutung erfährt.<br />

Nun stellt sich die Frage, ob das Bild mit der realen Möglichkeit rechnet, dass das<br />

<strong>Salz</strong> fad wird oder nicht. Heutzutage besteht <strong>Salz</strong> aus reinem Kochsalz, es ist gewissermaßen<br />

die Essenz <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong>. Dadurch wird die Wirkung <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> noch stärker (gegen<br />

Gnilka 3 1993, 134): Wenn <strong>Salz</strong> nicht mehr <strong>Salz</strong> ist, hat es das verloren, was sein Wesen<br />

ausmacht. Für sich genommen, bezieht sich daher das Bild auf die Unmöglichkeit, dass<br />

das <strong>Salz</strong> einmal nicht mehr <strong>Salz</strong> sein könnte (Bertram 1990, 842-844). Denn <strong>Salz</strong> ist<br />

nicht <strong>Salz</strong>, weil es sich das ausgesucht hätte, sondern weil es so geschaffen ist (Schellong<br />

1999, 260). Christen können nicht anders, als in der Welt zu wirken. Es macht ihr Wesen<br />

aus, ganz in ihrer Aufgabe aufzugehen. In diesem Sinn ist das Wort vom <strong>Salz</strong> ein Zuspruch<br />

an die Hörer. Gleichzeitig spielt die Parabel die unmögliche Möglichkeit durch,<br />

dass es Christen gibt, die nicht ihrem Wesen entsprechend handeln. Im Kontext der Sprüche<br />

zur Jüngernachfolge in Q zeigt sich konkret die Erfahrung, dass manche Christen sich<br />

falsch verhalten. Ihnen gilt das Drohwort, dass das nutzlose <strong>Salz</strong> hinausgeworfen wird. So<br />

halten sich Zuspruch und Mahnung die Waage.<br />

Aspekte der ParallelüberlieferungundWirkungsgeschichte<br />

<strong>Vom</strong> <strong>Wirken</strong><strong>des</strong><strong><strong>Salz</strong>es</strong> Q 14,34f.<br />

Auch in den synoptischen Evangelien bleibt die Parabel im Kontext der Jüngerermahnung.<br />

Mk 9,49 f.: (49) Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden. (50) Gut ist das <strong>Salz</strong>;<br />

wenn aber das <strong>Salz</strong> salzlos wird, womit wird man es würzen? Habt <strong>Salz</strong> bei euch und<br />

habt Frieden untereinander.<br />

Bei Markus findet sich das Wort vom <strong>Salz</strong> im Kontext der Warnung an die Nachfolgenden<br />

vor Verführung und vor Abfall (9,33-50). Es beginnt mit einer Gerichtswarnung, die<br />

auch das Stichwort <strong>des</strong> »<strong>Salz</strong>ens« aufnimmt (9,49). Wie in der o. a. rabbinischen Episode<br />

Bekh 8b wird nicht danach gefragt, womit man salzen soll, wenn das <strong>Salz</strong> versagt, sondern<br />

– eventuell in unveränderter Aufnahme eines ›Sprichwortes‹ – wie man das <strong>Salz</strong><br />

wieder würzig machen kann. Der Bezug auf das Feuer schließt an traditionelle Gerichtsvorstellungen<br />

an, geht aber nicht von einem Gericht im Sinn der Scheidung der Guten<br />

und Bösen, sondern von einer Scheidung von gut und böse im Inneren je<strong>des</strong> einzelnen<br />

Menschen aus (vgl. 1Kor 3,15; Pöttner 2000, 302-312). Der Gerichtskontext wird jedoch<br />

sofort verlassen: Anstelle <strong>des</strong> Nachsatzes über das Schicksal <strong>des</strong> nutzlosen <strong><strong>Salz</strong>es</strong> wird in<br />

einer Aufforderung zur Einigkeit an die Jünger die Bedeutung der Gastfreundschaft aufgenommen<br />

(Lattke 1984, 48-59). Deswegen gebraucht Mk nicht den übertragenen Ausdruck<br />

mwrafflnesqai (mōrainesthai – dumm werden), sondern den konkreten ˝nalon<br />

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ParabelninderLogienquelleQ<br />

gffnhtai (analon genētai – salzlos werden), der den Selbstwiderspruch <strong>des</strong> Versagens stärker<br />

betont. So sieht Markus im Bild vom <strong>Salz</strong> eine Paränese und Zusage an die Jünger.<br />

Gleichzeitig steht die Parabel bei Markus im Gesamtkontext <strong>des</strong> kontinuierlichen Versagens<br />

der Jünger (Pöttner 2000, 296-302).<br />

Lk 14,34-35a: Text wie Q (s. o.)<br />

Das Lukasevangelium gibt in Lk 14,34-35a den Text von Q und seinen Kontext nahezu<br />

unverändert wieder und schließt mit dem Spruch »Wer Ohren hat, zu hören, der höre«.<br />

Damit bezieht sich die Parabel wie in Q auf die Bereitschaft der Jünger zur Entsagung<br />

und zum Martyrium (Bovon 1996, 54).<br />

Mt 5,13: Ihr seid das <strong>Salz</strong> der Erde. Wenn aber das <strong>Salz</strong> dumm wird, womit wird man<br />

würzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet, dass es von den<br />

Menschen zertreten wird.<br />

Im Matthäusevangelium steht der Spruch vom <strong>Salz</strong> in 5,13-16, gleich nach den Seligpreisungen<br />

am Anfang der Bergpredigt, im Kontext der letzten Seligpreisung der verfolgten<br />

Jünger. Die Parabel ist verbunden mit der vom Licht unter dem Scheffel. Matthäus<br />

verändert die Vorlage, indem er den ersten Satz explizit auf die Hörer bezieht. Durch die<br />

Hinzufügung »<strong>Salz</strong> der Erde« erhält das Bild eine missionarische Bedeutung auf die ganze<br />

Welt hin (Luz 5 2002, 297), nicht nur auf die Juden (gegen Beutler 1994, 85). Der Nachsatz<br />

verstärkt den Gerichtsaspekt, indem das Zertreten <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> erwähnt wird. Das<br />

Scheitern an der Aufgabe ist auch hier eine reale Möglichkeit (s. Mt 25,30, wo der untreue<br />

Knecht auch in die Dunkelheit geworfen wird). Durch das anschließende Wort vom<br />

Licht unter dem Scheffel öffnet sich die Deutung <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> vom <strong>Salz</strong>: Die Christen sind<br />

Zeugnis <strong>des</strong> Glaubens zur Ehre Gottes (Luz 5 2002, 303). Das kombinierte Wort ist auch<br />

Teil der Jüngerermahnung.<br />

In der weiteren Kirchengeschichte ist die Parabel meist als Gerichtswort (z. B. Kyrill<br />

von Alexandrien, Katene zu Lk 14,34) wahrgenommen worden. Das führte dazu, dass<br />

z. B. in der protestantischen Tradition immer wieder versucht wurde, das Versagen <strong>des</strong><br />

<strong><strong>Salz</strong>es</strong> inhaltlich zu füllen, sei es als Hochmut oder Mangel an Hingabe, Liebe oder Opferbereitschaft<br />

(Bertram 1990, 843 f.). Die Kirchengeschichte zeigte immer wieder die Realität<br />

<strong>des</strong> Versagens <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong>. Die Deutung verschob sich damit in dem Bemühen, dem<br />

angesagten Gericht zu entgehen, von dem <strong>Wirken</strong> <strong>des</strong> <strong><strong>Salz</strong>es</strong> zu seiner Definition, von der<br />

Zusage zur Mahnung.<br />

Literatur zumWeiterlesen<br />

Jutta Leonhardt-Balzer<br />

H. Blümner, Art. <strong>Salz</strong>, PRE II.2 (1920), 2075-2099.<br />

M. Pöttner, »Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden« (Mk 9,49). Hermeneutische und semiotisch-philosophische<br />

Erwägungen zu einem markinischen Rätselwort, in: R. Zimmermann<br />

(Hg.), Bildersprache verstehen. Zur Hermeneutik der Metapher und anderer bildlicher<br />

Sprachformen, Übergänge 38, München 2000, 293-312.<br />

W. Zwickel, <strong>Salz</strong>. Lebensfeindlich, aber schmackhaft, WUB 38 (2005), 73-75.<br />

204

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