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ERICH HECKEL Gemälde, Aquarelle ... - Galerie Schrade

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<strong>ERICH</strong> <strong>HECKEL</strong><br />

<strong>Gemälde</strong>, <strong>Aquarelle</strong>, Zeichnungen und Druckgrafik 1909 bis 1965<br />

Vernissage in der <strong>Galerie</strong> <strong>Schrade</strong>, Karlsruhe, 25. Oktober 2013<br />

In diesem Jahr hätte Erich Heckel seinen 130. Geburtstag gefeiert. Anlass genug –<br />

so meine ich – den bedeutenden Expressionisten mit einer repräsentativen<br />

Ausstellung zu würdigen.<br />

Geboren 1883 in Döbeln bei Chemnitz und 1970 in Radolfzell am Bodensee<br />

gestorben, überspannte sein künstlerisches Lebenswerk einen Großteil des 20.<br />

Jahrhunderts. Leben und Schaffen von Erich Heckel waren dabei eng mit der Region<br />

im Südwesten verbunden: seit 1944 lebte und arbeitete der Künstler in<br />

Hemmenhofen auf der Bodenseehalbinsel Höri, nicht wenige seiner Bilder<br />

entstanden seit den 20er Jahren auf ausgedehnten Studienreisen durch Orte und<br />

Gegenden zwischen Schwarzwald, Schwäbischer Alb und Bodensee. Und als<br />

hochgeschätzte Lehrerpersönlichkeit an der Karlsruher Akademie, wo Heckel in den<br />

Jahren 1949 bis 1955 Malerei unterrichtete – seine Schüler waren u.a. Klaus Arnold,<br />

Peter Dreher und Emil Wachter – gehört er zu den festen Größen in der Karlsruher<br />

Kunstgeschichte nach 1945.<br />

Heute zählen Person und Werk von Erich Heckel längst zum Kanon der Klassischen<br />

Moderne. Unter dem Schlagwort Expressionismus stehen seine Bilder gleichsam<br />

stellvertretend für den kühnen Aufbruch der jungen Künstlergeneration um 1900 in<br />

die Moderne. Doch über die expressionistischen Anfänge hinaus, die Heckel vor<br />

allem im Kreis der Künstlergruppe „Brücke“ zum ausdrucksstarken Maler und<br />

Grafiker heranreifen ließen, blieb er noch mehr als fünf Jahrzehnte schöpferisch tätig<br />

und brachte ein umfangreiches Werk hervor, in dem sich die eigenständige<br />

Künstlerpersönlichkeit entfaltete.<br />

Wenden wir den Blick zurück zum Beginn von Heckels Entwicklung, so begegnet uns<br />

der von jugendlich-euphorischem Schaffenselan beflügelte, revolutionär gestimmte<br />

Stürmer und Dränger der „Brücke“, mit der Heckel und seine Mitstreiter Ernst Ludwig<br />

Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl 1905 in Dresden den Startschuß für<br />

den Aufbruch in eine neue Ära der Kunst in Deutschland gaben. Mit jener<br />

avantgardistischen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft schrieb Heckel<br />

Kunstgeschichte und natürlich wird sein Schaffen immer untrennbar mit den<br />

radikalen Bildfindungen dieser Gruppe verknüpft sein. Auf beinahe fatale Weise aber<br />

muß sich das nachfolgende Werk immer wieder an den Arbeiten der Jugendzeit<br />

messen lassen. Aber muß es das wirklich? Bis auf wenige, gleichwohl wichtige<br />

Werke aus der frühen „Brücke“-Zeit lenkt die Ausstellung den Fokus auf jene


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Schaffensjahre, die nach dem Ende der „Brücke“, also nach 1913, entstanden sind.<br />

Der Schwerpunkt der Exponate liegt auf den Arbeiten aus den 20er bis 50er Jahren.<br />

Und gerade da offenbart sich die ausgereifte Individualität von Erich Heckel.<br />

Die Ausstellung versammelt knapp 40 Werke und schlägt mit den Arbeiten zwischen<br />

1909 und 1965 den weiten Bogen über fast 60 Schaffensjahre und damit über<br />

nahezu den gesamten Zeitraum seines künstlerischen Wirkens. Mit <strong>Gemälde</strong>n,<br />

<strong>Aquarelle</strong>n, Zeichnungen, Holzschnitten, Lithographien und Radierungen sind<br />

sämtliche Techniken präsent, die für Heckels Kunst eine entscheidende Rolle<br />

spielten. Uns begegnen Bildschöpfungen, die Momentaufnahmen von<br />

Lebensgefühlen, Zeitstimmungen und Weltsichten in sich tragen und diese kraftvoll<br />

widerspiegeln, die ein Jahrhundert voller Auf- und Umbrüche, voller Extreme und<br />

Widersprüche, Verwerfungen und Neuansätze reflektieren.<br />

Den Auftakt der Ausstellung bilden jene Werke, die Heckel als Brücke-Mitglied in<br />

Dresden und Berlin geschaffen hat. „Wovon wir weg mussten war uns klar – wohin<br />

wir kommen würden stand allerdings weniger fest.“ Mit diesen Worten schilderte<br />

Heckel die energische Aufbruchsstimmung der jungen Kunstrebellen, die im<br />

autodidaktischen Ringen mit den Mitteln von Malerei, Zeichnung und Druckgrafik<br />

nach einer neuen Freiheit des künstlerischen Ausdrucks strebten. Abseits<br />

akademischer Tradition, ästhetischer Konvention und den verkrusteten Strukturen<br />

der wilhelminischen Kaiserzeit galt es, das Gesehene, Erlebte und Empfundene mit<br />

größtmöglicher Unmittelbarkeit in eine neue, unverbrauchte Bildsprache zu<br />

übersetzen. So heisst es denn auch im 1906 verfassten Programm der „Brücke“:<br />

„Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum<br />

Schaffen drängt.“<br />

Zeichnungen wie „Strandlandschaft“ von 1912 offenbaren jene impulsive Vehemenz<br />

des spontanen Gestaltungsaktes, mit dem die Brücke-Künstler ihre gänzlich<br />

unorthodoxe Erfassung der sichtbaren Welt auf das Papier bannten. Diese frühen<br />

Blätter zeigen aber auch die von Beginn an ausgeprägte Vorliebe für einsame,<br />

unberührte Landschaftskulissen, in denen Heckel das Elementare der Naturkräfte<br />

erspüren wollte. Die Suche nach dem Ursprünglichen und Unverfälschten in der<br />

Natur wie im bildhaften Ausdruck wird Heckel zeitlebens immer wieder in entlegene<br />

Naturgegenden führen, sei es am Meer oder im Hochgebirge.<br />

Spontaneität der Beobachtung und Unmittelbarkeit der Umsetzung prägen die<br />

expressive Wirkung der frühen Handzeichnungen wie etwa die lebhafte Szene „Beim<br />

Bocciaspiel“, die Heckel mit raschem Strichgestus während seiner ersten Italienreise<br />

1909 festhielt. In diesen Arbeiten befreien sich die Ausdrucksmittel radikal von der<br />

Wirklichkeitsnachahmung und entwickeln eine autonome Energie, die nur dem


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subjektiven Ausdruckswillen des Künstlers gehorcht. Damit gehören sie zweifellos zu<br />

herausragenden Glanzstücken expressionistischer Zeichenkunst.<br />

Nach der tiefgreifenden Zäsur des Ersten Weltkrieges und im Verlauf der frühen 20er<br />

Jahre ist ein deutlicher Stilwandel in Heckels Schaffen zu beobachten: die einstige<br />

eruptive Expressivität, das Labile und Dramatische der 10er Jahre weicht nun einer<br />

zunehmenden Beruhigung und Harmonisierung der Bildsprache. Eine Verfestigung<br />

und Vereinfachung der Formen, verbunden mit einem klaren und strengen<br />

Bildaufbau, bestimmen fortan Aussage und Wirkung von Heckels Bildschöpfungen.<br />

Ein gereifter, stärker versachlichter und wirklichkeitsorientierter Blick auf Natur und<br />

Menschen prägt jetzt Heckels Ausdruckswollen.<br />

Ganz wesentlich wird sein Lebens- und Schaffensrhythmus der 20er und 30er Jahre<br />

von den zahlreichen Arbeits- und Studienreisen geprägt, die den Maler durch ganz<br />

Europa führen und dabei mit den unterschiedlichsten Orten, Landschaften und<br />

Menschentypen in Kontakt bringen. Auf den Reisen hielt Heckel seine Eindrücke vor<br />

dem Motiv in schnell ausgeführten Zeichnungen fest, die erst nachträglich im Atelier<br />

mit Aquarellfarben eine bildhafte Ausarbeitung erfuhren. In der Ausstellung finden<br />

sich dazu mit den Blättern „Südliches Gebirge“ von 1925 oder „Kleines Walsertal“<br />

von 1934 eindrucksvolle Beispiele. Auf dem Gebiet der Malerei dokumentiert die<br />

großformatige Komposition „Marstrand“ von 1928 (dargestellt ist die Landschaft der<br />

Schären an der südschwedischen Küste bei Göteborg) exemplarisch die Werkgruppe<br />

der Reisebilder, in denen der spezifische Formen- und Farbenreichtum sowie der<br />

besondere Eigencharakter der jeweiligen Gegend Heckels Aufmerksam erregte.<br />

Gerne fasste sein Blick das Große und Ganze, die Offenheit und Weiträumigkeit<br />

einer landschaftlichen Situation in panoramaartige Bildfindungen, gut zu sehen in<br />

Arbeiten wie „Stadt vor Bergen in Südfrankreich“ von 1929.<br />

Neben den vielen Reisen und dem Leben in der Großstadt Berlin bildete der kleine<br />

Ort Osterholz an der Flensburger Förde einen wichtigen Gegenpol und eine<br />

wesentliche Konstante. Hier, in der abgeschiedenen und herben Natur der<br />

Ostseeküste, fand Heckel ab 1919 ein stilles Refugium und eine unerschöpfliche<br />

Inspirationsquelle. Dort entstand ein Großteil seiner weiträumigen und<br />

lichtdurchfluteten Landschaftsbilder sowie seiner Darstellungen von Badenden.<br />

Zeichnungen und <strong>Aquarelle</strong> wie „Am Strand“ von 1925 (das Sie von der<br />

Einladungskarte kennen) oder Holzschnitte wie „Zwei Männer am Meer“ von 1920<br />

fangen die besondere Szenerie an der rauhen Steilküste bei Osterholz ein.<br />

Neben Natur und Landschaft ist die Beschäftigung mit dem Bild des Menschen in<br />

unterschiedlichsten Lebens- und Zeitverhältnissen eine wesentliche Komponente in<br />

Heckels Schaffen. Das Sujet der menschlichen Figur erscheint dabei in


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verschiedenen Werk- und Themengruppen: den Badenden, den Bildnissen und den<br />

Schilderungen aus der Vergnügungswelt von Varieté und Zirkus. In idyllischen<br />

Figurenszenen wie dem <strong>Gemälde</strong> „Drei männliche Figuren“ von 1924 spürte Heckel<br />

seiner Idealvorstellungen einer harmonischen, ins Allgemeingültige und Zeitlose<br />

gesteigerten Einheit von menschlichem Dasein und unberührtem Naturgeschehen<br />

nach.<br />

Im Aktionsfeld des Porträts ist es vorrangig Heckels Frau Siddi, die ihn immer wieder<br />

zu eindringlichen Bildschöpfungen inspiriert. Seit dem ersten Kennenlernen Ende<br />

1910 in Berlin ist die Tänzerin, die Heckel 1915 heiratet, das bevorzugte und nahezu<br />

einzige Modell des Künstlers. Ihr Antlitz und ihre Gestalt hält er in einer Vielzahl von<br />

Bildnissen in unterschiedlichsten Lebenssituationen und Stimmungsmomenten fest.<br />

Wir sehen sie beim Lesen oder Ruhen, beim Schlafen oder Nachdenken. Als<br />

Badende bannt Siddi häufig Heckels Blick am steinigen Strand von Osterholz. Eine<br />

innige Einfühlung und ein tiefes Vertrauen in sein Gegenüber prägen denn auch die<br />

hier gezeigten Arbeiten wie die Zeichnung „Schlafende“ von 1922, das Aquarell<br />

„Lesende“ von 1939 oder die Farblithographie „Sitzende am Wasser“ von 1948.<br />

Bei den Bildnissen ging es dem Künstler nicht um eine konkrete porträthafte<br />

Zuordnung der Person (daher wählte er auch meist neutrale Bildtitel), sondern<br />

vielmehr um den Menschen an sich, um das Wesenhafte seiner inneren Haltung und<br />

das Charaktervolle seiner Erscheinung. Heckel zielte ab auf eine, wie er es nannte,<br />

„Loslösung vom Privaten in ein menschlich Wesentliches“.<br />

Seit den Anfangstagen im Kreis der „Brücke“ war das schillernde Milieu von Tanz,<br />

Variéte und Zirkus ein zentrales Motivfeld für Heckel. Darin faszinierte ihn die<br />

rauschhaft gesteigerte Lebensfreude, die pure Lebensenergie, aber auch die<br />

existentiellen Bedrängnisse im Dasein der Akteure. In der Ausstellung zeigen<br />

Arbeiten wie die Lithographie „Kugeltänzerin“ von 1916 oder der Farbholzschnitt<br />

„Excentric-Clown“ von 1948 die ganze Bandbreite des Ausdrucks-spektrums von<br />

Heckels Kunst.<br />

Nach der Diffamierung als „entarteter“ Künstler 1937 und der Zerstörung des Berliner<br />

Ateliers 1944 wagte Heckel mit dem Umzug nach Hemmenhofen an den Bodensee<br />

1945 einen räumlichen Neuanfang. Unbeeindruckt vom internationalen Siegeszug<br />

der abstrakten Kunst hielt er weiterhin am Gegenständlichen fest, suchte die<br />

Auseinandersetzung mit der sichtbaren Wirklichkeit und vertraute auf die<br />

formbildende Kraft des direkten Seherlebnisses. Stilistisch knüpfte er an das zuvor<br />

Erreichte an und pflegte fortan eine Bildsprache, die man als expressiv<br />

verinnerlichten Realismus bezeichnen könnte. Landschaften, Figürliches und<br />

Stilleben bleiben weiterhin die bevorzugten Bildthemen. Vor allem in der Darstellung


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von Landschaften aber gipfelte jetzt Heckels Ausdrucksverlangen. Er nahm seine<br />

Reisetätigkeit wieder auf und suchte neue Anregungen bei Aufenthalten in den<br />

Schweizer und Österreichischen Alpen sowie an den Küsten von Nord- und Ostsee.<br />

Die Bilder werden jetzt von einer zunehmenden formalen und farblichen Reduktion<br />

getragen, verbunden mit einer spürbaren geistigen Durchdringung der Motive. Nicht<br />

selten schwingt in den späten, menschenleeren Meereslandschaften wie<br />

beispielsweise dem Aquarell „Watt im Winter“ von 1954 eine leise Melancholie, eine<br />

lyrische Gestimmtheit und ein poetischer Unterton mit. Äussere Naturbeobachtung<br />

und seelisch-emotionale Innenschau scheinen dabei zu verschmelzen. Gleiches gilt<br />

für die grandiosen Berglandschaften aus den Hochalpen, allen voran die Werkserie<br />

der Engadiner Landschaften aus den 50er und 60er Jahren. Immer stärker<br />

konzentriert Heckel seine Darstellungen wie z. B. „Silser See“ von 1961 auf das das<br />

absolut Wesentliche und verdichtet den sparsamen Einsatz der Ausdrucksmittel zu<br />

einer konsequenten Straffung der Kompositionen. Zum bestimmenden<br />

Gestaltungsfaktor avanciert nun das Interesse an Naturphänomenen sowie an den<br />

Bedingungen von Licht, Raum und Atmosphäre.<br />

In der Ausstellung liefern Exponate wie das <strong>Gemälde</strong> „Wasserfall zwischen Felsen“<br />

von 1955 oder die späten Holzschnitte „Große Gletscherlandschaft“ und „Berghang“,<br />

die sie derzeit in Mochental sehen können, herausragende Beispiele für die enorme<br />

Ausdruckskraft, die Heckels Kunst bis zuletzt auszeichnet. Gerade im Medium des<br />

Holzschnittes offenbart sich noch einmal der kühne, experimentierfreudige Umgang<br />

mit der Drucktechnik, mit der es Heckel gelingt, der monumentalen Gletscherkulisse<br />

ganz eigene, ornamental-abstrahierte Reize zu entlocken. Mit diesen<br />

ausdrucksgeladenen Arbeiten der letzten Schaffensjahre schließt sich der Kreis zu<br />

den expressionistischen Anfängen.<br />

Das künstlerische Gesamtwerk von Erich Heckel wird zu allen Zeiten vom Moment<br />

des Expressiven in vielfältiger Ausprägung durchdrungen. Ob übersteigert und<br />

schlagkräftig zugespitzt, ob abgeschwächt und subtil verfeinert, stets durchströmt<br />

das Element der Expression sein Werk als ein Leitmotiv. Schließen möchte ich daher<br />

mit einer programmatischen Feststellung, die Heckel 1966 im Gespräch mit dem<br />

Dichter Werner Dürrson gemacht hat: „Ich sehe überall und in allem einen Moment<br />

der Expression“.<br />

© Dr. Andreas Gabelmann, Kunsthistoriker

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