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Redemanuskript zur Ausstellungseröffnung auf ... - Galerie Schrade

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<strong>Redemanuskript</strong> <strong>zur</strong> Ausstellungseröffnung<br />

<strong>auf</strong> Schloß Mochental am 9. Juni 2013<br />

„ Ich lebe in meinen Augen<br />

Ich esse aus meinen Augen“ (Walter Stöhrer)<br />

„Georg fällt mit einem abgerissenen Strauß Autospiegeln <strong>zur</strong> Tür<br />

herein“ - Lothar Quinte zum neunzigsten und Walter Stöhrer<br />

zum 76. Geburtstag<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />

es ist etwas Besonderes, eine Ausstellung von Walter Stöhrer <strong>auf</strong> Schloss<br />

Mochental zu eröffnen. Nicht nur, weil er ein außergewöhnlicher Künstler war,<br />

sondern auch deshalb, weil ihn dieser Ort inspiriert hat.<br />

In der wunderschönen Landschaft am Südrand der Schwäbischen Alb hat Walter<br />

Stöhrer Zeichen gesetzt während eines Mal<strong>auf</strong>enthalts.<br />

Unter einem roten Sonnensegel, so die Chronisten, schlug er im Jahr 1986 in<br />

Sichtweite geschichtsträchtiger Mauern sein Sommeratelier <strong>auf</strong>. Das Schloss mit 365<br />

Fenstern, im 18. Jahrhundert errichtet, schrieb hierdurch zeitgenössische<br />

Kunstgeschichte.<br />

Die Früchte jenes Sommers sind rund 30 Gouachen. Stöhrer hat Papierarbeiten nicht<br />

gering geschätzt, hochbedeutend auch das druckgraphische Werk. Der Künstler war<br />

nicht zuletzt ein passionierter Radierer. Dabei arbeitete er nach eigener Aussage<br />

ohne vorgedachtes Bild im Kopf.<br />

Ganz spontan sich hemmungslos verströmend?<br />

So mag es scheinen, doch Stöhrer folgte einer konzeptuellen<br />

Visualisierungsstrategie. Er borgte Stichworte aus der Literatur. Die Beschäftigung<br />

mit „schon einmal artifiziell Gedachten“ sei sein Metier, sagt er.<br />

Er war überzeugt, Literatur im Bildraum zum Sprechen bringen zu sollen - und<br />

brachte es <strong>auf</strong> diesem Gebiet zum Virtuosen. Insofern könnte seine Position als eine<br />

postmoderne begriffen werden, definiert über Aneignungspraktiken, Adaption wie<br />

Neuinterpretierung. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Erst die Charakteristik des<br />

individuellen Bildfindungsprozesses, der aktionistische Furor, die Empathie, das<br />

konsequent artikulierte humanistische Moment machen ein Stöhrer-Werk aus.<br />

Es geht Stöhrer nie darum, seiner Kunst auszugsweise (Welt-)Literatur von Adonis<br />

bis Unica Zürn – bloß einzuschreiben.<br />

Sein Arbeitsprinzip ist eher gekennzeichnet durch Einfühlung als Einverleibung. Der<br />

Künstler benutzt Worte weniger als ein gestalterisches Element, betreibt vielmehr<br />

Wortmalerei in einem tieferen Sinne. Die Worte bestimmen den Malprozess


nachdrücklich. Graphische und malerische Strukturen befruchten und verbinden sich<br />

zu einem Amalgam <strong>auf</strong> der Grundlage einer kongenialen Regieführung.<br />

Erschaffen wird ein bildnerisches Universum, das Textstellen malerisch überhöht, um<br />

ihren Gehalt zu vertiefen.<br />

Bevorzugt sind es Sätze mit synästhetischer Wirkung, die Stöhrer assoziativ umkreist<br />

- es gelingt ihm, Dichterworte beziehungsreich in einem Medium erfahrbar zu<br />

machen, für das sie nicht vorgesehen waren. Stöhrers freier Malgestus verbündet<br />

sich dabei mit der Kunst der Kalligraphie. „Ich schreibe während ich male + male<br />

während ich schreibe“, hat er gesagt.<br />

Das daraus erwachsende Spannungsprinzip, dieser kühne Balanceakt, die<br />

couragierte Wort-Bild-Akrobatik bestimmen die Dynamik von Stöhrers Malerei<br />

wesentlich.<br />

Sind literarische Vorlagen der Schlüssel <strong>zur</strong> Stöhrer-Exegese, so muss man auch<br />

wissen: Er unterscheidet zwei Arten zu lesen, beziehungsweise verschiedene<br />

Buchtypen: Bücher, die er liest und in denen er anstreicht. „Optischen Zeilen“ ist er<br />

hinterher. Thomas Mann hält er für einen blinden Dichter weil er bei ihm keine<br />

solchen fand.<br />

Literaturfetzen sind aber nicht nur des Malers Vehikel der Motivfindung, sondern sie<br />

bedeuten Halt, die Visualisierung von Literatur ist auch eine Methode, Zügellosigkeit<br />

vorzubeugen. Stöhrer nimmt sich, was er dafür brauchen kann, eruiert die<br />

Wechselwirkungen zwischen Wort und Bild auch experimentell.<br />

Die literarische Grundlage festigt den Farbstrom, diszipliniert den Künstler, definiert<br />

die kompositorische Aufgabe, wird Partitur der Bilder.<br />

Wie setzt er Sätze um?<br />

Am Anfang steht die Selektion. Stöhrer unterstreicht während der Lektüre, was ihm<br />

wichtig ist. In seinem Exemplar von Antonin Artauds Das Theater und sein Double<br />

beispielsweise eine Passage <strong>auf</strong> Seite 158 .<br />

„Der Atem steigt in den Bauch hinab und schafft seine Leere, und von dort stößt er<br />

sie hinaus in die Lungenspitzen.“ Da ist viel Raum für den Verdauungsapparat des<br />

Malers.<br />

Eine jener gefundenen Formulierungen, die Stöhrer förmlich anspringt, so scheint es.<br />

Doch er achtet das Urheberrecht. Wenn ein Textfragment Eingang findet in sein<br />

Werk, vermerkt er neben dem Fund im Buch handschriftlich das entsprechende<br />

Datum zwecks Dokumentation. Er führt Buch im Buch.<br />

Lesen ernährt ihn.<br />

„Ich lebe in meinen Augen<br />

Ich esse aus meinen Augen“, sagt er.<br />

Ewald <strong>Schrade</strong> hat das große Glück, Walter Stöhrer nicht nur persönlich gekannt,<br />

sondern in einem sehr freundschaftlichen Kontakt mit ihm gestanden zu haben.


Stöhrer-Bilder gerade jetzt in Mochental zu zeigen, passt gut.<br />

Wir feiern den 250. Geburtstag von Jean Paul. „Mache die Gegenwart zu keinem<br />

Mittel der Zukunft“, nennt Stöhrer 1990 eine Hommage an den Jubilar.<br />

Jean Pauls literarische Besonderheiten ließen ihn den Rezipienten bisweilen sperrig<br />

erscheinen. Ich möchte Stöhrer direkt neben den Dichter setzen.<br />

Jean Paul galt als kapriziöser Autor. Ein Prädikat, das gewiss auch zu Stöhrer<br />

assoziiert werden darf.<br />

Jean Paul hat die „zerfließende Formlosigkeit“ des romantischen Romans „<strong>auf</strong> die<br />

Spitze“ getrieben, sagt die Literaturkritik. Stöhrer geht ähnlich zum Äußersten,<br />

betreibt „zerfließende Formlosigkeit“ und treibt diese „<strong>auf</strong> die Spitze“.<br />

Er selbst über Einflüsse von Literatur: „…das geht eigentlich so durch einen durch<br />

und fließt hinten wieder raus bzw. <strong>auf</strong> die Leinwand.“ Stöhrer ließ es gar<br />

leidenschaftlich fließen. Ließ dabei die Besonderheiten des zweideimensionalen<br />

Formats nicht aus den Augen und trat ihnen entgegen. Die Arbeiten werden gedreht<br />

- und von allen vier Seiten arbeitet er Motive ein. Die All-over-Struktur lässt an Rilke<br />

denken: Denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.<br />

Es ist das nachvollziehbar Prozesshafte in Verbindung mit einer sich rückhaltlos<br />

mitteilenden Passion, das das Faszinosum dieser Bilder bewirkt. Stöhrer kann <strong>auf</strong><br />

der Leinwand wütend und ganz zart sein - indifferent ist er niemals. Die Bilder wirken<br />

explosiv, treffen ins Mark als Gefühlsgewitter, sie entfachen Seelenstürme und lösen<br />

Fieberschauer aus. Figurative Malerei vom Formlosesten.<br />

Textfetzen treten neben Fragmente von Menschenleibern, Rumpf und Gliedmaßen,<br />

die gespensterhafte Formen annehmen können. Farbströme ergießen sich heftig und<br />

wild – das verlangt schon das „Markenzeichen“ des Künstlers, doch Stöhrer kann<br />

das Ventil auch zudrehen. Er kann sich in das Lineare geradezu koboldhaft<br />

verbeißen. Dann spuken Monsterchen, Fratzen, Grinsegesichter durch Stöhrer-Bilder.<br />

Die Metamorphosen fordern den Künstler physisch und psychisch. Er schriebe die<br />

ausgewählten Literaturstellen „sehr hastig mit ziemlich viel Druck“ <strong>auf</strong> den Bildträger,<br />

verrät er, und das sei auch ein innerer Druck, wobei aus einem Wort wiederum ein<br />

Figurenanfang werde. Seine Bildrhetorik baut, teils unmerklich, <strong>auf</strong> der Verflüssigung<br />

des Wortes <strong>auf</strong>, er spielt fiktive Aggregatzustände durch.<br />

Am Ende jedoch will er Lesbarkeit wiederherstellen, indem er die zunächst<br />

absichtlich und vielleicht in einem gewissen Affekt verwischte Text-Spur schließlich<br />

zum Bildtitel macht. Er unterscheidet zwischen Arbeitstiteln und jenen Schlusstiteln,<br />

die ihm wichtig sind, damit dem Betrachter der Zugang <strong>zur</strong> „Simultanität von Formen,<br />

Linien, Flächen“ nicht ganz verbaut wird.<br />

Auf Sprache „abgetrennt von Bildern“ stößt Stöhrer insbesondere in Deutschland.<br />

Umso mehr fesselt ihn die Schriftstellerin Unica Zürn - eng verbunden mit dem<br />

gegenwärtig <strong>auf</strong> der Biennale in Venedig gefeierten Hans Bellmer -, die in beiden<br />

Kategorien denkt. In ihren „Notizen <strong>zur</strong> letzten (?) Krise“ fließt „weißes<br />

Wolkenblut“ über „blauen Himmel“, um ein neues Wesen zu bilden. Aus einer Hand<br />

werden „Kopf und Hals eines Krokodils mit einem einzigen bösen Auge“, und das<br />

Krokodil kann sich <strong>zur</strong>ückverwandeln in die Hand - dann nämlich, wenn man nur<br />

lange genug vom Sofa durch die geöffnete Terrassentür in den Himmel blickt.


Eine Seelenverwandte Stöhrers zweifellos, diese Dichterin, die sich das Leben nahm<br />

wie auch Konrad Bayer.<br />

„Georg fällt mit einem abgerissenen Strauß Autospiegeln <strong>zur</strong> Tür herein“:<br />

So nennt Stöhrer, bei dem oft Verehrung zum Ausdruck kommt, eine Hommage an<br />

Konrad Bayer. Ein avantgardistischer Literat, ein dadaistischer Wiener Wadenbeißer<br />

von intellektuellem Witz. Ein österreichischer Schriftsteller und Dandy, ebenfalls<br />

ausgestattet mit einem besonderen Sensorium.<br />

Bayer war einige Jahre älter als Stöhrer. Aus dem Leben schied er 1964 - 32 Jahre<br />

alt. Die Gruppe 47 hatte seinen Texten nicht applaudiert. Stöhrer berührte eine<br />

solche Kränkung.<br />

Wenn Stöhrer von sich in der dritten Person spricht, so redet er – vielleicht auch<br />

kokett - von dem „Stöhrer mit seinem künstlerischen Egoismus, mit seiner<br />

langsamen Entwicklung einer Arbeit“. Er betrachtet sich selbst wie ein „Prisma, in<br />

dem sich die Dinge brechen“ und stellt fest: „Das Bild ist immer ein festgehaltener<br />

Moment, aber der erste Schritt ist Kopfarbeit“<br />

Disziplinieren muss man sich, das weiß er, „bevor man anfängt zu arbeiten, wenn<br />

man seine Dinge organisiert, wenn man weiß, mit was für Material man arbeiten will.“<br />

Atmosphärische Dichte, bemerkenswerte Konsequenz und symbolische Offenheit<br />

sind das Resultat und kennzeichnen das verwegene Oeuvre, zu dem es keine<br />

Parallelen gibt.<br />

Stöhrer stellt das traditionelle Figur-Grund-Schema systematisch in Frage zugunsten<br />

eines Ereignisraumes. Dabei ist seine Kunst nichts weniger als Ausdruck seiner<br />

Existenz. Die künstlerische Arbeit ist Selbstvergewisserungsmaßnahme in ihrer<br />

sinnlichsten Art. Heidegger’s Wort vom Geworfensein taugt <strong>zur</strong> Betrachtung von<br />

philosophischer Färbung und Malgestus.<br />

Stöhrers Position ist singulär in der Kunst des 20. Jahrhunderts.<br />

Stöhrer ist ein Solitär. Und noch immer ein Geheimtipp<br />

Wer oder was war dieser Mann?<br />

Auf jeden Fall unangepasst.<br />

Das Werk des rebellischen Einzelgängers - diese Etikettierung begleitet ihn<br />

hartnäckig und bleibt unwidersprochen - entzieht sich eindeutiger stilistischer<br />

Zuordnung. Welcher Ismus sollte für ihn passen?<br />

Von Rebellismus möchte ich sprechen, der <strong>auf</strong>fällt durch seine Unbekümmertheit.<br />

Und wo gibt es den heute? Heute, wo alle zum angesagten Zirkel zählen wollen, <strong>auf</strong><br />

den Markt – und Marktlücken - blicken müssen?<br />

Manche haben Stöhrers Qualität frühzeitig erkannt: Seine Galeristen, die Sammler.<br />

Vielen blieb er bis heute fremd. Stöhrers eminent subjektivistische Position muss<br />

Menschen <strong>auf</strong>wühlen, kann sie erschrecken, - oder erreicht sie gar nicht erst - und<br />

sie muss all jene begeistern, die sich selbst als freien Geist empfinden - und<br />

aushalten können.


Amerikanische Kollegen sind es, die für Stöhrer Maßstäbe gesetzt haben, wie er sagt<br />

- de Kooning und Motherwell unter ihnen – Vertreter des abstrakten amerikanischen<br />

Expressionismus. Dass sein Werk in <strong>auf</strong>regenden Teilen dessen deutsche Spielart<br />

darstellt, das darf man an dieser Stelle auch sagen. Der Markt nur, der hat es<br />

womöglich noch nicht gemerkt.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

„Es fehlt mir eine Übereinstimmung der Worte mit der Kurzdauer meiner Zustände.“<br />

Der Titel eines Bildes, den Stöhrer als Hommage an Artaud gewählt hat - den<br />

nehme ich, um überzuleiten zu<br />

Lothar Quinte<br />

Denn: Mit Worten die Kurzdauer - und Langzeitwirkung - der Zustände zu<br />

beschreiben, in die die Kunst des meisterhaften Farbflächenmalers versetzt, ist ein<br />

aussichtsloses Unterfangen.<br />

Quinte-Bilder sind im Gegensatz zu Stöhrers Werken stille Bilder.<br />

Quinte fällt mit keinem abgerissenen Strauß Autospiegeln <strong>zur</strong> Tür herein“<br />

Figurative Phasen sucht man vergeblich. Verwunderlich, wo er doch einmal eine<br />

Puppenbühne geleitet hat.<br />

„Die Farbe Grün diagonal“ oder „Farbfeld Schwarz Rosagrau“ - er benennt seine<br />

Bilder bevorzugt nach den vorherrschenden Farbtönen - sind elementare<br />

Meditationsgründe.<br />

Bilder, vor denen man steht oder sitzt, um einfach ihrem Sog zu folgen.<br />

Zunächst hatte Quinte sich abzugrenzen gesucht gegen die Überväter Willi<br />

Baumeister, Ernst Nay, Fritz Winter.<br />

Für seine Generation war „die gegenstandsfreie, die absolute Malerei das unerhört<br />

Neue“. Sie bedeutete Freiheit schlechthin.<br />

Vom Gestischen findet Quinte alsdann <strong>zur</strong> geometrischen Form und zum Farbfeld.<br />

Quinte überzeugt als nuancierter Monochromist.<br />

Das zentrale Gemälde hier in der Nikolauskapelle von Schloss Mochental - „Gelbe<br />

Linie“ - leitet geradewegs über <strong>zur</strong> transatlantischen Abstraktion, konkreter: zum<br />

„zip“-Motiv des Colourfield-Malers Barnett Newman.<br />

„Das Bild als komplexes optisches Ereignis, reduziert <strong>auf</strong> das Wesentliche“, will<br />

Quinte, „und je mehr es mir gelingt, zu reduzieren, desto eindeutiger wird das Bild.<br />

Ich habe immer die Ruhe in der Bewegung, die Implosion der Farbe statt der<br />

Explosion gesucht.“<br />

Einen Bildzustand, den er „aliterarisch“ nennt.<br />

Mit Quintes Bildern überschreitet der Betrachter eine Schwelle, gelangt <strong>auf</strong> eine<br />

andere Wahrnehmungsebene. Er verlässt vorübergehend das Hier und Jetzt, um in<br />

einem transzendenten Bereich neben sich und hinter die vordergründigen<br />

Aufgeregtheiten des Lebens <strong>zur</strong>ückzutreten.


Die Materialität des Bildes wird <strong>zur</strong> Pforte in einen immateriellen Raum.<br />

Es gibt zwischen Stöhrer und Quinte indes auch eine Reihe Gemeinsamkeiten<br />

Beide studierten bei HAP Grieshaber.<br />

Sie starben kurz nacheinander, beide im Jahr 2000, der 14 Jahre jüngere Walter<br />

Stöhrer noch knapp drei Monate vor Lothar Quinte.<br />

Beide Künstler sahen in der Gouache eine ihrem Ausdruckswillen adäquate Technik.<br />

Mit Gouachen, so Quinte, habe er sich „freigespielt“. Sie sind auch eine Art<br />

Fingerübung: „Das mache ich immer, wenn ich nicht weiter weiß.“<br />

Dabei wirken seine Papierarbeiten überaus eigenständig, faszinieren durch das<br />

überaus subtile Linienspiel, das Abbildungen kaum wiedergeben können. Wo Stöhrer<br />

zu Linienfigurationen findet, arbeitet Quinte mit feinen Verästelungen, mitunter an<br />

Äderchen erinnernd.<br />

Seine Kompositionen atmen, stecken voller subkutaner Energie.<br />

Quinte war auch Schattenspieler, er leitete die Schattenspielgruppe um HAP<br />

Grieshaber. „Schwarzes Auge“ nannte sie sich. Schatten beschäftigten Stöhrer<br />

desgleichen. „Jedes wahre Bild hat seinen Schatten, der es doubelt“, lautet ein<br />

Bildtitel - abermals ein Bekenntnis zu Artaud.<br />

Und ich möchte fragen: Wann wird ein Kurator kommen, der diese beiden<br />

eigenwillige Künstlerpersönlichkeiten <strong>auf</strong> die Biennale nach Venedig einlädt - wie es<br />

nun - posthum Hans Bellmer umd Walter Pichler widerfuhr, um zwei der wenigen<br />

Teilnehmer aus dem deutschsprachigen Raum zu nennen, die die globale Kunstwelt<br />

nun via Venedig entdecken soll?<br />

Und wann endlich entdecken die Amerikaner Stöhrer und Quinte, wo doch gestische<br />

Dynamik sowie verschwiegene Farbraumerfahrung, ungehemmte Exaltation und<br />

großflächige Aufforderung <strong>zur</strong> Kontemplation gleichermaßen Domänen der<br />

amerikanischen Malerei des 20. Jahrhunderts schlechthin sind.<br />

Schön, dass wir uns in das nicht allzu oft ausgestellte und selten parallel gezeigte<br />

Werk der HAP-Grieshaber-Schüler fürs Erste nunmehr in Mochental vertiefen dürfen.<br />

Ewald <strong>Schrade</strong>, er fällt eben einfach mit einem Strauß von Gemälden <strong>zur</strong> Tür herein.<br />

Ich danke Ihnen.<br />

Dorothee Baer-Bogenschütz<br />

Schloß Mochental, 9. Juni 2013

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