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Redemanuskript zur Ausstellungseröffnung auf ... - Galerie Schrade

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nachdrücklich. Graphische und malerische Strukturen befruchten und verbinden sich<br />

zu einem Amalgam <strong>auf</strong> der Grundlage einer kongenialen Regieführung.<br />

Erschaffen wird ein bildnerisches Universum, das Textstellen malerisch überhöht, um<br />

ihren Gehalt zu vertiefen.<br />

Bevorzugt sind es Sätze mit synästhetischer Wirkung, die Stöhrer assoziativ umkreist<br />

- es gelingt ihm, Dichterworte beziehungsreich in einem Medium erfahrbar zu<br />

machen, für das sie nicht vorgesehen waren. Stöhrers freier Malgestus verbündet<br />

sich dabei mit der Kunst der Kalligraphie. „Ich schreibe während ich male + male<br />

während ich schreibe“, hat er gesagt.<br />

Das daraus erwachsende Spannungsprinzip, dieser kühne Balanceakt, die<br />

couragierte Wort-Bild-Akrobatik bestimmen die Dynamik von Stöhrers Malerei<br />

wesentlich.<br />

Sind literarische Vorlagen der Schlüssel <strong>zur</strong> Stöhrer-Exegese, so muss man auch<br />

wissen: Er unterscheidet zwei Arten zu lesen, beziehungsweise verschiedene<br />

Buchtypen: Bücher, die er liest und in denen er anstreicht. „Optischen Zeilen“ ist er<br />

hinterher. Thomas Mann hält er für einen blinden Dichter weil er bei ihm keine<br />

solchen fand.<br />

Literaturfetzen sind aber nicht nur des Malers Vehikel der Motivfindung, sondern sie<br />

bedeuten Halt, die Visualisierung von Literatur ist auch eine Methode, Zügellosigkeit<br />

vorzubeugen. Stöhrer nimmt sich, was er dafür brauchen kann, eruiert die<br />

Wechselwirkungen zwischen Wort und Bild auch experimentell.<br />

Die literarische Grundlage festigt den Farbstrom, diszipliniert den Künstler, definiert<br />

die kompositorische Aufgabe, wird Partitur der Bilder.<br />

Wie setzt er Sätze um?<br />

Am Anfang steht die Selektion. Stöhrer unterstreicht während der Lektüre, was ihm<br />

wichtig ist. In seinem Exemplar von Antonin Artauds Das Theater und sein Double<br />

beispielsweise eine Passage <strong>auf</strong> Seite 158 .<br />

„Der Atem steigt in den Bauch hinab und schafft seine Leere, und von dort stößt er<br />

sie hinaus in die Lungenspitzen.“ Da ist viel Raum für den Verdauungsapparat des<br />

Malers.<br />

Eine jener gefundenen Formulierungen, die Stöhrer förmlich anspringt, so scheint es.<br />

Doch er achtet das Urheberrecht. Wenn ein Textfragment Eingang findet in sein<br />

Werk, vermerkt er neben dem Fund im Buch handschriftlich das entsprechende<br />

Datum zwecks Dokumentation. Er führt Buch im Buch.<br />

Lesen ernährt ihn.<br />

„Ich lebe in meinen Augen<br />

Ich esse aus meinen Augen“, sagt er.<br />

Ewald <strong>Schrade</strong> hat das große Glück, Walter Stöhrer nicht nur persönlich gekannt,<br />

sondern in einem sehr freundschaftlichen Kontakt mit ihm gestanden zu haben.

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