GG Inside-16-10-13 - Gymnasium Gerresheim
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s 19<br />
<strong>GG</strong> inside 01 | 20<strong>13</strong><br />
Serie<br />
Aufbrüche - Erinnerungen eines Ehemaligen<br />
Der 09. Mai 1965 ist schon ein paar Tage her, aber<br />
trotzdem eine bleibende Erinnerung. Damals war es<br />
üblich, dass ordentliche Eltern ihre Wertschätzung<br />
einer höheren Bildungsanstalt gegenüber auch in der<br />
Kleidung ihrer Kinder, zumindest am ersten Schultag,<br />
zum Ausdruck brachten. Der Delinquent mußte also<br />
in schwarzer Stoffhose, weißem Nylonhemd, selbstgeputzten<br />
Schuhen,<br />
mal „gefressen“ hatte, war es eine Schule fürs Leben.<br />
„Das werde ich in meinem Berufsleben nie brauchen“,<br />
war der Standardirrtum vieler Schüler. Ich wunderte<br />
mich später, wie oft mich das in der Vergangenheit<br />
Gelernte, aber auf den damaligen Blick Berufsfremde,<br />
einholte und wie oft es half. Englisch, Französisch, sogar<br />
Latein (eine tote Sprache?) waren mir im europäischen<br />
Wirtschaftsleben wichtige Begleiter, Physik und Chemie<br />
nie meine Leib- und Magenfächer. So manches missglückte<br />
Experiment blieb mit Gelächter in der Klasse<br />
und auf dem Schulhof (besonders bei bestimmten Lehrern)<br />
in Erinnerung und bestätigte den Spruch: Chemie<br />
ist das, was kracht und stinkt, Physik ist das, was nie<br />
gelingt. Aber wie ein Blockheizkraftwerk mit anhängender<br />
Fernwärmetrasse oder eine Biogasanlage und<br />
ein Niedrigenergiehaus funktionierte, war mir schnell<br />
durchschaubar.<br />
Es gab gravierende gesellschaftliche Veränderungen,<br />
die manche gern ignorierten. Die 68er-Zeit (Hinweis<br />
für die jüngeren Leser: folgte bald nach der politischen<br />
Steinzeit in unserem Land) ließ sich<br />
schwarzer Jacke und neuem Tornister<br />
antreten. Zum Glück waren drei Schulfreunde<br />
aus Erkrath (und viele Andere) mit ähnlichem<br />
Dress-Code anwesend. Da fiel ich nicht so auf.<br />
Am nächsten Tag schon. Und nach drei Tagen<br />
mußte der Kampf gegen die Eltern dann endlich<br />
gewonnen sein….<br />
Wie ein Wasserfall überschüttete uns der<br />
neue Stundenplan mit Sprachen und bisher<br />
unbekannten Themen. Rasch entwickelten sich<br />
unterschiedliche Intensitäten von Interesse<br />
oder Begeisterung. In Erkrath hatte mich<br />
Fräulein Bander im Rechnen zu Überstunden<br />
motivieren können, hier stand ein älterer Herr vorn<br />
an der Tafel, der das so überhaupt nicht konnte oder<br />
wollte. Ein Kulturschock. Also mußte man schon selber<br />
ran. Überhaupt war das eine der ersten, aber zugleich<br />
auch lebensprägendsten Erfahrungen. Irgendwie sehr<br />
hilfreich, im Nachhinein betrachtet.<br />
Im Laufe der Jahre entwickelte man ein Gefühl dafür,<br />
zu erkennen, welcher Lehrer einem wohlgesonnen war,<br />
ohne dies aber zu zeigen. Wer für uns kämpfte oder<br />
wer nicht. Man lernte die Eigenheiten kennen. Bei wem<br />
reichte einmal Aufzeigen die Stunde, um im Langzeitgedächtnis<br />
positiv haften zu bleiben, bei wem mußte<br />
ich richtig ranklotzen und mitarbeiten. Jeder Jeck ist<br />
anders, sagen die Rheinländer, und manchmal denke ich:<br />
die müssen dabei auch an ihre Schulzeit gedacht haben.<br />
Nicht viel anders war es allerdings auch mit den Mitschülern.<br />
Man trifft, wie im richtigen Leben, halt solche<br />
Freunde und solche, warum auch immer. Wenn man das<br />
davon<br />
nicht beeindrucken. Knöchelhohe Wildlederstiefel,<br />
Jeans, Bundeswehr-Parka, gebatikte T-Shirts, Peace-<br />
Symbole, Demonstrationen für bessere Bildung und<br />
gegen Vietnam und die konsequente Reduzierung der<br />
Friseurbesuche waren die äußerlichen Zeichen. Dazu<br />
die Stones, Pink Floyd, Deep Purple, die Beatles und<br />
natürlich Woodstock. Die Aufbruchstimmung in Politik<br />
und Gesellschaft war zu spüren, manche Pädagogen hatten<br />
so ihre Probleme, andere fingen uns Dreizehn- oder<br />
Vierzehnjährige durch Miteinanderreden auf. Hier wurden<br />
oft Generationenkonflikte im Geschichtsverständnis<br />
deutlich.<br />
Tagelang berichteten die Medien auch in unsere Aula<br />
über die Demonstrationen 1968 anlässlich des „Prager<br />
Frühlings“ in der Tschechoslowakei, wie sie damals<br />
noch hieß. Menschen versuchten, mit ausgebreiteten