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C hristusträger:<br />
Christophorus und Josef<br />
Ute Böer-Arnke<br />
Schlüsselfelder Christophorus, Nürnberg 1442,<br />
Nationalmuseum Nürnberg,<br />
Zeichnung: Ute Böer-Arnke 2012<br />
Im Nationalmuseum von Nürnberg befindet<br />
sich eine der bedeutendsten Skulpturen<br />
des 15. Jahrhunderts: der Schlüsselfelder<br />
Christophorus von 1442. Der Auftraggeber<br />
dieser über drei Meter hohen vollplastischen<br />
Figur aus Sandstein war die Patrizierfamilie<br />
Schlüsselfeld in Nürnberg. Die<br />
Skulptur zierte das Grabmal der Familie in<br />
der Kirche St. Sebaldus in Nürnberg. Der<br />
Bildhauer ist nicht bekannt. Jetzt befindet<br />
sich außen an der Kirche St. Sebaldus eine<br />
Replik der Skulptur.<br />
Die Existenz dieses riesenhaft gewachsenen<br />
Mannes und sein Martyrium sind geschichtlich<br />
bezeugt. Er wurde im 2. Jahrhundert<br />
in Kanaan oder Lykien geboren<br />
und erhielt von seinen heidnischen Eltern<br />
den Namen Reprobus. In Lykien wurde er<br />
unter einem heidnischen König Mitte des<br />
3. Jahrhunderts gefoltert und enthauptet.<br />
Eine Legende berichtet, dass er seine Heimat<br />
verließ, um den mächtigsten Herrscher<br />
der Welt zu finden, dem er dienen wollte.<br />
Er begegnete einem Eremiten, der ihm befahl,<br />
auf seinen Schultern Menschen durch<br />
einen nahe liegenden Fluss zu tragen. Eines<br />
Tages stand ein Kind am Ufer. Er nahm es<br />
auf seine Schultern, und während er durch<br />
das Wasser ging, wurde die Last immer<br />
schwerer, sodass er völlig erschöpft am anderen<br />
Ufer ankam. Das Kind gab sich zu erkennen<br />
und erklärte ihm, dass er Christus,<br />
den Herrscher der Welt, getragen habe. Es<br />
wird weiterhin erzählt, dass Reprobus von<br />
Christus getauft wurde und den Namen<br />
Christophorus erhielt.<br />
Die Skulptur zeigt den Mann barfüßig<br />
schreitend, wobei er seinen Mantel bis zu<br />
den Knien hochhält. Der Betrachter kann<br />
sich dadurch die Tiefe des Wassers vorstellen,<br />
das zu durchwaten war. Der kräftige<br />
Ast eines Eichbaumes dient als Stütze. Diesen<br />
umfasst der Mann mit seiner rechten<br />
Hand, mit der er gleichzeitig einen Gewandbausch<br />
seines Mantels festhält. Der<br />
Wanderstab ist im oberen Teil mit Eichenblättern<br />
und Eicheln ausgearbeitet. Der<br />
Knabe umfasst ihn ebenfalls mit seiner<br />
kleinen rechten Hand. So wirkt es, als ob<br />
er den Weg weise. Mit seiner linken Hand<br />
berührt er die Stirn des Mannes, der seinen<br />
Blick nach unten richtet. Der Knabe hockt<br />
so auf den Schultern, dass er mit seinem<br />
Körper das Haupt des Mannes umgibt, als<br />
wolle er den Mann beschützen. Die kleine<br />
Hand des Knaben auf der Stirn des Mannes<br />
kann an die Taufe erinnern, die Reprobus<br />
der Legende nach durch Christus empfing.<br />
Angesichts dieser Gestaltung kann sich<br />
der Betrachter durchaus die Mühen vergegenwärtigen,<br />
die der heilige Josef bei<br />
der Heimreise aus Ägypten nach Nazaret<br />
durchzustehen hatte. Josef wusste zwar<br />
durch den Engel, dass Herodes, der Jesus<br />
töten wollte, nicht mehr lebte. Er fürchtete<br />
aber, dass dessen Sohn Archelaos ebenfalls<br />
nach Jesus forschen könnte. Darum<br />
entschloss er sich, nicht auf direktem Weg<br />
über Jerusalem nach Nazaret zu wandern,<br />
sondern auf einem sehr beschwerlichen<br />
Weg, der am Mittelmeer entlang führte.<br />
Wie der heilige Bonaventura berichtet, war<br />
Jesus bei dieser Reise bereits sieben Jahre<br />
alt. Er war zu schwach, um viele Stunden<br />
täglich zu wandern. So wird ihn sein Vater<br />
immer wieder einmal auf seinen Schultern<br />
getragen haben. Der heilige Josef trug auch<br />
ungefähr 27 Jahre lang die Verantwortung<br />
für das Wohl seiner Familie.<br />
Weitere Eigenschaften verbinden diese beiden<br />
Heiligen. Josef, der Pflegevater Jesu,<br />
gilt seit der Frühzeit des Christentums als<br />
mächtiger Fürsprecher in allen Nöten. Er<br />
wird vor allem auch um einen guten Tod<br />
angerufen, da er – nach gläubiger Überlieferung<br />
– in den Armen Jesu starb. Christophorus<br />
ist einer der 14 Nothelfer (Gedenktag<br />
24.Juli). Er gilt als Beschützer der<br />
Reisenden, der Kinder und als Helfer in allen<br />
Gefahren durch Wasser, Feuer, Unwetter<br />
und Krankheiten.<br />
Ein altes Sprichwort besagt: Wenn man<br />
am Morgen ein Bild des Christophorus betrachtet,<br />
sei man geschützt bis zum Abend;<br />
auch bewahre dies vor einem unbußfertigen<br />
Tod.<br />
Mariologisches | 1-2013 7