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2013<br />

Innovationszentrum für Mobilität<br />

und gesellschaftlichen Wandel<br />

Einfach und komplex<br />

Nutzeranforderungen an Smartphone-Applikationen<br />

zur intermodalen Routenplanung<br />

Marc Schelewsky · Helga Jonuschat · Benno Bock · Valentin Jahn<br />

<strong>InnoZ</strong>-Baustein 13


Autoren<br />

Autoren<br />

Dipl.-Soz. Marc Schelewsky ist seit 2007 am <strong>InnoZ</strong> beschäftigt und leitet das Fachgebiet<br />

„Mediengestützte Mobilität“. Seine Arbeitsgebiete umfassen den Einsatz mobiler Medien für<br />

den ÖV, personalisierte Navigationssysteme, Analyse von IT-Trends, neue Formen der Kundenakzeptanzforschung,<br />

GPS-basierte Verkehrs- und Mobilitätsforschung, Einsatz von Ortungstechnologien<br />

in Mobilitätsdienstleistungen, Innovationspotenziale im Taxigewerbe, vernetzte<br />

Mobilität, IT-Systeme für Elektromobilität. Zudem leitet und koordiniert er den Arbeitskreis<br />

„Indoor-Navigation“. Bis Dezember 2012 war er Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe<br />

„Wissenschaftspolitik“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).<br />

marc.schelewsky@innoz.de<br />

Helga Jonuschat ist seit 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am <strong>InnoZ</strong> und befasst sich<br />

mit sozialwissenschaftlicher Mobilitäts- und Nutzerakzeptanzforschung. Helga Jonuschat<br />

hat Architektur und Stadtplanung an der HfbK in Hamburg studiert sowie an der HU Berlin zu<br />

lokalen sozialen Netzwerken promoviert. Seit 2012 forscht sie am <strong>InnoZ</strong> zur mediengestützten<br />

Mobilität und Nutzerakzeptanz von Innovationen. An der FU Berlin ist sie im Masterstudiengang<br />

„Zukunftsforschung“ Dozentin im Bereich „Technikentwicklung und Gesellschaft“.<br />

helga.jonuschat@innoz.de<br />

Benno Bock, Diplomingenieur Verkehrswesen, ist seit 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am <strong>InnoZ</strong> und evaluiert die Auswirkungen von Produktinnovationen im Mobilitätsbereich.<br />

Im Fokus stehen dabei neuartige Mobilitätsdienste, die auf Informations-und Kommunikationstechnologien<br />

beruhen.<br />

benno.bock@innoz.de<br />

Valentin Jahn ist seit 2010 als wissenschaftliche Hilfskraft im <strong>InnoZ</strong> tätig. Als Techniksoziologe<br />

beschäftigt er sich mit der Wechselwirkung von gesellschaftlichem Verhalten und technischen<br />

Entwicklungen. Vor allem Veränderungsprozesse durch Innovationen im IKT-Bereich<br />

stehen auf seiner Forschungsagenda. Die Aufgabenbereiche erstrecken sich dabei von sozialwissenschaftlicher<br />

Begleitforschung bis hin zur praktischen Technikgestaltung.<br />

valentin.jahn@innoz.de


Inhalt<br />

Inhalt<br />

Verzeichnis der Abbildungen und Abkürzungen 4<br />

Kurzfassung / Summary 5<br />

1. Das Smartphone als „ÖV-Navi“ 7<br />

2. Das cairo-Projekt 9<br />

Technische Merkmale der cairo-Applikation 10<br />

Optimierung der technischen Komponenten<br />

über Usability Tests und Benchmark-Analyse 10<br />

Identifikation von Nutzeranforderungen über<br />

Nutzerbefragungen und den cairo-Blog 10<br />

Triangulation der Ergebnisse aus der Begleitforschung 11<br />

3. Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex 12<br />

Intermodale Routen mobil zusammenstellen 12<br />

Nutzerfreundliche Menüführung beim intermodalen Routing 13<br />

Die Rolle der Early Adopters 13<br />

Welche funktionalen Erwartungen werden an cairo gerichtet? 15<br />

Wann wird cairo genutzt? 16<br />

Welche Funktion ist am beliebtesten? 17<br />

In welchen Situationen wünschen sich<br />

intermodale Verkehrsteilnehmer bessere Informationen? 18<br />

Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf die Early Majority 20<br />

4. Informationsnutzung in der Praxis 22<br />

Schnelle und einfache Routenabfrage –<br />

und zwar über alle Verkehrsmittel hinweg! 22<br />

Berücksichtigung individueller Präferenzen 23<br />

Integration kontextbasierter Informationen 23<br />

5. Ausblick: Dynamische Informationen für intermodale Mobilität 25<br />

Literatur 26


Verzeichnis der Abbildungen und Abkürzungen<br />

Verzeichnis der Abbildungen und Abkürzungen<br />

Abbildungen<br />

Abb. 1: Phasen des cairo-Projekts 9<br />

Abb. 2: Entwicklung intermodaler Routenplanungsdienste 9<br />

Abb. 3: Nutzeranforderungen bei der App-Entwicklung 11<br />

Abb. 4: Usability als Qualitätskriterium 13<br />

Abb. 5: Nutzung von Smartphone-Apps für den ÖV 14<br />

Abb. 6: Verkehrsmittelnutzung der Befragten 14<br />

Abb. 7:<br />

Nutzung und Ausstattung der Befragten mit Mobilitätsangeboten<br />

und Zugangsberechtigungen im Längsschnitt 15<br />

Abb. 8: Erwartungen an smartphonebasierte Mobilitätsdienste 16<br />

Abb. 9: cairo-Einsatz je Verkehrsmittel 17<br />

Abb. 10: cairo-Einsatz je Reiseanlass 17<br />

Abb. 11: Bewertung der Funktionen der App 18<br />

Abb. 12: Informationsbedarf nach Verkehrsmitteln 19<br />

Abb. 13: Informationsbedarf nach Orten 19<br />

Abb. 14: Informationsbedarf nach Wegen 20<br />

Abb. 15: Einfluss auf Wege und Verkehrsmittelwahl 20<br />

Abb. 16: Einfluss auf Mobilität 21<br />

Abb. 17: Screenshot der Bemobility-Suite 23<br />

Abb. 18: Screenshot von Pendel Panda 23<br />

Abb. 19: Screenshot der Car2Go-App 24<br />

Abb. 20: Screenshot der Alarmfunktion bei cairo 24<br />

Abkürzungen<br />

Abb.<br />

EDGE<br />

GPRS<br />

GSM<br />

HSDPA<br />

IKT<br />

LBS<br />

LTE<br />

PDA<br />

POI<br />

UMTS<br />

Abbildung<br />

Enhanced Data Rates for GSM Evolution<br />

General Packet Radio Service<br />

Global System for Mobile Communications<br />

High Speed Downlink Packet Access<br />

Informations- und Kommunikations-Technologien<br />

Location Based Services<br />

Long Term Evolution<br />

Personal Digital Assistant<br />

Point of Interest<br />

Universal Mobile Telecommunications System<br />

Aus Gründen der Einfachheit und der Lesbarkeit wurde bei Personenbezeichnungen in der Regel<br />

die männliche Form verwendet; es sind jedoch immer jeweils beide Geschlechter gemeint.<br />

4 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Kurzfassung / Summary<br />

Kurzfassung<br />

Die Angebote auf dem Verkehrsmittelmarkt werden immer differenzierter:<br />

Innovative Lösungen wie Bike- oder Carsharing-<br />

Konzepte schließen aus Angebotsperspektive zunehmend die<br />

Lücke zwischen dem reinen Individualverkehr (IV) und dem<br />

klassischen öffentlichen Verkehr (ÖV). Ein Umsteigen auf Bus<br />

und Bahn kommt jedoch für Autofahrer nur dann in Frage, wenn<br />

die gewohnten Mobilitätsmuster im Hinblick u.a. auf Fahrtzeiten,<br />

Routen und zusätzliche Erledigungen auch mit dem ÖV gleichermaßen<br />

komfortabel möglich sind. Smartphones bieten in diesem<br />

Zusammenhang die Möglichkeit, auch von unterwegs aus Routen<br />

mit Bus, Bahn, Leihrädern und Carsharing so flexibel und spontan<br />

zu planen, dass das Navigieren durch den öffentlichen Verkehr<br />

deutlich komfortabler und übersichtlicher wird. Außerdem kann<br />

das Abrufen von Informationen über Smartphones dazu beitragen,<br />

in öffentlichen Räumen ein Gefühl der Privatheit und der Sicherheit<br />

zu erzeugen. Somit wird der Zugang zum öffentlichen Verkehr<br />

durch Routenplanungs-Apps für viele Menschen vereinfacht.<br />

Das <strong>InnoZ</strong> hat im Projekt „cairo“ über zwei Jahre die Nutzeranforderungen<br />

an ein mobiles Routing für den öffentlichen Verkehr<br />

untersucht und dabei auch Änderungen im Zeitverlauf erfasst.<br />

Insgesamt konnten damit nicht nur generelle Anforderungen an<br />

die technische Ausgestaltung der Routing-App ausgewertet,<br />

sondern auch konkrete Informationsbedarfe nach Orten, Wegen<br />

oder Verkehrsmitteln bestimmt werden. Die Ergebnisse dieser<br />

Studie werden im vorliegenden Baustein vorgestellt.<br />

Summary<br />

Simple and Complex – User Preferences on Intermodal Routing<br />

Applications for Smartphones<br />

During recent years, the mobility service market has diversified:<br />

Innovative solutions like bike- and carsharing concepts increasingly<br />

fill the gap between individual car transport, and public<br />

transport. Most car owners, though, will only change to public<br />

transport, if travelling becomes as comfortable as car trips in<br />

terms of travelling routines, times, activities, and routes. In this<br />

context, smartphones indeed facilitate the access to public transport<br />

by enabling a flexible and spontaneous planning of bus, train,<br />

bike rental and carsharing trips “on the go”. Moreover, smartphones<br />

can enhance the feeling of security and privacy in public<br />

spaces in general. As a consequencee, navigating through the<br />

public transport network becomes much easier and comfortable<br />

for many user groups.<br />

Within the “cairo” project, researchers at <strong>InnoZ</strong> have assessed<br />

user preferences on mobile routing over a period of two years,<br />

and could therefore also detect changes over time. Apart from<br />

general requirements on technical functions, actual information<br />

needs with regards to location, transport modes, or routes have<br />

been a central subject of research. The results of this study are<br />

summarized in this Baustein.<br />

Das Verbundprojekt „cairo“ wurde von 2009 bis 2012 (erste Phase<br />

von 02/2009-03/2011, zweite Phase von 04/2011-09/2012) vom<br />

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi)<br />

gefördert. An dem Projekt beteiligten sich die Unternehmen<br />

DB AG/DB Vertrieb/DB Rent, HaCon GmbH, in der ersten Projektphase<br />

zusätzlich noch der VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg<br />

GmbH sowie die RWTH Aachen (Lehrstuhl Informatik 4,<br />

Lehr- und Forschungsgebiet Textlinguistik/Technik-Kommunikation<br />

und das Arbeitsgebiet Mensch-Technik-Interaktion). Die<br />

Koordination des Projekts übernahm in der ersten Projektphase<br />

die RWTH Aachen, in der zweiten Projektphase das <strong>InnoZ</strong>.<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 5


Das Smartphone als „ÖV-Navi“<br />

1. Das Smartphone als<br />

„ÖV-Navi“<br />

Die Angebote auf dem Verkehrsmittelmarkt wachsen heutzutage<br />

stetig. Innovative Lösungen wie vielfältige Sharingkonzepte<br />

schließen aus technischer Sicht die Lücken zwischen dem reinen<br />

Individualverkehr (IV) und dem klassischen öffentlichen Verkehr<br />

(ÖV). Doch bei den Nutzergruppen lösen sich diese Paradigmen<br />

in den Köpfen bisher nur langsam auf. Ein Großteil der<br />

Bevölkerung ist vorrangig entweder auf den Individualverkehr<br />

oder den öffentlichen Verkehr fokussiert (vgl. dazu Zumkeller<br />

et al. 2011, S. 55f.). Durch die verschiedenen Eigenschaften<br />

dieser Verkehrsmittelarten entstehen für die jeweiligen Nutzer<br />

unterschiedliche Vor- und Nachteile.<br />

Da nach Gorr (1997) die Verkehrsmittelwahl zu 95 Prozent routinisiert<br />

stattfindet, ist davon auszugehen, dass gewohnheitsmäßige<br />

Nutzer nicht immer das optimale Verkehrsmittel für den<br />

jeweiligen Nutzungsanlass wählen. Vor allem auf alltäglichen<br />

Wegen, z.B. zur Arbeit oder zum Einkaufen, wird die Verkehrsmittelwahl<br />

von individuellen Routinen geleitet und erfolgt daher<br />

weitgehend unbewusst (vgl. Karl/ Maertins 2009, S. 6). Vor<br />

allem aus Gründen einer nachhaltigen Verkehrsmittelnutzung<br />

scheint es mehr als angebracht, die Kluft zwischen dem ÖV und<br />

dem IV zu schließen.<br />

Ziel sollte es daher sein, dass die Eigenschaften von unterschiedlichen<br />

Verkehrsmitteln immer optimal genutzt werden können,<br />

sodass für den jeweiligen Anlass und in der jeweiligen Situation<br />

das effizienteste Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Diese angestrebte<br />

Multioptionalität bedeutet nicht zuletzt auch für die<br />

Nutzer einen Zuwachs an Flexibilität und Selbstbestimmtheit<br />

bezüglich der eigenen Mobilität. Diese Mobilität sollte ganz unabhängig<br />

vom Verkehrsmittel gedacht werden können (seamless)<br />

und der Verkehr sollte somit verkehrsmittelübergreifend<br />

(intermodal) realisierbar sein. Vor allem im Sinne einer intermodalen<br />

Mobilität ist zu diesem Zweck der öffentliche Verkehr<br />

besonders förderungswürdig, denn hier besteht ein großes<br />

Nutzungspotenzial. Vielen Menschen sind die Vorteile des ÖVs<br />

nicht bewusst, da sie sich bspw. an bestehenden automobilen<br />

Routinen orientieren. Diese verkehrlichen Handlungsmuster<br />

werden meist durch Individualverkehrsmittel geprägt und<br />

divergieren mit den Nutzungsbedingungen der fahrplangebundenen<br />

Verkehrsmittel.<br />

Die Sozialisation durch das Automobil verhindert somit einen<br />

neutralen Blick auf die öffentlichen Verkehrsmittelangebote,<br />

denn in den Köpfen haben sich die Eigenschaften der „Rennreiselimousine“<br />

(Knie 1997) als Best Practice verfestigt. Gegenüber<br />

dem ÖV werden bspw. der spontane Zugang und die Flexibilität<br />

bei der Routenwahl als besonderer Vorteil angeführt. Dies bedeutet,<br />

dass ein Umsteigen auf Bus und Bahn für Autofahrer nur<br />

dann in Frage kommt, wenn die gewohnten Mobilitätsmuster<br />

im Hinblick u.a. auf Fahrtzeiten, Routen und zusätzliche Erledigungen<br />

auch mit dem ÖV gleichermaßen komfortabel möglich<br />

sind. Zudem ist für Autofahrer die ständige Verfügbarkeit<br />

des eigenen Fahrzeuges ein zentrales Argument gegen öffentliche<br />

Verkehrsmittel.<br />

Eine weitere Hürde, welche das spontane Umsteigen auf den ÖV<br />

aus der Sicht der Autofahrer beeinträchtigt, ist die Komplexität<br />

des Systems an sich. Um von einem Ort zu einem anderen zu<br />

gelangen, muss man sich an Fahrplänen, Liniennetzen und<br />

Tarifstrukturen orientieren. Zudem ist die Nutzung des ÖVs oft<br />

mit Verkehrsmittelwechseln und Wartezeiten verbunden. Die<br />

notwendige Koordinationsarbeit wird von vielen als eine Belastung<br />

empfunden. Das setzt sich auch bei den immer mehr<br />

Verbreitung findenden halböffentlichen Verkehrsmittelangeboten<br />

wie Carsharing- oder Fahrradverleihsystemen fort.<br />

Durch die zunehmende Pluralisierung der Angebotslandschaft<br />

wächst auch gleichzeitig die Komplexität des gesamten Verkehrsmittelsystems.<br />

Zudem steigt die Anzahl potenzieller Zugangshürden<br />

zu den immer vielfältiger werdenden Verkehrsmittelangeboten,<br />

da durch diese verkehrliche Ausdifferenzierung immer<br />

mehr mögliche Optionen mitgedacht werden müssen. Es muss<br />

also noch mehr Koordinationsarbeit geleistet werden, um alle<br />

möglichen Verkehrsmitteloptionen mit in die Mobilitätsplanung<br />

einbeziehen zu können. Es besteht daher das Problem, dass<br />

eine nachhaltige intermodale Mobilität mit einer wachsenden<br />

Komplexität einhergeht. Besonders das praxisrelevante Wissen,<br />

das eine hürdenlose Verkehrsmittelnutzung erst ermöglicht,<br />

fehlt derzeit und steht einer routinisierten intermodalen Verkehrsmittelnutzung<br />

im Wege.<br />

Smartphones bieten einen Ausweg aus diesem Dilemma, denn<br />

ihre Funktionalitäten ermöglichen einen Zugriff auf vielfältigste<br />

Informationen. Das fehlende routinisierte Praxiswissen muss<br />

sich nicht mehr selbst angeeignet werden, sondern kann im<br />

jeweiligen Kontext durch aktuelle mobile Informationen ersetzt<br />

werden. Bereits 2004 wurden mobile Informationsdienste daher<br />

auch als Schlüsseltechnologie für intermodale Reiseangebote<br />

identifiziert (Beutler 2004). Drei Erfolgsfaktoren lassen sich nach<br />

Beutler als strukturelle Bedingungen identifizieren, die für die<br />

Umsetzung eines idealtypischen intermodalen Verkehrsverhalten<br />

maßgeblich sind: „Nutzen ohne Nachdenken, One-Way-Fähigkeit<br />

und Pay-As-You-Go-Bezahlschema“ (ebd., S. 17 f.). Mit mobilen<br />

Informationssystemen lassen sich diese Anforderungen umsetzen.<br />

Was damals noch als eigenständiger „Personal Travel<br />

Assistant“ (PTA) mit GPS und Übersetzungstool vermarktet<br />

wurde, ist für viele heute in Form von Mobilitäts-Apps für Smartphones<br />

Alltagsgut geworden.<br />

Auch die derzeitige Diffusionsgeschwindigkeit, mit der Smartphones<br />

gesellschaftliche Verbreitung finden, spricht für eine<br />

zunehmende Verbindung von Mobilität und informatorischer<br />

Vernetzung. Bereits knapp ein Drittel (28 Prozent) der Internetnutzer<br />

greift auf das Smartphone zurück, 58 Prozent davon sogar<br />

täglich (Accenture 2011, S. 5). Fast zwei Drittel aller mobilen<br />

Internetnutzer und sogar drei Viertel der 20-29-Jährigen nutzen<br />

zudem ihr Smartphone, um ihre Mobilität zu planen (ebd., S. 20).<br />

Über immer schnellere Verbindungsstandards (von GSM und<br />

GPRS über EDGE und UMTS bis hin zu HSDPA und LTE) werden<br />

dabei auch komplexere Abfragen, die einer Übertragung größerer<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 7


Das Smartphone als „ÖV-Navi“<br />

Datenmengen bedürfen, an nahezu jedem Ort möglich. Der<br />

Ablösung des Handys durch das Smartphone steht also auch<br />

technisch nichts mehr im Wege.<br />

Durch diese neuen Möglichkeiten der informatorischen Vernetzung<br />

lassen sich die Herausforderungen intermodaler Mobilität<br />

durch das Smartphone bewältigen. Für die Nutzer kann die Überkomplexität<br />

vielfältigster Mobilitätsoptionen durch geeignete<br />

Apps in eine sog. Seamless-Erfahrung umgekehrt werden, d.h.<br />

es gibt keine Lücken im Informationsfluss und somit keine Brüche<br />

beim Wechsel zwischen den unterschiedlichen Mobilitätsangeboten.<br />

Dieser informatorische Mehrwert ermöglicht eine<br />

effiziente Fortbewegung, unabhängig von Systemgrenzen oder<br />

verkehrsmittelspezifischen Zugangsbarrieren.<br />

Das Abrufen von Informationen über Smartphones kann zudem<br />

dazu beitragen, in öffentlichen Räumen ein Gefühl der<br />

Privatheit und der Sicherheit zu erzeugen. So wie das Automobil<br />

als „Reizschutzpanzer“ (Rammler 2001, S. 56) dient, das den<br />

Nutzer vor äußeren Einflüssen schützt, kann auch das Smartphone<br />

ein Stück der vertrauten und privaten Welt im öffentlichen<br />

Raum bzw. in öffentlichen Verkehrsmitteln erzeugen.<br />

Dies ist auch notwendig, da viele Menschen beim Fahren mit<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln ein Gefühl des Kontrollverlusts<br />

bzw. „Ausgeliefertseins“ empfinden (vgl. Knie 2009, S. 34). Vor<br />

allem wenn sich der Verbindungsablauf unterwegs aufgrund von<br />

Verspätungen oder anderen Störungen ändert, sind selbst geübte<br />

Nutzer von Bus und Bahn überfordert. Verlässliche und<br />

aktuelle Informationen zu intermodalen Verkehrsmittelverbindungen<br />

können demnach das Gefühl der Entscheidungsautonomie<br />

sowie die Flexibilität bei der Fahrt selbst deutlich erhöhen.<br />

In der Kombination mit neuen „halböffentlichen“ Mobilitätsdiensten<br />

lässt sich die Lücke zwischen ÖV und Individualverkehr<br />

in urbanen Räumen schon heute schließen. Einige Studien<br />

(wie z.B. Maertins/Schäfer 2008, S. 8, Wittowsky 2009, S. 8f.)<br />

deuten bereits darauf hin, dass eine bessere Informationslage<br />

die „gefühlte Verfügbarkeit“ der jeweiligen Verkehrsmittel stärkt<br />

und letztlich auch die Nutzungsintensität erhöht. Es zeigte sich,<br />

dass durch Mobilitäts-Apps und die damit verbundene subjektiv<br />

wahrgenommene Verhaltenskontrolle und erhöhte Sichtbarkeit<br />

alternativer Mobilitätsangebote tatsächlich die Nutzungsfrequenz<br />

öffentlicher sowie halböffentlicher Mobilitätsangebote erhöhen<br />

lässt. Beispielsweise hat sich nach Einführung der Smartphone-<br />

App für den Call-a-Bike-Service innerhalb von wenigen Monaten<br />

die Anzahl der Ausleihen um 30 Prozent steigern lassen.<br />

mit der Schüttelfunktion des Smartphones ein Fahrrad erfasst<br />

und dann entliehen werden kann. Ebenso wird die Abgabe des<br />

Fahrrads beim stationsungebundenen Call-a-Bike-System<br />

über das Smartphone grundlegend vereinfacht. Früher war ein<br />

Anruf erforderlich, bei dem der Abmeldecode über die Tastatur<br />

eingegeben und der aktuelle Standort mit Straßennamen<br />

durchgesagt werden musste. Heute kann man über die digitale<br />

Karte die „virtuelle Station“ eingeben, ohne nach Straßenschildern<br />

suchen zu müssen. Smartphones werden des Weiteren<br />

zunehmend für Buchungs- und Zahlungsfunktionen eingesetzt.<br />

Vorabbuchungen z.B. von Carsharing-Fahrzeugen am<br />

heimischen PC oder die Suche nach Kleingeld am Fahrscheinautomaten<br />

können damit umgangen werden.<br />

All diese Befunde bestätigen, dass Apps die Nutzung öffentlicher<br />

und halböffentlicher Verkehrsangebote verstärken können. Bisherige<br />

Studien haben gezeigt, dass Smartphones eine persönliche<br />

und selbstbestimmte Aneignung einer häufig als fremd und<br />

unsicher erlebten öffentlichen Verkehrswelt fördern können.<br />

Das wurde bereits früh am Beispiel des mobilen Ticketings<br />

(Ring&Ride, Touch&Travel) nachgewiesen (vgl. Maertins, Schaefer<br />

2008, S. 48). Die problematisierte Lücke zwischen den Systemen<br />

des ÖV und des Individualverkehrs lässt sich durch die informatorische<br />

Vernetzung über Smartphones egalisieren. Um in den<br />

Köpfen eine verkehrsmittelübergreifende Mobilität denkbar<br />

werden zu lassen, müssen die Apps von morgen in der Lage sein,<br />

die Komplexität aller verfügbaren Verkehrsmittelangebote nutzerund<br />

kontextspezifisch aufzubereiten. Besonders das Management<br />

von intermodalen Verbindungen stellt hier die Herausforderung<br />

dar, um dem Nutzer das Gefühl einer Seamless-Erfahrung zu<br />

geben und die Mobilität zu vereinfachen. Wie App-basierte mobile<br />

Informationssysteme zu diesem Zweck konkret gestaltet werden<br />

müssen, ist bisher noch nicht hinreichend untersucht worden.<br />

Ein ähnliches Bild zeigte sich beim Carsharing-Angebot der<br />

Deutschen Bahn „Flinkster“: Im <strong>InnoZ</strong>-Projekt „BeMobility“<br />

konnte eine vermehrte Buchung der Carsharing-Fahrzeuge<br />

durch die App beobachtet werden, während die Buchungsoptionen<br />

über das Internet oder Telefon weiterhin gleichbleibend<br />

intensiv genutzt wurden. Auch die Einführung von Handytickets<br />

kann unter Umständen eine deutliche Umsatzsteigerung im<br />

ÖPNV nach sich ziehen (vgl. Mattila 2010, S. 26).<br />

Durch die technischen Möglichkeiten von Smartphones lässt<br />

sich die Nutzung des (halb-) öffentlichen Verkehrs vereinfachen.<br />

Bei Call a Bike werden z.B. Zugangshürden abgebaut, indem<br />

8 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Das cairo-Projekt<br />

Technische<br />

Rahmenbedingungen<br />

Nutzeranforderungen<br />

Entwicklungserfordernisse<br />

Nutzeranforderungen<br />

an intermodale Routenplanung<br />

Gestaltung des Services<br />

Usability Tests<br />

Nutzerbefragung<br />

t0 t1 t2 t3<br />

Benchmarking<br />

Nutzerbefragung<br />

t0 t1<br />

Technische Entwicklung<br />

cairo 1.0 cairo 2.0<br />

2009 2010 2011 2012<br />

Technische Möglichkeiten zur<br />

Gestaltung von Applikationen<br />

Nutzeranforderungen<br />

an Applikationen<br />

Abb. 1: Phasen des cairo-Projekts<br />

2. Das cairo-Projekt<br />

Aus Nutzersicht sind zwei Anforderungen an ÖV-Routenplaner<br />

besonders zentral:<br />

--<br />

Die Nutzer möchten in der Regel nicht „Bus fahren“ oder<br />

„ein Rad leihen“, sondern von „A nach B kommen“ – und<br />

zwar mit jedem ihm zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel<br />

und unter Berücksichtigung der aktuellen Verkehrslage.<br />

--<br />

Die Nutzer möchten verlässliche Informationen, und zwar möglichst<br />

schnell, einfach und aus einer Hand bereitgestellt bekommen.<br />

Beide Anforderungen, d.h. die Berechnung intermodaler und<br />

aktueller Routen sowie die Integration umfassender Informationen<br />

über alle Verkehrsmittel hinweg, werden bei cairo („Context<br />

Aware Intermodal Routing”) erfüllt. Als erste Smartphone-App<br />

stellte cairo sowohl in Echtzeit aktualisierte Abfahrtszeiten als<br />

auch die Angebote verschiedener Verkehrsträger bereit.<br />

Die Entwicklung der App wurde im Rahmen des gleichnamigen<br />

Fördervorhabens umgesetzt. Gefördert vom Bundesministerium<br />

für Wirtschaft und Technologie (BMWi) haben die Partner DB Rent,<br />

HaCon Ingenieursgesellschaft und <strong>InnoZ</strong> 1 Nutzeranforderungen<br />

an mobile ÖV-Informationssysteme identifiziert und auf dieser<br />

Basis ein umfassendes intermodales ÖV-Informationssystem<br />

entwickelt. In einer breit angelegten Feldforschung wurden<br />

Nutzer in mehreren Phasen zu Erwartungen, Nutzungsproblemen,<br />

Zufriedenheit und Akzeptanz befragt. Die Ergebnisse der<br />

begleitenden sozialwissenschaftlichen Forschungen werden im<br />

vorliegenden <strong>InnoZ</strong>-Baustein zusammengefasst.<br />

In der ersten Projektphase von Februar 2009 bis Ende Januar<br />

2011 wurde die erste cairo-Version zur Abfrage von intermodalen<br />

Reiserouten für Mobiltelefone entwickelt. Ursprünglich als<br />

Abb. 2: Entwicklung intermodaler Routenplanungsdienste<br />

JAVA-Applikation konzipiert, etablierten sich während der Projektlaufzeit<br />

die neuen Smartphone-Plattformen iOS und Android.<br />

Mit diesen Betriebssystemen ließen sich Anwendungen umsetzen,<br />

die im Leistungsumfang und hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit<br />

(Usability) den JAVA-Applikationen deutlich überlegen<br />

waren. Deshalb wurde auf die Entwicklungen am Markt<br />

reagiert, eine Migration der cairo-Applikation auf diese neuen<br />

Entwicklungsumgebungen vorbereitet und zumindest für einige<br />

Funktionen auch umgesetzt. In der zweiten Projektphase von<br />

April 2011 bis September 2012 wurde die cairo-Applikation weiter<br />

für Smartphones optimiert und um zusätzliche Angebote erweitert.<br />

Der technische Entwicklungsprozess wurde durch Usability Tests,<br />

zwei Nutzerbefragungswellen (in vier bzw. zwei Durchläufen)<br />

und einer umfassenden Marktrecherche mit anschließender<br />

Benchmark-Analyse wissenschaftlich begleitet (vgl. Abbildung 1).<br />

Die technische Optimierung und das Erfassen und Einbinden<br />

von Nutzeranforderungen sind dabei eng miteinander verzahnt<br />

(vgl. Abbildung 2). Demnach erfolgt eine Optimierung sowohl<br />

einzelner technischer Funktionen (z.B. Haltestellensuche) als<br />

auch der Servicekomponenten (z.B. Berechnung der Fahrtzeiten<br />

intermodaler Routen) in iterativen Schritten. In der ersten<br />

Projektphase lag dabei der Schwerpunkt eher auf der Evaluation<br />

der technischen Performance, während in der zweiten Projektphase<br />

insbesondere Nutzeranforderungen definiert und<br />

spezifiziert werden sollten.<br />

Die Forschungsapplikation cairo ist am Markt nicht verfügbar<br />

und stand den Testnutzern nur im Rahmen der Feldphase zur<br />

Verfügung. Die im Rahmen des cairo-Projekts entwickelten<br />

Dienste (wie z.B. die Standortsuche für Call-a-Bike- und Carsharing-Stationen)<br />

sind jedoch als neue Funktionen in die App<br />

„DB Navigator“ aufgenommen worden, die über die gängigen<br />

App-Stores als <strong>Download</strong> zur Verfügung steht.<br />

1 In der ersten Projektphase (2009 – 2011) waren zudem die Partner RWTH<br />

Aachen sowie der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg (VBB) am<br />

cairo-Projekt beteiligt.<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 9


Das cairo-Projekt<br />

Technische Merkmale der cairo-Applikation<br />

Zur Mitte der ersten Projektphase stand die cairo-Applikation<br />

als Testversion für JAVA-fähige Handys (Nokia und Blackberry),<br />

für Android-Betriebssysteme und für iPhones zur Verfügung.<br />

Die App wurde anschließend im Jahr 2010 zunächst auf Smartphones<br />

mit Android-Betriebssystem (ab Version 1.5 „Cupcake“),<br />

iPhones (iOS Version 3.0 und 4.2), Blackberrys (ab Firmware<br />

Version 4.2.1) und Nokia-Handys (der Serie S60 3rd und 5th Edition)<br />

von Testnutzern erprobt. Im Jahr 2012 wurde die cairo-App<br />

schließlich an die iOS-Version 5.1 sowie die Android-Versionen<br />

ab 2.3 („Gingerbread“) angepasst und getestet.<br />

Das Grundkonzept von cairo ist zwar für alle Gerätetypen gleich,<br />

die unterschiedlichen Betriebssysteme erfordern jedoch jeweils<br />

eine eigene spezifische Gestaltung der Oberflächen oder der<br />

Menüführung. So verfügen iPhones über ein großes Touchdisplay,<br />

auf dem mehr Inhalte als bei anderen Smartphones dargestellt<br />

werden können. Zudem ist die Navigation innerhalb der<br />

Applikation durch das Farbdisplay deutlich einfacher zu gestalten.<br />

Weiterhin gibt es exklusive iPhone-Funktionen, wie z.B. die<br />

Augmented Reality Option, über die direkt im Kamerabild Umgebungsinformationen,<br />

Richtungsangaben etc. eingeblendet<br />

werden können. Außerdem besitzt jedes Betriebssystem systemspezifische<br />

Gestaltungsrichtlinien, die berücksichtigt werden<br />

müssen, um dem Nutzer das gewohnte „Look & Feel“, d.h. das<br />

übliche Erscheinungsbild der Applikation, bieten zu können.<br />

Viele dieser Vorgaben sind über Entwicklungsumgebungen, den<br />

sogenannten „System Development Kits“, vorgegeben.<br />

Die erste cairo-Version aus dem Jahr 2009 besaß im Grunde<br />

schon alle wesentlichen Funktionen für ein intermodales Routing.<br />

In der zweiten Projektphase wurde die App insbesondere<br />

durch kontextsensitive Funktionen ergänzt, die zeitliche, räumliche<br />

oder weitere Daten (z.B. zum Wetter) bei der Abfrage berücksichtigen.<br />

So wurden beispielsweise nun auch aktuelle<br />

Fahrten rund um den eigenen Standort angezeigt oder Alarm-<br />

Funktionen, beispielsweise vor dem Ausstieg an der Endhaltestelle,<br />

ermöglicht.<br />

Optimierung der technischen Komponenten über Usability<br />

Tests und Benchmark-Analyse<br />

Zur Unterstützung des technischen Entwicklungsprozesses<br />

wurden in der ersten Projektphase zunächst sog. Usability<br />

Tests durchgeführt. Hierbei nutzten etwa 40 Personen die Testversion<br />

von cairo unter Beobachtung und deckten so Probleme<br />

in der konkreten Nutzung auf. Die Ergebnisse der Usability-<br />

Tests wurden direkt an die Entwickler weiter gegeben.<br />

Für die Benchmark-Analyse in der zweiten Projektphase wurde<br />

zunächst eine Internetrecherche zu vergleichbaren Routenplaner-<br />

Apps für den ÖV, zu Carsharing- und Bikesharing-Apps, zum<br />

mobilen Ticketing sowie zu relevanten Online-Routenplanern<br />

durchgeführt. Die Recherche konzentrierte sich auf deutschsprachige<br />

Angebote, berücksichtigte aber exemplarisch auch<br />

einige Mobilitätsdienste aus dem europäischen Ausland und<br />

den USA. Der Recherche folgte eine Vorauswahl besonders gut<br />

gelungener Anwendungen, die als Benchmark für die jeweilige<br />

Funktion verwendet werden sollten. Kriterien für die Vorauswahl<br />

waren z.B. die Größe des Anwendungsgebiets, die abgefragten<br />

Verkehrsmittel (Multi- und Intermodalität) sowie die<br />

Nutzerfreundlichkeit und Gebrauchstauglichkeit.<br />

Da fast alle Apps öffentlicher Verkehrsunternehmen und -verbünde<br />

in Deutschland von den Ingenieursunternehmen HaCon<br />

oder Mentz DV entwickelt werden, sind Funktionsumfang und<br />

Funktionslogik (Menüführung etc.) bei den meisten Anwendungen<br />

sehr ähnlich und Unterschiede lassen sich lediglich im Layout<br />

finden. Bei der Benchmark-Analyse wurde daher explizit darauf<br />

geachtet, Apps von unterschiedlichen Entwicklern mit zu<br />

berücksichtigen, um auch die Breite an technischen Lösungen<br />

angemessen darstellen zu können.<br />

Die ausgewählten Mobilitätsdienste wurden dabei vor allem im<br />

Hinblick auf die für cairo relevanten Funktionen vertiefend analysiert.<br />

Wesentliche Bewertungskriterien waren hierbei eine<br />

nutzerfreundliche Gestaltung der Ein- und Ausgabe, die Integration<br />

unterschiedlicher Verkehrsmittel in intermodale und<br />

multimodale Dienste, die Berücksichtigung von Echtzeitinformationen<br />

und das Erfassen des Nutzerkontexts. Die Dienste<br />

wurden entsprechend dieser Kriterien über einen sog. Analytischen<br />

Hierarchie-Prozess (AHP) bewertet und die Funktionen<br />

mit den besten Bewertungen porträtiert.<br />

Identifikation von Nutzeranforderungen über Nutzerbefragungen<br />

und den cairo-Blog<br />

Die Evaluation der technischen Komponenten über Usability<br />

Tests und die Benchmark-Analyse wurden durch Befragungen<br />

ergänzt, um Nutzeranforderungen an intermodales Routing<br />

generell erfassen zu können. Die sozialwissenschaftliche Begleitforschung<br />

konzentriert sich dabei auf die Frage, ob die Applikation<br />

bei der Bewältigung der alltäglichen Mobilitätsanforderungen<br />

behilflich sein kann und inwiefern dies insgesamt zur<br />

stärkeren Nutzung multi- bzw. intermodaler Angebote anregt.<br />

Aus den Ergebnissen der Nutzerakzeptanzanalyse können Rückschlüsse<br />

zu Marktdiffusion und -potenzialen von intermodalen<br />

Mobilitätsdiensten gezogen werden, die praktisch für die Vermarktung<br />

des Dienstes genutzt werden können. Zudem soll<br />

auf theoretischer Ebene überprüft werden, ob individuelle und<br />

mobil abrufbare Informationen dazu führen können, dass ein<br />

intermodales Mobilitätsverhalten verstärkt wird.<br />

Im Herbst 2010 wurde hierzu zunächst ein erster sechswöchiger<br />

Feldtest mit Testnutzern durchgeführt. Im Mittelpunkt der<br />

Befragung standen die praktischen Nutzungserfahrungen der<br />

Probanden im Hinblick auf die technische Zuverlässigkeit und<br />

die Gebrauchstauglichkeit der cairo-Applikation in kritischen<br />

Situationen (z.B. unter Zeitdruck oder bei Zugverspätungen).<br />

Diese Ergebnisse konnten zum einen für die technische Weiterentwicklung<br />

genutzt werden und gaben zum anderen Aufschluss<br />

über generelle Akzeptanzbedingungen von Routenplanern und<br />

intermodalen Informationssystemen.<br />

10 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Das cairo-Projekt<br />

Um Veränderungen in der Nutzung, der Zufriedenheit sowie<br />

unterschiedliche Adaptionsmuster über die bzw. innerhalb der<br />

beiden Projektphasen hinweg zu erfassen, wurde dieser Feldtest<br />

als Panel-Untersuchung mit drei Erhebungszeitpunkten<br />

angelegt:<br />

--<br />

Befragung vor der Testnutzung: Die erste Befragung wurde<br />

zum Projektstart durchgeführt. Hieran beteiligten sich insgesamt<br />

200 Probanden.<br />

--<br />

Befragung während der Testnutzung: Etwa zwei Wochen nach<br />

Bereitstellung der Applikation wurden die Probanden erneut<br />

befragt. Diesen Fragebogen füllten insgesamt 154 Probanden<br />

komplett aus.<br />

--<br />

Befragung nach der Testnutzung: Nach fünf Wochen wurde<br />

die Testphase abgeschlossen und die Probanden aus der<br />

zweiten Befragungswelle abermals befragt. Insgesamt<br />

antworteten 140 Personen.<br />

--<br />

112 Probanden beteiligten sich an allen drei Phasen und<br />

standen somit für die Panelauswertung zur Verfügung.<br />

Generelle Nutzeranforderungen<br />

(intermodales Routing, Datenschutz, Verständlichkeit etc.)<br />

Anforderungen an<br />

Reiseinformationen<br />

Anforderungen<br />

an die Technik<br />

Funktionen und Dienste<br />

(Push-Dienste, Verbindungssuche,<br />

ortsbasierte Dienste, soziale Netzwerke,<br />

Integration Call a Bike / Carsharing)<br />

Usability<br />

(„Gebrauchstauglichkeit“, z.B. Echtzeitdaten,<br />

Datenqualität, Kontextsensitivität,<br />

Zuverlässigkeit)<br />

Abb. 3: Nutzeranforderungen bei der App-Entwicklung<br />

Die Befragung der Probanden wurde als onlinebasiertes<br />

„Selbstinterview“ (CAWI) konzipiert, das heißt, den Nutzern<br />

wurde dabei genügend Raum für freie Angaben zu Erfahrungen<br />

und Situationen im Umgang mit der cairo-Applikation gegeben.<br />

Diese Möglichkeit wurde von den Probanden intensiv genutzt<br />

und führte zu einem tiefen Verständnis über Nutzungskontexte<br />

und die damit zusammenhängenden Bedienschwierigkeiten.<br />

Im Frühjahr 2012 wurden die Tests der optimierten und um<br />

kontextsensitive Funktionen erweiterten cairo-Version („cairo 2.0“)<br />

durchgeführt. Die Vorbefragung fand im Mai 2012 (mit 315 Probanden)<br />

und die Abschlussbefragung einen Monat später (mit<br />

138 Probanden im Panel) statt. Für die zweite Testphase wurde<br />

außerdem ein Blog angelegt, der zwei Funktionen erfüllen sollte:<br />

Zum einen sollte die App „cairo“ erklärt und Hilfestellungen zu<br />

einzelnen Funktionen gegeben werden. Zum anderen war der<br />

Blog jedoch auch als Kommunikationsmittel gedacht, über das<br />

weitere Nutzerinformationen erfasst wurden. So konnten die<br />

Testnutzer beispielsweise Mängel über die Kommentarfunktion<br />

melden und diskutieren, aber auch positive Feedbacks zu bestimmten<br />

Funktionen hinterlassen. Die Nutzerkommentare<br />

zum Blog wurden genutzt, um die App technisch zu optimieren<br />

und um zu erkennen, welche Funktionen den Nutzern wichtig<br />

sind und welche eher weniger.<br />

Dementsprechend standen auch zwei unterschiedliche Fragestellungen<br />

im Vordergrund:<br />

1. Welche Informationen brauchen die Nutzer, damit intermodales<br />

Reisen komfortabler wird?<br />

2. Wie soll eine intermodale Routenabfrage per App technisch<br />

gestaltet werden?<br />

Die erste Fragestellung konzentriert sich auf die Wechselwirkungen<br />

zwischen Informationen und Mobilitätsverhalten. Hierbei<br />

sind demnach Erkenntnisse von Interesse, die auf Änderungen<br />

bezüglich der Verkehrsmittelwahl, der genutzten Routen oder<br />

auch der Einstellung durch eine verbesserte Informationslage<br />

hindeuten. Diese Ergebnisse werden in Kapitel 4 vorgestellt.<br />

Bei der zweiten Fragestellung liegt der Fokus hingegen auf den<br />

Erkenntnissen, die während des technischen Entwicklungsprozesses<br />

hinsichtlich der Nutzeranforderungen an eine Routing-App<br />

gewonnen werden konnten. Diese Erkenntnisse sind<br />

im folgenden Kapitel zusammengefasst. 2<br />

Triangulation der Ergebnisse aus der Begleitforschung<br />

Die Ergebnisse aller Projektbausteine – d.h. der Usability<br />

Tests und des Benchmarkings sowie der Befragungen und die<br />

Blog-Einträge – wurden zusammengetragen und hinsichtlich<br />

der Nutzerperspektive ausgewertet. Die Anforderungen der<br />

Nutzer flossen dabei auf zwei unterschiedlichen Ebenen in den<br />

Entwicklungsprozess ein: Einerseits als generelle Wünsche zu<br />

Mobilitätsinformationen sowie andererseits als konkrete Anforderungen<br />

an die Bedienbarkeit der App (vgl. Abbildung 3).<br />

2 Wenn eine Fragestellung in beiden Projektphasen behandelt und der Befragungszeitraum<br />

nicht extra gekennzeichnet wurde, wird in vorliegenden Dokument<br />

jeweils das aktuellere Ergebnis aus den Befragungen im Jahr 2012 vorgestellt.<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 11


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

3. Anforderungen<br />

an die Technik:<br />

Einfach vs. komplex<br />

Der Einfluss von Informationsdiensten auf die Nutzung des öffentlichen<br />

Verkehrs (ÖV) wurde schon vor zehn Jahren im Zusammenhang<br />

mit Telematikanwendungen diskutiert (vgl. u.a.<br />

Beckers et al. 2001, VSVI 1999). Schon damals wurde erkannt,<br />

dass es einen großen Bedarf nach Services zur mobilen Routenplanung<br />

im ÖV gibt und dafür PDAs wie Smartphones bestens<br />

geeignet seien (ebda., 13). Allerdings hatten damals nur wenige<br />

Menschen überhaupt Zugang zum mobilen Internet: Noch 2005<br />

wurden in Deutschland lediglich 900.000 PDAs/Smartphones<br />

verkauft, 2011 waren es hingegen schon fast zwölf Millionen<br />

(Statista 2012, BITKOM 2012). Im Jahr 2008 gaben 13 Prozent,<br />

2011 28 Prozent und 2012 schon die Hälfte der befragten Internetnutzer<br />

an, regelmäßig mobil zu surfen (Accenture 2011, 5) 3 .<br />

Bei den unter 30-Jährigen nutzen sogar 58 Prozent ein internetfähiges<br />

Handy (BMELV 2012).<br />

Der Kostenfaktor hat bei der App-Nutzung bzw. Nutzung des<br />

mobilen Internets in den letzten zwei Jahren deutlich an Bedeutung<br />

verloren, da die Kosten für mobiles Internet stark gesunken<br />

sind. So musste man im Jahr 2009 für Datenflatrates<br />

monatlich noch etwa 30-50 Euro zahlen, während heute Flatrates<br />

für das mobile Internet schon für unter zehn Euro zu haben<br />

sind. Gleichfalls ist der Verbraucherpreisindex für Telekommunikationsdienstleistungen<br />

von 2005 bis 2010 um ganze 17,2<br />

Prozent gesunken (Destatis 2011), während er sich in fast allen<br />

anderen Konsumbereichen seit 20 Jahren stetig erhöht. Empirische<br />

Ergebnisse zur Wirkung von IKT auf den öffentlichen<br />

Verkehr konnten somit erst mit der zunehmenden Verbreitung<br />

von Smartphones seit etwa vier Jahren erarbeitet werden. Bisherige<br />

Studien zu Mobilitäts-Apps kommen allerdings nicht zu<br />

eindeutigen Ergebnissen, was die Wirkung auf die persönlichen<br />

Mobilitätsmuster angeht. Wittowsky (2009) nimmt z.B. in seiner<br />

Untersuchung zu dynamischen Informationsdiensten im ÖPNV<br />

an, dass „die vermehrte Bereitstellung von Echtzeitinformationen<br />

einen Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl ausübt“ und kommt zu<br />

dem Schluss, dass „nicht nur die Qualität des Angebots, sondern<br />

auch Informationen einen entscheidenden Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl<br />

haben“ (ebd., S. 48). Dem gegenüber stellt<br />

eine österreichische Studie fest, dass Verkehrsinformationen<br />

nur eine geringe Wirkung auf das von Gewohnheiten geprägte<br />

Verkehrsverhalten haben (x-sample/verkehrplus 2010, S. 10).<br />

Auch das cairo-Projekt befasste sich mit den Wirkungen von<br />

Informationen auf die Verkehrsmittelwahl und damit auf den<br />

Modal-Split. Der Ansatz des Projekts war dabei die Annahme,<br />

dass ein Modal-Shift weg vom eigenen Auto und hin zu öffent-<br />

lichen Verkehrsmitteln generell gefördert wird, wenn der mobile<br />

Routenplaner das intermodale Reisen optimiert und komfortabler<br />

macht. Hierzu gilt es zunächst zu erfassen, welche Funktionen<br />

das Reisen komfortabler machen und welche Informationen<br />

die Nutzer konkret für die Routenplanung benötigen.<br />

Intermodale Routen mobil zusammenstellen<br />

Smartphone-Apps für den öffentlichen Verkehr greifen an einer<br />

entscheidenden Stelle in das Mobilitätssystem ein – und zwar<br />

an den Informationen zu Abfahrten, Ankünften und optimalen<br />

Umsteigeverbindungen. Indem per App aktuelle Informationen<br />

jederzeit und überall bereit stehen, hat man so stets im Blick,<br />

wie man auch ohne Auto auf der optimalen Route zum Ziel<br />

kommt. Somit wird ein zentraler Nachteil von Bus und Bahn<br />

gegenüber dem Individualverkehr behoben, denn bisher wird<br />

der ÖV noch oft mit Wartezeiten durch Anschlussprobleme<br />

aufgrund von Verspätungen, der falschen Streckenwahl etc.<br />

assoziiert, was eine genaue Planung erschwert.<br />

In den letzten Jahren hat sich allerdings nicht nur die Informationsbasis<br />

gebessert, es sind zudem viele neue Mobilitätsangebote<br />

geschaffen worden, die das bestehende Angebot des öffentlichen<br />

Verkehrs verdichten. Stationsgebundenes und flexibles<br />

Carsharing, Rufbusse oder Leihfahrradsysteme können den<br />

Nutzern eine höhere zeitliche und räumliche Flexibilität bieten.<br />

Dadurch ähneln sie dem Auto oder dem Rad, sind aber dennoch<br />

wie der ÖV für jeden Nutzer, der sich zuvor registriert hat, frei<br />

verfügbar. Die Möglichkeiten, mehrere Verkehrsmittel flexibel<br />

und spontan miteinander zu kombinieren, sind also insgesamt<br />

zumindest in Großstädten derzeit so vielfältig wie noch nie.<br />

Nutzeranforderungen an intermodale Routing-Apps werden<br />

bisher meist im Rahmen von Pilotprojekten wie cairo erfasst,<br />

bei denen lediglich eine begrenzte Nutzerzahl die Anwendung<br />

testet. Inwiefern die Erkenntnisse aus der Testgruppe übertragbar<br />

sind, wird in den folgenden Abschnitten erörtert.<br />

Nach der Internationalen Organisation für Standardisierung (ISO)<br />

ist Usability demnach ein Qualitätsmerkmal, das darüber Aufschluss<br />

gibt, inwiefern ein Produkt geeignet ist, „bestimmte<br />

Ziele in einem bestimmten Kontext effektiv, effizient und zufriedenstellend<br />

zu erreichen“ (ISO-Norm DIN EN ISO 9241, Teil 11).<br />

Usability ist somit ein genereller Indikator dafür, wie gut die<br />

jeweilige Anwendung zu gebrauchen ist. Neben organisatorischen<br />

Faktoren wie z.B. die laufende Aktualisierung der Datenbanken<br />

ist für die Usability die konkrete Benutzbarkeit oder<br />

auch sog. Operability ausschlaggebend. Diese gibt an, wie die<br />

einzelnen Schritte der Abfrage strukturiert und gestaltet sind.<br />

Die Operability wird oft mit ergonomischen Anforderungen in<br />

Verbindung gebracht, die sich bei einer App z.B. in der Lesbarkeit<br />

oder der Haptik bei der Abfrage ausdrückt. Dies hängt wiede r-<br />

um von der Qualität der softwaretechnischen Komponenten ab<br />

(vgl. Abbildung 4).<br />

3 Obwohl bei der Accenture-Studie nur Internetnutzer befragt wurden und bei<br />

der BMELV-Studie keine Auswahl vorgenommen wurde, unterscheiden sich<br />

die beiden Werte zum Anteil der Smartphone-Nutzer im Jahr 2011 kaum (28<br />

Prozent bei Accenture bzw. 26 Prozent beim BMELV).<br />

12 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Usability<br />

= „Gebrauchstauglichkeit“, z.B. Echtzeitdaten,<br />

Datenqualität, Kontextsensitivität, Zuverlässigkeit etc.<br />

Operability<br />

= „Benutzbarkeit“ z.B. Spracheingabe, Eingabearten,<br />

Kartendarstellung, Favoriten, Homescreen, Menüführung etc.<br />

Softwaretechnische Qualität<br />

z.B. Gestaltung der Datenschnittstellen, Design etc.<br />

Abb. 4: Usability als Qualitätskriterium<br />

Mobile Routenplaner sind demzufolge gebrauchstauglich oder<br />

„usable“, wenn sie eine einfache und schnelle Abfrage ermöglichen.<br />

Der Funktionsumfang von Routenplanungs-Apps wird<br />

allerdings mit der Anzahl der einbezogenen Verkehrsmittel<br />

immer größer und die Bedienung dadurch tendenziell komplizierter.<br />

Bei der Entwicklung von intermodalen Mobilitäts-Apps<br />

kommt es also primär darauf an, allen Anforderungen an die<br />

Funktionalität gerecht zu werden und dennoch eine einfache<br />

und schnelle Bedienung der Applikation zu gewährleisten. Das<br />

ist aufgrund der stets wachsenden Informationsmenge, die<br />

durch die Kombination unterschiedlicher Verkehrsmittel entsteht,<br />

keine leichte Aufgabe.<br />

Werden darüber hinaus noch Preise ermittelt und Buchungsbzw.<br />

Reservierungsfunktionen implementiert, steigt die Komplexität<br />

abermals. Intermodal Reisende brauchen also nicht<br />

nur eine Auskunft zu Abfahrts- und Ankunftszeiten, sondern<br />

eine Vielzahl an Informationen von der Position der Carsharing-<br />

oder Call-a-Bike-Stationen über die Länge der nötigen<br />

Fahrrad- oder Fußwege bis hin zu Parkmöglichkeiten an Haltestellen<br />

und Bahnhöfen. Die Gestaltung eines intermodalen<br />

Routenplaners muss daher stets die Balance zwischen Informationsvielfalt<br />

und Usability halten. Eine intuitive und nutzerfreundliche<br />

Menüführung ist dabei ein zentrales Mittel, um<br />

trotz Informationsdichte den Überblick zu behalten.<br />

Nutzerfreundliche Menüführung beim intermodalen Routing<br />

Eine nutzerfreundliche Menüführung erleichtert die Mensch-<br />

Maschine-Interaktion, d.h. den Dialog zwischen der App und<br />

dem Nutzer. Teil 10 der ISO-Norm 9241 befasst sich in diesem<br />

Kontext mit der Benutzbarkeit oder auch Operability und hält<br />

die entsprechenden Standards in den „Grundsätzen der Dialoggestaltung“<br />

fest. Demnach soll der Dialog zwischen App und<br />

Nutzer die folgenden Merkmale aufweisen:<br />

--<br />

Aufgaben angemessen: Die Aufgabe sollte effektiv und effizient<br />

erledigt werden, d.h. z.B. keine langen Ladezeiten oder<br />

unnötige Eingaben.<br />

--<br />

Selbstbeschreibungsfähig: Die Navigation durch die Abfrage<br />

sollte intuitiv erfolgen.<br />

--<br />

Steuerbar: Anzeigen sollten z.B. vergrößert oder <strong>Download</strong>s<br />

abgebrochen werden können.<br />

--<br />

Erwartungskonform: Die Zeichen sollten den Nutzerroutinen<br />

entsprechen, z.B. sind Buttons an den gewohnten Positionen.<br />

--<br />

Fehlertolerant: Fehler, wie z.B. Schreibfehler bei der Eingabe,<br />

sollten nicht zum Abbruch führen.<br />

--<br />

Individualisierbar: Ein individualisierbarer Dialog lässt zu,<br />

dass persönliche Voreinstellungen berücksichtigt werden.<br />

Dieser Aspekt wird im folgenden Abschnitt noch einmal ausführlicher<br />

behandelt.<br />

--<br />

Lernförderlich: Die Anwendung sollte den Nutzer beim<br />

Erkunden der Funktionen unterstützen.<br />

Für intermodale Routingdienste ist eine nutzerfreundliche<br />

Menüführung besonders voraussetzungsvoll, da durch die<br />

Kombination unterschiedlicher Einzelfunktionen z.B. die Fahrplanabfrage<br />

mit der Reservierung eines Carsharing-Autos,<br />

komplexe Abfragen entstehen, die in intuitiv nachvollziehbare<br />

Einzelschritte zerlegt werden müssen. Dabei sollte der Prozess<br />

der Eingabe weiterhin möglichst schnell und zuverlässig möglich<br />

sein. Bisher werden die einzelnen Funktionen als individuelle<br />

Applikationen auf das Smartphone geladen und stehen dann<br />

unverknüpft nebeneinander. Auch sind die Nutzer heute darauf<br />

angewiesen, verschiedene Apps unterschiedlicher Anbieter<br />

z.B. für Fahrradverleihsysteme (Call a Bike 4 oder Nextbike)<br />

oder Carsharing (Flinkster, DriveNow, Car2Go etc.) zu installieren.<br />

Die parallelen Abfragen müssen dann selbst miteinander<br />

verglichen werden. Dies ist jedoch sehr umständlich und<br />

so sind in den letzten Jahren verschiedene Routenplaner entstanden,<br />

die mehrere Dienste miteinander verknüpfen und auch<br />

vergleichen. Dabei können die Dienste entweder hierarchisch<br />

oder über eine Plattform miteinander verbunden werden.<br />

Die Rolle der Early Adopters<br />

Neben der Einstellung zur Mobilität spielt auch die Offenheit<br />

gegenüber Innovationen eine bedeutende Rolle für die Verbreitung<br />

von intermodalen Routing-Diensten. Das Diffusionsmodell<br />

von Rogers (1962) ist in diesem Kontext ein weit verbreiteter<br />

Ansatz, Konsumentengruppen hinsichtlich ihres Interesses an<br />

neuen Produkten und Dienstleistungen einzuteilen. Das Modell<br />

geht davon aus, dass etwa die Hälfte einer Zielgruppe eine Innovation<br />

erst dann annimmt, wenn sie weitgehend etabliert ist.<br />

Demgegenüber sind die sog. Innovators, Early Adopters und<br />

die Early Majority neuen Diensten oder Produkten gegenüber<br />

weitgehend aufgeschlossen (ebda. 1962, S. 150).<br />

Die erste Gruppe, die ein Produkt oder einen Dienst testet, sind<br />

nach Rogers die „Innovatoren“. Sie werden als besonders risikofreudig<br />

beschrieben und kaufen bzw. nutzen Innovationen,<br />

4 Mit der Call-a-Bike-App kann man allerdings in Kassel auch auf das Konradund<br />

in Hamburg auf das StadtRAD-Hamburg-Verleihsystem zugreifen.<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 13


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Wie häufig nutzen Sie im Durchschnitt folgende<br />

Smartphone-Apps?<br />

DB Navigator<br />

DB Call a Bike<br />

oder StadtRad<br />

DB Flinkster<br />

Touch&Travel<br />

FahrInfo Berlin<br />

VBB Fahrinfo<br />

andere Apps<br />

N = 301<br />

DB Ticket<br />

Öffi<br />

(fast) täglich<br />

seltener als monatlich<br />

21,9 29,2 26,9 8,0 4,7 6,3<br />

3,3<br />

1,0<br />

11,0 18,9 19,6 13,0 24,3 10,0<br />

3,7 19,9 26,2 12,0 28,2 9,0<br />

0,7<br />

6,3 21,6 19,3 12,6 31,2 8,3<br />

1,3<br />

3,3 8,0 11,0 10,6 55,8 10,0<br />

10,3 10,0 7,6 3,7 5,6 52,5 10,3<br />

8,0 10,3 5,6 9,6 5,3 50,2 11,0<br />

2,3<br />

3,7 5,6<br />

6,0 7,6<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

1-3 Tage pro Woche<br />

einmal zum Probieren<br />

1-3 Tage pro Monat<br />

Abb. 5: Nutzung von Smartphone-Apps für den ÖV<br />

gerade weil sie neu und unbekannt sind. In Rogers Modell erhalten<br />

allerdings die Early Adopters eine besondere Bedeutung für<br />

die Marktdiffusion, da sie als sozial vernetzte Wortführer und<br />

Vorreiter den sog. „Chasm“ (Kluft) zum Massen markt überwinden<br />

können (vgl. Moore 1991). Somit seien das Verhalten und<br />

die Einstellungen der Early Adopters mit einer gewissen Zeitverzögerung<br />

vermutlich auch auf andere Bevölkerungsgruppen<br />

übertragbar.<br />

Die cairo-Testnutzer lassen sich als Early Adopters im Sinne<br />

von Rogers klassifizieren, vor allem deshalb, da sie eine geübte<br />

Nutzung und Kenntnis von ÖV-Informationssystemen aufweisen.<br />

Darüber hinaus indizieren zwei Eigenschaften, die die cairo-<br />

Testnutzer aufweisen, eine große Affinität zu intermodalen<br />

Informationsdiensten für Smartphones. Dazu gehört zum einen<br />

eine ausgeprägte Technikaffinität und zum anderen eine intensive<br />

ÖV-Nutzungspraxis, die häufig sogar intermodal ist. Diese<br />

beiden Eigenschaften tragen dazu bei, dass sowohl aus Neugier<br />

(Technikaffinität) als auch aus einem intrinsischen Bedürfnis<br />

heraus neue Informationssysteme getestet und – wenn sie eine<br />

Verbesserung gegenüber den gewohnten Systemen versprechen<br />

– in die persönliche Alltagspraxis übernommen werden.<br />

nie<br />

3,0<br />

9,0 6,6 62,1 10,6<br />

9,6<br />

2,7<br />

2,3<br />

17,3 54,5<br />

fehlend<br />

Quelle: cairo 2012 T0-Befragung<br />

Geben Sie bitte jeweils an, wie häufig Sie in der Regel folgende<br />

Verkehrsmittel benutzen.<br />

Fußweg ab 500m<br />

ÖV auf Entfernungen<br />

bis unter 20 km<br />

Fahrrad<br />

(ohne Bikesharing)<br />

ÖV auf Entfernungen<br />

von 20 bis unter 100 km<br />

ÖV für längere Strecken<br />

ab etwa 100 km<br />

einfache Entfernung<br />

Pkw als Mitfahrer/-in<br />

(ohne Taxi)<br />

Taxi<br />

Carsharing ohne Elektrofahrzeug<br />

(als Fahrer)<br />

Pkw als Fahrer<br />

(ohne Carsharing)<br />

Bikesharing<br />

Carsharing mit Elektrofahrzeug<br />

(als Fahrer)<br />

N = 301<br />

Flugzeug 3,7 14,6 68,1 6,0 5,6<br />

Mofa / Moped /<br />

Motorrad<br />

(fast) täglich<br />

Pedelec<br />

seltener als monatlich<br />

59,5<br />

40,5<br />

30,6<br />

11,3<br />

2,3<br />

1,3<br />

15,3 39,2 32,6 7,0<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

1-3 Tage pro Woche<br />

17,3 30,2 29,2 9,0<br />

einmal zum Probieren<br />

19,9 18,6 11,0<br />

1-3 Tage pro Monat<br />

Abb. 6: Verkehrsmittelnutzung der Befragten<br />

22,9 8,0 7,3<br />

32,2 15,9 4,7 5,3<br />

Alle Befragten nutzen mindestens ein ÖV-Informationssystem<br />

und zeigen ein deutliches Interesse bei der Auseinandersetzung<br />

der konzeptionellen und funktionalen Ausgestaltung solcher<br />

Dienste. Nahezu alle Testnutzer kennen den DB Navigator<br />

und fast 80 Prozent nutzen ihn regelmäßig. Darüber hinaus<br />

sind zahlreiche weitere Informationssysteme bekannt und<br />

werden auch genutzt (vgl. Abbildung 5).<br />

Generell interessieren sich alle Probanden für technische Geräte<br />

und deren Aneignung bereitet ihnen keine Probleme. Zwei<br />

Drittel der Befragten geben an, dass sie von Freunden und<br />

Bekannten um Rat gefragt werden, wenn sie ein technisches<br />

Problem haben. Mehr als 85 Prozent stimmen den folgenden<br />

Aussagen überwiegend oder voll und ganz zu:<br />

nie<br />

1,3 0,3 0,7<br />

3,3<br />

16,6 34,9 27,9 8,0<br />

5,3 18,3 21,6 5,6 45,8 31,2 10,3<br />

62,1<br />

17,3<br />

2,0<br />

1,3 1,3<br />

fehlend<br />

1,3<br />

16,6<br />

0,3 2,7<br />

1,0 2,7<br />

9,3<br />

9,0 27,6 44,9 10,3 5,6<br />

0,3<br />

5,3 9,6 7,0<br />

1,3<br />

8,3 12,6 18,3<br />

0,3 2,0<br />

6,3 11,3<br />

19,9 7,0<br />

29,2<br />

2,0 | 3,0 | 2,7 | 1,7 | 2,0<br />

1,0 | 1,0 | 1,7 | 0,3 | 0,7<br />

1,3<br />

3,0 1,3<br />

3,0<br />

31,2 49,8<br />

55,1<br />

50,8<br />

88,7<br />

96,0<br />

2,0<br />

Quelle: cairo 2012 T0<br />

14 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Bitte geben Sie die zutreffenden Punkte für Sie […] an.<br />

Führerscheinbesitz<br />

(für Pkw)<br />

Mitglied/Kunde<br />

beim Carsharing<br />

Mitglied/Kunde<br />

beim Bikesharing<br />

ständige oder<br />

gelegentliche<br />

Pkw-Verfügbarkeit<br />

BahnCard 25<br />

BahnCard 50<br />

BahnCard 100<br />

89,4<br />

90,0<br />

65,1<br />

38,0<br />

52,8<br />

36,5<br />

47,6<br />

51,5<br />

24,9<br />

22,0<br />

36,9<br />

29,0<br />

12,6<br />

6,0<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

2012 2010<br />

N = 301<br />

Quelle: cairo 2010 und T1 und 2012 T0<br />

Abb. 7: Nutzung und Ausstattung der Befragten mit Mobilitätsangeboten<br />

und Zugangsberechtigungen im Längsschnitt<br />

Bereits 2010 besaß etwa die Hälfte der Befragten eine Bahn-<br />

Card, über ein Drittel war Carsharing-Kunde und ein Viertel<br />

nutzte beides. Wie in Abbildung 7 darstellt, haben von der ersten<br />

Projektphase 2010 bis zum Ende der zweiten Projektphase<br />

im Herbst 2012 die sog. intermodalen Angebote wie Car- und<br />

Bikesharing im Längsschnitt sogar noch weiter an Bedeutung<br />

gewonnen. Im Jahr 2012 sind zwei Drittel der Tester Carsharing-<br />

und über die Hälfte Bikesharing-Kunden. Weit über die<br />

Hälfte besitzt eine BahnCard 25, 50 oder 100. Demgegenüber<br />

ist die Verfügbarkeit eines privaten Pkw in der zweiten Testgruppe<br />

2012 etwas geringer als bei der ersten Testgruppe von<br />

2010 (vgl. Abbildung 7).<br />

Weitere Hinweise auf die intermodale Verkehrspraxis der<br />

Befragten ergeben sich aus der hohen Zustimmungsrate von<br />

90 Prozent zu den folgenden Aussagen: 5<br />

--<br />

„Für mich ist die Kombination von Verkehrsmitteln eine sehr<br />

gute Möglichkeit, meine tägliche Mobilität zu bewältigen.“<br />

--<br />

„Ich nutze je nach Anlass unterschiedliche Verkehrsmittel.“<br />

--<br />

„Ich nutze das Internet, um Wege zu planen.“<br />

--<br />

„Ich nutze Navigationsdienste, um unterwegs besser zurechtzukommen.“<br />

--<br />

„Es macht mir Spaß, ein elektronisches Gerät zu benutzen.“<br />

--<br />

„Unbekannte elektronische Geräte verunsichern mich nicht.“<br />

--<br />

„Ich kenne die meisten Funktionen der elektronischen Geräte,<br />

die ich täglich benutze.“<br />

--<br />

„Ich finde mich bei unbekannten elektronischen Geräten<br />

schnell und intuitiv zurecht.“<br />

Schließlich zeigt die Verkehrsmittelnutzung der Probanden<br />

eine intensive Nutzung der Verkehrsmittel des sog. Umweltverbundes,<br />

also Fußwege, Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel<br />

(vgl. Abbildung 6). Fast drei Viertel der Befragten nutzen<br />

mehr als einmal wöchentlich den ÖPNV (ÖV unter 20 km), 40<br />

Prozent nutzen ihn sogar nahezu täglich. Der öffentliche Verkehr<br />

für Strecken über 20 km, d.h. in der Regel der Schienenpersonennahverkehr,<br />

wird von mehr als der Hälfte noch mindestens<br />

monatlich genutzt (vgl. ebd.).<br />

Demgegenüber hat der eigene Pkw in der Untersuchungsgruppe<br />

nur eine geringe Bedeutung und wird von den Befragten als<br />

Fahrer sogar weniger häufig genutzt als Carsharing-Angebote –<br />

weniger als ein Viertel fährt mit einem privaten Pkw öfter als<br />

einmal im Monat. Der Anteil der Mitfahrer ist hingegen sehr viel<br />

höher: Über die Hälfte fährt mindestens wöchentlich und mehr<br />

als 80 Prozent mindestens monatlich im Auto mit. Mehr als einmal<br />

wöchentlich fährt die Hälfte der cairo-Testnutzer zudem<br />

Fahrrad und über 80 Prozent legen Fußwege ab 500 m zurück.<br />

Die Analyse deutet auf eine multi- oder intermodale Verkehrspraxis<br />

hin, bei der unterschiedliche Verkehrsmittel in<br />

Alltagssituationen genutzt und wahrscheinlich auch kombiniert<br />

werden. Dass die Befragten zwischen ÖV- und IV-Angeboten<br />

wechseln, lässt sich auch an den Zugangsmöglichkeiten<br />

und an genutzten Rabattsystemen (BahnCard) ablesen (vgl.<br />

Abbildung 7).<br />

Vor diesem Hintergrund ist eine Analyse der Nutzungspraxis,<br />

Erfahrungen im Umgang mit cairo und Hinweise auf Verbesserungspotenzial<br />

von cairo von hoher Bedeutung und kann einen<br />

wesentlichen Beitrag dazu leisten, ÖV-Informationsapps besser<br />

an die Nutzerbedürfnisse anzupassen und damit Zugangs- und<br />

Nutzungshürden innerhalb des ÖV bzw. bei intermodalen Angeboten<br />

zu verringern. Im Folgenden werden demnach die Erwartungen,<br />

Nutzungsgewohnheiten und Nutzeranforderungen der<br />

cairo-Tester analysiert und hinsichtlich des Verbesserungspotenzials<br />

für cairo bewertet.<br />

Welche funktionalen Erwartungen werden an cairo gerichtet?<br />

In beiden Erhebungswellen – 2010 und 2012 – wurden die Testnutzer,<br />

bevor sie die cairo-App bereitgestellt bekamen, zu ihren<br />

Erwartungen an eine intermodale App befragt. Ziel war die Ermittlung<br />

von Informationsbedürfnissen, die sich aus den alltagspraktischen<br />

Erfahrungen der Probanden ergeben. Dabei zeigt<br />

sich bei einigen Anforderungen eine deutliche Veränderung innerhalb<br />

dieser zwei Jahre.<br />

Während 2012 die Eigenschaft „Multimodalität“ von einem Drittel<br />

der Befragten gefordert wurde, waren es 2010 nur etwa 20<br />

Prozent. Umgekehrt forderte die Hälfte der Befragten 2010<br />

noch die Bereitstellung von Echtzeitinformationen zu den Verkehrsangeboten,<br />

die 2012 nur noch von jedem Fünften als Anforderung<br />

formuliert wurde. Das ist eine Verringerung von<br />

über 30 Prozentpunkten (vgl. Abbildung 8). Eine ähnliche Verringerung<br />

zeigt der Bedarf nach einer „schnellen Abfrage“, die<br />

2012 nur noch von knapp 13 Prozent erwartet wurde – eine<br />

Verringerung um über 21 Prozentpunkte. Dieser Bedeutungs-<br />

5 Es wurden die Kategorien von „eher“ bis „voll und ganz“ zusammengefasst.<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 15


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Welche Erwartungen haben Sie an Eigenschaften<br />

von smartphonebasierten Mobilitätsdiensten?<br />

Welche Erwartungen haben Sie an<br />

die Eigenschaften von cairo?<br />

Anforderungen cairo 2012 Veränderung Anforderungen cairo 2010<br />

unkomplizierte Bedienung 30,0 % -1,4 %-P. Echtzeitinformationen 52,9 %<br />

Multimodalität 30,0 % 9,7 %-P. schnelle Abfrage 34,3 %<br />

Echtzeitinformationen 20,7 % -32,2 %-P. unkomplizierte Bedienung 31,4 %<br />

zuverlässige Angaben und Betrieb 17,5 % 2,4 %-P. Multimodalität 20,3 %<br />

schnelle Abfrage 12,9 % -21,4 %-P. Reisezeitersparnisse 20,3 %<br />

standortbezogen / Ortung 12,0 % -5,4 %-P. Alternativrouten 18,0 %<br />

Transparenz der Reisekosten 11,1 % -0,5 %-P. standortbezogen 17,4 %<br />

Buchung / Reservierung 9,7 % 7,4 %-P. zuverlässige Angaben und Betrieb 15,1 %<br />

schnelle Bedienung 9,2 % 9,2 %-P. verbesserter Umstieg 12,8 %<br />

komplexer Funktionsumfang 9,2 % 9,2 %-P. Fußgängernavigation 11,6 %<br />

übersichtliche Darstellung 8,8 % 3,0 %-P. Transparenz der Reisekosten 11,6 %<br />

offene Frage; in % der Angaben; N = 217 offene Frage; in % der Angaben; N = 172<br />

Quelle: cairo 2012 T0<br />

Quelle: cairo 2010 T0<br />

N = 301 N = 301<br />

Abb. 8: Erwartungen an smartphonebasierte Mobilitätsdienste<br />

wandel innerhalb eines solch kurzen Zeitraums ist bemerkenswert<br />

und dürfte vor allem ein Indikator für die rasante<br />

technische Entwicklung und die verbesserte Informationslage<br />

in diesem kurzen Zeitraum sein. Echtzeitinformationen und<br />

eine hohe Performance der Applikation (ausgedrückt durch<br />

eine „schnelle Abfrage“) sind inzwischen Standard in den<br />

meisten Informationssystemen (vgl. die Ergebnisse der Benchmark-Analyse<br />

im folgenden Kapitel). Nutzer haben insofern<br />

nicht mehr das Bedürfnis nach diesen Eigenschaften, würden<br />

aber deren Fehlen negativ bemerken. Der größte Teil der weiteren<br />

Angaben zu den gewünschten Eigenschaften blieb in der<br />

Häufigkeit der Nennungen zwischen den beiden Erhebungswellen<br />

konstant.<br />

Wann wird cairo genutzt?<br />

Einen weiteren Hinweis über die Informationsbedürfnisse der<br />

Nutzer erhält man aus der Analyse der von den Befragten<br />

genutzten Verkehrsmittel, für die Informationen über cairo<br />

abgerufen wurden. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Nutzungspraxis<br />

der verschiedenen Verkehrsangebote deutlich<br />

unterscheidet. Der Fernverkehr für Entfernungen über 100 Kilometer<br />

wird deutlich weniger genutzt als der ÖPNV. Dennoch<br />

lässt sich in der Abbildung 9 deutlich erkennen, dass besondere<br />

Informationsbedürfnisse in allen öffentlichen Verkehrsangeboten<br />

(von Fernverkehr bis ÖPNV) bestehen sowie bei<br />

der Kombination unterschiedlicher Verkehrsmittel. Jeweils<br />

über 60 Prozent der Befragten haben cairo öfter als einmal im<br />

Monat bei der Nutzung dieser Verkehrsmittel angewendet.<br />

Für Fußwege oder die intermodalen Angebote lässt sich eine<br />

deutlich niedrigere Nutzungsintensität von cairo ablesen.<br />

Das kann unterschiedliche Ursachen haben: Zunächst werden<br />

die spezialisierten Applikationen für Flinkster oder Call a Bike etc.<br />

genutzt, da dort auch die Buchungsfunktionen mit abgebildet sind,<br />

die bei cairo noch nicht vollumfänglich integriert waren. Darüber<br />

hinaus kann ein geringeres Informationsbedürfnis bei der Nutzung<br />

dieser Angebote die Ursache für die niedrigere Nutzungsfrequenz<br />

von cairo sein, denn beide Systeme sind während der<br />

Befragung 2012 im Erprobungsraum Berlin stationsgebunden<br />

gewesen. Eine Suche der Standorte ist deshalb oftmals nicht erforderlich.<br />

Schließlich werden die intermodalen Angebote insgesamt<br />

weniger häufig genutzt als die etablierten öffentlichen<br />

Verkehrsmittel für Nah- und Fernverkehr; die Funktion hat<br />

deshalb für die Probanden keine hohe Relevanz besessen.<br />

Eine genauere Analyse der Ursachen für die geringere Nutzungsintensität<br />

von cairo für diese Verkehrsmittel gibt Hinweise, dass<br />

es eher die geringe Nutzungsintensität des Verkehrsmittels ist<br />

als das fehlende Informationsbedürfnis. Ein Abgleich mit den<br />

qualitativen Aussagen zeigt aber auch, dass die Integration der<br />

Funktionen zu Flinkster und Call a Bike in Form der Standorte<br />

nur geringen Mehrwert bietet, während eine Integration in das<br />

Routing sowie die Abbildung der Buchungsfunktionalität elementar<br />

für die Akzeptanz dieser Funktionen ist.<br />

Wenig überraschend ist das Ergebnis der Analyse der cairo-Nutzung<br />

nach Wegezwecken bzw. Reiseanlässen. Die häufigste Nutzung<br />

erfährt cairo auf dem Weg nach Hause sowie bei Fahrten<br />

zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Über 50 Prozent der Befragten<br />

gaben an, cairo bei diesen Anlässen mindestens monatlich<br />

16 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Wie oft nutzen sie cairo für folgende Verkehrsmittel?<br />

Öffentliche Verkehrsmittel<br />

auf Entfernungen<br />

bis unter 20 km<br />

11,1 24,1 22,2<br />

3,7 4,3<br />

6,8<br />

Öffentliche Verkehrsmittel<br />

1,2<br />

auf Entfernungen von 6,2<br />

20 bis unter 100 km<br />

17,3 23,5 12,3 13,0<br />

Öffentliche Verkehrsmittel 3,7<br />

für längere Strecken ab etwa<br />

100 km einfache Entfernung<br />

15,4 24,1 16,7<br />

0,6<br />

11,7<br />

2,5<br />

Fußweg ab 500 m 4,94,95,6 8,6 45,7<br />

1,9 1,2<br />

Call a Bike/StadtRad 6,2 4,9 14,2 44,4<br />

27,8<br />

26,5<br />

27,8<br />

27,8<br />

27,2<br />

0,6 2,5<br />

Flinkster<br />

ohne Elektrofahrzeug<br />

7,4 10,5 50,6<br />

28,4<br />

3,1<br />

Flinkster<br />

mit Elektrofahrzeug<br />

9,3 56,2<br />

28,3<br />

Kombination<br />

verschiedener<br />

5,6<br />

Verkehrsmittel<br />

17,9 21,6 8,6 7,4 12,3 26,6<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Bei welchen Reiseanlässen haben Sie cairo benutzt?<br />

Weg nach Hause 11,7<br />

Ausgehen<br />

(z.B. Restaurant, Kneipe)<br />

3,1<br />

Besuch einer Veranstaltung<br />

(z.B. Fußballspiel, Konzert)<br />

8,0 17,3 9,9 37,0<br />

0,6<br />

Tagesausflug<br />

26,5 19,1 5,6 11,7 25,4<br />

Fahrten zum Arbeitsoder<br />

Ausbildungsplatz<br />

11,7 22,2 17,3 5,6 17,9<br />

1,2<br />

Besuch oder Treffen mit/von<br />

Bekannten und Verwandten<br />

14,8 21,6 11,7 24,1<br />

Private Erledigungen<br />

1,9<br />

(z.B. Arztbesuch,<br />

Behördengang)<br />

11,7 17,9 9,9 32,7<br />

2,5<br />

Dienstliche Fahrt<br />

ohne Übernachtung 8,6 17,9 7,4 37,7<br />

1,9<br />

9,3 14,8 12,3 36,4<br />

6,2 20,4 7,4 38,9<br />

25,3<br />

26,6<br />

25,9<br />

25,9<br />

25,3<br />

25,9<br />

26,5<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

(fast) täglich<br />

1-3 Tage pro Woche<br />

1-3 Tage pro Monat<br />

(fast) täglich<br />

1-3 Tage pro Woche<br />

1-3 Tage pro Monat<br />

seltener als monatlich<br />

einmal zum Probieren<br />

nie<br />

fehlend<br />

seltener als monatlich<br />

nie<br />

fehlend<br />

N = 162<br />

Quelle: cairo 2012 T1<br />

N = 162<br />

Quelle: cairo 2012 T1<br />

Abb. 9: cairo-Einsatz je Verkehrsmittel<br />

Abb. 10: cairo-Einsatz je Reiseanlass<br />

genutzt zu haben (vgl. Abbildung 10). Etwas weniger häufig, mit<br />

etwa 40 Prozent der Nutzung mindestens einmal im Monat, wird<br />

cairo bei Wegen zum Besuch von oder Treffen mit Freunden und<br />

Verwandten genutzt. Zu berücksichtigen bei diesen Ergebnissen<br />

ist, dass der Anteil der erwähnten Anlässe häufiger vorkommt<br />

als beispielsweise Tagesausflüge oder Besuche einer Veranstaltung<br />

(vgl. Infas, DLR 2010). Auf diesen häufig unbekannten<br />

Wegen ist sicherlich die Verbindungsauskunft wichtiger, da das<br />

Wissen über die richtige Buslinie oder den Umsteigebahnhof<br />

fehlt. Dagegen kann angenommen werden, dass vor allem auf<br />

routinisierten Wegen von oder zur Arbeit Informationen zu Störungen<br />

oder Verspätungen über cairo ermittelt werden. Entsprechend<br />

können Apps dahingehend optimiert werden, dass<br />

für die Routinewege schnell und einfach notwendige Informationen<br />

abgerufen werden können. Entsprechende Gestaltungshinweise<br />

konnten über die Benchmark-Analyse ermittelt werden.<br />

Diese finden sich im nächsten Kapitel.<br />

Welche Funktion ist am beliebtesten?<br />

Oft und mit einer hohen Zufriedenheit genutzte Funktionen der<br />

cairo-App sind eher „klassische“ Funktionen und Dienste (vgl.<br />

Abbildung 11). So halten 84 Prozent die Verbindungssuche für<br />

„sehr wichtig“ und weitere elf Prozent für „überwiegend wichtig“.<br />

Dieses Element ist somit das „Rückgrat“ der App, da es als<br />

häufig genutzter und schon in der Testversion ausgereifter<br />

Dienst die Nutzerbindung erhöht. Auch in den qualitativen Aussagen<br />

wird die Bedeutung dieser Funktionen hervorgehoben.<br />

Aussagen wie z.B. „Darum geht es doch!“ oder „Ist doch das<br />

Herzstück einer jeden Mobilitätsanwendung!“ verdeutlichen die<br />

Bedeutung der Verbindungssuche. Mehr als zwei Drittel halten<br />

zudem ortsbasierte Dienste, die Carsharing- und die Call-a-<br />

Bike-Funktion für überwiegend oder sehr wichtig. Ebenso bedeutsam<br />

haben zudem etwa zwei Drittel der Tester die technischen<br />

Funktionen der Menüdarstellung, der<br />

Kartendarstellung, der individuellen Einstellungen und der Favoriten<br />

bewertet.<br />

Nur zwei Funktionen werden von den Probanden als „unwichtig“<br />

bewertet. Dazu gehören Push-Dienste, also Informationen, die<br />

aktiv bereitgestellt werden, und die Einbindung von sozialen<br />

Netzwerken. Die Benchmark-Analyse (vgl. auch Kapitel 4) zeigt,<br />

dass diese Funktion bzw. die Verknüpfung mit sozialen Netzwerken<br />

noch keine große Verbreitung bei Mobilitätsdiensten<br />

gefunden haben und es kann davon ausgegangen werden, dass<br />

die Befragten auf keine oder nur geringe Erfahrungen zurückgreifen<br />

können. Als weitere Ursache für deren Bewertung als<br />

„unwichtig“ kann der geringe Informationswert herangezogen<br />

werden. Diese Funktionen stellen keine Primärfunktionen wie<br />

die Verbindungsauskunft oder das Anzeigen von Abfahrtszeiten<br />

dar und sind eher als ein Service im Sinne der Nutzer zu sehen.<br />

Push-Dienste verwandeln die Informationsbereitstellung in<br />

eine Bringschuld des Dienstleisters und können z.B. den Nutzer<br />

von einer wiederholten Überprüfung einer Verbindung entlasten.<br />

Nutzer werden mit Push-Diensten aktiv über Störungen<br />

informiert und können sich sicher fühlen, dass die Verbindung<br />

störungsfrei verläuft, solange keine Benachrichtigung erfolgt.<br />

Ebenso stellt die Einbindung von sozialen Netzwerken eine Option<br />

dar, z.B. Reisen und Routen gemeinsam mit Freunden und<br />

Bekannten planen zu können. Auch diese Funktion kann eher<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 17


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Wie bewerten Sie die Wichtigkeit folgender Eigenschaften/Funktionen von smartphonebasierten Mobilitätsdiensten?<br />

Verbindungssuche<br />

Menüdarstellung<br />

Kartendarstellung<br />

ortsbasierte Dienste<br />

Datenschutz<br />

-11<br />

-6<br />

-2<br />

-1<br />

-2<br />

-2<br />

-1<br />

-1<br />

-5<br />

-2<br />

-2<br />

-8<br />

-3<br />

-1<br />

2 11 84<br />

12 31 53<br />

19 35 38<br />

20 30 38<br />

16 17 49<br />

Carsharing-Funktion<br />

-6 -5 -5<br />

15<br />

28 41<br />

Call-a-Bike-Funktion<br />

-10<br />

-7<br />

-5<br />

20 24 34<br />

individuelle<br />

Einstellungen<br />

-14<br />

-5<br />

28 29 24<br />

Favoriten<br />

-10<br />

-7 -3<br />

25 30 26<br />

Push-Dienste<br />

-24 -13 -6 25 21 13<br />

Einbindung von<br />

sozialen Netzwerken<br />

-19 -28 -40 7<br />

-100 % -80 % -60 % -40 % -20 % 0 %<br />

20 % 40 % 60 % 80 % 100 %<br />

3<br />

2<br />

eher unwichtig überwiegend unwichtig sehr unwichtig eher wichtig überwiegend wichtig sehr wichtig<br />

N = 301<br />

Quelle: cairo 2012 T0<br />

Abb. 11: Bewertung der Funktionen der App<br />

als Beitrag zur stärkeren Personalisierung einer Applikation<br />

betrachtet werden und trägt wenig zu einer besseren Informationsbereitstellung<br />

bei.<br />

Trotzdem wird davon ausgegangen, dass diesen Funktionen in<br />

Zukunft mehr Bedeutung beigemessen werden wird. Besonders<br />

Push-Dienste können auf Routinewegen eine große Hilfe und<br />

Entlastung bieten, wenn sie zielgerichtet aktiv notwendige Informationen<br />

bereitstellen. Wichtig erscheint jedoch, dass dieser<br />

Dienst sparsam eingesetzt wird, um den Nutzer nicht mit Push-<br />

Nachrichten zu überfrachten. Ebenso sollte ein Push-Dienst<br />

sehr einfach abgeschaltet werden können. Das Fazit lautet also:<br />

Push-Dienste sollten sparsam und zielgerichtet eingesetzt<br />

werden, da sie nur dann von den Nutzern als Mehrwert empfunden<br />

und akzeptiert werden.<br />

In welchen Situationen wünschen sich intermodale Verkehrsteilnehmer<br />

bessere Informationen?<br />

Bei der Konzeption von Informationsdiensten ist eine genaue<br />

Kenntnis von Informationsbedürfnissen Voraussetzung für deren<br />

nutzergerechte Erweiterung. Eine solche Analyse kann wichtige<br />

Hinweise für den Einsatz von Push-Nachrichten, Indoor-Navigationsdiensten<br />

oder anderen neuen technischen Lösungen<br />

geben. Dazu wurden die Testnutzer gefragt, bei welchen Verkehrsmitteln,<br />

an welchen Orten und auf welchen Wegen sie<br />

sich bessere Informationen wünschen (vgl. Abbildungen 12 – 14).<br />

Auch wenn die Zufriedenheit mit cairo insgesamt sehr hoch ist<br />

und zwei Drittel der Befragten angeben, sie würden cairo auch<br />

in Zukunft weiterhin nutzen, äußern sie dennoch einen klaren<br />

Bedarf an besseren Informationen im ÖV sowohl im Fern- und<br />

Regionalverkehr als auch im ÖPNV, also bei U-, S-Bahn-,<br />

Tram- und Busfahrten (vgl. Abbildung 12). Geringer Informationsbedarf<br />

besteht bei den intermodalen Angeboten sowie Sonderformen<br />

des ÖV wie Rufbussen, Sammeltaxis etc. Dieses Ergebnis<br />

ist zunächst überraschend, erscheinen doch die<br />

bedarfsgesteuerten Verkehre in ihren vielfältigen Betriebsformen<br />

(vgl. u.a. Heinzel 1996, Sieber 2002) als deutlich komplizierter<br />

in der Nutzung als die klassischen ÖV-Angebote. Eine<br />

Ursache ist in der geringen Nutzung und Ausprägung dieser<br />

Angebote im Erprobungsraum zu suchen. Im Stadtverkehr von<br />

Berlin besteht wenig Bedarf, mehr oder bessere Informationen<br />

über Rufbusse zu erhalten, da diese nur in den peripheren<br />

Lagen des VBB-Bediengebiets zu finden sind. Die Angaben<br />

zum Informationsbedarf nach Verkehrsmitteln korrespondieren<br />

also deutlich mit deren Nutzungsintensität und bieten somit<br />

eher einen Hinweis auf die Nutzungsfrequenz.<br />

Etwa ein Fünftel der Befragten wünscht sich bessere Informationen<br />

zu Bike- und Carsharing-Angeboten. Die Aussagen in<br />

den offen gestellten Fragen konkretisieren dieses Bedürfnis.<br />

Erwartet wird eine zentrale intermodale Informationsplattform,<br />

bei der „unbedingt Car2Go und DriveNow als Carsharing-<br />

Unternehmen“ eingebunden werden sollten, damit „systemübergreifende<br />

Auskünfte, z.B. für eine Fahrradtour mit<br />

Anfahrt über DB oder Carsharing, Fahrradmiete, [...] U-Bahn/<br />

18 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Während welcher Fahrt wünschen Sie sich noch bessere<br />

Informationen?<br />

An welchen Orten können Sie noch bessere Informationen<br />

gut gebrauchen?<br />

im Bahnhof 57<br />

an der<br />

U-/S-Bahn-Station<br />

53<br />

an der Busstation<br />

50<br />

während Fahrten<br />

mit Fern- /<br />

Regionalbahnen<br />

während<br />

U-/S-Bahn-<br />

Fahrten<br />

während<br />

der Busfahrt<br />

unterwegs mit<br />

dem Carsharing<br />

unterwegs mit<br />

dem Bikesharing<br />

75<br />

70<br />

50<br />

22<br />

18<br />

an der<br />

Carsharing-Station<br />

an der<br />

Call-a-Bike-Station<br />

im Flughafen<br />

am Treffpunkt für<br />

Mitfahrgelegenheiten<br />

sonstiges<br />

an der Taxistation<br />

28<br />

27<br />

13<br />

12<br />

10<br />

9<br />

bei Flügen 12<br />

im Taxi<br />

12,6<br />

6<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

an der Mietwagenstation<br />

am Treffpunkt für<br />

Rufbusse,<br />

Sammeltaxen etc.<br />

8<br />

3<br />

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 %<br />

N = 162 N = 162<br />

Quelle: cairo 2012 T1<br />

Quelle: cairo 2012 T1<br />

Abb. 12: Informationsbedarf nach Verkehrsmitteln<br />

Flugzeug“ ermöglicht werden. Die Aussagen der Nutzer antizipieren<br />

die derzeitigen Entwicklungen im Markt, bei denen der<br />

Plattform-Gedanke allgegenwärtig ist. Gleichzeitig sind diese<br />

Aussagen Ausdruck eines neuen gesellschaftlichen Verständnisses,<br />

bei dem die Verkehrsmittelnutzung pragmatischen<br />

bzw. rationalen Motiven folgt. Dabei steht die Erweiterung des<br />

individuellen Möglichkeitsraums im Vordergrund und weniger<br />

eine von Prestige geprägte Verkehrspraxis. Besonders im urbanen<br />

Raum bieten intermodale Angebote in Kombination mit<br />

dem ÖPNV-Angebot attraktive Möglichkeiten, die Stadt schneller<br />

zu durchqueren. Andererseits scheint aber die Kombination<br />

dieser Angebote neue Informationsbedürfnisse zu erzeugen,<br />

die mit derzeit am Markt verfügbaren Systemen nicht befriedigt<br />

werden können.<br />

Analog dazu werden auch die ÖV-Umstiegspunkte bewertet, an<br />

denen noch bessere Informationen benötigt werden (vgl. Abbildung<br />

13). Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich<br />

demnach generell bessere Informationen an Bahnhöfen für<br />

Fern- und Nahverkehr sowie an Busstationen und U- bzw. S-<br />

Bahn-Stationen. Darüber hinaus empfindet je ein Viertel, dass<br />

die Informationen an Carsharing- und Call-a-Bike-Stationen<br />

besser sein könnten. Diese Informationsdefizite können z.B.<br />

über eine kleinräumliche oder auch Indoor-Navigation behoben<br />

werden.<br />

Die Nutzer wurden außerdem gefragt, auf welchen Wegen sie<br />

bessere Informationen benötigen (vgl. Abbildung 14). Auch hier<br />

dominieren die Pendler- sowie dienstlichen Fahrten. Mehr als<br />

Abb. 13: Informationsbedarf nach Orten<br />

40 Prozent hätten gerne bessere Informationen für den Weg<br />

zur Arbeit und mehr als ein Drittel für den Rückweg. Fast 30<br />

Prozent würden eine bessere Informationslage bei dienstlichen<br />

Fahrten bzw. Reisen mit und ohne Übernachtung begrüßen.<br />

Etwa ein Viertel wünscht sich zudem bessere Informationen<br />

zu Kurzreisen und Tagesausflügen und jeder fünfte bis<br />

sechste Befragte bessere Informationen über Freizeitwege<br />

(Veranstaltungen und Ausgehen) sowie für Erledigungen. Dieses<br />

Ergebnis spiegelt die Häufigkeit der Wegezwecke von Wegen<br />

wider, auf denen cairo genutzt wurde.<br />

Im Hinblick auf Informationsbedürfnisse zu Reisekosten wurde<br />

sowohl 2010 als auch 2012 von elf Prozent der Befragten mehr<br />

Transparenz gewünscht. Bisher kann man allerdings die Kosten<br />

nur für jedes Verkehrsmittel einzeln im Voraus bestimmen<br />

und nicht für die gesamte intermodal zusammengestellte<br />

Strecke, wenn dabei auch Carsharing- und/oder Bikesharing-<br />

Angebote genutzt werden. Hier liegt es jedoch in der Logik der<br />

Angebote, dass vorab Preisauskünfte z.B. bei Open-End-Optionen<br />

schlichtweg nicht möglich sind. Dies gilt auch bei reservierungspflichtigen<br />

Angeboten, die eine entfernungsabhängige<br />

Bepreisung vorsehen, wie das klassische Carsharing.<br />

Zusammenfassend kann für die Weiterentwicklung von Mobilitätsinformationssystemen<br />

festgehalten werden, dass zum einen<br />

räumliche Informationen an Umsteigepunkten gewünscht<br />

werden, um hier eine bessere Orientierung bei Wechsel zwischen<br />

Verkehrsmitteln zu erhalten. Dabei werden auch die intermodalen<br />

Angebote mit einbezogen, für die zwar erste An-<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 19


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Bei welchen Tätigkeiten wünschen Sie sich noch bessere<br />

Informationen?<br />

Fahrten zum Arbeitsoder<br />

Ausbildungsplatz<br />

Weg nach Hause 38<br />

Dienstreise<br />

mit Übernachtung<br />

30<br />

Dienstliche Fahrt<br />

29<br />

ohne Übernachtung<br />

Tagesausflug 24<br />

Kurzurlaubsreisen<br />

(2-4 Tage)<br />

43<br />

23<br />

Besuch einer Veranstaltung 20<br />

Zustimmung zu den Fragen<br />

„Ohne cairo wäre ich diesen Weg anders gefahren.“ und<br />

„Ohne cairo hätte ich ein anderes Verkehrsmittel genutzt.“<br />

3,7 % 2,8 %<br />

5,5 %<br />

3,7 % 2,8 %<br />

5,5 %<br />

88,1 %<br />

88,1 %<br />

private Erledigungen 17<br />

Ausgehen<br />

(z.B. Restaurant, Kneipe)<br />

15<br />

Treffen mit Bekannten<br />

11<br />

und Verwandten<br />

Holen oder Bringen<br />

9<br />

von Personen<br />

Urlaubsfahrten 6<br />

(5 Tage oder länger)<br />

Sport oder Hobby 5<br />

Einkauf des<br />

4<br />

nicht-täglichen Bedarfs<br />

Wocheneinkauf 3<br />

(täglicher Bedarf)<br />

andere Reiseanlässe 3<br />

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 %<br />

N = 162<br />

Quelle: cairo 2012 T1<br />

keinen Einfluss<br />

keinen Einfluss Einfluss auf Weg- und Verkehrsmittelwahl<br />

Einfluss auf Weg- und Verkehrsmittelwahl<br />

Einfluss auf Verkehrsmittelwahl<br />

Einfluss auf Verkehrsmittelwahl<br />

Einfluss auf Wegwahl<br />

Einfluss auf<br />

N<br />

Wegwahl<br />

= 109<br />

N = 109<br />

Quelle: cairo 2012 T0<br />

Abb. 14: Informationsbedarf nach Wegen<br />

Abb. 15: Einfluss auf Wege und Verkehrsmittelwahl<br />

sätze eines angebotsübergreifenden Informationssystems<br />

bestehen (z.B. die Applikation „mobility map“ oder „Car Sharing<br />

Berlin“); eine Integration der ÖV-Informationen fehlt jedoch.<br />

Zum anderen sind angebotsübergreifende Informationen<br />

bis hin zu intermodalen Routeninformationen ein häufig konstatiertes<br />

Bedürfnis. Den hier erhobenen Informationsbedarfen<br />

konnte im cairo-Projekt nur noch bedingt Rechnung getragen<br />

werden. Einige Aspekte wie z.B. die Verbesserung der Informationssituation<br />

an Umsteigepunkten werden daher in Folgeprojekten<br />

wie DIMIS (Start Dezember 2013) berücksichtigt.<br />

Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf die Early Majority<br />

Die Testnutzer der cairo-App wurden gefragt, ob sich durch die<br />

Nutzung der App grundsätzlich eine Änderung des Verkehrsverhaltens<br />

ergeben hat. Dies konnte immerhin etwa jeder achte<br />

Befragte bestätigen (vgl. Abbildung 15). So geben zwischen<br />

zehn und 15 Prozent der Befragten an, dass sich ihr Verkehrsverhalten<br />

durch cairo verändert hat und sie nun überlegen,<br />

Kunde von Call a Bike oder Flinkster zu werden oder eine<br />

BahnCard zu erwerben (vgl. Abbildung 16). 40 Prozent der Befragten<br />

geben an, dass cairo keinen Einfluss auf ihr Verkehrsverhalten<br />

genommen hat.<br />

Insgesamt ist hierbei allerdings der Anteil derjenigen sehr<br />

hoch, die einen Einfluss auf die eigene Mobilität nicht beurteilen<br />

können. Außerdem gilt es zu bedenken, dass die Nutzer einen<br />

noch weitaus größeren Informationsbedarf haben als cairo<br />

derzeit bieten kann. Daraus lässt sich schließen, dass mobile<br />

Routenplaner zukünftig noch eine stärkere Wirkung auf die<br />

persönliche Mobilität haben können – sofern sie die jeweils benötigten<br />

Informationen enthalten. Dennoch ist davon auszugehen,<br />

dass weitere Incentives als eine reine Informationsvermittlung<br />

benötigt werden. Nicht zuletzt wird es dabei von<br />

Belang sein, mit Hilfe von IKT individuelle Tarife und Angebotspakete<br />

bereit zu stellen, die für den Einzelnen auch einen<br />

preislichen Mehrwert gegenüber der Fahrt mit dem eigenen<br />

Auto schaffen.<br />

20 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Anforderungen an die Technik: Einfach vs. komplex<br />

Unten sehen Sie eine Reihe von Aussagen zu cairo. Bitte geben Sie an, wie weit die Aussagen auf Sie zutreffen.<br />

Durch cairo hat sich mein<br />

Verkehrsverhalten verändert. -20 -9 -18<br />

2<br />

10<br />

8<br />

Aufgrund von cairo überlege ich mir,<br />

Kunde von Call a Bike zu werden.<br />

-4 -4 -29<br />

6<br />

7<br />

20<br />

Aufgrund von cairo überlege ich mir,<br />

eine BahnCard zu erwerben.<br />

-6 -2 -30<br />

2<br />

10<br />

20<br />

Aufgrund von cairo überlege ich mir,<br />

Kunde von Flinkster zu werden.<br />

-6 -5 -28<br />

2<br />

7<br />

21<br />

cairo erleichtert die Nutzung<br />

von Call a Bike.<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

7<br />

2<br />

40<br />

cairo erleichtert die Nutzung<br />

von DB Carsharing.<br />

-3 -1<br />

-6<br />

6<br />

-50 % -40 % -30 % -20 % -10 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 %<br />

2<br />

48<br />

trifft eher nicht zu<br />

trifft überwiegend nicht zu<br />

trifft überhaupt nicht zu<br />

trifft überwiegend zu trifft voll und ganz zu kann ich nicht beurteilen<br />

N = 117<br />

Quelle: cairo 2012 T1<br />

Abb. 16: Einfluss auf Mobilität<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 21


Informationsnutzung in der Praxis<br />

4. Informationsnutzung<br />

in der Praxis<br />

Die meisten Routenplaner-Apps beschränken sich bisher beim<br />

intermodalen Routing darauf, ÖPNV-Fahrten mit Fußwegen zu<br />

kombinieren. Dies liegt unter anderem daran, dass die Koordination<br />

unterschiedlicher Datenbanken v.a. bei einer laufenden<br />

Aktualisierung der jeweiligen Daten relativ voraussetzungsvoll<br />

ist. So müssen z.B. die tatsächlichen Ankunftszeiten von Bus und<br />

Bahn, gerade verfügbare Carsharing-Fahrzeuge am Bahnhof,<br />

aktuelle Staus etc. bei der Abfrage aufeinander abgestimmt<br />

werden, damit auch realistische Fahrtzeiten und Anschlüsse<br />

berechnet werden können.<br />

Hinzu kommt, dass eine Applikation nicht nur funktionsfähig und<br />

genau, sondern auch nutzerfreundlich sein soll. Was von den<br />

Nutzern als intuitiv, ansprechend oder einfach bedienbar wahrgenommen<br />

wird, ist allerdings vorab oft nur schwer einzuschätzen,<br />

denn Routenplaner-Apps sind sowohl für die User als auch<br />

für die Nutzerakzeptanzforschung ein eher neues Terrain. Es<br />

hat sich aber gezeigt, dass ein nutzergerechtes Mobilitätsinformationssystemen<br />

folgende Eigenschaften aufweisen sollte:<br />

--<br />

keine Kosten verursachen<br />

--<br />

eine schnelle und einfache Abfrage ermöglichen<br />

--<br />

individuelle Präferenzen und<br />

--<br />

die aktuelle Situation berücksichtigen<br />

--<br />

eine übersichtliche Menüführung besitzen<br />

Komplexe Ein- und Ausgaben sowie unzuverlässige Informationen<br />

stellen dementsprechend auch die wichtigsten Hinderungsgründe<br />

für die Nutzung dar. Die Gewährleistung der Datensicherheit<br />

und des Datenschutzes wird hierbei als gegeben vorausgesetzt.<br />

So halten zwei Drittel der Befragten den Datenschutz für überwiegend<br />

oder sehr wichtig.<br />

Wie eine schnelle und einfache Abfrage, eine übersichtliche Menüführung<br />

sowie individuelle Präferenzen und Nutzungskontexte<br />

berücksichtigt werden können, wurde im cairo- Projekt aus unterschiedlichen<br />

Blickwinkeln beleuchtet. Die Erkenntnisse hierzu<br />

stammen dabei in erster Linie aus der Benchmark-Analyse,<br />

die im Folgenden zusammengefasst vorgestellt wird.<br />

Schnelle und einfache Routenabfrage – und zwar über alle<br />

Verkehrsmittel hinweg!<br />

Der Nutzerwunsch nach einem einfachen und schnellen Zugriff<br />

auf die Dienste und Funktionen der App findet sich im<br />

Konzept der Gebrauchstauglichkeit bzw. der Usability wieder.<br />

Hierarchische Systeme bieten einen zentralen „Einstieg“ in die<br />

App, von dem man dann zu den weiteren Funktionen gelangt,<br />

die der Einstiegsfunktion nachgeordnet sind. Der Einstieg<br />

erfolgt fast immer über eine Verbindungsauskunft (Abfahrtsund<br />

Zielort), Datum sowie Abfahrts- oder Ankunftszeit. Auch<br />

bei cairo sind die verschiedenen Dienste hierarchisch angeordnet.<br />

Auch hier steht die Verbindungsauskunft im Mittelpunkt<br />

und ist nach dem Öffnen der Applikation sofort verfügbar.<br />

Weitere Dienste sind dieser Funktion nachgeordnet und<br />

erst über Untermenüs aufrufbar. So muss z.B. bei der Suche<br />

nach Call-a-Bike-Stationen zunächst der Menüpunkt „Standort“<br />

der Verbindungsauskunft angewählt werden und erst<br />

dann aus einer weiteren Liste die Call-a-Bike-Funktion. Diese<br />

Struktur wurde in der ersten Phase von cairo auf Basis der Ergebnisse<br />

der Usability-Tests vorgeschlagen, um die sog. Klicktiefe<br />

der Applikation zu verringern. Diese Empfehlung basierte<br />

aber noch auf Handys ohne Touchscreen und mit zeilenbasierter<br />

Informationsausgabe. Bei modernen Smartphones können<br />

mehr Informationen gleichzeitig angeordnet werden und auch<br />

die Auswahl aus einem Menü erfolgt schneller und zielgerichteter.<br />

Vor dem Hintergrund dieser neuen Optionen und bei<br />

gleichzeitiger Berücksichtigung der starken Nutzungsfrequenz<br />

im ÖPNV inkl. der intermodalen Angebote ist ein Einstieg über<br />

die Verbindungsauskunft oftmals nicht mehr ökonomisch.<br />

Alternativ könnte eine hierarchische Struktur der einzelnen<br />

Dienste dynamisch verändert werden, indem z.B. die Nutzungshäufigkeit<br />

der einzelnen Funktionen erfasst und die Anzeige<br />

der Ergebnisse dementsprechend angepasst wird. Ein weiterer<br />

Vorteil der hierarchischen Ordnung besteht außerdem darin,<br />

dass die wichtigsten Funktionen unmittelbar nach dem Öffnen<br />

zur Verfügung stehen. Der Nachteil ist allerdings dementsprechend,<br />

dass andere Funktionen zunächst auch nicht sichtbar<br />

sind und in den nachgeordneten Menüpunkten gesucht werden<br />

müssen. Beispielsweise haben einige cairo-Testnutzer die<br />

„Cock-Pit-Funktion“, mit der u.a. die aktuelle Geschwindigkeit<br />

angezeigt werden kann, gar nicht erst entdeckt. Entsprechend<br />

überrascht zeigen sich die Nutzer in den Kommentaren der<br />

cairo-Begleitforschung eben zu dieser Funktion: „Wo und was ist<br />

Cock-Pit?“ oder „Habe den Sinn und Zweck nicht verstanden“.<br />

Eine andere Option der Gestaltung der Menüführung ist die Integration<br />

unterschiedlicher Dienste nebeneinander auf einer<br />

Plattform. Auf dem Screen des Smartphones wird zunächst<br />

nur eine einzelne Applikation dargestellt. Erst nach Öffnen der<br />

übergreifenden Applikation erscheint eine Übersicht aller zur<br />

Verfügung stehenden und untereinander verknüpften Dienste.<br />

Dadurch wird die Klicktiefe auf zentrale Dienste, wie z.B. die<br />

Verbindungsauskunft, um einen Schritt gesteigert; bei intensiver<br />

Nutzung intermodaler Angebote kann so aber ein schnellerer<br />

Zugriff auf die jeweils benötigten Dienste realisiert werden.<br />

Ein Beispiel für diese Art des Einstiegs in die Applikation ist<br />

die Bemobility-Suite. Nach dem Öffnen der BeMobility-Suite<br />

erhält man auf der zentralen Diensteplattform einen schnellen<br />

Überblick über die angebotenen Dienste, die man von dort aus<br />

mit einem Klick auswählen kann (vgl. Abbildung 17). Alle Dienste<br />

sind so miteinander verbunden, dass logische Verknüpfungsmöglichkeiten<br />

mit den anderen Diensten über ein Kontextmenü<br />

angeboten werden.<br />

22 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Informationsnutzung in der Praxis<br />

Abb. 17: Screenshot der Bemobility-Suite<br />

Abb. 18: Screenshot von Pendel Panda<br />

Die App-Architektur der BeMobility-Suite ermöglicht es zudem<br />

relativ einfach, weitere, auch fremde Dienste zu integrieren.<br />

Dass diese Anforderung nicht so leicht umzusetzen ist, zeigt<br />

die Android-App „MobilityMap“. Bei dieser App werden die verschiedenen<br />

Verkehrsträger und Anbieter in einer gemeinsamen<br />

Kartendarstellung gezeigt. Wählt man z.B. ein Carsharing-Fahrzeug<br />

aus, kann man eine Navigation zu diesem<br />

Fahrzeug über externe Apps aufrufen. Jedoch zeigt sich in der<br />

Praxis, dass z.B. die Ortsübergabe nicht standardisiert erfolgt.<br />

Mobilität ergibt sich aus Grundbedürfnissen wie Einkaufen,<br />

Freunde treffen, einem Hobby nachgehen oder zur Arbeit fahren.<br />

Jede mobile Person verfolgt somit ganz individuelle Wegezwecke<br />

und dementsprechend variiert auch die Verkehrsmittelwahl:<br />

So wird man sich bei der Fahrt zur Oper eher für<br />

ein Taxi entscheiden als beim täglichen Pendelweg und bei Regen<br />

das Fahrrad für den Weg zum Arbeitsplatz eher stehen<br />

lassen als an einem sonnigen Sonntagnachmittag.<br />

Die Einstellung persönlicher Präferenzen je nach Wegezweck<br />

kann daher einerseits dazu beitragen, dass die berechnete Route<br />

auch tatsächlich zum jeweiligen Wegezweck passt. Andererseits<br />

wird dadurch aber auch die Abfrage vereinfacht, indem<br />

bestimmte Routen und Verkehrsmittel vorselektiert werden.<br />

Berücksichtigung individueller Präferenzen<br />

Bei der Benchmark-Analyse sind verschiedene Good Practices<br />

erfasst worden, bei denen persönliche Voreinstellungen dazu<br />

genutzt werden, die Routenabfrage besonders nutzerfreundlich<br />

und intuitiv zu gestalten. In der Regel müssen dabei persönliche<br />

Präferenzen z.B. zu bevorzugten Verkehrsmitteln<br />

oder dem aktuellen Zielwunsch vom Nutzer vor jeder Verbindungsanfrage<br />

bestimmt werden. So können z.B. bei der Applikation<br />

„Pendel Panda“ Buttons mit eigenen Bezeichnungen wie<br />

„Zuhause“, „Arbeit“ oder „Supermarkt“ belegt und einer bestimmten<br />

Haltestelle zugeordnet werden (vgl. Abbildung 18).<br />

Für die Abfrage muss anschließend über ein Symbol, das wie<br />

eine Bärentatze aussieht, in nur drei Klicks Start- und Zielpunkt<br />

ausgewählt sowie die Abfrage gestartet werden.<br />

Auch hinsichtlich der Verkehrsmittelwahl können persönliche<br />

Einstellungen dazu beitragen, den Abfrageprozess zu vereinfachen<br />

und zu beschleunigen, indem die für die jeweilige Person<br />

unwichtigen Ergebnisse herausgefiltert werden. Die Applikation<br />

„AnachB“ bietet beispielsweise die Möglichkeit, vor der Abfrage<br />

über spezielle Auswahlbuttons intermodale Reisemöglichkeiten<br />

(z.B. Fahrradmitnahme in der Bahn, Park&Ride- oder Bike&Ride-<br />

Verbindungen) gezielt in die Suche zu integrieren bzw. auszuklammern.<br />

Zudem können persönliche Einstellungen zu Fußwegen<br />

(z.B. maximale Fußwegzeit, Durchschnittstempo etc.)<br />

und Fahrradwegen (z.B. attraktive oder schnelle Strecken)<br />

vorgenommen werden, so dass Anschlüsse genauer berechnet<br />

werden können. Beim Dienst „Öffi“ kann man einige Angaben<br />

wie Gehgeschwindigkeit oder Angaben zur Barrierefreiheit<br />

sogar langfristig im Profil speichern.<br />

Der Vorteil bei der Angabe persönlicher Präferenzen ist, dass<br />

nur die Informationen angezeigt werden, die für die jeweilige<br />

Person auch tatsächlich relevant sind. Damit wird die Abfrage<br />

vereinfacht, beschleunigt und übersichtlicher. Des Weiteren<br />

wird durch persönliche Einstellungen dem Nutzer generell das<br />

Gefühl vermittelt, den Mobilitätsdienst nach seinen eigenen<br />

Wünschen individuell gestalten zu können. Dieser Effekt kann<br />

noch verstärkt werden, wenn weitere kontextbasierte Informationen<br />

bei der Routenplanung berücksichtigt werden.<br />

Integration kontextbasierter Informationen<br />

Nicht nur individuelle Bedürfnisse, sondern auch räumliche<br />

und zeitliche Kontextinformationen können genutzt werden,<br />

um eine Routenabfrage vorzustrukturieren und so die Nutzung<br />

der Applikation zu vereinfachen. Hierbei werden möglichst viele<br />

Eingaben des Nutzers durch eine automatische Erkennung des<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 23


Informationsnutzung in der Praxis<br />

können beispielsweise zu Stoßzeiten auf bestimmten Strecken<br />

Bahn- statt Busfahrten empfohlen werden. Wenn die App auf<br />

Termine aus dem persönlichen Kalender zurückgreifen kann,<br />

ist es z.B. möglich, dass das Routing bei geschäftlichen Terminen<br />

automatisch öffentliche Verkehrsmittel bzw. Taxifahrten auswählt.<br />

Am Wochenende sollten zudem z.B. automatische Störungsmeldungen<br />

zum Arbeitsweg deaktiviert sein.<br />

Abb. 19: Screenshot der<br />

Car2Go-App<br />

Abb. 20: Screenshot der<br />

Alarmfunktion bei cairo<br />

Eine weitere Funktion, die Zeitangaben für kontextsensitive<br />

Auskünfte nutzt, sind Alarmdienste. Auch bei der cairo-App<br />

können Nutzer des ÖV bei dieser Funktion einstellen, dass sie<br />

vor dem Erreichen des Zielorts alarmiert und z.B. über Anschlusszüge<br />

informiert werden (vgl. Abbildung 20). Eine solche<br />

Alarmfunktion muss allerdings sehr zuverlässig sein, da die<br />

Folgen wie ein verpasster Ausstieg vor allem im Fernverkehr<br />

gravierend sind. Dementsprechend bemängelte etwa jeder<br />

fünfte cairo-Testnutzer, dass die Alarmfunktion noch nicht zu<br />

100 Prozent fehlerfrei funktioniere.<br />

Benutzerkontexts ersetzt. So könnte zum Beispiel bei der Integration<br />

von Wetterinformationen bei Regen auf Fahrradsharing-<br />

Angebote im Routing verzichtet werden. Nach Ackermann et al.<br />

(2009) haben Informationen zum Ort (wo?), zur Zeit (wann?),<br />

zur Identität (wer?) sowie zur aktuellen Aktivität (was?) als<br />

„primärer Kontext“ eine übergeordnete Bedeutung (ebd., S. 91).<br />

Alle weiteren sekundären Kontextinformationen wie „Wegezweck“<br />

oder „Wetter“ leiten sich nach Ackermann hieraus ab.<br />

Dienste wie Moovel haben diesen primären Kontext durch<br />

dialogartige Abfragen in die App-Gestaltung eingebunden.<br />

Für ein kontextsensitives Routing werden in erster Linie Standortdaten<br />

genutzt, die über GPS erfasst werden. Die Einbindung<br />

von Standortinformationen ist bei Routenplanern mittlerweile<br />

eine Standardfunktion. Die meisten Applikationen nutzen dabei<br />

GPS-Ortung bzw. den Positioning-Layer oder andere Ortungstechnologien,<br />

um den Standort des Nutzers zu bestimmen und<br />

aus dieser Position heraus Verbindungen oder lokale Informationen<br />

bereit zu stellen. Für stationsungebundene Carsharing-<br />

Angebote wie Car2go oder DriveNow sind die Ortung der Person<br />

und der Fahrzeuge sowie die Anzeige auf einer Karte eine zentrale<br />

Voraussetzung für die Nutzung des Dienstes (vgl. Abbildung 19).<br />

Auch die cairo-App besitzt bereits einige kontextsensitive Dienste.<br />

So können z.B. über die Funktion „Unterwegs“ der gerade genutzte<br />

Zug geortet und am Ankunftsort Anschlüsse, Haltestellen<br />

oder Carsharing-Stationen angezeigt werden. Da die Standorterfassung<br />

bei Mobilitäts-Apps schon weit verbreitet ist, sehen<br />

es viele Nutzer daher auch als selbstverständlich an, dass standortbasierte<br />

Dienste problemlos funktionieren. So fiel demnach<br />

auch etwa einem Drittel der cairo-Testnutzer auf, dass die<br />

Standortfunktion der cairo-App noch nicht optimal umgesetzt<br />

ist und die Nutzung einschränkt. Allerdings war auch etwa die<br />

Hälfte der Testnutzer mit der Standortfunktion zufrieden.<br />

Wetterinformationen sind ebenfalls für die Verkehrsmittelwahl<br />

von Belang. Bei Dauerregen oder Glatteis sollten z.B. möglichst<br />

keine Radfahrten in die Route integriert werden. Einige Fahrradroutenplaner<br />

berücksichtigen zumindest in der Internet-Version<br />

bereits Wetterinformationen: Beim Radroutenplaner NRW kann<br />

z.B. das Wetter je Etappe angezeigt werden. Schließlich lassen<br />

sich über bestimmte Smartphone-Funktionen weitere Informationen<br />

aus dem Kontext gewinnen. So kann z.B. über die Rüttelsensoren<br />

des Smartphones erfasst werden, ob man gerade zu<br />

Fuß geht, die Bahn benutzt, joggt oder Fahrrad fährt. Dementsprechend<br />

können dann passende, z.B. attraktive Jogging-Routen<br />

vorgeschlagen werden oder Push-Services z.B. zu umliegenden<br />

Sehenswürdigkeiten passende Informationen liefern.<br />

Insgesamt besteht bei der Berücksichtigung kontextsensitiver<br />

Informationen jedoch die Gefahr, dass sie zu stark die individuelle<br />

Auswahl an Informationen beschränken. Nutzer können<br />

sich demnach auch durch kontextsensitive Selektionen bevormundet<br />

fühlen, z.B. wenn Mietfahrräder bei einer schlechten<br />

Wetterlage als Option nicht angezeigt werden. Insgesamt bestehen<br />

insbesondere im Bereich der Kontextsensitivität von<br />

Mobilitätsdiensten noch viele offene Fragen, was Nutzeranforderungen<br />

und Akzeptanzbedingungen angeht. Ähnliches gilt<br />

auch für die Push-Dienste. Wichtig erscheint, so bleibt festzuhalten,<br />

dass zunächst ein Verständnis für Nutzeranforderungen<br />

und -motivationen erreicht werden muss, um diese Funktionen<br />

nutzergerecht einbringen zu können. Die sozialwissenschaftliche<br />

Analyse von Informationsbedürfnissen und Nutzungskontexten<br />

der User nimmt somit bei der Entwicklung solcher Angebote<br />

eine Schlüsselrolle ein.<br />

Für kontextsensitive Abfragen können auch Kalendereinträge,<br />

Wetterinformationen und viele weitere Datenquellen genutzt<br />

werden. Zeitangaben wie die Uhrzeit oder der Wochentag geben<br />

ebenfalls wertvolle Hinweise für die Routenplanung. So<br />

24 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


Ausblick: Dynamische Informationen für intermodale Mobilität<br />

5. Ausblick: Dynamische<br />

Informationen für<br />

intermodale Mobilität<br />

Intermodale Routenplaner sind zwar nur ein Baustein für intermodale<br />

Mobilität, allerdings ein sehr zentraler, denn zeitliche<br />

und räumliche Informationen waren und sind das Rückgrat des<br />

ÖV. Neu ist heute, dass nicht nur die zeitlichen (z.B. bei Verspätungen),<br />

sondern auch die räumlichen Informationen (z.B.<br />

Standorte von flexiblen Carsharing-Fahrzeugen) dynamisch<br />

sind. Das stellt eine große Herausforderung für intermodale<br />

Routenplaner dar, da die Umsteigeverbindungen damit ebenfalls<br />

dynamisch werden. Das macht auch den Informationsfluss<br />

komplexer: Ging es vor zehn Jahren noch darum, bei einem<br />

Park&Ride-Parkplatz über die Abfahrtszeiten der Bahn informiert<br />

zu werden, möchte man heute wissen, ob man das Carsharing-Fahrzeug<br />

an der Bahnstation abstellen kann, ob an<br />

der Zielstation ein Call a Bike bereit steht und wie lang die<br />

gesamte Fahrt dauert. In Zukunft wollen die Nutzer vielleicht<br />

zusätzlich noch wissen, ob sie bei der Carsharing-Fahrt Mitfahrer<br />

mitnehmen können, ob sich eine Taxifahrt auszahlt, weil<br />

man sich das Taxi mit anderen teilen kann oder ob es Sondertarife<br />

für die Kombination Carsharing-ÖPNV-Call a Bike gibt.<br />

Diese Informationen sollten dabei am besten mit wenigen<br />

Tastendrucken sofort verfügbar sein.<br />

Die derzeitigen Apps sind zwar schon auf einem guten Weg,<br />

aber es bestehen durchaus noch viele offene Fragen, wie z.B.<br />

welche Funktionen noch verbessert werden müssen, ob Dienste<br />

wie cairo das Potenzial besitzen, Nutzer tatsächlich an den ÖV<br />

zu binden und inwiefern halböffentliche Verkehrsmittel wie<br />

Call a Bike oder Flinkster davon profitieren. Zudem finden viele<br />

besonders „intermodale“ Zielgruppen wie Jugendliche oder<br />

Geschäftsreisende in den bisherigen Studien zum Einfluss von<br />

IKT auf den Modal Shift noch zu wenig Beachtung.<br />

Auch die Integration von Buchungs- und Bezahlfunktionen in eine<br />

intermodale Routing-App kann die Zugangsbarrieren deutlich<br />

herabsetzen, da der Nutzer sich z.B. die Suche nach Fahrkartenautomaten<br />

erspart und eine höhere Sicherheit bei der Ticketwahl<br />

erhält, da automatisch das richtige Ticket zur gewählten<br />

Verbindung zum Kauf bereitgestellt wird. Wird das „Durchbuchen“<br />

einer zuvor ausgewählten Verbindung über alle Verkehrsmittel<br />

ermöglicht, wird die Verbindungssuche so zu einem „Rund-um-<br />

Sorglos-Paket“ (vgl. Maertins/Schäfer 2008, S. 6).<br />

Intermodale e-Tickets gibt es zwar bisher noch nicht in Kombination<br />

mit Pay-as-you-go-Tarifen, aber immerhin schon in<br />

Form von intermodalen Monatskarten. Zum Beispiel können<br />

Besitzer der HANNOVERmobil-Karte den ÖPNV unbegrenzt<br />

nutzen, erhalten 20 Prozent Rabatt bei Taxifahrten sowie eine<br />

BahnCard 25. Bei der Berliner Mobilitätskarte des BeMobility-<br />

Projekts wurde ebenfalls die BahnCard 25 mit einem Guthaben<br />

für Bikesharing (über 30 €) sowie Carsharing (über 50 €) kombiniert.<br />

Prinzipiell ist bei solchen intermodalen Mobilitätskarten<br />

das Smartphone als Ticketersatz ebenfalls gut einsetzbar,<br />

denn Smartphones werden heute ohnehin schon v.a. im Fernverkehr<br />

als e-Ticket eingesetzt.<br />

Zukünftig ist außerdem zu erwarten, dass zu der GPS-Ortung<br />

neue Möglichkeiten der kleinräumlicheren Ortung hinzukommen.<br />

So könnte innerhalb von Zügen der Weg zum Sitzplatz<br />

oder zum Speisewagen angezeigt werden oder an Bahnhöfen<br />

der Weg zur Carsharing- bzw. Call-a-Bike-Station. Tatsächlich<br />

wünschen sich auch drei Viertel der cairo-Nutzer verbesserte<br />

Informationen während Fahrten mit der Fern- und Regionalbahn,<br />

fast ebenso viele für Fahrten mit S- und U-Bahn und die<br />

Hälfte während Busfahrten (vgl. auch Kapitel 4).<br />

Die Identität spielt bei kontextsensitiven Anwendungen insofern<br />

eine Rolle, als sie mit anderen Informationen verknüpft<br />

werden kann. So können z.B. standortbezogene Dienste persönliche<br />

Points of Interest (POIs) in der Nähe erkennen und in<br />

die Abfrage integrieren. Richtungsweisend ist hier der Import<br />

von Adressdaten von Favoriten aus anderen Apps wie es z.B.<br />

bei „ZipCar“ möglich ist. Beim Carsharing-Angebot „Drive Now“<br />

wird die Personalisierung von Nutzerinformationen umgesetzt,<br />

indem das Smartphone persönliche Favoriten direkt an das<br />

Navigationsgerät des Fahrzeugs überträgt.<br />

Um eine bessere Übersichtlichkeit zu erhalten, können „Sets“<br />

von persönlichen Präferenzen auch in speziellen, situationsabhängigen<br />

Profilen zusammengefasst werden. Nutzungsprofile<br />

wie beispielsweise „Ich kenne mich hier aus“, „Ich bin fremd in<br />

der Stadt“, oder „Ich möchte mit dem Schlauchboot zum nächsten<br />

See“ ersparen es dem Nutzer, vor allem bei immer wieder kehrenden<br />

Abfragen stets alle Einstellungen erneut vornehmen zu<br />

müssen.<br />

Auch für Push-Dienste sind noch viele weitere Einsatzmöglichkeiten<br />

denkbar, wenn persönliche Informationen mit der Routenplanung<br />

kombiniert werden. So kann z.B. ein Flinkster-Nutzer,<br />

der gerade in einem verspäteten Zug zu einem bestimmten Ort<br />

fährt, darauf aufmerksam gemacht werden, dass dort noch ein<br />

Fahrzeug für eine mögliche Anschlussfahrt verfügbar ist.<br />

Insgesamt ist zu beachten, dass die betrachtete Gruppe der<br />

technikaffinen „Early Adopters“ nicht unbedingt Rückschlüsse<br />

auf den Informationsbedarf anderer sozialer Gruppen zulässt.<br />

Die Anpassung des intermodalen Routings an weitere Zielgruppen<br />

(z.B. Senioren) und deren Bedürfnisse (z.B. barrierefreies<br />

Reisen) ist daher eine zentrale Aufgabe für zukünftige<br />

Forschungsarbeiten. Diese und weitere Forschungsfragen<br />

können jedoch erst abschließend beantwortet werden, wenn<br />

intermodale Mobilitätsdienste wie die cairo-App von größeren<br />

Bevölkerungsgruppen im Alltag genutzt werden.<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 25


Literatur<br />

Literatur<br />

Accenture (2011): Die Chancen der mobilen Evolution, Mobile Web Watch<br />

2011, Deutschland, Österreich, Schweiz. Kronberg.<br />

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Gestaltung – Wirtschaftliche Verwertung – Gesellschaftliche Wirkung.<br />

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verändert die Internetnutzung, Präsentation von Steffen de<br />

Sombre am 18.10.2012 in München, hrsg. vom IfD – Institut für Demoskopie<br />

Allensbach.<br />

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Verkehrsinformationsdiensten, Diskussionspapier 2001/14 der Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Dokumentation der Technischen Universität Berlin.<br />

Berlin.<br />

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für einen nachhaltigen Stadtverkehr, Discussion Paper SP III 2004-107,<br />

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vom 09.01.2012. (http://www.bitkom.org/files/documents/<br />

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2012/35-Umfrage-Mobiles-Internet.html), [24.08.2012].<br />

Canzler, W., Hunsicker, F., Karl, A., Knie, A., König, U., Lange, G., Maertins,<br />

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im Jahresdurchschnitt 2010: - 2,0% gegenüber 2009, Pressemitteilung<br />

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Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (2010): MiD 2008 – Mobilität<br />

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privatisiert‘, in: GDI Impuls. Wissensmagazin für Wirtschaft, Gesellschaft,<br />

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und Infrastruktur: Mobiles Ticketing im öffentlichen Verkehr, Discussion Paper<br />

SP III 2008-105, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Berlin.<br />

Maertins, C. (2006): Wirkungen und Potenziale neuer Verkehrsdienstleistungen,<br />

WZB discussion paper SP III 2006-101, Wissenschaftszentrum<br />

Berlin für Sozialforschung. Berlin.<br />

Mattila, K. (2010): Plusdial Mobile Ticketing, Präsentation auf der Tagung<br />

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am 23 & 24 February 2010 in Gammarth/Tunesien. (http://www.aicto.org/<br />

fileadmin/medias/MP_AICTO_Mr_Kimmo_Mattila.pdf), [22.10.2012].<br />

Moore, C.A. (1991): Crossing the Chasm: Marketing and Selling High-Tech<br />

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Verbundbericht, Freiburg. (www.rvf.de/PDF/Verbundbericht_2009.pdf),<br />

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einzelner Wegezwecke auf Basis der Kontiv- und MID-Daten. Dortmund.<br />

Sieber, N. (2002): Systematisierung Alternativer Bedienungsformen im ÖV.<br />

Erarbeitet im Rahmen des Forschungsprojektes „Ausschreibung und Modellierung<br />

von Alternativen Bedienungsformen in Form von Teilnetzen unter<br />

Integration traditioneller Linienverkehre“ (AMABILE). Arbeitspapier 1.<br />

Karlsruhe.<br />

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Deutschland 2011. (http://de.statista.com/statistik/daten/studie/28305/<br />

umfrage/absatzzahlen-fuer-pdas-und-smartphones-seit-2005),<br />

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Turkle, S. (2008): ‚Always-on/Always-on-you: The Tethered Self‘,<br />

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VSVI - Bundesvereinigung der Straßenbau-und Verkehrsingenieure e. V.<br />

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www.bsvi.de/joomla/index2.php?option=com_docman&task=doc_<br />

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Wittowsky, D. (2009): Dynamische Informationsdienste im ÖPNV – Nutzerakzeptanz<br />

und Modellierung, Schriftenreihe Heft 68/09 des Instituts<br />

für Verkehrswesen der Universität Karlsruhe. Karlsruhe.<br />

x-sample, verkehrplus (2010): INFO-EFFECT. Zielgruppenspezifische<br />

Wirkungen von multimodalen Verkehrsinformationen auf individuelles<br />

Verkehrsverhalten Studie im Auftrag des Bundesministeriums für<br />

Verkehr, Innovation und Technologie. Graz, Wien.<br />

Zumkeller, D. et al. (2011): Deutsches Mobilitätspanel (MOP). wissenschaftliche<br />

Begleitung und erste Auswertungen. Bericht 2011: Alltagsmobilität<br />

& Tankbuch. (http://daten.clearingstelle-verkehr.de/192/85/<br />

Bericht_MOP_10_11.pdf), [24.08.2012].<br />

26 Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13


<strong>InnoZ</strong>-Bausteine<br />

<strong>InnoZ</strong>-Bausteine – bisher erschienen:<br />

Nr. 1<br />

Nr. 2<br />

Nr. 3<br />

Nr. 4<br />

Nr. 5<br />

DB Mobility: Beschreibung und Positionierung eines<br />

multimodalen Verkehrsdienstleisters<br />

Weert Canzler | Frank Hunsicker | Astrid Karl |<br />

Andreas Knie | Ulrich König | Günter Lange |<br />

Christian Maertins | Lisa Ruhrort<br />

2007<br />

Zukunftsfähige Mobilitätsangebote für schrumpfende<br />

Regionen.<br />

Der ÖPNV in der Demografiefalle – Problemdiagnose<br />

und Reformbedarf<br />

Hermann Blümel | Weert Canzler | Andreas Knie |<br />

Lisa Ruhrort<br />

2007<br />

ÖPNV ist nicht gleich ÖPNV. Funktionswandel des öffentlichen<br />

Verkehrs in dünn besiedeltenländlichen Räumen<br />

Weert Canzler | Andreas Knie | Lisa Ruhrort |<br />

Hinrich Schmöe<br />

2008<br />

Megatrends und Verkehrsmarkt. Langfristige Auswirkungen<br />

auf den Personenverkehr<br />

Frank Hunsicker | Astrid Karl | Günter Lange |<br />

Hinrich Schmöe<br />

2008<br />

Intermodales Angebotsdesign: Die Schließung der<br />

Angebotslücken<br />

zwischen öffentlichem Verkehr und privater Mobilität<br />

Astrid Karl | Christian Maertins<br />

2009<br />

Nr. 10 Alles wie immer, nur irgendwie anders?<br />

Trends und Thesen zu veränderten Mobilitätsmustern<br />

junger Menschen<br />

Robert Schönduwe | Benno Bock | Inga Deibel<br />

2012<br />

Nr. 11 Bewertung integrierter Mobilitätsdienste mit Elektrofahrzeugen<br />

aus Nutzerperspektive<br />

Ergebnisse der Begleitforschung im Projekt BeMobility –<br />

Berlin elektroMobil<br />

Christian Hoffmann | Andreas Graff | Steffi Kramer |<br />

Tobias Kuttler | Manuel Hendzlik |<br />

Christian Scherf | Frank Wolter<br />

2012<br />

Nr. 12 Wasserstoffmobilität – grün oder gar nicht<br />

Ergebnisse der vier nutzerzentrierten Fall studien<br />

im Projekt „HyTrust - Auf dem Weg<br />

in die Wasserstoffgesellschaft“.<br />

Weert Canzler | Anke Schmidt<br />

2012<br />

Nr. 6 Blockierte Moderne? Die Auswirkungen des demografischen<br />

und wirtschaftsstrukturellen<br />

Wandels auf die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland<br />

bis zum Jahre 2030<br />

Weert Canzler | Frank Hunsicker | Andreas Knie |<br />

Jürgen Peters<br />

2009<br />

Nr. 7<br />

Nr. 8<br />

Nr. 9<br />

Elektromobilität im Saarland. Ein Ideen- und Umsetzungskonzept<br />

Daniel Hinkeldein | Frank Hunsicker | Andreas Knie<br />

2010<br />

Entwicklungshürden der Elektromobilität – Das Verhältnis<br />

zwischen Antriebsparadigma und Automobilleitbild<br />

Christian Scherf<br />

2010<br />

Innovativer Landverkehr – Subjektförderung durch<br />

Mobilitätsgutscheine<br />

Astrid Karl | Weert Canzler<br />

2011<br />

Einfach und komplex · <strong>InnoZ</strong>-Baustein Nr. 13 27


Innovationszentrum für Mobilität<br />

und gesellschaftlichen Wandel (<strong>InnoZ</strong>) GmbH<br />

Torgauer Straße 12 – 15<br />

10829 Berlin (Schöneberg)<br />

Tel +49 (0)30 23 88 84-0<br />

Fax +49 (0)30 23 88 84-120<br />

info@innoz.de<br />

www.innoz.de<br />

Redaktion:<br />

Frank Hunsicker<br />

Titelfoto: Fotolia / berc<br />

Gestaltung: designhaus berlin<br />

Druck: 15 Grad<br />

gedruckt auf: Recymago

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