Infrastrukturgipfel 2012 - Welche Zukunft für die ... - InnoZ
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Innovationszentrum für Mobilität<br />
und gesellschaftlichen Wandel<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong><br />
<strong>Welche</strong> <strong>Zukunft</strong> für <strong>die</strong> Infrastrukturen?<br />
Gerd Aberle · Markus Hofmann<br />
<strong>InnoZ</strong>-Begleitheft<br />
zum <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> am 28./29.02.<strong>2012</strong> im Gasometer auf dem EUREF-Campus, Berlin
Fotonachweis für Titel<br />
Fotolia, Kara; DB AG, Claus Weber; Fotolia, Ingo Bartussek
Inhalt<br />
Inhalt<br />
Autoren 4<br />
Systemrelevanz von Infrastrukturen.<br />
Sektorkrisen als gesellschaftliche Herausforderung. 5<br />
„Modern Commons“ sowie: Die Folgen der Mega -<br />
trends für Marktakteure im Infrastruktursektor 12<br />
Der Inhalt der Texte gibt <strong>die</strong> Meinung der jeweiligen Autoren wieder.
Autoren<br />
Autoren<br />
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Aberle<br />
--<br />
Studium der Wirtschaftswissenschaften<br />
--<br />
Dipl.-Kfm., Dr. rer. pol., Habilitation f. Wirtschaftliche Staatswissenschaften Univ. Köln<br />
--<br />
Wiss. Rat u. Prof. Univ. Köln 1972<br />
--<br />
o. Prof. f. Wettbewerbspolitik, Transportmanagement /Logistik Universität Gießen ab 1973<br />
--<br />
Abgelehnte Rufe an Univ. Dortmund (1973), Univ. Köln (1979), TU Berlin (1981)<br />
--<br />
Ehrendoktorwürde TU Dresden 2007<br />
--<br />
Emeritierung 2007, weitere Tätigkeit an d. Univ. Gießen bis dato<br />
--<br />
1989 – 1991 Mitglied Reg.-Kommission Bahn der deutschen Bundesregierung<br />
--<br />
Vizepräsident Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft bis Ende 2007<br />
--<br />
Mitglied Wissenschaftlicher Beirat Bundesverkehrsministerium 1974 bis 2007<br />
--<br />
Ehrenmitglied Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft<br />
--<br />
Herausgeber u. Chefredakteur d. Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ 1972<br />
bis Ende 2009<br />
--<br />
Vorsitzender des BahnBeirats der Deutsche Bahn AG, Berlin (fortlaufend)<br />
--<br />
Vorsitzender d. Wissenschaftlichen Beirats der <strong>InnoZ</strong> GmbH, Berlin (fortlaufend)<br />
--<br />
Mitglied d. Beirates des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, Köln (fortlaufend)<br />
Markus Hofmann, Wirtschaftswissenschaftler und Humanökologe<br />
(Universität Göteborg) berät seit 1986 Unternehmen in den liberalisierten<br />
Infrastrukturmärkten und gründete das NETWORK-Institute für Nachhaltigkeit<br />
in Berlin. Im Konzernmarketing der Deutschen Bahn zeichnet<br />
er seit 2004 für Infrastrukturstrategie verantwortlich. Im <strong>InnoZ</strong> leitet er<br />
Forschungsprojekte zu Infrastruktur und Energie. Er forscht interdisziplinär<br />
über <strong>Zukunft</strong>s- und Governancefragen und promoviert in Leipzig über<br />
nachhaltige Infrastrukturentwicklung.<br />
markus.hofmann@innoz.de<br />
4 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
Systemrelevanz von Infrastrukturen<br />
Systemrelevanz von<br />
Infrastrukturen.<br />
Sektorkrisen als<br />
gesellschaftliche<br />
Herausforderung.<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Aberle<br />
Die infrastrukturellen Grundlagen einer Volkswirtschaft sind<br />
in ihrer Quantität und Qualität entscheidende Voraussetzungen<br />
für <strong>die</strong> gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Insbesondere<br />
<strong>die</strong> Leistungen der Verkehrs-, der Energie- und der<br />
Telekommunikationsinfrastrukturen werden sowohl von allen<br />
Wirtschaftsbereichen als auch direkt für Konsumzwecke nachgefragt.<br />
Damit besitzen <strong>die</strong> Infrastrukturen aufgrund ihrer vielfältigen<br />
sektorexternen Wirkungen systemischen Charakter:<br />
Auftretende Störungen bei der Leistungserstellung der Infrastrukturen<br />
durch kapazitative oder qualitative Defizite wirken<br />
unmittelbar in alle Produktions- und Konsumprozesse und<br />
führen dort zu weitreichenden interdependenten Negativeffekten.<br />
Neben <strong>die</strong>ser systemischen Gemeinsamkeit bestehen weitere<br />
Spezifika:<br />
--<br />
Hohe Fixkosten mit hohen Sunk-Cost-Anteilen.<br />
--<br />
Vorliegen steigender Skalenerträge.<br />
--<br />
Erheblicher investiver und langfristiger Finanzierungsbedarf mit<br />
marktzutrittsbeschränkender Wirkung für neue Netzbetreiber.<br />
--<br />
Erfordernis technisch-ökonomischer Kompatibilitäten<br />
zwischen regionalen und nationalen Netzkonfigurationen.<br />
bzw. -standards zur Verhinderung von Insellösungen.<br />
--<br />
Notwendigkeit spezieller Formen der wettbewerbspolitischen<br />
Regulierung.<br />
Zusätzlich können weitere Infrastrukturmerkmale auftreten:<br />
--<br />
Natürliche Monopole (subadditive Kostenfunktionen).<br />
--<br />
Ökonomische Ineffizienz bei der wettbewerblichen<br />
Organisation sektoraler Infrastrukturen.<br />
--<br />
Eigenschaft von essential facilities mit spezieller<br />
Regulierungsnotwendigkeit.<br />
--<br />
Staatliche Betreiberfunktion bei Infrastrukturen.<br />
--<br />
Bedeutende Rolle der staatlichen Finanzierung.<br />
--<br />
Regionale Nachfragedisparitäten.<br />
--<br />
Betriebswirtschaftliche Rentabilität von Netzinfrastrukturen<br />
in peripheren Räumen mit schwacher Nachfrage auf der einen<br />
Seite und Ansprüche der öffentlichen Daseinsvorsorge auf der<br />
anderen Seite.<br />
--<br />
Unterschiedlicher vertikaler Integrationsgrad von Infrastrukturunternehmen<br />
im Eisenbahnsektor.<br />
--<br />
Komplexe und langwierige Planungs- und Realisierungsprozesse<br />
mit hohen Zeit- und Kostenrisiken.<br />
--<br />
Erhebliche negative Umwelteffekte bei Bau und Betrieb der<br />
Infrastrukturen.<br />
Telekommunikationsnetze<br />
Vergleichsweise geringe ökonomische und umweltspezifische<br />
Probleme bestehen bei der Telekommunikationsinfrastruktur.<br />
Private Netzbetreiber können im regulierten Markt (Netzentgelte)<br />
mit hohen wettbewerbsfördernden Innovationsprozessen sowie<br />
erheblichen Netzinvestitionserfordernissen attraktive Renditen<br />
erzielen. Monopolistische Positionen werden durch <strong>die</strong> hohe<br />
Innovationsintensität und deren Nutzung durch Neueinsteiger<br />
weitgehend verhindert, bestehen jedoch in Einzelbereichen. Dies<br />
ist eine Folge historischer, aber durch technologische Innovationen<br />
stark geschwächter Besitzstände, staatlicher Kapitalbeteiligung<br />
beim marktführenden Infrastrukturbetreiber sowie<br />
sehr hohen Kapitalbedarfs bei der Flächenversorgung mit<br />
schnellen Datenübertragungsnetzen. Durch <strong>die</strong> Versteigerung<br />
von Mobilfunklizenzen („Äther-Trassen“) konnten in der Vergangenheit<br />
substanzielle Erlöse (50 Mrd. EUR für UMTS-Lizenzen<br />
im Jahr 2000; 4,4 Mrd. EUR für Frequenzen im Jahr 2010) erzielt<br />
werden 1 , <strong>die</strong> teilweise zur Finanzierung priorisierter Infrastrukturvorhaben<br />
im Verkehrssektor herangezogen wurden.<br />
Stromnetze<br />
Bei den Infrastrukturen zur Übertragung von elektrischer<br />
Energie und zur Gewährleistung von Mobilität bestehen nachhaltig<br />
wirkende, gemeinsame Probleme.<br />
Durch <strong>die</strong> sogenannte Energiewende aus dem Sommer 2011 und<br />
deren Folgen steht <strong>die</strong> zukünftige Stromversorgung in Deutschland<br />
im Zentrum der Diskussion über <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> der Netze:<br />
--<br />
Sicherung der Stromversorgung süddeutscher Verbrauchsregionen<br />
nach der bereits vollzogenen bzw. geplanten<br />
Abschaltung von Atomkraftwerken und Stilllegung von<br />
Kohlekraftwerken.<br />
--<br />
Sicherung der Netzstabilität bei stark volatilen, dezentralen<br />
und kleinteiligen Stromeinspeisungen aus Solar- und Windkraftanlagen.<br />
Die zentrale Herausforderung der <strong>Zukunft</strong> besteht in der unbestritten<br />
erforderlichen Kapazitätsanpassung der Stromtrassen<br />
zwischen den einspeisungsintensiven Nordregionen (insbesondere<br />
Off-Shore-Windkraft) und den verbrauchsstarken industrialisierten<br />
Südregionen. Diskutiert wird derzeit ein erforderlicher<br />
Zubau von 1.000 bis 3.000 km neuer Stromleitungen, wobei<br />
ein dringlicher Bedarf von ca. 1.000 km langen Leitungsnetzen<br />
besteht. Darüber hinaus erfordert der Stromnetzumbau <strong>die</strong> Regelungsfähigkeit<br />
und Speicherfähigkeit der Energieeinspeisung,<br />
um den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien wirtschaftlich<br />
und effizient verwerten zu können. Ohne einen bedarfsgerechten<br />
Um- bzw. Zubau entstehen gravierende Versorg ungs risiken<br />
mit für <strong>die</strong> industriellen Produktionsprozesse gefährlichen<br />
Spannungsschwankungen oder Abschaltungen in Spitzenzeiten.<br />
Die privaten Haushalte wären davon ebenso betroffen wie <strong>die</strong><br />
Industrie.<br />
1 Bundesnetzagentur (2000), Bundesnetzagentur (2010)<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 5
Systemrelevanz von Infrastrukturen<br />
Derzeit ist völlig offen, wie und in welchen Zeiträumen <strong>die</strong>se<br />
Mindestausweitung der Stromtrassen erfolgt. Es zeigt sich,<br />
dass <strong>die</strong> Abschaltung von Atomkraftwerken sowie <strong>die</strong> (allein<br />
2011 mit 13 Mrd. EUR hoch subventionierte) Ausweitung der<br />
Stromerzeugung aus Solar- und Windenergie schnell umgesetzt<br />
werden können, jedoch <strong>die</strong> Sicherung der flächenhaften<br />
Versorgung als Entscheidungsproblem politisch zu wenig<br />
berücksichtigt wurde.<br />
Bereits <strong>die</strong> Ankündigung des Baues neuer Stromtrassen hat<br />
vor Beginn der Raumordnungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen<br />
zu starken Protesten in den möglicherweise<br />
vom Neubau von Hochspannungsleitungen betroffenen Regionen<br />
geführt. Neben einer grundsätzlichen Ablehnung neuer Stromtrassen<br />
wird auch <strong>die</strong> unterirdische Kabelverlegung von betroffenen<br />
Anwohnern und Bürgerinitiativen gefordert. Zu einer<br />
erheblichen Kostensteigerung im Vergleich zu Freileitungen<br />
(Faktor 3 bis 4) tritt neben der Akzeptanz- auch <strong>die</strong> Sicherheitsfrage.<br />
Bei unterirdisch verlegten Starkstromkabeln über weite<br />
Strecken mit bis zu 380 kV Leistung fehlt bislang jede Erfahrung<br />
hinsichtlich der erforderlichen Verlegungstiefen und der Vermeidung<br />
gesundheitsschädlicher sowie gesellschaftlicher<br />
Risiken. Ob <strong>die</strong> ebenfalls diskutierten unterirdischen Kabel mit<br />
Spannungen von 110 kV hier Vorteile bringen, lässt sich bislang<br />
ebenfalls nicht hinreichend belegen.<br />
Während also <strong>die</strong> dringend erforderlichen Stromnetzinvestitionen<br />
kontrovers diskutiert werden, scheint <strong>die</strong> Finanzierung <strong>die</strong>ser<br />
Netzergänzungen durch <strong>die</strong> Netzbetreiber bzw. deren Stromkunden<br />
kein Hindernis darzustellen. Es wird derzeit geschätzt,<br />
dass <strong>die</strong> Steigerung der Netzkosten durch den Ausbau zu einer<br />
Erhöhung der Endkundenpreise von mindestens 1 ct je kWh<br />
führen wird. Die Netzfinanzierung erfolgt vollständig durch <strong>die</strong><br />
Stromnachfrager, wenn auch in unterschiedlicher Höhe aufgrund<br />
der begünstigenden Sonderregelungen für stromintensive<br />
Wirtschaftszweige. Aber auch <strong>die</strong>se Schätzungen sind wegen<br />
fehlender Erfahrungen mit derartigen Ausbauvorhaben und<br />
deren erkennbaren Bauverzögerungen mit Zurückhaltung zur<br />
Kenntnis zu nehmen.<br />
Die Bemessung der Netznutzungsentgelte wird von der Bundesnetzagentur<br />
reguliert (Basis: Kosten der effizienten Leistungserstellung<br />
/ KeL) und hat Bedeutung für <strong>die</strong> Investitionsbereitschaft<br />
der Netzbetreiber und <strong>die</strong> Projektfinanzierung. Sorgen<br />
bereitet <strong>die</strong> sich abzeichnende Verzögerung der Ausbauvorhaben.<br />
Im vergangenen Jahrzehnt sind in Deutschland jährlich nur<br />
knapp 90 km neue Stromtrassen errichtet worden. Wenn <strong>die</strong><br />
Baurechtserlangung nach Abschluss der komplexen Planungsverfahren<br />
und zu erwartender rechtlicher Verzögerungen nach<br />
2016 erfolgt, dürften <strong>die</strong> erforderlichen 1.000 km Zusatzleitungen<br />
erst nach 2025 zur Verfügung stehen, bei größeren Längen<br />
wesentlich später. Dies kann jedoch <strong>die</strong> Versorgungssicherheit<br />
in besorgniserregendem Maße gefährden. 2 Im deutschen Energieund<br />
Infrastrukturplanungsrecht ist erhöhter Regelungsbedarf<br />
für das effiziente Zusammenwirken der Institutionen auf europäischer,<br />
nationaler, Länder- und kommunaler Ebene identifiziert<br />
worden. Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert, der Energie-<br />
wende auch den dafür notwendigen verwaltungsrechtlichen<br />
Rahmen folgen zu lassen.<br />
Da <strong>die</strong> industriellen Stromnachfrager in ihren Investitionsrechnungen<br />
bei Ersatz- und Neuinvestitionen <strong>die</strong>se Unsicherheiten<br />
und Gefährdungen als Entscheidungsgrundlage mit einbeziehen,<br />
sind sie relevant für regionale Standort-, Arbeitsplatz- und<br />
Verlagerungsentscheidungen, insbesondere dann, wenn das<br />
europäische Ausland sichere und zusätzlich preisgünstigere<br />
Alternativen bietet. Durch politische Weichenstellungen und<br />
Anreizsysteme existieren derzeit im Energiemarkt zwei konkurrierende<br />
Hemisphären parallel – <strong>die</strong> der Stromerzeugung aus<br />
erneuerbaren Quellen und <strong>die</strong> der traditionellen Kraftwerke –<br />
<strong>die</strong> über noch zu schaffende marktwirtschaftliche Spielregeln<br />
in eine nachhaltige Balance gebracht werden müssen.<br />
Verkehrsinfrastrukturen<br />
Die wachsenden Widerstände gegen einen planvollen Infrastrukturausbau<br />
mit Zeitverzögerungen von zehn bis zu über 15 Jahren<br />
stellen ein zentrales Problem gerade auch für Verkehrsinfrastrukturen<br />
dar. Hinsichtlich <strong>die</strong>ser Infrastrukturen wurden umfängliche<br />
und einschlägige Erfahrungen gesammelt, sei es bei<br />
Flughäfen, Autobahnen oder Bahnhöfen. Diese Verzögerungen<br />
führen zu Steigerungen der Planungs- und Baukosten, <strong>die</strong> im<br />
Vorhinein nicht hinreichend abzuschätzen sind. Zusatzauflagen<br />
und Planungsveränderungen führen zu zusätzlichen Kostensteigerungen.<br />
Hierdurch wird <strong>die</strong> Finanzierung generell und<br />
insbesondere dann erschwert, wenn <strong>die</strong> Mittel voll oder überwiegend<br />
aus knapper werdenden öffentlichen Haushalten stammen.<br />
Dies ist bei der Verkehrsinfrastruktur im Unterschied zu den<br />
Infrastrukturen der Telekommunikation und der Stromversorgung<br />
der Fall, also bei den Netzen des Straßen-, Schienen- und<br />
(Binnen-)Schiffsverkehrs. Allerdings weisen <strong>die</strong>se drei Teilkategorien<br />
der Verkehrsinfrastruktur sehr unterschiedliche Produktions-<br />
und Marktbedingungen auf. Dies ist auch der Grund<br />
dafür, dass eine systematische Regulierung nur für <strong>die</strong> Eisenbahninfrastruktur<br />
erfolgt. Die beiden anderen ebenfalls im<br />
Bundeseigentum befindlichen Netze unterliegen lediglich<br />
einer staatlichen Investitionsplanung.<br />
Im Unterschied zu den Elektrizitätsnetzen hat sich <strong>die</strong> Finanzierung<br />
des Substanzerhalts und der Ausbauinvestitionen der<br />
Verkehrsinfrastrukturen in den letzten zehn Jahren dramatisch<br />
erschwert. Bei den Straßen und Wasserwegen ist bereits <strong>die</strong><br />
Substanzerhaltung nicht mehr gesichert; ihr Modernitätsgrad<br />
(Quotient aus Netto- und Brutto-Anlagevermögen) ist in den<br />
letzten beiden Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. 3<br />
Die meisten verfügbaren Prognosen gehen bis 2025 und auch<br />
darüber hinaus von einem Wachstum sowohl des Güter- als<br />
auch des Personenverkehrs aus. Während im Güterverkehr<br />
(gemessen in Tonnenkilometern) vor dem Hintergrund der<br />
zentralen Wachstumstreiber in weltweiten Wirtschaftsverflechtungen<br />
mit globalen Steigerungen im Vergleich zu 2008<br />
2 DENA (2010)<br />
3 BMVBS (2011a)<br />
6 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
Systemrelevanz von Infrastrukturen<br />
von 35 bis 45 % gerechnet wird (beim Straßengüterverkehr<br />
sind es über 50 %, beim Schienenverkehr etwa 30 % und bei<br />
der Binnenschifffahrt 25 %), kann der Personenverkehr trotz<br />
demografischer Herausforderungen immer noch mit einem<br />
Zuwachs von rund 20 % rechnen. 4<br />
Zwar weichen <strong>die</strong> Prognosen für den Güterverkehr voneinander<br />
ab und <strong>die</strong> Verteilung auf <strong>die</strong> Verkehrsträger ist sehr unterschiedlich.<br />
Konsens herrscht allerdings bei der Feststellung, dass <strong>die</strong><br />
vergleichsweise höchsten Zuwächse für <strong>die</strong> Straßeninfrastruktur<br />
und <strong>die</strong> niedrigsten für <strong>die</strong> Wasserstraßen zu verzeichnen sein<br />
werden. Ob <strong>die</strong> Schiene dem Straßengüterverkehr nennenswerte<br />
Zuwächse abnehmen und ihren Modal-Split-Anteil entsprechend<br />
erhöhen kann, hängt entscheidend von deren Netzqualität und<br />
Fähigkeit ab, <strong>die</strong> Mehrverkehre auch infrastrukturell durchzuführen.<br />
Verkehrsinfrastruktur in der<br />
Finanzierungskrise<br />
Die derzeit verfügbare Verkehrsinfrastruktur ist nicht in der<br />
Lage, <strong>die</strong> zukünftigen Verkehrsleistungszuwächse ohne nachhaltige<br />
Störungen mit erheblichen Qualitätseinbußen abzuwickeln.<br />
Substanzsicherung und auf Prioritäten konzentrierte<br />
Investitionen in <strong>die</strong> Erweiterungen der Verkehrsinfrastruktur<br />
sind unverzichtbar. Werden sie nicht in einem planbaren<br />
Zeitraum durchgeführt, nimmt voraussichtlich nicht nur <strong>die</strong><br />
Stauintensität auf den hochbelasteten Autobahnen und der<br />
Störungsumfang auf den Hauptabfuhrstrecken der Schieneninfrastruktur<br />
zu, sondern es wird auch <strong>die</strong> Qualität von Logistikleistungen<br />
beeinträchtigt. Dies tangiert einen entscheidenden<br />
Faktor der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.<br />
Allein für <strong>die</strong> Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen)<br />
fehlen jährlich mindestens 2 Mrd. EUR, um Ersatzund<br />
wichtige Ausbaumaßnahmen zu finanzieren. Beim Schienennetz<br />
sind es jährlich rund 500 Mio. EUR, bei den Wasserstraßen<br />
rd. 300 Mio. EUR. Hinzu kommt noch erheblicher Zusatzbedarf<br />
für <strong>die</strong> Landes- und Kommunalstraßen.<br />
Die Dramatik der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung verdeutlicht<br />
sich aktuell auch im neuen Investitionsrahmenplan (IRP)<br />
des Bundes 2011 – 2015 für <strong>die</strong> Bundesverkehrswege. Allein<br />
<strong>die</strong> Substanzerhaltung der Bundesfernstraßen erfordert in<br />
<strong>die</strong>sem Zeitraum 12,4 Mrd. EUR; der Bedarf für Neuinvestitionen<br />
der Dringlichkeitskategorien A bis C beläuft sich auf 19,2 Mrd.<br />
EUR, denen jedoch nur noch 7,5 Mrd. EUR verfügbare Mittel<br />
gegenüber stehen. 5 Hinzu kommt, dass der IRP finanzpolitisch<br />
nicht verbindlich ist. Weitere zentrale Vorhaben der Kategorie<br />
D werden überhaupt nicht mehr berücksichtigt.<br />
Während bei der im Bundeseigentum stehenden Schieneninfrastruktur<br />
<strong>die</strong> Ersatzinvestitionen durch <strong>die</strong> Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung<br />
(LuFV) derzeit zwischen dem Bund und<br />
der DB AG in Höhe von jährlich nominal 2,5 Mrd. EUR und einem<br />
zusätzlichen Beitrag von 500 Mio. EUR durch <strong>die</strong> DB Netz AG<br />
bis 2013 abgesichert sind, bestehen bei den Erweiterungsinvestitionen<br />
deutliche Finanzierungsdefizite. Vorgesehen sind<br />
im IRP 6,4 Mrd. EUR, denen laufende und bereits begonnene<br />
Projekte (Kategorie B) im Umfang von 8,4 Mrd. EUR gegenüber<br />
stehen. 6 Neue Vorhaben werden bis zum Jahr 2016 nicht berücksichtigt,<br />
obwohl sie Maßnahmen mit hoher Dringlichkeit enthalten.<br />
Diese Finanzmittelrestriktionen wirken sich besonders<br />
nachteilig aus, da aus Gesichtspunkten des Umweltschutzes<br />
stärkere Verlagerungen des Güterverkehrs vom Straßen- auf<br />
den Schienenverkehr gefordert und von der Politik auch oftmals<br />
parteiübergreifend als verkehrspolitisches Ziel betont werden.<br />
Die Umsetzung droht aber zu scheitern, wenn <strong>die</strong> gegenwärtig<br />
bereits vorhandenen und <strong>die</strong> in <strong>Zukunft</strong> sich noch verschärfenden<br />
Kapazitätsengpässe bei Strecken und Verkehrsknoten investiv<br />
nicht wesentlich entschärft werden können. Im Rahmen der<br />
anstehenden Verlängerung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung<br />
(LuFV) wäre daher neben der Definition einer<br />
angemessenen Höhe für den Schienenverkehr in Deutschland<br />
auch <strong>die</strong> seit 2010 z.B. in Schweden umgesetzte Ausweitung<br />
einer Art LuFV für Ersatzinvestitionen auf <strong>die</strong> anderen Verkehrssektoren,<br />
Straße wie Wasserwege, zu prüfen.<br />
Ebenfalls kritisch sind <strong>die</strong> von der EU-Kommission definierten<br />
Investitionsprojekte („Korridore“) der Trans-European Networks<br />
(TEN) zu sehen. Für den Zeitraum von 2014 bis 2020 plant <strong>die</strong><br />
Kommission einen EU-Anteil von insgesamt 31,7 Mrd. EUR als<br />
Begleitfinanzierung für <strong>die</strong> wesentlich höheren nationalen Investitionen<br />
bereitzustellen. 7 Ob <strong>die</strong> Finanzminister der EU-Staaten im<br />
Jahr <strong>2012</strong> den Kommissionsvorschlag akzeptieren oder reduzieren,<br />
ist noch offen. Einige Mitgliedsstaaten, insbesondere Deutschland,<br />
wehren sich gegen <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Kommission mit dem<br />
TEN-Programm verbindlich vorgeschriebene Finanzierung des<br />
Hauptteils der TEN-Investitionen aus den nationalen Haushalten.<br />
Die äußerst prekäre Finanzierungssituation bei der Verkehrsinfrastruktur<br />
wird durch zwei Entwicklungen weiter verschärft:<br />
--<br />
Die weitgehende Abhängigkeit von öffentlichen Haushaltsmitteln<br />
und nur geringe direkte Nutzerfinanzierung (Lkw-Maut,<br />
Trassenpreise im Schienenverkehr) beinhalten erhebliche<br />
Finanzierungsrisiken aufgrund genereller Finanzmittelknappheit<br />
der öffentlichen Haushalte. Hinzu kommen derzeit noch<br />
nicht absehbare Risiken aus den Europäischen Rettungsschirmen<br />
im Zusammenhang mit der Euro- und Schuldenkrise<br />
(Bürgschaftsrisiken, EZB-Risiken, Bareinlagerisiken<br />
beim dauerhaften Europäischen Rettungsschirm ESM).<br />
--<br />
Die starken Widerstände von Teilen der Bevölkerung und <strong>die</strong><br />
hierdurch um mehrere Jahre verzögerten Planungs- und<br />
Bauzeiten führen neben den zu erwartenden Kapazitätsengpässen<br />
zu nachhaltigen Kostensteigerungen. Diese werden<br />
zusätzlich durch steigende Umweltauflagen gefördert.<br />
Beide Entwicklungen treffen <strong>die</strong> Straßen- und Schieneninfrastruktur<br />
gleichermaßen.<br />
4 McKinsey (2010)<br />
5 BMVBS (2011b)<br />
6 ebda.<br />
7 BDI (<strong>2012</strong>)<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 7
Systemrelevanz von Infrastrukturen<br />
Konsequenzen der<br />
Infrastrukturkrisen<br />
Für <strong>die</strong> sichere zukünftige Versorgung mit elektrischer Energie<br />
nach den gravierenden Struktureinschnitten durch <strong>die</strong> sogenannte<br />
Energiewende von Sommer 2011 sind beschleunigte Planungsund<br />
Bauphasen für <strong>die</strong> dringend erforderlichen neuen Stromtrassen<br />
unabdingbar. Die Antwort, inwieweit <strong>die</strong> von vielen<br />
gesellschaftlichen Gruppen als notwendig erachtete stärkere<br />
Öffentlichkeitsbeteiligung, etwa als Mediationsverfahren, mit<br />
der Verfahrensbeschleunigung vereinbar ist, steht noch aus.<br />
Dies gilt in gleichem Maße für <strong>die</strong> Verkehrsinfrastrukturinvestitionen.<br />
In <strong>die</strong>ser Hinsicht sind <strong>die</strong> beiden Bereiche Energie<br />
und Verkehr vergleichbar. Die Finanzierungsproblematik trifft<br />
jedoch <strong>die</strong> Verkehrsinfrastrukturinvestitionen ungleich stärker.<br />
Kapazitätsbedingte Störungen in der Stromwirtschaft durch<br />
Netzinstabilitäten und temporäre Abschaltungen von Regionen<br />
oder Nachfragergruppen können massive Auswirkungen auf<br />
<strong>die</strong> wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität haben. Die<br />
Risiken sind in ihrer Tragweite kaum abschätzbar.<br />
Bei den Verkehrswegen droht neben den negativen Wirkungen<br />
langer Planungs- und Bauzeiten und zusätzlicher Finanzierungsengpässe<br />
<strong>die</strong> Gefahr weiter zunehmender Stauzeiten und -längen<br />
im Straßenverkehr (2011: 450.000 km Staulänge in Deutschland 8 ).<br />
Dies hat nicht nur weiter steigende Mobilitätskosten im Personenverkehr,<br />
sondern im Güterverkehr wesentliche Beeinträchtigungen<br />
der Logistikqualität für Handel und produzierende<br />
Wirtschaft zur Folge. Sie schwächen <strong>die</strong> internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
der nationalen Wirtschaft im globalisierten<br />
Wettbewerb.<br />
Gleiches gilt für Umsetzungsdefizite von Substanzerhaltungsund<br />
Erweiterungsinvestitionen bei der Schieneninfrastruktur.<br />
Auf wichtigen Hauptabfuhrstrecken bestehen bereits derzeit<br />
erhebliche Überlastungen durch den intensiven Personen- und<br />
Güterverkehr. Die politisch wie gesellschaftlich gewünschten<br />
Verlagerungen des Güterverkehrs auf <strong>die</strong> Bahn sind nur realisierbar,<br />
wenn <strong>die</strong> zahlreichen Kapazitätsdefizite in überschaubaren<br />
Zeiträumen, d.h. bis etwa 2020, weitgehend beseitigt werden.<br />
Ebenso verhindern eine Vielzahl von Engpässen (Schleusen,<br />
Brückenanhebungen) sowie vernachlässigte Substanzerhaltung<br />
(fehlende Ersatzinvestitionsmittel) <strong>die</strong> aus Kapazitätsund<br />
Umweltgründen wünschenswerte stärkere Nutzung der<br />
Wasserstraßen.<br />
Zentrale Ansatzpunkte zur Bewältigung oder zumindest Abschwächung<br />
<strong>die</strong>ser krisenhaften <strong>Zukunft</strong>sperspektiven sind <strong>die</strong><br />
--<br />
Neugestaltung der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen<br />
zur Schaffung von Möglichkeiten für eine beschleunigte<br />
Realisierung der komplexen Planungs- und baulichen Umsetzungsprozesse.<br />
--<br />
Nachhaltige Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten<br />
insbesondere für <strong>die</strong> Verkehrsinfrastrukturen in den Segmenten<br />
des Straßen-, Schienen- und Wasserstraßenverkehrs.<br />
--<br />
Systemische Bewertung der Netzwirkungen von Infrastrukturinvestitionen<br />
statt regionaler Einzelbetrachtungen (Kosten-<br />
Nutzen-Analyse) sowie konsequente Vorhabenspriorisierung<br />
nach transparenten Kriterien statt nach gewohntem föderalen<br />
Proporzdenken.<br />
Ob mit Mediationsverfahren oder vergleichbaren Partizipationsmöglichkeiten<br />
betroffener Bevölkerungskreise tatsächlich<br />
zeitliche Beschleunigungen erreicht werden können oder ob<br />
sogar zusätzliche Zeitverzögerungen eintreten, ist derzeit kaum<br />
mehr als Spekulation. Die bislang praktizierten Verfahren bedürfen<br />
auf jeden Fall einer Modifizierung. Nur dann besteht <strong>die</strong><br />
Chance auf eine von breiter öffentlicher Akzeptanz getragenen<br />
Zustimmung zu den Baumaßnahmen, <strong>die</strong> sowohl beim Stromnetz<br />
wie auch bei den Verkehrsbauten immer erhebliche Eingriffe in<br />
<strong>die</strong> Lebensräume darstellen. Eine frühzeitige und umfassende<br />
Beteiligung der Bevölkerung erfordert qualifizierte Informationen,<br />
eine ergebnisorientierte Dialogkultur und erhöhten Kommunikationsaufwand.<br />
Im Erfolgsfall können <strong>die</strong>se Kosten bei Großprojekten<br />
durch Verkürzung von Realisierungszeiten vielfach<br />
kompensiert werden.<br />
Zu prüfen ist auch, ob Synergien zwischen der Stromnetzausweitung<br />
und der Stromversorgung des elektrifizierten Schienennetzes<br />
genutzt werden können. Eine physische Bündelung von<br />
Stromtrassen als Bestandteil von Schieneninfrastrukturen senkt<br />
den Flächenverbrauch und <strong>die</strong> Erschließungskosten und kann<br />
sich positiv auf <strong>die</strong> öffentliche Akzeptanz von Infrastrukturmaßnahmen<br />
auswirken. Infrastrukturentwicklung kennt nicht<br />
nur Profiteure und Gewinner, sondern auch Leidtragende von<br />
Maßnahmen.<br />
Verkehrswegefinanzierung<br />
als politische Herausforderung<br />
Die Finanzierungsproblematik, <strong>die</strong> den Erhalt und den unabdingbaren<br />
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur betrifft, ist bei<br />
entsprechendem politischen Willen und der erforderlichen<br />
Durchsetzungskraft zwar nicht zu beseitigen, wohl aber wesentlich<br />
zu entschärfen.<br />
Generell gilt: Die Projektauswahl muss stringenter als in der<br />
Vergangenheit priorisiert werden. Regionale politische Präferenzen<br />
führen immer wieder zu Fehlallokationen der verfügbaren<br />
Finanzmittel. Weiterhin müssen Substanzerhaltungsmaßnahmen<br />
Vorrang vor Neu- und Ausbauten besitzen; <strong>die</strong>se<br />
Forderung wird mittlerweile auch von der Politik vertreten.<br />
Verstärkt zu prüfen ist auch, wie <strong>die</strong> Verwendungseffizienz der<br />
knappen Finanzmittel gesteigert werden kann. So können kleinräumige<br />
Engpassbeseitigungen nachhaltig positive Netzeffekte<br />
bewirken. Ferner ist bei geplanten Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />
<strong>die</strong> Höhe der Auslegungsgeschwindigkeit kritisch zu<br />
überprüfen.<br />
8 ADAC nach Focus (2011)<br />
8 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
Systemrelevanz von Infrastrukturen<br />
Anlagen zur Verkehrsbeeinflussung auf Autobahnen mit Geschwindigkeitsvorgaben<br />
wie auch <strong>die</strong> zeitweilige Nutzung des<br />
Standstreifens können <strong>die</strong> Aufnahmekapazität hochbelasteter<br />
Strecken erhöhen. Im Schienengüterverkehr lassen sich durch<br />
Zuglängenerhöhung von 700 m auf 835 m bzw. 1.000 m und das<br />
Fahren auf „elektronische Sicht“ (ERTMS/ETCS) erhebliche<br />
Leistungssteigerungen realisieren. Allerdings erfordert <strong>die</strong><br />
Einführung des ERTMS erhebliche investive Aufwendungen,<br />
in Deutschland von mindestens 4,5 Mrd. EUR allein für vier<br />
Verkehrskorridore. 9 Zusätzlich sind beträchtliche Investitionen<br />
bei den Triebfahrzeugen notwendig. Dies stößt bei einigen Eisenbahnverkehrsunternehmen,<br />
vor allem bei den (privaten) Wettbewerbern<br />
der DB AG, auf Zurückhaltung bzw. Ablehnung, zumal<br />
<strong>die</strong> europäische Kompatibilität einzelner ETCS-Versionen<br />
nicht gesichert ist.<br />
Kontraproduktiv sind hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des<br />
Schienennetzes <strong>die</strong> umfängliche Vertaktung und eine Vorrangpositionierung<br />
des Personenverkehrs gegenüber dem Güterverkehr.<br />
Ob der Ansatz der EU-Kommission erfolgreich sein<br />
wird, für den internationalen Schienengüterverkehr in definierten<br />
Korridoren den Vorrang des Personenverkehrs abzubauen, ist<br />
derzeit mangels praktischer Erfahrungen unklar.<br />
Sehr nachteilig für <strong>die</strong> Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur<br />
hat sich auch <strong>die</strong> jahrzehntelange Unterschätzung der Investitionsund<br />
Folgekosten sowie <strong>die</strong> häufige Überschätzung der Nutzen in<br />
den Nutzen-Kosten-Analysen erwiesen. Bei den Kostenschätzungen<br />
bestand <strong>die</strong> Tendenz einer teilweise bewussten Ignorierung<br />
von Kostensteigerungsrisiken, um <strong>die</strong> Projekte mit günstigen<br />
Bewertungsergebnissen abzusichern. Hierdurch wird das gesamte<br />
Bewertungsverfahren ergebnisrelevant beeinträchtigt.<br />
Die Kostensteigerungen bei Verkehrsinfrastrukturprojekten<br />
betragen – verursacht durch zeitabhängige Baukostenerhöhungen,<br />
bewusst niedrige Kostenansätze, Projektveränderungen<br />
im Planungsprozess und veränderte Umweltmaßnahmen – oft<br />
zwischen 20 und 60% der Ursprungssummen. 10 Die auf <strong>die</strong>se<br />
Weise verfälschten Bewertungen führen dazu, dass solche<br />
Projekte nach Erlangung des Baurechts begonnen werden,<br />
obwohl sie nach kritischer Überprüfung nicht mehr prioritär<br />
sind und andere (dringlichere) Investitionen verdrängen. Es ist<br />
aufgrund der Interesseneinflüsse politisch so gut wie unmöglich,<br />
gestartete Projekte zu stoppen, obwohl sie nach einer<br />
Neubewertung vor dem Hintergrund knapper Finanzmittel<br />
keine Realisierungsberechtigung mehr besäßen.<br />
Umstrukturierung des<br />
Finanzierungssystems?<br />
Während für <strong>die</strong> Infrastrukturen der Telekommunikation und<br />
der Stromversorgung <strong>die</strong> Betreiberfinanzierung und Verrechnung<br />
der (regulierten) Netzentgelte an <strong>die</strong> Endnutzer erfolgt,<br />
liegt bei der Verkehrsinfrastruktur ein komplexeres Finanzie-<br />
9 Deutscher Bundestag (2011)<br />
10 BMVBS (2011c)<br />
rungssystem vor. Dies ist vor allem durch <strong>die</strong> historischen Entwicklungen<br />
und <strong>die</strong> besondere Positionierung des Prinzips der<br />
Daseinsvorsorge erklärbar.<br />
Bei der Straßeninfrastruktur war bis 2005 in Deutschland eine<br />
öffentliche Finanzierung der Investitionen und laufenden Unterhaltungsmaßnahmen<br />
durch den Bund (Bundesfernstraßen), <strong>die</strong><br />
Länder (Landes-/Staatsstraßen) und <strong>die</strong> kommunalen Gebietskörperschaften<br />
(Kreis- und Gemeindestraßen) mit vertikalem<br />
Zuweisungssystem gegeben. Die Straßennutzer wurden nicht<br />
direkt herangezogen. Die fiskalischen Sonderabgaben des Kraftverkehrs<br />
(Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuer) sind als Steuern<br />
keine Nutzungsentgelte und nicht zweckbindungsfähig (Nonaffektationsprinzip).<br />
Erst seit der Einführung der Maut für Lkw<br />
ab 12 Tonnen Gesamtgewicht auf Autobahnen ist eine partielle<br />
Nutzerfinanzierung durch eine Nutzungsgebühr (Äquivalenzprinzip)<br />
eingeführt worden. Die Einnahmen (nach Abzug der<br />
Erhebungskosten) wurden zunächst für alle Verkehrsinfrastrukturinvestitionen<br />
und ab 2011 ausschließlich für <strong>die</strong> Bundesfernstraßen<br />
reserviert.<br />
Eine Ausweitung der Mautpflicht im Sinne einer stärkeren direkten<br />
Nutzerfinanzierung ist – wie <strong>die</strong> EU-Vorgaben zur Mauterhebung<br />
es ausdrücklich zulassen – einerseits für Fahrzeuge bis zu 3,5<br />
Tonnen Gesamtgewicht möglich, aber auch eine Ausdehnung<br />
auf Bundesstraßen oder zumindest – wie geplant – auf vierstreifig<br />
ausgebaute Bundesstraßen. Allerdings erfordert <strong>die</strong><br />
Ausweitung der fahrleistungsabhängigen (und <strong>die</strong> Schadstoffklassen<br />
der Fahrzeuge berücksichtigenden) Maut relativ aufwendige<br />
Investitionen für <strong>die</strong> Erfassung der mautrelevanten<br />
Kenngrößen.<br />
Lediglich mit geringem Zusatzaufwand ist eine unter Finanzierungsgesichtspunkten<br />
attraktive Autobahn- bzw. Bundesstraßenmaut<br />
in Form einer Vignette für Pkw einführbar. Sie ist zwar<br />
wegen fehlender ökonomischer Steuerungswirkungen zu hinterfragen<br />
bietet jedoch ein Finanzierungspotenzial zwischen 3<br />
und 4 Mrd. EUR pro Jahr bei Vignettenpreisen in sozialverträglicher<br />
Höhe im Gegenwert von nur ca. 1 ½ Tankfüllungen (bei<br />
Ansatz von 80 bis 100 EUR als Preis der Jahresvignette). Mit<br />
den als realisierbar eingeschätzten Zusatzeinnahmen könnten<br />
in wenigen Jahren sämtliche dringenden Substanzerhaltungen<br />
(insbesondere auch im Bereich der Brücken) und prioritären<br />
Ausbauprojekte zur Engpassbeseitigung finanziert und von<br />
haushaltspolitischen Restriktionen abgekoppelt werden.<br />
Zentrales Hemmnis der Umsetzung einer solchen Lösung ist<br />
allerdings <strong>die</strong> finanzpolitische Praxis, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Zusatzeinnahmen<br />
aus der (Lkw-) Maut verfügbaren Finanzmittel durch<br />
parallele Absenkungen der (steuerfinanzierten) Haushaltsmittel<br />
für Bundesfernstraßen in ihrer Finanzierungswirkung zu mindern.<br />
Dies fördert nachvollziehbar <strong>die</strong> Ablehnung von Mautlösungen<br />
als Zusatzbelastung und konterkariert <strong>die</strong> Bemühungen<br />
um eine Lösung der infrastrukturellen Finanzierungsengpässe.<br />
Solange sich Finanzpolitiker in <strong>die</strong>ser Frage nicht umorientieren,<br />
sind erfolgreiche Finanzierungslösungen unwahrscheinlich.<br />
Die verstärkte Einbeziehung von Privatkapital in <strong>die</strong> Bundesfernstraßenfinanzierung<br />
(PPP-Modelle), etwa beim durchaus<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 9
Systemrelevanz von Infrastrukturen<br />
erfolgreichen A-Modell, sind umfangmäßige Grenzen gesetzt.<br />
Je mehr Projekte durch <strong>die</strong> Übertragung der Mauteinnahmen<br />
an <strong>die</strong> privaten Bau- und Betreiberunternehmen refinanziert<br />
werden, desto geringer werden <strong>die</strong> noch frei verfügbaren Mautzahlungen<br />
infolge des Abflusses steigender Mautbeträge für<br />
<strong>die</strong>se PPP-Modelle.<br />
Für das Bundesschienennetz besteht eine Mischfinanzierung<br />
aus staatlichen Investitionszuschüssen (vor allem Bundesmittel,<br />
ergänzt durch EU- und Ländermittel) in Form nicht rückzahlbarer<br />
zinsloser Investitionszuschüsse für Neu- und Ausbau<br />
sowie für Ersatzinvestitionen im Rahmen der Leistungs- und<br />
Finanzierungsvereinbarung (nominal 2,5 Mrd. EUR p.a.), ergänzt<br />
durch 0,5 Mrd. EUR durch <strong>die</strong> DB Netz AG. Letztere ist<br />
weiterhin verpflichtet, mindestens 1 Mrd. EUR jährlich für <strong>die</strong><br />
Netzunterhaltung bereitzustellen. 11 Außerdem werden seit 2011<br />
Teile des Gewinns der DB AG vom Eigentümer Bund als Investitionszuschuss<br />
für Neu- bzw. Ausbaumaßnahmen eingesetzt.<br />
Mit den (regulierten) nutzungsabhängigen Trassen- (und Stations-)Entgelten<br />
werden von der DB AG <strong>die</strong> laufenden Betriebsund<br />
Regiekosten des Netzes und der Bahnhöfe einschließlich<br />
einer Kapitalverzinsung finanziert.<br />
Die Finanzmittel des Bundes für den Neu- und Ausbau der<br />
Bahninfrastruktur unterliegen sämtlichen haushaltspolitischen<br />
Risiken. Dies verdeutlicht der Investitionsrahmenplan für <strong>die</strong><br />
Jahre 2011 bis 2015. Wichtige Kapazitätserweiterungen werden<br />
auf unbestimmte Zeit verschoben. Ein weiteres Finanzierungsdefizit<br />
besteht darin, dass <strong>die</strong> nicht im Bundeseigentum stehenden<br />
Schieneninfrastrukturen (rd. 18% der Streckenlänge des<br />
deutschen Schienennetzes) keine Mittel des Bundes für Ersatzund<br />
Neuinvestitionen erhalten. Diese Finanzierungslücke ist insofern<br />
äußerst bedenklich, als einige <strong>die</strong>ser nicht bundeseigenen<br />
Strecken große Bedeutung für <strong>die</strong> Entlastung von Engpasstrassen<br />
des Güterverkehrs erlangen können, da auf ihnen mit<br />
vergleichsweise geringem investiven Mittelaufwand <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit<br />
des gesamten Schienenverkehrs gesteigert<br />
werden kann.<br />
Ergänzende Finanzierungspotenziale durch PPP-Modelle sind<br />
für das Schienennetz bislang nicht erschließbar. Begründet ist<br />
<strong>die</strong>s insbesondere in der fehlenden Rentabilität des Netzes aufgrund<br />
der im Vergleich zu Fernstaßeninvestitionen wesentlich<br />
höheren Spezifität der Investitionen wie auch in dem intensiven<br />
intermodalen Wettbewerb mit dem Pkw-, Luft-, Straßengüterund<br />
Binnenschiffsverkehr sowie hieraus resultierenden niedrigen<br />
Zahlungsbereitschaften bei der überwiegenden Zahl der<br />
Nachfrager von Eisenbahnleistungen (teilweise bestehen hier<br />
hohe Kreuzpreiselastizitäten).<br />
Noch schwieriger gestaltet sich <strong>die</strong> Finanzierungslage für <strong>die</strong> rund<br />
6.000 km klassifizierten Bundeswasserstraßen. Die niedrigen<br />
Einnahmen aus Befahrungsabgaben bzw. Schleusenentgelten<br />
der Schifffahrt resultieren auch aus der durch internationale<br />
Abkommen („Schifffahrtsakten“) geregelten Abgabenbefreiung<br />
des Rheins (80% der Binnenschifffahrts-Transportmengen) und<br />
der Donau. Hinzu kommen als Gründe für <strong>die</strong> relativ niedrigen<br />
11 BMVBS / DB Netz AG / DB Station&Service AG / DB Energie GmbH (2009)<br />
Abgaben <strong>die</strong> hohen Preiselastizitäten bei vielen Gütergruppen<br />
aufgrund der niedrigen Produktwerte bzw. hoher intermodaler<br />
Konkurrenz durch den Schienengüterverkehr.<br />
Bei der Abgabenbemessung für <strong>die</strong> Wasserstraßen wird auch<br />
<strong>die</strong> Multifunktionalität der Wasserstraßen (außer der Schifffahrt<br />
Wasserstandshaltung, Freizeitnutzung) berücksichtigt. Damit<br />
ist <strong>die</strong> Finanzierung der Wasserstraßenausgaben fast völlig auf<br />
Mittel aus dem Verkehrsetat des Bundes angewiesen. Infolgedessen<br />
ist ein für <strong>die</strong> Bundesfernstraßen und <strong>die</strong> Bundesschienenwege<br />
von der Politik angestrebter eigenständiger Finanzierungskreislauf<br />
für <strong>die</strong> Bundeswasserstraßen nicht realisierbar.<br />
Zusammenfassende<br />
Empfehlungen<br />
--<br />
Aufgrund der systemischen Bedeutung der Infrastrukturen<br />
von Telekommunikation, Stromversorgung und Verkehr sind<br />
Qualitätsmängel und Kapazitätsengpässe von gravierender<br />
gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz.<br />
--<br />
Insbesondere für <strong>die</strong> Stromversorgung und <strong>die</strong> Verkehrsinfrastruktur<br />
drohen in wenigen Jahren krisenhafte Entwicklungen.<br />
Sie resultieren aus zunehmenden Widerständen der sich von<br />
Baumaßnahmen betroffen fühlenden Öffentlichkeit in den<br />
Planungs- und Bauphasen. Dies führt zu erheblichen zeitlichen<br />
Verzögerungen und Unsicherheiten hinsichtlich der<br />
Projektrealisierung.<br />
--<br />
Im Verkehrsbereich ist <strong>die</strong> Infrastrukturfinanzierung in der<br />
gegenwärtigen Form nicht geeignet, <strong>die</strong> notwendige nachhaltige<br />
Investitionstätigkeit in <strong>die</strong> Substanzerhaltung und<br />
dringend erforderliche Neu- und Ausbaumaßnahmen zu<br />
sichern. Hier deuten sich für <strong>die</strong> gesamte Volkswirtschaft<br />
negative Auswirkungen an. Diese werden durch <strong>die</strong> ebenfalls<br />
zunehmenden Widerstände gegen dringende Ausbaumaßnahmen<br />
verstärkt.<br />
--<br />
Die Aufgabe der Politik besteht darin, ohne Zeitverzug <strong>die</strong><br />
Rahmenbedingungen für veränderte Planungsverfahren zur<br />
Sicherung zeitlich überschaubarer Entscheidungsprozesse<br />
und Baurealisierungen in den Bereichen der Strom- und<br />
Transportnetze zu schaffen. Dabei ist <strong>die</strong> Frage der stärkeren<br />
Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großprojekten unter dem Aspekt<br />
der Planungs- und Bauprozesse systematisch zu analysieren.<br />
--<br />
Das gravierende Finanzierungsproblem bei den Verkehrsinfrastrukturen<br />
verlangt zwingend eine umfängliche Überprüfung<br />
und Veränderung des derzeitigen Finanzierungssystems.<br />
Vorschläge liegen hierzu seit Jahren in großer Zahl vor. Alle<br />
Versuche einer Umsetzung scheiterten jedoch an politischen<br />
Widerständen, <strong>die</strong> auch von Interessengruppen deutlich gestützt<br />
werden.<br />
--<br />
Eine im globalisierten Wettbewerb stehende Volkswirtschaft, in<br />
der sich <strong>die</strong> systembedeutsame Infrastruktur durch zu geringe<br />
Investitionen aufgrund partikulärer Widerstände und mangelnder<br />
Finanzmittelbereitstellung qualitativ verschlechtert,<br />
verspielt ihre <strong>Zukunft</strong>schancen. Eine solche bedrohliche<br />
Entwicklung kann durch entsprechendes Handeln noch<br />
abgewendet werden.<br />
10 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
Systemrelevanz von Infrastrukturen<br />
--<br />
Generell ist bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung <strong>die</strong><br />
Beantwortung der Frage nach der Nutzerbeteiligung an den<br />
hohen Kosten der Investitionen dringlich. Die seit vielen<br />
Jahren steigenden Mobilitätsansprüche an <strong>die</strong> Infrastrukturausstattung<br />
müssen sich auch in der (anteiligen) Nutzerfinanzierung<br />
niederschlagen. Die oft vorgetragene These,<br />
Mobilität müsse bezahlbar bleiben, verengt und verfälscht<br />
<strong>die</strong> Betrachtungsweise. Die finanzierungspolitische Nutzerverantwortlichkeit<br />
muss sich dann insbesondere in den politisch<br />
präferierten Finanzierungskreisläufen widerspiegeln.<br />
--<br />
Neben der Erfordernis einer nachhaltigen Reform des Finanzierungssystems<br />
der Verkehrsinfrastruktur sollte nicht <strong>die</strong><br />
Ausschöpfung vorhandener Effizienzpotenziale verdrängt<br />
werden, zumal <strong>die</strong> Forderung nach höheren Finanzmitteln<br />
einfacher ist. Zentrale Aspekte sind <strong>die</strong> Notwendigkeit kritischerer<br />
Projektbewertungen, <strong>die</strong> Überprüfung der wirklich<br />
notwendigen Auslegungsgeschwindigkeiten für Schienenschnellfahrstrecken,<br />
<strong>die</strong> Zuglängenerhöhung im Schienengüterverkehr,<br />
kleinteilige Investitionen mit hoher Netzwirkung<br />
sowie <strong>die</strong> verstärkte Nutzung bestimmter nicht bundeseigener<br />
Schienenstrecken mit der Neuregelung von deren Finanzierung.<br />
Weiterer Bedarf besteht bezüglich der Erweiterung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen<br />
auf hochbelasteten Autobahnabschnitten<br />
mit verstärkter Überwachung der Einhaltung der<br />
Vorgaben sowie hinsichtlich der Prüfung von Synergien zwischen<br />
Stromnetzausbau und Nutzung von Bahnstromanlagen.<br />
Literaturverzeichnis<br />
ADAC in Focus (2011): Gesamtlänge aller Staus auf 450.000 Kilometer<br />
gestiegen; http://www.focus.de/reisen/reise-news/staulaengegesamtlaenge-aller-staus-auf-450-000-kilometer-gestiegen_aid_<br />
698089.html (Zugriff 15.02.<strong>2012</strong>)<br />
BDI (<strong>2012</strong>): Transeuropäisches Verkehrsnetz (TEN-T); http://www.bdi.<br />
eu/Transeuropaeisches-Verkehrsnetz-TEN-T.htm (Zugriff 16.02.<strong>2012</strong>)<br />
BMVBS / DB Netz AG / DB Station&Servive AG / DB Energie GmbH<br />
(2009): Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung („LuFV“); http://www.<br />
eba.bund.de/cln_031/nn_804172/DE/Fachthemen/LuFV/Vereinbarung/LuFV__ohne8.3,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/<br />
LuFV_ohne8.pdf (Zugriff 15.02.<strong>2012</strong>)<br />
BMVBS (2011a): Verkehr in Zahlen 2011/<strong>2012</strong>, Hamburg<br />
BMVBS (2011b): Investitionsrahmenplan (IRP) 2011-2015 für <strong>die</strong> Verkehrsinfrastruktur<br />
des Bundes (IRP). Entwurf, Berlin<br />
BMVBS (2011c): Sachstandsbericht Verkehrsprojekte Deutsche Einheit;<br />
http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/68032/publicationFile/<br />
40050/sachstandsbericht-verkehrsprojekte-deutsche-einheit-standmai-2011.pdf<br />
(Zugriff 10.02.<strong>2012</strong>)<br />
Bundesnetzagentur (2000): UMTS-Versteigerungsverfahren abgeschlossen,<br />
Pressemitteilung vom 18.08.2000; http://www.bundesnetzagentur.<br />
de/cln_1931/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2000/000818UMTS-<br />
Versteigerung.html?nn=106984 (Zugriff 16.02.<strong>2012</strong>)<br />
Bundesnetzagentur (2010): Frequenzversteigerung in Mainz beendet,<br />
Pressemitteilung vom 20.05.2010; http://www.bundesnetzagentur.de/<br />
cln_1912/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2010/100520Frquenzv<br />
ersteigerungEnde.html?nn=65116 (Zugriff 16.02.<strong>2012</strong>)<br />
DENA (2010): Netzstu<strong>die</strong> II – Integration erneuerbarer Energien in <strong>die</strong><br />
deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015-2020 mit Ausblick auf 2025,<br />
Berlin; http://www.dena.de/fileadmin/user_upload/Download/Dokumente/Stu<strong>die</strong>n___Umfragen/Endbericht_dena-Netzstu<strong>die</strong>_II.PDF<br />
(Zugriff 15.02.<strong>2012</strong>)<br />
Deutscher Bundestag (2011): Antwort der Bundesregierung auf <strong>die</strong><br />
Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie<br />
Wilms, Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-<br />
NIS 90/DIE GRÜNEN betreffend „Sachstand Ausbau von ERTMS/ETCS<br />
auf Bahnstrecken“ – Drucksache 17/7421. Sachstand Ausbau von<br />
ERTMS/ETCS auf Bahnstrecken; http://dipbt.bundestag.de/dip21/<br />
btd/17/076/1707618.pdf (Zugriff 15.02.2011)<br />
McKinsey (2010): <strong>Zukunft</strong>sperspektiven für Mobilität und Transport;<br />
DB Mobility Logistics AG (Auftraggeber), Berlin<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 11
„Modern Commons“<br />
„Modern Commons“<br />
sowie: Die Folgen<br />
der Megatrends für<br />
Marktakteure im<br />
Infrastruktursektor<br />
Markus Hofmann<br />
Megatrends verändern <strong>die</strong> gesellschaftlichen Anforderungen<br />
und <strong>die</strong> Nachfrage im Infrastruktursektor. Langfristige Investitionen<br />
in <strong>die</strong> großen technischen Infrastruktursysteme, <strong>die</strong><br />
eine Marktwirtschaft erst funktionsfähig machen, erfordern<br />
eine sektorübergreifende Betrachtung von Nutzen und Synergien.<br />
Eine Befragung untersucht, welche Prioritäten von den Akteuren<br />
gesetzt werden und welche Prämissen für eine nachhaltige<br />
Infrastrukturentwicklung förderlich wirken.<br />
Folgen der Megatrends antizipieren<br />
Weltweit wird zunehmend über <strong>die</strong> Auswirkungen von Megatrends<br />
reflektiert. Es handelt sich in der Regel um heute schon absehbare<br />
Entwicklungen, denen sich Menschen und Märkte kaum<br />
entziehen können. John Naisbitt, der <strong>die</strong>sen Begriff mit seinem<br />
Buch anhand von zehn bis heute validen Transformationsthesen<br />
1982 prägte 1 , wollte keinesfalls als Prophet den Weltuntergang<br />
verkünden, sondern warb für einen offensiven Umgang von<br />
Unternehmen und Gesellschaft mit den veränderten Herausforderungen.<br />
In der gesellschaftlichen Debatte in Deutschland<br />
werden Megatrends oft als schicksalhafte Entwicklungen dargestellt,<br />
<strong>die</strong> den erworbenen Wohlstand und <strong>die</strong> gewohnte Lebensqualität<br />
bedrohen, ohne dass aus <strong>die</strong>ser partiellen <strong>Zukunft</strong>serkenntnis<br />
Handlungsimplikationen für <strong>die</strong> Gegenwart abgeleitet<br />
würden.<br />
Der folgende Beitrag <strong>die</strong>nt einer sektorübergreifenden Standortbestimmung<br />
der Infrastruktur-Akteure und der Identifikation<br />
gemeinsamer Anforderungen und potenzieller Synergien im<br />
Hinblick auf eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung. Der<br />
Handelsblatt-<strong>Infrastrukturgipfel</strong> mit rund 150 Infrastrukturverantwortlichen<br />
aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, der<br />
seit 2010 auf dem EUREF-Campus Berlin stattfindet, bot <strong>die</strong><br />
Gelegenheit einer Primärerhebung unter Infrastrukturentscheidern<br />
aus den Verkehrs-, Energie- und Telekommunikationsmärkten.<br />
Im Rahmen einer umfassenderen Forschungsarbeit<br />
wurden Gipfel-Teilnehmer in den Jahren 2010 und 2011 zu ihren<br />
Erwartungen an <strong>die</strong> regionale und nationale Infrastrukturentwicklung<br />
in ihrem Sektor und an das Zusammenwirken zwischen<br />
öffentlicher Hand und privaten Stakeholdern befragt. Die Er-<br />
1 Naisbitt (1982)<br />
gebnisse der Befragung werden in <strong>die</strong>sem Artikel zum Selbstverständnis<br />
der Infrastrukturbranche, der Bedeutung von Megatrends<br />
und Nachhaltigkeit sowie den Zielen und Prämissen für<br />
Infrastrukturentwicklung auszugsweise präsentiert und lassen<br />
auf <strong>die</strong>sem Wege <strong>die</strong> Stakeholder aus dem Infrastruktursektor<br />
mit ihren <strong>Zukunft</strong>serwartungen zu Wort kommen.<br />
Der Einfluss von Megatrends auf Wirtschaft und Gesellschaft ist<br />
unbestritten. Ihre Bedeutung wird, nach einhelliger Einschätzung<br />
der bisherigen Teilnehmer des <strong>Infrastrukturgipfel</strong>s der Jahre<br />
2010 und 2011, angesichts ihrer substanziellen Auswirkungen<br />
mit Blick auf den zukünftigen Anpassungsbedarf der physischen<br />
Infrastrukturen zunehmen (s.a. Abb. 1).<br />
Primär der demografische Wandel und <strong>die</strong> daraus resultierenden<br />
Veränderungen der Bevölkerungs- und Siedlungsstrukturen<br />
werden zu einer weiter steigenden Disparität von Infrastrukturnachfrage<br />
zwischen Ballungszentren und Peripherie führen.<br />
Der Klimawandel erfordert ein nachhaltiges Umdenken in Bezug<br />
auf antrophogene Emissionen durch Energieerzeugung oder<br />
Verkehr und eine systemische Folgebetrachtung von Investitionsentscheidungen<br />
in physische Infrastrukturnetze. Die sich zunehmend<br />
verknappenden öffentlichen Mittel für Infrastruktur,<br />
bedingt durch steigenden Ausgabenbedarf für Sozialleistungen<br />
und Schulden<strong>die</strong>nst – bei sinkendem Steueraufkommen – bedingen<br />
eine sukzessive Neubewertung des Anspruches auf<br />
Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen. Die europaweiten<br />
Bestrebungen zur Liberalisierung der Infrastrukturnetze eröffnen<br />
Marktchancen über nationale Grenzen hinaus – bei gleichzeitiger<br />
Begrenzung der unternehmerischen Gestaltungsräume und<br />
gezielten Regulierungseingriffen. Der technologische Wandel<br />
erzeugt Effizienzpotenziale bei der zum Teil Jahrzehnte alten<br />
Infrastruktur, <strong>die</strong> im Falle entsprechender Neuplanung bzw.<br />
Erneuerung systematisch gehoben werden können.<br />
Die Bedeutung von Megatrends wie Klimawandel, demografischem<br />
Wandel und technischen Umwälzungen wird nach Einschätzung<br />
aller Befragten zunehmen und stellt <strong>die</strong> Infrastrukturbranche<br />
vor anspruchsvolle Herausforderungen. Eine funktion ierende<br />
Infrastruktur gehört für <strong>die</strong> Teilnehmer eindeutig zur staatlichen<br />
Daseinsvorsorge und wird gleichzeitig als fester Bestandteil<br />
der Marktwirtschaft verstanden.<br />
--<br />
Klimawandel: Mit 84% weist der Klimawandel <strong>die</strong> stärkste<br />
Bedeutungszunahme auf. Einerseits werden <strong>die</strong> zu erwartenden<br />
Aufwendungen zur Anpassung der Infrastruktursysteme<br />
an regional veränderte Klimabedingungen und <strong>die</strong> massiven<br />
Folgeschäden für <strong>die</strong> physische Infrastruktur durch Extremwetterlagen<br />
antizipiert. Andererseits spiegelt <strong>die</strong>s <strong>die</strong> intensive<br />
öffentliche Debatte um das Weltklima wider. Die Bedeutung<br />
hat nach den Ereignissen von Fukushima weiter zugenommen.<br />
--<br />
Demografischer Wandel: Die zunehmend absehbaren Auswirkungen<br />
des demografischen Wandels wie <strong>die</strong> zurückgehende<br />
und alternde Bevölkerung gewinnen für vier Fünftel<br />
der Befragten in ihrem Sektor weiter an Bedeutung. Es gilt<br />
beispielsweise, tragfähige Lösungen für eine seniorengerechte<br />
Mobilität zu entwickeln, aber auch finanzierbare Anpassungen<br />
der Infrastruktur für steigende und volatilere Verkehrsaufkommen<br />
in Ballungsgebieten zu schaffen, oder Zugangsoptionen<br />
12 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
„Modern Commons“<br />
Wie wird sich <strong>die</strong> Bedeutung der folgenden Megatrends für<br />
<strong>die</strong> Infrastrukturentwicklung in Ihrem Infrastruktursektor<br />
voraussichtlich verändern?<br />
Weltweiter Klimawandel 11 14 53 31<br />
Demographischer Wandel<br />
Technologischer Wandel<br />
Liberalisierung der Märkte<br />
Globalisierung<br />
N = 88<br />
5 15 48 32<br />
23 45 32<br />
3 34<br />
42 21<br />
8 35<br />
39 18<br />
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 120<br />
Stark abnehmen<br />
Eher zunehmen<br />
Eher abnehmen<br />
Stark zunehmen<br />
Abb. 1: Dynamik der Megatrends für Infrastruktur<br />
Unverändert<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
zu moderner Infrastruktur wie z.B. zur Breitbandversorgung<br />
oder für Konzepte zur Elektromobilität in ländlichen Räumen<br />
zu gewährleisten.<br />
--<br />
Technologischer Wandel: Innovationen können der stark<br />
strukturbetonten Infrastrukturbranche neue Gestaltungsmöglichkeiten<br />
und Potenziale erschließen, finden gut drei<br />
Viertel der Befragten. Die Themen „Digitalisierung“, „Maut“<br />
und „Smart Grid“ wurden exemplarisch benannt. Niemand<br />
rechnet damit, dass <strong>die</strong> Bedeutung von Innovationen abnehmen<br />
wird. Inwieweit innovative Technologien aktiv in Bestandsnetzen<br />
implementiert oder hauptsächlich als Ersatz für abgängige<br />
Altsysteme und bei Ausbaumaßnahmen eingesetzt werden,<br />
bedarf einer näheren Betrachtung der spezifischen Infrastruktur.<br />
Obwohl <strong>die</strong> Digitalisierung Wertschöpfungsmuster<br />
in allen Industrien verändert hat, variieren der Migrationsdruck<br />
und <strong>die</strong> Geschwindigkeit des technischen Wandels der<br />
Infrastruktur sektoral stark.<br />
--<br />
Globalisierung und Liberalisierung werden einen höheren<br />
Stellenwert für Energie-, Verkehrs- und Telekommunikationsmärkte<br />
haben (57% bzw. 63%). Mehr als ein Drittel rechnet<br />
nicht mit einer weiter wachsenden Bedeutung, da sie bereits<br />
ein signifikantes Niveau erreicht hat. Dass Infrastrukturfragen<br />
nicht länger innerhalb nationaler Grenzen entschieden werden,<br />
birgt sowohl Chancen wie auch Risiken für <strong>die</strong> Betreiber.<br />
Fast alle Befragten sehen <strong>die</strong> Chance, durch Infrastrukturinvestitionen<br />
<strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> zu gestalten und sind sich, nicht zuletzt wegen<br />
der hohen und langfristigen Kapitalbildung, in großer Mehrzahl<br />
der Auswirkungen von Infrastrukturentwicklungen auf <strong>die</strong><br />
kommenden Generationen bewusst. Da bei der Monopolstellung<br />
von physischen Infrastrukturnetzen häufig ein Marktversagen<br />
unterstellt wird, hält <strong>die</strong> Mehrheit staatliche Steuerung durchaus<br />
für notwendig. Infrastruktur ist nie Selbstzweck. Die hier<br />
betrachteten Infrastrukturnetze verfolgen letztlich immer gleichzeitig<br />
wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Ziele, <strong>die</strong><br />
in den Institutionen der Marktwirtschaft von den Akteuren, im<br />
Interesse des Gemeinwohls, nachhaltig entwickelt und effizient<br />
betrieben werden können.<br />
Methodik<br />
Zielsetzung der hier vorgestellten Befragung war eine<br />
sektorübergreifende Standortbestimmung der Infrastrukturakteure<br />
und <strong>die</strong> Identifikation von gemeinsamen<br />
Anforderungen, potenziellen Synergien und spezifischen<br />
Unterschieden im Hinblick auf eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung.<br />
Der Handelsblatt-<strong>Infrastrukturgipfel</strong>,<br />
der seit 2010 auf dem Berliner EUREF-Campus<br />
stattfindet, bot eine gute Gelegenheit, <strong>die</strong>se bedeutsamen<br />
Erkenntnislücken zu schließen. Im Rahmen einer umfassenderen<br />
noch laufenden Forschungsarbeit wurden<br />
Gipfel-Teilnehmer in den Jahren 2010 und 2011 zu<br />
ihren Erwartungen an <strong>die</strong> regionale und nationale Infrastrukturentwicklung<br />
in ihrem Sektor und das Zusammenwirken<br />
zwischen öffentlicher Hand und privaten<br />
Stakeholdern befragt. In der Stu<strong>die</strong>, deren Ergebnisse in<br />
<strong>die</strong>sem Begleitheft vom <strong>InnoZ</strong> auszugsweise präsentiert<br />
werden, wurden das Selbstverständnis der Infrastrukturbranche,<br />
Ziele und Prämissen für <strong>die</strong> Infrastrukturentwicklung<br />
sowie <strong>die</strong> Bedeutung von Nachhaltigkeit<br />
und Megatrends mittels Fragebögen erhoben.<br />
Es handelte sich um eine quantitative Befragung von<br />
Infrastrukturverantwortlichen aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Politik mittels persönlicher Rekrutierung auf<br />
dem <strong>Infrastrukturgipfel</strong> durch das NETWORK Institute<br />
am 04. Mai 2010 und am 14. April 2011. Die Responsequote<br />
der Tagungsteilnehmer lag bei rund 27 % (2010 N = 41 /<br />
Tln: 148; 2011 N = 47 / Tln. 175). Die Stichprobengröße<br />
betrug insgesamt N = 88. 2 Eine branchenspezifische<br />
Auswertung erfolgt im Rahmen des o.g. Forschungsvorhabens.<br />
Infrastruktur – der klimapolitische<br />
Schlüsselsektor<br />
Der Infrastruktursektor hat sich vom unbeachteten Aschenputtel<br />
3 zur „unbekannten“ Ballkönigin der Klimawende gewandelt.<br />
Trotz der unbestrittenen Bedeutung von Infrastruktur für<br />
<strong>die</strong> arbeitsteilige Wirtschaft einer modernen Gesellschaft und<br />
der signifikanten Wechselwirkung mit der natürlichen Umwelt<br />
bestehen über das Selbstverständnis und <strong>die</strong> Anforderungen<br />
der komplexen Netzindustrien allgemeinhin nur fragmentarische<br />
Vorstellungen. Andererseits bestimmen <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>serwartungen<br />
und Ziele der Entscheider von historisch gewachsenen<br />
Institutionen und Betreiberstrukturen, von öffentlichen oder privatisierten<br />
Versorgungsunternehmen, Netzbetreibern von Verkehrsinfrastrukturen<br />
und Telekommunikationsunternehmen<br />
maßgeblich, welche Investitionen geplant und umgesetzt werden<br />
2 Soweit nicht näher erläutert, erfolgt <strong>die</strong> Auswertung über Top2Box-Werte,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> jeweiligen Aussagen am oberen bzw. unteren Skalenende in einem<br />
Gesamtwert konsoli<strong>die</strong>ren. Diese errechneten Werte können aufgrund von<br />
Rundungstoleranzen geringfügig von den in den Abbildungen ausgewiesenen<br />
Einzelwerten abweichen.<br />
3 Graham / Marvin (2001)<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 13
„Modern Commons“<br />
Infrastrukturentwicklung verfolgt Ziele. Wie wichtig sind <strong>die</strong><br />
folgenden Ziele für Ihre Entscheidung bezüglich Investitionen<br />
in <strong>die</strong> zukünftige Infrastrukturentwicklung?<br />
N = 86<br />
Sehr unwichtig<br />
Netzeffizienz steigern 1 5 48<br />
46<br />
Leistungsangebot verbessern 1 9 61<br />
29<br />
Qualitätsverbesserung 1 12 64<br />
23<br />
Ersatzinvestitionen/<br />
1 12 51<br />
36<br />
Bestandserneuerung<br />
Nachhaltige Umweltentlastung<br />
Innovation neue Technologien<br />
und neue Produkte<br />
3 21 49<br />
27<br />
Erlössteigerung<br />
Soziale Akzeptanz für<br />
Infrastrukturentwicklung erhöhen<br />
Reduktion Fixkosten durch<br />
Rückbau und Dezentralisierung<br />
Beitrag zu regionalem<br />
Wirtschaftswachstum<br />
5 16 43<br />
36<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Eher unwichtig<br />
6 21 42<br />
31<br />
11 24 30<br />
35<br />
4 14 28<br />
44 10<br />
8 17 26<br />
33 16<br />
Weder noch<br />
Abb. 2: Ziele für Infrastrukturinvestitionen<br />
Eher wichtig<br />
Sehr wichtig<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
können. Die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik sind<br />
darauf angewiesen, Investitionen langfristig zu planen und ihre<br />
Entscheidungen heute zu treffen, damit der „Infrastruktur-Schuh“<br />
zur in 20 bis 30 Jahren erwarteten Nachfrage passt. In <strong>die</strong>ser<br />
Hinsicht ist der folgende Blick auf <strong>die</strong> Ziele der Infrastrukturentwicklung<br />
aufschlussreich.<br />
Bei den flächendeckend ausgebauten Infrastrukturnetzen in<br />
Deutschland besitzt Substanzerhaltung einen hohen Stellenwert.<br />
Als wesentliche Treiber für Infrastrukturinvestitionen<br />
werden durchgängig <strong>die</strong> Erhöhung der Netzeffizienz sowie <strong>die</strong><br />
Qualitäts- und <strong>die</strong> Leistungsverbesserung genannt. Ziele wie<br />
Umweltentlastung und <strong>die</strong> Steigerung der sozialen Akzeptanz von<br />
Infrastrukturmaßnahmen wurden 2011 als wichtiger erachtet.<br />
Die Ziele der Infrastrukturentwicklung folgen nach den Befragungsergebnissen<br />
der Teilnehmer der <strong>Infrastrukturgipfel</strong> 2010<br />
und 2011 einerseits gestiegenen externen Anforderungen und<br />
sind andererseits an systemspezifischen Erfordernissen orientiert<br />
(s.a. Abb. 2).<br />
--<br />
Betriebliche Ziele: Gesteigerte Netzeffizienz (94%), verbessertes<br />
Leistungsangebot (89%) und Qualitätsverbesserung<br />
(87%) sowie Ersatzinvestitionen und Bestandserneuerung<br />
(87%) mit direkter betrieblicher Wirkung auf Kapazität oder<br />
Leistungsqualität sind mit Abstand <strong>die</strong> wichtigsten Ziele für<br />
<strong>die</strong> Infrastrukturentwicklung.<br />
--<br />
Umweltentlastung ist für 79% der Befragten ein wichtiges Ziel<br />
der Infrastrukturentwicklung. Dieser hohe Prozentsatz deckt<br />
sich mit der hohen Umweltverantwortung, <strong>die</strong> für 81% zum<br />
Selbstverständnis der Branche gehört. Angesichts der hohen<br />
Wechselwirkung zwischen Natur und Infrastruktur ist anzunehmen,<br />
dass dabei mehr als ein verbales Greenwashing<br />
gemeint sein dürfte.<br />
--<br />
Auch erwartete Erlössteigerungen durch Infrastrukturentwicklung<br />
sind mit 73% ein bedeutendes Ziel.<br />
--<br />
Knapp <strong>die</strong> Hälfte stellt einen fördernden Zusammenhang mit<br />
dem Wirtschaftswachstum einer Region her, gut ein Viertel<br />
bezeichnet <strong>die</strong>s jedoch als kein wichtiges Ziel, was z.B. auf<br />
eine andere Zuordnung der Förderungsverantwortung hindeuten<br />
oder auf eine regional oder sektoral sehr unterschiedliche<br />
„Sättigung“ mit Infrastruktur hinweisen könnte.<br />
Der Gedanke, dass Infrastrukturentwicklung als gemeinschaftlich<br />
nutzbare Plattform in engem Zusammenhang mit dem Gemeinwohl<br />
und der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit einer<br />
Region steht, ist etwa bei der Hälfte der Befragten Bestandteil<br />
des eigenen Zielsystems. Gerade <strong>die</strong> systemische Wirkung von<br />
Infrastruktur als Schlüsselsektor einer Volkswirtschaft macht<br />
eine übergreifende Bewertung von Maßnahmen zur Netzentwicklung<br />
und deren Opportunitäten sinnvoll und notwendig. Eine<br />
lokal unscheinbare Maßnahme, <strong>die</strong> mit hohem Anpassungsbedarf<br />
für <strong>die</strong> Anwohner verbunden ist, kann z.B. in einem europäischen<br />
Netzwerk eine wesentliche Kapazitäts- oder Qualitätsverbesserung<br />
bewirken. Teilnehmer bemängeln, dass Großprojekte<br />
im Verhältis zum eingesetzten Kapital nicht immer eine optimale<br />
Netzwirkung entfalten. Diese „unvermeidbaren“ Ineffizienzen<br />
als Folgen von Sachzwängen seien den Beteiligten oft vorher<br />
bewusst. Die Suche nach dem optimalen Nutzen einer Investition<br />
hängt maßgeblich von den jeweils definierten Zielen der Infrastrukturentwicklung<br />
ab. Dabei kommt es vor, dass ein Infrastrukturbetreiber<br />
eine andere Perspektive vertreten kann oder<br />
vielleicht sogar muss wie z.B. ein Infrastrukturnutzer, <strong>die</strong> Anwohner<br />
oder <strong>die</strong> Politik. Ein qualifizierter Zieldiskurs, was von<br />
einer nachhaltigen Infrastrukturentwicklung erwartet wird und<br />
welche Prioritäten bei öffentlichen Investitionen und Förderung<br />
gesetzt werden sollen, ist unumgänglich.<br />
--<br />
Mehr als <strong>die</strong> Hälfte der Befragten sieht <strong>die</strong> Senkung der Fixkosten,<br />
z.B. durch Strukturanpassungen oder Infrastrukturrückbau,<br />
als ein wichtiges Handlungsfeld.<br />
--<br />
Die Erhöhung der sozialen Akzeptanz von Infrastrukturprojekten<br />
ist für knapp zwei Drittel wichtig. Gegenüber 2010 ist<br />
<strong>die</strong> Akzeptanz in der Wichtigkeit gestiegen, was auch auf <strong>die</strong><br />
intensiven öffentlichen Debatten um den Ausbau der Stromnetze,<br />
Flughäfen oder auf „Stuttgart 21“ zurückzuführen sein<br />
dürfte. Bürgernähe und Kundenorientierung zu verbessern<br />
bleibt eine große Herausforderung für Infrastrukturbetreiber.<br />
Hier ist frühzeitig ein transparenter Dialog über Nutzen und<br />
Lasten von Infrastrukturmaßnahmen zu führen, der von einer<br />
Klärung der gesellschaftlichen Zieldimensionen für Infrastrukturpolitik<br />
im Vorfeld profitieren dürfte.<br />
14 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
„Modern Commons“<br />
Abb. 3: Globale Commons<br />
Quelle: <strong>InnoZ</strong> nach Edenhöfer/PIK (2011)<br />
Infrastrukturnetze – „Modern<br />
Commons“ einer Marktwirtschaft<br />
Leistungsfähige Infrastruktursysteme fungieren wie Nervensystem,<br />
Blutkreislauf und Stoffwechsel unserer arbeitsteiligen<br />
Gesellschaft. Diese „Vitalfunktionen“ sind für Wirtschaft und<br />
Bevölkerung im Alltag quasi unverzichtbar. Funktionierende Infrastruktursysteme,<br />
<strong>die</strong> eine flächendeckende Versorgung mit<br />
fließend Wasser, Strom, Telekommunikation, Transport und<br />
Mobilität wie selbstverständlich gewährleisten, können heutzutage<br />
als „Modern Commons“ verstanden werden. Infrastrukturnetze<br />
sind eine Art modernes Kollektivgut, dessen Wert für das<br />
Gemeinwesen mittels gemeinschaftlicher Nutzung durch verschiedene<br />
Akteure – zu fairen und transparenten Bedingungen – steigt.<br />
Der Begriff der Commons (Gemeingüter/Allmende) wurde traditionell<br />
für <strong>die</strong> natürlichen Gemeingüter wie Luft, Wasser, Weiden,<br />
Gewässer, Boden und Bodenschätze sowie <strong>die</strong> „Natur“ im Allgemeinen<br />
verwendet. Die Ökonomie der natürlichen Ressourcen<br />
und der gesellschaftliche Wert von Gemeingütern wurde besonders<br />
von Elinor Ostrom 4 untersucht, <strong>die</strong> 2009 dafür mit dem<br />
Nobelpreis ausgezeichnet wurde. In der Folge wurde der Begriff<br />
der „Commons“ zunehmend auch auf antrophogene Bereiche<br />
ausgeweitet, wie in der Darstellung von Ottmar Eden hofer (PIK/<br />
MCC) durch den Begriff der „Social Commons“ veranschaulicht<br />
(s. Abb. 3). In <strong>die</strong> Welt der Informationstechnologie übertragen,<br />
wird der Commons-Begriff als ein gemeinschaftliches Entwicklungs-<br />
und Nutzungsmodell z.B. für Open-Source-Software<br />
4 Ostrom / Helfrich (2011)<br />
wie Linux, Mozilla oder netzbasierte Dienstleistungen wie Wikipedia<br />
verwendet. Dabei entstehen Skaleneffekte und Wertschöpfungsmuster,<br />
<strong>die</strong> nicht linear mit Ressourcenverbrauch<br />
gekoppelt sind.<br />
Für Infrastruktur lässt sich der Begriff „Commons“ auf <strong>die</strong> von<br />
Raimut Jochimsen 5 definierten Infrastrukturbereiche, <strong>die</strong><br />
materielle und <strong>die</strong> institutionelle Infrastruktur, und im weitesten<br />
Sinne sogar auf <strong>die</strong> personelle Infrastruktur anwenden. Als<br />
„Modern Commons“ werden <strong>die</strong> technischen Infrastrukturnetze<br />
und ihre Institutionen in der Marktwirtschaft, <strong>die</strong> im Fokus der<br />
Befragung standen, bezeichnet.<br />
Infrastrukturentwicklung ist immer ein Spiegel der gesellschaftlichen<br />
Erwartung an zukünftigen Wohlstand und Lebensqualität.<br />
Individuelle und kollektive Nutzenerwartungen sind, trotz einer<br />
immanenten Prognoseunsicherheit, <strong>die</strong> Basis für jede zukunftsorientierte<br />
Investitionsentscheidung. Der Gedanke der gemeinschaftlichen<br />
Infrastrukturnutzung entspringt nicht einem neuartigen<br />
angloamerikanischen Liberalisierungsideal, sondern<br />
lässt sich bis in <strong>die</strong> Anfänge der Ökonomie zurückverfolgen.<br />
Gemäß der nationalökonomischen Theorie gelten große Infrastrukturnetze<br />
in der Regel als „kollektives Klubgut“ mit partieller<br />
Rivalität und teilweiser Ausschließbarkeit von Personen,<br />
<strong>die</strong> nicht dafür zu zahlen bereit sind. 6 Ebenso können Infrastrukturangebote<br />
wie Landstraßen oder das Internet auch als<br />
Güter der Allmende eingeordnet werden, soweit sie indirekt<br />
5 Jochimsen (1966)<br />
6 v. Hirschhausen (2005)<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 15
„Modern Commons“<br />
Wenn Sie an den Infrastruktursektor denken, wie<br />
zutreffend sind jeweils <strong>die</strong> folgenden Beschreibungen<br />
für Ihren Infrastruktursektor?<br />
Chance <strong>Zukunft</strong><br />
1 6 46 47<br />
zu gestalten<br />
Hohe<br />
Umweltverantwortung<br />
Standortvorteil<br />
für Deutschland<br />
Staatliche Steuerung nötig<br />
1 7 10 51 31<br />
Teil der Daseinsvorsorge 1 5 13 47 34<br />
Teil der Marktwirtschaft 1 19 63 17<br />
7 17 36 40<br />
2 20<br />
16 50 12<br />
und nationaler Ebene vorangetrieben. Infrastrukturbetreiber wie<br />
Stadtwerke, Bahnen und Post durchlebten eine wechselvolle<br />
Geschichte öffentlicher und privater Eigentümerstrukturen bei<br />
sich immer wieder verändernden Rahmenbedingungen. Im ersten<br />
Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts wurden <strong>die</strong> wirtschaftspolitischen<br />
Grundlagen für den flächendeckenden Infrastrukturausbau<br />
in Energie- und Gasversorgungsgebieten erstellt, <strong>die</strong> heute<br />
weitgehend noch Bestand haben. In den 30er-Jahren des 20 Jahrhunderts<br />
entwickelte sich der Gedanke einer öffentlichen Gestaltungs-<br />
und Versorgungsverantwortung für moderne Infrastruktur<br />
und in <strong>die</strong>sem Zusammenhang der Begriff der „Daseinsvorsorge“.<br />
Nach dem 2. Weltkrieg wurde Daseinsvorsorge als gesellschaftspolitische<br />
Leitlinie im Grundgesetz verankert und wird seither<br />
zwischen den staatlichen Ebenen und den Marktakteuren im<br />
Rahmen verschiedener Governanceformen gelebt und gestaltet.<br />
Infrastrukturkosten sind<br />
von den Nutzern zu tragen<br />
Funktionierende<br />
Governance<br />
Bewährtes<br />
2 15 31 47 5<br />
Geschäftsmodell<br />
Ein überregulierter<br />
Markt<br />
N = 83<br />
Sehr unzutreffend<br />
7 15 19 39 20<br />
4 7 35 35 19<br />
12 13 38 27 7<br />
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 120<br />
Eher unzutreffend<br />
Weder noch<br />
Eher zutreffend<br />
Abb. 4: Branchen-Selbstbild der Infrastruktursektoren<br />
Sehr zutreffend<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
oder steuerfinanziert und allen prinzipiell frei zugänglich sind.<br />
Der schottische Vordenker Adam Smith vertrat in Bezug auf<br />
Infrastruktur im 18. Jahrhundert <strong>die</strong> Auffassung, der Staat sei<br />
prinzipiell für <strong>die</strong> nachfragegerechte Bereitstellung von Transportwegen<br />
zuständig, da hier privatwirtschaftliche Investitionen<br />
zwar wenig attraktiv seien, aber der allgemein Wohlstand durch<br />
solche Investitionen gefördert werde. Eine gute Infrastruktur,<br />
als öffentliche Serviceleistung für Handel und Gewerbe, fördere<br />
den Wohlstand aller. Aus Effizienzüberlegungen riet Smith dem<br />
Staat, vertrauenswürdige Kommissionäre mit dem Management<br />
von Errichtung und Instandhaltung der Infrastruktur zu beauftragen.<br />
Ein hohes Risiko von durch Partikularinteressen getriebenen<br />
Investitionen oder durch unterlassenen Unterhalt sei jedoch<br />
dabei gegeben, weshalb der Staat <strong>die</strong> Kontrolle über <strong>die</strong><br />
verfügbaren Mittel (taxes & tolls) sicherstellen müsse. 7 Unabhängig<br />
von konkreten Eigentümerstrukturen und Finanzierung<br />
finden sich bereits hier Grundprinzipien einer auf gesellschaftlichem<br />
Nutzen und Prioritäten basierenden Infrastrukturpolitik<br />
und einer öffentlichen Koordination bzw. einer vorausschauenden<br />
Governance für <strong>die</strong> beteiligten Infrastruktur-Akteure.<br />
Erfindergeist und Unternehmertum waren Triebfedern der<br />
Gründerzeit. Infrastrukturen wie Eisenbahnen, Telegrafie, Gasund<br />
Elektrizitätswerke wurden zum Wachstumskatalysator für<br />
das (nationalstaatliche) Streben nach Wohlstand und Fortschritt.<br />
Aufbau und Betrieb moderner Infrastrukturnetze wurde sowohl<br />
unternehmerisch als auch in staatlicher Regie, auf kommunaler<br />
Mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der „Gleichwertigkeit<br />
der Lebensverhältnisse“ in Deutschland kann Daseinsvorsorge<br />
heute als quasi raumunabhängiges „Grundrecht“ in Anspruch<br />
genommen werden. Die staatliche Verantwortung übersteigt<br />
aber <strong>die</strong> finanziellen Möglichkeiten der knapper werdenden<br />
öffentlichen Haushalte. Der Tübinger Jurist Michael Ronellenfitsch<br />
definiert <strong>die</strong> Daseinsvorsorge eindeutig als eine staatliche<br />
Aufgabe, <strong>die</strong> nicht auf existenznotwendige Leistungen beschränkt<br />
sei. Typische Bereiche der modernen Daseinsvorsorge sind <strong>die</strong><br />
netzgebundenen Infrastrukturen für <strong>die</strong> Ver- und Entsorgungswirtschaft<br />
(Strom, Gas, Wärme, Wasser, Abfall), Telekommunikation<br />
und ein leistungsfähiges Verkehrswesen, weiterhin <strong>die</strong><br />
Grundversorgung durch Me<strong>die</strong>n sowie ein funktionierendes<br />
Rechts- und Kreditwesen und (kommunale) Bildungs-, Sozial-,<br />
Gesundheits-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen. 8 Deshalb sei<br />
<strong>die</strong> Daseinsvorsorge unabhängig von Rechtsformen und institutioneller<br />
Verantwortung der Akteure zu definieren und gleichzeitig<br />
einer öffentlich-rechtlichen Bindung zu unterwerfen.<br />
Infrastruktur als Standortvorteil<br />
für Deutschland<br />
Dass <strong>die</strong> leistungsfähige Infrastruktur ein wichtiger Standortvorteil<br />
für Deutschland ist, wird von zwei Dritteln der Befragten<br />
bestätigt. Während knapp <strong>die</strong> Hälfte ihren Infrastruktursektor<br />
als unterfinanziert bewertet, bezeichnet ihn fast ein Drittel als<br />
kapitalstark. Die Hälfte betont einen fördernden Zusammenhang<br />
zwischen Infrastrukturentwicklung und regionalem Wirtschaftswachstum.<br />
--<br />
<strong>Zukunft</strong> und Umwelt: 93% der Befragungsteilnehmer sehen<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit, durch Infrastrukturentwicklung <strong>Zukunft</strong><br />
aktiv zu gestalten. 81% bestätigen der Infrastrukturbranche<br />
eine hohe Umweltverantwortung.<br />
--<br />
Fast zwei Drittel der Befragten finden es zutreffend, dass <strong>die</strong><br />
Kosten der Infrastruktur von den Nutzern zu tragen sind.<br />
Angesichts der hohen Wechselwirkungen von Infrastrukturmaßnahmen<br />
mit Umwelt und Gesellschaft bestätigt eine<br />
überwiegende Mehrheit der Branchenvertreter ein hohes<br />
7 Smith (1776)<br />
8 vgl. Ronellenfitsch (2003)<br />
16 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
„Modern Commons“<br />
Wenn Sie an Entwicklung von Infrastruktur denken,<br />
wie würden Sie Ihren Sektor zwischen den folgenden<br />
Begriffspaaren einordnen?<br />
Bildung eines semantischen Differentials mit zehn adjektivischen Gegensatzpaaren<br />
(dynamisch – statisch), <strong>die</strong> auf einer 7 stufigen Skala jeweils als zutreffend einzuordnen waren.<br />
Schrumpfung in der<br />
Peripherie managen<br />
13% 50%<br />
Kunden-/Bürgernah<br />
nachfragorientiert<br />
30% 20%<br />
staatliche Eingriffe<br />
44% 21%<br />
umweltentlastend<br />
48% 43%<br />
strukturbetont<br />
55% 25%<br />
31% 35%<br />
agiert pragmatisch<br />
41% 20%<br />
unterfinanziert<br />
50% 19%<br />
substanzbewahrend<br />
58% 18%<br />
N = 83<br />
statisch<br />
30% 19%<br />
Beides gleich<br />
Abb. 5: Entwicklungsparameter Infrastruktursektor<br />
Verantwortungsbewusstsein für ökologische, ökonomische<br />
und soziale Nachhaltigkeit in ihrem Infrastrukturbereich.<br />
--<br />
Der Infrastruktursektor gehört für vier von fünf Befragten<br />
eindeutig zur staatlichen Daseinsvorsorge, wird aber gleichzeitig<br />
auch als ein fester Bestandteil der Marktwirtschaft (80%)<br />
betrachtet. Dieses Selbstverständnis scheint sich bisher bewährt<br />
zu haben und wird dadurch bestätigt, dass mehr als<br />
<strong>die</strong> Hälfte der Befragten eine staatliche Steuerung im Infrastruktursektor<br />
für notwendig hält (62%) und <strong>die</strong> Erwartung<br />
staatlicher Eingriffe (44%) leicht gegenüber dem unternehmerischen<br />
Gestaltungsanspruch (35%) überwiegt.<br />
--<br />
Drei Viertel der Befragten bestätigen, dass eine leistungsfähige<br />
Infrastruktur ein Standortvorteil für Deutschland ist. Knapp<br />
<strong>die</strong> Hälfte betont den förderlichen Effekt von Infrastrukturentwicklung<br />
für regionales Wirtschaftswachstum; <strong>die</strong>ser Wert<br />
ist zwischen 2010 und 2011 signifikant gestiegen. Ein Viertel<br />
bestätigt <strong>die</strong>sen Zusammenhang jedoch nicht, was auch <strong>die</strong><br />
divergierenden Standpunkte der Wissenschaft wiedergibt.<br />
--<br />
Governance: Staatliche Steuerung in der Infrastruktur halten<br />
62% für notwendig. Etwa <strong>die</strong> Hälfte, 54%, zeigt sich mit der<br />
Governance zufrieden. Eine Regulierung des Infrastruktursektors<br />
wird allgemein akzeptiert und von je rund einem<br />
Drittel als schwach, ausgewogen oder als überreguliert eingestuft.<br />
Im Feld der Governance lässt sich weiterer Handlungsbedarf<br />
vermuten.<br />
--<br />
Nutzerfinanzierung: 59% befürworten, dass Infrastrukturkosten<br />
durch <strong>die</strong> Nutzer zu tragen sind, fast ein Viertel finden <strong>die</strong>se<br />
Aussage zur Nutzerfinanzierung unzutreffend. Inwieweit hier<br />
branchenspezifische Unterschiede eine Rolle spielen, wird in der<br />
geplanten sektorspezifischen Auswertung vertiefend untersucht.<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
dynamisch<br />
51% 19%<br />
innovativ<br />
24% 18%<br />
Nachfragewachstum in Zentren<br />
37% 50%<br />
Trifft zu<br />
kapitalstark<br />
31% 19%<br />
distanziert<br />
34% 35%<br />
agiert nachhaltig<br />
39% 20%<br />
wandlungsfähig<br />
20% 25%<br />
umweltbelastend<br />
9% 43%<br />
unternehmerisch<br />
35% 21%<br />
Daseinsvorsorge<br />
50% 20%<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
--<br />
Geschäftsmodell: Knapp <strong>die</strong> Hälfte findet ein bewährtes<br />
Geschäftsmodell im jeweils eigenen Infrastruktursektor vor.<br />
Infrastruktur im Spannungsfeld<br />
der Erwartungen<br />
In Bezug auf Infrastrukturentwicklung wurden <strong>die</strong> Befragten<br />
gebeten, das Branchenbild anhand von zehn Managementparametern<br />
zu konkretisieren, <strong>die</strong> als gegensätzliche Begriffspaare<br />
<strong>die</strong> Heterogenität der Entwicklungstreiber für Infrastruktur<br />
aufzeigen (vgl. Abb. 5).<br />
--<br />
Angebot und Nachfrage: 35% der Infrastrukturverantwortlichen<br />
sehen ihre Branche unternehmerisch, 44% betonen <strong>die</strong> Bedeutung<br />
der staatlichen Intervention. Etwa ein Fünftel findet<br />
beide Aussagen zutreffend. 50% beschreiben Infrastrukturentwicklung<br />
als Teil der Daseinsvorsorge, erst 30% sehen<br />
sie stärker nachfrageorientiert. Ein Fünftel gewichtet beide<br />
Parameter gleich stark.<br />
--<br />
Finanzkraft: Genau <strong>die</strong> Hälfte sieht ihren Infrastruktursektor<br />
als unterfinanziert, 31% dagegen beschreiben ihren Sektor als<br />
kapitalstark.<br />
--<br />
Umweltauswirkungen: Knapp <strong>die</strong> Hälfte der Befragten charakterisiert<br />
ihren Sektor als umweltentlastend, während 43% Umweltbelastung<br />
und Umweltentlastung gleich stark einstufen.<br />
Nur 9% schreiben Infrastruktur per se eine Erhöhung der<br />
Umweltbelastung zu.<br />
--<br />
Gesellschaftliche Akzeptanz: Die Branche sieht sich zu je einem<br />
Drittel als distanziert oder bürgernah bzw. beides gleichermaßen,<br />
was besonders in Bezug auf <strong>die</strong> Akzeptanz von Infrastrukturprojekten<br />
vertiefend zu untersuchen sein wird. Die<br />
Wichtigkeit der sozialen Akzeptanz ist zwischen 2010 und<br />
2011 signifikant von 51% auf 82% gestiegen.<br />
--<br />
Nachhaltigkeit: Eine besonders nachhaltige Handlungsweise<br />
wird dem Infrastruktursektor nur von 39% bescheinigt, während<br />
41% ein pragmatisches Agieren konstatieren.<br />
--<br />
Wachstumsdynamik: 50% bestätigen <strong>die</strong> Gleichzeitigkeit von<br />
Wachstum und Schrumpfung in der Infrastruktur, wenn auch<br />
regional differenziert. Dabei wird ein Nachfragewachstum in<br />
den Zentren von 37% als zutreffend beschrieben, insgesamt<br />
13% benennen Schrumpfungstendenzen in der Peripherie als<br />
den dringenderen Handlungsbedarf.<br />
--<br />
Innovationskraft: Innovation (24%) und Wandlungsfähigkeit<br />
(20%) sind in der strukturbetonten (55%) und substanzbewahrenden<br />
(58%) Infrastrukturindustrie eher schwach repräsentiert.<br />
Gleichzeitig bestätigen jedoch 51% der Infrastrukturbranche<br />
eine hohe Dynamik, <strong>die</strong> z.B. aus sektorspezifischen<br />
technischen und umfeldbedingten Einflüssen sowie aus<br />
wechselnden Rahmenbedingungen abgeleitet werden könnte.<br />
--<br />
In der Infrastruktur sorgt das Angebot traditionell für <strong>die</strong><br />
Nachfrage (build & supply). 9 Die angebotsorientierte Daseinsvorsorge<br />
dominiert gegenüber der gering ausgeprägten<br />
Nachfrageorientierung der Infrastrukturbetreiber (50% vs.<br />
30%). Ein Umdenken wird dadurch erkennbar, dass eine<br />
Mehrheit der befragten Infrastrukturmanager (60%) über-<br />
9 Moss / Naumann (2007)<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 17
„Modern Commons“<br />
Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ wird verschieden definiert.<br />
<strong>Welche</strong> Definition von Nachhaltigkeit kennen Sie und finden<br />
Sie zutreffend für Ihren Infrastruktursektor?<br />
Infrastruktur Nutzen- und Lastenallokation<br />
Ökologische<br />
Verantwortung<br />
Ökonomische<br />
Verantwortung<br />
Intergenerative<br />
Verantwortung<br />
6 5 50 39<br />
5 7 7 50 31<br />
2 10 19 27 42<br />
Nutzendimension<br />
Profiteure<br />
Unmittelbare Wirkung<br />
Zugang / Nutzung<br />
Mittelbare Systemwirkung<br />
Synergie / Gemeinwohl<br />
Soziale<br />
Verantwortung<br />
Nachhaltige<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
2 11 19 45 23<br />
7 6 17 45 25<br />
Defiziteure<br />
Kosten / Lasten<br />
Opportunitäten /<br />
Soziale Kosten<br />
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %<br />
N = 84<br />
Sehr unzutreffend<br />
Eher unzutreffend<br />
Weder noch<br />
Raum-Zeit-Dimension<br />
Eher zutreffend<br />
Sehr zutreffend<br />
Abb. 6: Bedeutung von Nachhaltigkeit<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Abb. 7: Nachhaltige Systemwirkung von Infrastrukturentwicklung<br />
zeugt ist, dass <strong>die</strong> Infrastrukturkosten zunehmend von den<br />
Nutzern zu tragen seien.<br />
--<br />
Infrastruktur ist ein wertvolles Gut, aber in Betrieb und Ausbau<br />
kostenintensiv. Für Entwicklung und Instandhaltung der<br />
großen Infrastrukturnetze haben sich differenzierte Steuerungs-<br />
und Finanzierungsmodelle herauskristallisiert. In<br />
den Bereichen Verkehr, Energie und Kommunikation wird<br />
der öffentliche Versorgungsauftrag durch komplementär<br />
wirkende Instrumente praktiziert. Angesichts altersbedingt<br />
steigender Unterhaltsaufwände und erhöhter Anforderungen<br />
bezeichnet gut <strong>die</strong> Hälfte der Befragten den Infrastruktursektor<br />
als unterfinanziert (53%), während ihn 31% als kapitalstark<br />
bewerten.<br />
--<br />
Nachhaltigkeit wird von der Infrastrukturbranche in ihrer<br />
„Dreifaltigkeit“ und der intergenerativen Dimension verstanden.<br />
Angesichts unabdingbarer Umweltbeeinträchtigungen durch<br />
Infrastrukturmaßnahmen ist sich <strong>die</strong> große Mehrheit ihrer<br />
Verantwortung für ökologische (89%), ökonomische (80%) und<br />
soziale Nachhaltigkeit (67%) bewusst. Infrastrukturinvestitionen<br />
bieten <strong>die</strong> Chance, <strong>Zukunft</strong> zu gestalten (93%) und sind,<br />
nicht zuletzt wegen der hohen und langfristigen Kapitalbildung,<br />
für zwei Drittel unmittelbar mit Verantwortung gegenüber<br />
kommenden Generationen (69%) verbunden.<br />
--<br />
Deshalb wird auch <strong>die</strong> Bedeutung von Megatrends wie Klimawandel<br />
(84%), demografischem (80%) und technischem Wandel<br />
(77%) nach Meinung der Befragten für den Infrastruktursektor<br />
weiter zunehmen und <strong>die</strong> Infrastrukturbranche vor neue<br />
Herausforderungen stellen. Für mehr als <strong>die</strong> Hälfte besitzen<br />
auch Liberalisierung (63%) und Globalisierung (57%) noch eine<br />
wachsende Bedeutung. Die Hälfte der Befragungsteilnehmer<br />
bestätigt <strong>die</strong> durch den demografischen Wandel verursachte<br />
Gleichzeitigkeit von Wachstum des Infrastrukturbedarfs in<br />
Ballungszentren und Schrumpfung in der Peripherie, für gut ein<br />
Drittel (37%) überwiegt das Wachstum <strong>die</strong> Schrumpfung (13%).<br />
--<br />
Das intensiv diskutierte Thema Regulierung wird von jeweils<br />
rund einem Drittel als schwach, ausgewogen oder als „überreguliert“<br />
bewertet.<br />
Infrastruktur – Nachhaltigkeit<br />
für Generationen<br />
Der gegenwärtig viel strapazierte Begriff „Nachhaltigkeit“<br />
wurde durch <strong>die</strong> Brundtland-Kommission der UN in ihrem<br />
Bericht „Our Common Future“ 1987 in den drei Dimensionen<br />
ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung formuliert<br />
und mit einem klarem Auftrag verbunden, <strong>die</strong> Lebensbedingungen<br />
kommender Generationen und deren Bedürfnisse<br />
nicht zu gefährden (Abb. 6).<br />
--<br />
Nachhaltigkeit: Der Dreiklang der Nachhaltigkeit ist grundsätzlich<br />
angekommen, wenn auch in unterschiedlicher Präzision.<br />
Die ökologische Verantwortung wird von 89% bestätigt.<br />
An zweiter Stelle liegt wenig überraschend <strong>die</strong> ökonomische<br />
Dimension (80%), <strong>die</strong> von 10% aber als unzutreffend eingestuft<br />
wird. Gut zwei Drittel kennen und bestätigen <strong>die</strong> soziale Dimension<br />
von Nachhaltigkeit.<br />
--<br />
Fristigkeit: Auch <strong>die</strong> intergenerative Verantwortung wird von<br />
einer großen Mehrheit (69%) bestätigt. Dass 12% <strong>die</strong>se Definition<br />
unzutreffend finden, zeigt, dass Langfristigkeit als zeitliche<br />
Dimension der <strong>Zukunft</strong>sverantwortung besser kommuniziert<br />
und in Entscheidungen stärker operationalisiert werden<br />
sollte.<br />
--<br />
Wirtschaftlichkeit: Der von der Fachwelt anders definierte<br />
Begriff der „nachhaltigen Wirtschaftlichkeit“, der Nachhaltigkeit<br />
nicht aus-, aber eben auch nicht explizit einschließt,<br />
wird augenscheinlich von 70% ebenfalls als „nachhaltig“<br />
eingestuft. 30% bewerten <strong>die</strong>se Bedeutung als unzutreffend<br />
oder mit „weder noch“.<br />
Ingenieure sind sich bewusst, dass, wer Kanäle und Tunnel gräbt<br />
oder Leitungen und Schienen verlegt, das Gesicht der Natur<br />
für Generationen verändert. Netze von zu ihrer Zeit innovativen<br />
Infrastrukturtechnologien wie Eisenbahn, Elektrizität oder<br />
Kommunikation breiten sich zu Beginn sehr schnell und mit<br />
18 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
„Modern Commons“<br />
hohem wirtschaftlichen Nutzen aus. In physischen Netzen trägt<br />
jede neue Verbindung und jeder Knoten erheblich zur Gesamtkapazität<br />
des Systemverbundes bei. Die Schriften der Infrastrukturpioniere<br />
jeder Generation belegen ein fortschrittsgetriebenes<br />
Sendungsbewusstsein mit dem Ziel, <strong>die</strong> Lebensbedingungen für<br />
alle Mitmenschen und kommende Generationen zu verbessern.<br />
Infrastrukturinvestitionen rentieren sich langfristig durch <strong>die</strong><br />
mit ihnen erzielbaren gesamtwirtschaftlichen Verbesserungen.<br />
Mit zunehmender Deckung der Grundbedürfnisse und wachsendem<br />
Wohlstand entsteht eine „Sättigung“ mit Infrastruktur. Die<br />
positiven wie negativen Wirkungen von Infrastrukturmaßnahmen<br />
dürfen nicht punktuell, sondern müssen systemisch und langfristig<br />
beurteilt werden. Direkte Vor- und Nachteile sind für<br />
Infrastrukturnutzer ebenso wie für betroffene Anwohner (z.B.<br />
Lärm, Emissionen, Abwässer oder elektromagnetische Wellen)<br />
relativ konkret einer Maßnahmen zuzuordnen. Die indirekten<br />
Effekte bzw. <strong>die</strong> Effekte auf Netzkapazität oder Fehler-Resilienz<br />
sind hingegen schwerer zu bestimmen, ähnlich wie <strong>die</strong> sozialen<br />
Kosten oder <strong>die</strong> zeitlich verzögerten Auswirkungen auf das Ökosystem.<br />
Jede Infrastrukturentwicklung hat zum einen Profiteure<br />
wie Nutzer und Nutznießer und zum anderen Defiziteure, wie<br />
betroffene Anwohner oder <strong>die</strong> Träger der sozialen Kosten. Diese<br />
Gruppen sind nicht überschneidungsfrei, vertreten aber jeweils<br />
eigene Interessen und Perspektiven. Die Tatsache, dass von<br />
Nachteilen Betroffene <strong>die</strong>se unmittelbar erkennen und ihren<br />
Protest artikulieren, während <strong>die</strong> systemischen Vorteile von<br />
Infrastruktur als Selbstverständlichkeit wahrgenommen werden,<br />
erklärt das häufig beobachtbare NIMBY-Syndrom (not in my<br />
backyard). Es führt zur aktiven Ablehnung von Infrastrukturmaßnahmen<br />
im persönlichen Umfeld und in einer „gefühlten“<br />
Nachbarschaft.<br />
Jede Investitionsentscheidung ist eine Frage von Opportunitäten.<br />
Liegen <strong>die</strong>se für einen Netzbetreiber innerhalb seines bekannten<br />
Marktes und Infrastruktursektors, finden volkswirtschaftliche<br />
Opportunitäten, gerade in der Allokation knapper öffentlicher<br />
Mittel, bisher wenig Beachtung. Wie kann beispielsweise <strong>die</strong><br />
Förderung der erneuerbaren Energien zur notwendigen Entwicklung<br />
der Übertragungsnetze beitragen, wie wird <strong>die</strong> europäische<br />
Netzstruktur kompatibel gestaltet? Wenn im Güterverkehr,<br />
wie von der Politik seit Jahren gefordert, 25% der<br />
Verkehrsleistung auf <strong>die</strong> Schiene verlagert werden sollen,<br />
welche Kapazitäten sind bis wann dafür erforderlich und wie<br />
kann der entsprechende Netzausbau finanziert werden? Mit<br />
der Entscheidung, Projekte zum Ausbau der Binnenwasserstraßen<br />
zu repriorisieren, hat das BMVBS im Jahr 2011 eine<br />
strategische Richtung aufgezeigt, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> finanzielle Hinterlegung<br />
des Investitionsrahmenplanes konsequent weiterverfolgt<br />
werden sollte. So wie in den Jahren nach 2001, wie von<br />
Prof. Aberle angeführt, <strong>die</strong> Milliarden aus den Versteigerungserlösen<br />
der UMTS-Frequenzen für das <strong>Zukunft</strong>sprogramm des<br />
Bundes für Infrastrukturausbau verwendet wurden, bleibt <strong>die</strong><br />
bedarfsgerechte Infrastrukturanpassung eine vorrangige gesellschaftliche<br />
Aufgabe. Der angestrebte Aus- und Umbau der<br />
Energie- und Verkehrsnetze zur Erreichung der Klimaziele bis<br />
2020 ausschließlich mit bestehenden Finanzierungsinstrumenten<br />
wird, bei einer volkswirtschaftlichen und politischen Betrachtung,<br />
weder fristgerecht geplant noch umgesetzt werden können.<br />
Wie wichtig sind <strong>die</strong> folgenden Prämissen und ordnungspolitischen<br />
Rahmenbedingungen für Ihren Sektor bei<br />
Entscheidungen zur Infrastrukturentwicklung?<br />
Verlässlicher<br />
ordnungspolitischer 2 4 28 66<br />
Rahmen<br />
Klare politische Ziele u.<br />
<strong>Zukunft</strong>svorstellungen<br />
Effiziente Prozesse zur<br />
Planungs-Umsetzung<br />
Finanzierungsmittel/<br />
-anreize<br />
Attraktive<br />
Renditeerwartung<br />
Adäquate Regulierung<br />
Branchenübergreifende<br />
1 9 28 46 16<br />
Synergien<br />
Internationale<br />
Marktöffnung<br />
N = 83<br />
Sehr unwichtig<br />
2 5 27 66<br />
Planungssicherheit 2 6 25 67<br />
1 16 50 33<br />
9 18 40 33<br />
7 23<br />
56 14<br />
1 9 24 44 22<br />
1 11 35<br />
42 11<br />
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %<br />
Eher unwichtig<br />
Weder noch<br />
Abb. 8: Wichtigkeit Planungsprämissen für<br />
Infrastrukturentwicklung<br />
Eher wichtig<br />
Dieses veränderte Bewusstsein bedeutet für <strong>die</strong> Infrastrukturbetreiber,<br />
dass <strong>die</strong> systemischen Effekte umfassend berücksichtigt<br />
und transparent kommuniziert werden müssen, um <strong>die</strong> gesellschaftliche<br />
Akzeptanz von Infrastrukturprojekten zu verbessern.<br />
Infrastrukturleistungen sind in der Regel nicht speicherbare<br />
Dienstleistungen. Durch intelligente Vernetzung und Regelungsfähigkeit<br />
sowie dezentrale Erzeugungs- und Speichermöglichkeiten<br />
wird sich der Energiesektor weiter verändern. Diese<br />
Veränderungen werden sich letztlich auch auf <strong>die</strong> Energienutzung<br />
und das Nutzerverhalten im Verkehrssektor auswirken.<br />
Die emotionalisierte Debatte um Aus- oder Rückbau von Netzen<br />
bedarf deshalb einer glaubwürdigen und aus Nutzer- und Bürgerperspektive<br />
nachvollziehbaren Argumentation, eines nachhaltigen<br />
Narrativs für <strong>die</strong> Infrastrukturentwicklung.<br />
Verlässliche Rahmenbedingungen<br />
für <strong>die</strong> Infrastrukturentwicklung<br />
Sehr wichtig<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Aufgrund der Langfristigkeit und der Höhe der Investitionen<br />
werden verlässliche Rahmenbedingungen und politische Zielvorstellungen<br />
fast unisono als wichtigste Prämissen für nachhaltige<br />
Entscheidungen gefordert, unterstützt durch effiziente<br />
Umsetzungsprozesse und Finanzierungsanreize. Die Hälfte<br />
der Befragten bestätigt eine Gleichzeitigkeit von Wachstum in<br />
Ballungszentren und Schrumpfung des Infrastrukturbedarfes<br />
in der Peripherie. Sowohl eine angemessene Renditeerwartung<br />
als auch branchenübergreifende Synergien werden als wichtig<br />
eingestuft.<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 19
„Modern Commons“<br />
Die Mehrzahl der Befragungsteilnehmer unterstreicht erhöhten<br />
Handlungsbedarf bezüglich verlässlicher Rahmenbedingungen<br />
für nachhaltige Entscheidungen in der Infrastrukturentwicklung<br />
(vgl. Abb. 8).<br />
--<br />
Langfristige Infrastrukturplanungen bedürfen verlässlicher<br />
ordnungspolitischer Rahmenbedingungen; eine Prämisse,<br />
<strong>die</strong> mit einem Wert von 94% in der ganzen Stu<strong>die</strong> am höchsten<br />
priorisiert wurde. 93% fordern klare politische Ziele und<br />
<strong>Zukunft</strong>svorstellungen sowie erhöhte Planungssicherheit<br />
(91%) als unabdingbare Vorbedingung für Ihre Investitionsentscheidung.<br />
--<br />
Ein effizienter Prozess zur Planungsumsetzung (83%) und<br />
<strong>die</strong> Bereitstellung von Finanzierungsmitteln bzw. -anreizen<br />
(73%) besitzen ebenfalls eine hervorgehobene Bedeutung.<br />
--<br />
Branchenübergreifende Synergien in der Infrastrukturentwicklung<br />
(61%) weisen auf mögliche Potenziale bei Flächennutzung,<br />
Betrieb und Instandhaltung z.B. durch integrierte<br />
Planung, Vernetzung oder physische Bündelung hin.<br />
--<br />
Mehr als neun von zehn Befragten nennen verlässliche Rahmenbedingungen,<br />
klare politische Zielvorstellungen und Planungssicherheit<br />
als wichtigste Prämissen ebenso wie effiziente<br />
Umsetzungsprozesse (83%) und Finanzierungsmittel bzw.<br />
-anreize (73%). Eine solide Renditeerwartung wird als wichtig<br />
eingestuft (69%), ebenso wie das Potenzial durch branchenübergreifende<br />
Synergien (61%).<br />
--<br />
Eine adäquate Regulierung sehen zwei Drittel als sehr wichtig<br />
an, ein Viertel beurteilt das Thema Regulierung für ihre Infrastrukturentwicklung<br />
neutral bzw. jeder Zehnte erachtet es<br />
als unwichtig.<br />
Die nachhaltige Gestaltung von Infrastruktur erfordert zunehmend<br />
eine integrierte Infrastrukturentwicklung, eine sektorübergreifende<br />
Planung sowie technisch kompatible Standards<br />
- auch über kommunale und nationale Grenzen hinweg.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Die Erwartungen an nachhaltige Entscheidungen im Infrastruktursektor<br />
haben ebenso zugenommen wie <strong>die</strong> Komplexität und<br />
Dynamik, <strong>die</strong> mit jeder Infrastrukturentwicklung verbunden sind.<br />
Angesichts steigenden Investitionsbedarfs für Infrastrukturnetze<br />
sind sowohl <strong>die</strong> Präzisierung von Zielen und Nutzen, als auch<br />
<strong>die</strong> Maßnahmen zur Akzeptanz von Infrastrukturanpassungen<br />
zu optimieren. Folgende Thesen für eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung<br />
können abschließend formuliert werden:<br />
--<br />
„Modern Commons“ sind das Fundament von Wohlstand und<br />
Lebensqualität. Leistungsfähige Infrastrukturnetze bilden das<br />
zentrale Nervensystem der arbeitsteiligen Marktwirtschaft<br />
und sind ein entscheidender Standortvorteil für Deutschland.<br />
Nachhaltige Infrastrukturentwicklung erfordert angesichts der<br />
extrem langfristigen Investitionsentscheidungen und bei aller<br />
Ungewissheit über zukünftige Entwicklungen verlässliche<br />
Rahmenbedingungen. Sie sollen einen verbindlichen Handlungsrahmen<br />
vorgeben, aber auch iterative Erkenntnisprozesse<br />
und Anpassungen zulassen. Eine adäquate Regulierung ist<br />
entsprechend den Marktphasen notwendig, aber der jeweiligen<br />
Entwicklung der Märkte anzupassen und im Einklang mit den<br />
übergeordneten politischen Zielen zu gestalten.<br />
--<br />
Der Erhalt leistungsfähiger Infrastruktur erfordert zur Kapazitäts-<br />
und Qualitätssteigerung lebenszyklusgerechte Investitionen<br />
auf hohem Niveau – sowohl für bestandssichernde<br />
Erneuerung, als auch für bedarfsgerechten Neu- und Ausbau.<br />
Mehrjährige Leistungsvereinbarungen (LuFV), <strong>die</strong> nicht den<br />
Schwankungen von Haushaltsperioden unterliegen, garantieren<br />
Wirtschaftlichkeit und solide Infrastrukturqualität, nicht<br />
nur für <strong>die</strong> schienengebundene Infrastruktur. So präsentierte<br />
<strong>die</strong> schwedische Infrastrukturministerin auf dem <strong>Infrastrukturgipfel</strong><br />
2011 das Modell einer zehnjährigen LuFV mit messbaren<br />
Qualitätskriterien für Straße, Schiene, öffentliche Flughäfen<br />
und Wasserwege, wie sie in Schweden vom Parlament beschlossen<br />
wurde.<br />
--<br />
Die ambitionierten Klimaziele und <strong>die</strong> Beschlüsse zur deutschen<br />
Energiewende können nur mit leistungsfähiger Infrastruktur<br />
erreicht werden, für <strong>die</strong> allerdings eine sektorübergreifende<br />
Planung erforderlich ist. Die haushaltsabhängige Finanzierung<br />
reicht nicht, um <strong>die</strong> notwendige Kapazität für <strong>die</strong> erwünschte<br />
Verkehrsverlagerung zur Schiene oder <strong>die</strong> Stärkung der Elektromobilität<br />
rechtzeitig sicherzustellen. Durch <strong>die</strong> systemische<br />
Bewertung von Einzelmaßnahmen könnten wesentliche Kapazitätsengpässe<br />
in Verkehrs- und Energienetzen, bei Umpriorisierung<br />
der vorhandenen Mittel, zielführend beseitigt werden.<br />
Langfristige Investitionsplanung mit verbindlichen Finanzierungszusagen<br />
erhöht Effizienz und Planungssicherheit für<br />
<strong>die</strong> Infrastrukturunternehmen, was sich positiv auf <strong>die</strong> Entwicklung<br />
der System- und Nutzungskosten auswirkt.<br />
--<br />
Angesichts der demografischen Entwicklung erfordert <strong>die</strong><br />
Gleichzeitigkeit von Schrumpfen und Wachsen differenzierte<br />
Strategien zur Sicherung von Qualität, Versorgungssicherheit<br />
und Nachhaltigkeit zentraler und dezentraler Infrastrukturen<br />
für Energie, Verkehr und Telekommunikation. Die geringere<br />
Nachfrage in der Peripherie braucht innovative und wirtschaftlich<br />
tragfähige Lösungen, <strong>die</strong> kleine, flexible Einheiten effizient<br />
integrieren. Die Digitalisierung wird <strong>die</strong> Wertschöpfungsketten<br />
im Verkehrs- und Energiesektor (z.B. mittels smart grids)<br />
sukzessive verändern. Die Konvergenz der Infrastrukturen<br />
für Mobilität, Energie und Kommunikation erzeugt hierfür<br />
Synergiepotenziale, <strong>die</strong> bei systemischer Betrachtung der<br />
Infrastruktur im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung<br />
gestaltet werden können.<br />
--<br />
Wird <strong>die</strong> Infrastruktur als systemrelevantes Rückgrat der<br />
gesellschaftlichen Prozesse zur Sicherung einer nachhaltigen<br />
Lebens- und Wirtschaftsgrundlage verstanden, kann <strong>die</strong><br />
gesellschaftliche Akzeptanz z.B. von Masterplänen zum zukunftsweisenden<br />
Umbau bewährter Versorgungssysteme<br />
verbessert werden. Ein neues Narrativ für Infrastrukturentwicklung,<br />
das <strong>die</strong> Lasten von Betroffenen dem Nutzen für <strong>die</strong><br />
Gemeinschaft systematisch gegenüberstellt, erhöht <strong>die</strong><br />
Transparenz und setzt für berechtigte lokale Diskussionen<br />
von Einzelmaßnahmen einen glaubwürdigen Rahmen. Die<br />
Nachhaltigkeit der Infrastruktur liegt im Interesse aller heute<br />
Beteiligten und in jenem der kommenden Generationen.<br />
20 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
Verzeichnis der Abkürzungen<br />
Literaturverzeichnis<br />
Graham, Steven / Marvin, Simon (2001): Splintering Urbanism: Networked<br />
Infrastructures, Technological Mobilities and the Urban Condition, New York<br />
Jochimsen, Reimut (1966): Theorie der Infrastruktur, Tübingen<br />
Moss, Timothy / Naumann, Matthias (2007): Neue Räume der Wasserbewirtschaftung<br />
– Anpassungsstrategien der Kommunen. In: Haug, Peter<br />
/ Rosenfeld, Martin T. W.: Die Rolle der Kommunen in der Wasserwirtschaft.<br />
Hallesches Kolloquium zur kommunalen Wirtschaft 2005. Schriften des Instituts<br />
für Wirtschaftsforschung Halle, Band 25., Baden-Baden, S. 139-160<br />
Naisbitt, John (1982): Megatrends. Ten New Directions Transforming our<br />
Lives, New York<br />
Ostrom Elinor / Helfrich, Silke (2011): Was mehr wird, wenn wir teilen.<br />
Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter, München<br />
Ronellenfitsch, Michael (2003): Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff.<br />
Aktuelle Entwicklungen im nationalen und europäischen Recht. In:<br />
Blümel, Willi et al. : “Ernst Forsthoff”, Kolloquium zum 100. Geburtstag<br />
von Prof. Ernst Forsthoff, Heidelberg, S. 53-114<br />
Smith, Adam (1776): Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of<br />
Nations, London<br />
v. Hirschhausen, Christian ( 2005): Infrastrukturpolitik: Mehr Wachstum<br />
durch Wettbewerb, Regulierung und Privatbeteiligung, Transport Economics<br />
and Other Infrastructure Working Papers, WP-TR-07, Dresden<br />
Verzeichnis der Abkürzungen<br />
ADAC Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V.<br />
AG Aktiengesellschaft<br />
BDI Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.<br />
BMVBS Bundesministerium für Verkehr,<br />
Bau und Stadtentwicklung<br />
ct Euro-Cent<br />
DB Deutsche Bahn<br />
DB AG Deutsche Bahn AG<br />
DENA Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)<br />
ERTMS European Rail Traffic Management System<br />
ETCS European Train Control System<br />
EUREF Europäisches Energieforum<br />
EU Europäische Union<br />
EUR Euro<br />
EZB Europäische Zentralbank<br />
<strong>InnoZ</strong> Innovationszentrum für Mobilität und<br />
gesellschaftlichen Wandel (<strong>InnoZ</strong>) GmbH<br />
IRP Investitionsrahmenplan<br />
KeL Kosten der effizienten Leistungserstellung<br />
kV Kilovolt<br />
kWh Kilowattstunde<br />
LuVF Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung<br />
MCC Mercator Research Institute on Global Commons<br />
and Climate Change<br />
Mrd. Milliarde<br />
NIMBY Not in my backyard<br />
PIK Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung<br />
PPP Public Private Partnership<br />
TEN Trans-European Networks<br />
UMTS Universal Mobile Telecommunications System<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft 21
Rückblick & Ausblick<br />
Eindrücke des Infratrukturgipfels 2011<br />
<strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong><br />
Konvergenz der Netze – Wirtschaft, Politik und Investoren<br />
diskutieren den Infrastrukturausbau in Deutschland<br />
Der Schöneberger Gasometer: Einst modernes Infrastrukturbauwerk „von außerordentlicher Kühnheit, ein technisches<br />
Wunder von klarer, sinnreicher Konstruktion, <strong>die</strong> auch dem Laien eine verständliche Sprache redet, der sofort beim<br />
Anblick <strong>die</strong>ser Konstruktion Zweck und Funktion der einzelnen Bauteile begreift und versteht.“ So pries der Berliner<br />
Architekt Bruno Möhring 1912 in einem Gutachten den Schöneberger Gasometer, in dem seit 2010 – rund hundert Jahre<br />
nach Inbetriebnahme – der Handelsblatt-<strong>Infrastrukturgipfel</strong> zur <strong>Zukunft</strong> der Infrastruktur in Deutschland stattfindet.<br />
Dieses immer noch beeindruckende Industriedenkmal beherbergt den interdisziplinären EUREF-Campus, auf dem Berlins<br />
erstes klimaneutrales Quartier entsteht. Dieser Ort ist bestens geeignet, um sektorübergreifend <strong>die</strong> Auswirkungen des<br />
Klimawandels, des demografischen Wandels und der Staatsverschuldung auf <strong>die</strong> Infrastrukturplanung zu erörtern und<br />
im ergebnisoffenen Diskurs nach tragfähigen Lösungen für deren nachhaltige Entwicklung und Finanzierung zu suchen.<br />
Galten in der Gründungsperiode der urbanen und überregionalen Versorgungsstrukturen Innovationen wie Elektrizität,<br />
moderne Mobilität und Fernsprechen als große technischen Errungenschaften, <strong>die</strong> aufgrund hoher Investitionskosten<br />
und Skaleneffekten zu natürlichen Monopolen ausgebaut wurden, erwarten <strong>die</strong> Bürger in einer modernen Marktwirtschaft<br />
eine langfristige und nachhaltige Infrastrukturpolitik.<br />
„Wie soll und kann Infrastruktur zukunftsfähig weiterentwickelt und finanziert werden?“ fragen sich deshalb Anfang<br />
<strong>2012</strong> Verantwortliche aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auf dem 3. Handelsblatt-<strong>Infrastrukturgipfel</strong>. Das <strong>InnoZ</strong><br />
begleitet <strong>die</strong> Veranstaltung wie schon in den Vorjahren aus wissenschaftlicher Sicht und in der Programmgestaltung.<br />
Die Teilnehmer können sich <strong>2012</strong> auf der zwischenzeitlich ausgebauten „Plattform elektroMobilität“ auf dem EUREF-<br />
Campus über <strong>die</strong> Vernetzung von erneuerbaren Energien, digitaler Kommunikation und Steuerung sowie über nachhaltige<br />
Mobilitätsketten anhand konkreter Projekte und anschaulicher Exponate informieren.<br />
www.infrastrukturgipfel.de<br />
22 <strong>Infrastrukturgipfel</strong> <strong>2012</strong> · Begleitheft
Bahnhof südkreuz<br />
Hauptbahnhof<br />
Plattform<br />
elektromobilität<br />
BER<br />
Berlin<br />
EUREF-Campus<br />
<br />
<br />
Plattform<br />
elektroMobilität<br />
Innovationszentrum für Mobilität und<br />
gesellschaftlichen Wandel (<strong>InnoZ</strong>)<br />
Das <strong>InnoZ</strong> erstellt methodisch fun<strong>die</strong>rte Markt- und Umfeldanalysen<br />
sowie qualitative und quantitative Prognosen mit Blick auf alle<br />
mobilitätsrelevanten Handlungsfelder. Gemeinsam mit Entscheidungsträgern<br />
aus Verkehrswirtschaft, Verkehrspolitik und Verwaltung<br />
entwickeln wir innovative Lösungskonzepte, Produkte<br />
und Dienstleistungen im Spannungsfeld von Mobilität und gesellschaftlichem<br />
Wandel.<br />
Wir begleiten unsere Partner in der Pilotierungs- und Einführungsphase<br />
neuer Mobilitätsprodukte und -<strong>die</strong>nstleistungen, stellen<br />
Erprobungsräume für komplexe Anwendungen, Nutzerakzeptanzforschung<br />
und Veranstaltungen zur Verfügung und koordinieren<br />
<strong>die</strong> Gesamtvorhaben.<br />
Als bundesweit einmalige Erprobungs- und Anlaufstelle zu Themen<br />
rund um Energie, Mobilität und Infrastruktur betreibt <strong>InnoZ</strong> <strong>die</strong><br />
Plattform elektroMobilität mit ihren drei Funktionen als Erklärzentrale,<br />
Praxislabor und Forum.
Innovationszentrum für Mobilität<br />
und gesellschaftlichen Wandel (<strong>InnoZ</strong>) GmbH<br />
Torgauer Straße 12-15<br />
10829 Berlin (Schöneberg)<br />
Tel +49 (0)30 23 88 84-0<br />
Fax +49 (0)30 23 88 84-120<br />
info@innoz.de<br />
www.innoz.de<br />
Redaktion:<br />
Frank Hunsicker<br />
Gestaltung: designhaus berlin<br />
Druck: Druckerei Conrad<br />
gedruckt auf: Recymago