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Schema Kündigungsschutzklage

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Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

SS 09<br />

Die Klage gegen eine ordentliche Kündigung:<br />

Kündigungsschutzklage<br />

A. Zulässigkeit<br />

I. Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten, § 2 I Nr. 3 b) ArbGG<br />

Def.: Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages gegen<br />

Entgelt im Dienste eines anderen weisungsabhängige Arbeit verrichtet. (vgl. Fall<br />

1)<br />

II.<br />

III.<br />

Zuständigkeit<br />

1. Sachlich: ArbGG, § 8 I ArbGG<br />

2. Örtlich, § 46 II ArbGG i.V.m. §§ 48 Ia ArbGG, 12 ff. ZPO (i.d.R. § 29 I<br />

ZPO)<br />

Partei-, Prozess,- Postulationsfähigkeit (§ 46 II ArbGG i.V.m. §§ 50 ff. ZPO<br />

und § 11 ArbGG)<br />

IV.<br />

Klageart: Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG ist eine besondere<br />

Feststellungsklage zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der speziellen<br />

Kündigung bzgl. der Fehler, die laut § 4 S. 1 KSchG gerügt werden können<br />

(s.u. Erläuterungen), ansonsten Allgemeine Feststellungsklage<br />

Punktueller Streitgegenstandsbegriff<br />

V. Besonderes Feststellungsinteresse<br />

Das Feststellungsinteresse ist bei einer K-Schutzklage nach § 4 KSchG<br />

wegen der Gefahr der Präklusion nach § 7 KSchG stets gegeben.<br />

VI.<br />

Ordnungsgemäße Klageerhebung: Form, § 46 II ArbGG i.V.m. § 253 ZPO<br />

- 1 -


Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

SS 09<br />

B. Begründetheit<br />

Beachte: Fehlen Hinweise im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass<br />

alles ordnungsgemäß gelaufen ist!<br />

I. Wirksame Kündigungserklärung<br />

1. Schriftform, § 623 BGB<br />

2. Erklärung vom richtigen Arbeitgeber<br />

3. Wirksamwerden der Erklärung (tatsächlicher Zugang!), § 130 BGB<br />

II. Kündigungsfristen, § 622 BGB<br />

III. Einhalten der Klagefrist, §§ 4, 5, 7 KSchG<br />

die Anwendbarkeit des KSchG ist hier nicht zu prüfen!!! (s. Anm.)<br />

IV. Allgemeine Unwirksamkeitsgründe und besondere<br />

Kündigungsverbote<br />

1. Unwirksamkeitsgründe<br />

a) § 134 BGB Verstoß gegen Verbotsgesetz (P! AGG)<br />

b) § 138 BGB sittenwidrige Kündigung; Einhaltung eines<br />

ethischen Minimums (z.B. Kündigung aus Rachsucht; P!<br />

Wertung des AGG muss hier verarbeitet werden, aber KEINE<br />

Prüfung des AGG wg. § 2 Abs. 4 AGG!!)<br />

c) § 242 BGB treuwidrige Kündigung (insbes. ungehörige<br />

Kündigung) z.B. ehrverletzende Form (Aushang am schwarzen<br />

Brett), Kündigung zur Unzeit (Bsp.: Kündigung bei Tod eines<br />

Angehörigen, Krankheit; wohl (-) bei Urlaub, Heiligabend)<br />

d) § 612a BGB, Maßregelungsverbot (Kopftuchfall,<br />

Gewerkschaftsbeitritt); besonderes in § 11 TzBfG<br />

e) § 174 BGB, Unwirksamkeit wegen fehlender<br />

Vollmachtsurkunde (Vollmacht besteht tatsächlich, darum<br />

Erklärung wirksam, wird nur nachträglich unwirksam.<br />

Abzugrenzen von § 164 BGB – keine Vertretungsmacht,<br />

Erklärung ist dann unwirksam.)<br />

f) Zustimmungserfordernis: Schwerbehinderte, § 85 SBG IX<br />

2. Kündigungsverbote<br />

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Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

SS 09<br />

V. Anzeigepflichtigkeit<br />

VI.<br />

a) Gesetzliche: Schwangere, § 9 MuSchG; Elternzeit § 18 BEEG;<br />

Betriebsübergang § 613a IV BGB; Betriebsratsmitglieder und<br />

Auszubildende, § 15 KSchG und § 22 II BBiG (jeweils nur<br />

außerordentliche Kündigung möglich); Wehrdienstleistende,<br />

§ 2 ArbPlSchG; § 103 BetrVG<br />

b) Vertragliche Kündigungsverbote: Individual- oder<br />

kollektivvertragliche Unkündbarkeit (nur Ausschluss der<br />

ordentlichen Kündbarkeit zulässig)<br />

Massenentlassungen sind gem. § 17 KSchG anzeigepflichtig. Anzeige<br />

muss vor Ausspruch der Kündigung erfolgen<br />

Anhörung des Betriebsrates, §§ 102, BetrVG<br />

VII.<br />

Wirksamkeit nach dem KSchG<br />

(Kündigungsschutz im engeren Sinne)<br />

Beachte: Nach neuester BAG Rechtsprechung steht § 2 IV AGG der<br />

Anwendbarkeit des KSchG in Diskriminierungssachverhalten nicht gänzlich<br />

entgegen: Die Wertungen des AGG sind im Rahmen der Sozialwidrigkeit<br />

der Kündigung zu berücksichtigen<br />

1. Geltungsbereich des KSchG<br />

a) Arbeitnehmer<br />

b) Persönlicher Anwendungsbereich, § 1 I KSchG, Wartezeit 6<br />

Monate<br />

c) Sachlicher Anwendungsbereich, § 23 I 2-4 KSchG (heute:<br />

mehr als 10 AN)<br />

2. Soziale Rechtfertigung: Vorliegen eines Kündigungsgrundes, § 1 II<br />

KSchG<br />

a) Abgrenzung der Kündigungsgründe<br />

Personenbedingte,<br />

Verhaltensbedingte,<br />

Betriebsbedingte Kündigung<br />

- 3 -


Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

SS 09<br />

Betriebsbedingte Kündigung:<br />

„X kann betriebsbedingt gekündigt werden, wenn seiner<br />

Beschäftigung dringende betriebliche Erfordernisse<br />

entgegenstehen. Das ist der Fall, wenn sein Arbeitsplatz auf<br />

Grund einer unternehmerischen Entscheidung entfällt.“<br />

Betriebliches<br />

Erfordernis<br />

aa) Unternehmerische Entscheidung<br />

beruht i.d.R. auf inner- oder außerbetrieblichen Gründen. Die<br />

Unterscheidung ist aber irrelevant, da es auf sie nur für<br />

Beweislastfragen ankommt.<br />

Merke: ist grundsätzlich wegen Art. 12 I GG nur auf Willkür<br />

überprüfbar<br />

Die Kündigung selbst ist nicht die Unternehmerentscheidung<br />

bb) Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit<br />

gerichtlich voll überprüfbar<br />

cc) Kausalität zwischen Unternehmerentscheidung und Wegfall<br />

dd) Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses<br />

Ist nur relevant bei Kündigungen ohne unternehmerisches Konzept,<br />

z.B. zur Leistungsverdichtung oder Stilllegung. Ansonsten schon im<br />

Ultima-Ratio-Prinzip erfasst.<br />

Personenbedingte Kündigung<br />

Umstände, aus der Sphäre des Arbeitnehmers; nur solche<br />

Gründe, die auf den persönlichen Eigenschaften und<br />

Fähigkeiten des Arbeitnehmers beruhen.<br />

Verhaltensbedingte Kündigung<br />

Schuldhafte Verletzung einer vertraglichen Haupt- oder<br />

Nebenpflicht<br />

b) Beurteilungszeitpunkt; Prognoseprinzip<br />

- 4 -


Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

SS 09<br />

Betriebsbedingte Kündigung<br />

Wegfall ist dauerhaft<br />

Personenbedingte Kündigung<br />

Beeinträchtigung ist dauerhaft<br />

Verhaltensbedingte Kündigung<br />

Pflichtverletzung hat das Arbeitsklima nachhaltig zerstört,<br />

Fortsetzung ausgeschlossen<br />

c) Ultima-Ratio-Prinzip (= ist die Kündigung wirklich<br />

erforderlich?)<br />

Betriebsbedingte Kündigung<br />

aa) keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf anderem freien<br />

Arbeitsplatz, § 1 II 2 KSchG;<br />

bb) Vorrang der Änderungskündigung, § 1 II 3 KSchG<br />

cc) Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungsoder<br />

Fortbildungsmaßnahmen, § 1 II S. 3 KSchG<br />

dd) Fehlen sonstiger milderer Mittel<br />

Personenbedingte Kündigung<br />

Fehlen milderer Mittel<br />

Verhaltensbedingte Kündigung<br />

aa) Abmahnung<br />

bb) Fehlen sonstiger milderer Mittel<br />

d) Sozialauswahl oder Interessenabwägung<br />

Betriebsbedingte Kündigung<br />

Sozialauswahl, § 1 III bis IV KSchG<br />

aa) Auswahlrelevanter Personenkreis<br />

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Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

SS 09<br />

bb) Konkretisierung der sozialen Gesichtspunkte<br />

cc) Einschränkung durch berechtigte betriebliche Interessen,<br />

§ 1 III 2 KSchG<br />

dd) Auswahlrichtlinien, § 1 IV KSchG<br />

ee) Interessenausgleich mit Namensliste § 1 V 2 KSchG<br />

Personenbedingte Kündigung<br />

Interessenabwägung<br />

Verhaltensbedingte Kündigung<br />

Interessenabwägung<br />

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Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

SS 09<br />

Notizen zum <strong>Schema</strong>:<br />

In der Zulässigkeit bei der Klageart, Prüfung ob Kündigungsschutzklage nach<br />

KSchG einschlägig ist: Muss dafür die Anwendbarkeit des KSchG geprüft werden?<br />

Auf die Anwendbarkeit des KSchG kommt es für die Zulässigkeit einer<br />

Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG nicht an. Die ist immer zulässig, wenn die<br />

Unwirksamkeit einer Kündigung geltend gemacht wird. Wenn etwas anderes geltend<br />

gemacht wird, z.B. die Unwirksamkeit der Kündigungserklärung oder des<br />

Kündigungszeitpunktes (Einhalten der Klagefrist), muss allgemeine<br />

Feststellungsklage erhoben werden.<br />

In der Begründetheit: Klagefrist § 4 KSchG = materielle Präklusionsfrist<br />

Auch hier muss nicht die Anwendbarkeit des KSchG vorher geprüft werden, denn die<br />

Frist greift wegen § 23 I 3 KSchG unabhängig von der Anzahl der AN im Betrieb und<br />

auch die Wartezeit des § 1 I KSchG bedeutet nicht, dass die Präklusion nicht gelten<br />

würde. Die Wartezeit regelt nur, ob die Sozialwidrigkeit der Kündigung gerügt werden<br />

kann, nicht aber die Anwendbarkeit des § 4 KSchG, das regelt allein § 23 KSchG.<br />

Denn: In Wirklichkeit regelt § 1 I gar nicht die Anwendbarkeit des KSchG, sondern<br />

nur, ob die Sozialwidrigkeit geltend gemacht werden kann. Die Anwendbarkeit der<br />

Normen des KSchG wird allein in § 23 KSchG geregelt. Es ist darum unsauber, die<br />

Anwendbarkeit des KSchG pauschal an §§ 1, 23 KSchG zu messen. Es besteht in<br />

Wahrheit ein Stufenverhältnis: § 23 KSchG regelt die Anwendbarkeit der Normen des<br />

KSchG, also eine echte Anwendungsbereichs-Norm, § 1 I KSchG regelt nur, ob<br />

bestimmte Fehler, nämlich die Sozialwidrigkeit der Kündigung, gerügt werden<br />

können, also „anwendbar“ sind.<br />

Auf die Anwendbarkeit des KSchG kommt es darum tatsächlich erst in der Prüfung<br />

der sozialen Rechtfertigung der Kündigung an. Und hier bestimmen dann beide<br />

Normen, §§ 1 I und 23 KSchG, inwieweit diese überprüft werden kann.<br />

Merken:<br />

Die Frist des § 4 KSchG zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der<br />

Kündigung ist immer zu beachten, egal, ob KSchG sonst anwendbar, egal<br />

welche Klageart.<br />

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Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

SS 09<br />

Außer- oder innerbetriebliche Gründe:<br />

Umsatzrückgang, weniger Aufträge, veränderte Wirtschaftslage, anderes<br />

Konsumverhalten, neue Geschäftsidee, neue Marktstrategien, neue Kundengruppen<br />

Unternehmerentscheidung (Organisationsentscheidung)<br />

z.B. eine Abteilung mehr oder weniger haben, dieselbe Arbeit durch effektivere Gestaltung<br />

mit weniger Leuten machen, Outsourcing …<br />

Je näher diese Entscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss<br />

der AG verdeutlichen, dass der Arbeitsplatz entfallen ist (s.u.)<br />

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