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Die ordentliche Einbürgerung - Sursee

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Maturaarbeit im Fach Wirtschaft + Recht, 2011<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung<br />

Vom reinen Ermessensentscheid<br />

zum Rechtsanspruch<br />

Autorin:<br />

Betreuerin:<br />

Cathy Hutchings, 6D<br />

Ulrike Gerhardt<br />

Holzacherstr. 12 Seemattstr. 30<br />

6210 <strong>Sursee</strong> 6330 Cham


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnins .................................................................................................................................... 2<br />

1 Summary ................................................................................................................................................. 4<br />

2 Einleitung ................................................................................................................................................. 5<br />

3 Das Scheizer Bürgerrecht und die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung ................................................................ 6<br />

3.1 Das Schweizer Bürgerrecht ............................................................................................................. 6<br />

3.2 <strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung auf Bundesebene ............................................................................ 7<br />

3.3 Der Ablauf der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung im Kanton Luzern ........................................................ 7<br />

4 <strong>Die</strong> Entwicklung im Bereich der ordetntlichen Einbürgerung auf Bundesebene von 2003 bis heute .... 8<br />

4.1 <strong>Die</strong> zwei Bundesgerichtsentscheide vom 9. Juli 2003 ..................................................................... 8<br />

4.1.1 <strong>Die</strong> Grundrechte und mögliche Konflikte zwischen Grundrechten und politischen<br />

Rechten.................................................................................................................................... 8<br />

4.1.2 <strong>Die</strong> Vorgeschichte zu den Entscheiden des Bundesgerichts vom 9. Juli 2003 ......................11<br />

4.1.3 <strong>Die</strong> wichtigsten Erwägungen des Bundesgerichtes in den beiden Entscheiden ...................12<br />

4.1.4 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Rechtsnatur und Reaktionen auf die Entscheide ........................14<br />

4.2 <strong>Die</strong> Revision des Bürgerrechtsgesetzes vom 3. Oktober 2003 ......................................................15<br />

4.2.1 Das Zustandekommen und Inhalt der Revision ....................................................................15<br />

4.2.2 <strong>Die</strong> Einführung kostendeckender Gebühren.........................................................................15<br />

4.1.3 <strong>Die</strong> Auswirkungen der Revision.............................................................................................16<br />

4.3 <strong>Die</strong> Volksabstimmung vom 26. September 2004 zum Bürgerrecht der zweiten und<br />

dritten Ausländergeneration ........................................................................................................16<br />

4.3.1 Das Zustandekommen der Abstimmung ...............................................................................16<br />

4.3.2 <strong>Die</strong> Abstimmungsvorlage ......................................................................................................16<br />

4.3.3 <strong>Die</strong> Abstimmungsergebnisse und deren Auswirkungen auf<br />

die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung ................................................................................................17<br />

4.4 <strong>Die</strong> Gegenreaktion zu den Bundesgerichtentscheiden vom Juli 2003 auf kantonaler Ebene<br />

am Beispiel des Kantons Schwyz ...................................................................................................17<br />

4.4.1 Der Bundesgerichtsentscheid vom 12. Mai 2004 zur Übergangsreglung betreffend<br />

die Zulässigkeit von Entscheiden über die Einbürgerung an Gemeindeversammlungen ....18<br />

4.4.2 <strong>Die</strong> Standesinitiative Schwyz „geheime Wahlen und Abstimmungen<br />

an Bezirksgemeinden und Gemeindeversammlungen“ ........................................................18<br />

4.5 <strong>Die</strong> Initiative Pfisterer- eine Kompromisslösung ...........................................................................19<br />

4.5.1 Das Zustandekommen des Gesetzentwurfes ........................................................................19<br />

4.5.2 Der Inhalt der einzelnen Bestimmungen und deren Auswirkungen auf den<br />

Rechtscharakter der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung ..................................................................19<br />

4.6 <strong>Die</strong> Volksabstimmung vom 1. Juni 2008 über die Initiative „für demokratische<br />

Einbürgerungen“ der SVP ..............................................................................................................21<br />

4.6.1 <strong>Die</strong> Ausgangslage ..................................................................................................................21<br />

2


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

4.6.2 Der Inhalt ...............................................................................................................................22<br />

4.6.3 <strong>Die</strong> Abstimmungsresultate ....................................................................................................22<br />

4.6.4 <strong>Die</strong> Folgerungen ....................................................................................................................23<br />

4.7 Der Vorschlag des Bundesrates vom 11. März 2011 zur Totalrevision des Bundesgesetze<br />

über das Schweizer Bürgerrecht ...................................................................................................23<br />

4.7.1 <strong>Die</strong> Ausgangslage ..................................................................................................................23<br />

4.7.2 Der wichtigsten Änderungen ................................................................................................23<br />

5 <strong>Die</strong> Auswirkungen der Veränderungen auf Bundesebene im Zeitraum von 2003 bis heute<br />

auf die Gemeinden im Kanton Luzern-eine Verrechtlicung der <strong>ordentliche</strong>n EInbürgerung ..............25<br />

5.1 Das Verfahren ................................................................................................................................25<br />

5.1.1 Das Verfahren mit Entscheidungskompetenz der Gemeindeversammlung bzw.<br />

des Gemeindeparlaments .....................................................................................................25<br />

5.1.2 Das Verfahren mit vorbereitender oder abschliessender Kompetenz<br />

der Bürgerrechtskommission ...............................................................................................26<br />

5.1.3 Das Verfahren mit abschliessender Kompetenz des Gemeinderats ....................................26<br />

5.2 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz .....................................26<br />

5.3 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Prüfung der Erfüllung der Bedingungen der Gesuchsteller ................27<br />

5.1.1 <strong>Die</strong> Integrationsprüfung ........................................................................................................27<br />

5.1.2 <strong>Die</strong> Sprachprüfung ................................................................................................................28<br />

5.1.3 Das Vorstrafenregister/Betreibungsregister ........................................................................29<br />

5.1.4 Weitere relevante Eignungskriterien ...................................................................................29<br />

5.4 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Verfahrensdauer .................................................................................30<br />

5.5 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Gebühren ............................................................................................31<br />

5.6 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die gesetzliche Verankerung des Verfahren in den Gemeinden ..............31<br />

5.7 Der Wunsch nach Vereinheitlichung .............................................................................................32<br />

6 Fazit .......................................................................................................................................................33<br />

7 Reflexion ................................................................................................................................................35<br />

8 Dank .......................................................................................................................................................36<br />

9 Deklaration ............................................................................................................................................36<br />

Anhang .....................................................................................................................................................37<br />

Literaturverzeichnis ............................................................................................................................38<br />

Internetquellen ...................................................................................................................................39<br />

Abbildungsverzeichnis .........................................................................................................................40<br />

Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................................40<br />

Interview mit den Gemeinden ............................................................................................................41<br />

Übersicht über die Verfahren im Kanton Luzern heute ......................................................................47<br />

3


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

1 Summary<br />

Ausgegend von den beiden Bundesgerichtsentscheiden vom 9. Juli 2003 wird in der Maturaarbeit die<br />

Entwicklung der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung auf Bundesebene bis heute aufgezeigt. Auch werden die<br />

Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Gemeinden im Kanton Luzern dargelegt.<br />

<strong>Die</strong> Bundesgerichtsentscheide veränderten den Rechtscharakter der Einbürgerung massgebend. Das<br />

Bundesgericht erklärte Urnenabstimmungen über Einbürgerungsgesuche als rechtswidrig, da die Begründungspflicht<br />

nicht erfüllt und auch die Privatsphäre der Gesuchsteller nicht ausreichend geschützt<br />

wird. Es erklärte auch, dass die Einbürgerung kein rein politischer Akt ist, sondern vielmehr ein Rechtsanwendungs-<br />

bzw. Verwaltungsakt. Aufgrund der Begründungspflicht wurde das Verfahren verrechtlicht,<br />

da Entscheide über eine Einbürgerung nicht mehr diskriminieren dürfen und zu begründen sind.<br />

<strong>Die</strong> Bundesgerichtentscheide hatten viele Reaktionen zur Folge. Ein Teil der in der Maturaarbeit aufgezeigten<br />

Änderungen unterstützte eine Verrechtlichung und trieb diese noch weiter, sodass beispielsweise<br />

auch ein Beschwerderecht an kantonale Gerichte möglich wurde. Dadurch entsteht für<br />

den Gesuchsteller ein schwacher Rechtsanspruch auf <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung.<br />

Jedoch gab es auch Widerstand gegen diese Verrechtlichung , so beispielweise im Kanton Schwyz, der<br />

vor den beiden Bundesgerichtsentscheiden über Einbürgerungen traditionell an der Urne entschieden<br />

hatte. In der Schwyzer Kantonsverfassung wurde mittels einer Initiative sichergestellt, dass Entscheide<br />

an der Gemeindeversammlung immer noch möglich sind. Auch auf Bundesebene wehrte sich insbesondere<br />

die SVP gegen diese Verrechtlichung und wollte, dass die Einbürgerung ein politischer Akt<br />

bleibt. Daher wurde eine Initiative eingereicht, mit der die Einbürgerungsentscheide an der Urne wieder<br />

eingeführt werden sollten. Das Volk lehnte diese Initiative jedoch ab und unterstützte damit die<br />

Bundesgerichtsentscheide vom 9. Juli 2003.<br />

Auch in den Gemeinden im Kanton Luzern ist die Tendenz zur Verrechtlichung zu erkennen. Viele Luzerner<br />

Gemeinden hatten vor den beiden Bundesgerichtsentscheiden den Entscheid über eine Einbürgerung<br />

an der Gemeindeversammlung gefällt. Heute entscheidet in über der Hälfte der Gemeinden<br />

eine Bürgerrechtskomission über Einbürgerungsgesuche. Auch die Überprüfung der Eignung des Gesuchstellers<br />

für eine <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung wird genauer vorgenommen und die Gemeinden haben<br />

klarere Kriterien aufgestellt, die der Gesuchsteller erfüllen muss. Daher wird für den Gesuchsteller das<br />

Verfahren transparenter und es entsteht ein gewisser Rechtsanspruch, wenn der Gesuchsteller die<br />

gegebenen Kriterien erfüllt. <strong>Die</strong>se Kriterien werden in den Gemeinden in einer Verordnung festgehalten,<br />

was früher nicht der Fall war. So entsteht auf für die Gemeinden eine grössere Rechtssicherheit.<br />

Insgesamt betrachtet kann man von einer Verrechtlichung des Verfahrens der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung<br />

sprechen, da die Kriterien, die ein Gesuchsteller erfüllen muss, heute klarer definiert sind. Weil<br />

mit der Verrechtlichung das Verfahren etwas einheitlicher geworden ist und weil die Einbürgerung als<br />

Rechtsanwendungsakt angesehen wird, in dem eine Willkür- und diskriminierungsfreie Begründung<br />

und der Schutz der Privatsphäre der Gesuchsteller gewährleistet sein müssen, entsteht für den Gesuchsteller<br />

ein gewisser Rechtsanspruch. Man kann aber (noch) nicht von einem zwingenden Rechtsanspruch<br />

sprechen, da die Gemeinden auch heute noch einen gewissen Entscheidungsspielraum haben.<br />

4


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

2 Einleitung<br />

<strong>Die</strong> Fragen, die sich rund um das Thema Einbürgerung stellen, haben mich schon immer interessiert,<br />

zumal sich mein Vater vor einiger Zeit eingebürgert hat. Auch habe ich die Auseinandersetzung in den<br />

Medien verfolgt. <strong>Die</strong> Maturaarbeit ist ein geeigneter Anlass, sich mit dem Thema genauer zu befassen.<br />

Wie der Titel der Arbeit sagt, behandelt meine Arbeit die Frage, ob die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung im<br />

Zeitraum vom 2003 bis heute eine Veränderung vom reinen Ermessensentscheid hin zu einem Rechtsanspruch<br />

erfahren hat. Es ist zu fragen, wie sich das Verfahren und der Rechtscharakter der <strong>ordentliche</strong>n<br />

Einbürgerung verändert haben. Hauptsächlich wird untersucht, ob man aus diesen Veränderungen<br />

auf eine Verrechtlichung schliessen kann und ob dadurch ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung<br />

entsteht. Wie es zur Frage nach einer Verrechtlichung kommen konnte, wird im Folgenden kurz aufgezeigt.<br />

<strong>Die</strong> Erteilung des Gemeindebürgerrechts an einen Ausländer, die immer Voraussetzung für die Erteilung<br />

des Kantons- und auch des Schweizerbürgerrechts ist 1 , wird seit langem als eine der wichtigsten<br />

Zuständigkeiten der Gemeindeversammlung betrachtet. <strong>Die</strong> Vorstellung, dass sich in der Gemeindeversammlung<br />

die Gesamtheit der Stimmbürger versammelt, um dort über die Anträge von Ausländern<br />

um Aufnahme ins Gemeindebürgerrecht ausführlich für jeden einzelnen Kandidaten zu diskutieren<br />

und dann abzustimmen, ist in der Vorstellung vieler Schweizer ein wichtiges Element der direkten<br />

Demokratie. <strong>Die</strong>se "urdemokratische" Vorstellung über den Prozess der Aufnahme von Ausländern ins<br />

Bürgerrecht spiegelte sich denn auch lange Zeit in der juristischen Literatur. Es bestand Einigkeit darüber,<br />

dass die "Einbürgerung unter allen Umständen einen politischen Akt darstellt, welcher aufgrund<br />

der Staatssouveränität vollzogen wird. Gemeinden und Kantone sollen absolut frei sein, einen Gesuchsteller<br />

ins Bürgerrecht aufzunehmen oder nicht". 2 <strong>Die</strong>se "Doktrin des politischen Aktes" hatte<br />

praktische Auswirkungen vor allem darin, dass nach einhelliger Meinung kein Anspruch auf (<strong>ordentliche</strong>)<br />

Einbürgerung bestand 3 und dass die Erteilung des Bürgerrechts im freien Ermessen der zuständigen<br />

Behörde stand. 4 Der Weiterzug ablehnender Bürgerrechtsentscheide an ein Gericht war dementsprechend<br />

aussichtslos. Abgesehen davon, dass in vielen Kantone gar keine Weiterzugsmöglichkeit an<br />

ein Gericht bestand, war auch ein Gang ans Bundesgericht regelmässig zum Scheitern verurteilt, weil<br />

das Bundesgericht auf entsprechende Beschwerden gar nicht eintrat, d.h. es ablehnte, diese überhaupt<br />

zu behandeln. 5 <strong>Die</strong>s hat sich mit zwei Urteilen, die das Bundesgericht am 9. Juli 2003 gefällt hat,<br />

entscheidend geändert. In den beiden genannten Urteilen ist das Bundesgericht erstmals auf Beschwerden<br />

abgelehnter Bürgerrechtsbewerber (teilweise) eingetreten und hat diese sogar gutgeheissen.<br />

<strong>Die</strong> beiden Urteile wurden sowohl in der Bevölkerung als auch in Juristenkreisen als eigentlicher<br />

"Paukenschlag" empfunden und haben sehr unterschiedliche Aufnahme gefunden: Während die Urteile<br />

zum Teil geradezu enthusiastisch begrüsst wurden, sahen viele Vertreter traditioneller Kreise darin<br />

eine Bedrohung "urschweizerischer" Grundwerte.<br />

Ausgehend von einer Erläuterung der Rechtsgrundlagen werden im Hauptteil der Maturaarbeit die<br />

beiden erwähnten Urteile des Bundesgerichts vom 9. Juli 2003 und die darauffolgenden Reaktionen,<br />

sowohl in der Rechtsprechung des Bundesgerichts wie auch in der Gesetzgebung, erläutert und die<br />

Tendenz zu Verrechtlichung der Einbürgerung aufgezeigt.<br />

Anschliessend wird am Beispiel des Kantons Luzern dargelegt, welche Auswirkungen die Änderungen<br />

auf Bundesebene für die Gemeinden hatten. Untersucht werden hauptsächlich Faktoren, bei denen es<br />

Veränderungen gegeben hat, die den Spielraum bezüglich der Verfahrensart und der Überprüfung des<br />

Gesuchs auf Eignung des Gesuchstellers betreffen.<br />

Der Einfachheit halber wird in der Arbeit nur jeweils die männliche Form genannt, es sind jedoch immer<br />

beide Geschlechter gemeint.<br />

1 Vgl. zu dieser sogenannten Dreistufigkeit des Schweizer Bürgerrechts Kapitel 3.1<br />

2 Werner Baumann, S. 558.<br />

3 vgl. statt vieler Fleiner/Giacometti, S. 190; Etienne Grisel, in: Kommentar aBV, N 57 zu Art. 44 aBV.<br />

4 vgl. wiederum Fleiner/Giacometti, S. 190; Etienne Grisel, in: Kommentar aBV, N 57 zu Art. 44 aBV.<br />

5 vgl. zur Begründung dieser Rechtsprechung Kapitel 4.1.1 und 4.1.2<br />

5


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

3 Das Schweizer Bürgerrecht und die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung<br />

Um die Fragen zu verstehen, die sich im Rahmen der These einer Verrechtlichung der <strong>ordentliche</strong>n<br />

Einbürgerung stellen, werden im folgenden Kapitel grundsätzliche Aspekte rund um das Schweizer<br />

Bürgerrecht aufgezeigt. Ergänzend werden wichtige Aspekte, die sich auf die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung<br />

beziehen, kurz dargelegt. Zusätzlich wird der genaue Verlauf einer Einbürgerung, von der Einreichung<br />

des Gesuchs bis zum definitiven Erwerbs des Schweizer Bürgerrechts, am Beispiel des Kantons Luzern<br />

beschrieben.<br />

3.1 Das Schweizer Bürgerrecht<br />

Beim Erwerb des Schweizer Bürgerrechts wird in der Schweiz vom Grundsatz des ius sanguinis ausgegangen,<br />

also von der Abstammung oder anders ausgedrückt der Blutsverwandtschaft. 6 Man kann das<br />

Schweizer Bürgerrecht so von Gesetzes wegen, d.h. durch die Abstammung oder Adoption, erlangen.<br />

Neben diesem Erwerb kann das Bürgerrecht auch durch Einbürgerung erlangt werden. Es gibt drei<br />

unterschiedliche Einbürgerungsarten: Liegen keine speziellen Voraussetzungen vor, muss der Bewerber<br />

ein Gesuch um <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung stellen. Daneben gibt es die Wiedereinbürgerung, also<br />

die Einbürgerung von Bürgern, die das Schweizerbürgerecht bereits besassen, und die erleichterte<br />

Einbürgerung, die hauptsächlich für Ehegatten von Schweizern oder Schweizerinnen gilt. 7 Thema der<br />

vorliegenden Arbeit ist allein die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung.<br />

Eine Eigenart des Schweizer Bürgerrechts besteht darin, dass es in das Gemeindebürgerrecht, das Kantonsbürgerrecht<br />

und in das Schweizer Bürgerrecht zerfällt: Jeder Schweizer gehört drei Gemeinwesen<br />

an: der Gemeinde, dem Kanton und dem Bund. <strong>Die</strong> drei Bürgerrechte sind untrennbar miteinander<br />

verbunden 8 , d.h. der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts ist nur zusammen mit dem Erwerb des Gemeinde-<br />

und Kantonsbürgerrechts möglich. Das Verfahren zur Erlangung des Schweizerbürgerrechts<br />

ist in den Kantonen unterschiedlich geregelt. Gemeinsam ist all diesen Regelungen, dass zunächst das<br />

Gemeindebürgerrecht zugesichert oder erteilt werden muss. Anschliessend holt die jeweils zuständige<br />

kantonale Behörde die Bundesbewilligung ein. <strong>Die</strong>se stellt eine blosse Rahmenbewilligung dar, welche<br />

bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen 9 ohne weiteres erteilt wird. Erst wenn die Zusicherung<br />

der Gemeinde und die Bundesbewilligung vorliegen, kann die Aufnahme ins Kantonsbürgerrecht erfolgen.<br />

<strong>Die</strong>ser Entscheid obliegt je nach Kanton entweder einer Verwaltungsbehörde 10 oder dem Kantonsparlament.<br />

11 Erst mit dem Entscheid über die Erteilung des Kantonsbürgerrechts verfügt der Bürgerrechtsbewerber<br />

über das volle "dreiteilige" Schweizerbürgerrecht.<br />

Mit dem Erwerb des Bürgerrechtes erhält der Gesuchsteller Rechte, aber auch Pflichten, die er erfüllen<br />

muss. Zu den wichtigsten Rechten gehören die Niederlassungsfreiheit, das Verbot, aus der Schweiz<br />

ausgewiesen zu werden, und das Stimm- und Wahlrecht. Zu den Pflichten gehört beispielsweise die<br />

Militärpflicht der Männer.<br />

Auch Ausländer haben Rechte, wenn auch nicht die mit der Rechtsstellung als Schweizerbürger verbundenen<br />

besonderen Rechte. Dabei sind im Rahmen der Fragestellung der Arbeit namentlich die<br />

Grundrechte gemäss der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April<br />

1999 (SR 101.0; BV) wie z.B. Menschenwürde, Rechtsgleichheit, Recht auf Ehe und Familie, Glaubensund<br />

Gewissensfreiheit etc. zu nennen, die nicht nur den Schweizern, sondern grundsätzlich auch allen<br />

Ausländern zustehen, die in der Schweiz leben. Im Zusammenhang mit der Einbürgerung von besonderer<br />

Bedeutung sind dabei das Diskriminierungsverbot gemäss Art 8 Abs. 2 BV und die allgemeinen<br />

Garantien für Verfahren vor Behörden und Gerichten gemäss Art. 29 BV.<br />

6 Häfelin/Haller/Keller, S. 384.<br />

7 Häfelin /Haller /Keller, S. 385.<br />

8 Art. 37 Abs. 1 BV: "Schweizerbürgerin oder Schweizerbürger ist, wer das Bürgerrecht der Gemeinde und das Bürgerrecht<br />

des Kantons besitzt".<br />

9 Vgl. dazu Art. 14 f. BüG sowie unten 3.2.<br />

10 So im Kanton Luzern; vgl. unten 3.3.<br />

11 So etwa im Kanton Aargau und im Kanton Basel-Landschaft.<br />

6


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

3.2 <strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung auf Bundesebene<br />

Auf Bundesebene sind im Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des<br />

Schweizer Bürgerrechts (SR 141.0; BüG) für die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung einige Mindestvorschriften<br />

festgehalten. Dazu gehört die „Eignung“ nach Art. 14 BüG. Der Gesuchsteller muss in die schweizerischen<br />

Verhältnisse eingegliedert sein, mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen<br />

vertraut sein, die schweizerische Rechtsordnung beachten und er darf die innere oder äussere<br />

Sicherheit der Schweiz nicht gefährden. 12 Zu dieser Eingliederung werden in der Praxis überall<br />

auch die Kenntnisse einer Landessprache, in der Regel der Sprache des Wohnsitzes, gezählt, da zur<br />

Integration gewisse Kenntnisse einer Landessprache notwendig sind.<br />

Des Weiteren muss ein Ausländer eine bestimmte Zeit in der Schweiz gelebt haben, bevor er ein Gesuch<br />

stellen kann. <strong>Die</strong>ses Wohnsitzerfordernis ist in Art. 15 BüG geregelt. Das Wichtigste für die <strong>ordentliche</strong><br />

Einbürgerung ist, dass der Gesuchsteller während insgesamt zwölf Jahren in der Schweiz<br />

gewohnt haben muss, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuches; die Jahre<br />

zwischen dem vollendeten zehnten und zwanzigsten Lebensjahr werden doppelt gezählt. 13<br />

Neben diesen Bedingungen auf Bundesebene kann jeder Kanton noch eigene Bedingungen aufstellen,<br />

wie das der Kanton Luzern zum Beispiel in § 12a des Bürgerrechtsgesetzes des Kantons Luzern vom 21.<br />

November 1994 (BüG-LU; SRL 2) getan hat. Danach muss der Bürgerrechtsbewerber, um überhaupt<br />

ein Gesuch stellen zu können, in den fünf Jahren vor dem Einreichen des Gesuchs mindesten drei Jahre<br />

in der Einbürgerungsgemeinde gewohnt haben.<br />

3.3 Der Ablauf der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung im Kanton Luzern<br />

Da das Verfahren von Kanton zu Kanton unterschiedlich ist, wird der Verfahrensablauf am Beispiel des<br />

Kantons Luzern aufgezeigt.<br />

Ein Ausländer muss sein Gesuch mit allen Unterlagen auf der Wohnsitzgemeinde einreichen. Der Gemeinderat<br />

14 prüft dann, ob die Anforderungen der Gemeinde, des Kantons und des Bundes erfüllt<br />

sind. Erachtet der Gemeinderat die Anforderungen als erfüllt, erstellt er einen Einbürgerungsbericht 15<br />

und beantragt der Gemeindeversammlung, in grösseren Gemeinden dem Gemeindeparlament oder<br />

einer durch die Gemeinde geschaffenen Einbürgerungskommission 16 , dem Bewerber das Gemeindebürgerrecht<br />

zuzusichern. Erachtet der Gemeinderat die Voraussetzungen als nicht erfüllt, wird dem<br />

Bewerber in der Regel nahe gelegt, sein Gesuch zurückzuziehen. Besteht der Bewerber auf der Behandlung,<br />

stellt der Gemeinderat dem zuständigen Gemeindeorgan (Gemeindeversammlung, Gemeindeparlament<br />

oder Einbürgerungskommission) Antrag auf Ablehnung des Einbürgerungsgesuchs.<br />

Erteilt die Wohnsitzgemeinde das Gemeindebürgerrecht, werden die Unterlagen dem Justiz- und Sicherheitsdepartement<br />

mit allen Gesuchsunterlagen zugestellt. 17 Das innerhalb des Justiz- und Sicherheitsdepartements<br />

für die Behandlung von Bürgerrechtsangelegenheiten zuständige Amt für Gemeinden<br />

prüft das Gesuch nochmals. Fällt der Entscheid zur Erteilung des Kantonsbürgerrechts positiv aus,<br />

beantragt das Amt für Gemeinden die Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung beim<br />

dafür zuständigen Bundesamt für Migration. Liegt auch die Bundesbewilligung vor, erteilt das Amt für<br />

Gemeinden das Kantonsbürgerrecht. Der Gesuchsteller erhält im Kanton Luzern also zuerst das Gemeindebürgerrecht,<br />

dann das Bundesbürgerrecht und schliesslich das Kantonsbürgerrecht. 18<br />

12 Art. 14 lit. a – d BüG.<br />

13 Art. 15 Abs. 1 und 2 BüG.<br />

14 Vgl. § 1 der Verordnung vom 9. Mai 1995 zum Bürgerrechtsgesetz (VO-BüG-LU). <strong>Die</strong> Bestimmung steht unter dem Vorbehalt,<br />

dass die Gemeinde dies nicht anders regelt. Vgl. dazu hinten 5.1.<br />

15 Vgl. § 3 Abs. 1 BüG-LU.<br />

16 Vgl. § 30 Abs. 1 lit. a sowie Abs. 2 BüG-LU. <strong>Die</strong> Möglichkeit, die Zuständigkeit zur Einbürgerung an eine Einbürgerungskommission<br />

zu übertragen, wurde neu mit der Revision des Gesetzes vom 28. April 2008 (in Kraft seit 1. August 2008 geschaffen.)<br />

Siehe dazu Kapitel 5.1.<br />

17 Vgl. § 4 Abs. 3 BüG-LU.<br />

18 Vgl. § 10 BüG-LU.<br />

7


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

4 <strong>Die</strong> Entwicklung im Bereich der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung auf Bundesebene<br />

von 2003 bis heute<br />

Im anschliessenden Kapitel wird die Entwicklung im Bereich der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung aufgezeigt.<br />

Da sich mit und seit den beiden Bundesgerichtsentscheiden vom 9. Juli 2003 19 vieles verändert hat,<br />

wird ab diesen zwei Entscheiden die Entwicklung dargelegt. <strong>Die</strong> erläuterten Veränderungen beziehen<br />

sich hauptsächlich auf die Bundesebene. Dabei werden Bemühungen der Legislative sowie der Exekutive<br />

aufgezeigt und erklärt, welche Auswirkungen diese Entwicklungen auf den Rechtscharakter der<br />

<strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung hatten.<br />

4.1 <strong>Die</strong> zwei Bundesgerichtsentscheide vom 9. Juli 2003<br />

Da sich seit den beiden Bundesgerichtsentscheiden vom 9. Juli 2003 vieles geändert hat, werden diese<br />

im Folgenden erläutert und es wird erklärt, wieso diese für die Weiterentwicklung im Bereich des<br />

Schweizer Bürgerrechtes enorm bedeutungsvoll waren. In den beiden Entscheiden ging es hauptsächlich<br />

um die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, über Einbürgerungsgesuche an der Urne abstimmen<br />

zu lassen. Das Bundesgericht prüfte, ob die Grundrechte der Bürgerrechtsbewerber bei dem<br />

Entscheid an der Urne verletzt werden, aber auch, wie der Anspruch der Stimmbürger auf Wahrnehmung<br />

ihrer politischen Rechte mit den Rechten der Bürgerrechtsbewerber vereinbart werden kann.<br />

<strong>Die</strong> beiden Bundesgerichtsentscheide waren zwar sehr zentral und hatten auch grosse Auswirkungen,<br />

jedoch war die Veränderung, die durch sie angestossen wurde, eine langsame. <strong>Die</strong> beiden Entscheide<br />

vom Juli 2003 stellten keinen Bruch in der Praxis des Bundesgerichtes dar, sondern eine folgerichtige<br />

Weiterentwicklung. Deshalb wird auch kurz die Vorgeschichte erläutert.<br />

In den beiden Entscheiden vom 9. Juli 2003 spielen einige in der Bundesverfassung verankerte Grundrechte<br />

eine zentrale Rolle. Von besonderer Bedeutung ist auch der Konflikt dieser Grundrechte mit<br />

politischen Rechten der Stimmbürger. Zunächst werden daher die betroffenen Grundrechte erläutert.<br />

Anschliessend wird darauf eingegangen, inwiefern diese Grundrechte in Konflikt mit politischen Rechten<br />

geraten können (unten 4.1.1). An diese Ausführungen schliesst sich eine kurze Vorgeschichte zu<br />

den beiden Entscheiden (unten 4.1.2), bevor diese selbst dann erläutert werden (4.1.3).<br />

4.1.1 <strong>Die</strong> Grundrechte und mögliche Konflikte zwischen Grundrechten und politischen Rechten<br />

a) Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV)<br />

Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der<br />

Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen,<br />

weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen<br />

Behinderung.<br />

Um das Grundrecht des Diskriminierungsverbots zu verstehen, muss man sich zuerst darüber im Klaren<br />

sein, was man überhaupt unter Diskriminierung versteht und wann sie vorliegt.<br />

Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person in einer vergleichbaren Situation ungleich behandelt<br />

wird und dadurch für die betroffene Person eine Benachteiligung entsteht 20 oder aber wenn eine Person<br />

ungleich behandelt wird auf Grund einer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die historisch und in der<br />

gegenwärtigen Wirklichkeit oft ausgegrenzt oder minderwertig behandelt wird. 21<br />

Der Schutz vor Diskriminierung ist in der Schweiz in der Bundesverfassung als Grundrecht verankert<br />

und gilt daher nicht nur für Schweizer Bürger, sondern auch für Ausländer in einem Einbürgerungsverfahren.<br />

In Art. 8 Abs. 2 BV werden verschiedene Kriterien aufgelistet, weswegen nicht diskriminiert<br />

werden darf, nämlich: Herkunft, Rasse, Geschlecht, Alter, Sprache, soziale Stellung, Lebensform, religiöse,<br />

weltanschauliche oder politische Überzeugung sowie eine körperliche, geistige oder psychische<br />

19 BGE 129 I 217 (Einbürgerungsentscheide Emmen) und BGE 129 I 232 (SVP-Volksinitiative Zürich).<br />

20 Rainer J. Schweizer, in: Kommentar BV, Art. 8 N 46.<br />

21 BGE 129 I 217 E. 2.1 S. 223.<br />

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Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Behinderung. 22 <strong>Die</strong>se Liste ist, wie in der Verwendung des Wortes „namentlich“ zum Ausdruck kommt,<br />

nicht abschliessend, sondern offen. Wenn jemand aufgrund eines Merkmals, das nicht in der Liste<br />

enthalten ist, diskriminiert wird, ist das auch unzulässig. Es muss aber nicht notwendigerweise eine<br />

Diskriminierung vorliegen, wenn eine Differenzierung auf Grund eines der genannten Kriterien oder<br />

eines anderen Kriteriums vorgenommen wird. Solche Ungleichbehandlungen vor dem Gesetz unterliegen<br />

jedoch einer besonderen qualifizierten Begründungspflicht. 23 Man kann daher Diskriminierung<br />

auch als eine starke Benachteiligung einer Person ohne eine sachliche und rechtfertigende Begründung<br />

definieren. 24<br />

Unzulässige Diskriminierungen sind auch in der Form der sogenannten indirekten Diskriminierung<br />

denkbar und verfassungsrechtlich unzulässig. Eine indirekte Diskriminierung zeichnet sich dadurch aus,<br />

dass auf den ersten Blick gar keine Diskriminierung vorliegt, indem eine Bestimmung neutral gefasst<br />

wird, sodass es so aussieht, als ob sie für alle gleich wirken würde. <strong>Die</strong> Bestimmung wirkt sich aber<br />

praktisch nur für bestimmte Menschen aus und wirkt auf diese Weise - trotz des neutralen Wortlauts,<br />

der an kein besonderes Merkmal eines Menschen anknüpft - diskriminierend. 25<br />

Gegen Diskriminierungen durch kommunale oder kantonale Behörden, wie sie beim Einbürgerungsverfahren<br />

vorkommen können, kann Beschwerde an das Bundesgericht eingereicht werden. 26<br />

b) Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)<br />

Nach Art. 29 Abs. 2 BV hat jeder Anspruch auf rechtliches Gehör. Das bedeutet, dass jeder, der in einem<br />

gerichtlichen Verfahren ist, das Recht hat, sich ausreichend zu informieren bzw. ausreichend über<br />

den Gegenstand und den Verlauf des Verfahrens orientiert zu werden. Zum Anspruch auf rechtliches<br />

Gehör gehört - wie schon der Name sagt - insbesondere aber auch das Recht, sich vor einem Entscheid<br />

zur Sache äussern und Anträge zum Verfahren und zur Sache stellen zu können. Zum Anspruch auf<br />

rechtliches Gehör zählt auch das Recht auf Einsicht in die Verfahrensakten. 27<br />

Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung ausserdem wiederholt festgehalten, dass aus dem<br />

Anspruch auf rechtliches Gehör auch die Begründungspflicht hervorgeht. 28 Erst durch eine Begründung<br />

wird ein behördlicher oder gerichtlicher Entscheid für den Bürger nachvollziehbar. Ausserdem ist<br />

die Begründung sehr wichtig, wenn man einen Entscheid anfechten will. Erst die Begründung macht es<br />

möglich, sich in einer Beschwerde mit dem Entscheid auseinanderzusetzen, indem man versucht zu<br />

zeigen, warum er falsch ist. 29<br />

c) Willkürverbot ( Art. 9 BV)<br />

„Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und<br />

Glauben behandelt zu werden“ (Art. 9 BV).<br />

Nach dem Bundesgericht ist ein Entscheid dann willkürlich, wenn er "grob unrichtig ist", sich „nicht auf<br />

ernsthafte, sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist“. 30 Ein Entscheid ist nicht schon<br />

dann willkürlich, wenn die Begründung willkürlich ist. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung<br />

ist ein Entscheid vielmehr erst dann willkürlich, wenn er im Ergebnis unhaltbar ist. 31 Das Bundesgericht<br />

22 Art 8 Abs. 2 BV.<br />

23 Rainer J. Schweizer, in: Kommentar BV, Art. 8 N 44.<br />

24 vgl. BGE 129 I 217 E. 2.1 S. 224.<br />

25 Rainer J. Schweizer, in: Kommentar BV, Art. 8 N 46. Als Beispiel kann etwa die Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten<br />

gegenüber Vollzeitbeschäftigten genannt werden. Da auch heute noch überwiegend Frauen eine Teilzeitbeschäftigung<br />

ausüben, wirkt sich eine unterschiedliche Behandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten vor allem zu Lasten der Frauen<br />

aus, obwohl das verwendete Kriterium (Teilzeitbeschäftigung) an sich neutral ist.<br />

26 BGE 129 I 217 E. 1.1 S. 220.<br />

27 Gerold Steinmann, in: Kommentar BV, Art. 29 N 24 f.<br />

28 BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236 f.; Gerold Steinman, in: Kommentar BV, Art. 29 N 27.<br />

29 Gerold Steinmann, in: Kommentar BV, Art. 29 N 27.<br />

30 Christoph Rohner, in: Kommentar BV, Art. 9 N 4 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung.<br />

31 Christoph Rohner, in: Kommentar BV Art. 9 N 5.<br />

9


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

überprüft auf Beschwerde hin daher nicht nur, ob die Begründung, mit welcher entschieden wurde,<br />

willkürlich ist. Selbst wenn dies der Fall ist, der Entscheid aber willkürfrei begründet werden kann,<br />

hebt das Bundesgericht den Entscheid nicht auf, sondern lässt ihn bestehen. Zu einer Aufhebung<br />

kommt es nur, wenn sich die willkürliche Begründung nicht durch eine willkürfreie Begründung ersetzen<br />

lässt, der angefochtene Entscheid somit im Ergebnis willkürlich ist.<br />

Den Schutz vor Willkür kann man als „Auffanggrundrecht“ bezeichnen, das dann greift, wenn ein<br />

rechtliches Interesse nicht mit einem spezifischen Grundrecht abgedeckt wird. 32 Da Art. 9 BV grundsätzlich<br />

alle Sachgebiete abdeckt, ist das Willkürverbot daher „nicht sachhaltig“ sondern „rechts- und<br />

gerechtigkeitshaltig“. 33<br />

Beim Willkürverbot besteht in verfahrensrechtlicher Hinsicht mit Bezug auf die Geltendmachung einer<br />

Verletzung dieses Grundrechts vor Bundesgericht eine – für die Betroffenen schwerwiegende – verfahrensrechtliche<br />

Besonderheit: Anders als bei anderen Grundrechten, deren Verletzung immer beim<br />

Bundesgericht mit Beschwerde gerügt werden kann, kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung<br />

eine Verletzung des Willkürverbots nicht allein gerügt werden. Damit das Bundesgericht eine<br />

entsprechende Rüge bzw. Beschwerde behandelt, muss das Gesetz, dessen willkürliche Anwendung<br />

gerügt wird, dem Bürger einen Rechtsanspruch einräumen, d. h. den Schutz seiner Interessen bezwecken.<br />

Mit anderen Worten: Besteht kein Anspruch auf Gewährung eines bestimmten Rechts, kann der<br />

Bürger sich nicht beim Bundesgericht darüber beschweren, wenn ihm eine Behörde das betreffende<br />

Recht mit einer willkürlichen Begründung verweigert. Besteht hingegen ein Rechtsanspruch und wurde<br />

das Gesetz willkürlich angewendet, kann man sich dagegen mit Beschwerde ans Bundesgericht zur<br />

34, 35<br />

Wehr setzen.<br />

Das Bundesgericht wurde bezüglich dieser Einschränkung des Beschwerderechts oft von verschiedenen<br />

Seiten kritisiert. Dabei wurde vorgebracht, es sollte möglich sein, stets eine Verletzung des Willkürverbots<br />

gelten zu machen, d. h. auch dann, wenn der Bürger keinen spezifischen Rechtsanspruch<br />

hat, sonst würden Wortlaut und Grundrechtscharakter von Art. 9 BV verkannt. 36 Am 20. März 2007 hat<br />

das Plenum des Bundesgerichts, d.h. die Vollversammlung aller Bundesrichter darüber beraten, ob die<br />

restriktive Rechtsprechung geändert werden soll. Eine Änderung der Rechtsprechung wurde mit 20 zu<br />

19 Stimmen abgelehnt, sodass das Bundesgericht auch heute noch an seiner restriktiven Praxis in Bezug<br />

auf die Geltendmachung von Verletzungen des Willkürverbots festhält. 37<br />

d) Konflikt zwischen den politischen Rechten der Stimmbürger und den Grundrechten der Gesuchsteller<br />

Wenn die Stimmberechtigten den Entscheid über eine Einbürgerung an der Urne treffen, kann ein<br />

Konflikt zwischen den politischen Rechten der Abstimmenden und den Grundrechten der Gesuchsteller<br />

entstehen. Nach Art. 34 BV haben die Stimmberechtigten das Recht auf freie Willensbildung und<br />

die unverfälschte Stimmabgabe, die durch die Gewährleistung der politischen Rechte gegeben sind. 38<br />

<strong>Die</strong> politischen Rechte gewährleisten damit, wenn es um Abstimmungen über Einbürgerungsgesuche<br />

geht, dass jeder nach seinem freien Willen über das Gesuch abstimmt. Dementsprechend muss auch<br />

niemand Rechenschaft darüber ablegen, welche Gründe und Motive ihn zu seiner Entscheidung geführt<br />

haben. Auf der anderen Seite haben aber die Personen, die sich einbürgern lassen wollen, Anspruch<br />

darauf, dass ihre Grundrechte beim Entscheid über ihr Einbürgerungsgesuch geachtet werden,<br />

32 Christoph Rohner, in: Kommentar BV Art. 9 N 15.<br />

33 Christoph Rohner, in: Kommentar BV, Art. 9 N 13.<br />

34 BGE 129 I 217 E. 1.3 S. 221.<br />

35 Felix Uhlmann bezeichnete das Willkürverbot als eine „Verweisnorm auf die geltende Rechtsordnung“ (vgl. Uhlmann, Rz<br />

531 ff.).<br />

36 Christoph Rohner, in: Kommentar BV, Art. 9 N 25.<br />

37 BGE 133 I 185; vgl. dazu Christoph Rohner, in: Kommentar BV, Art. 9 N 29.<br />

38 „<strong>Die</strong> politischen Rechte sind gewährleistet. <strong>Die</strong> Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die<br />

unverfälschte Stimmabgabe“ (Art. 34 Abs. 1 und 2 BV).<br />

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Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

namentlich der Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung sowie der Anspruch auf rechtliches Gehör<br />

und die damit verbundene Begründungspflicht. 39<br />

e) Konflikt zwischen politischem Recht der Stimmbürger bzw. der Informationspflicht und dem<br />

Recht auf Privatsphäre der Gesuchsteller<br />

<strong>Die</strong> Stimmbürger haben das Recht auf freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe und<br />

müssen daher im Vorfeld Zugang zu Informationen haben, um ihre eigene Meinung zu bilden. In kleinen<br />

Gemeinden, wo man sich gegenseitig kennt, kann man sich persönlich ein Bild von den Gesuchstellern<br />

machen, doch in grossen Gemeinden müsste die Behörde ein detailliertes Persönlichkeitsprofil<br />

abgeben 40 , damit sich jeder Stimmbürger ein Bild über den Bürgerrechtsbewerber machen<br />

kann.<br />

<strong>Die</strong>s würde jedoch die Privatsphäre der betroffenen Gesuchsteller verletzen. Nach Art. 13 BV hat jede<br />

Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-Postund<br />

Fernmeldeverkehrs und Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. 41<br />

Man könnte also nur Daten veröffentlichen, die diese Privatsphäre nicht verletzen. Das würde aber<br />

wiederum für die Menschen, die abstimmen, nicht genügen, um sich ein konkretes Bild von der Person<br />

zu machen, und die Gefahr, dass sie willkürlich oder diskriminierend entscheiden, wäre sehr gross. 42<br />

4.1.2 <strong>Die</strong> Vorgeschichte zu den Entscheiden des Bundesgerichts vom 9. Juli 2003<br />

Früher wurde der Entscheid über die Einbürgerung eines Bürgerrechtsbewerbers grundsätzlich als<br />

politischer Akt 43 angesehen, den die Stimmbürger - wie den Entscheid über irgendein anderes politisches<br />

Geschäft 44 - fällen. Immerhin sahen einige Autoren, dass es dabei nicht um einen Beschluss über<br />

ein Gesetz (das grundsätzlich für eine unbegrenzte Menge von Personen und Fällen gilt) ging, sondern<br />

um einen Entscheid in einem Einzelfall. 45 Man war sich aber einig, dass die Bürger nach freiem Ermessen<br />

über Einbürgerungsgesuche entscheiden können. <strong>Die</strong>ser Auffassung der Einbürgerung als politischem<br />

Akt entsprach es, dass man davon ausging, ablehnende Entscheide über Einbürgerungsgesuche<br />

könnten nicht vor Gericht angefochten werden.<br />

1988 präzisierte das Bundesgericht seine Praxis zum Willkürverbot. In einem Entscheid, der mit Einbürgerungen<br />

nichts zu tun hatte 46 , stellte das Bundesgericht fest: Wer keinen Rechtsanspruch in der<br />

Sache hat, kann sich nicht über eine willkürliche Behandlung beschweren. Insofern wurde nichts geändert.<br />

Aber: Wenn jemand - auch wenn er keinen Anspruch hat - an einem Verfahren teilnimmt, dann<br />

kann er sich zum einen darüber beschweren, dass Verfahrensrechte, die ihm zustehen - so insbesondere<br />

der Anspruch auf rechtliches Gehör - verletzt worden seien. Ausserdem kann er zwar keine Verletzung<br />

des Willkürverbots geltend machen, er kann aber geltend machen, andere Grundrechte, die<br />

ihm zustehen - so insbesondere das Diskriminierungsverbot oder auch der Anspruch auf Achtung der<br />

Privatsphäre - seien im Verfahren verletzt worden.<br />

Damit waren eigentlich zwei Dinge klar: Der Entscheid über die Einbürgerung ist zwar ein politischer<br />

Entscheid, aber doch (auch) ein Verwaltungsakt, mit dem über eine Einzelperson entschieden wird. Ob<br />

ein solcher Entscheid bei einem Gericht angefochten werden kann, war damit noch nicht sicher. Falls<br />

39 BGE 129 I 217 E. 2.2.1 und 2.2.2 S. 225.<br />

40 BGE 129 I 232 E. 4.3.2 S. 246.<br />

41 : „Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und<br />

Fernmeldeverkehrs. Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten“ (Art. 13 Abs. 1 und 2<br />

BV).<br />

42 BGE 129 I 232 E. 4.4.1 S. 247.<br />

43 so ausdrücklich noch Baumann, S. 558.<br />

44 z.B. Entscheid über den Neubau eines Schulhauses, Entscheid über den Kredit für den Bau einer neuen Strasse, Entscheid<br />

über ein Feuerwehrreglement, ein neues Baureglement etc.<br />

45 So nennen Fleiner/Giacometti, S. 190, und Grisel, N 57 zu Art. 44 aBV, den Entscheid ausdrücklich einen Verwaltungsakt.<br />

46 Konkret ging es um die Beschränkung von Aufenthaltsbewilligungen von Tänzerinnen<br />

im Sexgewerbe (vgl. BGE 114 Ia 307).<br />

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Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

das möglich sein sollte, könnte ein abgewiesener Bürgerrechtsbewerber zwar nicht geltend machen,<br />

er sei willkürlich behandelt worden (weil er ja keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung hat). Er könnte<br />

aber geltend machen, sein Verfahrens(grund)recht auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Ausserdem<br />

könnte er sich auch darüber beschweren, er sei diskriminiert worden und/oder sein Recht auf<br />

Privatsphäre sei verletzt worden.<br />

4.1.3 <strong>Die</strong> wichtigsten Erwägungen des Bundesgerichtes in den beiden Entscheiden<br />

a) Bundesgerichtsentscheid zur SVP Zürich Initiative (BGE 129 I 232)<br />

Am 5. Oktober 1999 reichte die SVP der Stadt Zürich ihre Volksinitiative „Einbürgerung vors Volk!“ ein.<br />

Damit wollte sie erreichen, dass in Zukunft über alle Einbürgerungsgesuche in der Stadt Zürich eine<br />

Volksabstimmung durchgeführt werden muss. 47 Der Gemeinderat von Zürich erklärte die Initiative am<br />

17. Januar 2001 für ungültig. Daraufhin erhob die SVP der Stadt Zürich Beschwerde an den Bezirksrat<br />

Zürich. <strong>Die</strong> Beschwerde hatte Erfolg. Der Bezirksrat wies den Stadtrat und den Gemeinderat an, die<br />

Initiative vor das Volk zu bringen. Gegen diesen Entscheid erhob der Gemeinderat Beschwerde an den<br />

Regierungsrat des Kantons Zürich. <strong>Die</strong>ser hiess die Beschwerde am 13. November 2002 gut, woraufhin<br />

die SVP der Stadt Zürich gegen diesen Beschluss Stimmrechtsbeschwerde an das Bundesgericht einreichte<br />

und forderte, dass die Initiative vors Volk komme. 48<br />

Das Bundesgericht führte in seinem Entscheid zunächst aus, dass man früher der Ansicht gewesen sei,<br />

die Einbürgerung sei ein rein politischer Akt und es bestehe auch kein Rechtsanspruch auf Einbürgerung,<br />

somit auch kein Recht auf eine Begründung. 49 Heute sei man jedoch vermehrt der Ansicht, dass<br />

bei der Einbürgerung ein Anspruch auf eine Begründung bestehe, wenn der Entscheid negativ ausfalle.<br />

Jedoch sei nicht klar, wie diese Begründung auszusehen habe. Einige fänden, man könne eine Begründung<br />

nachträglich durch eine Behörde abgeben. Andere wiederum seien der Ansicht, dass bei der<br />

Urnenentscheidung über eine Einbürgerung generell eine Begründung nicht möglich sei und daher<br />

Urnenentscheide nicht zulässig seien. Das Bundesgericht gelangte zum Schluss, dass die Einbürgerung<br />

heute kein Entscheid mehr in einem rechtsfreien Raum ist. Auch wenn kein Anspruch auf Einbürgerung<br />

besteht, wird doch in solchen Verfahren über den rechtlichen Status von Einzelpersonen entschieden.<br />

Es handelt sich somit um ein Verfahren, bei dem die Einzelperson, die ein Gesuch gestellt<br />

hat, auch hinreichend geschützt sein muss. Das Persönlichkeitsrecht, unter anderem im Bereich der<br />

persönlichen Daten, aber auch der Schutz vor Diskriminierung und Willkür müssen aufrecht erhalten<br />

werden. Für das Bundesgericht ist die Einbürgerung ein Akt der Rechtsanwendung. Ein ablehnender<br />

Entscheid ist anfechtbar und es gelten die allgemeinen Verfahrensgarantien nach Art. 29 BV und die<br />

übrigen Grundrechte. 50<br />

Da der Entscheidungsfreiraum in den Gemeinden relativ gross ist, ist das Bundesgericht der Ansicht,<br />

dass die Ansprüche an Begründungen relativ hoch sein müssen, damit die abgelehnte Person die Entscheidung<br />

nachvollziehen und auch sachgemäss anfechten kann. 51<br />

Eine Begründung ist also notwendig. <strong>Die</strong> Frage ist nun, wie diese gegeben werden kann und ob dies<br />

bei Urnenabstimmungen möglich ist.<br />

1. Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Begründung nach der Urnenabstimmung von einem<br />

separaten Organ, wie z.B. einem Büro oder einer <strong>Die</strong>nststelle gegeben wird. <strong>Die</strong>se stützt sich<br />

auf Informationen vor dem allgemeinen Entscheid, wie eine Diskussion oder Flugblätter oder<br />

Leserbriefe. In einer so grossen Gemeinde wie Zürich ist eine öffentliche Diskussion unmöglich.<br />

Auch die Leserbriefe oder dergleichen können nicht ausreichen, da sie nicht die Meinung<br />

von alle Stimmenden vertreten, vor allem weil es ganz unterschiedliche Gründe für die Ableh-<br />

47 Für <strong>ordentliche</strong> Einbürgerungen ist in der Stadt Zürich der Gemeinderat, das Stadtparlament, zuständig. <strong>Die</strong> SVP wollte also<br />

eine Verschiebung vom Parlament zu einer Urnenabstimmung, an der alle Stimmberechtigten teilnehmen.<br />

48 BGE 129 I 232 S. 233 f.<br />

49 Besonders deutlich die vom Bundesgericht angeführte Meinung von Burckhardt, S. 218.<br />

50 BGE 129 I 232 E. 3.3 S. 237 f.<br />

51 BGE 129 I 232 E. 3.3. S. 239.<br />

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Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

nung geben kann. Aus diesen Gründen müsste das zuständige Organ die Gründe mehr erraten.<br />

An die Stelle der von der Verfassung geforderten Begründung würde damit "ein Begründungssurrogat<br />

treten, das lediglich die möglichen Gründe darlegt", die "mutmasslich zur Ablehnung<br />

des Einbürgerungsgesuchs geführt haben". 52 Eine solche Begründung taugt nicht als sachliche<br />

Begründung gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. 53<br />

2. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, eine Diskriminierung zu verunmöglichen, sodass<br />

man auch keine Begründung braucht: Man gibt also in den Abstimmungsunterlagen keine Informationen,<br />

die zu einer diskriminierenden Entscheidung führen können. Daher könnte man<br />

den sozialen Stand, die Herkunft, ja theoretisch sogar den Namen nicht nennen. Doch so<br />

könnte der Stimmbürger sich keine eigene Meinung bilden und nicht richtig abstimmen, was<br />

wieder nur Willkür wäre. 54<br />

Aufgrund dieser Überlegungen gelangte das Bundesgericht zum Ergebnis, dass Begründungen an Urnenabstimmungen<br />

nicht möglich seien. Anders verhält es sich jedoch gemäss dem Bundesgericht bei<br />

Gemeindeversammlungen. Wenn dort vor dem Entscheid eine heftige Diskussion stattfinde, könne<br />

der Gesuchsteller aus den Voten und auch aus dem Antrag des Gemeinderats die Gründe für seine<br />

Abweisung entnehmen. Bei dieser Art von Verfahren sei es somit - im Gegensatz zur Urnenabstimmung<br />

- durchaus möglich, die verfassungsmässigen Garantien einzuhalten.<br />

Aufgrund der Verletzung der Begründungspflicht und dem Konflikt zwischen politischem Recht der<br />

Stimmbürger bzw. der Informationspflicht der Behörden und dem Recht auf Privatsphäre bzw. dem<br />

Schutz der Personendaten der Gesuchsteller erwies sich daher die Volksinitiative der SVP der Stadt<br />

Zürich als rechtswidrig. <strong>Die</strong> direkte Demokratie hat also Grenzen, wenn es um den Schutz der Rechte<br />

Einzelner geht. 55<br />

b) Bundesgerichtentscheid Fall Emmen (BGE 129 I 217)<br />

In der Gemeinde Emmen wurde am 12. März 2000 über 23 Einbürgerungsgesuche an der Urne abgestimmt.<br />

<strong>Die</strong> acht Gesuchsteller aus Italien wurden alle angenommen, die restlichen Gesuchsteller,<br />

hauptsächlich aus dem ehemaligen Jugoslawien, wurden alle abgelehnt. Daraufhin erhoben fünf Gesuchsteller<br />

am 11. April 2000 Gemeindebeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Luzerns. <strong>Die</strong>ser<br />

trat auf die Beschwerde nicht ein, weil die Beschwerdefrist von 10 Tagen nicht eingehalten worden<br />

sei. Daraufhin erhoben die Gesuchsteller Beschwerde ans Bundesgericht. <strong>Die</strong>ses gelangte zum Schluss,<br />

die Beschwerde sei fristgemäss. Der Regierungsrat musste die Beschwerde also in der Sache behandeln.<br />

In seinem zweiten Entscheid vom am 19. März 2002 tat er das, wies die Beschwerde aber als<br />

unbegründet ab. Daraufhin erhoben die Gesuchsteller am 23. April 2002 erneut Beschwerde ans Bundesgericht.<br />

56<br />

Das Bundesgericht stellte fest, dass kein Rechtsanspruch auf Einbürgerung besteht. Dementsprechend<br />

trat es auf die Beschwerde nicht ein, soweit die Beschwerdeführer geltend gemacht hatten, die Ablehnung<br />

ihrer Einbürgerungsgesuche sei willkürlich. 57<br />

Das Bundesgericht behandelte die Beschwerde jedoch, soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung<br />

des Diskriminierungsverbots geltend gemacht hatten. Ausserdem behandelte es die Beschwerde, soweit<br />

die Beschwerdeführer geltend gemacht hatten, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt.<br />

Aus den Erwägungen des Bundesgerichtes:<br />

Bei Urnenabstimmungen ist zwar schwer zu ermitteln, ob eine Diskriminierung vorliegt, weil geheim<br />

abgestimmt wird und weil jeder Stimmbürger andere Gründe hat. 58 In Emmen liegen aber klare Anzei-<br />

52 BGE 129 I 232 E. 3.5 S. 241 f.<br />

53 BGE 129 I 232 E. 3.5 S.241 f.<br />

54 BGE 129 I 232 E. 3.6 S.242 f.<br />

55 BGE 129 I 232 E. 5 S. 248.<br />

56 BGE 129 I 217 S. 218f<br />

57 BGE 129 I 217 E. 1.3 S. 221 f.<br />

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Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

chen dafür vor, dass die Stimmbürger eine bestimmte Gruppe von Bürgerrechtsbewerbern diskriminierten.<br />

Bereits die pauschale Ablehnung aller Gesuche von Bewerbern aus dem ehemaligen Jugoslawien<br />

ist eine starkes Indiz dafür, dass die Herkunft der Personen für den Entscheid ausschlaggebend<br />

war. <strong>Die</strong>s war die einzige Gemeinsamkeit der Abgelehnten, denn es waren Personen mit unterschiedlichen<br />

Berufen, Einkommen, Alter, Freizeitbeschäftigungen, Zivilstand etc.. 59 Stellt man dem Ergebnis<br />

der Bewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien dasjenige der Bewerber aus Italien gegenüber, die alle<br />

eingebürgert wurden, so "lässt das Abstimmungsergebnis keinen anderen Schluss zu, als dass die Herkunft<br />

der Bewerber das ausschlaggebende Kriterium für ihre Einbürgerung oder Nichteinbürgerung<br />

darstellte, und damit an ein nach Art. 8 Abs. 2 BV verpöntes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft<br />

wurde". 60<br />

Ausserdem gelangte das Bundesgericht zum Ergebnis, mit der Urnenabstimmung über die Einbürgerungsgesuche<br />

sei auch - systembedingt - das Erfordernis der Begründungspflicht und damit der Anspruch<br />

auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV der Beschwerdeführer verletzt.<br />

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der abgelehnten Gesuchsteller aus diesen Gründen (Verletzung<br />

des Diskriminierungsverbots, Verletzung der Begründungspflicht) gut und erklärte die Urnenabstimmung<br />

als rechtswidrig.<br />

4.1.3 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Rechtsnatur und Reaktionen auf die Entscheide<br />

In den beiden Bundesgerichtsentscheiden kam das Bundesgericht zum Schluss, dass Urnenabstimmungen<br />

rechtswidrig sind, da man sie nicht begründen kann. Man kann daher auch nicht prüfen, ob<br />

das Willkür- und Diskriminierungsverbot verletzt wurde, da die Abstimmung geheim abläuft und jeder<br />

Abstimmende eine andere Meinung haben könnte. Das Bundesgericht erklärte auch, dass die Einbürgerung<br />

ein Verfahren ist und kein politischer Akt. <strong>Die</strong> Stimmbürger übernehmen eine Verwaltungsfunktion<br />

und müssen somit das geltende Recht vertreten und dazu beitragen, dass die Grundrechte<br />

verwirklicht werden.<br />

<strong>Die</strong> beiden Entscheide waren wichtig, weil das Bundesgericht der direkten Demokratie Grenzen gesetzt<br />

hat, aber auch klar Schranken für die Kantone und Gemeinden bezüglich des Einbürgerungsverfahrens.<br />

Auch hat das Bundesgericht den Rechtscharakter der Einbürgerung klar festgelegt, nämlich<br />

dass die Einbürgerung ein Rechtsanwendungsakt ist.<br />

Durch die Begründungspflicht wird die Einbürgerung verrechtlicht. Willkürliche und diskriminierende<br />

Entscheide sind zwar immer noch möglich, jedoch müssen sie sachgerecht begründet werden, was bei<br />

einem willkürlichen Entscheid schwierig werden könnte. Ausserdem weiss nun der Gesuchsteller, wieso<br />

er abgelehnt worden ist, und kann den Entscheid auch sachlich anfechten.<br />

<strong>Die</strong> beiden Entscheide vom 9. Juli 2003 hatten viele Reaktionen zur Folge, vor allem in den Kantonen,<br />

die Entscheide über die Einbürgerung traditionell an der Urne vornahmen. Es wurden daher von einigen<br />

Kantonen Standesinitiativen eingereicht, die diese Entscheide rückgängig machen wollten. Auch<br />

die SVP reichte erneut eine Initiative für Einbürgerungen an der Urne ein. Auch auf Seiten der Legislative<br />

kam einiges in Gang.<br />

In den anschliessenden Unterkapiteln werden einige der wichtigsten Reaktionen beschrieben und es<br />

wird erklärt, welche weiteren Auswirkungen diese hatten, auch auf den Rechtscharakter der Einbürgerung.<br />

58 BGE 129 I 217 S. 226<br />

59 BGE 129 I 217 E. 2.3.1 S. 227 f.<br />

60 BGE 129 I 217 E. 2.3.1 S. 228.<br />

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Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

4.2 <strong>Die</strong> Revision des Bürgerrechtsgesetzes vom 3. Oktober 2003<br />

In den folgenden Abschnitten wird erklärt, wie es zur Bürgerrechtsrevision vom 3. Oktober 2003 kam,<br />

was die wichtigsten Änderungen bezüglich der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung waren und wie sich die<br />

Rechtsnatur der Einbürgerung auf Grund der Revision geändert hat.<br />

4.2.1 Das Zustandekommen und Inhalt der Revision<br />

Ursprünglich war in der Revision des Bürgerrechtsgesetzes ein Beschwerderecht enthalten, das einem<br />

das Recht gibt, Einbürgerungsentscheide anzufechten. Beim Nationalrat und beim Bundesrat war dieses<br />

Recht in beiden Entwürfen enthalten, wobei der Nationalrat bereits einer unabhängigen Initiative<br />

mit gleichem Inhalt im Vorfeld, in der Frühjahression von 2002, zugestimmt hatte. Der Ständerat<br />

klammerte dieses Beschwerderecht jedoch im Sommer 2003 aus der Gesetzesrevision aus.<br />

Im Juli 2003 ergingen nun die zwei Bundesgerichtsentscheide betreffend die Stadt Zürich und die Gemeinde<br />

Emmen. Im Herbst desselben Jahres akzeptierte der Nationalrat die Ausklammerung des Beschwerderechts<br />

durch den Ständerat, obwohl der Rat zuvor einer Initiative mit Beschwerderecht und<br />

der Gesetzesänderung mit Beschwerderecht zugestimmt hatte. Der Nationalrat schloss sich somit dem<br />

Ständerat an. Ein Teil des Nationalrats war wie bisher grundsätzlich gegen ein Beschwerderecht, der<br />

andere Teil war nun nach den Bundesgerichtsentscheiden der Ansicht, dass aufgrund der Bundesgerichtsentscheide<br />

eine gesetzliche Verankerung des Beschwerderechts nicht mehr nötig sei, da das<br />

Bundesgericht betreffend das Beschwerderecht bereits eine gewisse Richtung angegeben hatte. <strong>Die</strong><br />

Mehrheit des Nationalrates sprach sich infolgedessen für den Vorschlag des Ständerates aus. <strong>Die</strong>ser<br />

stimmte danach am 3. Oktober 2003 mit 22 zu 16 Stimmen für die Bürgerrechtsrevision. Der Ständerat<br />

kündigte jedoch eine Initiative an, die Initiative Pfisterer 61 , die das Beschwerderecht regeln sollte. 62<br />

<strong>Die</strong> Revision beinhaltete grundsätzliche Änderungen im Bereich des Bürgerrechtes. <strong>Die</strong> erste Änderung<br />

sollte einerseits eine erleichterte Einbürgerung für junge Ausländer der zweiten Generation ermöglichen<br />

und sah andererseits den automatischen Erwerb des Schweizer Bürgerrechtes mit der Geburt für<br />

Ausländer der dritten Generation vor. Da diese Änderungen einer Verfassungsänderung bedurften,<br />

welche dem obligatorischen Referendum unterliegt 63 , kamen sie am 26. September 2004 vor das<br />

Volk. 64 Eine weitere Änderung betraf die Einführung einheitlicher Gebühren für das Einbürgerungsverfahren.<br />

65 Für diese Änderung brauchte es keine Anpassung der Verfassung und dagegen wurde auch<br />

kein Referendum ergriffen, sodass die entsprechende Bestimmung, nachdem sie in der Schlussabstimmung<br />

der Eidgenössischen Räte (Nationalrat und Ständerat) am 3. Oktober 2003 angenommen<br />

worden war, am 1. Januar 2006 in Kraft trat. 66<br />

4.2.2 <strong>Die</strong> Einführung kostendeckender Gebühren<br />

Für die Fragestellung der Verrechtlichung der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung ist nur die Veränderung der<br />

Gebühren bedeutsam. Gemäss dem neuen Art. 38 Abs. 1 BüG dürfen die Kantone und Gemeinden nur<br />

noch Gebühren in der Höhe der anfallenden Kosten für das Einbürgerungsverfahren erheben. Somit<br />

müssen die Kosten deckungsgleich mit dem Aufwand sein, den eine Gemeinde oder ein Kanton hat,<br />

um ein Gesuch zu bearbeiten. 67<br />

Zuvor war nichts über die Gebühren im Gesetz festgehalten. Man konnte traditionell nach dem Vermögen<br />

oder dem Einkommen Gebühren erheben. <strong>Die</strong> Regelungen in den Kantonen waren sehr uneinheitlich.<br />

In verschiedenen Kantonen wurden bloss kostendeckende Einbürgerungsgebühren erhoben.<br />

61 <strong>Die</strong> Initiative verdankt ihren Namen dem ehemaligen Bundesrichter und Regierungsrat des Kantons Aargau Thomas Pfisterer,<br />

der damals einer der beiden Ständeräte des Kantons Aargau war.<br />

62 BBl 2005 6943 - 6944.<br />

63 Art. 140 Abs. 1 lit. a BV.<br />

64 Siehe dazu Kapitel 4.3.<br />

65 Siehe dazu gleich anschliessend 4.2.3.<br />

66 Bianchi, S. 403<br />

67 Ehrenzeller, S. 34 - 36<br />

15


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

In einigen Kantonen wurden jedoch sogenannte "Einkaufsgebühren" verlangt, die in keinem vernünftigen<br />

Verhältnis zum Aufwand der Behörden standen. 68 Neu wurde in Art. Art. 38 Abs. 1 BüG festgelegt,<br />

dass die Kantone und Gemeinden Gebühren erheben, die die Verfahrenskosten nicht übersteigen.<br />

Und Abs. 2 der Bestimmung hält fest, dass der Bund mittellosen Bewerbern keine Gebühren auferlegt.<br />

69<br />

Es werden somit keine Höchstgebühren festgelegt. Es wird auch nicht vorgeschrieben, wie man die<br />

Gebühren festzulegen hat. <strong>Die</strong> Kantone und Gemeinden dürfen jedoch keine Gebühren verlangen, die<br />

mehr als den durch das Verfahren verursachten Aufwand decken. <strong>Die</strong> Kantone und Gemeinden können<br />

aber tiefere Gebühren als ihr Aufwand erheben oder Reduktionen für Kinder und Familien vorsehen.<br />

<strong>Die</strong> Gebühren dürfen auch pauschal sein, solange sie höchstens so hoch sind wie der Verfahrensaufwand.<br />

Weiterhin gilt nur für den Bund, dass er mittellosen Bewerbern die Gebühr erlässt. <strong>Die</strong><br />

Gemeinden bleiben jedoch frei, in diesem Bereich eine andere Lösung zu finden. 70<br />

4.2.3 <strong>Die</strong> Auswirkungen der Revision<br />

Durch Art. 38 BüG wird das Verfahren in gewisser Hinsicht fairer. Alle Gesuchsteller müssen Gebühren<br />

bezahlen, die dem Aufwand entsprechen, und nicht wie vorher nach dem Vermögen oder Einkommen.<br />

Dadurch könnte auch das Verfahren an sich gerechter werden. An Gesuchstellern, die nur wenig zahlen<br />

können, ist man nicht so interessiert wie an reichen Gesuchstellern. Kann man von reichen Bürgerrechtsbewerbern<br />

aber keine höheren Gebühren mehr verlangen als von wirtschaftlich nicht so gut<br />

gestellten Bewerbern, dürfte die Tendenz, vor allem reiche Personen einzubürgern, abnehmen.<br />

Man kann in gewisser Weise auch von einer Vereinheitlichung sprechen, obwohl die Gemeinden immer<br />

noch unterschiedliche Gebühren erheben. Da nur noch nach Aufwand Gebühren erhoben werden,<br />

werden die Kosten ähnlicher und innerhalb der Gemeinde hat man nun die gleichen Beträge oder<br />

direkt für jede einzelne Person den effektiven Aufwand. Auch könnten die Entscheide nicht mehr so<br />

diskriminierend und willkürlich ausfallen, da das Vermögen und das Einkommen keine so grosse Rolle<br />

mehr spielen.<br />

4.3 <strong>Die</strong> Volksabstimmung vom 26. September 2004 zum Bürgerrecht der zweiten und dritten<br />

Ausländergeneration<br />

4.3.1 Das Zustandekommen der Abstimmung<br />

In der Schlussabstimmung vom 3. Oktober 2003 stimmten die Eidgenössischen Räte, wie oben schon<br />

erwähnt, drei Änderungen im Bereich des Bürgerrechtes zu, nämlich neben der Änderung betreffend<br />

die Gebühren auch den Änderungen betreffend die Einbürgerung von Angehörigen der zweiten und<br />

dritten Ausländergeneration.<br />

Da diese Änderungen nicht nur einer Revision des Bürgerrechtsgesetzes bedurften, sondern auch Anpassungen<br />

in der Bundesverfassung notwendig machten, kam die Vorlage am 26. September 2004 vor<br />

das Volk.<br />

4.3.2 <strong>Die</strong> Abstimmungsvorlage<br />

a) Erleichterte Einbürgerung junger Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation<br />

In 14 Kantonen gab es bereits die erleichterte Einbürgerung für junge Ausländer. Bei dieser wurden<br />

jedoch je nach Kanton ganz unterschiedliche Voraussetzungen verlangt. Es sollte nun neu in allen Kantonen<br />

eine einheitliche erleichterte Einbürgerung für junge Ausländer geben. 71 Voraussetzungen für<br />

die erleichterte Einbürgerung waren, dass der Gesuchsteller zwischen 14 und 24 Jahren alt ist, eine<br />

68 Vgl. BBl 2002 1925. So hatte etwa der Grossvater der Autorin im Kanton Luzern im Jahr 1978 für sich und seine Familienmitglieder<br />

(Ehefrau und drei unmündige Kinder) für das Kantons- und Gemeindebürgerrecht insgesamt eine Gebühr von Fr.<br />

20'000 zu bezahlen. Derartige Summen waren lange Zeit, abhängig vom Einkommen und Vermögen der Gesuchsteller,<br />

durchaus üblich.<br />

69 Art 38 BüG<br />

70 Rundschreiben, S. 16 f.<br />

71 Abstimmungsbüchlein, S. 7.<br />

16


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt, mindesten fünf Jahre der obligatorischen Schulzeit<br />

in der Schweiz absolviert hat, mit den schweizerischen Lebensverhältnissen vertraut ist, eine der<br />

Landessprachen spricht, die schweizerische Rechtsordnung achtet sowie die innere und äussere Sicherheit<br />

der Schweiz nicht gefährdet. 72<br />

b) Bürgerrechtserwerb von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation<br />

Neu sollten Kinder der dritten Ausländergeneration das Schweizer Bürgerrecht bei der Geburt erhalten.<br />

Voraussetzung dafür war, dass ein Elternteil der zweiten Ausländergeneration angehört. Das bedeutet,<br />

dass dieser Elternteil während mindesten fünf Jahren die obligatorische Schulzeit in der<br />

Schweiz absolviert haben muss. Ausserdem muss die Person zum Zeitpunkt der Geburt eine Aufenthalts-<br />

oder Niederlassungsbewilligung schon seit fünf Jahren besitzen. 73<br />

Gemäss der Vorlage konnten die Eltern, wenn sie diesen automatischen Erwerb des Bürgerrechtes<br />

nicht wollten, darauf verzichten. Wenn das betroffene Kind jedoch Schweizer Bürger werden wollte,<br />

konnte es selbst mit 18 Jahren den Entscheid der Eltern widerrufen und somit das Schweizer Bürgerrecht<br />

erlangen, ohne ein umständliches Verfahren der Einbürgerung durchlaufen zu müssen. 74<br />

4.3.3 <strong>Die</strong> Abstimmungsergebnisse und deren Auswirkungen auf die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung<br />

Das Volk entschied am 26 September 2004 mit 56,8% der Stimmen gegen die Vorlage der erleichterten<br />

Einbürgerung für Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation. 75 Auch die zweite Vorlage<br />

betreffend den automatischen Bürgerrechtserwerb für Ausländer der dritten Generation wurde<br />

vom Volk abgelehnt, und zwar mit 51,6% der Stimmen. 76<br />

<strong>Die</strong>jenigen Kantone, welche bereits vor der Abstimmung eine erleichtere Einbürgerung für junge Ausländer<br />

hatten, können diese weiterhin beibehalten. Auch für die Kantone, die diese nicht kannten,<br />

ändert sich nun nichts. Ob es eine erleichterte Einbürgerung für junge Ausländer geben soll, bleibt<br />

weiterhin den Kantonen überlassen und es gibt somit auch keine einheitliche Lösung.<br />

Wäre die Vorlage angenommen worden, hätte das eine Verrechtlichung der Einbürgerung zu Folge<br />

gehabt. Wenn man als junger Ausländer genau die vorgegebenen Vorschriften erfüllt hätte, wäre man<br />

erleichtert eingebürgert worden. Somit hätte bei Ausländern der zweiten Generation ein gewisser<br />

Rechtsanspruch bestanden, bei der dritten Generation ein zwingender Rechtsanspruch. Auch wäre die<br />

erleichterte Einbürgerung für Secondos nun in allen Kantonen möglich gewesen und es hätten dafür<br />

überall die gleichen Voraussetzungen gegolten. Daher kann man von einer Vereinheitlichung sprechen,<br />

was auch eine Verrechtlichung bedeutet. <strong>Die</strong> Vorlage wurde indessen, wie bereits geschildert,<br />

abgelehnt.<br />

4.4 <strong>Die</strong> Gegenreaktion zu den Bundesgerichtsentscheiden vom Juli 2003 auf kantonaler<br />

Ebene am Beispiel des Kantons Schwyz<br />

<strong>Die</strong> beiden Bundesgerichtsentscheide vom Juli 2003 wurden in den Kantonen, die bisher ihre Einbürgerungen<br />

traditionell an der Urne oder in Gemeindeversammlungen durchführten, sehr ernst genommen.<br />

Es herrschte grosse Unsicherheit, welches Verfahren man nun befolgen sollte, um nicht<br />

gegen geltendes Recht zu verstossen. Im Kanton Schwyz wurde in 25 von 30 Gemeinden bis zu diesem<br />

Zeitpunkt der Entscheid über eine Einbürgerung an der Urne gefällt, was gemäss den beiden Bundesgerichtsentscheiden<br />

vom 29. Juni 2003 unzulässig ist. Es ergab sich damit für den Kanton Schwyz unmittelbarer<br />

Handlungsbedarf. 77<br />

72 Abstimmungsbüchlein, S. 6.<br />

73 Abstimmungsbüchlein, S. 8.<br />

74 Abstimmungsbüchlein, S. 8.<br />

75 Bericht BFM, S. 2.<br />

76 Bericht BFM, S. 3.<br />

77 BBl 2005 6945.<br />

17


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

4.4.1 Der Bundesgerichtsentscheid vom 12. Mai 2004 zur Übergangsreglung betreffend die Zulässigkeit<br />

von Entscheiden über die Einbürgerung an Gemeindeversammlungen 78<br />

Direkt nach den beiden Bundesgerichtsentscheiden vom 29. Juni 2010 empfahl der Vorsteher des Departements<br />

des Inneren des Kantons Schwyz am 10. Juli 2003 den Gemeinden, keine neuen Einbürgerungsgesuche<br />

mehr an den Gemeindeversammlungen zu traktandieren. Am 26. August 2003 erliess<br />

der Regierungsrat des Kantons Schwyz dann eine Verordnung, die vorübergehend sein sollte. Hauptsächlich<br />

hiess es in dieser Verordnung, dass die Gemeindeversammlung in offener Abstimmung über<br />

die Erteilung des Gemeindebürgerrechts zu entscheiden habe. 79<br />

Gegen diese Verordnung wurde Beschwerde ans Bundesgericht eingereicht. <strong>Die</strong> Beschwerdeführer<br />

verlangten die Aufhebung der Verordnung mit der Begründung, der Regierungsrat habe mit dem Erlass<br />

einer Verordnung seine Kompetenzen überschritten. Das Bundesgericht behandelte die Beschwerde<br />

am 12. Mai 2004.<br />

Das Bundesgericht stellte in seinem Urteil zunächst fest, dass es Aufgabe des Regierungsrats des Kantons<br />

Schwyz sei, die Aufsicht über die Verwaltung der Bezirke und Gemeinden auszuüben. Daraus ergebe<br />

sich auch das Recht, Verwaltungsverordnungen zu erlassen. Hier handle es sich aber nicht nur<br />

um eine Verwaltungsverordnung, die in einer blossen Anweisung an die Verwaltung bestehe, sondern<br />

um eine echte Rechtsverordnung. <strong>Die</strong> Kantonsverfassung verleihe dem Regierungsrat nicht ausdrücklich<br />

das Recht zum Erlass einer solchen Verordnung; immerhin habe der Regierungsrat aber auch<br />

schon früher eine solche Kompetenz in Anspruch genommen. 80<br />

Als entscheidend sah das Bundesgericht vor allem an, dass der Regierungsrat aus einer gewissen<br />

Dringlichkeit heraus gehandelt habe. Als erstes hätten weitere Abstimmungen über Einbürgerungen<br />

an der Urne verhindert werden müssen. Ausserdem habe grosse Unsicherheit darüber geherrscht,<br />

welches Verfahren nun angewendet werden dürfe. <strong>Die</strong> Gemeinden dürften aber auch nicht einfach<br />

keine Einbürgerungsentscheide mehr fällen bis zu Revision der mit den Bundesgerichtsentscheiden<br />

vom 29. Juni 2003 rechtswidrig gewordenen Gesetze. Sie seien nämlich nach Art. 29 Abs. 1 BV dazu<br />

verpflichtet, die hängigen Einbürgerungsgesuche in einer gewissen Frist zu bearbeiten. Wenn dies<br />

nicht geschehe, könnten sich die Gesuchsteller wegen Rechtsverweigerung beschweren. 81<br />

Aus diesen Gründen erachtete das Bundesgericht den Regierungsrat als berechtigt, die angefochtene<br />

Verordnung zu erlassen. 82 Es wies daher die Beschwerde zur Hauptsache ab und erklärte, dass ein<br />

Entscheid an Gemeindeversammlungen über Einbürgerungsgesuche grundsätzlich möglich ist, sofern -<br />

im Falle der Abweisung des Gesuchs - ein begründeter Gegenvorschlag aus der Versammlungsmitte<br />

vorgetragen wird. 83<br />

<strong>Die</strong>ser Bundesgerichtsentscheid hatte keine grossen Auswirkungen auf die Weiterentwicklung im Bereich<br />

der Einbürgerung, denn bis heute ist dieser Ablauf des Verfahrens an Gemeindeversammlungen<br />

möglich. Man hat an der Praxis der Gemeindeversammlung festgehalten.<br />

4.4.2 <strong>Die</strong> Standesinitiative Schwyz „geheime Wahlen und Abstimmungen an Bezirksgemeinden und<br />

Gemeindeversammlungen“<br />

<strong>Die</strong> SVP des Kantons Schwyz hatte bereits am 10. November 2003 eine Volksinitiative eingereicht.<br />

<strong>Die</strong>se sah zwar vor, dass über Einbürgerungsgesuche an der Gemeindeversammlung abzustimmen sei.<br />

Im Unterschied zur Verordnung des Regierungsrats sah die Initiative aber die geheime Abstimmung<br />

vor, was der bundesgerichtlichen Rechtsprechung widersprechen dürfte, lässt sich doch so noch weni-<br />

78 BGE 130 I 140; Auer, S. 72.<br />

79 Vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 12. Mai 2004 = BGE 130 I 140 S.141.<br />

80 BGE 130 I 140 E. 3.3 S. 144.<br />

81 BGE 130 I 140 E. 4.2 S. 147.<br />

82 Das Gericht hiess die Beschwerde nur in einem Nebenpunkt gut. Vgl. dazu BGE 130 I 140 E. 5.3.2. S. 151.<br />

83 Vgl. § 3 Abs. 2 der angefochtenen Verordnung . Unproblematisch ist es, wenn das Gesuch gestützt auf den Antrag des<br />

Gemeinderats (oder der Einbürgerungskommission angenommen wird). Siehe dazu auch Auer, S. 72 und dort auch die Kritik<br />

an dieser Rechtsprechung.<br />

18


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

ger feststellen, wer aus welchem Grund wie gestimmt hat; ob ein ablehnender Entscheid dem Begründungserfordernis<br />

von Art. 29 Abs. 2 BV genügt, ist damit sehr unsicher. Am 17. Juni 2007 stimmte<br />

das Schwyzer Wahlvolk der Initiative zu. Durch die Annahme der Initiative wurde die Schwyzer Kantonsverfassung<br />

geändert. <strong>Die</strong> Bundesversammlung gewährleistete die neue Bestimmung im März<br />

2008. Im Ergebnis hat damit der Kanton Schwyz dem Bundesgericht ein Schnippchen geschlagen. 84<br />

4.5 <strong>Die</strong> Initiative Pfisterer – eine Kompromisslösung<br />

Im Zusammenhang mit der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung nimmt die Initiative Pfisterer eine zentrale Stellung<br />

ein, da sie zu einer wichtigen und langwierigen Auseinandersetzung über den Rechtscharakter<br />

der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung im National- und Ständerat führte. <strong>Die</strong> Auseinandersetzung mündete<br />

schliesslich in die Annahme richtungsweisender Gesetzesänderungen. In der Fachliteratur werden die<br />

Initiative Pfisterer und die daraus resultierenden Gesetzesänderungen häufig als Kompromisslösung<br />

bezeichnet.<br />

4.5.1 Das Zustandekommen des Gesetzesentwurfes<br />

<strong>Die</strong> Initiative wurde - wie bereits im Kapitel 4.2 erwähnt - am 3. Oktober 2003 bei der Schlussabstimmung<br />

zur Revision der Bürgerrechtsreglung angekündigt. <strong>Die</strong> Initiative wurde auch am 3. Oktober<br />

2003 vom Ständeratsmitglied Thomas Pfisterer eingereicht. <strong>Die</strong> staatspolitische Kommission des Ständerates<br />

und eine extra zur Behandlung der Initiative Pfisterer eingesetzte Subkommission befassten<br />

sich mit der Vorprüfung der Initiative. Nach mehrmaligem Meinungsaustausch zwischen den beiden<br />

Kommissionen und diversen Änderungen verabschiedete die Subkommission den Vorentwurf und gab<br />

diesen an die staatspolitische Kommission des Ständerats weiter, die dem Ständerat den Vorentwurf<br />

zur Annahme empfahl. Am 9. Dezember 2003 gab der Ständerat dann der Initiative Pfisterer mit 25 zu<br />

9 Stimmen Folge. 85<br />

Im Dezember 2003 wurde der Gesetzesentwurf den Gemeinden, dem Kanton, den politische Parteien<br />

und interessierten Organisationen und Verbände vorgestellt. <strong>Die</strong>se nahmen zum Entwurf Stellung. 86<br />

<strong>Die</strong> Vorlage wurde angepasst und am 27. Oktober 2005 als indirekter Gegenentwurf der Volksinitiative<br />

„für demokratische Einbürgerungen“ der SVP verabschiedet. 87 Der überarbeiteten Vorlage der staatspolitischen<br />

Kommission des Ständerats stimmten der Bundesrat und der Ständerat beide im Dezember<br />

2005 zu. <strong>Die</strong> staatspolitische Kommission des Nationalrates beschloss am 27. April 2006, mit der Vorprüfung<br />

der Vorlage bis zum Erhalt der bundesrätlichen Botschaft zur SVP-Initiative abzuwarten. 88<br />

Daher wurde die Initiative Pfisterer erst im Jahr 2007 behandelt. <strong>Die</strong> staatspolitische Kommission des<br />

Nationalrats verwarf am 15./16. Februar 2007 mit 10 zu 9 Stimmen den Vorschlag des Ständerates<br />

knapp. Daraufhin überarbeitete die staatspolitische Kommission des Ständerats nochmals ihren Entwurf,<br />

der dann in dieser Form letztendlich auch vom Ständerat angenommen wurde. In der Schlussabstimmung<br />

von 21. Dezember 2007 nahmen Ständerat sowie Nationalrat den Gesetzesentwurf an. 89<br />

4.5.2 Der Inhalt der einzelnen Bestimmungen und deren Auswirkungen auf den Rechtscharakter der<br />

<strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung<br />

<strong>Die</strong> Initiative Pfisterer führte zur Änderung mehrerer Bestimmungen des Bürgerrechtsgesetzes. Im<br />

Folgenden wird der Inhalt der neuen Bestimmungen, die seit 1. Januar 2009 in Kraft sind, im Einzelnen<br />

erklärt.<br />

84 Siehe dazu auch Auer, S. 82.<br />

85 BBl 20056947<br />

86 Bericht BFM, S. 32.<br />

87 Siehe zur SVP- Initiative Kapitel 4.6<br />

88 BBl 2006 8954 - 8955<br />

89 http://www.parlament.ch/d/mm/2007/Seiten/mm_2007-02-19_058_01.aspx<br />

19


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

a) Verfahren im Kanton (Art. 15 a Abs. 1 und 2 BüG)<br />

In diesem Artikel wird klar gemacht, dass der Bund kein spezifisches Verfahren vorschreibt, sondern<br />

die Wahl des Verfahrens dem Kanton oder den Gemeinden überlässt. Damit können Legislative sowie<br />

Exekutive für den Entscheid über eine Einbürgerung zuständig sein. 90<br />

Im zweiten Absatz wird die Unsicherheit der Gemeinden geklärt, ob diese weiterhin Einbürgerungsentscheide<br />

an der Gemeindeversammlung fällen dürfen. Es wird klar gesagt, dass Entscheide an der<br />

Gemeindeversammlung möglich sind.<br />

Da die Möglichkeit, Entscheide über eine Einbürgerung an der Gemeindeversammlung zu fällen, weiterhin<br />

besteht, bleibt die Zuständigkeit der Legislative erhalten und somit die Einbürgerung in diesem<br />

Bereich weiterhin teilweise ein politischer Akt.<br />

Ursprünglich sah der Ständerat sogar vor, das Verfahren wieder so einzuführen, wie es vor den beiden<br />

Bundesgerichtsentscheiden war, vor allem sollten die Entscheide an der Urne wieder eingeführt werden.<br />

Doch in der staatspolitischen Kommission des Nationalrats waren einige Mitglieder grundsätzlich<br />

gegen Gemeindeversammlungen und Urnenabstimmungen, andere nur gegen die Urnenabstimmungen.<br />

91 Am Schluss folgten National- und Ständerat dem (Kompromiss-)Vorschlag der<br />

staatspolitischen Kommission des Nationalrats, in dem Gemeindeversammlungen als möglich erachtet<br />

wurden, jedoch keine Urnenabstimmungen.<br />

b) Begründungspflicht (Art. 15 b Abs. 1 und 2 BüG)<br />

<strong>Die</strong>se Bestimmung hält fest, was das Bundesgericht bereits in den beiden Entscheiden im Jahr 2003<br />

erklärt hat. Abgelehnte Einbürgerungsentscheide müssen begründet werden. Ausserdem hat die bundesgerichtliche<br />

Rechtsprechung klar festgelegt, wie abgelehnte Einbürgerungsentscheide an Gemeindeversammlungen<br />

begründet werden müssen. Das Bundesgericht sieht zwei Möglichkeiten zur Begründung:<br />

<strong>Die</strong> erste Möglichkeit besteht darin, dass der Gemeinderat oder die Einbürgerungskommission eine<br />

Empfehlung - für oder gegen die Einbürgerung - abgibt und die Gründe für seine bzw. ihre Empfehlung<br />

nennt. Wenn sich die Stimmbürger nun dem Antrag des Gemeinderats oder der Einbürgerungskommission<br />

- sei es für oder gegen eine Einbürgerung - anschliessen, geht das Bundesgericht davon aus,<br />

dass die Stimmbürger auch mit deren Begründung übereinstimmen. 92<br />

<strong>Die</strong> zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Stimmbürger gegen den Antrag stimmen. Wenn der<br />

Antrag positiv ist und die Stimmbürger sich gegen diesen entscheiden, braucht der abgelehnte Entscheid<br />

über die Einbürgerung eine Begründung. Es muss in diesem Fall im Vorfeld der Abstimmung in<br />

der Gemeindeversammlung eine Diskussion stattgefunden haben, der der Gesuchsteller die Gründe<br />

für die Ablehnung entnehmen kann. Auch können einzelne Wortmeldungen eine Begründung ergeben.<br />

Über die einzelnen Wortmeldungen muss abgestimmt werden, denn die Begründung muss von<br />

der Mehrheit der Stimmbürger getragen werden. 93 Im Art. 15b Abs. 2 BüG ist nun diese zweite Möglichkeit<br />

ausdrücklich festgehalten.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts definiert ausserdem noch, was man von einer Begründung<br />

verlangen darf, und ergänzt diesen Artikel. Nach dem Bundesgericht muss die Begründung inhaltlich<br />

hinreichend sowie rechtskonform sein. 94<br />

Zwar bestand eine Begründungspflicht bereits nach den beiden Bundesgerichtsentscheiden vom 29.<br />

Juni 2003, nun wurde diese jedoch auch im Gesetz verankert. <strong>Die</strong> Begründungspflicht allein war schon<br />

eine starke Verrechtlichung. <strong>Die</strong> Verankerung im Gesetz stellt einen weiteren Schritt der Verrechtlichung<br />

des Einbürgerungsverfahrens dar. Wenn der abgelehnte Gesuchsteller weiss, weshalb er abgelehnt<br />

wurde, kann er den Entscheid sachlich anfechten oder den Ablehnungsgrund aus dem Weg räumen<br />

(wenn dies möglich ist). Wenn er dies getan hat, hat er in gewisser Weise einen Anspruch auf die<br />

Einbürgerung. Auch die Anfechtung zeigt, dass ein gewisses Recht auf Einbürgerung besteht, wenn der<br />

Gesuchsteller alle Kriterien erfüllt.<br />

90 BBl 2005, 6952.<br />

91 http://www.parlament.ch/d/mm/2007/Seiten/mm_2007-02-19_058_01.aspx<br />

92 Auer, S. 73 f.<br />

93 Auer, S. 74.<br />

94 BBl 2005 6952.<br />

20


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

c) Schutz der Privatsphäre (Art. 15 c Abs. 1 - 3 BüG)<br />

In dieser neuen Bestimmung wird festgehalten, dass die Privatsphäre der Gesuchsteller nicht verletzt<br />

werden darf. Daher dürfen nicht alle Daten über den Gesuchsteller bzw. die Gesuchstellerin den<br />

Stimmbürgern unterbereitet werden. <strong>Die</strong>ser Artikel unterstützt damit in gewisser Hinsicht die Meinung<br />

des Bundesgerichtes, dass die Einbürgerung ein Verwaltungsakt ist und somit der Schutz der<br />

Privatsphäre der Gesuchsteller gegenüber den politischen Rechten der Stimmbürger Vorrang hat.<br />

In Absatz 2 der Bestimmung wird definiert, welche Angaben die Stimmberechtigten erhalten dürfen.<br />

Neben der Staatsangehörigkeit und der Wohnsitzdauer dürfen auch „Angaben, die erforderlich sind<br />

zur Beurteilung der Einbürgerungsvoraussetzungen, insbesondere der Integration in die schweizerischen<br />

Verhältnisse“ 95 veröffentlicht werden. Somit steht es dem Kanton und den Gemeinden immer<br />

noch frei, welche Angaben sie machen wollen. Jedoch dürfen sie wirklich nur Angaben machen, die für<br />

eine Entscheidungsfindung der Stimmbürger relevant sind. Angaben zur Höhe des Vermögens oder<br />

des Einkommens gehören damit der Vergangenheit an.<br />

In den Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen wird im Bericht der staatspolitischen Kommission<br />

des Ständerats vom 27. Oktober 2005 präzisiert, welche Daten veröffentlich werden können. <strong>Die</strong><br />

Veröffentlichung hängt auch vom Adressatenkreis ab. Das heisst für die Gemeinden konkret, je grösser<br />

der Adressatenkreis ist, desto weniger persönliche Daten dürfen die Behörden den Stimmbürgern<br />

unterbreiten, damit der Schutz der Privatsphäre gewährleistet bleibt.<br />

Dadurch dass der Schutz der Privatsphäre bei Einbürgerungen neu im Bürgerrechtsgesetz verankert<br />

ist, zeigt der Gesetzgeber, dass die Einbürgerung als ein Rechtsanwendungsakt zu verstehen ist und<br />

somit der Schutz der Privatsphäre der Gesuchsteller den politischen Rechten der Stimmbürger vorgeht.<br />

96<br />

d) Beschwerde vor einem kantonalen Gericht (Art. 50 BüG)<br />

<strong>Die</strong>se Bestimmung verpflichtet die Kantone, eine Gerichtsbehörde einzusetzen, die sich mit ablehnenden<br />

Einbürgerungsentscheiden von Gemeinden oder Kantonen befasst. Dadurch entsteht für jeden<br />

Gesuchsteller die Möglichkeit, Beschwerde im Kanton einzureichen. 97<br />

<strong>Die</strong>s zeigt wiederum, dass der Gesetzgeber, gleich wie das Bundesgericht, die Einbürgerung überwiegend<br />

als einen Verwaltungs- und Rechtsanwendungsakt sieht. Daher gelten insbesondere auch die<br />

Verfahrensgarantien von Art. 29 BV (rechtliches Gehör, Akteneinsichtsrecht, Anspruch auf Begründung).<br />

Auch hier ist klar die Verrechtlichung der Einbürgerung zu erkennen. Denn zuvor konnte der abgelehnte<br />

Gesuchsteller nur Beschwerde am Bundesgericht einreichen. <strong>Die</strong>ses ist jedoch in der Überprüfung<br />

des Falles eingeschränkt. Insbesondere prüfen die kantonalen Gerichte - anders als das Bundesgericht<br />

98 - auch dann, wenn kein Rechtsanspruch auf Erteilung des Bürgerrechts besteht, ob das Willkürverbot<br />

verletzt wurde. Abgelehnte Bürgerrechtsbewerber können somit vor dem kantonalen Gericht<br />

gemäss Art. 50 BüG geltend machen, die Ablehnung sei willkürlich, d.h. grob ungerecht. Im Ergebnis<br />

entsteht damit für die Gesuchsteller eben doch ein "schwacher" Anspruch auf Einbürgerung: Wenn es<br />

keine guten (d.h. nicht-willkürlichen) Gründe gegen die Einbürgerung gibt, muss eingebürgert werden.<br />

4.6 <strong>Die</strong> Volksabstimmung vom 1. Juni 2008 über die Initiative „für demokratische Einbürgerungen“<br />

der SVP<br />

4.6.1 <strong>Die</strong> Ausgangslage<br />

Am 6. April 2004 lancierte die SVP die Volksinitiative „für demokratische Einbürgerungen“. <strong>Die</strong> Sammelfrist<br />

für die Unterschriften lief bis am 18. November 2005 und es wurde bis dann auch die nötige<br />

Anzahl Unterschriften eingereicht. Am 25. Oktober 2006 lehnte der Bundesrat die Volksinitiative ab. 99<br />

<strong>Die</strong> Bundesversammlung prüfte den Inhalt der Initiative, ob dieser nicht die Menschenrechte und<br />

95 Art 15c Abs. 2BüG.<br />

96 BBl 2005 6953.<br />

97 BBl 2005 6953.<br />

98 Siehe dazu oben Abschnitt 4.1.1 c) zur einschränkenden Praxis des Bundesgerichts zum Willkürverbot.<br />

99 BBl 2006 8954.<br />

21


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Grundfreiheiten verletzt. <strong>Die</strong>se wurden laut Bundesversammlung verletzt. Jedoch verletzte die Initiative<br />

die Bestimmungen des zwingenden Völkerrechts (ius cognes) nicht. 100<br />

Am 25. Oktober 2006 lehnte der Bundesrat die Volksinitiative ab. Auch der Ständerat sowie der Nationalrat<br />

lehnten die Initiative mit eine deutlichen Mehrheit ab. 101 <strong>Die</strong> Volksabstimmung fand am 1. Juni<br />

2008 statt.<br />

4.6.2 Der Inhalt<br />

<strong>Die</strong> SVP wollte mit dieser Initiative die Situation wiederherstellen, wie sie vor den Bundesgerichtsentscheiden<br />

im Sommer 2003 gewesen war. <strong>Die</strong> Initianten sehen die Einbürgerung als einen politischen<br />

Entscheid, der demokratisch an der Gemeindeversammlung und an der Urne gefällt werden soll. <strong>Die</strong><br />

Initiative forderte, den Artikel 38 der Bundesverfassung mit einem vierten Absatz zu ergänzen. 102 <strong>Die</strong>ser<br />

hätte festlegen sollen, dass es den Stimmberechtigten jeder Gemeinde obliegt, in der Gemeindeordnung<br />

festzulegen, welches Organ das Gemeindebürgerrecht erteilt. Der Entscheid dieses Organs<br />

über die Erteilung des Gemeindebürgerrechts sollte endgültig sein.<br />

Unter endgültig kann man jedoch zwei verschiede Dinge verstehen. Einerseits, und das ist auch, was<br />

die Initianten mit diesem endgültig meinten, dass ein abgelehnter Gesuchsteller keine Beschwerdemöglichkeit<br />

hat. Andererseits, was man heute mehrheitlich unter diesem Begriff versteht, dass eine<br />

Beschwerde nicht vollkommen ausgeschlossen ist. Der Gesuchsteller könnte eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde<br />

am Bundesgericht einreichen oder individuelle Beschwerde vor dem Europäischen<br />

Gerichtshof für Menschenrechte. <strong>Die</strong>s wäre trotz dem endgültigen Entscheid möglich, da eine Beschwerde<br />

eingereicht wird, mit der die Verletzung von Grundrechten gerügt wird. 103<br />

4.6.3 <strong>Die</strong> Abstimmungsresultate<br />

In der Volksabstimmung vom 1. Juni 2008 wurde die Initiative mit 36.2 zu 63.8 Prozent der Stimmen<br />

abgelehnt. 104 Alle Kantone, ausgenommen der Kanton Schwyz, lehnten die Initiative ab. Interessant ist<br />

zu beobachten, dass vor allem die Kantone in der Zentral- und Ostschweiz die Initiative etwas knapper<br />

ablehnten. <strong>Die</strong>s sind auch mehrheitlich jene Kantone, die bis zu den beiden Bundesgerichtsentscheiden<br />

vom 29. Juni 2003 die Entscheide über die Einbürgerung an der Urne durchführten.<br />

Abb. 1<br />

Je dunkelroter,<br />

desto mehr<br />

Stimmende<br />

lehnten die<br />

Initiative ab.<br />

Grün zu erkennen<br />

ist der Kanton<br />

Schwyz, der<br />

die Initiative<br />

annahm.<br />

100 BBl 2006 8961 - 8962.<br />

101 http://www.ekm.admin.ch/de/dokumentation/doku/Argumentarium_einbuerg_d.pdf) S. 2<br />

102 BBl 2006 8969 f.<br />

103 BBl 2006 8971 f.<br />

104 http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/20080601/index.html<br />

22


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

4.6.4 <strong>Die</strong> Folgerungen<br />

Falls die Initiative angenommen worden wäre, hätte das klar eine "Trendumkehr" weg von der Verrechtlichung<br />

bedeutet. Man hätte wieder die gleiche Situation wie vor den Bundesgerichtsentscheiden<br />

gehabt. Am Abstimmungsergebnis kann man jedoch erkennen, dass auch die Mehrheit des Volkes die<br />

gleiche Richtung wie der Gesetzesgeber und das Bundesgericht wünscht. Somit unterstützt auch die<br />

Mehrheit der Stimmbürger die Verrechtlichung des Einbürgerungsverfahrens.<br />

4.7 Der Vorschlag des Bundesrates vom 11. März 2011 zur Totalrevision des Bundesgesetzes<br />

über das Schweizer Bürgerrecht<br />

4.7.1 <strong>Die</strong> Ausgangslage<br />

Nachdem gegen die entsprechenden Vorlagen das Referendum ergriffen worden war, stimmten die<br />

Stimmbürger in der Volksabstimmung vom 24. September 2006 der Revision des Bundesgesetzes über<br />

die Ausländerinnen und Ausländer 105 und des Asylgesetzes 106 zu Dadurch entstanden neue Anforderungen<br />

bezüglich der Integration für Ausländer. <strong>Die</strong> Einbürgerung wird als letzter Schritt der Integration<br />

angeschaut und dort sollen auch die höchsten Anforderungen gestellt werden. Im Bereich des Bürgerrechts<br />

selbst hat sich jedoch mit der Revision der beiden Gesetze nichts geändert. Um das Bürgerrecht<br />

an das revidierte Asyl- und Ausländerrecht anzupassen, ist beabsichtigt, das Bürgerrechtsgesetz<br />

einer Totalrevision zu unterziehen. <strong>Die</strong> entsprechende Botschaft zu einer Gesetzesänderung hat der<br />

Bundesrat am 4. März 2011 dem Parlament vorgelegt. 107 Wie kontrovers das Thema ist, hat sich darin<br />

gezeigt, dass die staatspolitische Kommission des Nationalrats es abgelehnt hat, auf die Vorlage einzutreten.<br />

Während der Linken die Vorlage zu weit geht, indem nur noch Niedergelassene zur Einbürgerung<br />

zugelassen werden sollen, fand umgekehrt die SVP, die eine "Einbürgerung auf Probe" einführen<br />

will, die Vorlage gehe nicht weit genug. 108<br />

Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen<br />

gegeben.<br />

4.7.2 <strong>Die</strong> wichtigsten Änderungen<br />

a) Vereinheitlichung des Verfahrensablauf in den Kantonen<br />

Heute sind die Vorschriften dazu, wo ein Einbürgerungsgesuch einzureichen ist, welches Formular<br />

dazu zu verwenden ist und wann dem Bund die Unterlagen zukommen, von Kanton zu Kanton unterschiedlich.<br />

Neu soll dies in allen Kantonen gleich sein. Wichtig ist dabei die Reihenfolge der Erteilung<br />

der Bürgerrechte. Zukünftig soll in allen Kantonen zuletzt das Bundesbürgerrecht erteilt werden. 109<br />

b) Kompetenzen des Bundes und der Kantone<br />

Momentan ist nicht ganz klar, was der Bund und was die Kantone im Bereich der Eignung eines Kandidaten<br />

abklären. <strong>Die</strong>s soll nun genau geregelt werden, damit nicht gewisse Dinge doppelt geprüft werden.<br />

110<br />

c) Integrationsbegriff<br />

Der Begriff ist im Schweizer Bürgerrecht nicht klar definiert. Im Asylrecht wird der gleiche Begriff gebraucht,<br />

ist dort aber anders definiert. Der Integrationsbegriff des Bürgerrechtsgesetzes soll nun demjenigen<br />

des Ausländer- und des Asylgesetzes angepasst werden. Eine erfolgreiche Integration zeigt<br />

sich gemäss der Vorlage insbesondere im Beachten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, in der<br />

Respektierung der Werte der Bundesverfassung, in der Fähigkeit, sich in einer Landessprache zu verständigen<br />

sowie im Willen zur Teilnahme am Wirtschaftsleben oder zum Erwerb von Bildung. Den<br />

105 Bundesgesetz vom 16. September 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (SR 142.20; Ausländergesetz, AuG).<br />

106 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (SR 142.31; AsylG).<br />

107 BBl 2011 2825 - 2888.<br />

108 Vgl. SDA-Meldung vom 19. Mai 2011.<br />

109 BBl 2011 2830.<br />

110 BBl 2011 2826.<br />

23


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Kantonen soll nach wie vor die Möglichkeit offen stehen, in diesem Bereich weitere Konkretisierungen<br />

vorzunehmen. 111<br />

d) Aufenthaltsstatus und Wohnsitzerfordernisse<br />

Für die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung soll die Niederlassungsbewilligung, der sogenannte C-Ausweis, erforderlich<br />

sein. Bisher war dies nicht nötig. Daher bleiben Asylsuchende (N-Bewilligung), vorläufig aufgenommene<br />

(F-Bewilligung) und Menschen mit der "normalen" Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis)<br />

vom Einbürgerungsverfahren ausgeschlossen. <strong>Die</strong>se müssen nun zunächst eine Niederlassungsbewilligung<br />

beantragen und auch erhalten, wobei gemäss der neuen Regelung im Ausländergesetz immerhin<br />

für besonders gut integrierte Ausländer die Möglichkeit besteht, schon nach fünf Jahren eine Niederlassungsbewilligung<br />

zu beantragen. 112 <strong>Die</strong>ser Anreiz soll auch auf das Bürgerrecht übertragen werden,<br />

indem für solche Gesuchsteller das Wohnsitzerfordernis von 12 auf 8 Jahre gesenkt werden soll. 113<br />

111 BBl 2011 2832 sowie die neu vorgeschlagene Bestimmung von Art. 12 Abs. 1 BüG (BBl 2011 2876).<br />

112 Gemäss Art. 34 Abs. 4 kann die Niederlassungsbewilligung "bei erfolgreicher Integration, namentlich wenn die betroffene<br />

Person über gute Kenntnisse einer Landessprache verfügt, nach ununterbrochenem Aufenthalt mit Aufenthaltsbewilligung<br />

während der letzten fünf Jahre erteilt werden".<br />

113 Einbürgerungsgesetz soll verschärft werden 10vor10 vom 04.03.2011 und BBL 2011 2837 sowie die neu vorgeschlagene<br />

Fassung von Art. 9 Abs. 1 BüG.<br />

24


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

5 <strong>Die</strong> Auswirkungen der Veränderungen auf Bundesebene im Zeitraum von<br />

2003 bis heute auf die Gemeinden im Kanton Luzern - eine Verrechtlichung<br />

der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung<br />

Im nachfolgenden Kapitel werden die Veränderungen von 2003 bis heute in den Gemeinden des Kantons<br />

Luzerns aufgezeigt. Es wird gezeigt, inwiefern die im Kapitel 4 erklärten Veränderungen Auswirkungen<br />

auf die Gemeinden hatten. Um die Veränderung zu erkennen, wurden zwei Umfragen verglichen<br />

und von der Verfasserin in verschiedenen Gemeinden geführte Interviews mit in die Betrachtung<br />

einbezogen. <strong>Die</strong> eine Umfrage stammt aus dem Jahr 2004 114 , die andere Umfrage wurde für eine Diplomarbeit<br />

vom Frühjahr 2011 115 durchgeführt.<br />

<strong>Die</strong> Verfasserin führte in insgesamt 5 Gemeinden Interviews. 116 Dabei wurden oft unterschiedliche<br />

Personen befragt: Gemeindeschreiber, Gemeindepräsidenten, aber auch Mitglieder der Bürgerrechtskommissionen.<br />

Meistens wurden Leute mit langjähriger Erfahrung mit Einbürgerungen oder sonst<br />

mehrere Leute, die zu unterschiedlichen Zeiten dort gearbeitet haben, befragt. Auch wurde darauf<br />

geachtet, dass es Gemeinden mit unterschiedlichen Verfahren, aber auch mit einer unterschiedlichen<br />

Bevölkerungsstruktur und Einwohnerzahl waren.<br />

Zu dem Vergleich der beiden Umfragen ist noch zu sagen, dass es im Jahr 2004 im Kanton Luzern 107<br />

Gemeinden gab und heute nur noch 87. Auch ist die Rücklaufquote der beiden Umfragen nicht die<br />

gleiche. <strong>Die</strong> Umfrage vom Jahr 2004 hatte einen Rücklauf von 71% und diejenige vom Jahr 2011 einen<br />

solchen von 91%. Bei der Umfrage von 2004 wurden alle Fragen stets auch in allen Gemeinde gestellt,<br />

in derjenigen von 11 jedoch nicht. Bei einigen Fragen wurden nur diejenigen Gemeinden befragt, welche<br />

mehr als fünf Gesuche im Jahr haben, da die Gemeinden mit weniger als fünf Gesuchen eine kleinere<br />

Erfahrung haben. In der Fusszeile wird stets angegeben, von wie vielen Gemeinden Daten zu der<br />

jeweiligen Frage vorhanden sind. Bei den Antworten auf die Fragen gab es zum Teil auch Enthaltungen.<br />

Zusätzlich ist zu erwähnen, dass die Umfrage von 2004 nur das Einbürgerungsverfahren jener Gemeinden<br />

erfasste, die auch an der Umfrage teilgenommen hatten. In der Diplomarbeit von 2011 wurden<br />

jedoch alle Gemeinden mit in die Betrachtung einbezogen, d.h. auch diejenigen, die nicht an der<br />

Umfrage teilgenommen hatten. Aufgrund dieser unterschiedlichen Voraussetzungen und des Umstands,<br />

dass naturgemäss nicht in allen Gemeinden im Kanton Interviews durchgeführt worden sind,<br />

lassen sich zwar die Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden und die Entwicklung der Praxis<br />

nicht exakt ablesen. Dennoch sind Feststellungen über einige Tendenzen in den jeweiligen Bereichen<br />

möglich.<br />

5.1 Das Verfahren<br />

Im Kanton Luzern gibt es unterschiedliche Verfahren der Einbürgerung und der Entscheidungskompetenz.<br />

Um Kapitel 5.2 zu verstehen, muss man zuerst wissen, wie diese unterschiedlichen Verfahren<br />

ausgestaltet sind. <strong>Die</strong> Verfahren werden daher hier kurz beschrieben.<br />

5.1.1 Das Verfahren mit Entscheidungskompetenz der Gemeindeversammlung bzw. des Gemeindeparlaments<br />

Mitglieder der Gemeindeverwaltung oder des Gemeinderats, der Exekutive der Gemeinde, prüfen das<br />

eingereichte Gesuch. Das Gespräch des Gesuchstellers wird mit der Verwaltung oder mit Mitgliedern<br />

des Gemeinderats geführt. Der Gemeinderat gibt dann eine Empfehlung an die Gemeindeversammlung<br />

bzw. in Gemeinden, die über ein Gemeindeparlament (sog. Einwohnerrat) verfügen, an das Ge-<br />

114 <strong>Die</strong> Umfrage wurde gemeinsam von Helen Estermann von der Gemeindekanzlei Neudorf, Claudia Wicki von der Gemeindekanzlei<br />

Menznau und Beatrice Wigger von der Gemeindekanzlei Greppen durchgeführt.<br />

115 Diplomarbeit „Einbürgerungen-Verschiedene Wege führen zum Ziel“ von Andrea Fischer und Jeannine Meier.<br />

116 <strong>Die</strong> Interviews wurden mit Triengen, Geuensee, Emmen, Oberkirch und Schenkon durchgeführt, für die genaue Auswertung<br />

siehe Anhang.<br />

25


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

meindeparlament ab, ob die Stimmberechtigten das Gesuch annehmen oder ablehnen sollen. Anschliessend<br />

wird an der Gemeindeversammlung bzw. im Einwohnerrat über den Antrag des Gemeinderats<br />

diskutiert und abgestimmt. 117<br />

5.1.2 Das Verfahren mit vorbereitender oder abschliessender Kompetenz der Bürgerrechtskommission<br />

<strong>Die</strong> Kommission besteht aus einem Präsidenten und einer gewissen Anzahl von Mitgliedern aus der<br />

Bevölkerung. <strong>Die</strong> Kommission prüft das eingereichte Gesuch und führt Gespräche mit dem Gesuchsteller.<br />

Sofern die Bürgerrechtskommission eine abschliessende Entscheidungskompetenz hat, entscheidet<br />

sie selbst über das Gesuch. Andernfalls gibt sie eine Empfehlung an das zuständige Organ. 118<br />

5.1.3 Das Verfahren mit abschliessender Kompetenz des Gemeinderats<br />

Mitglieder der Gemeindeverwaltung oder der Gemeinderat selbst prüfen das Gesuch. Der Gemeinderat<br />

führt ein Gespräch mit dem Gesuchsteller und fällt den Entscheid über die Einbürgerung.<br />

5.2 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz 119<br />

Wie hat sich nun die Einbürgerung hinsichtlich der Frage, welches Einbürgerungsverfahren angewendet<br />

wird, in den letzten Jahren verändert?<br />

Im Jahr 2004 gab es im Kanton Luzern gerade einmal 12 Bürgerrechtskommissionen, jedoch hatte nur<br />

eine davon die abschliessende Entscheidungskompetenz. In 68 Gemeinden wurde der abschliessende<br />

Entscheid über eine Einbürgerung an der Gemeindeversammlung getroffen. In 3 Gemeinden entschied<br />

der Gemeinderat, in weiteren 3 das Gemeindeparlament und weitere 3 Gemeinden gaben an, eine<br />

anderes Organ entscheide, wie z.B. an der Urne 120 oder das Stimmvolk.<br />

Im Jahr 2011 gibt es im Kanton Luzern insgesamt 52 Bürgerrechtskommissionen, wobei 12 dieser<br />

Kommissionen nicht die abschliessende Entscheidungskompetenz besitzen. <strong>Die</strong>se liegt in 11 Gemeinden<br />

bei der Gemeindeversammlung und in einer beim Gemeinderat. Daher wird der endgültige Entscheid<br />

einer Einbürgerung bei 45 Gemeinden an der Gemeindeversammlung getroffen. <strong>Die</strong> meisten<br />

der Gemeinden, die das Verfahren ausschliesslich bei der Gemeindeversammlung durchführen, sind<br />

jedoch relativ klein und haben oftmals unter 5 Gesuche im Jahr. In einer einzigen Gemeinde ist allein<br />

der Gemeinderat für die Einbürgerungen zuständig, nämlich in Neudorf.<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2004<br />

2011<br />

Abb. 2<br />

117 Diplomarbeit 2011, S. 15.<br />

118 Diplomarbeit 2011, S. 13 f.<br />

119 In der Umfrage von 2004 sind Resultate von 76 Gemeinden und in jener von 2011 solche von allen 87 Gemeinden enthalten.<br />

120 <strong>Die</strong>ses Verfahren ist seit den Entscheiden des Bundesgerichts vom 29. Juni 2003 nicht mehr zulässig.<br />

26


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

In Abbildung 2 sieht man die Anzahl der Gemeinden und das für den Einbürgerungsentscheid abschliessend<br />

zuständige Organ in den Jahre 2004 und 2011.<br />

Ganz deutlich zu erkennen ist, dass die Gemeinden die Art des Einbürgerungsverfahrens geändert<br />

haben. <strong>Die</strong> Zuständigkeit wird vermehrt vom Volk auf einzelne Vertreter des Volkes übertragen. Es<br />

besteht eine starke Tendenz, die Entscheidungskompetenz einer Bürgerrechtskommission zu übertragen<br />

Man könnte also sagen, dass das Einbürgerungsverfahren „professioneller“ wird. Denn bei den Bürgerrechtskommissionen<br />

sind es einige Leute, welche sich intensiver mit dem Verfahren befassen und zum<br />

Teil sogar die Integrationsprüfung selbst durchführen. <strong>Die</strong>se Personen verfügen dann auch über eine<br />

erhebliche Erfahrung in der Beurteilung von Einbürgerungsgesuchen. In den meisten Gemeinden mit<br />

einer Bürgerrechtskommission besuchen die neuen Mitglieder sogar einen Kurs beim Amt für Gemeinden.<br />

<strong>Die</strong>ser Kurs informiert sowohl über die Gesetze und Rahmenbedingungen des Bundes und<br />

des Kantons, als auch darüber, wie man am besten bei der Integrationsprüfung vorgeht und worauf<br />

man achten sollte. In den Bürgerrechtskommissionen lernen deren Mitglieder als Entscheidungsträger<br />

den Gesuchsteller auch persönlich kennen, sodass sie sich selbst ein Bild machen können.<br />

In vielen Gemeinden ist aber immer noch die Gemeindeversammlung für den Entscheid über Einbürgerungsgesuche<br />

zuständig. Da dies jedoch hauptsächlich kleinere Gemeinden mit wenigen Gesuchen<br />

sind, geht man wohl davon aus, dass die Abstimmenden die Gesuchsteller persönlich kennen. <strong>Die</strong> Integrationsprüfung<br />

wird dort jedoch auch ausgeführt, und der Sachbearbeiter der Gemeinde gibt eine<br />

Empfehlung an der Gemeindeversammlung ab. <strong>Die</strong> Gemeindeversammlung bekommt jedoch nur einige<br />

knappe Informationen, wie Name, Adresse etc., denn der Schutz der Privatsphäre des Gesuchstellers<br />

muss gewährleistet sein.<br />

5.3 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Prüfung der Erfüllung der Bedingungen der Gesuchsteller<br />

5.3.1 <strong>Die</strong> Integrationsprüfung 121<br />

Unter Integrationsprüfung versteht man die Überprüfung des Gesuchstellers auf dessen Wissen<br />

betreffend die Schweiz und die Gemeinde, aber auch hinsichtlich seiner Eingliederung in die örtlichen<br />

Verhältnisse.<br />

Im Jahr 2004 prüften alle Gemeinden die Sprachkenntnisse des Gesuchstellers. Weiteres Wissen wie<br />

Staatswissen oder Kenntnisse über die Wohngemeinde des Gesuchstellers wurde nur in knapp 60%<br />

der Gemeinden geprüft. Heute ist eine solche Prüfung vom Amt für Gemeinden vorgegeben, dass dies<br />

geprüft werden muss, was denn auch alle Gemeinden tun. Das Vorgehen bei der Überprüfung der<br />

Integration ist in allen Gemeinden fast gleich. Man fragt die drei angegebenen Referenzen und führt<br />

mit dem Gesuchsteller ein persönliches Gespräch. Beim Staatswissen wird teilweise ergänzend ein<br />

Test eingesetzt. Was jedoch genau der Gesuchsteller wissen muss, ist je nach Gemeinde sehr unterschiedlich.<br />

In allen Gemeinden wird Wissen im Bereich der Staatskunde, Geographie und Geschichte<br />

der Schweiz geprüft und auch, ob der Gesuchsteller die Pflichten und Rechte eines Schweizer Bürgers<br />

kennt. Wie viel ein Gesuchsteller wissen muss und wie stark der jeweilige Teil gewichtet wird, ist von<br />

Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich. In einigen Gemeinden reicht es aus, wenn der Gesuchsteller<br />

weiss, dass es in der Schweiz eine Demokratie und einen Bundesrat gibt. Andere verlangen,<br />

dass der Gesuchsteller alle Bundesräte und mindesten etwa zwei Kantons- und Regierungsräte des<br />

Kantons Luzern aufzählen kann. Einige Gemeinden führen sogar einen schriftlichen Staatskundetest<br />

durch. Auch die Kenntnisse über die Gemeinde werden, wie schon erwähnt, heute in allen Gemeinden<br />

geprüft. Dabei wird vor allem nach Kenntnissen über Anlässe und Vereine der Gemeinde gefragt. <strong>Die</strong><br />

Mitgliedschaft des Gesuchstellers in einem Verein wird von vielen Gemeinden als sehr positiv betrachtet,<br />

bei einigen Gemeinden ist dies sogar vorausgesetzt. Im kantonalen Gesetz ist zusätzlich noch vorgegeben,<br />

dass der Gesuchsteller einen guten Ruf geniessen muss 122 . <strong>Die</strong>ser Faktor wird von allen Ge-<br />

121 In der Umfrage von 2004 sind Resultate von 76 Gemeinden und in jener von 2011 solche von 44 Gemeinden enthalten.<br />

Informationen zum guten Ruf aus den Interviews entnommen.<br />

122 § 12 lit. c BüG-LU<br />

27


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

meinden gleich überprüft, da dies auch vom Amt von Gemeinden vorgegeben ist. Der Gesuchsteller<br />

darf keine Betreibungen, keinen negativen Polizeibericht, kein Strafregistereintrag, keinen Zahlungsverzug<br />

bei den Schulden, keine negativen Aussagen der Referenzen und keine negativen Meldungen<br />

aus dem Volk haben.<br />

<strong>Die</strong>se vermehrte Überprüfung der Integration führt zu einem grösseren Zeitaufwand wie früher. <strong>Die</strong>s<br />

wurde auch von fast allen Interviewpartnern bestätigt.<br />

5.3.2 <strong>Die</strong> Sprachprüfung 123<br />

Bei der Sprachprüfung hat sich nicht so viel geändert. <strong>Die</strong> Mehrheit der Gemeinden untersucht die<br />

Sprachkenntnisse immer noch in einen Gespräch, wobei es dort den meisten Gemeinden ausschliesslich<br />

um das Hörverständnis geht. Bei den meisten Gemeinden kann man das Gespräch auf Hochdeutsch<br />

oder Schweizerdeutsch führen, wobei bei gewissen Gemeinden Schweizerdeutsch gewünscht<br />

wird und Kenntnisse des Dialekts als Anzeichen für eine stärkere Integration angesehen werden.<br />

Bei immer mehr Gemeinden müssen die Gesuchsteller einen externen Deutschtest mit gewissen Niveauangaben<br />

absolvieren. <strong>Die</strong>ser Sprachtest wird oft durch ein persönliches Gespräch ergänzt. Das<br />

verlangte Niveau dieser Sprachtests ist oft das Niveau A2a oder B1a des europäischen Sprachenportfolios.<br />

Bei dieser Prüfung werden die Kenntnisse in der deutschen Sprache im Sprechen, Hören, Lesen<br />

und Schreiben geprüft, wobei den kommunikativen Fähigkeiten (Hörverständnis, Sprechen) ein starkes<br />

Übergewicht zukommt.<br />

Im Jahr 2004 führten drei Gemeinden Sprachprüfungen durch. Heute sind es bereits zehn. Drei Gemeinden,<br />

die einen Sprachtest durchführen und in denen die Verfasserin ein Interview durchführte,<br />

hatten diesen Sprachtest erst kürzlich eingeführt. In einer weiteren Gemeinde (Schenkon) steht diese<br />

Option zur Diskussion. Es ist also in Zukunft zu erwarten, dass noch weitere Gemeinden einen Sprachtest<br />

einführen.<br />

In Abbildung 3 sieht man den Anteil der Gemeinden, die<br />

einen Sprachtest oder ein persönliches Gespräch<br />

durchführten, im Jahr 2004 und 2011. Gemeinden, die<br />

einen Sprachtest und ein Gespräch durchführten,<br />

wurden in der Graphik zweimal erfasst.<br />

Abb. 3<br />

123 In der Umfrage von 2004 sind Resultate von 76 Gemeinden und in jener von 2011 von 44 Gemeinden enthalten.<br />

28


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

5.3.3 Das Vorstrafenregister/Betreibungsregister 124<br />

Alle Gemeinden verlangen heute einen Auszug aus dem Vorstrafen- und Betreibungsregister, da es<br />

vom Amt für Gemeinden vorgegeben ist. Bei einem Eintrag im Vorstrafen- oder im Betreibungsregister<br />

ist die Wahrscheinlichkeit einer Einbürgerung sehr viel kleiner wie ohne einen Eintrag. Jedoch wird bei<br />

den Vorstrafen hinsichtlich der Schwere des Verbrechens und ob der Gesuchsteller ein Wiederholungstäter<br />

ist oder nicht, unterschieden. Bei den Betreibungen unterscheidet man nach der Höhe, ob<br />

sie offen sind und nach der Menge der Betreibungen. <strong>Die</strong> Beurteilung dieser Unterschiede und deren<br />

Gewichtung ist jedoch von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Früher war dieser Bereich jedoch<br />

nicht klar geregelt und man unterschied normalerweise nicht nach den obigen Kriterien.<br />

5.3.4 Weitere relevante Eignungskriterien<br />

In beiden Umfragen wurde der Frage nachgegangen, welche negativen Tatsachen negative Folgen auf<br />

den Antrag des Gesuchstellers haben. Bezüglich der Betreibungen, negativer Polizeiberichte und Strafregistereinträgen<br />

hat sich nicht viel verändert. Heute besteht auch vom Amt für Gemeinden eine klare<br />

Vorgabe, dass in solchen Fällen der Antrag abgelehnt werden soll. Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger<br />

haben jedoch heute im Vergleich zu 2004 eine grössere Chance eingebürgert zu werden. Eigentlich<br />

sollte dies keine Auswirkungen auf den Entscheid haben, da es nichts direkt mit der Integration zu tun<br />

hat.<br />

Sozialhilfeempfänger<br />

Arbeitslosigkeit<br />

Steuerschulden<br />

negativer Polizeibericht<br />

2004<br />

2011<br />

Betreibungen<br />

Strafregistereintrag<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100% 120%<br />

Abb. 4<br />

Abbildung 4 zeigt die Anzahl Gemeinden in Prozent, bei welchen die betreffende Tatsache negative<br />

Auswirkungen auf das Gesuch hat, in den Jahren 2004 und 2011.<br />

124 Angaben aus den Interviews<br />

29


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

5.4 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Verfahrensdauer 125<br />

Als Verfahrensdauer wird die Zeitspanne zwischen dem Einreichen des Gesuches bis zum Entscheid<br />

der Gemeinde über das Gemeindebürgerrecht bezeichnet.<br />

60.0%<br />

50.0%<br />

40.0%<br />

30.0%<br />

20.0%<br />

10.0%<br />

2004<br />

2011<br />

0.0%<br />

weniger als<br />

1/2 Jahr<br />

1/2 bis 1 Jahr 1 bis 1 1/2<br />

Jahr<br />

1 1/2 bis 2<br />

Jahre<br />

über 2 Jahre<br />

Abb. 5<br />

In Abbildung 5 sieht man den Vergleich der Verfahrensdauer in Prozenten (Wie viele Gemeinden in<br />

Prozent haben welche Verfahrensdauer?). Im Jahr 2004 brauchten etwa 57% der Gemeinden ein halbes<br />

bis ein ganzes Jahr und 16% bis zu anderthalb Jahren. Heute dauern die Verfahren länger, nämlich<br />

ein Jahr bis etwa 2 Jahre, denn etwa 39% der Gemeinden haben eine Verfahrensdauer von ein bis<br />

anderthalb Jahre, 27 % eine von anderthalb bis 2 Jahren und 20 % über 2 Jahre.<br />

Wieso das Verfahren heute im Schnitt etwas länger dauert, lässt sich nicht genau sagen, da so viele<br />

unterschiedliche Kriterien darauf einwirken. Ein entscheidender Punkt ist die Anzahl der Gesuchsteller,<br />

aber auch die Verfahrensart, und damit verbunden ist auch entscheidend, wer die Eignungsprüfung<br />

durchführt.<br />

Der Grund dafür, warum die meisten grösseren Gemeinden eine Bürgerrechtskommission haben, liegt<br />

darin, dass das Verfahren sonst, d.h. wenn der Gemeinderat oder die Gemeindeversammlung dafür<br />

zuständig wäre, viel zu lange ginge. <strong>Die</strong> Anzahl der Gemeindeversammlungen in einem Jahr ist beschränkt<br />

und auch die Anzahl Gesuche, über die man pro Versammlung abstimmt, sollte sinnvollerweise<br />

beschränkt sein. Ist nur der Gemeinderat zuständig, ist dieser häufig mit den vielen Gesuchen<br />

überfordert, zumal er viele weitere Aufgaben zu übernehmen hat. In grösseren Gemeinden kennt<br />

auch nicht jeder jeden, sodass die Vorstellung der Person sich schwierig gestalten würde. So wurde<br />

z.B. in Geuensee die Bürgerrechtskommission eingeführt, da der Gemeinderat mit den vielen Gesuchen<br />

überfordert war. Durch die vielen Gesuche und die Überforderung entstand eine lange Wartezeit<br />

von 4-5 Jahren. Heute hat man in Geuensee fast alle Gesuche abgebaut und auch nicht mehr so viele<br />

Gesuchsteller, sodass man maximal 3 Jahre warten muss.<br />

Auch die Zeit, die man für die Integrationsprüfung braucht, spielt eine Rolle. Wie im Kapitel 5.3.1 gesagt<br />

wurde, ist der Aufwand für die Integrationsprüfung grösser geworden und somit auch der Zeitaufwand.<br />

Trotz diesen viele Kriterien, die auf diese Verfahrensdauer einwirken, kann man eine Vermutung anstellen.<br />

Durch den starken Anwuchs an Ausländern und somit auch an Gesuchstellern, aber auch durch<br />

die genauere Integrationsprüfung, dauert das Verfahren heute länger.<br />

125 Bei dieser Auswertung hatte die Umfrage von 04 Daten von 76 Gemeinden und die von 11 von 44 Gemeinden. Von den<br />

restlichen 43 Gemeinden, die zu diesem Thema nicht befragt wurden, waren 28 Gemeinden dabei, die ihr Verfahren an<br />

der Gemeindeversammlung durchführen. Dadurch fallen in Gegensatz zu den anderen Verfahrensarten, auffallend viele<br />

weg.<br />

30


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

1 200 000<br />

1 000 000<br />

800 000<br />

600 000<br />

400 000<br />

n. Ausländer<br />

Einbürgerung<br />

200 000<br />

-<br />

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008<br />

Abb. 6<br />

In Abbildung 6 sieht man den Anstieg der niedergelassenen Ausländer schweizweit von 1990 bis 2009<br />

und den Anstieg der Einbürgerungen schweizweit. Durch den Anstieg an Ausländern steigt - nach 12<br />

Jahren aufgrund der Wohnsitzerfordernisse - auch die Anzahl an Gesuchen, die eine Gemeinde behandeln<br />

muss, und somit steigt auch die Verfahrensdauer.<br />

5.5 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Gebühren 126<br />

<strong>Die</strong> Gebühren richten sich heute nicht mehr nach Einkommen oder Vermögen. Mit der Annahme der<br />

Revision des Bürgerrechtsgesetzes vom 3. Oktober 2003 ist dies seit 2006 auch nicht mehr zulässig.<br />

Zuvor wurden aber in einigen Gemeinden noch Gebühren erhoben, die in einem Missverhältnis zum<br />

tatsächlichen Aufwand standen. Heute werden entweder pauschale Gebühren erhoben, die dem<br />

durchschnittlichem Aufwand entsprechen, oder aber es wird direkt der konkrete Aufwand in Rechnung<br />

gestellt. Da die Höhe der Gebühren von Gemeinde zu Gemeinde stark variiert und die Gebühren<br />

auch sehr unterschiedlich berechnet werden, kann man nicht genau sagen, wie genau die Gebühren<br />

sich verändert haben. Man stellt aber fest, was auch die in den Interviews befragten Gemeinden bestätigen,<br />

dass grundsätzlich für die Mehrheit der Gesuchsteller die Gebühren höher sind als früher. Für<br />

wohlhabendere Gesuchsteller verhält es sich aber umgekehrt, weil diese heute nicht mehr nach Einkommen<br />

oder Vermögen Gebühren zahlen müssen.<br />

5.6 <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die gesetzliche Verankerung des Verfahrens in den Gemeinden 127<br />

Im Jahr 2004 war bei 90% der Gemeinden das Einbürgerungsverfahren nicht in der Gemeindeordnung<br />

verankert. Verankerung wurde bei der Umfrage so verstanden, dass keine genauen Ausführungen zum<br />

Verfahren vorhanden sein müssen; die Nennung der Zuständigkeit für den Entscheid der Einbürgerung<br />

in der Gemeindeordnung gilt als Verankerung. Bei gut 30% der Gemeinden gibt es jedoch einige Richtlinien,<br />

Leitfäden oder dergleichen.<br />

Bei den für die vorliegende Arbeit geführten Interviews war festzustellen, dass heute viele Gemeinden<br />

allgemeine Verfahrensregeln haben. Viele haben sogar Verordnungen, die Bedingungen enthalten, die<br />

ein Gesuchsteller erfüllen muss, und die ausserdem angeben, wie das Verfahren abläuft<br />

126 In der Umfrage von 04 sind Resultate von 76 Gemeinden und von 2011 von 44 Gemeinden bekannt.<br />

127 Resultat von 76 Gemeinden im Jahr 2004 von 2011 keine Daten aus der Umfragen, aber Informationen aus Interviews und<br />

Recherche im Internet nach Verordnungen.<br />

31


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

5.7 Der Wunsch nach Vereinheitlichung 128<br />

In der Umfrage von 2004 wurden die Gemeinden befragt, ob sie eine Vereinheitlichung des Verfahrens<br />

wünschten. 71% der Gemeinden wünschten eine Vereinheitlichung. Gründe dafür waren, dass das<br />

Verfahren transparenter sein sollte; ausserdem könnten auf diese Weise willkürliche Entscheide vermieden<br />

werden. Auch erhoffte man sich durch die Vereinheitlichung die Gleichbehandlung der Gesuchsteller,<br />

eine sachlichere Behandlung der Gesuche und mehr Rechtssicherheit für Behörden und<br />

Gesuchsteller.<br />

<strong>Die</strong> Gemeinden, die gegen eine Vereinheitlichung waren, hatten hauptsächlich Angst, dass die Einbürgerung<br />

kein politischer Entscheid mehr sein würde und die Entscheidungskompetenz nicht mehr bei<br />

den Bürgern in der Gemeinde bliebe.<br />

Bei den für die vorliegende Arbeit geführten Interviews ergab sich, dass einige Gemeinden keine weitere<br />

Vereinheitlichung vom Kanton wünschen, da sie den Spielraum, den sie haben, weiterhin beibehalten<br />

möchten. Andere Gemeinden wiederum sind der Ansicht, dass eine weitere Vereinheitlichung<br />

gut wäre, damit alle Gesuchsteller gleich behandelt und die Kriterien der Eignungsprüfung gleich gewertet<br />

werden. Eine Gemeinde war der Ansicht, dass genauere Vorschriften vom Kanton nicht nötig<br />

seien, da schon genug Austausch zwischen den Gemeinden bestünde und die Erkenntnisse daraus nur<br />

der Umsetzung bedürften.<br />

128 Resultate von 76 Gemeinden aus dem Jahr 2004 und Antworten aus den Interviews.<br />

32


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

6 Fazit<br />

Insgesamt lässt sich feststellen, dass es in den letzten Jahren zu einer starken Verrechtlichung bei der<br />

<strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung gekommen ist. Hauptsächlich dazu beigetragen haben die beiden Entscheide<br />

des Bundesgerichts im Jahr 2003. <strong>Die</strong> Entscheide stellten klar, dass die Einbürgerung nicht nur<br />

ein politischer Akt ist, sondern auch oder vor allem ein Rechtsanwendungs- bzw. Verwaltungsakt. Das<br />

Bundesgericht erklärte die Urnenabstimmungen als rechtswidrig, weil für ein abgelehntes Gesuch eine<br />

Begründung benötigt wird und die Privatsphäre des Gesuchstellers gewährleistet sein muss, was bei<br />

der Urnenabstimmung nicht der Fall ist. <strong>Die</strong> Begründungspflicht stellt klar eine Verrechtlichung dar, da<br />

der Gesuchsteller nun weiss, weshalb er abgelehnt wurde und dadurch auch die Möglichkeit erhält,<br />

sich sachgenmäss gegen einen Entscheid zu wehren. Diskriminierende und willkürliche Entscheide sind<br />

daher nicht mehr möglich, da sie nicht sachlich begründet werden können. <strong>Die</strong> Initiative Pfisterer im<br />

Jahr 2007 verankerte die Rechtsprechung des Bundesgerichts im BüG und präzisierte im Bereich des<br />

Schutzes der Privatsphäre, welche Daten über den Gesuchsteller veröffentlicht werden dürfen. <strong>Die</strong><br />

Initiative führte auch zu einem Beschwerderecht auf kantonaler Ebene, was wiederum eine Verrechtlichung<br />

darstellt. Das bedeutet in diesem Fall, dass ein gewisser „schwacher“ Rechtsanspruch auf Einbürgerung<br />

entsteht, wenn der Entscheid nicht diskriminierend oder willkürlich begründet werden<br />

kann. Zuvor konnte der Gesuchsteller nur Beschwerde ans Bundesgericht einreichen und dieses war<br />

wiederum eingeschränkt, denn es konnte nur die Verletzung der Verfahrensrechte prüfen. Auch die<br />

Einführung der höchstens kostendeckenden Gebühren per 1. Januar 2006 bedeutet eine Verrechtlichung,<br />

da sich damit eine gewisse Vereinheitlichung der Gebühren ergab. <strong>Die</strong> Ablehnung der SVP-<br />

Initiative „für demokratische Wahlen“, mit der Urnenabstimmungen wieder möglich gemacht werden<br />

sollten, durch das Volk am 1. Juni 2008 zeigt, dass die Mehrheit der Stimmenden die Bundesgerichtsentscheide<br />

vom 9. Juni 2003 akzeptiert hat und die bisherigen Schritte der Verrechtlichung grundsätzlich<br />

unterstützt. Auch die neusten Vorschläge zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes liegen auf der<br />

Linie der festgestellten Tendenz zu einer Verrechtlichung. Hauptsächlich geht es bei diesen Vorschlägen<br />

um eine Vereinheitlichung, indem der Verfahrensablauf in den Kantonen vereinheitlicht werden<br />

soll. Aber auch die genaue Definition des Integrationsbegriffes stellt eine Vereinheitlichung dar.<br />

Jedoch unterstützte das Volk nicht nur die Stossrichtung des Bundesgerichtes und des Gesetzesgebers,<br />

sondern verhinderte auch eine weitere Verrechtlichung, indem die Stimmberechtigten am 26. September<br />

2004 gegen die Vorlage stimmten, welche die erleichterte Einbürgerung der zweiten und dritten<br />

Ausländergeneration in allen Kantonen vorsah. Durch die Annahme der Initiative wäre es zu einer<br />

Vereinheitlichung gekommen und es wäre auch ein gewisser Rechtsanspruch für die jungen Ausländer,<br />

welche die vorgegebenen Kriterien erfüllt hätten, entstanden.<br />

Einzelne Kantone (so insbesondere die Kantone Schwyz und Aargau) wehrten sich ausdrücklich gegen<br />

eine Verrechtlichung, vor allem gegen die Einschränkung der direkten Demokratie durch die beiden<br />

Bundesgerichtsentscheide. Da mit den Bundesgerichtsentscheiden vom 09. Juli 03 die Urnenabstimmungen<br />

untersagt worden waren, wollte der Kanton Schwyz sicherstellen, dass Entscheide über Einbürgerungen<br />

an Gemeindeversammlungen immer noch möglich sind. Das Bundesgericht stellte dies in<br />

seinem Entscheid vom 12. Mai 2004 sicher. 2007 wurde mit der Initiative Pfisterer die Zulässigkeit<br />

dieser Lösung gesetzlich verankert. <strong>Die</strong> Kantone können somit seit der Annahme der Initiative Pfisterer<br />

im Jahre 2008 selbständig über das Verfahren für die Einbürgerung entscheiden, was die Selbständigkeit<br />

der Kantone heraushebt. Dadurch gibt es viele unterschiedliche Verfahrensmöglichkeiten, was<br />

keine Vereinheitlichung darstellt und somit auch keine Verrechtlichung. Auch die Möglichkeit der Gemeindeversammlung<br />

bleibt bestehen, d.h. die Legislative der Gemeinde kann weiterhin die Einbürgerungsentscheide<br />

treffen. Daher bleibt die Einbürgerung teilweise ein politischer Akt. Es ist fraglich, ob<br />

die Abschaffung der Entscheidungszuständigkeit der Gemeindeversammlungen in einer Volksabstimmung<br />

angenommen worden wäre. Schon gegen das Verbot der Urnenabstimmung gab es heftige Proteste.<br />

Wäre auch die Entscheidungskompetenz der Gemeindeversammlung abgeschafft worden, hätte<br />

33


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

dies zu noch heftigeren Gegenreaktionen geführt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Abschaffung der<br />

Entscheidungskompetenz der Gemeindeversammlung in naher Zukunft politisch durchsetzbar ist. 129<br />

Obwohl die Gemeindeversammlung immer noch über Einbürgerungsgesuche entscheiden darf, haben<br />

im Kanton Luzern viele Gemeinden zur Bürgerrechtskommission gewechselt. In den Gemeinden selbst<br />

ist auch eine Tendenz zur Verrechtlichung zu erkennen. Nicht nur wird vermehrt die Entscheidungskompetenz<br />

über Einbürgerungen vom Volk auf einige Vertreter des Volkes übertragen, sondern auch<br />

die Integrationsprüfung wird genauer und mit mehr Zeitaufwand durchgeführt. <strong>Die</strong> Sprachkenntnisse<br />

werden immer häufiger mit einem externen Deutschtest überprüft. Und das Verfahren in den Gemeinden<br />

wird gesetzlich verankert. Für den Gesuchsteller werden die Voraussetzungen, die er erfüllen<br />

muss, immer klarer. Wenn er diese alle erfüllt, entsteht für ihn ein gewisser Rechtsanspruch. Durch<br />

diese Verrechtlichung sind die Gemeinden befähigt, den Gesuchsteller mit einer klareren und sachlichen<br />

Begründung abzulehnen, was auch für die Gemeinden mehr Rechtssicherheit bedeutet.<br />

Insgesamt kann man somit trotz gewisser gegenläufiger Tendenzen sowohl auf Bundesebene als auch<br />

in den Gemeinden von einer starken Tendenz zur Verrechtlichung der Einbürgerungsverfahren sprechen.<br />

Durch die Vereinheitlichung des Verfahrens und auch dadurch, dass die Einbürgerung als ein<br />

Rechtsanwendungsakt angesehen wird, ist das Verfahren für den Gesuchsteller durchschaubarer geworden.<br />

Durch die Vereinheitlichung ist das Einbürgerungsverfahren auch fairer geworden, da die<br />

Gesuchsteller ähnlicher behandelt werden. Jedoch bestehen immer noch grosse Unterschiede zwischen<br />

den Gemeinden, da diese weiterhin in vielen Bereichen viel Spielraum haben. Grundsätzlich sind<br />

die Schritte, die bis heute in Richtung auf eine Verrechtlichung des Einbürgerungsverfahrens unternommen<br />

wurden, zu begrüssen, da so die Grundrechte der Gesuchsteller geachtet werden und das<br />

Verfahren durch die Vereinheitlichung gerechter wird.<br />

Auf Grund der Verrechtlichung sind die Kriterien, die ein Gesuchsteller erfüllen muss, klarer geworden.<br />

Dadurch entsteht für den Gesuchsteller, falls er alle Kriterien erfüllt, ein gewisser Rechtsanspruch auf<br />

Einbürgerung. Man kann nicht sagen, dass ein zwingender Rechtsanspruch besteht, da in gewissen<br />

Bereichen die Bedingungen nicht ganz genau definiert sind und die Gemeinden daher auch einen gewissen<br />

Spielraum haben und es teilweise immer noch ein Ermessensentscheid ist. Jedoch ist der Spielraum<br />

geschrumpft und man kann auch nicht mehr von einem reinen Ermessenentscheid sprechen.<br />

Auch wenn nur ein gewisser Rechtsanspruch auf Einbürgerung entsteht, besteht aber ein Rechtsanspruch<br />

auf ein sachliches und an sich die Grundrechte haltendes Einbürgerungsverfahren.<br />

129 Dafür spricht sich mit überzeugenden Argumenten Auer in seinem Aufsatz aus.<br />

34


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

7 Reflexion<br />

Ziel der Matuararbeit war, die Tendenz einer Verrechtlichung bei der <strong>ordentliche</strong>n Einbürgerung aufzuzeigen<br />

und der Frage nachzugehen, ob heutzutage auf Grund der Verrechtlichung ein Rechtsanspruch<br />

auf eine <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung besteht. <strong>Die</strong> Tendenz einer Verrechtlichung und deren Bedeutung<br />

für die Praxis konnten aufgezeigt werden. <strong>Die</strong> Frage, ob heute ein Rechtsanspruch besteht,<br />

konnte ich zwar ansatzweise, aber nicht ganz abschliessend beantwortet, da ich zu wenig mit der heutigen<br />

Praxis und dem Entscheidungsspielraum der Gemeinden vertraut bin. Ich habe aber anhand gezielter<br />

Interviewfragen einen Einblick in die Praxis gewonnen, so dass ich einige Aspekte, die zu einem<br />

Rechtsanspruch führen, ausmachen konnte. Zu bedenken ist ebenfalls, dass ich im Rahmen der Maturaarbeit<br />

nur einige Gemeinden befragen konnte, andererseits war es mir möglich, valide Schlüsse zu<br />

ziehen, da mir zwei Umfragen zur Verfügung standen.<br />

Ich schränkte das Thema nach dem Einlesen relativ bald zeitlich und thematisch ein, da die Entwicklung<br />

des Schweizer Bürgerrechts ein grosses Thema ist. Ich lernte mit der Informationsflut zu diesem<br />

Thema, vor allem im Internet, umzugehen. Mit der Zeit gelang es mir immer besser, gezielt Informationen<br />

auszusuchen und zu lesen.<br />

Es ist mir bewusst, dass der Umfang der Arbeit eher an der oberen Grenze liegt. Ich entschied mich<br />

jedoch letztendlich, keine Teile der Arbeit zu streichen, da aus meiner Sicht die Arbeit in sich stimmig<br />

ist. Streichungen oder Kürzungen hätten die Aussagen zum Teil auch leicht verändert. Falls ich nochmals<br />

eine Arbeit zu diesem Thema schreiben würde, würde ich mich jedoch stärker auf den Inhalt der<br />

jeweiligen Änderung konzentrieren, als darauf, wie sie entstanden ist.<br />

Auf Grund des relativ komplexen Themas habe ich gelernt, besser mit schwierigen Texten umzugehen.<br />

Zum Teil hatte ich den Eindruck, nach dem ersten Lesen den Text an sich verstanden zu haben. Beim<br />

zweiten Lesedurchgang fielen mir jedoch wichtige Aussagen auf, die ich beim ersten Lesen nicht wahrgenommen<br />

hatte. Mir war bewusst, dass es gerade im Recht oft auf genaue Formulierungen ankommt,<br />

so dass ich die Texte sehr langsam und sorgfältig las und zum Teil auch Fachbegriffe nachschlug,<br />

auch wenn das relativ zeitaufwändig war. Der Grund dafür, dass die Texte aus meiner Sicht<br />

schwierig zu verstehen waren, ist, dass ich mit dem Fachgebiet des Rechts noch wenig vertraut bin,<br />

insbesondere mit dem Fachausdrücken. Es brauchte für meine Maturaarbeit im Bereich der Einbürgerung,<br />

aber auch im Bereich des Staatsrechts, ein Basiswissen, das ich nicht ausreichend hatte. Daher<br />

musste ich mich anfänglich gezielt einlesen.<br />

<strong>Die</strong> Interviews sollten erst durchgeführt werden, wenn man sich schon relativ gut in das Thema eingelesen<br />

hat. So kann man gezieltere Fragen stellen und überflüssige Fragen vermeiden. Zwar hatte ich<br />

mich mit der Materie vertraut gemacht, bevor ich die Interviews durchführte. Da ich diese aber vor<br />

den Sommerferien durchführen musste, waren die Fragen bei dem ersten Interview zum Teil nicht<br />

genügend präzise formuliert und ich stellte teilweise auch weniger relevante Fragen. Nach dem Interview<br />

passte ich die Fragen aber an und konnte so die weiteren Interviews besser durchführen.<br />

Ich habe bei der Auswertung auch realisiert, dass Aussagen der Interviewpartner nicht immer wörtlich<br />

genommen werden dürfen. Bei einer kurzen Entscheidungsfrage antwortete die Person zum Beispiel<br />

zwar mit einem Nein, die Ausführungen, die sie jedoch dazu machte, ergaben eigentlich eine positive<br />

Antwort auf die Ausgangsfrage.<br />

Den Zeitplan konnte ich mehrheitlich einhalten, auch wenn ich den Zeitaufwand unterschätzt habe,<br />

vor allem den, einen Text zu schreiben.<br />

Ich habe gelernt, im Fachbereich Recht genau zu formulieren und korrekt zu zitieren.<br />

Mit dem Resultat meiner Arbeit bin ich zufrieden, denn ich habe meine gesetzten Ziele mehrheitlich<br />

erreicht, bei meiner ersten wissenschaftlichen Arbeit auch vieles gelernt und die Auseinandersetzung<br />

mit Fragen rund um die <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung haben mein Interesse an der Thematik vertieft.<br />

35


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

8 Dank<br />

Ich danke meiner Betreuerin Ulrike Gerhardt für ihre Unterstützung. Den Verantwortlichen der Gemeinden<br />

danke ich, dass sie sich Zeit genommen haben, die Interviewfragen in einem Gespräch zu<br />

beantworten. Andrea Fischer und Jeannine Meier danke ich dafür, dass sie mir ihre Diplomarbeit „Einbürgerungen<br />

- Verschiedene Wege führen zum Ziel“ zur Verfügung stellten. Auch dem Amt für Gemeinden<br />

danke ich für die Zusendung der Unterlagen über die gesetzliche Verankerung des Einbürgerungsverfahrens<br />

und wie man konkret beim Verfahren, hauptsächlich bei der Eignungsprüfung, vorgehen<br />

soll.<br />

9 Deklaration<br />

„Ich erkläre hiermit,<br />

Ort:<br />

dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Benutzung der angegebenen Quellen<br />

verfasst habe,<br />

dass ich auf eine eventuelle Mithilfe Dritter in der Arbeit ausdrücklich hinweise,<br />

dass ich vorgängig die Schulleitung und die betreuende Lehrperson informiere, wenn ich diese<br />

Maturaarbeit, bzw. Teile oder Zusammenfassungen davon veröffentlichen werde, oder Kopien<br />

dieser Arbeit zur weiteren Verbreitung an Dritte aushändigen werde.“<br />

Datum:<br />

Unterschrift:<br />

36


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Anhang<br />

37


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Literaturverzeichnis<br />

AUBERT/KURT EICHENBERGER/JÖRG PAUL MÜL-<br />

LER/RENÈ A. RHINOW/DIETRICH SCHINDLER (HRSG.),<br />

ANDREAS AUER<br />

DORIS BIANCHI<br />

WERNER BAUMANN<br />

BUNDESAMT FÜR MIGRATION<br />

BUNDESBLATT - FEUILLE FÉDÉRALE - FOGLIO FEDERALE<br />

BUNDESRAT DER SCHWEIZERISCHEN EIDGENOSSENSCHAFT<br />

WALTER BURCKHARDT<br />

BERNHARD EHRENZELLER/PHILIPP MASTRONAR-<br />

DI/RAINER J. SCHWEIZER/KLAUS A. VALLENDER (HRSG.)<br />

BERNHARD EHRENZELLER<br />

Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874,<br />

Basel 1986 ff. (Loseblatt); zitiert: Kommentar<br />

aBV sowie der jeweilige Verfasser und das Erscheinungsjahr<br />

Einbürgerungen durch Gemeindeversammlungen:<br />

Um- und Holzwege der bundesgerichtlichen<br />

Rechtsprechung, ZBl 110/2009, S. 69 - 91<br />

Paradigmenwechsel im Einbürgerungsrecht.<br />

Vom politischen Einbürgerungsentscheid zum<br />

Verwaltungsakt, Bern 2004<br />

Aus der Werkstatt des neuen Bürgerrechtsgesetzes,<br />

ZBl 51/1950, S. 557 ff.<br />

Bericht über hängige Fragen des Bürgerrechts,<br />

Bern 2005, zitiert: Bericht BFM<br />

Bern, seit 1849, chronologische Sammlung von<br />

Botschaften des Bundesrats, Berichten und Entwürfen<br />

von Kommissionen der Bundesversammlung<br />

etc. (vgl. Art. 3 Abs.1 des Bundesgesetzes<br />

vom 18. Juni 2004<br />

über die Sammlungen des Bundesrechts; Publikationsgesetz;<br />

SR 170.512)<br />

Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmung<br />

vom 26. September 2004 (Revision des Bürgerrechts),<br />

Bern 2004, zitiert: Abstimmungsbüchlein<br />

2004<br />

Das Beschwerderecht der Ausländer in Niederlassungs-<br />

und Naturalisationssachen, Zeitschrift<br />

des Bernischen Juristenvereins (ZBJV) 72/1936,<br />

S. 201 - 220<br />

<strong>Die</strong> Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar,<br />

2. Auflage, St. Gallen 2008; zitiert: Kommentar<br />

BV sowie der jeweilige Verfasser<br />

Entwicklungen im Bereich des Bürgerrechts. in:<br />

ALBERTO ACHERMANN/ASTRID EPINEY/WALTER KÄ-<br />

LIN/MIN SON NGUYEN (HRSG.): Jahrbuch für Migrationsrecht/Annuaire<br />

du droit de la migration<br />

2004/2005, Bern, 2005, S. 13 - 43.<br />

38


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

EIDGENÖSSISCHES JUSTIZ UND POLIZEIDEPARTEMENT<br />

(EJPD)<br />

ENTSCHEIDUNGDEN DES SCHWEIZERISCHEN BUNDESGE-<br />

RICHTS -<br />

ARRÊTS DU TRIBUNAL FÉDÉRAL SUISSE<br />

DECISIONI DEL TRIBUNALE FEDERALE SVIZZERO<br />

Rundschreiben betreffend die Revision des Bürgerrechtsgesetzes<br />

(Bürgerrechtserwerb von Personen<br />

schweizerischer Herkunft und Gebühren),<br />

Bern-Wabern 2005, zitiert: Rundschreiben<br />

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des<br />

Schweizerischen Bundesgerichts, Lausanne, seit<br />

1874; zitiert: BGE sowie Jahrzahl ab 1874 und<br />

Band (I = erste öffentlich-rechtliche Abteilung<br />

des Bundesgerichts)<br />

HELEN ESTERMANN / CLAUDIA WICKI / BEATRICE WIG-<br />

GER<br />

ANDREA FISCHER/JEANNINE MEIER<br />

FRITZ FLEINERZACCARIA GIACOMETTI<br />

ULRICH HÄFELIN/ WALTER HALLER/ HELEN KELLER<br />

Auswertung der Fragebögen über das Einbürgerungsverfahren<br />

von ausländischen Staatsangehörigen<br />

in Luzerner Gemeinden<br />

Einbürgerungen-Verschiedene Wege führen zum<br />

Ziel, Einbürgerung von ausländischen Staatsangehörigen-Vergleich<br />

und Beurteilung der verschiedenen<br />

Verfahren im Kanton Luzern, Diplomarbeit<br />

von 2011, Hochschule Luzern, Wirtschaft<br />

Lehrgang Verwaltungsmanagement LVM<br />

09<br />

Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Neubearbeitung<br />

der ersten Hälfte des gleichnamigen Werkes<br />

von F. Fleiner, Zürich 1949<br />

Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Auflage,<br />

Zürich 2008<br />

FELIX UHLMANN Das Willkürverbot (Art. 9 BV), Bern 2005<br />

Internetquellen<br />

http://www.parlament.ch/d/mm/2007/Seiten/mm_2007-02-19_058_01.aspx<br />

http://www.ekm.admin.ch/de/dokumentation/doku/Argumentarium_einbuerg_d.pdf<br />

http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/20080601/index.html<br />

39


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1<br />

Abb.2<br />

Abb. 3<br />

Abb. 4<br />

Abb.5<br />

Abb. 6<br />

http://www.tagesschau.sf.tv/Hintergrund/Abstimmungen/Abstimmung-vom-1.-Juni-<br />

2008/Fuer-demokratische-Einbuergerungen/SVP-Schlappe-bei-Einbuergerungs-Initiative<br />

Grafik wurde mit Daten aus den beiden Umfragen aus dem Jahr 2004 und 2011 erstellt.<br />

Grafik wurde mit Daten aus den beiden Umfragen aus dem Jahr 2004 und 2011 erstellt.<br />

Grafik wurde mit Daten aus den beiden Umfragen aus dem Jahr 2004 und 2011 erstellt.<br />

Grafik wurde mit Daten aus den beiden Umfragen aus dem Jahr 2004 und 2011 erstellt.<br />

Grafik wurde mit Daten für<br />

Ausländische Wohnbevölkerung nach Anwesenheitsbewilligung von<br />

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/key/01/02.html<br />

Erwerb des Schweizer Bürgerrechts (Total) nach Erwerbsart von<br />

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/key/03.html<br />

erstellt.<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

aBV<br />

BBl<br />

BFM<br />

BGE<br />

BüG<br />

(alte) Bundesverfassung der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874<br />

Bundesblatt<br />

Bundesamt für Migration<br />

Bundesgerichtsentscheid<br />

Bundesgesetz vom 29. September 1952 über<br />

Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts<br />

(SR 141.0)<br />

BüG-LU Bürgerrechtsgesetz des Kantons Luzern vom 21.<br />

November 1994 (SRL 2)<br />

BV<br />

Rz<br />

SDA<br />

SR<br />

SRL<br />

VO-BüG-LU<br />

ZBl<br />

(neue) Bundesverfassung der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101.0)<br />

Randziffer<br />

Schweizerische Depeschenagentur<br />

Systematische Sammlung des Bundesrechts<br />

Systematische Rechtssammlung des Kantons<br />

Luzern<br />

Verordnung vom 9.Mai 1995 zum Bürgerrechtsgesetz<br />

des Kanton Luzern (SRL 3)<br />

Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und<br />

Verwaltungsrecht<br />

40


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Interview mit den Gemeinden<br />

Fragen<br />

1. a) Welches Verfahren wird jetzt angewendet und seit wann? Welches vorher?<br />

b) Wieso nahm man diese Änderung vor? Vom wem kam der Wunsch, oder auf welche Gesetzesänderung<br />

oder Bundesgerichtsentscheidungen folgte er?<br />

2. Gab es Urnenabstimmungen? Wenn ja, seit wann nicht mehr?<br />

3. Wie lange dauert das ganze Verfahren maximal? Heute/Früher<br />

4. Wie wird die Eingliederung in die Gemeinde und geprüft? Welche Fragen werden gestellt?<br />

5. a)Wie viel Zeit wird für die Integration-/Eignungsprüfung verwendet? Heute/Früher<br />

b) Wer führt dies durch? Heute/Früher<br />

6. Wie hoch sind die Kosten für ein Einbürgerungsverfahren und wie werden sie berechnet? Heute/Früher<br />

7. Wie prüft man, ob die Referenzen aussagekräftig, objektiv und repräsentative sind? (Familie, Freunde<br />

oder Arbeitgeber)<br />

8. Wie wird geprüft , ob der Kandidat einen guten Ruf hat und was versteht man überhaupt darunter?<br />

9. Bei dem Gespräch mit dem Kandidaten<br />

a) Wie lange dauert dies?<br />

b) Wer nimmt daran teil? Wird ein Protokoll erstellt?<br />

10. Wird das Bildungsniveau geprüft? Werden Schulzeugnisse, Arbeitszeugnisse, Referenzen beim<br />

Arbeitgeber eingeholt?<br />

11. a)Wie wird die Sprachkenntnis der Bewerber ermittelt? (Gespräch, Sprachtest)<br />

b) Wird dabei das Bildungsniveau berücksichtigt?<br />

c) Muss man Sprachkenntnisse mündlich/schriftlich haben in Schweizerdeutsch /Hochdeutsch?<br />

d) Wie hoch müssen die Sprachkenntnisse sein? (A2, B2.., Verständnis, korrekte Grammatik)<br />

12. Wird die Einstellung der Einbürgerungskandidaten geprüft und ist sie entscheidend für die Einbürgerung?<br />

(Gleichberechtigung der Geschlechter, Anhänger einer bestimmten Partei oder Religion)<br />

13. Wird Wissen über die Schweiz geprüft und welche Fragen stellt man konkret?<br />

14. a) Wird ein Auszug aus dem Vorstrafenregister/Betreibungsregister verlangt?<br />

b) Führt jeder Eintrag im Vorstrafenregister/Betreibungsregister zur Ablehnung des Gesuches oder<br />

werden je nachdem, wie schwerwiegend der Eintrag ist, Unterschiede gemacht?<br />

15. a)Welche Informationen erhalten die Mitglieder der Kommission/Gemeindeversammlung über die<br />

Gesuchsteller? Heute/ Früher<br />

b)Welche die Bürger der Gemeinde (Anschlagkasten)? Heute/Früher<br />

41


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

16. a) Hatten Sie schon Fälle, bei denen das Gesuch abgelehnt worden ist? Hat die Kommission/Gemeindeversammlung<br />

abgelehnt oder hat man der betroffene Person im Voraus empfohlen den<br />

Antrag zurückzuziehen?<br />

b)Wenn empfohlen wurde , den Antrag zurückzuziehen, haben die Leute dann ohne weiteres zurückgezogen?<br />

c)Was waren konkrete Gründe für eine Abweisung bzw. Zurückstellung?<br />

d) Wurden bei einer Zurückstellung auch Gründe genannt?<br />

17. a) Muss man besondere Qualifikationen haben, um in der Kommission zu sein?<br />

b) Gibt es Weiterbildungsmöglichkeiten (Amt für Gemeinden)?<br />

18. Wünsche, wie das Einbürgerungsverfahren und die Eignungsprüfung aussehen sollten?<br />

19. Wird eine Vereinheitlichung gewünscht?<br />

Auswertung der Interviews<br />

Befragten Personen:<br />

Gemeinde Befragte Person Arbeit in der Gemeinde Seit<br />

Triengen Frau Karin Pfenniger-Thürig Sekretärin Bürgerrechtskommission/ 2 ½ Jahre<br />

Sachbearbeiterin<br />

Geuensee<br />

Herr Kost<br />

Frau Rita Bussman<br />

Mitglied Bürgerrechtskommission<br />

Präsident Bürgerrechtskommission<br />

Mitglied Bürgerrechtskommission/<br />

Gemeinderätin<br />

5 Jahre<br />

3 Jahren<br />

3 Jahren<br />

Herr Alber Albisser<br />

Gemeindeschreiber<br />

22 Jahren<br />

Emmen Herr Michael Kost Gemeindeschreiber Stellvertreter 3 Jahren<br />

Oberkirch Frau Jeannine Meier Gemeindeschreiber-Stellvertreterin 1 ½ Jahren<br />

Schenkon Frau Karin Vogel Gemeindeschreiberin/Substitutin 22 Jahren<br />

Art des Verfahrens in den Gemeinden:<br />

Gemeinde Verfahren Falls geändert seit<br />

Triengen Gemeindeversammlung<br />

Bürgerrechtskommission 1.1.06<br />

Geuensee Gemeinderat mit abschliessenden Entscheid bei<br />

Gemeindeversammlung<br />

Emmen<br />

Oberkirch<br />

Schenkon<br />

Bürgerrechtskommission mit abschliessenden Entscheid<br />

bei der Gemeindeversammlung<br />

2008<br />

Einwohnerrat<br />

Urne<br />

Von 13. Juni 1999-3. Juli 2003<br />

Bürgerrechtskommission<br />

2005<br />

Gemeindeversammlung<br />

Gemeindeversammlung<br />

Bürgerrechtskommission 1.1.08<br />

42


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Auswertung der Fragen<br />

Es werden nur die Fragen ausgewertet, bei denen auch tatsächlich Resultate zu erkennen waren und<br />

deren Resultate für die Arbeit relevant waren.<br />

Dauer des Verfahrens<br />

Heute:<br />

3 ½ Jahr, 6 Jahre (aufgrund der Umstellung viele pendente Gesuche) Emmen<br />

3 Jahre, 4-5 Jahre (aufgrund der Umstellung viele pendente Gesuche) Geuensee<br />

1 Jahr Triengen<br />

2 Jahre Oberkirch<br />

1 ½ Jahr Schenkon<br />

Früher:<br />

Schneller<br />

Emmen, Oberkirch<br />

2-3 Jahre Geuensee, Triengen<br />

½ -1 Jahr<br />

Schenkon<br />

Zeitaufwand für Integrationsprüfung (Gespräche und Recherchen)<br />

Heute:<br />

4h<br />

Triengen<br />

1 ½ h Geuensee<br />

2h<br />

Emmen<br />

1 Tag Schenkon<br />

5-10 h Oberkirch<br />

Früher:<br />

Weniger<br />

Gleich<br />

Triengen, Emmen, Schenkon,<br />

(Oberkirch)<br />

Geunesee<br />

Wie wird die Eingliederung in die Gemeinde geprüft?<br />

Wird von allen Gemeinden gleich gemacht, da es vom Amt von Gemeinden vorgegeben ist<br />

Befragung 3 Referenzen<br />

Persönliches Gespräch mit Gesuchsteller<br />

Was gefragt wird, ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich<br />

Kenntnisse über örtliche Infrastruktur, Veranstaltungen, Vereine, aktuelles politisches Geschehen,<br />

wird von fast allen Gemeinden gefragt<br />

Nachbargemeinden, was passiert mit den gezahlten Steuern, Gemeindefusion wird auch zum Teil<br />

gefragt<br />

43


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Dauer der Gespräche<br />

Dauer ist insgesamt berechnet<br />

2h<br />

Präsident und Sekretärin der Bürgerrechtskommission,<br />

ganze Kommission<br />

2 Bürgerrechtskommissionsmitglieder, ganze Kommission<br />

Triengen<br />

Geuensee<br />

1-1 ½ h 2 Personen von der Verwaltung, gesamte Gemeinderat Oberkirch<br />

¾-1 ½ h 3 Kommissionmitglieder, ganze Bürgerrechtskommission Schenkon<br />

¾ -3h Sachbearbeiter, Bürgerrechtskommission Emmen<br />

Höhe der Gebühren<br />

Heute:<br />

Höhe Art der Erhebung der Gebühr Gemeinde<br />

1520 CHF (Einzelperson) Pauschal nach Aufwand<br />

berechnet<br />

500 CHF (nach 1 Gespräch Rückzug<br />

des Gesuches)<br />

1500 CHF<br />

Pauschal nach Aufwand<br />

berechnet<br />

Triengen<br />

Geuensee<br />

Insgesamt Circa 1‘000-1‘200 CHF Aufwand Emmen<br />

100 pro h5‘000-1‘000 CHF Aufwand Oberkirch<br />

1‘000-1‘2000 CHF(Einzelperson)<br />

1‘5000 CHF (Fammilie)<br />

Pauschal nach Aufwand<br />

Schenkon<br />

Früher:<br />

Höhe Art der Erhebung der Gebühr Gemeinde<br />

Weniger Aufwand Triengen<br />

Max 20‘000 CHF,<br />

im Schnitt 3‘000-4‘000 CHF<br />

Weniger<br />

Einkommen<br />

Einkommen<br />

Nach Einkommen +Gebühr für<br />

Aufwand<br />

Geuensee<br />

Emmen<br />

Oberkirch<br />

Schenkon<br />

Wie wird geprüft, ob der Kandidat einen guten Ruf hat und versteht man darunter?<br />

Alle Gemeinden gaben sehr ähnliche Antworten, da dieser Punkt auch von Amt von Gemeinden vorgegeben<br />

ist.<br />

Keine Betreibungen<br />

Kein negativer Polizeibericht<br />

Kein Strafregistereintrag<br />

Kein mehrmaliger Zahlungsverzug bei den Steuern<br />

Keine schlechten Aussagen von Referenzen<br />

Keine negativen Meldungen aus dem Volk<br />

Bei der Gemeinde immer die Wahrheit angegeben (Schenkon)<br />

44


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Sprachkenntnisse<br />

Wie und das Sprachniveau<br />

Sprachtest (Niveau A2)<br />

Gespräch (Verständnis)<br />

Sprachtest wird mit Gespräch ergänzt<br />

Emmen, Oberkirch, Geunensee<br />

Schenkon, Triengen<br />

Gespräche werden auf Hochdeutsch geführt, in einigen Gemeinden wird Schweizerdeutsch gewünscht<br />

Wissen über die Schweiz<br />

Liste der Dinge, die in unterschiedlichen Gemeinden gefragt werden und einige Beispiele aus unterschiedlichen<br />

Gemeinden. Wie detailliert der Gesuchsteller etwas wissen muss und wie dieser Bereich<br />

gewichtet wird, ist sehr unterschiedlich.<br />

Politik: aktuelle Themen wie Abstimmungen<br />

Geschichte: Gründung der Eidgenossenschaft, Rütliwiese<br />

Staat: Demokratie, Nennung von Bundesräten, Staatsräten/Kantonsräten, Rechte und Pflichten eines<br />

Schweizers, Parteiensystem und Nennung einiger Parteien, wie viele Kantone, wie viele Landessprachen,<br />

Anzahl Mitglieder Nationalrat/Ständerat<br />

Geographie: Nennung von Gebirgen, Wo liegt der Napf, Wie kommt man nach Luzern, Verkehrsachsen<br />

Vorstrafenregister/Betreibungsregister<br />

Alle Gemeinde untersuchen dies, da es vom Amt von Gemeinde vorgeschrieben ist.<br />

Es wird zwischen der Schwere des Verbrechen unterschieden und auch, ob es sich um einen Wiederholungstäter<br />

oder nicht. Bei den Betreibungen unterscheidet man die Höhe, ob sie offen sind und ob<br />

der Gesuchsteller häufig Betreibungen hat. <strong>Die</strong> Beurteilung der Fakten ist den Gemeinden relativ offen<br />

gelassen.<br />

Bei einem Eintrag im Vorstrafenregister/Betreibungsregister kann jedoch der Gesuchsteller damit<br />

rechnen, dass er eine geringe Chance hat, eingebürgert zu werden.<br />

Welche Informationen erhalten die Bürger und die Kommissionsmitglieder?<br />

Es kamen keine klaren Angaben heraus. Jedoch war festzustellen, dass die Kommissionsmitglieder alle<br />

Informationen erhalten, die herausgefunden wurden. <strong>Die</strong> Bürger dagegen erhalten nur sehr wenige<br />

Angaben, wie Name, Geburtsdatum und Adresse. Früher erhielten die Bürger zum Teil etwas mehr<br />

Informationen, wie z.B. zum Vermögen und Einkommen des Gesuchstellers.<br />

Zurückstellung/Abweisung<br />

Es wird dem Gesuchsteller, sobald erkannt wird, dass er geringe Chancen auf eine Einbürgerung hat,<br />

empfohlen, das Gesuch mit Angabe eines Grundes zurückzuziehen. Oft wird ohne Weiteres zurückgezogen<br />

und später wieder ein Antrag gestellt, wenn der Abweisungsgrund aus dem Weg geräumt wurde.<br />

Bei der Gemeindeversammlung versucht man Abweisungen im Voraus zu verhindern, da dies für<br />

den Gesuchsteller einfacher ist, wie vor der ganzen Gemeindeversammlung abgelehnt zu werden.<br />

Auch bei der Bürgerrechtskommission wird schon im Voraus eine Zurückstellung empfohlen.<br />

<strong>Die</strong> am häufigsten genannten Gründe für eine Ablehnung sind mangelnde Integration/Sprachkenntnis.<br />

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Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten für Bürgerrechtskommissionsmitglieder<br />

Alle Gemeinden empfehlen Mitglieder, die neu in die Kommission eintreten, einen Weiterbildungskurs<br />

beim Amt für Gemeinden zu besuchen. <strong>Die</strong>ser wird auch tatsächlich immer von allen neuen Mitgliedern<br />

besucht.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Wünsche, wie das Einbürgerungsverfahren und Eignungsprüfung aussehen sollte?<br />

Zufrieden, wie es in der eigenen Gemeinde läuft, führen gute Prüfung durch(Schenkon)<br />

Nein, Kommission ist sich immer einstimmig einig (Triengen)<br />

Zufrieden, da die Gemeinde immer fortlaufend selbst Anpassungen macht (Geuensee)<br />

Etwas mehr Vorlagen, Anhaltspunkte, an die man sich richten könnte (Oberkirch)<br />

Anpassung des Ausländerrechts an das Bürgerrecht, Notwendigkeit der C-Ausweises um Gesuch zu<br />

stellen (Emmen)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Wird eine Vereinheitlichung des Verfahrens vom Kanton aus gewünscht?<br />

Ja, Gemeinden sind heute relativ offen, es sollten alle Gesuchsteller die gleichen Voraussetzungen<br />

haben(Karin Vogel, Schenkon)<br />

Nein, Rahmenbedingungen sind gut und ausreichend, keine weiteren Einschränkungen, Einbürgerung<br />

soll kein Verfahrensakt werden (Michael Kost, Emmen)<br />

Nein, dies ist nicht nötig, da schon heute genügen Austausch zwischen den Gemeinden besteht, und<br />

als Gemeinde mit den Informationen der anderen immer selbst das Verfahren verbessert sollten(Rita<br />

Bussmann, Geuensee)<br />

Ja („nicht abgelehnt“), da die Gemeinden die Kriterien unterschiedlich werten (Kost, Triengen)<br />

Nein , Kommission schätzt den Spielraum, es war jedoch am Anfang schwierig, die Kriterien zu<br />

erstellen(Karin Pfenniger-Thürig, Triengen)<br />

Nein, Gemeinden sollen Freiheiten beibehalten können ( Jeannine Meier, Oberkirch)<br />

46


Maturaarbeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />

Übersicht über die Verfahren im Kanton Luzern heute 130<br />

Legende:<br />

gelb: Bürgerrechtskommission mit abschliessender Entscheidungskompetenz<br />

rot: Bürgerrechtskommission ohne Entscheidungskompetenz<br />

(Kompetenz bei der Gemeindeversammlung / beim Gemeinderat)<br />

blau: Gemeindeversammlung<br />

grün: Gemeinderat<br />

130 Grafik aus der Diplomarbeit von Jeannine Meier und Andrea Fischer<br />

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