Vielzellerpraktikum: Hydra - Kantonsschule Wil
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<strong>Kantonsschule</strong> <strong>Wil</strong><br />
<strong>Vielzellerpraktikum</strong>: <strong>Hydra</strong><br />
Biologiepraktikum: 3. Semester<br />
Name Schule Klasse Datum<br />
1. Theorie<br />
Nesseltiere-Süsswasserpolypen<br />
Körperbau und spezialisierte Zellen einer <strong>Hydra</strong>: Chlorohydra viridissima<br />
Die Körperwand der Nesseltiere besteht aus zwei Zellschichten, der Haut- und der Darmschicht. Dazwischen<br />
liegt die gallertige, elastische, zellenlose Stützlamelle (Abbildung links).<br />
1 Hautblatt (Ektoderm) mit:<br />
SZ Sinneszelle<br />
EM Epithelmuskelzelle<br />
EZ Ersatzzellen<br />
NeZ Nesselzellen<br />
NZ Nervenzelle<br />
jNeZ junge Nesselzellen<br />
2 Stützlamelle<br />
3 Darmblatt (Entoderm) mit:<br />
EM Epithelmuskelzelle mit Geissel<br />
GA symbiontische Grünalgen<br />
EZ Ersatzzelle, aus dem Hautblatt<br />
eingewandert<br />
DZ Drüsenzelle<br />
NV Nahrungsvakuolen<br />
kF kontraktile Fibrillen der EM<br />
Abb. 1: Längsschnitt durch die Körperwand einer <strong>Hydra</strong><br />
Abb. 2: Längsschnitt durch eine <strong>Hydra</strong><br />
Beide Zellschichten sind Mischgewebe; sie<br />
bestehen aus verschiedenen spezialisierten<br />
Zellen. In der Aussenschicht (Ektoderm)<br />
findet man hauptsächlich Hautmuskelzellen,<br />
die an ihrer Basis zusammenziehbare<br />
Muskelfäden aufweisen, welche in der<br />
Längsrichtung des Tieres verlaufen. Seltener<br />
sind die Sinneszellen, die ihr feines<br />
Sinnesstiftchen nach aussen strecken. Zu<br />
diesen Sinneszellen führen Plasmafasern der<br />
Nervenzellen, die verstreut auf der Stützlamelle<br />
liegend, untereinander verbunden<br />
sind und so ein diffuses Nervensystem bilden<br />
(ohne Zentrum!). Überall zwischen den<br />
genannten Zellen liegen Gruppen kleiner,<br />
nicht spezialisierter Zellen, der Ersatzzellen.<br />
Diese treten an den Platz absterbender<br />
Zellen, heilen Wunden und ermöglichen die<br />
Regeneration. In der Aussenschicht und<br />
besonders zahlreich an den Fangarmen<br />
erkennt man am lebenden Tier Gruppen<br />
stark lichtbrechender Körperchen: es sind<br />
die für Hohltiere typischen Nesselzellen mit<br />
den Nesselkapseln. In der Ruhelage ist der<br />
Schlauch in das Kapselinnere eingestülpt<br />
und nimmt eine spiralige Lage ein. Kapsel<br />
und Schlauch enthalten eine giftige<br />
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Biologiepraktikum: 3. Semester<br />
Flüssigkeit (Nesselsaft). Die Nesselzelle selbst trägt nach aussen hin ein Sinneshaar. Kommt ein Fremdkörper<br />
mit diesem Fortsatz in Berührung, so erfolgt eine Entladung: Der Kapseldeckel springt ab, der Schlauch wird<br />
durch den Flüssigkeitsdruck mit grosser Energie nach aussen gestülpt. Er vermag sich in die Haut eines<br />
Beutetieres einzubohren. Der Nesselsaft lähmt die Beute und wirkt zugleich als Klebemittel. Die Innenschicht<br />
(Entoderm) besteht hauptsächlich aus Epithelmuskelzellen, die verdaute, gelöste Nährstoffe durch Diffusion<br />
aufnehmen und kleinere Nahrungspartikel mit ihrem Plasma umschliessen können (Phagocytose). Mit je zwei<br />
Geisseln «rühren» sie den Darminhalt. Ihre Basis, die auf der Stützlamelle steht, läuft in einen Muskelfaden<br />
aus, der in der Querrichtung des Tieres liegt («Ringmuskulatur»). Zwischen diesen Zellen stehen<br />
Drüsenzellen, die in Vakuolen Verdauungssäfte bilden und diese in die Urdarmhöhle ausscheiden. Sie tragen<br />
keine Geisseln.<br />
Ernährung<br />
Die aussen gelegene Epidermis hat Schutz- und Sinnesfunktion,<br />
während die innen gelegene Entodermis (Gastrodermis in der<br />
Abbildung links) auf Verdauung spezialisiert ist. Von den<br />
Drüsenzellen in den Gastralraum abgegebene Enzyme führen die<br />
ersten Schritte der Verdauung durch, die dann in den Zellen<br />
abgeschlossen wird, sobald die Nährzellen der Entodermis kleine<br />
Nahrungsteilchen durch Phagocytose aufgenommen haben.<br />
Unverdauliches wird durch die Mundöffnung ausgestossen, der<br />
einzigen Öffnung des Gastralraumes nach aussen.<br />
Abb. 3: Längsschnitt durch eine<br />
verdauende <strong>Hydra</strong><br />
Fortpflanzung<br />
Gut ernährte Polypen pflanzen sich ungeschlechtlich durch Knospung fort.<br />
Dabei wölben sich alle Körperschichten nach aussen vor und bilden einen<br />
neuen Polypen. Der Magenraum des Tochterpolypen steht mit dem des<br />
Muttertiers in Verbindung. So kann dem Tochterpolypen Nahrung zugeführt<br />
werden. Später löst er sich ab und wird selbständig. Bei der geschlechtlichen<br />
Fortpflanzung entstehen aus Ersatzzellen Spermazellen, die sich im oberen<br />
Körperdrittel unter Vorwölbungen des Ektoderms ansammeln. Vorwölbungen<br />
weiter unten am Körper beherbergen je eine Eizelle. Diese<br />
Geschlechtszellen werden ins Wasser entleert, wo eine Spermazelle mit der<br />
Eizelle verschmilzt. Nach der Befruchtung entwickelt sich die Eizelle zu einem<br />
neuen Polypen. Die meisten Polypen sind Zwitter.<br />
Abb. 4: Geschlechtsreife <strong>Hydra</strong><br />
Sp Spermien, Ho Hoden, Ov<br />
Ovar<br />
Regeneration<br />
Wunden verletzter Hydren heilen rasch. Bei Zimmertemperatur spriessen die Tentakel an einem geköpften<br />
Stammstück in etwa vier Tagen. Man kann den Körperschlauch in verschiedene Stücke schneiden; jedes<br />
ergänzt sich in kurzer Zeit zu einer kleinen, wohlgestalteten <strong>Hydra</strong>: 1 / 200 des Körpervolumens vermag noch ein<br />
Ganzes zu regenerieren. Das Wiederherstellen des Ganzen aus einem Teil nennt man Regeneration. Solch<br />
grosses Regenerationsvermögen weisen die meisten Lebewesen nur in ihrer frühesten Keimesentwicklung<br />
auf. Die Regeneration der <strong>Hydra</strong> geschieht mit Hilfe der vielen undifferenzierten Ersatzzellen, jedoch auch<br />
dadurch, dass das vorhandene Zellmaterial des Haut- und Darmblattes sich umdifferenzieren kann.<br />
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Biologiepraktikum: 3. Semester<br />
Fortbewegung<br />
Polypen können sich nach Art der Spannerraupen fortbewegen (untere Abbildung). Der Rumpf wird zur Seite<br />
geneigt, bis die Fangarme den Boden berühren. Dort heften sie sich mit Hilfe der Klebekapseln an. Dann wird<br />
das untere Rumpfende nachgezogen und der Körper erneut zur Seite ausgestreckt. Bei der Fortbewegung<br />
durch Überschlag (obere Abbildung) heftet das Tier die Fangarme ebenfalls auf dem Boden an, bewegt aber<br />
den Rumpf von der einen Seite zur anderen und richtet sich wieder auf. Süsswasserpolypen wandern etwa 2<br />
cm am Tag.<br />
1<br />
2<br />
Abb. 5: Fortbewegung der <strong>Hydra</strong> 1. durch Überschlag 2. durch nachziehen<br />
Vom Polyp zur Meduse oder Qualle<br />
Tierstock<br />
Wenn sich die Knospen nicht vom Muttertier ablösen, entsteht ein Tierstock. Die<br />
«Köpfe» besitzen einen gemeinsamen Darm; ein Individuum abzugrenzen, wird<br />
schwer. Bei einigen stockbildenden Formen spezialisieren sich die Tiere zu<br />
besonderer Arbeit, die einen zum Beutefang, die andern zur Fortpflanzung. Bei<br />
den frei schwimmenden Röhrenquallen ist diese Arbeitsteilung so weit gediehen,<br />
dass der ganze Stock als Individuum, die Tiere als Organe aufgefasst werden<br />
können (Abbildung links).<br />
Abbildung links: Röhrenqualle, ein Tierstock mit differenzierten «Individuen»:<br />
Arbeitsteilung<br />
UP Ursprungspolyp. An seinem Stiele sitzen Geschlechtsmedusoide (GM),<br />
Nährpolypen (NP), Fangfäden mit Nesselzellen (FF), Schwimm-Medusoide (SM)<br />
und eine mit Luft gefüllte Blase (LB)<br />
Abb. 6: Tierstock aus<br />
Einzellern<br />
Polyp und Meduse: Die festsitzende Form nennt man Polyp, die frei bewegliche,<br />
schirmförmige Meduse oder Qualle. Durch ruckartiges Verengen des Schirmes<br />
kann sie aktiv schwimmen. Gleichgewichtsorgane ermöglichen die richtige Lage.<br />
Einige grosse Quallen sind frei schwimmende Tierstöcke (Abbildung oben).<br />
Generationswechsel: Bei vielen Hohltieren treten beide Formen (Polypen und<br />
Medusen) auf, jedoch in einem regelmässigen Wechsel: Der Polyp pflanzt sich<br />
ungeschlechtlich fort und bildet durch Knospung Medusen; diese wiederum<br />
bilden Spermien und Eier (Abbildung nächste Seite).<br />
Abbildung rechts: Entwicklung der Obelia<br />
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1 Tierstock in natürlicher Grösse<br />
2 Teil eines Stockes mit Fresspolypen (FP)<br />
und Vermehrungspolypen (VP) Durch<br />
Knospung entstehen männliche und<br />
weibliche Medusen (3), die ihre Geschlechtszellen<br />
ins Wasser entlassen. Aus<br />
der Zygote (befruchtete Eizelle) entwickelt<br />
sich eine freischwimmende, bewimperte<br />
Larve, die sich bald festsetzt und sich zu<br />
einem neuen Tierstock entwickelt.<br />
Korallenriff: Die meisten Korallen<br />
(festsitzende z.T. riesige Kolonien bildende<br />
Polypen) leben in warmen Meeren<br />
(zwischen dem 30. südlichen und 30.<br />
nördlichen Breitengrad) und nahe der<br />
Meeresoberfläche (höchstens bis in eine<br />
Tiefe von 40 m). Zusammen mit Kalkalgen<br />
und Moostierchen (Bryozoa) bauen die<br />
Korallen Riffe auf.<br />
Abb. 7: Entwicklungszyklus von Obelia<br />
Biologiepraktikum: 3. Semester<br />
2. Ziele<br />
I Zwei Muskelprinzipien verstehen (<strong>Hydra</strong> Bewegung)<br />
II Mittelwerte berechnen und Aussagekraft interpretieren können (Tentakelzahl)<br />
III Beobachtungen schriftlich festhalten können. (<strong>Hydra</strong> Fütterung, Nesselzellen)<br />
3. Material<br />
3.1. Bewegung<br />
- <strong>Hydra</strong>s<br />
- Stereolupe<br />
- Präpariernadel<br />
- Blockschale<br />
3.2. Körperbau<br />
- <strong>Hydra</strong>s<br />
- Stereolupe<br />
- Blockschale<br />
3.3. Ernährung<br />
- <strong>Hydra</strong>s<br />
- Stereolupe<br />
- Blockschale<br />
- Salinenkrebschen<br />
4. Arbeit<br />
Für die Beobachtungen gibst du zwei bis vier Hydren mit reichlich Wasser in eine Schale. Alle<br />
Beobachtungen werden mit der Stereolupe durchgeführt.<br />
4.1. Bewegung<br />
Als erstes betrachtest du die Hydren unter der Stereolupe. Dabei konzentrierst du dich auf die<br />
Bewegungen. Welche Muskelfasern müssen sich bei welchen Bewegungen kontrahieren?<br />
Anschliessend berührst du eine <strong>Hydra</strong> mit der Präpariernadel an den Tentakeln, am Körper, am Fuss<br />
und am Mundfeld. Beschreibe die folgenden Reaktionen.<br />
4.2. Körperbau<br />
Zeichne eine ganze <strong>Hydra</strong>. Sie ist dann entweder gestreckt oder kontrahiert. Beschrifte folgende<br />
Bestandteile: Mundöffnung, Fussscheibe, Tentakel, Gastralraum, eventuell Knospen, Ovar und<br />
Hoden. Ermittle die Zahl der Tentakel deiner Hydren und trage sie in eine Tabelle ein. Bestimme die<br />
durchschnittliche Tentakelzahl der Hydren der gesamten Praktikumsgruppe.<br />
4.3. Ernährung<br />
Füttere deine <strong>Hydra</strong> mit Salinenkrebsen und protokolliere den Fressakt nach der Fütterung. Vergiss<br />
nicht auch Zeitangaben im Protokoll mit einzubeziehen.<br />
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