Predigt 1.11.11, Allerheiligen, Pfr. Stephan Guggenbühl

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Wissenschaften, eine sanfte, der Menschenwürde entsprechende Medizin, sanfte, wohltuende Töne in der Musik, usw. usw. Aber gibt es auch eine sanfte Börse, einen sanften Spitzensport, sanfte Töne am Stammtisch, auf dem Bauplatz, im Asylzentrum, in den Chefetagen der Wirtschaft, in der Politik, oder etwa in der Arena im Fernsehen? Überprüfen sie selber gelegentlich ihren eigenen Umgang in der Familie und in den verschiedenen Alltagssituationen auf seine Sanftheit – sicher werden sie fündig – jedoch genauso sicher stossen sie auch auf das bare Gegenteil – die Brutalität. Sanft – als deutsches Wort meint etwa – das friedliche Zusammensein, Zusammenstimmen und Zustandebringen, was zu einander passt – und das will gelernt werden – So wie ich jetzt mit dem Wort sanft phantasiert habe, könnte ich – könnten wir - nun genauso weitermachen mit den verwandten Begriffen: Wehrlosigkeit - Gewaltlosigkeit - Zärtlichkeit – Weichheit - aber auch Milde und geduldiges Warten. Das sind alles Haltungen, mit der unsere Gesellschaft heute sich schwertut, wonach sich aber fast alle sehnen. Bei genauem Hinsehen und Hinhören – so bin ich überzeugt – verbirgt sich hinter unseren alltäglichen Lebensgewohnheiten ein sanfter, keimender Samen, der sich verwurzeln und wachsen möchte; unter der rauen Oberfläche unserer Lebensumständen liegt das Sanfte oft brach und wartet, dass es zu neuem Leben erweckt wird. Manche Menschen wissen nicht, dass ihr wohlwollendes Hinsehen andern Wertschätzung und Anerkennung schenkt Manche Menschen merken nicht,
dass ihr aufmerksames Zuhören andern das Gefühl gibt, ernst genommen zu sein. Manche Menschen wissen nicht, dass Schwäche zeigen andere beeindruckt. Manche Menschen merken nicht, dass sie eine feine Ader haben, von denen andere gerne profitieren. Manche Menschen wissen nicht, dass ihr geduldiges Warten auch andere dazu ermutigt. Manche Menschen gestehen sich nicht ein, dass sie ein grosses Herz haben, ihre Bescheidenheit ehrt sie und Dankbarkeit ist ihnen sicher. Manche Menschen können es nicht wahr haben, dass auch ohne Gewalt - sich Gewaltiges zum Guten kehren kann. Manche – auch religiöse Menschen - wissen nicht, dass sie ein Geschenk des Himmels sind. Sie wüssten es, wenn wir es ihnen sagen – und solche Worte haben bereits eine heilende Wirkung. Es braucht also gar keine grossen, offiziellen, römische Heiligsprechungen – in unseren sanften, wohlwollenden Begegnungen allein schon liegt eine heilende Wirkung. Im Kleinen und Unscheinbaren beginnt der Weg zur Heiligkeit – auf dem wir uns alle bereits befinden. <strong>Stephan</strong> <strong>Guggenbühl</strong>, Appenzell
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