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Bericht von Raik Pohl, 9b - KGS Tarmstedt

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Berühmter Besuch aus Stockholm<br />

Am 24.06 08 wurde unsere <strong>KGS</strong> <strong>von</strong> Frau Sonja Sonnenfeld besucht. Die 95-<br />

jährige Frau verlebte ihre Kindheit in Berlin und berichtete uns <strong>von</strong> ihren<br />

persönlichen Erfahrungen als schwedische Jüdin in der Zeit der Weimarer<br />

Republik bis zu den Anfängen des Dritten Reiches. Für ihr Alter ist sie noch<br />

außergewöhnlich fit, sie betreibt auch immer noch in Stockholm das „Offene<br />

Haus“. Immer am 1. Sonntag des Monats kann sie dort jeder besuchen. Auch<br />

Astrid Lindgren war häufiger bei ihr zu Gast.<br />

Im Forum trafen sich der gesamte 9.Jahrgang und eine 10. Klasse um ihrer<br />

Geschichte zu lauschen. In dieser Woche besuchte sie bereits einige Schulen in<br />

Niedersachsen und Bremen. Als sie zu sprechen begann, kehrte sofortige Stille<br />

bei den rund 200 Zuhörerinnen und Zuhörern ein.<br />

1912 wurde sie als viertes Kind eines jungen Architekten in Malmö geboren.<br />

Die Mutter war brasilianischen Ursprungs. 1914 zog die Familie nach Berlin,<br />

behielt aber die schwedische Staatsbürgerschaft. Der Vater musste seinen<br />

Beruf aufgeben, weil er jüdischen Glaubens war und hielt seine Familie als<br />

Journalist über Wasser. Es gab immer Probleme mit dem Geld, oft gab es nicht<br />

genügend zu essen. Trotzdem konnte Sonja Sonnenfeld die Elite-Schule:<br />

Fürstin-Bismarck-Schule besuche. Ihr Vater hatte als Architekt der Schule<br />

geholfen. Ihr Schulbrot war im Gegensatz zu denen der Mitschülerinnen nicht<br />

mit Wurst und Käse belegt, darum hielt sie sich <strong>von</strong> den reichen Kindern fern.<br />

Frau Sonnenfeld berichtete wie die Straßen Berlins nach dem 1. Weltkrieg <strong>von</strong><br />

Invaliden überfüllt waren. Die Schuld für den „Schandfrieden <strong>von</strong> Versailles“<br />

wurde den Juden gegeben. In der Weimarer Republik wollte ihr Vater Politiker<br />

werden, doch er war schwedischer Staatsbürger und durfte somit kein<br />

politisches Amt bekleiden. Ihr Vater pflegte eine Freundschaft mit dem<br />

damaligen Außenminister Rathenau, der ebenfalls Jude war. Im November<br />

1922 wurde Rathenau <strong>von</strong> 4 Nazis ermordet. Die Täter wurden nicht bestraft<br />

und wurden teilweise für ihre Tat bejubelt. Viele Politiker waren damals Gast in<br />

ihrem Elternhaus. Ein bekannter ist Friedrich Ebert, der 1919 der erste<br />

Reichspräsident der Weimarer Republik wurde. 1923 wurde „Mein Kampf“ <strong>von</strong><br />

Adolf Hitler verlegt, bereits nach einer Woche wurde das Buch verboten. Der<br />

Vater konnte es aber trotzdem beschaffen und die Kinder mussten jeden<br />

Abend unter seiner Aufsicht darin lesen. Im Buch werden die Abschaffung der<br />

Demokratie und ein Judenreines Europa gefordert. Der Vater ahnte das Unheil<br />

und wollte fliehen, aber seine Frau wolle Berlin nicht verlassen. Die Stadt war<br />

die Kulturmetropole der Welt und Sonja Sonnenfeld lernte russisch und andere<br />

Sprachen und spielte auch in Theatern. Sie wurde zu einer seiner Reden<br />

geschickt und stand nur wenige Meter <strong>von</strong> Hitler entfernt und hörte erneut die<br />

Vorderrungen eines „reinen Europas“. Der Notizblock in ihren Händen machte<br />

es möglich, dass sie den „Hitlergruß“ verweigern konnte. Sie wurden aufgrund<br />

der schwedischen Staatsbürgerschaft nicht verfolgt, denn Schweden war<br />

Bündnispartner.<br />

1933 war das Auswandern nur noch mit Genehmigung möglich. Ihre Familie<br />

riet noch kurz vorher jüdische Bekannte zu fliehen, sie selbst glaubten sich in<br />

Sicherheit.<br />

Es wurde das Gesetz zur Trennung <strong>von</strong> Ehen zwischen Juden und Deutschen<br />

veranlasst. Am 15.November war Kontro lltermin und die GESTAPO begann zu<br />

wüten. Ein langjähriges Ehepaar wurde erwischt. Sie wurden auf den zentralen<br />

Platz mit mehreren Hundert Menschen geführte. Sie wurden für vogelfrei<br />

erklärt und bespuckt und verhöhnt. Dazu trugen sie Schilder um den Hals. Auf<br />

dem der Frau stand: „Ich bin ein deutsches Schwein, lasse mich mit Juden


ein.“ Auf dem Schild des Mannes stand: „Ich bin eine Judensau, vergewaltige<br />

eine deutsche Frau.“ Die beiden waren seit 30 Jahren verheiratet.<br />

Kurz nach dieser beschriebenen öffentlichen Zurschaustellung zog die Familie<br />

mit Sonja nach Schweden zurück.<br />

Damit war ihr Vortrag beendet und Frau Sonnenfeld appellierte an uns, dass<br />

wir nicht wie unsere Großeltern bei so etwas wegsehen sollen und Menschen so<br />

unwürdig behandeln lassen. Damit verabschiedete sie sich unter donnerndem<br />

Applaus. Frau Otten überreichte noch ein Geschenk zum Abschied. Wer wollte,<br />

konnte ein <strong>von</strong> ihr handsigniertes Buch kaufen, entweder „Es begann in Berlin“<br />

oder „Das Offene Haus“. Wer wollte konnte noch kurz mit ihr sprechen.<br />

Sicherlich war dieser Besuch wichtig, denn die Zeitzeugen des dunklen Kapitel<br />

NS-Zeit gehen dahin. Es ist wichtig, dass man hört, was damals passiert ist,<br />

damit sich so etwas nie wiederholt.<br />

<strong>Raik</strong> <strong>Pohl</strong> <strong>9b</strong>

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