5. STEUERLICHE BERÜCKSICHTIGUNG VON KINDERN - Kiehl
5. STEUERLICHE BERÜCKSICHTIGUNG VON KINDERN - Kiehl
5. STEUERLICHE BERÜCKSICHTIGUNG VON KINDERN - Kiehl
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84 B. EINKOMMENSTEUER<br />
• getrennte Veranlagung (§ 26a EStG)<br />
Statt der Zusammenveranlagung können Ehegatten die getrennte Veranlagung wählen.<br />
Hierbei wird jeder Ehegatte mit dem von ihm erzielten Einkommen zur Steuer herangezogen.<br />
Es werden also zwei Veranlagungen durchgeführt. Verfahrenstechnisch<br />
entspricht diese Alternative zwei Einzelveranlagungen.<br />
Materiell bedeutet dieses Wahlrecht: Bei getrennter Veranlagung kommt – ebenso wie<br />
bei Einzelveranlagung – der Einkommensteuer-Grundtarif zur Anwendung. Bei Zusammenveranlagung<br />
gilt hingegen das Splittingverfahren, das tarifliche Vorteile für die<br />
Steuerpflichtigen bringt.<br />
Die Veranlagungsformen sind nachfolgend im Überblick zusammengefasst:<br />
Veranlagungsformen<br />
Einzelveranlagung<br />
(= Regelfall)<br />
§ 25 Abs. 1 EStG<br />
§ 26 EStG<br />
getrennte<br />
Veranlagung<br />
§ 26a EStG<br />
§ 26b EStG<br />
<br />
ESt-Grundtarif<br />
gem. § 32a<br />
Abs. 1 EStG<br />
Einzelveranlagung<br />
jedes<br />
Ehegatten unter<br />
Anwendung des<br />
ESt-Grundtarifs<br />
Ehegattenveranlagung<br />
Zusammenveranlagung<br />
Splitting-<br />
Verfahren<br />
gem. § 32a<br />
Abs. 5 EStG<br />
<strong>5.</strong> <strong>STEUERLICHE</strong> <strong>BERÜCKSICHTIGUNG</strong> <strong>VON</strong> <strong>KINDERN</strong><br />
Mit der Existenz von Kindern verbundene Aufwendungen wurden bislang ausschließlich<br />
dem Privatbereich zugeordnet und konnten dementsprechend vornehmlich als Sonderausgaben<br />
oder außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Seit 2006<br />
dürfen bestimmte kindbedingte Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte und damit<br />
im Bereich der Erwerbssphäre angesetzt werden. Daher ist zunächst darauf einzugehen,<br />
in welchen Fällen Kinder bei der Veranlagung der Eltern steuerlich zu berücksichtigen<br />
sind.
<strong>5.</strong> <strong>STEUERLICHE</strong> <strong>BERÜCKSICHTIGUNG</strong> <strong>VON</strong> <strong>KINDERN</strong><br />
85<br />
Jeder Steuerpflichtige wird einzeln zur Einkommensteuer herangezogen. Dieses Individualprinzip<br />
wird nur bei Ehegatten durchbrochen. Familien werden im Rahmen der Einkommensteuer<br />
nicht zusammen veranlagt. Jedoch werden Kinder und die von ihnen<br />
verursachten Aufwendungen entsprechend dem Leistungsfähigkeitsprinzip bei der Ermittlung<br />
der steuerlichen Bemessungsgrundlage berücksichtigt (vgl. grundlegend die<br />
hierzu vom Bundesamt für Finanzen (heute: Bundeszentralamt für Steuern) mit Schreiben<br />
vom <strong>5.</strong>8.2004 [BStBl 2004 I, S. 742] neu gefasste Dienstanweisung zur Durchführung<br />
des steuerlichen Familienleistungsausgleichs). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang,<br />
welche Kinder dem Steuerpflichtigen mit steuerlicher Wirkung zugeordnet werden<br />
(= zu berücksichtigende Kinder).<br />
<strong>5.</strong>1 KINDBEGRIFF<br />
Der Kindbegriff im Einkommensteuerrecht (§ 32 EStG) entspricht dem im Kindergeldrecht<br />
(§§ 62 - 78 EStG). Als Kinder sind zu berücksichtigen (§ 32 Abs. 1 EStG):<br />
• im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder<br />
Hierzu zählen eigene sowie angenommene Kinder (vgl. H 32.1 [Verwandtschaft im ersten<br />
Grad] EStH).<br />
• Pflegekinder (vgl. R 32.2 EStR).<br />
<strong>5.</strong>2 EINZELNE <strong>BERÜCKSICHTIGUNG</strong>SFÄLLE<br />
Für die Berücksichtigung von Kindern ist es unerheblich, ob diese unbeschränkt einkommensteuerpflichtig<br />
(„Inlandskinder“) oder beschränkt einkommensteuerpflichtig sind<br />
(„Auslandskinder“). Maßgebend für die Zuordnung sind die Kriterien Alter sowie eigene<br />
Einkünfte und Bezüge der Kinder.<br />
Im Überblick zusammengefasst sind folgende Fälle zu unterscheiden:
86 B. EINKOMMENSTEUER<br />
Berücksichtigung von Kindern<br />
mit<br />
Altersbegrenzung<br />
ohne<br />
Altersbegrenzung<br />
unter<br />
18 Jahren<br />
von<br />
18 bis 21 Jahren<br />
zwischen<br />
18 und 25 Jahren<br />
§ 32 Abs. 4 Satz 1<br />
Nr. 3 EStG<br />
§ 32 Abs. 3 EStG<br />
§ 32 Abs. 4 Satz 1<br />
Nr. 1 EStG<br />
§ 32 Abs. 4 Satz 1<br />
Nr. 2 EStG<br />
ohne Berücksichtigung<br />
eigener<br />
Einkünfte und Bezüge<br />
mit Berücksichtigung eigener<br />
Einkünfte und Bezüge<br />
Im Einzelnen gilt:<br />
• Kinder unter 18 Jahren<br />
In dieser Gruppe werden Kinder vom Monat ihrer Geburt und in jedem Monat, zu dessen<br />
Beginn sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, berücksichtigt. Eigene<br />
Einkünfte und Bezüge der Kinder sind diesbezüglich ohne Bedeutung.<br />
Beispiel:<br />
Die gemeinsame Tochter Klara der Eheleute Glück vollendet am 30.4.03 ihr 18. Lebensjahr. Bis<br />
einschließlich April 03 ist Klara nach § 32 Abs. 3 EStG bei den Eheleuten Glück als Kind zu berücksichtigen.<br />
• Kinder von 18 bis 21 Jahren<br />
Kinder dieser Altersgruppe werden berücksichtigt, wenn sie arbeitslos sind und der Arbeitsvermittlung<br />
im Inland zur Verfügung stehen (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG).<br />
• Kinder zwischen 18 und 25 Jahren<br />
In dieser Altersgruppe werden in Berufsausbildung befindliche Kinder berücksichtigt<br />
bzw. Kinder, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leisten (§ 32 Abs. 4<br />
Satz 1 Nr. 2 EStG).<br />
• ohne Altersbegrenzung<br />
Kinder, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande<br />
sind, sich selbst zu unterhalten, werden unabhängig von ihrem Alter berücksichtigt.<br />
Dies setzt voraus, dass die Behinderung vor Vollendung des 2<strong>5.</strong> Lebensjahres eingetreten<br />
ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG; R 32.9 EStR).
<strong>5.</strong> <strong>STEUERLICHE</strong> <strong>BERÜCKSICHTIGUNG</strong> <strong>VON</strong> <strong>KINDERN</strong><br />
87<br />
Bei Kindern über 18 Jahre bestehen folgende Besonderheiten:<br />
Im Falle der Ableistung von (Grund-)Wehrdienst oder entsprechenden Ersatzdiensten<br />
ist eine Berücksichtigung auch über die jeweiligen Altersgrenzen möglich. Höchstens<br />
kommt dabei eine Verlängerung um die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes<br />
oder Zivildienstes in Betracht (§ 32 Abs. 5 EStG).<br />
Die Berücksichtigung hängt stets davon ab, dass den Kindern keine eigenen Einkünfte<br />
und Bezüge zur Bestreitung ihres Unterhalts oder ihrer Berufsausbildung im Kalenderjahr<br />
zustehen. Hierfür gilt ein Grenzwert von 7.680 € (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).<br />
Dieser Betrag entspricht nach Auffassung des Gesetzgebers dem sächlichen Existenzminimum<br />
eines Kindes, das aus verfassungsrechtlichen Gründen von der Einkommensteuer<br />
freizustellen ist.<br />
Beispiel:<br />
Der 23-jährige Betriebswirtschaftsstudent Klug erzielt im Jahr 01 durch Aushilfstätigkeiten Einkünfte<br />
in Höhe von 7.800 €.<br />
Klug befindet sich in Berufsausbildung und hat das 2<strong>5.</strong> Lebensjahr noch nicht vollendet. Altersgruppenmäßig<br />
erfüllt er damit die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die Höhe<br />
seiner eigenen Einkünfte übersteigt jedoch den Betrag von 7.680 €. Damit scheidet eine Berücksichtigung<br />
als Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aus.<br />
Der Grenzwert von 7.680 € ist ein auf das Gesamtjahr bezogener Höchstbetrag. Dieser<br />
ermäßigt sich für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für die Berücksichtigung<br />
des Kindes nicht vorgelegen haben, um ein Zwölftel (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG).<br />
Beispiel:<br />
Die 24-jährige Architekturstudentin Muck beendet im April 02 ihr Studium. Aufgrund des Abschlusses<br />
der Ausbildung endet die Berücksichtigung als Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2<br />
EStG im April 02. Hinsichtlich der relevanten Einkünfte gilt ein Grenzwert von (4/12 x 7.680 =)<br />
2.560 €.<br />
Einkünfte stammen aus den in § 2 Abs. 1 EStG aufgeführten Einkunftsarten.<br />
Als Bezüge gelten „alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der<br />
einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden“ (R 32.10 Abs. 2 Satz<br />
1 EStR). Hierzu zählen u. a.:<br />
- nicht steuerbare Einnahmen<br />
- steuerfreie Einnahmen (z. B. Trinkgelder)<br />
- pauschal versteuerter Arbeitslohn.
88 B. EINKOMMENSTEUER<br />
6. ERMITTLUNG DER EINKÜNFTE<br />
Die nachfolgende Darstellung lehnt sich an die im Gesetz verankerte Struktur zur Ermittlung<br />
der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage an. Es gilt folgendes (verkürztes)<br />
Schema (vgl. R 2 Abs. 1 EStR):<br />
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer<br />
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG)<br />
+ Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG)<br />
+ Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG)<br />
+ Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG)<br />
+ Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)<br />
+ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)<br />
+ sonstige Einkünfte (§ 22 EStG)<br />
= Summe der Einkünfte<br />
./. Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG)<br />
./. Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG)<br />
= Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG)<br />
./. Verlustabzug (§ 10d EStG)<br />
./. Sonderausgaben (§ 10, § 10a, § 10b, § 10c EStG)<br />
./. außergewöhnliche Belastungen (§ 33, § 33a, § 33b EStG)<br />
= Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG)<br />
./. Freibeträge für Kinder (§ 31 i.V. mit § 32 Abs. 6 EStG)<br />
./. Härteausgleich (§ 46 Abs. 3 EStG; § 46 Abs. 5 EStG i.V. mit § 70 EStDV)<br />
= zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG)<br />
6.1 GEWINNEINKÜNFTE<br />
6.1.1 STRUKTUR DER EINKUNFTSARTEN<br />
6.1.1.1 EINKÜNFTE AUS LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT<br />
Kennzeichen der Land- und Forstwirtschaft „ist die planmäßige Nutzung der natürlichen<br />
Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch<br />
selbstgewonnenen Erzeugnisse“ (R 1<strong>5.</strong>5 Abs. 1 Satz 1 EStR).<br />
Einzelne Arten land- und forstwirtschaftlicher (Haupt-)Betriebe sind in § 13 Abs. 1 EStG<br />
aufgeführt. Zu erfassen sind nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG auch Einkünfte aus Nebenbetrieben<br />
(z. B. Brennerei, Steinbruch) der Land- und Forstwirtschaft (zur Abgrenzung
6. ERMITTLUNG DER EINKÜNFTE<br />
89<br />
gegenüber gewerblicher Tätigkeit vgl. R 1<strong>5.</strong>5 EStR; BMF-Schreiben vom 31.10.1995,<br />
BStBl 1995 I, S. 703). Neben entsprechenden laufenden Einkünften zählen auch einmalige<br />
Einkünfte aus der Veräußerung oder Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen<br />
Betriebs zu dieser Einkunftsart (§ 14 EStG).<br />
Die Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft hat sich aufgrund zahlreicher Besonderheiten<br />
zu einem Spezialgebiet entwickelt (vgl. umfassend z. B. Altehoefer u.a.). Diese<br />
Einkunftsart wird daher aus der weiteren Darstellung betrieblich relevanter Steuern ausgeklammert.<br />
6.1.1.2 EINKÜNFTE AUS GEWERBEBETRIEB<br />
Den Einkünften aus Gewerbebetrieb kommt im Rahmen der Unternehmensbesteuerung<br />
zentrale Bedeutung zu. Hierunter fallen insbesondere Einzelunternehmen und Personengesellschaften<br />
(OHG, KG).<br />
6.1.1.2.1 MERKMALE DES GEWERBEBETRIEBS<br />
Nach § 15 Abs. 2 EStG ist ein Gewerbebetrieb „eine selbstständige nachhaltige Betätigung,<br />
die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung<br />
am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt“. Dabei darf die Betätigung „weder<br />
als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs<br />
noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen“ sein.<br />
Für die Annahme eines Gewerbebetriebs sind damit folgende positive bzw. negative<br />
Merkmale entscheidend:<br />
Merkmale Gewerbebetrieb<br />
§ 15 Abs. 2 EStG<br />
positive Merkmale<br />
negative Merkmale<br />
Selbstständigkeit<br />
Nachhaltigkeit<br />
Gewinnerzielungsabsicht<br />
keine Land- und<br />
Forstwirtschaft<br />
keine selbstständige<br />
Arbeit<br />
keine Vermögensverwaltung<br />
Beteiligung am allgemeinen<br />
wirtschaftlichen<br />
Verkehr
90 B. EINKOMMENSTEUER<br />
Die positiven Merkmale sind inhaltlich wie folgt zu interpretieren:<br />
• Selbstständigkeit<br />
Hierunter fällt die persönliche wie auch die sachliche Selbstständigkeit.<br />
Kennzeichen der persönlichen Selbstständigkeit sind fehlende Weisungsgebundenheit<br />
(Unternehmerrisiko) sowie Handeln auf eigene Rechnung und Gefahr.<br />
Hierdurch wird eine Abgrenzung gegenüber nichtselbstständigen Tätigkeiten (§ 19<br />
EStG) erreicht.<br />
Sachliche Selbstständigkeit ist gegeben, wenn ein Unternehmen als solches unabhängig<br />
von anderen Unternehmen eine eigene wirtschaftliche Einheit bildet.<br />
Für die Frage der Selbstständigkeit ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen.<br />
Auf vertragliche Bezeichnungen, Art der Tätigkeit oder Form der Entlohnung kommt es<br />
nicht an.<br />
• Nachhaltigkeit<br />
Nachhaltigkeit ist anzunehmen, wenn eine Tätigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums<br />
wiederholt ausgeübt und dadurch eine ständige Erwerbsquelle erschlossen<br />
werden soll. Sofern ein über längere Zeit fortgesetztes Handeln fehlt, muss zumindest<br />
eine Wiederholungsabsicht angenommen werden.<br />
Hiermit erfolgt eine Abgrenzung zu Einkünften aus sonstigen Leistungen (§ 22 Nr. 3<br />
EStG), die auf gelegentlichen Betätigungen beruhen.<br />
Beispiel:<br />
Ein bisher als Arbeitnehmer tätiger Steuerpflichtiger macht sich ab 1<strong>5.</strong>4.01 als Immobilienmakler<br />
selbstständig. Nach der Erledigung eines Auftrags stellt er diese Tätigkeit bereits am<br />
30.<strong>5.</strong>01 aus persönlichen Gründen wieder ein.<br />
Obwohl nur ein Auftrag abgewickelt worden ist, liegt eine nachhaltige Tätigkeit vor. Der Steuerpflichtige<br />
handelte mit Wiederholungsabsicht, d. h. er wollte aus Erwerbsgründen entsprechende<br />
Geschäfte wiederholt durchführen.<br />
• Gewinnerzielungsabsicht<br />
Dieses Merkmal stellt darauf ab, dass mit der Tätigkeit eine Mehrung des Betriebsvermögens<br />
(= Reinvermögenszuwachs) angestrebt wird. Ausreichend ist bereits die Absicht<br />
der Gewinnerzielung, nicht hingegen, dass tatsächlich Gewinne erzielt werden.<br />
Alleiniges Streben nach steuerlichen Vorteilen genügt nicht für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht<br />
(§ 15 Abs. 2 Satz 2 EStG). Der Annahme eines Gewerbebetriebs<br />
steht es jedoch nicht entgegen, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck<br />
ist (§ 15 Abs. 2 Satz 3 EStG).<br />
Ein ohne Gewinnerzielungsabsicht geführtes Unternehmen ist steuerlich als Liebhabereibetrieb<br />
anzusehen. Die hieraus erzielten Ergebnisse (Gewinne bzw. Verluste) bleiben<br />
steuerlich unberücksichtigt.
6. ERMITTLUNG DER EINKÜNFTE<br />
91<br />
• Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr<br />
Diesbezüglich wird eine Teilnahme am allgemeinen Leistungs- oder Güterverkehr durch<br />
eine nach außen hin in Erscheinung tretende Betätigung gefordert. Die unternehmerischen<br />
Leistungen müssen gegen Entgelt der Allgemeinheit, d. h. einer unbestimmten<br />
Anzahl von Personen, angeboten werden.<br />
Beispiel:<br />
Herr Eder fertigt in seiner Freizeit Schaukelstühle ausschließlich<br />
(1) für seine Familie<br />
(2) für den Möbelhändler Schmitt.<br />
Im Fall (1) produziert Herr Eder nur für den Eigenbedarf. Eine für Dritte nach außen hin erkennbare<br />
Leistung wird nicht erbracht. Demzufolge fehlt eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen<br />
Verkehr. Somit liegt auch keine gewerbliche Tätigkeit vor.<br />
Im Fall (2) werden Leistungen zwar nur gegenüber einem Abnehmer erbracht. Dies reicht jedoch<br />
für die Annahme einer Beteiligung am allgemeinen Güter- und Leistungsverkehr aus. Mithin<br />
ist eine gewerbliche Tätigkeit gegeben.<br />
Die im Gesetz genannten negativen Merkmale sind, dass<br />
- keine Land- und Forstwirtschaft<br />
- keine freie Berufstätigkeit und keine andere selbstständige Arbeit<br />
ausgeübt wird.<br />
Diese Abgrenzung verdeutlicht, dass land- und forstwirtschaftliche Einkünfte wie auch<br />
Einkünfte aus selbstständiger Arbeit durch dieselben positiven Grundmerkmale wie Einkünfte<br />
aus Gewerbebetrieb gekennzeichnet sind. Insoweit handelt es sich um Sondertatbestände,<br />
die durch spezifische Merkmale von dem gewerblichen Grundtatbestand abgegrenzt<br />
sind (vgl. Jakob, S. 180; Schneeloch, S. 64 f.).<br />
Nicht im Gesetz aufgeführt, von der Rechtsprechung jedoch aus § 14 AO abgeleitet, ist<br />
als weiteres negatives Abgrenzungskriterium anzuführen, dass es sich bei der betreffenden<br />
Tätigkeit nicht um eine Vermögensverwaltung handeln darf.<br />
Die Verwaltung eigenen (Sach- bzw. Kapital-)Vermögens führt, unabhängig vom jeweiligen<br />
Umfang, nicht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Dies ändert sich erst, wenn die<br />
Umschichtung von Vermögenswerten und die Verwertung der Vermögenssubstanz in<br />
den Vordergrund treten (vgl. R 1<strong>5.</strong>7 Abs. 1 Satz 2 EStR; vgl. aus der Rechtsprechung u.<br />
a. BFH-Urteil vom 29.10.1998, BStBl 1999 II, S. 448).<br />
Hierdurch wird eine Grenzziehung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)<br />
und aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) sowie zu den nur im Rahmen privater<br />
Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) steuerbaren Vermögensumschichtungen erreicht.
92 B. EINKOMMENSTEUER<br />
6.1.1.2.2 ARTEN GEWERBLICHER EINKÜNFTE<br />
Arten gewerblicher<br />
Einkünfte<br />
laufende<br />
Einkünfte<br />
einmalige<br />
Einkünfte<br />
gewerbliche<br />
(Einzel-)<br />
Unternehmen<br />
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />
EStG<br />
Veräußerung<br />
von Anteilen<br />
an Kapitalgesellschaften<br />
Betriebsveräußerung/<br />
-aufgabe<br />
§ 16 EStG<br />
§ 17 EStG<br />
Die verschiedenen Arten gewerblicher Einkünfte sind nachfolgend im Überblick dargestellt:<br />
Mitunternehmerschaften<br />
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />
EStG<br />
Gewinnanteile<br />
persönlich haftender<br />
Gesellschafter einer<br />
KGaA<br />
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3<br />
EStG<br />
6.1.1.2.2.1 LAUFENDE EINKÜNFTE<br />
In § 15 Abs. 1 EStG werden die einzelnen Arten gewerblicher Einkünfte abschließend<br />
aufgezählt.<br />
(1) Gewerbliche (Einzel-)Unternehmen<br />
Bei dieser Rechtsform sind Verträge zwischen dem Unternehmer und seinem Unternehmen<br />
steuerlich ohne Bedeutung. Damit fallen alle Leistungen, die der Steuerpflichtige<br />
aus seinem Unternehmen bezieht, unter die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Auf die Bezeichnung<br />
der Vergütungen bzw. Bezüge, ob als Mieten, Zinsen oder Gehalt, kommt es<br />
nicht an.
9. FESTSETZUNG UND ERHEBUNG DER EINKOMMENSTEUER<br />
235
236 B. EINKOMMENSTEUER<br />
Festsetzung der Einkommensteuer<br />
zu versteuerndes Einkommen<br />
<br />
Steuerbetrag (auf nicht tarifbegünstigtes Einkommen)<br />
a) nach Grundtarif/Splittingverfahren (§ 32a Abs. 1 und 5 EStG)<br />
oder<br />
b) nach Anwendung des Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG)<br />
+ Steuer auf (tarifbegünstigte) außerordentliche Einkünfte (§ 34 EStG)<br />
+ Steuer auf (tarifbegünstigte) nicht entnommene Gewinne (§ 34a EStG)<br />
= tarifliche Einkommensteuer (§ 32a Abs. 1 und 5 EStG)<br />
./. anrechenbare ausländische Steuern (§ 34c EStG)<br />
./. Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG)<br />
./. Steuerermäßigung bei Zuwendungen an politische Parteien<br />
und unabhängige Wählervereinigungen (§ 34g EStG)<br />
./. Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse<br />
und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen (§ 35a EStG)<br />
+ Anspruch auf Altersvorsorgezulage<br />
[bei Sonderausgabenabzug]<br />
+ Anspruch auf Kindergeld<br />
[bei Abzug der Freibeträge für Kinder]<br />
= festzusetzende Einkommensteuer (§ 2 Abs. 6 EStG)<br />
[Einkommensteuer-Traglast]<br />
./. Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG)<br />
./. durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer<br />
[Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer] (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG)<br />
= Abschlusszahlung [Einkommensteuer-Zahllast]<br />
oder<br />
Erstattung<br />
9.1 ERMITTLUNG DER TARIFLICHEN EINKOMMENSTEUER<br />
9.1.1 REGELFALL<br />
Der geltende Einkommensteuertarif ergibt sich aus § 32a Abs. 1 EStG (Grundtarif). Dabei<br />
handelt es sich um einen Formeltarif, d. h. die Ermittlung der Steuerschuld erfolgt auf<br />
der Grundlage von Funktionsgleichungen, die eine Beziehung zwischen dem zu versteuernden<br />
Einkommen und der Einkommensteuer herstellen.
9. FESTSETZUNG UND ERHEBUNG DER EINKOMMENSTEUER<br />
237<br />
Zu unterscheiden sind vier Tarifzonen:<br />
• Tarifzone 1 – Nullzone<br />
Durch Gewährung des Grundfreibetrags soll das steuerliche Existenzminimum freigestellt<br />
werden. In diesem Bereich tritt demnach keine Steuerbelastung ein.<br />
• Tarifzone 2 – Untere Progressionszone<br />
Bei Überschreiten des Grundfreibetrags erfolgt – jeweils bezogen auf die erzielten Erhöhungen<br />
der Bemessungsgrundlage – eine linear-progressive Besteuerung mit dem<br />
so genannten Eingangssteuersatz.<br />
• Tarifzone 3 – Obere Progressionszone<br />
In diesem Tarifbereich ist der Anstieg des linear-progressiven Grenzsteuersatzes höher<br />
als in der vorhergehenden Tarifzone.<br />
• Tarifzone 4 – Proportionalzone<br />
Der Grenzsteuersatz ist in dieser Tarifzone konstant. Einkommensabhängig gelten zwei<br />
unterschiedliche Sätze (42 % bzw. 45 %). Der höchste Wert entspricht dem so genannten<br />
Spitzensteuersatz.<br />
Somit sind folgende tariflichen Eckwerte maßgebend:<br />
Grundfreibetrag<br />
• Einzelveranlagung<br />
• Zusammenveranlagung<br />
7.664 €<br />
1<strong>5.</strong>328 €<br />
Eingangssteuersatz 15 %<br />
Spitzensteuersatz 45 %<br />
Der Einkommensteuertarif des § 32a Abs. 1 EStG gilt im Falle der Einzelveranlagung. Bei<br />
Zusammenveranlagung kommt das Splittingverfahren nach § 32a Abs. 5 EStG zur Anwendung.<br />
Danach bemisst sich bei Ehegatten die Einkommensteuer nach dem halben<br />
gemeinsam zu versteuernden Einkommen. Die tarifliche Einkommensteuer ergibt sich<br />
dann aus der Verdoppelung des hierfür ermittelten Steuerbetrags. Auf diese Weise wird<br />
die Steuerprogression gemildert. Der Steuervorteil für Ehegatten ist um so größer, je unterschiedlicher<br />
die Höhe der Einkünfte der Eheleute ist.<br />
Die Berechnung der Steuer erfolgt für das jeweilige, auf einen vollen Euro-Betrag abgerundete<br />
zu versteuernde Einkommen. Der nach Maßgabe der Funktionsgleichungen ermittelte<br />
Steuerbetrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden (§ 32a Abs. 1<br />
Satz 3 - 6 EStG).<br />
Beispiel:<br />
Frau Frank und Herr Frey führen seit mehreren Jahren eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft.<br />
Das im Jahr 02 erzielte zu versteuernde Einkommen beträgt bei Frau Frank 21.000 € und bei<br />
Herrn Frey 57.000 €. Im Hinblick auf eine mögliche Heirat wollen die Steuerpflichtigen den hiermit<br />
verbundenen steuerlichen Vorteil ermitteln.
238 B. EINKOMMENSTEUER<br />
Die Steuerpflichtigen sind keine Ehegatten, sodass eine Ehegattenveranlagung nach § 26 EStG<br />
nicht in Betracht kommt. Frau Frank und Herr Frey sind einzeln zur Einkommensteuer zu veranlagen<br />
(§ 25 EStG). Es ergibt sich folgende Gesamtsteuer:<br />
Frau Frank 3.125 €<br />
Herr Frey 16.026 €<br />
tarifliche Einkommensteuer 19.151 €<br />
Im Falle der Heirat wäre für die Steuerpflichtigen die Zusammenveranlagung als Regelfall der<br />
Ehegattenveranlagung (§ 26, § 26b EStG) anwendbar. Die tarifliche Einkommensteuer würde bei<br />
einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen von 78.000 € nach der Splittingtabelle 17.722<br />
€ betragen.<br />
Damit ergäbe sich bei Zusammenveranlagung eine um (19.151 ./. 17.722 =) 1.429 € geringere<br />
Gesamtbelastung.<br />
9.1.2 BESONDERE STEUERSÄTZE<br />
9.1.2.1 PROGRESSIONSVORBEHALT<br />
Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen ist in bestimmten Fällen nicht der Steuersatz auf der<br />
Grundlage des allgemeinen Einkommensteuertarifs nach § 32a EStG, sondern ein besonderer<br />
Steuersatz nach § 32b EStG anzuwenden.<br />
Diese Sonderregelung gilt grundsätzlich für:<br />
- Steuerpflichtige mit Lohn- oder Einkommensersatzleistungen, wie z. B. Arbeitslosengeld,<br />
Arbeitslosenhilfe, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Elterngeld (§ 32b Abs. 1 Nr. 1<br />
EStG)<br />
- nur zeitweise unbeschränkt Steuerpfl ichtige mit ausländischen Einkünften, die im Veranlagungszeitraum<br />
nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben (§ 32b<br />
Abs. 1 Nr. 2 EStG)<br />
- unbeschränkt Steuerpflichtige mit nach einem Doppelbesteuerungsabkommen oder<br />
einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen steuerfreien ausländischen<br />
Einkünften (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG)<br />
- fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtige (§ 1 Abs. 3 oder § 1a EStG) sowie beschränkt<br />
steuerpflichtige Arbeitnehmer aus einem EU- bzw. EWR-Staat (§ 50 Abs. 5 Satz 2 Nr.<br />
2 EStG) mit bei der Veranlagung unberücksichtigt bleibenden Einkünften, auch wenn<br />
diese einem Steuerabzug unterlegen haben (§ 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG).<br />
Der maßgebende Steuersatz wird in folgenden Schritten ermittelt (vgl. § 32b Abs. 2 EStG;<br />
H 32b [Allgemeines] EStH):
9. FESTSETZUNG UND ERHEBUNG DER EINKOMMENSTEUER<br />
239<br />
Progressionsvorbehalt<br />
(§ 32b EStG)<br />
Schritt 1: Ermittlung des zu versteuernden Einkommens<br />
Schritt 2: Ermittlung des Steuersatzeinkommens<br />
[= zu versteuerndes Einkommen gem. Schritt 1 zuzüglich dem Progressionsvorbehalt<br />
unterliegende Leistungen bzw. Einkünfte]<br />
Schritt 3: Ermittlung des besonderen Steuersatzes<br />
[= Durchschnittsteuersatz bezogen auf das Steuersatzeinkommen<br />
nach Schritt 2, abgerundet auf vier Dezimalstellen]<br />
Schritt 4: Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer durch Anwendung des besonderen<br />
Steuersatzes auf das zu versteuernde Einkommen<br />
Für die Ermittlung des Steuersatzeinkommens gilt (§ 32b Abs. 2 EStG):<br />
Lohn- und Einkommensersatzleistungen sind zu kürzen um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag,<br />
sofern dieser bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit<br />
nicht abgezogen worden ist.<br />
Ausländische Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder<br />
nach Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei sind, werden generell in voller Höhe berücksichtigt.<br />
In dieser Größe enthaltene außerordentliche Einkünfte sind jedoch nur zu einem<br />
Fünftel in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen.<br />
28<br />
Seite<br />
449<br />
Rechtsänderungen ab Veranlagungszeitraum 2009<br />
aufgrund der Einführung der Abgeltungsteuer<br />
Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen, werden grundsätzlich<br />
mit 25 % Einkommensteuer belastet (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG). Zusätzlich fällt der Solidaritätszuschlag<br />
und gegebenenfalls auch Kirchensteuer an. Von diesem Steuerbetrag sind anrechenbare<br />
ausländische Steuern abzuziehen (§ 32d Abs. 1 Satz 2 EStG). Der besondere Steuersatz<br />
entspricht dem ab 2009 geltenden Regelsatz der Kapitalertragsteuer von 25 %. In den<br />
betreffenden Fällen wird die Besteuerung damit regelmäßig durch die Erhebung der Kapitalertragsteuer<br />
abgegolten (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG). Im Veranlagungsverfahren bleiben die Einkünfte<br />
aus Kapitalvermögen dann grundsätzlich unberücksichtigt.<br />
Etwas anders gilt bei Steuerpflichtigen mit einer unter dem Abgeltungssatz liegenden Steuerbelastung.<br />
Diese können eine Steuerveranlagung zur Durchführung einer Günstigerprüfung<br />
beantragen (§ 32d Abs. 6 EStG). In diesem Fall werden die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte<br />
in die Berechnung des zu versteuernden Einkommens einbezogen und der tariflichen<br />
Einkommensteuer nach § 32a EStG unterworfen. Hierbei gelten keine einkunftsartspezifischen<br />
Verlustverrechnungsbeschränkungen, d. h. Verluste aus anderen Einkunftsarten können<br />
mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Ergibt die Günstigerprüfung,<br />
dass die Berücksichtigung der Kapitaleinkünfte im Rahmen der Veranlagung zu einer<br />
niedrigeren Steuerfestsetzung führt, ist diese Variante maßgebend. Ansonsten gilt der Antrag<br />
des Steuerpflichtigen als nicht gestellt. Auch im Falle der Veranlagungsoption und der Einbeziehung<br />
der Kapitaleinkünfte in das zu versteuernde Einkommen kommen bei der Ermittlung<br />
der Einkünfte nicht die tatsächlich entstandenen Werbungskosten zum Abzug, sondern lediglich<br />
der Sparer-Pauschbetrag.
240 B. EINKOMMENSTEUER<br />
In bestimmten Sonderfällen unterliegen Kapitaleinkünfte auch künftig dem allgemeinen Tarif.<br />
Das gilt nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG insbesondere für Erträge aus partiarischen Darlehen sowie<br />
Einlagen stiller Gesellschafter (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) und sonstige Kapitalforderungen<br />
nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sowie die hieraus erzielten Veräußerungsgewinne, sofern<br />
- Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind<br />
- Kapitalvergütungen von einer Kapitalgesellschaft gezahlt werden an einen Anteilseigner mit<br />
einer Beteiligung von mindestens 10 % (z. B. Zahlung aufgrund eines Gesellschafterdarlehens)<br />
bzw. der Gläubiger der Kapitalerträge einem dem Anteilseigner nahe stehende Person<br />
ist<br />
oder<br />
- ein Dritter die Kapitalerträge schuldet und im Regelfall die Kapitalanlage mit einer Kapitalüberlassung<br />
an einen Betrieb des Gläubigers im Zusammenhang steht. Hiervon ist auszugehen,<br />
wenn Kapitalanlage und Kapitalüberlassung auf einem einheitlichen Plan beruhen.<br />
Ein solcher wird unterstellt bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen beiden<br />
Vorgängen oder bei einer Verknüpfung der jeweiligen Zinsvereinbarungen. Unschädlich<br />
sind diesbezüglich Konstellationen, in denen marktübliche Zinsvereinbarungen getroffen<br />
sind oder aus der Anwendung der Abgeltungsteuer beim Steuerpflichtigen keine Belastungsvorteile<br />
erzielt werden.<br />
Ein weiterer Sonderfall besteht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für laufende und einmalige Erträge<br />
aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaften, an der der Steuerpflichtige unmittelbar oder<br />
mittelbar<br />
- zu mindestens 25 %<br />
oder<br />
- zu mindestens 1% beteiligt und beruflich für diese tätig ist.<br />
Diese Regelung ist an einen Antrag des Steuerpflichtigen gebunden. Bei Beantragung gilt das<br />
Teileinkünfteverfahren für die Ermittlung der Einkünfte. Dabei können sämtliche mit den Erträgen<br />
zusammenhängenden Aufwendungen (insbesondere Finanzierungsaufwendungen) geltend<br />
gemacht werden.<br />
Ein entsprechender Antrag, der jederzeit widerrufen werden kann, gilt grundsätzlich für fünf<br />
Veranlagungszeiträume. Nach erfolgtem Widerruf besteht keine erneute Optionsmöglichkeit<br />
für die betreffende Beteiligung.<br />
Sind Kapitalerträge nach der Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG einer anderen Einkunftsart<br />
zuzurechnen, bleibt der Vorauszahlungscharakter der Kapitalertragsteuer erhalten.<br />
Die entsprechenden Einkünfte sind in der Steuererklärung anzuführen; die einbehaltene Kapitalertragsteuer<br />
wird auf die festzusetzende Einkommensteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 Nr. 2<br />
Satz 1 i. V. mit § 43 Abs. 1 EStG).<br />
Eine Einbeziehung von Kapitalerträgen in die Steuererklärung ist auch erforderlich, wenn der<br />
Kapitalertragsteuerabzug nicht vorgenommen worden ist. Beispielhaft anzuführen sind Kapitalerträge,<br />
die in Depots bei ausländischen Banken erzielt werden oder Gewinne aus der Veräußerung<br />
von GmbH-Anteilen, für die § 17 EStG nicht greift. Diese Erträge sind in der Einkommensteuererklärung<br />
anzugeben und werden dann mit dem pauschalen Einkommensteuersatz<br />
von 25 % belastet (§ 32d Abs. 3 EStG).
9. FESTSETZUNG UND ERHEBUNG DER EINKOMMENSTEUER<br />
241<br />
9.1.2.2 AUSSERORDENTLICHE EINKÜNFTE<br />
Außerordentliche Einkünfte sind dadurch charakterisiert, dass sie einmalig, d. h. unregelmäßig,<br />
anfallen und zu einer Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum<br />
führen. Die hiermit verbundenen Progressionswirkungen stellen nach Auffassung<br />
des Gesetzgebers eine unbillige Härte dar, die durch eine Steuersatzbegünstigung<br />
gemildert werden soll.<br />
Die begünstigten außerordentlichen Einkünfte sind in § 34 Abs. 2 EStG abschließend aufgeführt.<br />
Von besonderer Bedeutung sind:<br />
- betriebliche Veräußerungsgewinne<br />
(§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG)<br />
Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe von (Teil-)Betrieben oder allen Gesellschaftsanteilen<br />
werden zum einen durch einen Veräußerungsfreibetrag nach § 16 Abs.<br />
4 EStG begünstigt. Zum anderen gilt für diese Gewinne ein ermäßigter Steuersatz.<br />
Für Ergebnisbestandteile, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, scheidet eine<br />
Tarifermäßigung aus. Diese Einschränkung bezieht sich auf Gewinne aus der Veräußerung<br />
von Anteilen an Kapitalgesellschaften.<br />
- Entschädigungen und Nutzungsvergütungen<br />
(§ 34 Abs. 2 Nr. 2 und 3 EStG)<br />
- Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit<br />
(§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG)<br />
Die von Amts wegen zu berücksichtigende Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte<br />
wird allgemein wie folgt ermittelt:<br />
Allgemeine Tarifermäßigung außerordentlicher Einkünfte<br />
(§ 34 abs. 1 EStG)<br />
Schritt 1: Ermittlung der Einkommensteuer für das zu versteuernde Einkommen ohne außerordentliche<br />
Einkünfte (= verbleibendes zu versteuerndes Einkommen)<br />
Schritt 2: Ermittlung der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen<br />
zuzüglich eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte<br />
(= erhöhtes verbleibendes zu versteuerndes Einkommen)<br />
Schritt 3: Ermittlung des Unterschiedsbetrags<br />
[= Differenz zwischen Einkommensteuer auf erhöhtes verbleibendes zu versteuerndes<br />
Einkommen nach Schritt 2 und Einkommensteuer auf verbleibendes zu versteuerndes<br />
Einkommen nach Schritt 1]<br />
Schritt 4: Ermittlung der Einkommensteuer auf außerordentliche Einkünfte<br />
[= Unterschiedsbetrag nach Schritt 3 x 5]<br />
Schritt 5: Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer<br />
[Steuer nach Schritt 1 zuzüglich Steuer nach Schritt 4]
242 B. EINKOMMENSTEUER<br />
Anstelle der allgemeinen Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG kommt für betriebliche Veräußerungsgewinne<br />
eine besondere Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG in Betracht.<br />
Begünstigt sind danach außerordentliche Einkünfte bis zu einer Höhe von 5 Mio. €. Der<br />
darüber hinausgehende Betrag unterliegt zusammen mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten<br />
dem allgemeinen Tarif nach § 32a EStG.<br />
Auf den tarifbegünstigten Teil wird ein ermäßigter durchschnittlicher Steuersatz für das<br />
gesamte zu versteuernde Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden<br />
Einkünfte angewandt. Die einzelnen Berechnungsschritte ergeben sich aus<br />
nachfolgendem Schema:<br />
Besondere Tarifermäßigung außerordentlicher Einkünfte<br />
i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG<br />
(§ 34 Abs. 3 EStG)<br />
Schritt 1: Ermittlung der Einkommensteuer für das zu versteuernde Einkommen zuzüglich der<br />
dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach Grundtarif oder Splittingverfahren<br />
Schritt 2: Ermittlung des durchschnittlichen Steuersatzes<br />
Schritt 3: Ermittlung des anzuwendenden ermäßigten Steuersatzes<br />
[= 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes gem. Schritt 2, mindestens 15 %]<br />
Schritt 4: Ermittlung des nicht begünstigten Teils des zu versteuernden Einkommens<br />
(verbleibendes zu versteuerndes Einkommen)<br />
[= Unterschiedsbetrag zwischen dem gesamten zu versteuernden Einkommen<br />
und den ermäßigt besteuerten außerordentlichen Einkünften]<br />
Schritt 5: Ermittlung der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen<br />
nach Grundtarif oder Splittingverfahren<br />
Schritt 6: Ermittlung der Einkommensteuer für die begünstigten außerordentlichen Einkünfte<br />
unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes<br />
[= ermäßigter Steuersatz nach Schritt 3 x begünstigte außerordentliche Einkünfte]<br />
Schritt 7: Ermittlung der tariflichen Steuer<br />
[= Steuer nach Schritt 5 zuzüglich ermäßigte Steuer nach Schritt 6]<br />
Die besondere Regelung des § 34 Abs. 3 EStG wird auf Antrag Steuerpflichtigen gewährt,<br />
die das 5<strong>5.</strong> Lebensjahr vollendet haben oder im sozialversicherungsrechtlichen<br />
Sinne dauernd berufsunfähig sind. Die Tarifermäßigung steht jedem Steuerpflichtigen nur<br />
einmal im Leben für einen einzigen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn zu (§ 34 Abs. 3<br />
Satz 4 und 5 EStG).<br />
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