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Liebe Konfirmandinnen, Konfirmanden, Eltern und Verwandte, liebe ...

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1<br />

Christvesper Hl- Abend in der Rk, 17 Uhr<br />

<strong>Liebe</strong> Gemeinde,<br />

Der Heilige Abend ist ein seltsamer Tag. Nach meinem Eindruck ist er<br />

der einzige Tag im Jahr, der erst am Abend so richtig beginnt. Die<br />

St<strong>und</strong>en davor sind oft noch geprägt von intensiver Vorbereitung <strong>und</strong><br />

rühriger Geschäftigkeit. Da werden die sogenannten SOS-Geschenke<br />

besorgt, da wird die Wohnung geputzt, schnell noch Lebensmittel<br />

gekauft, dass es über die Feiertage reicht, da duftet es aus der Küche<br />

nach dem traditionellen Weihnachtsessen oder nach Gebäck. Die<br />

Erwachsenen sind emsig beschäftigt, für die Kinder dagegen ziehen<br />

sich die St<strong>und</strong>en in die Länge wie Kaugummi. Und es liegt eine<br />

besondere Stimmung in der Luft – so eine Mischung aus Vorfreude<br />

<strong>und</strong> Erwartung, manchmal gepaart mit einer gewissen Gereiztheit in<br />

den Familien. Und doch liegt auch so viel erwartungsvolle Sehnsucht<br />

in dieser Heiligen Nacht. Sehnsucht, das Leben oder wenigstens dieser<br />

Abend möge gelingen, friedvoll <strong>und</strong> mit Freude <strong>und</strong> <strong>Liebe</strong> erfüllt. Es<br />

ist eben eine ganz besondere Stimmung <strong>und</strong> besondere Sehnsucht, die<br />

diesen Heiligen Abend ausmachen <strong>und</strong> die uns letztlich auch in<br />

diesem Jahr hier wieder zum Gottesdienst geführt hat.<br />

Lassen Sie sich mit diesen Sehnsüchten <strong>und</strong> dieser besonderen<br />

Stimmung einladen, in Gedanken ins Wohnzimmer einer Lauffener<br />

Familie, die gerade dabei ist, ihren Christbaum zu schmücken.<br />

Die beiden Jungs der Familie machen ihre Späßchen. Der Kleinste<br />

hält eine Christbaumkugel hoch <strong>und</strong> ruft "Wetten, dass die Kugel<br />

nicht kaputtgeht, wenn ich sie jetzt loslasse?" "Klar geht sie kaputt",<br />

meint der Älteste. Die ist nur aus ganz dünnem Glas. "Kind, tu das<br />

nicht!", ruft die Mutter entsetzt. Aber da hat der Kleine die Kugel<br />

schon losgelassen - <strong>und</strong> sicher mit der anderen Hand wieder<br />

aufgefangen. "Das gilt nicht!", ruft der Ältere. "Das gilt doch!", gibt<br />

der Kleine zurück.<br />

Losgelassen, gefallen - <strong>und</strong> doch gehalten. Das ist ein Bild für den<br />

Zustand unserer Welt <strong>und</strong> für das, was Weihnachten passiert ist. Wir<br />

werden es am Ende des Gottesdienstes auch singen, achten sie mal<br />

drauf: "Welt ging verloren, Christ ist geboren - freue dich o<br />

Christenheit." Und der Evangelist Johannes drückt das so aus:<br />

Johannes 3, 16-21.<br />

Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen<br />

Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden,<br />

sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in<br />

die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch<br />

ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer<br />

aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den<br />

Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.<br />

Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist,<br />

<strong>und</strong> die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre<br />

Werke waren böse.<br />

Wer Böses tut, der hasst das Licht <strong>und</strong> kommt nicht zu dem Licht,<br />

damit seine Werke nicht aufgedeckt werden.<br />

Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar<br />

wird, dass seine Werke in Gott getan sind.<br />

Diese Sätze stammen aus einem Gespräch, das Jesus mit Nikodemus<br />

führt. Nikodemus – einer von den „Oberen“ der Juden, wie Johannes<br />

sagt. Vermutlich wohlhabend, jedenfalls ein Gebildeter, ein<br />

Intellektueller. Er hat seine Schwierigkeiten mit dem Glauben, ist aber<br />

durchaus interessiert an religiösen Fragen. Was er von Jesus gehört<br />

hat, hat ihn neugierig gemacht. So sucht er das Gespräch mit ihm.<br />

Nachts. Es braucht ja nicht gleich jeder zu wissen, dass dieser Jesus<br />

ihn beeindruckt.<br />

Ein nächtliches Glaubensgespräch über Gott <strong>und</strong> die Welt; wo ich<br />

alles fragen kann, was mir unklar ist oder merkwürdig erscheint; wo<br />

ich auch mal hinter die Kulissen dessen schauen kann, was offiziell<br />

von Gott gedacht <strong>und</strong> gelehrt wird – ich finde, ein solches Gespräch<br />

passt w<strong>und</strong>erbar in die Heilige Nacht. Alle kritischen Zeitgenossen<br />

wie Nikodemus; alle, die sich schwer tun mit dem Glauben, mit den<br />

Ritualen der Kirche, mit der biblischen Sprache, sie sind eingeladen,<br />

sich in dieses Gespräch einzuklinken <strong>und</strong> für sich neue Räume zu<br />

entdecken, wie man über Gott reden <strong>und</strong> denken kann, wie man Gott<br />

erleben <strong>und</strong> erfahren kann.<br />

Ich stelle mir vor, wie Nikodemus alle seine Fragen <strong>und</strong> Zweifel<br />

auspackt. „Wie soll ich mir das eigentlich vorstellen mit Gott?


2<br />

Schöpfer der Welt, Richter <strong>und</strong> Retter; ein guter Vater im Himmel –<br />

das geht alles nicht so leicht in meinen Kopf. Wenn Gott wirklich so<br />

wäre, warum lässt er dann zu, dass es so viel Unrecht <strong>und</strong> Gewalt in<br />

der Welt gibt?“ Nikodemus fragt, wie viele von uns auch fragen. Und<br />

ich höre Jesus antworten: „Vergiss mal für einen Augenblick dein<br />

ganzes theologisches Gedankengebäude mit all den komplizierten<br />

Denkfiguren. Worauf es ankommt, ist letztlich <strong>und</strong> allein die <strong>Liebe</strong>.<br />

Sie ist die Kraft, die uns trägt <strong>und</strong> die das Leben lebenswert macht.<br />

Und diese Kraft ist von <strong>und</strong> in Gott. Gott liebt unsere Welt. Er will sie<br />

nicht richten, sondern retten. Darum hält er ihr den Himmel offen. Er<br />

liebt uns Menschen <strong>und</strong> will nicht, dass wir verloren gehen. Darum<br />

taucht er ganz ein in unsere Menschlichkeit <strong>und</strong> wird einer von uns.<br />

Wer Gottes <strong>Liebe</strong> annimmt <strong>und</strong> an andere weitergibt, der hat Gott<br />

erkannt; der lebt in Gott.“ Später hat Johannes diesen Glauben in den<br />

Spitzensatz gefasst: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen<br />

einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren<br />

werden, sondern das ewige Leben haben.“ Ein Satz mit einem durch<br />

<strong>und</strong> durch weihnachtlichen Klang. „Heilige Worte <strong>und</strong> Klänge“ im<br />

besten Sinne. Sie öffnen uns einen weiten Raum: Raum zu leben;<br />

Raum zu <strong>liebe</strong>n.<br />

Wir sind oft sehr engstirnig. Wir haben regelrecht ein Brett vorm<br />

Kopf. Unser Blick ist eingeengt – weil er so oft nicht von der <strong>Liebe</strong><br />

gelenkt wird, sondern von Angst, Neid <strong>und</strong> Misstrauen. Wir pochen<br />

auf unser Recht <strong>und</strong> sind schnell bereit, andere zu verurteilen. Wir<br />

sehen auf andere herab, weil wir uns für etwas Besseres halten. Wir<br />

setzen unsere Ellbogen ein, weil wir Angst haben zu kurz zu kommen.<br />

Das Brett vorm Kopf hat viele Namen: Vorurteile, Rechthaberei,<br />

Gleichgültigkeit, Gier, Bosheit, Hass. Dicke Bretter, ja.<br />

Jesus spricht das an: „Die Menschen liebten die Finsternis mehr als<br />

das Licht... Wer Böses tut, der hasst das Licht...“ (V. 19+20). Jesus<br />

weiß, wie unheilig es oft zwischen uns zugeht. Daran hat sich bis<br />

heute nicht viel geändert – auch am Heiligen Abend nicht. Wir werden<br />

Zeugen so vieler Schrecken, die uns die Sprache verschlagen – in der<br />

Nähe <strong>und</strong> in der Ferne; wir sind aber auch beteiligt an mancher<br />

Lieblosigkeit, an manchem Schweigen zwischen <strong>Eltern</strong> <strong>und</strong> Kindern,<br />

zwischen Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> denen, die sich einst geliebt hatten <strong>und</strong><br />

einander heute nur noch verachten. – Viel Finsternis <strong>und</strong> Sorgen <strong>und</strong><br />

dabei doch auch so viel Sehnsucht, das Leben möge uns endlich<br />

gelingen.<br />

In dieser Nacht, in dieser Heiligen Nacht möchte Gott uns Sorgen<br />

nehmen. Wieder wird sein Kind geboren, wieder dürfen wir die Worte<br />

hören <strong>und</strong> auf uns wirken lassen, mit denen Gott die Erde betritt, die<br />

Wohnung seiner Menschen: Fürchtet euch nicht! Und wieder hören<br />

wir, dass Gott liebt <strong>und</strong> Sorgen nehmen will: So sehr hat Gott die<br />

Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an<br />

ihn glauben nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.<br />

Nur so, <strong>liebe</strong> Gemeinde, nur so können Sorgen wirklich weichen.<br />

Nicht, indem wir sie vergessen oder verdrängen oder verschweigen,<br />

sondern nur, indem wir mitten in allen unseren Lasten <strong>und</strong> Schrecken<br />

auch noch etwas anderes hören <strong>und</strong> auf uns wirken lassen. Etwas, was<br />

uns die Welt <strong>und</strong> das tägliche Leben, was uns aber auch uns selber<br />

wieder erträglicher macht: Wir sind nicht aufgegeben. Wir sind nicht<br />

auf uns alleine gestellt. Wir sind geliebt!<br />

Gott ist da. Wir brauchen uns nicht anzustrengen, ihn herbeizuholen.<br />

Heute <strong>und</strong> alle Tage ist er einfach da. Gott will Menschen finden, die<br />

der <strong>Liebe</strong> Glauben schenken. Gott will Sie finden; <strong>und</strong> er will mich<br />

finden. Nur dazu kam er in die Welt, um uns neues Leben, neuen<br />

Lebensmut <strong>und</strong> – raum zu schenken durch seine <strong>Liebe</strong>.<br />

Nach den erfolgreichen Weltmeisterschaftsspielen unserer<br />

Fußballnationalmannschaft im vergangenen Sommer in Südafrika will<br />

ich mal versuchen, in der Fußballsprache ausdrücken, worum es geht.<br />

Die Fußballfans unter uns wissen, dass man den Raum eng machen<br />

muss, damit die gegnerische Mannschaft ihr Spiel nicht entfalten<br />

kann; dass andererseits eine weite Flanke den Raum öffnet, damit das<br />

eigene Spiel wieder nach vorn läuft. Solch eine Vorlage gibt Gott uns<br />

zu Weihnachten - damit wir wieder Spielraum zum Leben haben. „So<br />

sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab...“<br />

Nun liegt es an uns, diese Vorlage aufzunehmen <strong>und</strong> für unser Leben<br />

zu nutzen: „...damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden,<br />

sondern das ewige Leben haben.“ Nicht richten, sondern retten. Nicht<br />

verloren gehen, sondern ins Leben holen. Nicht Angst haben müssen,


3<br />

sondern vertrauen dürfen. Das ist die Weihnachtsbotschaft. „Siehe, ich<br />

verkündige euch große Freude; denn euch ist heute der Heiland<br />

geboren.“<br />

Geboren - als Kind, klein <strong>und</strong> verletzlich. Und gerade darum so groß<br />

in seiner <strong>Liebe</strong>. Unter armseligen Bedingungen: im Stall, in einer<br />

Futterkrippe. Enger geht’s nicht. Und gerade darum so hoffnungsstark.<br />

Gottes <strong>Liebe</strong> reicht bis in unsere Enge, bis in die Dunkelheiten der<br />

Welt <strong>und</strong> unseres Lebens. Selbst da, wo Angst <strong>und</strong> Schuld, wo Leid<br />

<strong>und</strong> Armut unseren Lebensraum einengen <strong>und</strong> uns die Lebensfreude<br />

nehmen wollen, schenkt Gott uns neuen Raum zum Leben. Indem er<br />

uns seine <strong>Liebe</strong> schenkt, die uns so wertvoll macht. Und indem er uns<br />

einen Sinn <strong>und</strong> Aufgabe gibt, die uns sagt: Du wirst gebraucht.<br />

Dringend gebraucht, diese <strong>Liebe</strong> Gottes weiterzugeben. Nicht weil ich<br />

selbst so ein perfekter Mensch wäre oder sein müsste sondern, weil<br />

Gottes <strong>Liebe</strong> mich erfüllt <strong>und</strong> ich von dem weitergebe, was mir<br />

geschenkt wurde <strong>und</strong> mich reich macht. Und indem ich diese <strong>Liebe</strong><br />

verschenke, wird sie nicht weniger, sondern mehr: Denn <strong>Liebe</strong> ist das<br />

einzige, was mehr wird, je mehr ich davon verschenke.<br />

Daher stellt uns die Weihnachtsbotschaft auch immer neu vor die<br />

Frage: Wie geben wir unseren Glauben in <strong>Liebe</strong> weiter? Wie öffnen<br />

wir unseren Kindern den nötigen Lebensraum? Den Raum, in dem sie<br />

vertrauen, <strong>liebe</strong>n <strong>und</strong> hoffen lernen? Der Glaube an die <strong>Liebe</strong> Gottes,<br />

Mensch geworden in einem Kind, öffnet uns diesen Raum. Die <strong>Liebe</strong><br />

Gottes holt uns selber in diesen weiten Raum. Sie hilft uns<br />

Erwachsenen, zu werden wie die Kinder: dass wir vertrauensvoll in<br />

die Zukunft blicken, die Welt <strong>und</strong> die Menschen mit den Augen der<br />

<strong>Liebe</strong> sehen können; dass wir selber dafür offen sind, uns <strong>liebe</strong>n <strong>und</strong><br />

beschenken zu lassen. Wo Menschen sich auf diese <strong>Liebe</strong> einlassen,<br />

wird Gott Mensch, immer wieder – <strong>und</strong> wir mit ihm.<br />

Darum: Machs wie Gott: Werde Mensch! Amen<br />

Pfr. Gunter Bareis, Kirchbergstr. 18, 74348 Lauffen a.N.

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