heruntergeladen - Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg
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| Plattdeutsch – e<strong>in</strong> Plädoyer<br />
Platt –<br />
Renaissance der Mundart?<br />
Am Bankschalter, <strong>in</strong> der Autowerkstatt,<br />
<strong>in</strong> der Wandergruppe des Heimatvere<strong>in</strong>s,<br />
beim Sport – man hat im Alltag<br />
den E<strong>in</strong>druck, dass immer öfter Platt gesprochen<br />
wird. Zahlreiche Schulen bieten<br />
Plattdeutschkurse an, Vorlesewettbewerbe<br />
werden durchgeführt, Lokal- und<br />
Regionalzeitungen enthalten regelmäßige<br />
Plattdeutschrubriken, Bühnen florieren,<br />
herausgestellt wird die wirtschaftliche<br />
Bedeutung des Plattdeutschen für<br />
Unternehmen, und im Internet sprießen<br />
Websites und Portale. Überdies wurde<br />
das Niederdeutsche durch die Europäische<br />
Sprachencharta (1999) geadelt, die<br />
es <strong>in</strong> den Kreis der europäischen Regionalsprachen<br />
aufnahm und dazu beitrug,<br />
dass es <strong>in</strong>stitutionell auf vielen Ebenen<br />
gepflegt und gefördert wird.<br />
Manche sprechen von e<strong>in</strong>er Renaissance<br />
des Plattdeutschen und<br />
me<strong>in</strong>en damit zwar nicht wörtlich<br />
se<strong>in</strong>e„Wiedergeburt“. Denn der Tod ist<br />
bislang zum Glück nicht e<strong>in</strong>getreten,<br />
doch ist über die Jahrhunderte h<strong>in</strong>weg<br />
e<strong>in</strong> merklicher Rückgang zu beobachten:<br />
von der Sprache der Sachsen über die<br />
Hansesprache bis h<strong>in</strong> zur norddeutschen<br />
Umgangssprache neben und unter dem<br />
Hochdeutschen, deren „Ausrottung“<br />
schon im 19. Jahrhundert gefordert wurde.<br />
Doch bis heute ist das Plattdeutsche<br />
weiterh<strong>in</strong> im Gebrauch (die Zahl der<br />
Menschen, die Platt sprechen, wird übrigens<br />
auf sechs Millionen geschätzt), und<br />
man kann, jetzt im weniger po<strong>in</strong>tierten<br />
S<strong>in</strong>n des Wortes „Renaissance“, von e<strong>in</strong>er<br />
„Auffrischung“ sprechen.<br />
In den 1970er-Jahren setzte nämlich<br />
e<strong>in</strong>e Aufwertung der Dialekte <strong>in</strong>sgesamt<br />
e<strong>in</strong>. Im Bildungswesen (<strong>in</strong>zwischen auch<br />
an den beiden Universitäten des <strong>Oldenburg</strong>er<br />
Landes), im öffentlichen Leben,<br />
aber auch im kirchlichen Bereich wird<br />
der Mundart seither wieder e<strong>in</strong> größerer<br />
Raum zugestanden. Zeugnis dafür s<strong>in</strong>d<br />
etwa plattdeutsche Bibelübersetzungen,<br />
Gesangbücher und gelegentliche Gottesdienste,<br />
wenn dadurch die Geme<strong>in</strong>de<br />
sprachlich nicht überfordert wird. Denn<br />
die Mehrheit spricht Hochdeutsch – der<br />
Anteil derer, die 2007 nach eigenen Angaben<br />
Platt sehr gut oder gut verstehen<br />
können (es also wenigstens passiv beherrschen),<br />
liegt für das nördliche Niedersachsen<br />
bei immerh<strong>in</strong> 50 Prozent.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der aktiven Beherrschung<br />
erfährt man allerd<strong>in</strong>gs aus Frerk Möllers<br />
Buch „Plattdeutsch im 21. Jahrhundert“,<br />
dass etwa 60 Prozent angeben,<br />
überwiegend oder nur Hochdeutsch zu<br />
sprechen. Am gravierendsten wirkt sich<br />
sicherlich die mangelnde Weitergabe des<br />
Plattdeutschen als Muttersprache von<br />
e<strong>in</strong>er Generation an die nächste aus.<br />
Die meisten Plattdeutsch-Muttersprachler<br />
dürften das Rentenalter erreicht<br />
haben, und es gibt nur wenige junge<br />
Eltern, die bereit und imstande s<strong>in</strong>d, die<br />
Weitergabelücke zu füllen und ihre K<strong>in</strong>der<br />
zweisprachig platt- und hochdeutsch<br />
aufwachsen zu lassen. Womöglich könnte<br />
aber die im Zuge der Globalisierung<br />
e<strong>in</strong>setzende neue Wertschätzung des<br />
Regionalen und Lokalen dem Plattdeutschen<br />
den Status e<strong>in</strong>er geschätzten Zusatz-<br />
und Nischensprache bewahren.<br />
Prof. Dr. Wilfried Kürschner<br />
Zur Person:<br />
Wilfried Kürschner ist emeritierter<br />
Professor für Allgeme<strong>in</strong>e Sprachwissenschaft<br />
und Germanistische L<strong>in</strong>guistik<br />
an der Universität Vechta; er leitet die<br />
Arbeitsstelle für L<strong>in</strong>guistische Dokumentation.<br />
Mit dem Niederdeutschen<br />
beschäftigt er sich im Arbeitskreis<br />
OM-Platt, dem zahlreiche Mitglieder<br />
des „Plattdütschen Kr<strong>in</strong>g“ angehören.<br />
Aus dieser Zusammenarbeit ist u. a.<br />
das Wörterbuch „Ollenborger Münsterland:<br />
Use Wörbauk“ (2009) hervorgegangen.<br />
Kürschner ist Mitglied des<br />
Geme<strong>in</strong>dekirchenrates Vechta.<br />
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