Intelligenzminderung
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Intelligenzminderung
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Vorlesung<br />
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
Frank<br />
www.kjp.med.uni-muenchen.de<br />
1<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Meilensteine der Entwicklung<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
6<br />
Kindergarten<br />
Alter in<br />
Jahren<br />
Schulzeit<br />
Laufen<br />
Erste Worte<br />
Sauberkeit<br />
Lesen<br />
Schreiben<br />
Freunde<br />
Diagnose:<br />
Behinderung, bleibend<br />
Frühförderung<br />
Heilpädagogische<br />
Tagesstätte<br />
Förderschule<br />
16<br />
18<br />
Eigenständigkeit<br />
?<br />
Fördermaßnamen<br />
Arbeitsamt<br />
Soz. päd. Begleitung 2<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
Definition nach ICD-10<br />
Eine <strong>Intelligenzminderung</strong> ist eine sich<br />
in der Entwicklung<br />
manifestierende, stehengebliebene oder unvollständige Entwicklung<br />
der geistigen Fähigkeiten, mit besonderer Beeinträchtigung von<br />
Fertigkeiten die zum Intelligenzniveau beitragen, wie z.B.<br />
– Kognition,<br />
–Sprache,<br />
– motorische und<br />
– soziale Fähigkeiten.<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
3
Auswirkungen der <strong>Intelligenzminderung</strong><br />
• Anpassungs- und Verständigungsfähigkeit<br />
• Zwischenmenschliche Beziehungen<br />
• Eigenständige Versorgung<br />
• Lebenspraktische Fähigkeiten<br />
• Schulische Fertigkeiten<br />
– Lesen, rechnen,<br />
– Andere kognitive Funktionen<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
4
Adaptives Verhalten<br />
Klassifikation der geistigen Behinderung (Spreen, 1978)<br />
• Reifung und Entwicklung (0 - 5 Jahre<br />
• Erziehung und Bildung (6 – 21 Jahre )<br />
• Soziale und berufliche Möglichkeiten (> 21 Jahre)<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
5
Adaptives Verhalten<br />
Klassifikation der geistigen Behinderung (Spreen, 1978)<br />
Schulalter (6-21 Jahre)<br />
Erziehung und Bildung<br />
• Stufe 1<br />
• Einige motorische Entwicklung vorhanden<br />
• Selbsthilfetraining ohne Erfolg<br />
• Braucht vollständige Fürsorge<br />
•Stufe 2<br />
• Kann sprechen oder Kommunikationsfertigkeiten erlernen<br />
• Kann in einfachen Gesundheitsgewohnheiten angelernt werden<br />
• Kann keine funktionellen schulischen Fertigkeiten erwerben<br />
• Lernt mit Hilfe von systematischer Verhaltensmodifikation<br />
(„trainierbar“)<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
6
• Stufe 3<br />
• Kann funktionelle schulische Fähigkeiten etwas bis zum<br />
Niveau des 4. Schuljahrs im spätem Reifealter erwerben, wenn<br />
er Zugang zur Sonderschule hat („erziehbar“)<br />
• Stufe 4<br />
• Kann schulische Fähigkeiten bis etwa zum 6. Schuljahr im<br />
späteren Reifealter erwerben.<br />
• Fähigkeiten zur Oberstufe fehlen<br />
• Braucht Schulhilfe, besonders im späterem Schulalter<br />
(„erziehbar“)<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
7
Anpassungsverhalten<br />
Das Anpassungsverhalten ist stets<br />
beeinträchtigt,<br />
eine solche Anpassungsstörung muß<br />
aber bei Personen mit leichter<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
in geschützter Umgebung mit<br />
Unterstützungsmöglichkeiten nicht<br />
auffallen.<br />
8<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Intelligenzquotient<br />
Entwicklungsalter* x 100<br />
_______________________<br />
Lebensalter<br />
*festgestellt mit einem geeigneten Verfahren<br />
9<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Intelligenz<br />
10<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
U. Knölker, 1997, Kinder – und Jugendpsychiatrie systematisch<br />
11<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Komorbidität<br />
Eine <strong>Intelligenzminderung</strong><br />
kann<br />
allein<br />
oder zusammen mit anderen<br />
psychischen oder<br />
körperlichen Störungen auftreten.<br />
12<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Beispiel<br />
Schulprobleme<br />
Verhalten auffällig<br />
Hyperaktiv?<br />
13<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Ätiologie - Ursachen<br />
Genetik<br />
Chromosomen - Down syndrom<br />
Stoffwechsel - Galaktosämie<br />
Dysmorphiesyndrome<br />
Pränatal<br />
Alkohol, Strahlen<br />
Perinatal<br />
Frühgeburt, Hirnblutung<br />
Postnatal<br />
Trauma, Blutung, Tumor Entzündung<br />
14<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Prävention von geistiger<br />
Behinderung<br />
– Infektionen:<br />
• Röteln (Embryopathie) – Impfung<br />
• HIV Erkrankung - Behandlung in der Schwangerschaft<br />
– Stoffwechselerkrankungen<br />
Neugeborenenscreening U2<br />
• Hypothyreose -Schilddrüsenhormon / Jod<br />
• Phenylketonurie - Diät ohne Phenylalanin<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
15
• G. Neuhäuser,<br />
HC. Steinhausen (Hsg)<br />
Geistige Behinderung,<br />
Kohlhammer 1999/2<br />
16<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
G. Neuhäuser, H.C. Steinhausen; 1999 Geistige Behinderung. Kohlhammer<br />
17
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
G. Neuhäuser, H.C. Steinhausen; 1999 Geistige Behinderung. Kohlhammer<br />
18
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
G. Neuhäuser, H.C. Steinhausen; 1999 Geistige Behinderung. Kohlhammer<br />
19
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
G. Neuhäuser, H.C. Steinhausen; 1999 Geistige Behinderung. 20Kohlhammer
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
G. Neuhäuser, H.C. Steinhausen; 1999 Geistige Behinderung. Kohlhammer<br />
21
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
22<br />
G. Neuhäuser, H.C. Steinhausen; 1999 Geistige Behinderung. Kohlhammer
Indikationen zur genetischen Beratung und<br />
zur pränatalen Diagnose<br />
(Neuhäuser und Steinhausen 1996)<br />
• Die Eltern haben bereits ein krankes oder behindertes Kind.<br />
• In der Familie ist eine genetisch bedingte Krankheit oder Behinderung<br />
bekannt.<br />
• Die Eltern sind gesunde Überträger einer genetisch bedingten<br />
Krankheit oder Behinderung.<br />
• Es ist eine Belastung mit Mutagenen oder Teratogenen gegeben.<br />
• Die Eltern sind enge Blutsverwandte.<br />
• Es sind habituelle Aborte vorausgegangen.<br />
• Eltern mit Kinderwunsch haben ein höheres Lebensalter.<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
23
Checkliste<br />
• √ Anamnese<br />
• √ Familienanamnese<br />
• Fokus: Entwicklungsanamnese<br />
• Focus: familiäre <strong>Intelligenzminderung</strong>,<br />
• Risikofaktoren<br />
• √ Körperliche Untersuchung<br />
• Focus: Somatometrie, Dysmorphiezeichen<br />
• √ Neurologische Untersuchung<br />
• √ Psychiatrische Befunderhebung<br />
• Focus: Entwicklungsstand<br />
• √ Testpsychologische Untersuchungen<br />
• √ Neuropsychologische<br />
Untersuchungen<br />
• IQ, Profil<br />
• Spez. Untersuchungen der Feinmotorik, z.B.<br />
Tracking, Tapping, Aiming<br />
• √ Technische Untersuchungen<br />
• z.B. CT, EEG, EP (evozierte Potentiale), NLG<br />
(Nervenleitgeschwindigkeit), Sonographie<br />
• √ Labortechnische Untersuchungen<br />
• √ Genetische Untersuchungen<br />
• Blut, Liquor, bioptisches Material<br />
• Chromosomenanalyse, Stammbaum<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
24
Fehlerquellen in Diagnostik und Therapie<br />
• <strong>Intelligenzminderung</strong> ist keine Blickdiagnose<br />
• Unausgewogenheit zwischen therapeutischem Nihilismus<br />
und zu optimistischen Beurteilungen<br />
• Mitteilungen der Diagnose an die Familie ohne weitere<br />
Begleitung<br />
• mangelhaftes Ausschöpfen der Verständnismöglichkeiten<br />
des Kindes<br />
25<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
(Verhaltens) - Muster<br />
• Dysmorphie<br />
- Organfehlbildungen<br />
• Heißhunger<br />
• „Katzenschrei“<br />
• Selbstverletzung<br />
• „Hände waschen“<br />
- Prader-Willi-Syndrom<br />
- Katzenschrei-Syndrom<br />
- Lesch-Nyan-Syndrom<br />
- Rett-Syndrom<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
26<br />
Hodapp und Dykens 2004
Down-Syndrom - Gruppenprofile<br />
• Schwächen: Sprache<br />
– Grammatik<br />
– Expressive Sprache<br />
– Artikulation<br />
• Stärken: Sozialverhalten<br />
– Blick<br />
– Lächeln<br />
– Weniger Psychopathologie<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
Hodapp und Dykens 2004<br />
27
2006, Stuttgart<br />
28<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Entwicklungsprobleme im Alltag<br />
• Schlafstörungen<br />
•Essen<br />
• Sexualität<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
29
Sexualität<br />
• Freundschaft<br />
• Jemanden kennen lernen<br />
•Liebe<br />
•Eifersucht<br />
• Vertrauen<br />
• Heirat und Verloben<br />
30<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
• „Behindert sein“<br />
• Selbstbefriedigung<br />
• Verbote<br />
• sexuelle Beziehungen in Heimlichkeit leben<br />
• Homosexualität<br />
Thomas et al. 1992<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
31
Spezifische Symptome bei<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
• Aggressivität<br />
• Stereotypien<br />
• Selbstverletzungen<br />
• Hyperaktivität<br />
• Mißhandlung, Mißbrauch<br />
32<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
22q11 Deletionssyndrom Velocardiales S.<br />
Psychiatrische Störungen und Intelligenz im Verlauf<br />
Green et al. 2009 JAACAP 48, 1060-1068, Altersgruppen 5- /12- / 18- /24 -<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
33
Stereotype Bewegungsstörungen<br />
• Schwere <strong>Intelligenzminderung</strong><br />
• Kommunikative Funktion<br />
– In welchen Situationen?<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
34
Prader-Willi-Syndrom<br />
„Syndrom von<br />
• Adipositas,<br />
• Kleinwuchs,<br />
• Hypogonadismus<br />
• Oligophrenie<br />
• Myatonieartiger Zustand im Neugeborenenalter“<br />
• Deletion des Chromosoms 15 (15q11 bis 15q13)<br />
• väterliche Übertragung<br />
35<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Entwicklungsverlauf<br />
Beim Neugeborenen<br />
• Schluck- und Trinkschwierigkeiten<br />
• Muskelhypotonie<br />
• „Floppy infant“<br />
Ab 2. Lebensjahr<br />
• Geistige Behinderung<br />
• Fettleibigkeit<br />
• Im Längenwachstum zunehmend<br />
zurück<br />
36<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Verhalten<br />
• Ernährungsschwierigkeiten<br />
• Schluckstörungen<br />
• Appetitsteigerung<br />
• Gutmütig - freundlich<br />
•<br />
• kleinkindhaftes Verhalten<br />
• mangelnde Einsicht<br />
37<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
• Antrieb vermindert<br />
• geringe Eigeninitiative<br />
• affektive Erregung mit Wutausbrüchen<br />
• Angstzustände<br />
• psychotische Zustände<br />
• paranoid- halluzinatorische Reaktionen<br />
38<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Verhaltensauffälligkeiten<br />
Externalisierende<br />
Störungen<br />
Aggressives Verhalten<br />
Selbstverletzung<br />
Internalisierende<br />
Störungen<br />
Angst<br />
Rückzug<br />
Antriebslosigkeit<br />
Entwicklung<br />
Verzögerungen<br />
Störungen<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
39
Rechtliche Fragen<br />
§ 3 Grundgesetz<br />
Gleichstellung<br />
von Personen<br />
mit und ohne Behinderung<br />
40<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Behandlung<br />
• Förderung in angemessenem Tempo<br />
41<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Frühförderung<br />
• Krankengymnastik<br />
• Psychomotorik<br />
• Ergotherapie<br />
42<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Förderung - Schule<br />
• Individuelle Lernförderung –<br />
– Förderschwerpunkt „lernen“<br />
• Individuelle Lebensbewältigung<br />
– Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“<br />
Warnke, in Herpertz-Dahlmann et al. Entwicklungspsychiatrie, 2003,467ff<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
43
Förderung - Jugendhilfe<br />
• Heilpädagogischer Kindergarten/<br />
• Heilpädagogische Tagesstätte<br />
• Stationäre Einrichtung –<br />
–Heim<br />
– Wohngruppe<br />
44<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Familienhilfe<br />
• Beratung<br />
• Familientherapie (Stützend)<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
45
Selbsthilfeorganisation<br />
Bundesvereinigung<br />
die Lebenshilfe<br />
46<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Psychotherapie<br />
(leichte Formen)<br />
• Verhaltenstherapie<br />
• Spezifische<br />
Trainingsprogramme<br />
47<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Wirksamkeit Psychotherapie<br />
• Psychische und soziale Faktoren bei<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
• Anwendungsbereich nicht berücksichtigt<br />
• Besondere Forschungsfragen<br />
•§ 11 PsychThG DÄ. 101. B311. 2004<br />
48<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Behandlungsmöglichkeiten<br />
Psychopharmaka<br />
(symptomorientiert)<br />
•Neuroleptika,<br />
•Antikonvulsiva<br />
49<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Behinderung und Einsamkeit<br />
Fehlersuche?<br />
Wie schaffen Sie das?<br />
• Mutter, Vater<br />
• Geschwister<br />
50<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
51
Kreise der Fachleute<br />
„Alles oder Nichts“<br />
Elternvereinigung<br />
Frauen-, Kinderklinik<br />
Kinder-Jugendpsychiater<br />
Eltern<br />
Hausärzte<br />
Förderschulen<br />
Kind<br />
Kinderzentrum<br />
Heilpädagogische<br />
Tagesstätte<br />
Frühförderung<br />
Psychologe<br />
Ergotherapie<br />
52<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Leitlinien für die Elternberatung<br />
• Behutsame und differenzierte Aufklärung<br />
der Eltern<br />
• Hilfen bei der Trauerarbeit zur<br />
Anerkennung des behinderten Kindes<br />
• differenziertes Erarbeiten des Grenzen und<br />
Möglichkeiten des Kindes<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
53
Zukunftsperspektiven<br />
Wie viel Eigenständigkeit in der persönlichen<br />
Lebensführung ist erreichbar?<br />
Beschützende Werkstätte mit Wohnheim als langfristige<br />
Perspektive.<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong><br />
54
Arbeit<br />
• Beschützende Werkstätte<br />
• Rehabilitationsmaßnahme Arbeitsamt<br />
mit sozialpädagogischer Begleitung<br />
– Beispiel „MAUT“<br />
• Menschen mit Autismus<br />
55<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>
Juristische Begleitung<br />
Betreuung (ab 18. Lebensjahr)<br />
Juristische und ökonomische Hilfestellung<br />
56<br />
<strong>Intelligenzminderung</strong>