Süchtiges Verharren im gemütlichen Elend - Klinikmagazin
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Betrachtet man einen Zeitraum von zwei<br />
Jahren, haben Menschen nach einer Diät in<br />
der Regel ihr Ausgangsgewicht übertroffen.<br />
Die meisten haben also durch die Diät<br />
zugenommen. Mit dem Verstand schlagen<br />
wir also unserer Natur nicht so einfach<br />
ein Schnippchen. Die Natur allerdings verzeiht<br />
diese Art des Scheiterns nicht, denn<br />
die Zahl der Übergewichtigen steigt gegenwärtig<br />
bedrohlich. Mit<br />
dem Begriff „Metabolisches<br />
Syndrom“ bezeichnen<br />
Mediziner die Symp tom-<br />
Konstellation: bauchbetonter<br />
Fettansatz, Übergewicht<br />
(BMI > 35), Fettstoffwechselstörung, Diabetes<br />
mellitus und Bluthochdruck. Besonders<br />
problematisch ist dies, weil dadurch<br />
die Lebenserwartung erheblich reduziert<br />
wird. Aber auch die Kultur ist in dieser Frage<br />
unerbittlich. Übergewicht passt nicht<br />
zum „westlichen Schönheitsideal“ und<br />
Übergewichtige sind vielfachen gesellschaftlichen<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungen ausgesetzt.<br />
Obwohl, wie oben bereits erwähnt, der<br />
Mensch sich sehr viel Gedanken über Gerechtigkeit<br />
macht, ist das Scheitern leider<br />
Das Scheitern<br />
ist sehr<br />
ungerecht<br />
verteilt<br />
sehr ungerecht verteilt. Diejenigen, die sich<br />
sowieso mit ihren automatischen Reaktionen<br />
schwer tun, leicht irritierbar sind oder<br />
zu starken emotionalen Reaktionen neigen<br />
(so auch Menschen mit Persönlichkeitsstörungen),<br />
sind ebenfalls häufiger von Übergewicht<br />
betroffen.<br />
Die Gründe dafür sind vielfältig: etwa<br />
weil das Essen zusätzlich zum Spannungsabbau<br />
dient oder sich Ess-Attacken<br />
ereignen. Dabei ist es besonders<br />
tragisch, dass die Folgen<br />
des Übergewichts oft die<br />
psychische Problematik überdauern<br />
und daher langfristig<br />
Sorgen bereiten. Menschen also, die sich<br />
ohnehin mit sich selbst schwer tun, müssen<br />
auch noch verstärkt derartige Ess-Störungen<br />
bewältigen.<br />
Wenn aber der Verstand diesen Problemen<br />
nicht gewachsen ist, kann man dann etwas<br />
dagegen tun? Oder ist man seiner Natur<br />
in vielen Fragen hilflos ausgeliefert?<br />
Der Mensch hat in seiner Geschichte eine<br />
Vielzahl von Strategien entwickelt und angewendet,<br />
um diese Fragen zu beantworten.<br />
Er hat Askese geübt, sich mehr auf<br />
seine Natur eingelassen, die Natur in sich<br />
zu besiegen versucht, Sport getrieben, eine<br />
App auf seinem Smartphone programmiert,<br />
Kochsendungen <strong>im</strong> Fernsehen verfolgt,<br />
Bücher gelesen, meditiert, Achtsamkeitsübungen<br />
durchgeführt, sich den Magen<br />
operieren lassen, in einer Psychotherapie<br />
darüber geredet, Hypnose ausprobiert<br />
und vieles andere mehr. Als so ganz opt<strong>im</strong>al<br />
hat sich letztlich aber keiner dieser Lösungsversuche<br />
herausgestellt.<br />
Diese Tatsache sollte aber nicht zur Resignation<br />
führen. Es ist ja eine Stärke des<br />
Menschen, aus seinem Scheitern zu lernen.<br />
Außerdem bleibt ihm ja sowieso nichts anderes<br />
übrig, als für seine eigene Unvollkommenheit<br />
auch die Verantwortung zu<br />
übernehmen.<br />
Epilog: Ach übrigens. Die neuesten Forschungsergebnisse<br />
besagen, dass bei einem<br />
bisschen Übergewicht die Lebenserwartung<br />
am höchsten ist. Da verstehe einer<br />
noch die Welt. n<br />
Dr. Ewald Rahn<br />
Chefarzt<br />
Sozialpsychiatrisches Zentrum <strong>im</strong> SKM Lippstadt<br />
Behandlung, Beratung und Information für Frauen und Männer<br />
Sozialdienst<br />
Katholischer<br />
Männer e. V.<br />
Lippstadt<br />
Kontakt: Cappelstr. 50-52 • 59555 Lippstadt • Tel.: 02941 9734-45 • Fax: 02941 9734-60<br />
E-Mail: sekretariat@skm-lippstadt.de • www.skm-lippstadt.de<br />
<strong>Klinikmagazin</strong> Nr. 16 2013 7