vielfalt statt einfalt - Kloepfel Consulting
vielfalt statt einfalt - Kloepfel Consulting
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Bundesagentur für Arbeit<br />
Freund der tiere<br />
Stephan Hering-Hagenbeck führt<br />
einen der wenigen Privatzoos in<br />
Deutschland – sogar profitabel<br />
Faktor A<br />
Das Arbeitgebermagazin<br />
Fan der Bibel<br />
Heinrich Deichmann lenkt den<br />
gleichnamigen Essener Schuhfilialisten<br />
nach christlichen Werten<br />
feind der Fettnäpfe<br />
Wer global Geschäfte macht, sollte<br />
sich auf Missverständnisse einstellen.<br />
Nicht nur bei der Essensbestellung<br />
Nr. 01 / 2011<br />
www.faktor-a.arbeitsagentur.de<br />
<strong>vielfalt</strong><br />
<strong>statt</strong><br />
<strong>einfalt</strong><br />
Arbeitgeber mit multikultureller Mannschaft<br />
stehen im Wettbewerb besser da
arbeitsmarkt<br />
Schwerpunkt<br />
Migration<br />
wir können<br />
auch anders<br />
Menschen mit Migrationshintergrund haben in<br />
Deutschland mit Vorurteilen zu kämpfen. Der<br />
Arbeitseinstieg ist schwer, ihre Abschlüsse<br />
werden oft nicht anerkannt, ihre Religion ist<br />
nicht immer willkommen. Arbeitgeber haben<br />
begriffen, dass so viel Desinteresse ihrem<br />
Geschäft schadet. Die Vorausschauenden<br />
unter ihnen stellen ganz bewusst<br />
Menschen aus anderen Kulturen<br />
ein – weil Vielfalt der<br />
Wirtschaft nützt.<br />
<br />
FaktorA | Das Arbeitgebermagazin
Text<br />
Martin Roos<br />
fotos<br />
Andreas Oertzen,<br />
Iris Friedrich,<br />
Peter Winandy<br />
Bei <strong>Kloepfel</strong> hat ein<br />
Drittel der Belegschaft<br />
einen Migrationshintergrund.<br />
Nicht<br />
aus Nächstenliebe,<br />
sondern weil es der<br />
international tätigen<br />
Firma hilft, wenn sie<br />
die Kulturen der Länder<br />
widerspiegelt, in<br />
denen sie tätig ist.<br />
Als Thanh-Duy Tran sechs Jahre alt ist, verlässt<br />
er seine erste Heimat. Seine Eltern wandern mit<br />
ihm und drei seiner Geschwister von Vietnam<br />
nach Deutschland aus – drei weitere Geschwister<br />
fliehen als Boatpeople in die Bundesrepublik.<br />
Im schwäbischen Heidenheim wächst er in bescheidenen<br />
Verhältnissen auf und macht Abitur. „Die Schwaben<br />
meinten damals zu mir, ich könnte besser Hochdeutsch als<br />
sie“, sagt er. Er jobbt sich durch sein Studium in Köln. Seine<br />
Geschwister, die bereits arbeiten, unterstützen ihn. Tran<br />
macht sein Diplom als Wirtschaftsingenieur und erhält seinen<br />
ersten Job bei einer Einkaufsberatung. Diese schickt ihn<br />
ein halbes Jahr in die Türkei und zwei Jahre nach Malaysia.<br />
Nach seiner Rückkehr fängt er, international erprobt,<br />
als Partner bei <strong>Kloepfel</strong> <strong>Consulting</strong> in Düsseldorf an. Für<br />
die auf Beschaffungsoptimierung spezialisierte Beratung<br />
ist der heute 31-Jährige ein Segen. „Wir suchen ganz bewusst<br />
Mitarbeiter mit Migrationshintergrund“, sagt Mark<br />
<strong>Kloepfel</strong>, 35, Gründer der Firma, „diese Vielfalt bereichert<br />
uns und macht uns wettbewerbsfähiger.“<br />
Tran ist ein typisches Beispiel für die hoch qualifizierte<br />
Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund in<br />
01_2011 | 7
Deutschland: gut ausgebildet,<br />
ausländische Wurzeln, in mehreren<br />
Kulturen zu Hause, flexibel,<br />
mobil, leistungsorientiert und<br />
ehrgeizig – kurzum mit unerhört<br />
großem Entwicklungspotenzial.<br />
Sie eröffnen Unternehmen neue<br />
Perspektiven. Vielfältige Ausbildungen,<br />
Talente, Ideen und vielseitige<br />
berufliche Wege in der Belegschaft<br />
stärken die Arbeitgeber.<br />
„Sich der Vielfalt zu öffnen, ist bereichernd“,<br />
sagt Hüseyin Yilmaz<br />
vom Deutschen Gewerkschaftsbund.<br />
Die Öffnung für andere Kulturen<br />
und andere Standpunkte<br />
führe dazu, sich zu hinterfragen,<br />
den Blickwinkel zu ändern und so<br />
zu wachsen. Und dies gilt nicht<br />
nur in Bezug auf Hochqualifizierte.<br />
Wenn ein Unternehmen seine<br />
Offenheit aber im Management<br />
vorlebt, ist die Wahrscheinlichkeit<br />
größer, dass sie sich auch in<br />
der vierten oder fünften Hierarchieebene durchsetzt.<br />
Mark <strong>Kloepfel</strong> ist von der Bereicherung durch<br />
Vielfalt überzeugt: Als internationaler Anbieter verstehe<br />
man Kunden und Lieferanten viel besser, wenn<br />
das Unternehmen die Kulturen der Länder widerspiegelt,<br />
in denen es tätig ist. Von seinen 90 Angestellten<br />
hat ein Drittel eine ausländische Herkunft. Neben<br />
<strong>Kloepfel</strong> und Tran gibt es noch einen Deutschen und<br />
einen Türken als Partner. Die Finanzchefin ist eine<br />
Polin. Auch wenn es abgedroschen klingt, ist er überzeugt:<br />
„Deutsche sind gewissenhaft. Und das ist gut.<br />
Wir brauchen aber auch Querdenker. Und das sind<br />
oft Mitarbeiter mit einem anderen kulturellen Hintergrund.<br />
Ohne Migration wird Deutschland nicht auskommen.“<br />
So wie der Beratungschef denken einer Studie<br />
der Freien Universität Berlin zufolge immer mehr<br />
Chefs: 20 Prozent der befragten Betriebe stellen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter wegen ihrer Migrationserfahrung<br />
ein. Tendenz steigend. Etwa zehn Prozent<br />
werben sie gezielt an.<br />
16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund<br />
leben in Deutschland. Nach der Definition des Statistischen<br />
Bundesamtes zählen dazu alle Personen, die<br />
zugewandert sind, sowie die in Deutschland Geborenen<br />
mit mindestens einem zugewanderten Elternteil.<br />
Rund sieben Millionen von ihnen sind Ausländerinnen<br />
und Ausländer, neun Millionen haben die deutsche<br />
Staatsangehörigkeit erhalten – durch Einbürgerung<br />
oder weil sie zu den vier Millionen deutschstämmigen<br />
Aussiedlerinnen und Aussiedlern gehören. Bis 2050<br />
rechnet das Statistische Bundesamt trotz steigender<br />
Zuwanderungszahlen mit einem Rückgang der Bevölkerung<br />
um etwa 13 Millionen.<br />
Daher ist es um so wichtiger, dass Menschen mit<br />
Zuwanderungsgeschichte Entwicklungschancen bekommen<br />
– egal mit welchem Schulabschluss. Aktuell<br />
haben jedoch bis zu 40 Prozent der unter 25-Jährigen<br />
mit ausländischer Herkunft keinerlei Berufsausbilarbeitsmarkt<br />
Schwerpunkt<br />
Migration<br />
„Der Arbeitsmarkt<br />
muss sich endlich<br />
öffnen!“<br />
Herr Yilmaz, es gibt immer noch Firmen,<br />
die gar keine Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund<br />
beschäftigen. Warum?<br />
Yilmaz: Manche haben diese Zielgruppe<br />
als Arbeitnehmer gar nicht<br />
im Fokus. Andere haben ihnen gegenüber<br />
einfach Vorurteile.<br />
Wie stark schätzen Sie diese<br />
Vorurteile?<br />
Sie sind stark. Durch den 11. September<br />
2001 haben sie zugenommen.<br />
Vor allem für muslimische Bewerber<br />
ist es sehr schwer, einen Job in einem Unternehmen zu<br />
finden. Zumindest beim Berufseinstieg. Grundsätzlich gibt es immer<br />
noch zu viel Unwissenheit und Stammtischgerede. Wir müssen<br />
weniger übereinander, sondern mehr miteinander reden.<br />
Was kann man gegen diese Vorurteile tun?<br />
Viele Verantwortliche in den Betrieben erkennen nicht einmal,<br />
dass es Vorurteile gibt. Ich rate ihnen grundsätzlich, die eigenen<br />
Mitarbeiter besser darüber zu unterrichten und die Einsicht<br />
zu vermitteln, dass Unterschiedlichkeit etwas Positives ist. Führungsaufgaben<br />
könnten auch an Mitarbeiter mit Migrationshintergrund<br />
übergeben werden. Das würde enorm helfen.<br />
Wie reagieren die ausländischen Absolventen?<br />
Die sind teilweise frustriert. Es gibt Tendenzen, dass einige der<br />
türkischen Absolventen in die Türkei zurückkehren, obwohl sie<br />
dieses Land nur aus dem Urlaub kennen. Wenn sie hier nicht weiterkommen,<br />
versuchen sie es eben woanders. Es ist schade, dass<br />
solche Potenziale verloren gehen.<br />
Wie gewinnen Unternehmen Ausländer für sich?<br />
Wir müssen in Deutschland eine Willkommenskultur gemeinsam<br />
entwickeln. Die Unternehmen sollten den Bewerbern das Gefühl<br />
geben, dass sie willkommen sind und gern genommen werden.<br />
Es wird häufig vom Mangel gesprochen. Ich bin überzeugt: Wenn<br />
Arbeitgeber wirklich begreifen, dass Mitarbeiter mit Migrationshintergrund<br />
ein großes Potenzial darstellen, werden sie genügend<br />
Fachkräfte gewinnen.<br />
Also müssen auch die Personaler umdenken?<br />
Auch Personalentwickler müssen stetig geschult werden. Die Praxis<br />
zeigt, dass immer noch stark nach Namen und Herkunft beim<br />
Rekrutierungsprozess selektiert wird. Das muss aufhören. Unternehmen,<br />
die diese Öffnung geschafft haben, sind auf Erfolgskurs.<br />
Liegt das Problem vielleicht auch an der fehlenden Bereitschaft<br />
der Migrantinnen und Migranten, sich wirklich integrieren<br />
zu wollen?<br />
Nein. Der Grund ist, dass der Arbeitsmarkt nicht offen für sie ist.<br />
Menschen mit Migrationshintergrund, die die deutsche Grundbildung<br />
in den ersten Lebensjahren verpasst haben, müssen eine<br />
zweite Chance bekommen und besser qualifiziert werden.<br />
Mehr dazu unter: www.faktor-a.arbeitsagentur.de<br />
Hüseyin Yilmaz, 59, kam 1970<br />
nach Deutschland. Er arbeitet<br />
beim Deutschen Gewerkschaftsbund<br />
als Abteilungsleiter<br />
für Migration und ist seit<br />
2008 Stellvertretender Vorsitzender<br />
der Türkischen Gemeinde<br />
in Deutschland.<br />
8 | 01_2011 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin
Schrumpfende Bevölkerung<br />
16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund lebten 2009 in<br />
Deutschland, 715.000 mehr als 2005. Im gleichen Zeitraum ist die<br />
Bevölkerung insgesamt um 561.000 Personen zurückgegangen.<br />
Ausländer Deutsche mit<br />
Migrationshintergrund<br />
Deutsche ohne<br />
Migrationshintergrund<br />
Männer Alter in Jahren Frauen<br />
- 100 -<br />
- 95 -<br />
- 90-<br />
- 85-<br />
- 80 -<br />
- 75 -<br />
- 70 -<br />
- 65 -<br />
Ahmet Lokurlu (o.r.)<br />
ist heute erfolgreicher<br />
Unternehmer, obwohl<br />
sein türkisches Studium<br />
nicht anerkannt<br />
wurde.<br />
Die Drogeriekette<br />
Budnikowsky setzt<br />
auf Multikulti, weil ihre<br />
Belegschaft ein Abbild<br />
der Gesellschaft<br />
darstellen soll.<br />
dung. Der Grund ist die fehlende<br />
Integration – bedingt durch<br />
Chancenungleichheit und Vorurteile,<br />
in den allerwenigsten<br />
Fällen durch Verweigerung.<br />
Vor allem bei der Auswahl der<br />
Lehrlinge scheinen Betriebe<br />
noch stark zu selektieren. Konzerne<br />
wie BMW, Daimler oder<br />
BP wollen und müssen dem<br />
entgegensteuern: „Wir sehen<br />
800 700 600 500 400 300 200 100 0<br />
Tausend Personen<br />
- 60 -<br />
- 55 -<br />
- 50 -<br />
- 45 -<br />
- 40 -<br />
- 35 -<br />
- 30 -<br />
- 25 -<br />
- 20 -<br />
- 15 -<br />
- 10 -<br />
uns die Kandidatenliste an und sorgen dafür, dass<br />
keiner wegen seines Namens rausfällt“, versichert<br />
BP-Personalvorstand Michael Schmidt. Auch Öffentliche<br />
Dienste wie der Polizeidienst NRW oder Familienunternehmen<br />
wie Griesson-Debeukelaer und Budnikowsky<br />
haben längst umgeschaltet.<br />
Bei der fünftgrößten deutschen Drogeriekette Budnikowsky<br />
in Hamburg haben ein Drittel der Auszubildenden<br />
und mindestens ein Drittel der Gesamtbelegschaft<br />
einen Migrationshintergrund. Diese Mischung<br />
sei eine logische Entwicklung, sagt die Sprecherin Susan<br />
Hillmann Pleus, denn sie stelle ein „quantitatives<br />
Abbild unserer Gesellschaft“ dar. Dementsprechend<br />
geht es keineswegs nur um Studierte. Je nach Qualifikation<br />
werden Menschen ausländischer Herkunft von<br />
der Regalauffüllung bis zur Filialleitung, von der Sachbis<br />
zur Warenbereichsleitung in allen Bereichen eingesetzt.<br />
„Mitarbeiter mit Migrationshintergrund sind<br />
oft mehrsprachig und haben aufgrund ihres unterschiedlichen<br />
Kulturhintergrundes interessante Facetten<br />
in ihrer Persönlichkeit. Diese sind auch für die Kollegen<br />
eine Bereicherung“, sagt Hillmann Pleus.<br />
Wie Budnikowsky will Ikea in seiner Belegschaft<br />
die Bevölkerung widerspiegeln – um letztlich auch die<br />
Beziehungen zu den Kunden zu stärken. So wählt jedes<br />
Einrichtungshaus vor Ort seine Angestellten aus.<br />
Bei Ikea treffen sich die Muslime während des Ramadan<br />
zum Fastenbrechen, und die nichtmuslimische<br />
Belegschaft stimmt ihre Pausen darauf ab. Manche<br />
Unternehmen wie Fraport haben sogar Ruheräume<br />
für Gebete eingerichtet.<br />
Doch egal welche Religion oder Herkunft – alle<br />
Beschäftigten müssen Leistung zeigen. „Beruflich<br />
habe ich eigentlich nie Probleme gehabt“,<br />
meint Tran. Vielleicht auch, „weil ich früh lernen<br />
musste, mich durchzubeißen“. Ähnlich denkt Zhengrong<br />
Liu. Der 42-jährige Chinese ist Personalchef des<br />
börsennotierten Spezialchemie-Konzerns Lanxess. Er<br />
sieht seine Karriere als Beispiel dafür, dass „jeder bei<br />
uns weiterkommt“. Dabei standen seine Chancen auf<br />
Erfolg schlecht, als er nur mit einem Koffer und 300<br />
Mark aus China in Köln ankam, um Pädagogik, Ang-<br />
0<br />
0 100 200 300 400 500 600 700 800<br />
<br />
Tausend Personen<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
01_2011 | 9
arbeitsmarkt<br />
Schwerpunkt<br />
Migration<br />
listik und Politik zu studieren. Später jobbte er bei Bayer<br />
und empfahl sich Schritt für Schritt durch sehr gute<br />
berufliche Leistungen.<br />
An eine Quote oder dergleichen bei der Einstellung<br />
zu denken, käme auch bei Solitem nicht in Frage. Die<br />
1999 in Aachen gegründete Firma für umweltfreundliche<br />
Energieversorgungssysteme ist Marktführer im<br />
Bereich solare Kühlung. Sie beschäftigt 40 Menschen<br />
aus Deutschland, Frankreich und der Türkei – die meisten<br />
in der Türkei. „Wir rekrutieren alle Nationalitäten.<br />
Wen wir einstellen, ist abhängig davon, auf welchem<br />
Weltmarkt wir tätig werden“, sagt der Marketingleiter<br />
Alexander Mager. Geht es um das in Deutschland<br />
noch brach liegende Potenzial von Menschen mit Migrationshintergrund,<br />
ist sich Solitem-Gründer Ahmet<br />
Lokurlu sicher, dass Investitionen vor allem in Bildung<br />
notwendig sind. „Wir müssen in diese Leute investieren<br />
– ganz egoistisch betrachtet“, sagt der 49-jährige<br />
gebürtige Türke. Verpflichtende Sprachkurse seien<br />
ein Einstieg. Gelinge es, bildungsfernere Schichten<br />
anzusprechen, müsse man auch nicht über ein Mehr<br />
oder Weniger an Zuwanderung reden. Lokurlu selbst<br />
ist seit Ende der 80er Jahre in Deutschland. Anfangs<br />
erlebte er einen rigiden Staat: Sein türkisches Studium<br />
wurde nicht anerkannt. Seine Familie musste für ihn<br />
bürgen, damit der Sohn es sich nicht auf Kosten des<br />
deutschen Sozialsystems gut gehen lässt. „Das war<br />
zeitweise sehr demütigend“, sagt er. Heute hat er drei<br />
Studienabschlüsse, eine Promotion in Kraftwerkstechnik,<br />
an einer weiteren in Philosophie arbeitet er.<br />
„Beruflich habe ich nie<br />
Probleme gehabt. Ich lernte<br />
früh, mich durchzubeißen.“<br />
Thanh-Duy Tran, Partner bei <strong>Kloepfel</strong> <strong>Consulting</strong>,<br />
kam mit sechs Jahren aus Vietnam nach Heidenheim.<br />
Gerade die Anerkennung ausländischer Abschlüsse<br />
ist noch ein Problem. Mangelnde<br />
Transparenz der Anerkennungsverfahren, das<br />
Fehlen von einheitlichen Kriterien sowie die unterschiedlichen<br />
Zuständigkeiten verwandeln die Anerkennung<br />
des Berufsabschlusses in Deutschland in<br />
einen Kampf durch den Bürokratiedschungel. Die Voraussetzungen<br />
sind vielschichtig und hängen immer<br />
vom Einzelfall ab. In der Regel sind Kultusministerien<br />
oder Kammern zuständig. Das Bundesbildungsministerium<br />
will das Verfahren ab 2011 beschleunigen und<br />
voraussichtlich auf weniger als 100 Tage begrenzen.<br />
Neben Abschlüssen soll zukünftig auch die Berufserfahrung<br />
angemessen berücksichtigt werden. Hilfreich<br />
wird die Möglichkeit einer formalen Teilanerkennung<br />
sein. Das Ministerium verspricht sich davon zusätzliche<br />
300.000 Fachkräfte mit ausländischen Wurzeln,<br />
die bereits in Deutschland leben.<br />
„Sicherlich gibt es viele Fälle, vor allem in der türkischen<br />
Bevölkerung, bei denen es aufgrund der Abstammung<br />
beruflich nicht rundgelaufen ist“, sagt Hasim<br />
Kulmac. „Ich hatte wohl auch Glück. Nach dem<br />
Studium konnte ich mir den Arbeitgeber aussuchen,<br />
weil Ingenieure in der Verkehrsplanung gesucht wurden.“<br />
Dort blieb der Deutschtürke aber nicht, er gründete<br />
2000 die Firma Vaybee. Privatinvestoren finanzierten<br />
ihm drei Millionen Euro Startkapital. Vaybee<br />
ist ein soziales Netzwerk für die in Deutschland lebenden<br />
Türken, vergleichbar mit Facebook. Kulmac hat elf<br />
Mitarbeiter, darunter drei Deutsche.<br />
Gründer wie Kulmac sind zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor<br />
geworden: Von 1990 bis 2005 hat sich<br />
der Anteil der Selbstständigen in der ausländischen<br />
Bevölkerung von sechs auf 11,8 Prozent erhöht – und<br />
dabei handelt es sich nicht etwa nur um Restaurant-<br />
Inhaber, sondern um Gründungen im Dienstleistungsgewerbe<br />
und im Handwerk. 2009 kamen dem KfW-<br />
Gründungsmonitor zufolge auf 870.000 Gründungen<br />
in Deutschland 170.000 von ausländischen Menschen.<br />
Gut ausgebildete Migrantinnen und Migranten wagen<br />
besonders häufig den Schritt in die Selbstständigkeit.<br />
Viele haben dies von ihren Eltern gelernt, die einst aus<br />
Die Zwei-Klassen-Gesellschaft: Menschen mit Migrationshintergrund bleiben deut-<br />
Die Unterschiede sind auffallend:<br />
Je nach Herkunft<br />
sehen die Startchancen ins<br />
Berufsleben von Jugendlichen<br />
unterschiedlich aus.<br />
Jede bzw. jeder Dritte mit Migrationshintergrund<br />
hat keinen<br />
beruflichen Abschluss; bei den<br />
Ausländerinnen und Ausländern<br />
sind sogar 41 Prozent ohne Berufsausbildung.<br />
In Bezug auf ein<br />
Studium sieht es etwas besser<br />
aus – hier sind die Unterschiede<br />
nicht ganz so deutlich.<br />
8,9<br />
18,7<br />
58,3<br />
14,2<br />
Bevölkerung,<br />
unterTeilt sich in<br />
9,8<br />
19,2<br />
10,1<br />
60,9<br />
1. Menschen<br />
ohne Migrationshintergrund<br />
4,6<br />
15,8<br />
45,3<br />
34,3<br />
2. Menschen mit<br />
Migrationshintergrund,<br />
unterteilt sich in<br />
10 | 01_2011 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin
Die Agentur<br />
für Arbeit hilft<br />
breitgefächertes<br />
dienstleistungsangebot<br />
Die Möglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit zur<br />
Unterstützung und zur Integration im Berufsalltag bzw.<br />
zum Berufseinstieg sind vielfältig. Die Anerkennungsberatung<br />
der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung<br />
(ZAV) gehört dazu – ebenso die Beratung zu den<br />
Voraussetzungen für Eingliederungszuschüsse und für<br />
Qualifizierungsmaßnahmen, wie beispielsweise ein<br />
Deutsch-Sprachtest.<br />
5,7<br />
Mangel an Alternativen ein Obstgeschäft oder eine Änderungsschneiderei<br />
eröffneten. Heute sehen es viele<br />
junge Geschäftsleute als die bessere Wahl gegenüber<br />
einem Angestelltenverhältnis an. Und sie werden häufig<br />
selbst gleich Chef: Mehr als die Hälfte stellt schon<br />
bei der Gründung Personal ein, bei den Deutschen<br />
sind es 29 Prozent. Nach Schätzungen des DIHK haben<br />
die Menschen mit Migrationshintergrund voriges<br />
Jahr 150.000 Arbeitsplätze in von ihnen neu gegründeten<br />
Firmen geschaffen. Damit ist das viel zitierte Job-<br />
Wunder 2010 schon längst kein deutsches mehr, sondern<br />
ein echter multikultureller Erfolg.<br />
lich häufiger ohne Berufsabschluss<br />
14,8<br />
52,6<br />
27,0<br />
2a. Migrantinnen<br />
und Migranten mit<br />
deutschem Pass<br />
3,5<br />
16,8<br />
38,5<br />
41,2<br />
2b.<br />
ausländerinnen<br />
und Ausländer<br />
Der internationale<br />
Shoppingcenter-<br />
Entwickler ECE (im<br />
Foto ein Team in der<br />
Hamburger Zentrale)<br />
setzt auf eine<br />
multinationale Belegschaft.<br />
750 von<br />
3.000 Angestellten<br />
sind nicht deutsch.<br />
ohne beruflichen<br />
Abschluss<br />
mit beruflicher<br />
Ausbildung oder<br />
Berufsfachschule<br />
Meister- /<br />
Technikerausbildung<br />
oder gleichwertig<br />
Fachhochschule<br />
oder Hochschulstudium<br />
Quelle:<br />
Statistisches Bundesamt,<br />
Zahlen aus 2008<br />
Berufsbezogene deutschförderung<br />
Menschen mit Migrationshintergrund können zur Verbesserung<br />
der Deutschkenntnisse an einem kostenlosen<br />
Sprachkurs teilnehmen, um eine Arbeitsstelle zu<br />
finden oder im Beruf weiterzukommen. Voraussetzung<br />
ist, dass sie einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben.<br />
Dieses ESF-BAMF-Programm – die Kurse werden<br />
vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert<br />
und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge<br />
(BAMF) organisiert – ist deutschlandweit verfügbar.<br />
Es besteht aus berufsbezogenem Deutschunterricht,<br />
Fachunterricht, einem Praktikum sowie Betriebsbesichtigungen.<br />
www.integration-in-deutschland.de<br />
www.bamf.de<br />
anerkennung von ausländischen<br />
Ausbildungs- und Studienabschlüssen<br />
Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung berät zur<br />
Notwendigkeit eines Anerkennungsverfahrens und<br />
informiert darüber, welche Behörde zuständig ist. Für<br />
einige Berufszweige gelten besondere gesetzliche<br />
Vorschriften zur Berufsausübung. Zu diesen „reglementierten<br />
Berufen“ gehören beispielsweise medizinische<br />
und pädagogische, aber auch juristische und<br />
technische Berufe. Bei ihnen ist die Anerkennung<br />
durch eine deutsche Anerkennungsstelle oder den<br />
zuständigen Berufsverband erforderlich.<br />
Alle anderen Berufe sind „nicht reglementiert“. Darunter<br />
fallen beispielsweise kaufmännische Berufe,<br />
aber auch naturwissenschaftliche Studienabschlüsse<br />
wie Mathematik oder Physik. Hier ist eine formale Anerkennung<br />
nur in bestimmten Fällen möglich.<br />
zav-auslandsvermittlung@arbeitsagentur.de<br />
Info-Center der ZAV für Anerkennungsberatung:<br />
0228 713-1313<br />
Weitere Infos unter:<br />
www.arbeitsagentur.de<br />
Rubrik Über uns/Weitere Dienststellen/Zentrale Auslands-<br />
und Fachvermittlung<br />
01801 66 44 66*<br />
*Festnetzpreis 3,9 ct/min; Mobilfunkpreise höchstens 42 ct/min<br />
01_2011 | 11