Programmheft herunterladen - Kölner Philharmonie
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Strophengliederung; die Liedmelodie müsse für sich alleine,<br />
ohne Begleitung, bestehen können.<br />
Damit wollte sich Brahms von zeitgleichen Strömungen abgrenzen.<br />
Vereinfacht ausgedrückt vertrat er den Vorrang der musikalischen<br />
Form gegenüber dem Inhalt, während etwa sein Antipode<br />
Hugo Wolf auf die vielschichtige Ausdeutung des Inhaltlichen<br />
insistierte. Dieser Gegensatz ist auf andere Gattungen übertragbar,<br />
denn auch auf dem Feld der Sinfonie war Brahms ein Verfechter<br />
absolut-musikalischer Formen, während Franz Liszt und später<br />
Richard Strauss sich in ihren sinfonischen Dichtungen an außermusikalischen<br />
Programmen orientierten. Auch in der Liedkomposition<br />
führten beide Wege aus verschiedenen Richtungen zu Verdichtung<br />
und Intensivierung des Ausdrucks. Bei Brahms geschah<br />
das durch die Konzentration des musikalischen Materials selbst,<br />
die in vielen seiner späteren Lieder kaum mehr mit volkstümlicher<br />
Schlichtheit in Einklang zu bringen ist. Diese Prozesse lassen sich<br />
in seinem umfangreichen Vokalschaffen eindringlich ablesen.<br />
Er komponierte allein über 190 Klavierlieder, die zudem sehr vielgestaltig<br />
sind. Es ging ihm keineswegs nur darum, den »Volkston«<br />
zu treffen. Vielmehr benutzte er alle nur erdenklichen Kompositionstechniken<br />
wie Kanon, Doppelkanon, Fuge, Kontrapunkt<br />
und Chromatik, um sein Ausdrucksspektrum zu bereichern. Zum<br />
Selbstzweck gerieten diese Verfahren indes nie, da sie untrennbar<br />
mit der geistigen und emotionalen Sphäre des jeweiligen<br />
Liedes verbunden sind. Gerade Brahms’ Lieder fußten oftmals<br />
auf konkreten Anlässen oder aufwühlenden Gefühlsregungen.<br />
»Frei, aber einsam« zu sein nahm er als sein Schicksal an, viele<br />
Äußerungen zeugen jedoch von teils verzehrender Sehnsucht<br />
nach weiblicher Begleitung. Das romantische Klavierlied ist als<br />
Gattung prädestiniert, dieser Sehnsucht Ausdruck zu verleihen.<br />
Von ewiger Liebe nannte Brahms das erste Lied seiner<br />
Vier Gesänge op. 43 von 1868, in denen Volksliedhaftes (nur)<br />
noch im Hintergrund schwebt. In latente Düsternis tauchte er die<br />
Nummer 1, in der die Geschichte eines Bauernburschen erzählt<br />
wird, dessen Mädchen seinetwegen mit Hohn und Spott überschüttet<br />
wird. Er ist bereit, auf sie zu verzichten, doch sie hält<br />
ihm die Treue. Nun hat sich Brahms wohl kaum mit diesem<br />
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