unilink - Abteilung Kommunikation - Universität Bern
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Nachrichten und Namen<br />
Parkinson: Die (un)bekannte Krankheit<br />
Trotz grosser Forschungsfortschritte: Die primäre Ursache<br />
der Parkinson-Krankheit ist weiterhin unbekannt und die<br />
Therapie entsprechend schwierig. Alain Kaelin und<br />
Michael Schüpbach von der <strong>Bern</strong>er Universitätsklinik für<br />
Neurologie sprachen an der «Woche des Gehirns» von<br />
Nervenzellen, Dopaminen und Kreativitätsschüben.<br />
«Die Parkinson-Krankheit ist wie Blech,<br />
das rostet: Die Ursache kann unterschiedlicher<br />
Natur sein, und die Art und Schnelligkeit<br />
des Verlaufs hängen von vielen<br />
verschiedenen Faktoren ab», erklärte der<br />
Neurologe Alain Kaelin. Die Individualität<br />
der Krankheit ist für Betroffene wie auch<br />
für Forschende eines der grössten Probleme:<br />
So ist die Ursachenforschung<br />
komplex und die Therapie vielfältig.<br />
Nervenzellen sterben ab<br />
«Die» Parkinson-Krankheit existiert nicht,<br />
der Verlauf jedoch ist ähnlich: Parkinson<br />
beginnt schleichend und schreitet<br />
langsam, jedoch zeitlebens und chronisch<br />
fort. Die Krankheit ist eine der häufigsten<br />
Erkrankungen des Nervensystems und<br />
verläuft degenerativ: Bei Parkinson sterben<br />
ohne klare äussere Ursache Nervenzellen<br />
ab, die Dopamin herstellen. Dopamine<br />
sind Botenstoffe, so genannte Neurotransmitter.<br />
«Je weniger Dopamine, desto mehr<br />
motorische Störungen», erläuterte Alain<br />
Kaelin den Zusammenhang. Der Mangel<br />
an Dopamin vermindert letztlich die aktivierende<br />
Wirkung jener Teile des Gehirns,<br />
die für motorische und kognitive Funktionen<br />
des Körpers von grosser Bedeutung<br />
sind. Die Ursachenforschung pendelt<br />
zwischen genetisch bedingten und von der<br />
Umwelt hervorgerufenen Faktoren. Fest<br />
steht: Die natürlichen Eiweissentsorgungs-<br />
Mechanismen in den betroffenen Nervenzellen<br />
funktionieren nicht mehr. Die in den<br />
Zellen produzierten, aber überschüssigen<br />
oder defekten Eiweisse müssen abgebaut<br />
und entsorgt werden. Gelingt dies nicht,<br />
verklumpt das Eiweiss zu «Depots» – so<br />
genannten Lewy-Körperchen – und die<br />
Zellen sterben ab. Warum es dazu kommt,<br />
bleibt bislang unerklärlich – über die<br />
primäre Ursache, die letztlich zum Zelltod<br />
führt, wird in der Forschung weiterhin<br />
heftig spekuliert.<br />
Londoner Arzt als Namensgeber<br />
Mit grosser Wahrscheinlichkeit war<br />
Parkinson schon bei den Griechen und<br />
Bei Parkinson sterben ohne<br />
klare Ursache Nervenzellen<br />
ab, was zu motorischen<br />
Störungen führt.<br />
Römern bekannt, und nicht erst im Industriezeitalter,<br />
wie vielfach angenommen.<br />
Antike medizinische Schriften weisen auf<br />
Krankheiten mit Zittern und Bewegungsstörungen<br />
hin. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts<br />
jedoch beschrieb der Londoner<br />
James Parkinson (1755 bis 1824) das<br />
Krankheitsbild umfassend. Der Arzt und<br />
Apotheker verfasste eine Abhandlung über<br />
die «shaking palsy» – die Schüttellähmung.<br />
Er wies bereits auf das langsame<br />
Fortschreiten der Erkrankung hin und<br />
beschrieb mit scharfer Beobachtungsgabe<br />
die wichtigsten Symptome. Diese sind:<br />
Muskelstarre und -zittern, verlangsamte<br />
Bewegungen – bis hin zu Bewegungslosigkeit,<br />
ein Maskengesicht sowie Haltungsinstabilität.<br />
Während die intellektuellen<br />
Fähigkeiten in der Regel nicht oder nur<br />
wenig beeinträchtigt werden, kann es<br />
vorkommen, dass Denkvorgänge und<br />
sprachliche Äusserungen langsamer<br />
werden. Daneben können verschiedene<br />
vegetative und psychische Störungen<br />
auftreten. Die Symptome werden im<br />
Verlauf stärker und daher auch besser<br />
erkennbar.<br />
Kreativitätsschub möglich<br />
«Es ist keine Schema-Therapie möglich»,<br />
so Michael Schüpbach. Der Neurologe<br />
brachte die Schwierigkeit auf den Punkt:<br />
Die Therapie ist sehr individuell und multidisziplinär.<br />
Der Austausch zwischen allen<br />
Beteiligten, auch die Einbindung des<br />
persönlichen Umfelds des Patienten seien<br />
bedeutend, erklärte Schüpbach.<br />
Gemeinsam könne viel erreicht werden.<br />
Weiter sei entscheidend, so der Neurologe,<br />
neben medikamentösen auch nicht-medikamentöse<br />
Behandlungen einzusetzen –<br />
die Logopädie, die Physiotherapie oder<br />
Sitzungen beim Psychiater etwa. Parkinson<br />
ist zwar nicht ursächlich heilbar, jedoch<br />
können viele Symptome durch Medikamente<br />
behandelt werden: Fehlendes<br />
Dopamin wird ersetzt durch Medikamente,<br />
die wie Dopamin wirken, im Hirn zu<br />
Dopamin umgewandelt werden oder die<br />
den Abbau von Dopamin hemmen. Diese<br />
Behandlung hat die Lebenserwartung und<br />
-qualität der Parkinson-Kranken stark<br />
erhöht. Jedoch lässt die Wirkung der<br />
Medikamente nach fünf bis zehn Jahren<br />
nach. Ausserdem können viele Nebenwirkungen<br />
auftreten: Verwirrtheitszustände,<br />
Halluzinationen, Hypersexualität oder<br />
Spielsucht, die manche Patientinnen und<br />
Patienten in den finanziellen Ruin<br />
getrieben hat. Allerdings ist bei einigen<br />
Betroffenen auch eine ausserordentliche<br />
Kreativität festzustellen: Sie beginnen zu<br />
malen und zu dichten und entdecken auf<br />
diesem Weg eine ganz neue Seite ihrer<br />
Persönlichkeit.<br />
David Fogal<br />
<strong>unilink</strong> April 2010<br />
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