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Repetitionsprüfung Strafrecht Allgemeiner Teil vom 23

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Korrekturblatt Falllösung HS 2010<br />

Matrikelnummer: ______________________________<br />

<strong>Teil</strong> I<br />

Fall 1: Der Bruder<br />

Korrekturhinweis: Lösungsskizze wurde problemorientiert (nicht aufbauorientiert)<br />

formuliert. Ausführungen zu unproblematischen Punkten werden nicht bewertet.<br />

Problemschwerpunkt: Abgrenzung Eventualvorsatz/bewusste Fahrlässigkeit hinsichtlich<br />

Tötung/schwerer Körperverletzung bei erfolgter einfacher Körperverletzung: wie weit<br />

reicht der Vorsatz, wenn der Schlag objektiv gesehen geeignet gewesen wäre, den Tod<br />

herbeizuführen?<br />

Strafbarkeit von B<br />

1. Art. 1<strong>23</strong> Ziff. 2 Abs. 2 StGB<br />

• Schlagring ist eine Waffe i.S.v. Art. 4 Abs. 1 lit d Waffengesetz,<br />

vgl. auch BGE 129 IV 348.<br />

• B hat sich nach Art. 1<strong>23</strong> Ziff. 2 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.<br />

2. Art. 111 i.V.m. Art. 22 StGB<br />

Korrekturhinweis: Themenschwerpunkt ist eine Auseinandersetzung mit der Bestimmung<br />

des Eventualvorsatzes. Diese kann entweder im Rahmen von Art. 111 StGB oder Art. 122<br />

StGB erfolgen.<br />

Vorsatz – Wie ist Äusserung „Gleiches soll mit Gleichem vergolten werden“ angesichts der<br />

Umstände zu werten?<br />

Diskussion: Versuchte eventualvorsätzliche Tötung?<br />

Eventualvorsatz (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB ):<br />

• Legaldefinition; Einwilligungstheorie, Wahrscheinlichkeitstheorie.<br />

• Verweis auf Rechtsprechung Bger, z.B. BGE 130 IV 58 E.8.3.<br />

• Anwendung der Formel des Bgers: Fraglich ist, ob sich dem B der Erfolg seines<br />

Verhaltens (Tod von B) als so wahrscheinlich aufdrängte (Wissen), dass sein Verhalten<br />

(dreimal kräftiges Zuschlagen mit Schlagring ins Gesicht) vernünftigerweise nur als<br />

Inkaufnahme des Erfolges ausgelegt werden kann (Wollen). Vgl. z.B. BGE 130 IV 58;<br />

BGE 6B_477/2009.<br />

Diskussion relevanter tatsächliche Umstände:<br />

• Insbesondere: Grösse, des dem Täter bekannten Risikos der<br />

Tatbestandsverwirklichung? (Wahrscheinlichkeit)<br />

• Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung?<br />

• Beweggründe?<br />

• Art der Tathandlung?<br />

Verweis auf Rechtsprechung, z.B.: BGE 130 IV 58 (Raser); BGE 6B_477/2009; BGE<br />

6B_671/2008; BGE 6B_1025/2009 (Schläger‐Fälle).<br />

Ergebnis: offen. Mit guter Begründung vertretbar, dass sich B nach Art. 111 i.V.m. Art. 22<br />

StGB schuldig gemacht hat.<br />

1


3. Art. 122 Abs. 1 bzw. Abs. 2 i.V.m. Art. 22<br />

• Tatentschluss hinsichtlich Erfolg: Entweder Art. 122 Abs.1 StGB (lebensgefährliche<br />

Verletzung) oder 122 Abs. 2 StGB „Arg und bleibend entstelltes Gesicht bzw. andere<br />

schwere Schädigung an Körper oder Gesundheit“ (→ Einfluss auf Konkurrenzen).<br />

• Theorie Eventualvorsatz: Verweis auf Fall 1.<br />

• Verweis auf Rechtsprechung, z.B. BGE 6B_1025/2009.<br />

Ergebnis: B hat sich nach Art. 122 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 22 StGB schuldig<br />

gemacht.<br />

4. 129 StGB<br />

Korrekturhinweis: Wenn versuchte Tötung und versuchte lebensgefährliche<br />

Körperverletzung bejaht: unechte Konkurrenz zwischen Art. 111 StGB und Art. 129 StGB<br />

bzw. 122 Abs. 1 StGB und 129 StGB (Prüfung kann an dieser Stelle abgebrochen werden;<br />

falls weitere Prüfung, zwingend Auseinandersetzung mit Konkurrenzen). Art. 129 StGB ist<br />

damit höchstens praktisch relevant, wenn Art. 1<strong>23</strong> Ziff. 2 Abs. 2 StGB oder Art. 122 Abs. 2<br />

StGB bejaht wurde. Kann auch im zweiten Fall (Der Fan) diskutiert werden.<br />

Diskussion:<br />

• Funktion Auffangtatbestand (vgl. BSK Aebersold Art. 129 StGB RN 1).<br />

• Passt der TB für Fälle wie den vorliegenden? Vgl. Kasuistik in BSK Aebersold Art. 129<br />

StGB RN 21 ff.<br />

• Wissen: Direkter Vorsatz. Widerspruchfreie Argumentation, vgl. Ausführungen zu Art.<br />

111 StGB bzw. Art. 122 StGB. Fraglich: Sicheres Wissen hinsichtlich Lebensgefährdung?<br />

• Willen: Hat B darauf vertraut, der Tod des Opfers werde nicht eintreten?<br />

Ergebnis: offen. Mit guter Begründung vertretbar, dass sich B nach Art. 129 StGB schuldig<br />

gemacht hat.<br />

5. Art. 128 StGB ? (‐) G wird bereits von Freunden betreut, zudem: Unechte Konkurrenz.<br />

6. Ergebnis und Konkurrenzen:<br />

• Lösung 1: Strafbarkeit von B nach Art. 1<strong>23</strong> Ziff. 2 Abs. 2 StGB und Art. 111 i.V.m. Art. 22<br />

in echter Konkurrenz (h.L.). Art. 129 StGB wird von Art. 111 StGB konsumiert.<br />

ODER<br />

• Lösung 2: Strafbarkeit von B nach Art. 1<strong>23</strong> Ziff. 2 Abs. 2 StGB und Art. 122 i.V.m. 22<br />

StGB (und allenfalls Art. 129 StGB), alles in echter Konkurrenz.<br />

Fall 2: Der Fan<br />

Problemschwerpunkt: Vorsätzliche einfache Körperverletzung führt zu schwerer Schädigung<br />

an Körper und Gesundheit (überschiessender Erfolg). Eventualvorsatz gegeben?<br />

/10<br />

Strafbarkeit von F<br />

1. Art. 122 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB<br />

• Eventualvorsatz: Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit, Theorie (Verweis Fall 1).<br />

Fraglich ist, ob sich dem F der Erfolg seines Verhaltens (schwere KV von L) als so<br />

wahrscheinlich aufdrängte (Wissen), dass sein Verhalten (ein heftiger Schlag gegen die<br />

Brust) vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolges ausgelegt werden kann<br />

(Wollen).<br />

• Umfassende Diskussion der relevanten Umstände (Grösse, des dem Täter bekannten<br />

Risikos der Tatbestandsverwirklichung? Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung?<br />

Beweggründe? Art der Tathandlung?<br />

• Verweis auf Rechtsprechung, z.B. Zürcher Obergericht, 30.11.2009, SE090038, BGE<br />

6P.2/2004<br />

Ergebnis: offen. Mit guter Begründung vertretbar, dass sich F nach nach Art. 122 Abs. 1<br />

bzw. Abs. 2 StGB schuldig gemacht hat.<br />

2. Art. 125 Abs. 2 StGB Falls 122 StGB verneint.<br />

2


3. Art. 1<strong>23</strong> Abs. 1 StGB Falls 122 StGB verneint.<br />

4. Art. 129 StGB Verweis auf Fall 1; falls Art. 122 Abs. 1 StGB angenommen, wird Art. 129<br />

StGB konsumiert.<br />

5. Art. 128 StGB ? (‐) F alarmiert Ambulanz.<br />

6. Ergebnis und Konkurrenzen<br />

• Lösung 1: Strafbarkeit von F nach Art. 122 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB. Art. 129 wird durch<br />

Art. 122 Abs. 1 StGB konsumiert.<br />

ODER<br />

• Lösung 2: Strafbarkeit von F nach Art. 125 Abs. 2 StGB und Art. 1<strong>23</strong> Abs. 1 StGB (und<br />

allenfalls Art. 129 StGB), alles in echter Konkurrenz.<br />

/5<br />

Fall 3: Der Werfer<br />

Problemschwerpunkt: Bewusste Fahrlässigkeit – Eventualvorsatz. Im Unterschied zu Fall 1<br />

und 2 ist das Opfer hier nicht identifiziert. Insofern Ähnlichkeit zu Raserfällen.<br />

Strafbarkeit von W<br />

1. Art. 111<br />

• Adäquate Kausalität (+), da nicht völlig abenteuerlicher Kausalverlauf. Vgl. BGE 6P<br />

20/2005.<br />

• Eventualvorsatz: Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit, Theorie (Verweis Fall 1).<br />

Fraglich ist, ob sich dem W die Tötung von D als so wahrscheinlich aufdrängte (Wissen),<br />

dass das Werfen der Bierflasche vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolges<br />

ausgelegt werden kann (Wollen).<br />

• Umfassende Diskussion der relevanten Umstände (Grösse, des dem Täter bekannten<br />

Risikos der Tatbestandsverwirklichung? Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung?<br />

Beweggründe? Art der Tathandlung?<br />

Ergebnis: Offen. Mit guter Begründung vertretbar, dass sich W nach Art. 111 StGB schuldig<br />

gemacht hat.<br />

2. Art. 117 StGB Falls 111 StGB mangels Vorsatz verneint.<br />

3. Art. 122 StGB Falls 111 StGB mangels Vorsatz verneint.<br />

4. Art. 1<strong>23</strong> Ziff. 2 Abs. 2 StGB Falls 122 StGB mangels Vorsatz verneint.<br />

5. Art. 129 StGB Falls 111 StGB verneint, Verweis auf Fall 1.<br />

6. Ergebnis und Konkurrenzen<br />

• Lösung 1: Strafbarkeit von W nach Art. 111 StGB. Art. 1<strong>23</strong> Ziff. 2 Abs. 2 StGB, 122 StGB<br />

(und allenfalls Art. 129 StGB) werden konsumiert.<br />

ODER<br />

• Lösung 2: Strafbarkeit von W nach Art. 117 StGB, 1<strong>23</strong> StGB und allenfalls Art. 129 StGB<br />

alles in echter Konkurrenz.<br />

ODER<br />

• Lösung 3: Strafbarkeit von W nach Art. 117 StGb und Art. 122 Abs. 1 in echter<br />

/8<br />

Konkurrenz<br />

Klare Struktur, Argumentation, Widerspruchfreiheit, Prägnanz Darstellung, Sprache,<br />

Einhaltung formaler Kriterien.<br />

/3<br />

Total Punkte <strong>Teil</strong> I /26<br />

3


<strong>Teil</strong> II<br />

Allgemeine Kriterien:<br />

• Nicht bewertet werden Ausführungen zu Tatbeständen, die für <strong>Teil</strong> 1 nicht relevant<br />

sind. Ausführungen zu für <strong>Teil</strong> 1 relevante Tatbestände, die dort aber in der Falllösung<br />

nicht thematisiert wurden, werden bewertet, es erfolgt aber ein Abzug wegen<br />

Inkonsistenz.<br />

• Klar erkennbare Struktur/sinnvoller Aufbau.<br />

• Angemessene Verarbeitung der Literatur. Es muss deutlich sein, ob der Autor der<br />

Quelle oder der Falllösung gerade spricht. Schlussfolgerungen, die durch eine Quelle<br />

gestützt werden, aber nicht unmittelbar aus ihr hervorgehen, müssen begründet<br />

werden.<br />

• Klare und deutliche Argumentation, Konsistenz/Widerspruchsfreiheit.<br />

• Prägnanz: Textstellen, die nicht der Beantwortung der Frage dienen, sind zu<br />

vermeiden.<br />

• Sprache und Einhaltung formaler Anforderungen.<br />

a.<br />

Vorgeschlagene Änderungen<br />

1. Anhebung der Höchststrafe für fahrlässige Tötung (Art. 117) von heute 3 auf 5 Jahre.<br />

2. Anhebung der Höchststrafe für fahrlässige schwere Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2)<br />

von heute 3 auf 5 Jahre<br />

3. Erhöhung der Mindeststrafe für schwere Körperverletzung (Art. 122)<br />

4. Art. 129 Gefährdung des Lebens: Einführung einer Mindeststrafe von 6 Monaten<br />

Freiheitsstrafe.<br />

(formal korrekt, inhaltlich aber irrelevant ausserdem: Streichung von Art. 1<strong>23</strong> Ziff. 1 Abs. 2<br />

(Möglichkeit der Strafmilderung in einfachen Fällen) /2<br />

b.<br />

Diskussion der Ziele (Auswahl):<br />

• Dogmatisch schwierige Unterscheidung zwischen bewusster Fahrlässigkeit und<br />

Eventualvorsatz wird relativiert. Vermeidung von Beweisproblemen.<br />

• Berücksichtigung von (vermeintlich?) zunehmender Strafgeneigtheit (Punitivität) der<br />

Bevölkerung.<br />

• Die Erhöhung trägt den schweren Folgen einer vorsätzlichen schweren<br />

Körperverletzung eher Rechnung, als es mit der bisherigen Praxis möglich war.<br />

• Anpassungen aus Angemessenheitsgründen (innerhalb der Strafrahmen des StGBs)<br />

Wichtige Punkte zur kritischen Diskussion (Auswahl):<br />

• Stärkung des <strong>Strafrecht</strong>s/positive Generalprävention/symbolische Strafgesetzgebung?<br />

• Stärkung der Opferposition?<br />

• Präventive Wirkung (insb. neg. Generalprävention)? /14<br />

c.<br />

In der Bearbeitung muss folgende argumentative Struktur erkennbar sein: i) Welche<br />

Änderung? ii) Welches Ziel wird damit verfolgt? iii) Ist die Änderung (angesichts der<br />

empirischen Befunde der Sanktionswirkungsforschung) angemessen, um dieses Ziel zu<br />

erreichen? Deutung der Forschungsbefunde und eigene Argumentation. – Dazu<br />

verwertbare Ergebnisse (Auswahl):<br />

• Schwere der abstrakten Strafdrohung hat keine erkennbare generalpräventive<br />

Wirkung.<br />

• Angenommenes Entdeckungsrisiko bei Alltagsdelikten minderer Schwere hat eine<br />

gewisse generalpräventive Wirkung.<br />

4


• Von Befragten akzeptierte deutliche Missbilligung der Tat durch die Gesellschaft hat<br />

die deutlichste generalpräventive Wirkung.<br />

• Kriminalstrafen werden unabhängig von ihrer Art und Höhe als gravierend empfunden.<br />

Die präventive Ansprechbarkeit der Bevölkerung ist schon im Sockelbereich der<br />

Sanktionenhierarchie erzielt.<br />

• Zusammenfassend ergibt sich, dass gewisse Indizien für die Bedeutsamkeit der<br />

positiven Generalprävention zur Normbekräftigung bestehen, wobei dieser mit einer<br />

Missbilligung des Rechtsbruchs Genüge getan ist, die in aller Regel nicht in einer<br />

förmlichen Bestrafung bestehen muss. Hingegen findet die Vorstellung der<br />

Abschreckung praktisch keine empirische Stütze.<br />

Zu Spezialprävention. Erwartet wird eine kritische Auseinandersetzung mit der<br />

Sanktionswirkungsforschung, also mindestens ein Verweis auf einige methodische<br />

Probleme (Auswahl):<br />

• Schwierigkeit, ein Erfolgskriterium zu finden. Ausbleiben von Straftaten unmittelbar als<br />

Erfolg und weitere Straftaten als Misserfolg zu werten entspricht dem „cum hoc ergo<br />

propter hoc“ Fehlschluss.<br />

• Keine einseitige Abhängigkeit der Legalbewährung von der Sanktionierung; viele<br />

Ursachen.<br />

Punkte können auch mit Ausführungen zu Rückfälligkeit erzielt werden (Auswahl):<br />

Rückfälligkeit ist die Ausnahme, nicht die Regel; Rückfallrate ist tief bei Tötungsdelikten;<br />

Korrelation zwischen harten Sanktionen und hohen Rückfallraten. Je härter die verhängte<br />

Sanktion, desto höher die Rückfallraten (…). Zusammenfassend: Der verfügbare<br />

Erkenntnisstand spricht gegen die bessere spezialpräventive Wirksamkeit härterer<br />

Sanktionierungen. /10<br />

Punkte <strong>Teil</strong> I /26<br />

Punkte <strong>Teil</strong> II /26<br />

Total Punkte /52<br />

Note<br />

5

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