Kittel gegen Kunst - Art Salzburg
Kittel gegen Kunst - Art Salzburg
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<strong>Art</strong><br />
<strong>Salzburg</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
FINE ART FAIR<br />
2011<br />
<strong>Art</strong> <strong>Salzburg</strong> Magazin<br />
Seite<br />
60<br />
<strong>Kittel</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kunst</strong><br />
Er tauschte den Arztkittel <strong>gegen</strong> den <strong>Kunst</strong>handel: Dr. Michael Nöth aus Ansbach<br />
hat Werke der Secessionskünstler und der Künstlergruppen Die Scholle und<br />
Der Blaue Reiter im Angebot<br />
Lovis Corinth (1858–1925),<br />
Drei kleine Mädchen, 1902, Öl auf Leinwand, 62 x 100 cm<br />
Einmal angenommen, der studierte Mediziner Dr.<br />
Michael Nöth könnte eine Zeitreise unternehmen,<br />
vermutlich würde er ins 19. Jahrhundert düsen und<br />
Vincent van Goghs abgeschnittenes Ohr verarzten.<br />
Anschließend würde er sich vom Künstler dann seine<br />
Heilkünste mit einigen Sonnenblumenbildern belohnen<br />
lassen und sie – zurück in seiner Galerie im 21.<br />
Jahrhundert – als wiederentdeckten Schatz einem<br />
solventen <strong>Kunst</strong>liebhaber verkaufen.<br />
Weil sich Dr. Michael Nöth in seinem Beruf als Arzt<br />
nicht ausgelastet fühlte, fing er in den 1980er Jahren<br />
an, nebenbei mit <strong>Kunst</strong> zu handeln. Er besuchte die<br />
Messen in Washington, Chicago, New York und San<br />
Francisco, stöberte weltweit in Privatsammlungen<br />
und war auch sonst viel unterwegs in der <strong>Kunst</strong>welt.<br />
Schließlich beschloss er, den weißen <strong>Kittel</strong> an den Nagel<br />
zu hängen und ganz in den <strong>Kunst</strong>handel einzusteigen:<br />
2005 eröffnete er im mittelfränkischen Ansbach<br />
seine eigene Galerie, die Homebase für seine internationale<br />
Sammler- und Händlertätigkeit.<br />
Seither sucht er, flankiert von Regina Gerisch, einer<br />
<strong>Kunst</strong>historikerin und ehemaligen Gemäldeexpertin bei<br />
Sotheby’s, vor allem nach deutschen und französischen<br />
Gemälden um 1900; wobei ihn Werke der verschiedenen<br />
Secessionskünstler und der Künstlergruppen Die<br />
Scholle und Der Blaue Reiter besonders reizen. Und so<br />
sind in seiner Galerie unter anderem Gabriele Münter<br />
und Otto Modersohn, Carl Spitzweg und Emil Nolde,<br />
Edward Cucuel und Lovis Corinth vertreten.<br />
Einen Schwerpunkt widmet Dr. Michael Nöth auf der<br />
diesjährigen <strong>Art</strong> <strong>Salzburg</strong> den Impressionisten. Zwei<br />
nackte Frauen, die tropfnass den Fluten eines Sees entsteigen,<br />
zeigt das 1912 entstandene Gemälde „Nach dem<br />
Bad I“ des Meraner Künstlers Leo Putz (1868–1940).<br />
Während sich die eine, noch halb im Wasser stehend,<br />
gerade das Kleid über den Kopf streift und dabei ihren<br />
Abb. Dr. Michael Nöth, Ansbach
<strong>Art</strong> <strong>Salzburg</strong> Magazin<br />
Seite<br />
61<br />
Paule Gobillard (1869–1946),<br />
Der Park von Le Mesnil, Öl auf Leinwand, 61 x 44,5 cm<br />
wohlgeformten Körper aufreizend<br />
entblößt, präsentiert sich<br />
die andere mit einem Handtuch<br />
vor der Scham im Seitenprofil.<br />
Ein intimes, farbintensives<br />
Naturschauspiel in Grün und<br />
Blau, kombiniert mit roten und<br />
braunen Pinseltupfern.<br />
Das Ölbild gehört zu einer Serie<br />
von Aktbildern, die Leo Putz<br />
an der bayerischen Eggstätter<br />
Seenplatte rund um Schloss<br />
Hartmannsberg malte. Um die<br />
Lichtverhältnisse auf den nassen<br />
Körpern besser einfangen<br />
zu können, machte Putz zuvor<br />
ein Schwarzweiß-Foto. Das<br />
signierte Ölbild gelangte nach<br />
1945 in den Besitz von Freunden<br />
des Künstlers. Helmut Putz,<br />
der Sohn des Malers, tauschte<br />
es in wirtschaftlich schwierigen<br />
Zeiten <strong>gegen</strong> Lebensmittel ein,<br />
getreu dem Motto: <strong>Kunst</strong> für<br />
Kartoffeln.<br />
Züchtig bekleidet hin<strong>gegen</strong><br />
sind die „Drei kleinen Mädchen“<br />
des deutschen Impressionisten<br />
Lovis Corinth (1858–<br />
1925). Die Schwestern, allesamt<br />
in weißen Kleidern hübsch aufgereiht,<br />
fixieren den Betrachter<br />
mit strengen Blicken. Während<br />
das linke Kind ein Segelschiff<br />
in der Hand hält, umfasst das<br />
rechte eine Blume. Nur das<br />
Mädchen in der Mitte versprüht<br />
einen Hauch von Erotik, ihr<br />
Kleid ist über die Schultern<br />
gerutscht und legt ein blasses<br />
Dekolleté frei.<br />
Laut Corinths Ehefrau sieht<br />
man hier das Gruppenporträt<br />
dreier kleiner Frauen. Damalige<br />
Zeitgenossen charakterisierten<br />
sie folgendermaßen: die<br />
Sportliche mit Schiff, die Zerbrechliche mit Blume,<br />
die Kokette mit den nackten Schultern. Das Bild entstand<br />
1902. In jenem Jahr wurde Lovis Corinth in den<br />
Vorstand der Berliner Secession gewählt, zugleich intensivierte<br />
sich die Beziehung zu seiner Schülerin und<br />
späteren Frau Charlotte Berend: Mit ihr verbrachte er<br />
im selben Jahr den Sommer in Horst in Pommern an<br />
der Ostsee, wo auch das Gemälde entstand.<br />
Menschenleer kommt das Gemälde „Der Park von Le<br />
Mesnil“ von Paule Gobillard (1869–1946) daher. Die<br />
französische Impressionistin, eine Nichte der Malerin<br />
Berthe Morisot, war häufig zu Gast auf dem in Nordfrankreich<br />
gelegenen Schloss Le Mesnil, das ihrer<br />
Cousine Julie Manet gehörte. Das in hellen Pastelltönen<br />
hingetupfte Bild zeigt den Ausschnitt einer<br />
idyllischen Gartenlandschaft mit Nadelbäumen und<br />
Blumenbeeten und erinnert stilistisch an die Bilder<br />
von Auguste Renoir.<br />
Dieser kümmerte sich nach Berthe Morisots Tod um<br />
Gobillards künstlerische Ausbildung. Regelmäßig<br />
malten sie gemeinsam in freier Natur. Das Studium<br />
und die frische Luft lohnten sich: Bald schon stellte<br />
Paule Gobillard auf dem Pariser Herbstsalon Salon<br />
d’Automne aus und später dann auch in der legendären<br />
Galerie Durand Ruel, die sich besonders für die<br />
Impressionisten einsetzte.<br />
N.H.<br />
Händleradresse siehe S. 97